Leseprobe dieses Buches
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Leseprobe dieses Buches
Hilary Hart Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität Arbor Verlag Freiamt im Schwarzwald Copyright © 2005 The Golden Sufi Center, P.O. Box 428, Inverness, CA, 94937-0428, USA, www.goldensufi.org Copyright © der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag, Freiamt, 2005. Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Unknown She: Eight Faces of an Emerging Consciousness Foto Andrew Harvey: © 2005, Andrew Harvey Foto Ani Tenzin Palmo und Nonnen: © 2005, Monica Joyce Foto Sobonfu Somé: © 2005, Tania Barricklo Foto Myosho Virginia Matthews: © 2005, Michelle Montalbano Restliche Fotos: © 2005, Hilary Hart Alle Rechte vorbehalten 1 2 3 4 5 Auflage 05 06 07 08 09 Erscheinungsjahr Titelfoto: © Klaus Ender, 2005 Lektorat: Amrei Schwalm, Korrektorat: Dr. Richard Reschika Druck und Bindung: Kösel, Krugzell Dieses Buch wurde auf 100% Altpapier gedruckt und ist alterungsbeständig. Weitere Informationen über unser Umweltengagement finden Sie unter www.arbor-verlag.de/umwelt. www.arbor-verlag.de ISBN 3-936855-18-8 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 In das Geheimnis eintreten . . . . . . . . . . . . . . 17 Angela Fischer Pansy Hawk Wing In Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Andrew Harvey Glanz des Lichtes, Blut der Schöpfung . . . . . . . . . 87 Jackie Crovetto Sturm der Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Ani Tenzin Palmo Die zweiundzwanzig Taras . . . . . . . . . . . . . . 173 Die weibliche Art zu leben . . . . . . . . . . . . . . 205 Sobonfu Somé Lynn Barron Die Unbekannte Sie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Myosho Virginia Matthews Alles ist heilig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 315 Vorwort Gibt es ein mystisches Bewusstsein, das besonders natürlich für Frauen ist? Wenn es das gibt, wie beeinflusst es die spirituelle Transformation von Frauen und die spirituelle Transformation der Menschheit? Diese Fragen führten mich aus einem buddhistischen Kloster am Fuße der goldgrünen Vorberge des Himalaja nach Glastonbury in England, einem Ort der Sagen um König Artus; aus dem Chaos von Las Vegas in die warme Dunkelheit einer Schwitzhütte in Denver. Fast zwei Jahre lang arbeitete ich eng mit acht Mystikern zusammen – sieben Frauen und einem Mann –, die aus einer großen Bandbreite von Traditionen kommen, Lakota Sioux, Sufismus, Buddhismus und Westafrikanischer Schamanismus inbegriffen, die ganze Zeit nach Hinweisen suchend, die die verschiedenen Gesichter eines spirituellen Bewusstseins, das eine der Mystikerinnen als die Unbekannte Sie bezeichnete, aufdecken sollten. Mit fast allen, die ich interviewte, verbrachte ich mehrere Tage oder Wochen, versuchte mich in ihr Leben und in die Energie, die durch sie fließt, einzufühlen. Ich wollte eine Spiritualität vermitteln, die nicht nur gelehrt, sondern auch gelebt wird, eine Spiritualität, die sich durch Gegenwart und einfaches Sein vermittelt. So wie wir zusammen lachten, aßen, spazieren gingen und meditierten, lernte ich diese Menschen kennen, und was noch wichtiger war: Ich bekam einen Einblick, wie sie eingesetzt werden, um die spirituelle Entwicklung der Welt voranzutreiben. Jedes Kapitel forderte meine ständige Konzentration und war ein Test für mein Durchhaltevermögen, verlangte ein Ausmaß der Hingabe, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Angefangen mit der scheinenden, flimmernden Dunkelheit von Jackie Crovetto und der weichen, fließenden 8 Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität Nahrung von Pansy Hawk Wing bis hin zu der ansteckenden Freude von Andrew Harvey und der wilden Leere von Lynn Barron – diese Energien zogen mich gnadenlos immer tiefer in mich selbst hinein und führten mich über mein Selbst hinaus. Es dauerte Monate, während derer ich in einem Kaleidoskop des Unbekannten, in sich ständig neu formenden Mustern von Wissen und Sein verloren war, bis ich langsam gemeinsame Fäden und gemeinsame Qualitäten entdeckte. Und obwohl die Antworten auf die Fragen, die zu diesem Buch geführt haben, in dem Buch selbst am besten formuliert werden, kann ich als Einführung sagen, dass sich ein mystisches Bewusstsein anscheinend durch Frauen offenbart und durch das, was wir als „weibliche“ Qualitäten bei Männern und Frauen bezeichnen. Ein mystisches Bewusstsein, das die Liebe selbst ist, eine neue Energie und Kraft der Einheit, der spirituellen Transformation, des reinen Seins. Da