New York 2.0

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New York 2.0
New York 2.0
Text: Hans Josef Roggendorf
Fotos: Angela und Uwe Peters, Ines Dantz, Monika Mostert-Ostermann, Matthias Franzkowiak,
Hans Josef Roggendorf und Interair
Das New York Team der LG RWE Power v.l.n.r.: Angela und Uwe Peters, Ines Dantz, Hans Josef
Roggendorf, Monika Mostert-Ostermann und Matthias Franzkowiak
Nach den großartigen Eindrücken und Erfahrungen aus dem Jahr 2007 sollte es in diesem Jahr also
wieder nach New York gehen.
Es fand sich wieder ein tolles Team Gleichgesinnter. Monika Mostert-Ostermann war schon 2007
mit dabei, für Ines Dantz, Matthias Franzkowiak sowie Uwe und Angela Peters war es die New
York-Premiere.
Am 3. November sollte es losgehen. Leider gab es die 2007 noch existierende Direktlinie Köln Newark der Continental Airlines nicht mehr, so dass wir nach Frankfurt ausweichen mussten.
Um den Anreisestress gering zu halten, sind wir bereits am Vortag nachmittags nach Frankfurt
gefahren (praktischerweise mit einem Leihwagen) und haben die Möglichkeit genutzt, am Vorabend
einzuchecken und das Gepäck loszuwerden.
Donnerstag früh ging`s dann los mit Singpore Airlines Richtung Amerika. Durch die
Zeitverschiebung dauerte der Flug nur bis Mittag. Am JFK-Flughafen wurden wir bereits vom
Transferbus des Reiseveranstalters Interair erwartet, der uns dann zu unserem Hotel, dem
Marriott-Courtyard in der 3. Avenue brachte.
Zimmer, Service und Lage des Hotels machten gleich einen guten Eindruck: man kann von hier aus
alle wesentlichen Orte in Manhatten-Midtown fußläufig erreichen. So auch den Central Park mit
dem Ziel des Marathons. Die Zimmer waren groß und sehr gut ausgestattet. Das Personal
ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Und - unter uns - das Hotel war deutlich preiswerter als
das Holiday Inn, in dem wir vor vier Jahren wohnten, und mindestens genauso gut.
Nachdem wir uns eingerichtet und kurz erfrischt hatten, verzichteten wir auf den angebotenen
Trainingslauf und starteten zur ersten Stadtbesichtigung. Den guten Vorsatz - vor dem Marathon
nicht allzu viel durch die Stadt zu laufen - hatten wir damit gleich mal über den Haufen geworfen.
Die Stadt ist - auch wenn man zum wiederholten Male hier ist - einfach gigantisch. Natürlich hat
man schon mal hohe Häuser gesehen - aber in einer solchen Menge und in diesen Ausmaßen und
Ausführungen ist das wirklich beeindruckend. Immer wieder wurden die Kameras gezückt.
Das brodelnde Leben am Times Square stimmte uns auf die nächsten Tage ein: New York ist riesig,
quirlig und laut. Überall ist etwas los, Leute stehen in Schlangen für irgendetwas an, mitunter weiß
man noch nicht mal wofür.
Das "Jacob Javits Convention Center" beheimatet die Marathon-Messe und so holten wir uns dort
die Startunterlagen und einige Erinnerungsshirts. Dazu einige Energieriegel, die uns am Sonntag
als Frühstück dienen sollten.
Freitags früh haben wir uns dann - noch geringfügig Jet-Lag-geplagt - am Trainingslauf mit Herbert
Steffny beteiligt. Nach der Begrüßung und Vorstellung des Interair-Teams gab es dann noch ein
paar "Insider-Tipps" und auf ging‘s in den Central Park um die letzten Marathonkilometer vor dem
Ziel laufend zu erkunden.
Anschließend gab`s Frühstück im Whole-Foods-Market im Keller des Time-Warner-Buildings am
Columbus-Circle. Wir "Insider" wussten noch vom letzten Mal, dass es hier eine beispiellose
Essensauswahl gibt.
Für heute war eine Bootstour rund um die Südspitze Manhattans angekündigt und so trödelten wir
quer durch die Stadt zur Anlegestelle. Die Tour führte an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten New
Yorks vorbei und die Kameras klickten wieder heftig.
