Julie Delpy - myspotlessmind.de

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Julie Delpy - myspotlessmind.de
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[Interview: Anette Frisch I Fotos: Katja Ruge]
Julie Delpy
"Ich habe die Tendenz, dass das
Schiech teste 111ich erwischt~"
Zeit und Raum: 17.09.2003 in einem Hotel, Harnburg
Frau Delpy, bisher waren Sie vorwiegend
als Schauspielerin aus Filmen wie "B ejo1·e
Sunrise" und "Drei Farben Weiß" bekannt.
Nun haben Sie Ihre erste CD veröffentlicht, die Sie in Ihrer französischen Heimat aufgenommen haben. Wohnhaft
sind Sie hingegen seit zwölf Jahren in
Amerika.
Julie Delpy: Ja, seit zehn Jahren in Los
Angeles , vorher zwei Jahre in NewYork.
Was mögen Sie an Los Angeles?
Delpy: Erst einmal ist es mir wichtig, weit
genug von Paris entfernt zu leben .
Warum?
Delpy: Ich muss so weit wie möglich von
meinen Eltern entfernt leben, damit ich
die Nabelschnur durchtrennen kann.
Das war wirklich der Grund, warum Sie
Paris verlassen haben?
Delpy: Ja, denn in Paris lebten wir sozusagen zusammen. Ich musste irgendwann
mein eigenes Leben beginnen.
Dafür sind Sie wirklich weit weg gegangen . Sie hätten doch auch nach London
ziehen können.
Delpy: Um vo n meiner Mutter wegzukommen, musste ich ein sehr weit entferntes Ziel wählen . Ich sage das jetzt
nur, weil es in einem deutschen Magazin
steht und sie das sowieso nicht erfährt.
(lacht) Spaß beiseite, ich liebe sie über
alles, aber wir haben so eine GrrrgggBeziehung. (ahmt einen Würgegriff nach)
Es hat Jahre gedauert, bis ich dahinter
kam. Aber das ist wirklich die Wahrheit.
Ich musste von meiner Familie weg, von
meiner Vergangenheit, so weit wie mög-
lieh. NewYork war nicht weit genug, so
bin ich letztendlich dann in Los Angeles
gelandet.
Was hat Sie an Los Angeles gereizt?
Delpy: L.A. ist ein sehr kulturelles Pflas ter, was man erst mal so nicht glaubt. In
den letzten zehn Jahren hat sich die Stadt
sehr verändert - ich würde sagen, L.A. ist
vergleichbar mit NewYork, vielleicht
sogar noch ein bisschen kultivierter,
wenn es um Kunst, Musik und Kino geht.
Ich lebe dort ein sehr leichtes Leben,
alleine mit meiner Katze Max. Sie stört
mich nicht und stellt keine Forderungen.
Das ist perfekt für mich. Sie lässt mich in
Ruhe, aber gibt mir das Gefühl, nicht
alleine zu sein. Wenn ich zum Beispiel
Musik mache, sitzt sie mir gegenüber,
wenn ich schreibe, liegt sie meist auf
einem PapierstapeL Sie ist sanft und
liebevoll, nicht wie ein Hund, der andauernd kläfft. Ich passe perfekt zu Katzen.
Wo fühlen Sie sich zu I-lause?
Delpy: Ich glaube, in Los Angeles. Ich
habe im Haus meiner Eltern in Paris zwar
immer noch ein kleines Studio, aber in
L.A. habe ich ~in schönes Haus und all
meine Sachen. Ich bin dort to tal unabhängig. Ich brauche das.
Und Europa? Paris? Haben Sie keine
Sehnsucht?
Delpy: Ich fliege mindestens dreimal im
Jahr nach Paris. Es ist ein anderes Leben
dort. Ich liebe beides, ich fühle mich französisch und amerikanisch zugleich. Die
meisten meiner Freunde kommen aus
den unterschiedlichsten Nationen. Ich
fühle mich wohl mit Leuten , die schon
in unterschiedlichen Teilen der Welt
gelebt haben.