dieses Bewusstsein jenseits der Dualität angesiedelt ist, jenseits der Unterscheidung zwischen Männlich und Weiblich, scheint es sich jetzt durch eine Art und Weise des Seins und der Beziehung zu offenbaren, die Frauen höchst vertraut ist. So wie sich diese höhere Energie aus der Leere des Jenseits in die geschaffene Welt ergießt, enthüllt sie sich durch das Mysterium des weiblichen Verständnisses, aus den Tiefen des Unbewussten emporsteigend, in einen neuen Glanz getaucht, den man ganz einfach als Sie bezeichnen kann. Die Notwendigkeit der Zeit Die meisten, die zu diesem Buch beigetragen haben, sehen das dringende Potenzial der Menschheit, eine neue Beziehung zum Göttlichen und zum ganzen Leben einzugehen. Wir können dieses Potenzial im Bewusstsein erfahren, wenn wir uns der Energie der Liebe und der Einheit zuwenden, die gegenwärtig ist, „ein riesiges Netz von Licht, Verbindung und Weisheit“, wie Sobonfu Somé es beschreibt. Andrew Harvey nennt diese Energie „die Kraft, die Stärke, die Majestät und das extreme Mitgefühl der Mutter“. Und Jackie Crovetto sagt einfach: „Es gibt eine neue Energie, die in die Welt kommt.“ Wie auch andere in dem Buch erklärt Lynn Vorwort 9 Barron, dass sie nicht wirklich neu ist, sondern schon immer da war, meist verborgen. „Es ist eine uralte Weisheit“, sagt sie, „die in unsere moderne Zeit kommen wird.“ Spirituelle Traditionen haben schon seit langem begriffen, dass das mystische Leben uns immer wieder zurück an den Anfang führt, uns dahin zurückbringt, von wo wir ausgegangen sind, mit einem immer tieferen Verständnis und immer weiteren Horizonten. Als Buddha vor seinen Schülern eine Blume hoch hielt – bot er ihnen etwas anderes an als die Erfahrung, zu den einfachsten Wahrheiten und einfachsten Dingen des Seins zurückzukehren? Ist das nicht das, was Rumi meinte, als er schrieb: „Bettler umkreisen die Tische, Hunde umkreisen das Aas, der Liebende umkreist sein eigenes Herz …“? Daher macht es Sinn, für einen neuen Zweck zu etwas Uraltem zurückzukehren, uns in der Entwicklung unseres Bewusstseins spiralförmig wieder einem Punkt zuzuwenden, der uns sowohl bekannt als auch voller Möglichkeiten erscheint. Wenn wir es schaffen, uns selbst von alten Mustern der Wahrnehmung, unzeitgemäßen Lebens- und Beziehungsarten zu befreien, könnten wir an der Offenbarung der Unendlichkeit in diesem Augenblick teilhaben. Andrew Harvey, Pansy Hawk Wing, Lynn Barron und andere unterstreichen, dass, wenn wir in unserer Lebensweise und im Umgang miteinander und mit der Welt nichts verändern, wir weiter Ressourcen zerstören werden, die menschlichen und die anderen Ressourcen des Planeten. Indem wir dieses Potenzial mit unserem Bewusstsein erfassen, können wir einen weiteren Schritt machen, mit dem Leben auf der Erde in eine Beziehung treten, die von göttlicher Liebe durchtränkt und im Wissen der Einheit verwurzelt ist. Denn das Grundlegende an der neuen Energie ist, dass sie beziehungsgeprägt ist und nicht autonom. Sie fließt und wirkt durch natürliche Strukturen und nicht-hierarchische Systeme, wie das Leben auch. Sie kann uns zu unserer grundlegenden Natur erwecken, die, wie die buddhistischen und einheimischen Traditionen stets aufgezeigt haben, nicht unabhängig ist, sondern verbunden mit allen Wesen in einem größeren Ganzen. Die Energie, die jetzt zugänglich ist, ist ein Bewusstsein der Liebe. So wie die Verbindung von allem Lebendigen spiegelt Liebe die Wirk- 10 Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität lichkeit der Einheit wider, denn in der Liebe gibt es keine Dualität, keine Trennung. So wie Ginny Matthews sagt: „In der Weite der Liebe können wir einander wirklich begegnen.“ Die Liebe fließt jenseits aller Grenzen, jenseits aller Definitionen. Sie bringt Menschen zusammen, immer wieder betonend, wie wir in der Essenz ähnlich sind und nicht getrennt. Und das ist, wie Jackie Crovetto erläutert, der Grund, warum diese Energie einen neuen Weg aufzeigt, wie wir mit Unterschieden und mit möglichen Gegensätzen umgehen. „Es ist eine Energie, die es uns ermöglicht, dass wir Gegensätze aushalten, ohne in Konflikt zu geraten“, sagt sie. „Es kann sein, dass jeder etwas anderes braucht, aber deshalb muss keiner verlieren.“ Innerhalb eines Bewusstseins der Liebe und der Einheit haben wir die Möglichkeit, ein tiefes Gleichgewicht zwischen unseren eigenen Interessen und den Interessen des Ganzen zu erfahren. Unsere Gemeinschaften können das widerspiegeln, sobald wir ein Verständnis dafür entwickeln, wie wir alle miteinander verbunden sind. Ani Tenzin Palmo erklärt das in der Beschreibung eines gut funktionierenden Nonnenklosters: „Wir können mit anderen in einer Art der gegenseitigen Anpassung leben und gleichzeitig einander genügend individuellen Raum geben.