Steinkohlenbergbau - Gesamtverband Steinkohle
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Steinkohlenbergbau - Gesamtverband Steinkohle
Steinkohlenbergbau in Deutschland Im Bergwerk - Die Reviere Unsere Energieversorgung Steinkohle: Energie und Rohstoff Inhalt Seite Vorwort IM STEINKOHLENBERGWERK ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Morgens am Schacht In der Kaue Am Schacht Die Fördermaschine – ein Kraftpaket In 90 Sekunden auf 1000 m Tiefe Ein unterirdischer Güterbahnhof Frische Wetter in der Grube In der Tiefe wird es wärmer Das Grubengas, ein ständiger Begleiter Schichtwechsel Auf dem Weg „vor Ort“ Großbohrmaschinen treiben Tunnel in das Gebirge Vor Ort Die Grubenwarte – das Nervenzentrum eines Bergwerks Vollautomatischer Bergbau – eine Vision? Üben im virtuellen Streb Bergmann – ein moderner Beruf Gemeinsam ans Ziel Der Bergbau wandert Hohlräume verfüllen sich selber Wenn die Tagesoberfläche sich senkt Erst ist eine Genehmigung erforderlich Ein neuer Schacht entsteht Rationalisierung und Konzentration 2 3 5 6 7 8 9 9 10 11 13 13 15 20 20 20 21 22 23 24 24 24 25 26 DIE STEINKOHLENREVIERE ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Die Entstehung der Steinkohle Das Ruhrrevier Das Saarrevier Ibbenbüren Das Aachener Revier Die RAG-Aktiengesellschaft Zukunft der deutschen Steinkohle Strukturwandel im Revier Das Revier lebt mit dem Bergbau Gemeinschaftsorganisationen 28 28 28 28 28 29 29 30 32 32 Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen einen Überblick über den Steinkohlenbergbau in Deutschland geben: Wie die Steinkohle in den Bergwerken abgebaut wird und was mit ihr anschließend geschieht, welche Bedeutung Steinkohle in Deutschland hat - aber auch weltweit. Wer sich darüber hinaus informieren möchte, dem empfehlen wir, folgende Internetseiten aufzusuchen: www.gvst.de www.steinkohle-portal.de www.deutsche-steinkohle.de www.rag.de www.steag.de www.Kohlenstatistik.de www.wv-bergbau.de Informativ sind auch die Videos und DVDs des Instituts für Film und Bild, FWU: ● Steinkohle – Entstehung und Gewinnung (VHS) ● Steinkohlenbergwerk – Technik unter und über Tage (VHS) ● Strom und Wärme aus Steinkohle (VHS) ● Steinkohle – Entstehung, Gewinnung, Verwendung (DVD, enthält auch die oben genannten Videos) Diese Medien sind ausleihbar über die örtlichen Bildstellen und den GVSt, sowie käuflich beim FWU (www.fwu.de) erhältlich. Impressum UNSERE ENERGIEVERSORGUNG ● ● ● ● ● ● ● Bergbau und Rohstoffe: Schlüssel zum Fortschritt Kohle – Motor der Industrialisierung Energie ist lebensnotwendig Kohle in Deutschland Sicherheit für die Energieversorgung Kohle im vereinten Europa Kohle für die Welt 34 34 35 36 36 37 38 Druck: IDAG Industriedruck AG, Essen, 2006 STEINKOHLE – ENERGIE UND ROHSTOFF ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Ein mineralischer Speicher Kohlenwäsche Der Schornstein raucht schon lange nicht mehr Strom: Kohle über Draht Wirbelschichtfeuerung Koks für die Hütten Wärme aus Kohle Aus Kohle wird Gas Flüssige Kohle In-situ-Vergasung Aktivkoks für die Umwelt Der Bergbau hilft Umweltprobleme zu lösen Kohle – ein nachhaltiger Energieträger Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus Kommunikation D-45128 Essen, Rellinghauser