Kommen wir auf die Musik zurück. Wo
haben Sie das Komponieren gelernt?
Delpy: Ich habe es nie gelernt. Ich mache
Musik, seit ich sieben Jahre alt bin. Bis ich
20 Jahre alt war, habe ich Klarinette gespielt. Ich habe also einen musikalischen
Hintergrund in den Bereichen Klassik
und Jazz. Dann habe ich viel geschauspielert und acht Jahre gar keine Musik
mehr gemacht. 2000 habe ich dann zur
Gitarre gegriffen .
Wie entwickeln Sie Ihre Melodien?
Delpy: Während ich Gitarre spiele und
mich ausprobiere, entstehen Melodien. Es
kann sein, dass meine musikalische Vergangenheit sich heute in Melodien findet.
Es ist ein ganz natürlicher Prozess, weil
ich Musik so jung gelernt habe. Ich arbeite wirklich nicht hart, um Melodien zu
schreiben. Sie kommen einfach.
Wie die Texte, die aus Ihrem persönlichen
Background entstehen?
Delpy: Genau, Musik ist für mich eine
Sprache. Wenn du eine Sprache lernst,
wenn du sehr jung bist, dann sprichst du
sie immer, auch wenn du zwischendurch
eine Pause gemacht hast.
In Paris erfährt das Chanson derzeit eine
Art Neuentdeckung, zum Beispiel durch
Künstler wie Benjamin Biolay oder
Dominique A.. Ihr Album hingegen ist
kein bisschen Chanson. Sie liegen mit
Ihrer Musik nicht gerade im Trend.
GALORE 02
,_ _
"Wenn man sich in seiner Arbeit verliert, ist das
immer eine positive Erfahrung. Wenn man sich in
einem Menschen verliert, geht das meist daneben."
Delpy: Genau das liebe ich: NichtTeil
eines Trends zu sein.
Ihr Album klingt sehr amerikanisch.
Delpy: Ich liebe Frankreich und ich liebe
französischen Chanson, Serge Gainsbourg oder Louis Ferret, das ist meine
Heimat, daher komme ich . In Amerika
habe ich im Laufe der Jahre meine
Leidenschaft für Folk und Rock entdeckt.
Ich mag Neil Young, Beck, Lau Reed, Jeff
Buckley, Bowie, Beatles, Nick Drake, PJ
Harvey und Radiohead.
Dennoch haben Sie Ihr englisch gesungenes Album in Frankreich aufgenommen. Wie kam es dazu?
Delpy: Zusammen mit einem Gitarristen
trete ich seit einiger Zeit in kleinen Clubs
in L.A. auf, manchmal auch alleine.
Jemand in Paris härte meine Musik, ein
Mitarbeiter des Labels ,Cn§pescule', den
ich kannte. Er sagte: "Lass uns ein Album
zusammen machen." Ich hielt das für
einen Witz. Es hat ein Jahr gedauert, bis
ich mich dazu entschloss. Ich war lange
Zeit unsicher. Und dann haben wir's gemacht, Ende 2002, innerhalb von zwei
Wochen in Paris. In Frankreich erschien
mein Album gerade in der großen Krise
zwischen Amerika und Frankreich. Ich
habe also alles getan, um von den französischen Kritikern gekreuzigt zu werden.
Und, hat das geklappt?
Delpy: Nein, das Album verkauft sich
. trotz allem sehr gut. Ein Kritiker fand
mein Album unerträglich, weil es so düster wie die Musik von Lau Reed klinge. Ein
schöneres Kompliment konnte er mir gar
nicht machen.
Das Thema Ihres Albums ist aber typisch
französisch. Es geht um nichts anderes
als die Liebe.
Delpy: Ich finde nicht, dass das typisch
französisch ist. Es könnten auch typisch
amerikanische Folksongs sein.
Ihre Texte erinnern aber zuweilen stark
an das poetische Liebesleid von Serge
Gainsbourg.