“ Dieses aufkommende Bewusstsein ist in seinem Grund im Gleichheitsgedanken verwurzelt und nicht in Gedanken der Hierarchie, und es untergräbt alle Unterscheidungen bezüglich dessen, was als heilig und was als geringwertig angesehen wird. Auf diese Art und Weise hilft es uns, unsere Aufmerksamkeit und unsere Wahrnehmung auf das auszurichten, was wir so lange verdrängt haben. Durch unsere Aufmerksamkeit können wir dem Bewusstsein der Liebe ermöglichen, durch alle Ebenen des Lebens zu fließen, und das Licht, das in den engsten Bereichen der Existenz verborgen ist, zu entdecken und zu erwecken. Für Andrew Harvey ist das ein Prozess des „Herunterholens der Transzendenz“. In den Worten von Angela Fischer erkennen wir, was viele Frauen fühlen: „Die Liebe Gottes ist die Liebe zum Leben selbst.“ Und wir erkennen, so wie Ani Tenzin Palmo sagt, dass spirituelle Praxis uns vom Leben nicht trennt. Denn wenn wir wirklich praktizieren, sagt sie mit leuchtenden Augen, „dann bleibt nichts außen vor, dann nimmt alles Teil. Die ganze Wirklichkeit wird verwandelt!“ Vorwort 11 Mystiker verstehen, dass unsere wirkliche Verantwortung darin liegt, den Bedürfnissen des Augenblicks zu dienen. Und an diesem Zeitpunkt der Entwicklungsgeschichte sowohl des Bewusstseins als auch der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen des Lebens werden bestimmte Bedürfnisse in einer dramatischen Dringlichkeit offenbar. Wenn wir unsere Beziehung zum Göttlichen und zum Leben selbst nicht neu orientieren, werden wir in Mustern des Getrenntseins und der Gewalt gefangen bleiben und die Ressourcen der Welt zerstören. Wir werden in den Zwängen unserer alten Systeme spiritueller Fortschritte und Errungenschaften hängen bleiben, die, wie es scheint, immer mehr von materialistischen Mustern der Herrschaft und Selbstzerstörung durchdrungen sind. Aber wenn wir mit neuen Augen sehen können, dann können wir gewahr werden, wie das Göttliche plötzlich überall um uns gegenwärtig ist, wie es geduldig darauf gewartet hat, dass wir uns endlich selbst vergessen und die Freiheit und Freude, die möglich sind, wirklich leben. Dann vielleicht, wie Andrew Harvey lächelnd sagt, „könnten wir in der Lage sein, an all dem göttlichen Spaß teilzuhaben“! Eine neue Tür Die Menschen haben eine große Verantwortung im Prozess der göttlichen Inkarnation, denn das Göttliche tritt durch das Bewusstsein des menschlichen Herzens in die Schöpfung ein. Es ist unsere Verantwortung, das, was gegeben wird, anzunehmen, aber es bedarf neuer Wege, das, was jetzt zugänglich ist, zu erkennen und aufzunehmen. So wie wir in der Bibel – Matthäus 9,17 – gewarnt werden: „Auch füllt man nicht neuen Wein in alte Schläuche. Sonst reißen die Schläuche, der Wein läuft aus, und die Schläuche sind unbrauchbar.“ Die gegenwärtige Offenbarung des Göttlichen erfordert neue Türen, neue Eintrittswege in diese Welt. Wir werden aufgefordert, unsere Denk- und Lebensmuster so zu verändern, dass wir das neue Bewusstsein, das jetzt zugänglich ist, aufnehmen und halten können. Die Qualitäten, Grundhaltungen und Seinszustände, die dieses Bewusstsein am effektivsten aufnehmen, halten und weitergeben können, werden in diesem Buch von den meisten als 12 Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität feminin oder weiblich seinem Wesen nach beschrieben. So wie Sobonfu Somé erklärt: „Der weibliche Geist ist eine aufstrebende Energie.“ Sie erhebt sich, um auf die Bedürfnisse der Zeit zu antworten. Innerhalb eines traditionellen spirituellen Kontextes sind wir gewohnt, das weibliche Bewusstsein oder die Art der Mutter von dem patriarchalen Bewusstsein oder der Art des Vaters zu unterscheiden. Das patriarchale Bewusstsein hat im Allgemeinen das Göttliche einem transzendenten Zustand oberhalb der Schöpfung zugeordnet, zugänglich durch Zustände distanzierten Bewusstseins, die meistens durch Praktiken der Askese und andere Praktiken, die die Person über ihr physisches und instinktmäßiges Leben hinaustreiben, erreicht werden. In patriarchalen Systemen werden spirituelle Kraft und Energie durch Beziehungen der Autorität übermittelt; spirituelle Wandlung geschieht durch Wissen und spiritueller Fortschritt durch individuelle Anstrengung. Männliche Spiritualität, wie Pansy Hawk Wing sie beschreibt, ist „der Weg des Kriegers“, der dazu neigt, die