Im Blick vor allem die Skyline mit der Baustelle des Freedom-Towers, der am Ground Zero als
Nachfolger der Twin-Towers entsteht. 20 Etagen fehlen noch bis zur endgültigen Höhe.
Natürlich wurde auch ein Schlenker zur Freiheitstatue gemacht und in der Ferne sah man die
Verrazano-Bridge, über die wir am Sonntag die ersten Kilometer absolvieren würden.
Abends fuhren wir noch auf die Aussichtsetagen des Rockefeller Centers und schauten uns das
Feuerwerk der Marathon-Eröffnungsfeier von oben an. Ich meine: eine sehr seltene und
außergewöhnliche Perspektive für ein Feuerwerk.
Samstags gab es bisher im Programm den Friendship-Run der Vereinten Nationen. Das war vor vier
Jahren ein tolles Erlebnis, wie 20.000 Menschen versuchten auf drei Kilometern zum Laufen,
geschweige denn auf Tempo zu kommen. Aber es war ein nationenübergreifendes Spektakel mit
toller Stimmung, Fahnen und T-Shirts aus aller Herren Länder sowie beindruckende landestypische
Kostüme. Schade, aber dieser Lauf fand - ohne weitere Begründung - nicht statt.
So war die Stadtrundfahrt der Höhepunkt des Samstags. Eva, unsere aus Ungarn stammende
Reiseleiterin führte uns per Bus und mitunter auch zu Fuß zu den Sehenswürdigkeiten Manhattans
und der Bronx. Man sollte sich das nicht entgehen lassen, vor allem, weil man so auch seine Beine
für den Sonntag schont.
Die traditionelle Pastaparty im „Tavern on the Green“ einem Speiselokal im Central Park (mit
Zelten entsprechend erweitert) ließen wir schießen. Dort ist immer viel Gedränge und die
Wartezeiten sind auch nicht unerheblich. Wir haben uns mit Nudeln in einem Pizza- und Pastaladen
um die Ecke versorgt.
Abends wurde dann die Ausrüstung zurecht gelegt und überprüft. Und nochmal überprüft. Ein oder
zwei Wecker auf fünf Uhr gesetzt – um viertel vor sechs ist Abfahrt – und die Winterzeitumstellung
eingeplant (In Amerika wird die Winterzeit erst am ersten Novembersonntag umgestellt).
Anschließend nochmal die Ausrüstung ausgepackt und nochmals kontrolliert – und wieder
eingepackt.
Man schläft schon etwas unruhig. Einerseits ist es doch etwas laut – New York, die Stadt, die
niemals schläft – Oropax ist hier empfehlenswert und andererseits ist man auch etwas aufgeregt.
Morgens ging es dann zügig los mit dem Bus – und gegen halb sieben waren wir auch schon auf
dem Gelände des Forts Wadsworth in Staten Island. Toll: mein Start war für 10.40 Uhr
vorgesehen. Aber – so hatten es viele prophezeit und ich selbst ja auch schon vor vier Jahren
selbst erlebt – die Zeit vergeht wie im Flug.
Obwohl in verschiedene Startbereichen eingeteilt, blieben Ines, Monika, Matthias und ich doch noch
eine ganze Zeit zusammen. Uwe war schon mit einem früheren Bus vorausgefahren und Angela
schloss sich der Fantour für „Nichtläufer“ an. (Die Interair platzierte sich hier an einigen Stellen der
Laufstrecke, um den Teilnehmern zuzujubeln und das ein oder andere Foto zu schießen)
Die stramme Kälte des frühen Morgens wurde durch die sich langsam durchsetzende Sonne
vertrieben. Vorsorglich hatten wir natürlich alte, ausrangierte Klamotten an, derer wir uns so nach
und nach entledigten – sie werden anschließend eingesammelt und an Bedürftige verteilt. Zum
Sitzen hatten wir am Vorabend noch Pappe organisiert, auf der man wärmeisoliert sitzen oder
liegen konnte. Die Versorgung mit Bagels, Tee, Kaffee und kalten Getränken war einwandfrei und
genug Dixie-Toiletten gab es auch.