Delpy: In der Hinsicht gebe ich Ihnen
Recht. Es sind nicht viele glückliche
Liebeslieder drauf.
Genau genommen kein einziges. Leiden
ist in Ihren Songs garantiert. Ist das Ihre
Liebesphilosophie?
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Delpy: Na ja, sagen wir: Es gibt die perfekte Liebe nicht. In erster Linie ist Liebe
Ärger und Chaos. Für einige Menschen
trifft das wahrscheinlich nicht zu, für
mich aber garantiert.
Für Ihre Art zu leben oder zu lieben?
Delpy: Beides. Das normale, regelmäßige
Liebesleben, das ich auch hatte, hat mich
nie inspiriert. So etwas wie: Wir sind ein
glückliches Paar, sagen uns freundlich
Guten Morgen, schauen jeden Abend
fern, und küssen uns zum Abschied.
Was soll ich darüber schreiben?
In Ihrem Song "Lame Love" geht es um
einen One Night Stand. Sie stehen dem
sehr kritisch gegenüber.
Delpy: Ja. Frauen sind emotionaler. Ich
könnte falsch liegen, aber... (überlegt) Es
hängt vielleicht von dem 'TYP Frau ab, ich
kann es eigentlich nicht generalisieren.
Wie ist es bei Ihnen?
Delpy: Ich bin sehr, sehr sensibel. Ich
weiß, dass ich keine One Night Stands
haben kann, sie sind schlecht für mich.
Ich bin viel zu verletzlich. Um mich zu
schützen, gehe ich in Sachen Liebe
immer sehr vorsichtig vor. Du musst
genau wissen, wer du bist. Ich kenne
Frauen, die damit kein Problem haben,
aber ich weiß, dass ich so nie sein kann.
Sie trauen der Liebe nicht. In Ihren Songs
folgt ihr immer die Trennung, nie gibt es
ein Happy End.
Delpy: Heutzutage können wir unsere
Partner frei wählen und oft genug treffen
wir die falsche Wahl. Menschen enden
damit, sich aus falschen Gründen allE;;in
zu fühlen.
Sie bevorzugen also die Isolation, das
Alleinsein?
Delpy: Ja. Ich liebe es über alles, alleine zu
sein.
Warum?
Delpy: Ich liebe es, mich auf die Arbeit zu
fokussieren und zu konzentrieren . Es ist
ein schönes Gefühl. Eine Situation, die
mich erfüllt. Und ich kann es nur tun,
wenn sich meine Umgebung in totaler
Ruhe befindet, niemand meine Aufmerksamkeit will. Ich stelle mein Telefon ab
und niemand kommt vorbei. In L.A. kommen die Leute nicht spontan vorbei, weil
die Wege weit sind und die Leute alles
mit dem Auto erledigen. Meine Freunde
respektieren das. Sie wissen, dass ich
manchmal tagelang alleine sein will.
So, wie Sie sich jetzt im Interview geben,
ist das schwer vorstellbar. Sie wirken sehr
mitteilungsfreudig und haben viel zu
erzählen.
Delpy: Ja, so ist das auch . Ich bin gern mit
Menschen zusammen. Aber ich brauche
das eine und das andere. Nur zusammen
macht es Sinn.
Vielleicht ist es sicherer, sich in der Arbeit
zu verlieren als in der Liebe?
Delpy: Ja, das kann schon sein. In der
Liebe musst du dich auf jemand anderen
verlassen, bei der Arbeit nur auf dich
selbst. Das ist besser für mich. Ich glaube
nicht an die Liebe. Wenn du dich in ihr
verlierst, ist das sehr gefährlich. Es liegt
nicht in deiner Macht, wie sehr der andere dich liebt. Wenn man sich in seiner
Arbeit verliert, ist das immer eine positive Erfahrung. Wenn man sich in einem
Menschen verliert, geht das meist daneben.
Sich in Liebe zu verlieren würde demnach
Kontrollverlust bedeuten?
Delpy: Mich in der Liebe zu verlieren,
würde bedeuten, dass ich verletzt werden
würde. Und das möchte ich nicht.