Energie durch Ausdruck und das, was er erreicht, nach außen zu tragen. Im Gegensatz dazu ist die Weisheit der Mutter eine aufnehmende, innere Energie, die das Göttliche auf alle Ebenen des Lebens zieht, einschließlich der physischen und instinktmäßigen Dimensionen. Daher machen die weiblichen Elemente des göttlichen Bewusstseins keinen Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Gewöhnlichen. Weibliche Energie ist in ihrer Essenz beziehungsorientiert und verwandelt durch Liebe, nicht durch Wissen, denn, so wie Lynn Barron erklärt, „das weibliche Element ist die Liebe selbst“. Viele Frauen verstehen das instinktiv, da sie die direkte Erfahrung haben, wie das Ego von dem Feuer bedingungsloser Liebe verbrannt wird, wenn man sich von Herzen immer und immer wieder den nicht endenden Forderungen der Beziehungen des Lebens hingibt. Zusätzlich erkennen weibliche Traditionen, dass Energie und Kraft eher durch nichthierarchische Systeme übermittelt werden als durch Autorität. Und sie betrachten das Individuum immer als Teil des göttlichen Ganzen und nicht als etwas Getrenntes oder Autonomes. An diesem Punkt unserer Bewusstseinsentwicklung können wir auf eine neue Art und Weise daran teilnehmen, wie das Göttliche ins Vorwort 13 Leben fließt. Wir können unseren Verstand und unser Herz öffnen und das Licht in jeden Teil unseres Seins aufnehmen und andererseits die göttliche Ganzheit anerkennen, von der wir ein Teil sind. Dann ist es nicht überraschend, dass die Qualitäten, die wir traditionell als weiblich bezeichnet haben, Qualitäten sein werden, die wir entwickeln und wertschätzen müssen, um den Prozess des Ganzen zu unterstützen. Denn der Weg des Weiblichen hat von seiner Tradition her das ganze Leben als heilig angesehen, hat eher Wert auf den rezeptiven Zustand des Seins als auf den expressiven Zustand des Tuns gelegt, hat vielmehr die Verbundenheit allen Lebens widergespiegelt und nicht zugelassen, dass die Gemeinschaft über dem Verfolgen der eigenen Interessen vergessen wird. Darum ist es wichtig, das weibliche Verständnis spiritueller Transformation, das so lange unserem kollektiven Bewusstsein verborgen blieb, neu zu achten. Da die Wege der Mutter häufig eher den Frauen vertraut sind als den Männern, sie in den Körpern der Frauen lebendiger sind, in ihren Instinkten und in der Art und Weise, wie sie in der Welt leben und lieben, haben die Frauen eine bestimmte Rolle in dem Potenzial unserer Zeit zu spielen. Frauen müssen wirklich ohne Zögern das leben, was sie sind, und die Muster der Unsicherheit, Abhängigkeit und Angst ablegen, die sie so lange davon abgehalten haben, das auszudrücken, was sie wirklich wissen. Aus diesem Grund glaube ich, dass dieses Buch vor allem für Frauen sehr hilfreich sein kann, denn die Frauen können auf diesen Seiten etwas in großer Kraft und aus tiefem Wissen widergespiegelt finden, das für sie so natürlich ist und sich so danach sehnt, anerkannt zu werden. Dabei spüre ich deutlich, dass es ein sehr großer Fehler wäre, die Rolle der Frauen zu sehr herauszukehren. Es ist den Autoren dieses Buches über alles wichtig, auf ein Potenzial hinzudeuten, das aus einem gelebten Verständnis der Einheit hervorgeht, das uns letztlich ermöglicht, die Muster der Polarisierung in Männer und Frauen und männliche und weibliche Wege hinter uns zu lassen. Die Herausforderungen, denen wir uns als Gemeinschaft dabei stellen müssen, sind für alle gleichermaßen anstrengend, denn wir müssen uns alle mit den benötigten Qualitäten und Blickwinkeln auseinander setzen. Dabei wird jeder gebraucht. Mit 14 Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität den Worten von Andrew Harvey ausgedrückt: „Es ist die Aufgabe eines jeden Menschen, die einzigartige Version der heiligen Androgynität zu erreichen, Männliches und Weibliches in sich zu vereinen.“ So wie Ani Tenzin Palmo warnt: „Qualitäten als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ zu bezeichnen, ist in Ordnung, solange man sich dessen bewusst ist, dass Männer auch weibliche Qualitäten und Frauen auch männliche Qualitäten haben.“ Und so wie Lynn Barron das so wunderschön sagt: „Jedes menschliche Herz enthält die Ganzheit Gottes.