Str. 1, Telefon (02 01) 1 77 - 43 32 Fax (02 01) 1 77 - 42 71 www.gvst.de [email protected] 40 40 42 43 44 44 45 45 46 47 47 47 48 Bildnachweis (außer GVSt): Deutsches Bergbaumuseum, Verlag Glückauf, RAG, DSK, Steag. Titelbild: Fördergerüst des Schachtes Lerche, Bergwerk Ost. Im Steinkohlenbergwerk 1 Morgens am Schacht Es ist halb sechs: Drüben auf dem Parkplatz schlagen Autotüren zu, Scheinwerfer erlöschen. Die Männer gehen über die Straße auf das Tor zu. Sie nicken dem Pförtner einen Gruß zu und verschwinden dann in dem Gebäude rechts neben dem Förderturm. Für 630 Bergleute der Frühschicht beginnt ein neuer Arbeitstag. In scharfen Umrissen zeichnet sich vor dem Morgenhimmel ein 40 Meter hohes Stahlgerüst ab: Der Förderturm. Oder genauer gesagt, das über dem Schacht stehende „Schachtgerüst“. Dahinter das Magazin, der Lagerplatz, die Werkstätten, das Verwaltungsgebäude, die Kaue, in der sich die Bergleute umziehen und nach der Schicht waschen. Es ist noch still hier draußen am Schacht. Der Schacht stellt die Tagesöffnung zur unterirdischen Steinkohlenlagerstätte dar und ist sozusagen eine Außenstelle des Bergwerks, das wir kennen lernen wollen. Hier draußen fahren die Bergleute in die Grube ein, und es werden Materialien wie Maschinen, Ersatzteile, Rohre und Kabel, transportiert. Die Kohle wird über den Hauptförderschacht, der etwa drei Kilometer entfernt steht, zur Tagesoberfläche gehoben. Dort wird unter einem wuchtigen Turm aus Beton Tag und Nacht die Kohle nach oben gefördert. Direkt daneben ist auch die Aufbereitung, wo die Kohle vom mitgeförderten Gestein getrennt wird. Hier am Schacht aber spürt man zu dieser frühen Stunde noch wenig von der Betriebsamkeit, die ein modernes Bergwerk Tag und Nacht kennzeichnet. Das Büro des Bereichsleiters ist ein hellerleuchteter Raum. Karten, die die Ausdehnung des Bergwerks unter Tage, die Strecken und Schächte zeigen, hängen an der Wand. Auf dem Fensterbrett liegt ein Grubenhelm; ansonsten ist es ein normales Büro mit Schreibtisch, PC und Aktenschrank. „Glück auf!“ Der Bereichsleiter – schon im Grubenzeug – ist informiert, dass heute morgen Besucher kommen. An der Karte erläutert er den vorgesehenen Weg. Dabei fallen Begriffe wie Teufe, Strecke, Blindschacht, die erst erläutert werden müssen. Die Bergmannssprache: Ähnlich wie andere Berufsstände hat auch der Bergmann eine Fachsprache entwickelt, die dem Laien oft nur schwer verständlich ist. Deshalb werden hier in der Broschüre einige Fachbegriffe in den gelben Textspalten extra erklärt: Sohle: Stockwerk des Grubengebäudes unter Tage. Teufe: Aus der Sprache des Mittelalters übernommener bergmännischer Fachausdruck für Tiefe. Flöz: Kohleschicht im Boden. Flöze erstrecken sich über viele Quadratkilometer hinweg. Im Ruhrrevier z.B. gibt es über hundert Flöze untereinander bis zu einer Tiefe von etwa 1.500 Meter, von denen aber nur die mächtigsten (dicksten) abgebaut werden. Strecke: Man unterscheidet Gesteinsund Flözstrecken. Gesteinsstrecken sind tunnelartige Gänge im Gestein, die zur Lagerstätte führen und sie erschließen. Durch sie wird der Bahnverkehr, werden Förderbänder, Strom- und Wasser-, Steuer- und Messleitungen geführt und schließlich der Wetterstrom geleitet. Die im