Aber das ist doch immer das Risiko, das
man eingeht...
Delpy: Ja. Aber ich will dieses Risiko nicht
mehr eingehen .
Sie entschließen sich also mit 33 zu
einem lebenslangen Single-Dasein?
Delpy: Okay, Einspruch. Vielleicht würde
ich mich verlieben, wenn ich die Person
mehr als 100 Prozent kenne. Ich muss
sehr langsam und sehr vorsichtig vorgehen.
Haben Sie eine Idee, wie ein ideales
Liebesleben für Sie aussehen könnte?
Delpy: Meine ideale Beziehung würde
sehr offen sein. Mein Partner und ich sollten in getrennten Häusern leben, und in
der Mitte wäre ein Haus, in dem man sich
trifft und gemeinsame Zeit mit den Kindern verbringt- wenn wir welche hätten.
Ich brauche einen Bereich, in den ich
mich komplett zurückziehen kann . Das
wäre natürlich problematisch, wenn ich
KGld'er hätte. Ich liebe Kinder, aber im
"Ich mag diesen fein en
Balanceakt: Auf der einen
Seite erwartet dich der Tod,
auf der anderen das Leben.
Ich befinde m ich immer an der
Grenze, was gefährlich is t aber ich bin geübt darin.
Ich mache das jetzt schon
seit 33 Jahren. "
gleichen Moment brauche ich diese Zurückgezogenheit so stark: Ich weiß also
nicht, wie ich mit Kindern überleben sollte. Mit jemandem zusammenzuleben ist
für mich nicht gut.
Haben Sie es denn mal ausprobiert?
Delpy: Ja, aber ich habe herausgefunden,
dass Männer das nicht verstehen. Sogar
die kreativsten Männer, die wissen, wie
wichtig der Rückzug ist, haben das nicht
verstanden. Sie sind sehr schnell bedürftig nach Aufmerksamkeit. Diese Anforderung ist schwer für mich, weil ich dann
meine Bedürfnisse nicht mehr sehe, nicht
mehr das mache, was ich will. Dann
werde ich richtig depressiv. Das sieht
man mir vielleicht nicht an, aber ich habe
große Angst, meine Unabhängigkeit zu
verlieren. Im Grunde suche ich einen
Mann, der so eine Art Ehefrau ist, sich
also um die Kinder und den ganzen Kram
kümmert, während ich arbeite. Grundsätzlich ist es aber so, dass Männer, auch
wenn sie noch so offen denken, sich in
dieser Rolle fremd fühlen.
Neben der Liebe spielt die dunkle Seite
des Lebens aufihrem Album eine wichtige Rolle . An einer Stelle singen Sie "wenn
ich einen Mann schwimmen sehe, erinnert mich das an ein ertrinkendes
Kind". "Ready ToGo" handelt von jemandem, der sich das Leben nehmen möchte.
Delpy: Ich habe diese Tendenz in mir. Wie
Filmsequenzen blitzen diese Vorstellungen in mir auf. Es ist diese konstante
Angst, Leute zu verlieren. So ist es auch in
Beziehungen: Habe ich mich gerade verliebt, denke ich gleich daran, was in zwei
Jahren sein wird. Ich sehe die Trennung
und das ganze emotionale Chaos, das
damit verbunden ist. Das macht einen
ziemlich ängstlich. Ich habe die Tendenz ,
dass das Schlechteste mich erwischt. In
dieser Hinsicht kämpfe ich sehr mit mir.
Malen und Musik sind für mich Mittel,
mein Leben zu retten. Ich glaube nicht,
dass ich mich tatsächlich umbringen
würde, aber ich habe diese sehr dunkle
Seite in mir. Sie ist il}ein ständiger Begleiter.
Woher kommt das?