“ Zwischen den Welten Mystiker wissen, dass das, was wirklich ist, aus dem Jenseits kommt, sich aus dem Nichts in das Licht der Schöpfung ergießt. Jedes Mal, wenn wir als Individuen einen weiteren Schritt machen, wenden wir uns der Leere unseres Herzens zu, suchen wir nach dem, was wir brauchen, und nach dem, wofür wir gebraucht werden, in der unbestimmten Stille in den Tiefen unseres Seins. So müssen wir auch jetzt, an diesem Punkt unserer kollektiven Geschichte, auf das Jenseits schauen, um unseren nächsten Schritt zu erkennen, um das zu empfangen, was gegeben wird. Die weiblichen Wege – gleichermaßen in Männern und Frauen und im ganzen Leben – sind Türen zum Jenseits. Denn es sind Wege, die zuhören, erlauben, empfangen. Und sie kennen die Unvorhersagbarkeit der schöpferischen Kräfte, sie wissen, dass das Göttliche plötzlich durch neue Musik und neue Tanzschritte hereinbricht. Und wenn wir an dem Fest teilnehmen wollen, wenn wir es uns erlauben, „trunken zu werden von dem Wein des Geliebten“, wie die Sufis sagen, dann müssen wir all unsere alten Vorstellungen über das Leben, das Göttliche und sogar die Liebe abwerfen. Gegen Ende des Buches merkte ich, dass das erste Kapitel mit Lachen beginnt und dass Lachen wie ein duchgehender Faden in allen Gesprächen gegenwärtig war. Ich lachte mit Angela Fischer, verblüfft, während wir versuchten, etwas, was sich jenseits von Worten abspielt, in Worte zu fassen. Ich betrachtete staunend Pansy Hawk Wing, wie sie sich in ihrem Stuhl zurücklehnte und vor sich hin kicherte, als sei sie in der Vorwort 15 Gesellschaft eines unsichtbaren Gastes. Mit Lynn Barron lachte ich oft Tränen, trunken von der Energie in ihrem Haus. Und ich sah Andrew Harvey in dem Wüstenpark, kaum fähig zu atmen wegen der Anfälle von „göttlicher Heiterkeit“, wie er es nennt. Durch alle, die an diesem Buch mitarbeiteten, konnte ich die intensive Freude erleben, die aufkommt, wenn man aus wirklicher Freiheit heraus lebt, wenn man das, was man ist, angstfrei lebt, ungeachtet der Schwierigkeiten und Hindernisse, die man antrifft. Die gemeinsame Botschaft ist, dass eine direkte Verbindung mit dem Leben selbst voller Freude ist, voll tiefer und kostbarer Freude des Seins, von der wir uns in den letzten zweitausend Jahren spirituellen Bemühens und Strebens abgespalten haben. Angela Fischer fragt: „Warum sollten wir nicht das Leben umarmend zu Gott gehen? Warum sollten wir uns Ihm nicht tanzend hingeben, so dass Er Seine Schönheit und Freude durch uns feiern kann?“ Stille und Freiheit sind beide in dieser Empfänglichkeit enthalten, an dem Ort, wo wir in beiden Welten darauf warten, das zu leben, was gelebt werden muss, nicht zu unserem Selbstzweck, sondern für etwas, das über uns hinausgeht. Die Praktiken und Sichtweisen, die in diesem Buch beschrieben sind, können etwas dazu beitragen, dass wir uns wohler fühlen beim Ausruhen, bei der Arbeit und sogar beim Lachen, an jener Kreuzung, an der wir das Licht von dem, das höher ist als wir selbst, in unserem Leben empfangen und aufnehmen. Allen von uns ist dieser Raum der Meditation und des Gebetes bekannt, ein Raum, in dem wir in tiefer Stille aufmerksam und wach sitzen und in der Dunkelheit horchen. Aber wir können genauso in dieser tiefen Empfänglichkeit leben, uns auf das verlassen, was wir in unseren Herzen hören, nicht nur während der Meditation, sondern auch während des alltäglichen Lebens, während wir arbeiten, lieben, essen und die Kinder zur Schule bringen. Und das ist es, was von uns jetzt verlangt wird: unser mystisches Bewusstsein in alle Ecken unseres Lebens zu bringen, so dass alles erfasst wird. Dem Göttlichen zu erlauben, in die Welt zu fließen und uns alle in der Einheit und Freude dessen zu erwecken, was sowohl unendlich in der Stille unserer Herzen als auch sichtbar in den funkelnden schöpferischen Momenten des Lichts und der Liebe erscheint. Angela Fischer In das Geheimnis eintreten Gibt es so etwas wie eine spirituelle Wissenschaft, die davon ausgeht, dass die spirituelle Transformation von Frauen im Einklang mit ihrem weiblichen Wesen stattfindet? Ja, es gibt sie. Es ist ein altes Wissen, so alt wie das menschliche Bewusstsein. Und für manche Frauen ist es der Weg nach Hause. Angela Fischer Eintreten A ngela Fischer und ich sitzen in ihrem Wohnzimmer am Ofen und lachen. Wir haben uns über die spirituelle Transformation von Frauen unterhalten und unser Ernst ist einer Heiterkeit gewichen. Ich befinde mich auf rutschigem Gelände. Ich versuche das, was für Angela so natürlich ist und was sie mir als einen Weg des Seins, jenseits von Erklärungen und Begrifflichkeiten, zu erklären versucht, zu verstehen und in Begrifflichkeiten zu fassen. So kommen wir immer wieder zum Lachen, über einander und über uns selbst, während wir zwischen Verwirrtheit und konzentrierter Bemühung hin und her pendeln in dem Willen, zusammenzuarbeiten, bis etwas Essenzielles innerhalb