Das Abgeben der Kleiderbeutel gestaltete sich – ganz im Gegensatz zu 2007 – sehr einfach. An die
hundert LKWs von UPS standen an verschiedenen Orten, um die Beutel der rund 46.000
Läuferinnen und Läufer in Empfang zu nehmen und sie zum Ziel zu bringen.
Für die „nicht-Eingeweihten“: New York ist ein Start-Ziel-Marathon und das sei hier auch gleich mal
erwähnt: nicht zu verachten sind auch die rund 400 Höhenmeter!
Irgendwann ging es dann wirklich los: die letzten Wärmeklamotten flogen in hohem Bogen aus der
Menge, die amerikanische Nationalhymne wurde vorgetragen, der Startböller ertönte und Frank
Sinatras „New York, New York“ hüllte die Starter ein.
Über der Verrazano-Narrows-Bridge schwebten die Helikopter der Fernsehanstalten, der Polizei und
der Küstenwache. Rechts der Blick Richtung Atlantik, links die Skyline von Manhattan im Visier: ich
hatte schon deutlich weniger imposante Starts!
Nach drei Kilometern war dann Brooklyn erreicht. Die drei Startgruppen (zwei oben auf der Brücke,
eine im „Untergeschoss“ der Brücke) wurden noch weitere 9 Kilometer auf getrennten Wegen durch
die Stadt geführt, ehe die Menge sich soweit entzerrt hatte, dass die Straßen die Mengen fassen
konnten. Ich trug mit meinem späten Start erheblich zur Entzerrung bei ;-)
Brooklyn hatte ich noch von 2007 in bester Erinnerung. Und auch jetzt waren wieder tausende
Zuschauer auf den Beinen und feuerten jeden vorbeikommenden Läufer an. Es ist ratsam, seinen
Namen auf dem Shirt zu tragen – das macht die Anfeuerungsrufe deutlich individueller.
Am faszinierendsten sind aber die Musikbands. An jeder Straßenecke hatte sich entweder eine
Rockband, ein Posaunenchor oder Trommlergruppe postiert. Sogar eine Dudelsackkapelle war zu
sehen und zu hören!
In Brooklyn traf ich auch die Blues-Brothers wieder, die ich vier Jahre zuvor schon gesehen hatte.
An Kuriositäten wurde unterwegs so einiges geboten: ich traf einen Jonglierer, einen Barfußläufer,
einen Feuerwehrmann in Uniform und eine Ente. „Et jit nix, wat et net jit“sagt der Rheinländer- und
er hat recht: in Köln geht es genauso zu.
An Brooklyn schließt sich Williamsburg an. Das Judenviertel hat sich wohl inzwischen mit dem
Marathon abgefunden. War hier vor vier Jahren noch stille Zurückhaltung und Reserviertheit zu
spüren, tauen die Menschen jetzt doch etwas auf - ein wenig Stimmung kam auch hier auf.
Mit dem Überqueren der Pulaski-Bridge wurde dann Queens erreicht und hier stieg der Lärmpegel
wieder auf das gewohnte Niveau an. Damit war auch schon die Hälfte der Strecke absolviert. War
gar nicht so schlimm – die zweite Hälfte sollte es aber noch in sich haben (hier liegt die Mehrzahl
der Höhenmeter!)
Die Versorgung unterwegs ist deutlich enger getaktet als beispielsweise in Deutschland. Nach jeder
Meile gibt es Getränke (Wasser und Gatorade). An den Getränkestellen sieht die Straße aus wie
nach einem Regen – nur dass alles klebrig vom Gatorade und übersät von plattgetretenen
Pappbechern ist. Bananen oder andere feste Nahrung gibt es in New York allerdings nicht.
Über die Queensborough-Bridge gelangten wir dann nach Manhatten. Das Feld ist auf der First
Avenue zwar schon sehr deutlich auseinandergezogen, trotzdem ist die vor mir laufende
Menschenmenge immer noch sehr beeindruckend. Die hinter mir laufende aber auch! Interair hat
hier seinen ersten Fotopunkt aufgebaut, an dem man mit fröhlichem Gesicht (wenn man sich
zwingt, geht das auch noch nach 17 Meilen) und winkend vorbeiläuft.