Delpy: Ich weiß nicht, wo sie herrührt,
warum sie da ist. Als Kind brachte ich
meiner Mutter einmal eine tote Katze, die
ich auf der Straße~funden hatte, nach
Hause. Als Teenager war ich lange davon
überzeugt, an einem Hirntumor zu leiden. Das Dunkle sitzt tief in mir. Ich will
es nicht, aber es ist eben ein Teil von mir.
Ich habe es geschafft, nicht den Drogen
oder dem Alkohol zu verfallen. Wenn ich
nicht auch so optimistisch wäre, hätte ich
mich wohl schon vor langer Zeit umGALORE 02 I 87
"Als Teenager war ich lange davon überzeugt, an
einem Hirntumor zu leiden. Das Dunkle sitzt tief in
mir. Ich will es nicht, aber es ist eben ein Teil von mir."
gebracht- ich wäre keine 20 Jahre alt geworden. Aber ich weiß, dass aus dieser
negativen, düsteren Sicht schöne Dinge
entstehen können und ich bin sehr froh ,
dass ich Künstlerin bin. Es ist immer
noch erstaunlich , wie sehr mich Situationen treffen, wie zum Beispiel die Tode
von Jeff Buckley und River Phoenix. Für
sie habe ich den Song "Black & Gray" ge schrieben. Ihre Zerbrechlichkeit faszinierte mich . Wenn ich River Phoenix auf
der Leinwand sah, hatte das eine so
enorm intensive Zerbrechlichkeit, von
der ich fühl te, dass sie auf der Stelle wieder verschwinden würde. Seine Ausstrahlung hatte etwas Magisches. Ich
habe eine Seite in mir, die ähnlich ist,
aber ich danke Gott, dass ich stärker bin.
Ich habe so eine Art Überlebensinstinkt
Darüber bin ich sehr glücklich .
Ihre Analyse kli ngt wie die Ankündigung
Ih res viel zu frühen Todes. Ein bissch en
zynisch vielleicht.
Delpy: Nein, nein , so ist es nicht gemeint.
Ich mag aber diesen feinen Balanceakt:
Auf der einen Seite erwartet dich der Tod,
auf der anderen das Leben. Ich befinde
mich immer an der Grenze, was gefäh rlich ist- aber ich bin geübt darin. Ich
mache das jetzt schon seit 33 Jahren.
Die Depression ist demnach Teil Ihrer
Kreativität?
,Delpy: Den Begriff Depression muss man
bei mir relativieren. Denn ich bin mir
meiner depressiven Grundstimmung so
bewusst, dass eine Depression bei mir
viel ungefährlicher ist, als bei 90 Prozent
der Menschen, die Ähnliches empfinden.
Ich weiß genau, was sie ist, wann sie
kommt. Ich kenne sie genau, sie ist mein
bester Freund. Diese Art von Zerrissen heit stimuliert mich kreativ. Ich will
damit nicht sagen, dass man, wenn man
optimistisch ist, nicht kreativ sein kann.
Das kann man definitiv. Aber ich mag lieber, was sich aus der anderen , der düsteren Seite ergibt. Vielleicht ist mein Album
nich t perfekt , weil es innerhalb von nur
zwei Wochen aufgenommen worden ist,
aber wenn Leu te es dennoch mögen, werden sie feststellen, dass die düstere Note
nicht gespielt ist, sondern m einer Wahrheit, meinen innersten Empfindungen
entspricht.
Die Tiefe Ihres Albums überrascht in der
Tat. Durch Ihre Filmrollen in "Before Sunri se" oder "Drei Farben: Weiß" konnte man
Sie durchaus als ein wenig oberflächlich
empfinden.
Delpy: Als SchauspieleTin drückt man
sich selbst nicht aus , obwohl wir in "Before Sunrise" einen Teil der Dialoge selbst
geschrieben haben . Dennoch: Die meiste
Zeit folgst du der Idee des Regisseurs,
dein Charakter, deine Persönlichkeit bleiben auf der Strecke . Deshalb kann ich
auch nicht nur schauspielern. Es bedeutet immer, den Gedanken anderer zu folgen. Je älter ich werde, desto mehr fühle
ich mich zum Autobiografischen hingezogen: zum Schreiben, Malen, Komponieren. Wenn ich nur Schauspielerin wäre,
wäre das ein Grund für mich, wirklich
der Depression zu verfallen.