ihres Herzens enthüllt und erkannt werden kann. 18 Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität Angela spricht aus einem spirituellen Bereich heraus, der mir oft fremd erscheint, und sie beschreibt dabei einen Prozess der Transformation, der in seiner Essenz ein Weg des Seins ist. Der Weg zu Gott, so wie Angela ihn lebt, ist natürlich und manchmal tief verborgen, zieht dich völlig ins Leben hinein und schließt eine nährende und instinktive Beziehung mit der physischen Welt ein, und das Göttliche offenbart sich in den gewöhnlichsten Dingen. Angela, Ehefrau und Mutter von vier Kindern, erlebt Gott sowohl in den Seufzern ihrer Kinder als auch in der Tiefe der Meditation. Dieser Pfad der Transformation ist ein Lebensweg, durchtränkt von Freude und getragen von Liebe, er hat wenig oder keine äußere Form und erfordert eine ständige innere Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit. Es gibt keine Ziele und keine Erwartungen; vielmehr gibt man sich dem hin, was in jedem Augenblick wirklich ist. Es ist ein Pfad der Hingabe, auf welchem man die Ganzheit seiner Existenz annimmt und weniger nach etwas jenseits des eigenen Selbst strebt. Wie Angela mir sagt, kann das Erwecken dieser Weisheit im kollektiven Bewusstsein der Welt ein neues Gleichgewicht in unser Leben bringen und offenbaren, wie Gott in diesem Augenblick in seiner Schöpfung gegenwärtig ist. Es ist ein alter Pfad, der zugleich gut geeignet für die spezifischen Bedürfnisse unserer heutigen Welt ist. Und für einige Frauen ist es der Weg nach Hause, ein Weg der Transformation, der Aspekte des Frau-Seins schätzt und anerkennt, die in unserer westlichen Kultur und deren spirituellen Systemen zum größten Teil ignoriert wurden. Ich verbringe fast zwei Wochen des Spätsommers mit Angela in ihrem kleinen Dorf in Norddeutschland, wo sie mit ihrer Familie wohnt, und wir unterhalten uns über ihr Leben und ihr Verhältnis zu Gott. In einer dieser Wochen findet ein Retreat statt mit fünfzehn Teilnehmern, vor allem Frauen aus den Ortschaften der Umgebung. Ich wohne bei zwei Freunden von Angela, die in der Nachbarschaft wohnen, und verbringe viel Zeit mit ihnen, mit anderen Frauen vom Retreat sowie mit Angela und ihrer Familie. Angela und ich treffen uns jeden Tag wenigstens für ein paar Stunden, gewöhnlich in ihrem Haus, um zu meditieren und uns zu unterhalten. Manchmal unterhalten wir uns während des Tees oder des Abendessens; In das Geheimnis eintreten 19 manchmal gehen wir spazieren, allein oder mit den Kindern, die dann mit dem Rad neben uns her fahren. Wenn ich nicht mit Angela oder den anderen Leuten aus der Gruppe spreche oder unsere Gespräche aufschreibe, dann jogge ich oder gehe alleine über die langen Wege im nahen Wald, schaue mir die Geschäfte im Dorf an oder fahre mit dem Rad lange Dorfstraßen entlang, an Bauernhöfen und Feldern vorbei. Ihr Backsteinhaus steht in einer kleinen Straße und ist von einer verrückten Mischung aus Bauernhöfen und neu gebauten Vorstadthäusern umgeben. Kaum eine Meile von ihrem Haus entfernt, hinter einem Gehege für Shetland-Ponys und den Bahngleisen, endet das Dorf am Rand des Waldes, in dem wir so oft spazieren gehen. Angela ist eine starke Frau, Mitte Vierzig, mit ergrauendem Haar und durchscheinend blauen Augen. Sie ist von einer physischen Kraft und Präsenz, die sich in der Art und Weise, wie sie sich durch den Alltag bewegt, zeigt, sie scheint beständig aufmerksam zu sein, egal, ob sie mit ihrer Tochter Rollerskates fährt oder eine Meditation leitet. Trotz der Arbeit an diesem Buch und dem Retreat bleibt sie eng mit der Routine des Familienlebens verbunden. Ihr Mann und die Kinder sind ständig da, und vor allem die Kinder wirbeln um uns herum, eine ständige Widerspiegelung der Liebe und des Lebens. Seit zwanzig Jahren ist Angela eine Führerin, sie hilft den Menschen, meistens Frauen, den Faden, der sie immer tiefer in ihr Herz führt, in sich selbst zu finden, den Faden, der es ihnen ermöglicht, ihre Liebe zu Gott in der Welt immer vollständiger zu leben. Seit sie Irina Tweedie, eine Frau aus der Naqshbandi-Sufilinie, 1985 traf, hat sie ihre eigenen Erfahrungen und ihr Verständnis der weiblichen Weisheit mit der Weisheit des Sufi-Pfades vereint. Während unserer Treffen öffnet sich Angela mir immer mehr, und dennoch gibt es Zeiten, in denen wir beide die Unmöglichkeit des Zugangs zu dem, was sie weiß und was sie so natürlich lebt, spüren. Ein Teil des Frustes und der Verwirrung, die wir miteinander erleben, ist ein natürlicher Teil der aufkommenden weiblichen Kraft und Weisheit, die oft im Verborgenen lebt und sich oft in geheimnisvoller und unerwarteter Art und Weise äußert, manchmal sich offen zeigend und manchmal aus der Dunkelheit heraus wirkend. 