Sieben Kilometer geht es hier schnurgerade auf die Bronx zu. Auch hier wieder die
Menschenmengen, die den Läufern zujubelten. Nach dem Abstecher in die Bronx geht es dann
wieder zurück nach Manhatten auf die Fifth Avenue. Man erreicht hier an der-Upper-East-Side eine
der lukrativsten und teuersten Wohngegenden New Yorks.
Für die architektonischen Besonderheiten hatte ich hier allerdings keinen rechten Blick mehr – Alle
noch verbliebene Kraft wurde jetzt in die Zielerreichung investiert.
Der Central Park auf der rechten Seite der Laufstrecke sorgte nach 36 Kilometern noch einmal für
ein Zwischenhoch. Irgendwann war dann auch Central Park South erreicht. Hier wird der Park noch
einmal verlassen und an seiner Südseite abgelaufen, ehe es dann am Columbus Circle auf die
letzten Meter geht. Leidlich erschöpft – aber dennoch glücklich und zufrieden war ich dann endlich
im Ziel.
Hier wurde man sofort mit Medaille, Finisher-Bag und Wärmefolie versorgt.
Allerdings stößt hier die Organisation durch die riesige Menge der Läufer meines Erachtens an ihre
Grenzen. Da immer mehr (noch) laufende Menschen auf (schon) gehende Menschen aufliefen, gab
es kaum ein Vor und Zurück. Ich kann mir denken, dass das bei den ersten hundert Finishern kein
Problem war. Ich werde in Zukunft wohl etwas besser trainieren müssen. Bis zu meinem UPS-LKW
war es dann bestimmt auch noch mal gut anderthalb Kilometer.
In Punkto Duschen gibt es aus New York immer noch nichts Neues zu berichten: Duschen und
Umziehen ist Privatsache. Die Europäer ziehen sich natürlich trotzdem irgendwie auf dem Weg oder
an einer Bank um, der Amerkaner an sich ist da aber eher zurückhaltend.
Zum Glück war unser Hotel zu Fuß noch einigermaßen zu erreichen, viel weiter hätte es denn aber
auch nicht mehr sein dürfen.
Alles in allem war ich an dem Sonntag gut zwölf Stunden in Sachen Marathon unterwegs. Dafür
gab‘s dann nach der Dusche auch eine anständige Portion Nudeln!
Montags funktionierte das Gehen wider Erwarten doch ganz gut – allein die Treppen waren mehr
oder weniger eine Herausforderung. Aber: keiner von uns musste sie rückwärtsgehen!
Zuerst ging es morgens nach dem Frühstück natürlich in den Central Park zum Foto-Shooting im
Ziel. Dabei hat man natürlich die Medaille umhängen, das sorgt unterwegs immer wieder für
Glückwünsche und Gespräche.
Anschließend machten wir uns auf zum Highline-Park. Das ist eine Hochbahntrasse, die jahrelang
ungenutzt vor hin rostete, dann aber zu einem sehenswerten Wanderweg mit vielerlei Pflanzen,
Gräsern und Gehölzen umgestaltet wurde.
Uwe und Angela haben uns dann Dienstag früh verlassen, weil sie zusammen mit einem Teil der
Gruppe und Herbert Steffny noch ein paar Tage an Floridas Stränden zum Auslaufen angehängt
hatten.
Wir Verbliebenen haben uns noch ein paar Tage in der Stadt herumgetrieben und uns die
Sehenswürdigkeiten angeschaut: das Flatiron-Gebäude, den Bryant-Park (ein netter kleiner Park
mit Brunnen, Eislauffläche und Büdchen, in denen Kunsthandwerk verkauft wurde), die BrooklynBridge, Pier 17 und das historische Hafengelände am Eastriver, Ground Zero, die Wallstreet und
das Occupy-Wallstreet-Camp.
Mittwochs hieß es dann schon wieder packen. Wir fuhren noch einmal auf das Rockefeller-Center,
besichtigten den Museums-Flugzeugträger“ Intrepid“ und machten uns dann nach einer letzten
Kaffeepause im Bryant-Park auf zum Flughafen.