Was ist aus Ihre r Karriere als Regisseurin
geworden ? Sie haben ja bereits drei Kurzfilme gemacht.
Delpy: Einen Kurzfilm und zwei experimentelle Features. Es ist schwierig, für
die Filme an Geld zu kommen. Solche
Projekte sind kostspielig und ich muss
Kooperationspartner finden. Dabei hatte
ich Pech, eine Filmfirma i_s t-pleite gegangen, ich habe Geld verloren und damit
ist ein weiteres Projekt wohl erst einmal
gestorben.
Ihr ne ue r Film "Before Sunrise 2" ersch eint
im Herbst im Kino. Neun Jahre sind seit
dem ersten Teil vergangen. Wie ist der
Dreh gelaufen?
Delpy: Mein Filmpartner Ethan Hawke,
der Regisseur Richard Linklater und ich
h aben etwas sehr Seltenes: Wir sitzen in
einem Raum u nd sind kreativ. Es sind die
ein zigen beiden Menschen, mit denen ich
das kann. Es ist wunderbar. Wir schreiben
wie die Verrückten, wir haben eine so
gute Zeit zus ammen, das ist unbeschreiblich. Ich bin eher ein jungenh after 'JYp,
auch wenn das nicht so erscheinen mag.
Wen n ich mitJun gs zusammen bin,
werde ich wie sie. Ich mache dann die
gleichen dreckigen Witze - häufig sogar
dreckiger, es macht m ir Spaß, sie zu übertreffen. Die letzten anderthalb Monate
des Drehs waren für mich die beste Zeit,
die ich in den letzten acht Jahren hatte.
Kön nen Sie ein wenig mehr vom Inhalt
erzählen?
Delpy: Nur so viel: Ethan ist Sch riftsteller
und auf einer Lesereise in Paris , ich arbeite im Umweltschutz. Wir leben ein sehr
unterschiedliches Leben. Dabei ist der
Zeitsprung interes sant: Als Twens h aben
wir uns nicht um die Realität gekümmert,
sondern einfach eine Nacht zusammen
verbracht. Jetzt ist das anders. Wir sind
älter geworden und auf einmal spielen
Konventionen un d Verantwortun g eine
wichtige Rolle. Richard Linklater will dem
Paar folgen und in zwei, drei Jahren einen
dritten Teil drehen. Dann sind wir noch
älter, noch erwachsener. Es ist interes sant zu sehen, wie sich die Liebe im Lauf
der Zeit verändert. Ich selbst habe mich
sehr verändert. Ich hatte ziemlich viel
persönlichen Stress in meinem Leben.
Aber ich bin daran gewachsen. Ich mag
mich jetzt lieber als früher. :::
Filmagrafie Detective (1985) , Classique (1985), Die Nacht ist jung (1986), Die Passion der Beatrice (1987), L'autre Nuit (1989),
Homo Faber (1991), Hitlerjunge Salomon (1991), Warszawa (1992), Younger And Younger (1993), Drei Farben: Blau (1993),
Die drei Musketiere (1993) , Drei Farben: Weiß (1994), Drei Farben: Rot (1994), Killing Zoe (1994), Blah Blah Blah (Kurzfilm, 1995),
Before Sunrise (1995), 'JYkho Moon (1996), Les Mille Merveilles De L'univers (1997), An American Werewolf In Paris (1997) ,
The Treat (1998), Schuld und Sühne (1998) , L.A. Without A Map (1998) , But I'm A Cheerleader (1999),
Ayn Rand- Leben und Liebe für die Literatur (1999) , Sand (2000), Tell Me (2000), MacArthur Park (2001),
Jnvestigating Sex {2001), Villa Des Roses (2002) , Looking For Jimmy (2002) Discografie Julie Delpy (2003)
88 I GALORE 02