20 Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität Das Betreten von Angelas Haus spiegelt mir meine eigene Verwirrung im Umgang mit dem wider, was für sie so kostbar ist. Die Eingangstür öffnet sich in einen winzigen Raum, und man geht durch eine Tür gleich weiter in den Essbereich. Um in das Wohnzimmer zu kommen, muss man zwei Türen mit dem Rücken zueinander öffnen. Einige Türklinken gehen in die eine Richtung, mindestens eine Klinke in die andre. Ich fühle mich oft verdreht und zurückgehalten, manchmal lache ich, manchmal bin ich frustriert, wenn ich komme, um mich mit ihr zu unterhalten oder mit ihr zu meditieren. Ich besuche Angela in ihrem Haus, und später, wenn sie mit ihrer Familie nach Kalifornien kommt, unterhalten wir uns bei mir zu Hause weiter. Unser Gespräch und die Zeit, die wir gemeinsam verbringen, drehen sich immer wieder spiralenförmig im Kreis und bringen uns so zu einer tieferen Ebene der Begegnung, in immer größerer Offenheit. Im Laufe der Zeit zeigen sich besondere Dynamiken weiblicher Spiritualität, und doch sind wir beide von dem Gefühl, dass es etwas Essenzielles jenseits des Sichtbaren gibt, überrascht. Aber das, was für Angela so natürlich ist, entzieht sich teilweise, weil es die Natürlichkeit schlechthin ist. Wie bei allem Einfachen und Natürlichen ist der Faden des Wunderbaren mit eingewebt, nicht als etwas Getrenntes, sondern als etwas, das für seine Einfachheit essenziell ist. Transformation und der physische Körper Eines Abends sitzen Angela und ich in ihrem Wohnzimmer, sie legt ab und zu Holz in den Ofen nach, und im Raum breitet sich eine intensive Wärme aus – eine Erleichterung nach der spätsommerlichen Frische draußen. Es ist mittlerweile dunkel und wir hören, wie ihr Mann nach unserem gemeinsamen Abendessen die Küche aufräumt und wie die Kinder oben spielen. Wir sitzen eine Weile, lauschen dem Verklingen der Geräusche des Hauses und genießen die Wärme, die sich vom Ofen in den Raum ausbreitet. „Das sind spannende Zeiten, nicht wahr?“, fragt mich Angela. „Unsere Zeit scheint es zu brauchen, dass etwas sehr Altes in unser Bewusstsein In das Geheimnis eintreten 21 zurückkehrt. Aber wenn wir über weibliche Weisheit sprechen, über weibliche Wege des Seins, so geht es nicht darum, zu dem zurückzugehen, wie die Dinge waren. Es gab Zeiten, in denen die spirituellen Traditionen der Frauen in Blüte standen und großen Einfluss in der Gesellschaft hatten. Doch diese Zeiten sind vorüber und es gibt Gründe dafür. Die Menschheit ist woanders, an einem anderen Punkt ihrer Evolution. Dennoch gibt es eine Essenz, die bleibt – eine Essenz weiblicher Kraft, weiblichen Verständnisses, die jetzt für einen neuen Zweck wieder erweckt werden kann. Und wenn Frauen in ihrem Innern mit dieser Essenz in Berührung kommen, können sie auf neue Weise dienen. Aus diesen Gründen kann es hilfreich sein, an diese uralte Weisheit in uns erinnert zu werden, eine Weisheit, in der die spirituelle Transformation der Frauen wurzelt.“ „Jede Seele hat ihren eigenen Weg zu Gott“, sagt sie. „Jeder wird in besonderer Art und Weise behandelt und jeder Weg ist einzigartig. Deshalb ist es so schwierig, etwas Allgemeines über Spiritualität zu sagen. Aber für einige Frauen ist es notwendig zu erkennen, dass unser Selbstbewusstsein als Frauen auf unserer Reise nach Hause eine wichtige Rolle spielt. Und es gibt Hinweise und Spuren, die zeigen, wie alte weibliche Traditionen dies erkannten, Traditionen, die schon immer wussten, dass spirituelle Wandlung im Einklang mit der weiblichen Natur, die anders ist als die männliche Natur, stattfinden kann. Das, was für uns Frauen so natürlich ist, das, was wir tief in uns wissen, kann die Grundlage für unser Wachstum sein. Und manchmal werden diese Dinge leicht übersehen, denn sie werden als selbstverständlich angenommen, weil sie aus einem bestimmten Blickwinkel so einfach, so gewöhnlich sind. Aus einem anderen Blickwinkel sind sie jedoch wirklich kostbar.“ „Aus der Sicht des Absoluten ist es natürlich unwesentlich, ob du ein Mann oder eine Frau bist“, fährt sie fort, als ob sie meine Frage erraten hätte. „Unsere essenzielle Natur ist dieselbe. Auf der Ebene der Seele ist sie dieselbe. Aber wir werden in diese Welt als menschliche Wesen geboren. Wir starten in einem männlichen physischen Körper oder einem weiblichen physischen Körper und wir wissen, dass es zwischen den beiden wichtige Unterschiede gibt. Aus dieser physischen Welt, von hier gehen wir zurück zur Quelle. Der spirituelle Pfad schließt die phy- 22 Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität sische Welt mit ein und spirituelle Verwirklichung schließt die physische Dimension mit ein. Sonst wären wir nicht hier. So kann der Weg für Frauen und Männer verschieden sein, denn wir gehen von unterschiedlichen Punkten aus, von unterschiedlichen Startbereichen.“ „Im spirituellen Leben ist der Körper die Erde. Die Erde, die Boden gibt, die das himmlische Licht empfängt und den spirituellen Prozess nährt. Der physische Körper ist in der spirituellen Transformation von Frauen von großer Bedeutung, und dennoch ist es das Element, das am meisten vernachlässigt wird.“ „Natürlich, wenn ich über den physischen Körper spreche, meine ich etwas viel Kostbareres als das, was wir normalerweise mit dem Wort ‚physisch‘ verbinden. Die physische Welt spiegelt andere Ebenen der Wahrheit in ihrer eigenen Art und Weise wider. Die physischen Unterschiede zwischen Mann und Frau sind nicht allein biologisch, sondern viel komplexer und multidimensionaler. Aber die physische Dimension wurde in unseren spirituellen Systemen so lange Zeit ignoriert, dass ich es als hilfreich empfinde, es in das Bewusstsein zurückzubringen, so dass die Transformation als ein vollständiger Prozess anerkannt werden kann, ein Prozess, der ganzheitlich wirkt.“ „Für Frauen ist alles mit eingeschlossen“, sagt sie. „Wir brauchen nur das zu leben, was wir sind. Natürlich müssen wir wissen, wer wir sind, und das ist die Reise. Zu erfahren, wer wir sind, bedeutet, dass wir erfahren, wie Gott uns geschaffen hat. Wir lernen die Geheimnisse der Schöpfung kennen, das Mysterium, wie Gott sich in der Welt offenbart, denn diese Geheimnisse sind im weiblichen Körper verankert. Gott hat diese Geheimnisse den Frauen als ein physisches Bewusstsein anvertraut. Die spirituelle Transformation der Frauen bedeutet, diese Mysterien wirklich und bewusst zu machen. Es ist ein Prozess des Zurückgehens an die Quelle und gleichzeitig ein Prozess der Verwirklichung der Schöpfung. Und ohne physischen Körper gibt es keine Verwirklichung.“ Der Raum ist jetzt warm; Angela schließt den Ofen, um die Glut zu halten, und wir legen die Decken, in die wir uns gewickelt hatten, weg. „Frauen haben ein besonderes Wissen über die Schöpfung und das Wunder der Schöpfung“, sagt sie. „Wir kennen die Wege, wie Gott sich in In das Geheimnis eintreten 23 der Welt offenbart. Dieses Wissen ist in allen Frauen, denn wir gebären. Und damit meine ich nicht, dass man schwanger werden muss, um diese Weisheit zu leben; es ist in dem enthalten, was wir sind. Dieses Wissen existiert auf der tiefsten Ebene unseres Bewusstseins, und der spirituelle Prozess kann uns helfen, uns dieser Ebene mehr und mehr bewusst zu werden, dieses Bewusstsein zu erwecken, das in seiner Essenz der Schöpfer in Seiner Schöpfung, das Göttliche in physischer Form ist. Es ist wie ein geheimes Geschenk, ein besonderer Weg, über den Gott durch die Frauen Teil dieser Welt wird.“ „Dieses Bewusstsein gibt Frauen eine einzigartige Rolle in der Schöpfung. Es ermöglicht uns den natürlichen Zugang zu der kreativen Dunkelheit, aus der alles Leben hervorgeht. Wir können in diese Dunkelheit hineingehen und mit ihrer Stille arbeiten, um das Leben aus der Leere her zu beeinflussen. Wir leben in zwei Welten, wir helfen dem Licht in die Existenz zu kommen, wo immer es auch gebraucht wird, und wir sind aufmerksam und achten mit großer Sorgfalt auf alles, was geboren wird.“ Ganzheit Die besondere Verantwortung der Frauen im Prozess der Schöpfung spiegelt eine innewohnende Ganzheit und einen natürlichen Zugang zu allen Ebenen des Lebens wider. Angela erklärt, dass die spirituelle Transformation für Frauen auch diese Ganzheit auf natürliche Art und Weise widerspiegelt. „Fast alles aus dem Leben einer Frau ist in ihrem spirituellen Weg eingeschlossen. Sie muss nicht von da nach da gehen“, sagt sie und zeigt durch den Raum. „Sie hat die Fähigkeit, dahin zu gehen, wo sie gerade ist, zu gehen ohne zu gehen. Es ist für uns alle so wichtig, dass wir die Konditionierung, wir müssten etwas oder jemand anderes werden, aufgeben. Eine Frau kann ihren Weg da gehen, wo sie ist. Sicherlich, durch die Fähigkeit der Differenzierung und durch Achtsamkeit wird sie ihr wahres Selbst, das frei ist, erfahren und leben. Aber ihre Transformation schließt ihre Einzigartigkeit mit ein.“