Flöz vorgetriebenen Strecken erschließen das Flöz für den Abbau der Kohle (Basisstrecke) und unterteilen es in einzelne Abschnitte (Abbaustrecken). Stollen: Von der Tagesoberfläche in einen Berghang vorgetriebene Strecken. Streb: Eine Verbindung zwischen zwei Abbaustrecken, die im Kohlenflöz parallel mit 250 bis 350 Meter Abstand vorgetrieben werden. Hier wird die Kohle abgebaut. Im Streb wird ein Hobel oder eine Schrämwalze an der Kohlenfront entlanggeführt und damit die Kohle aus dem Flöz geschält oder geschnitten. In einer Stahlrinne wird die Kohle zu einer der beiden Abbaustrecken abgefördert. Sie geht von dort zum Schacht und nach über Tage. Schachtanlage AV8 des Bergwerks Auguste Victoria/Blumenthal 2 Kaue: Mittelalterliches Wort für ein kleines, provisorisches Gebäude, das damalige Waschhaus. Heute: Umkleideräume mit Duschen. Grubengebäude: Sammelbegriff für alle bergmännisch hergestellten Hohlräume untertage im gesamten Bereich eines Bergwerks, wie z.B. Schächte, Strecken, Strebe usw. Schrämen: = Schneiden, Fräsen. Wortstamm enthalten in Schramme. Die Schrämwalze fräst mit Hartmetallzähnen die Kohle aus dem Flöz. Hängebank: Übertägige Anlage am oberen Ausgang des Schachtes, an der im Mittelalter die Körbe an das Seil gehängt wurden. Heute steigen dort die Bergleute in bzw. aus den Fahrkorb, werden Kohle und Berge oder Materialien aus bzw. in den Schacht umgeladen. In der Kaue Bevor es nach unter Tage geht, muss die Kleidung gewechselt werden. In der Weißkaue legen die Bergleute ihre Straßenkleidung ab. Die Sachen hängt der Bergmann an einen Haken, der unter die Decke der Kaue gezogen wird. Die Bergleute gehen nackt hinüber in die Schwarzkaue, wo ihr Grubenzeug hängt. Nach der Schicht geht es umgekehrt zuerst in die Schwarzkaue, wo sie ihr Grubenzeug zum Trocknen unter die Decke hängen. Dann Duschen in der Waschkaue und Anziehen in der Weißkaue. Der Betrieb lässt die Arbeitskleidung regelmäßig waschen. Für Besucher hält der Kauenwärter bereit: Unterzeug, Arbeitshemd, Socken, den Grubenanzug, Sicherheitsschuhe – und dann die Schienbein-Schützer aus hartem Plastik. Zur Kleidung gehören auch ein Halstuch, ein Ledergürtel und der Grubenhelm, einstellbar für jede Kopfgröße, Arbeitshandschuhe, Gehörschutz, Sicherheitsbrille, Staubmaske und erforderlichenfalls Knieschoner. Anschließend geht die Besuchergruppe in die Lampenstube. Hier ist es still. Aber gerade eben noch holten sich hier die Bergleute der Frühschicht ihre Lampen, das Geleucht – wie man früher sagte. Es sind elektrische Lampen, die am Grubenhelm befestigt werden können. Der Akku, der die Lampe mit Strom versorgt, ist handlich und Förderkorb: In früheren Jahrhunderten ein Korb aus Weidengeflecht, in den die gelöste Kohle geladen und der an einem Hanfseil zutage gehoben wurde. Jetzt ein stählernes Gestell, ähnlich einem Fahrstuhl, mit mehreren Etagen, in die jeweils die beladenen oder leeren Grubenwagen hineingeschoben werden. Heute wird die Kohle in Gefäßen mit etwa 30 Tonnen Inhalt und automatischer Beladung und Entladung zutage gefördert. Die Bergleute nutzen den Förderkorb, um ein- und auszufahren. Außerdem wird das benötigte Material darin transportiert. Ausbau: Abstützende Teile in Streb und Strecke, heute im wesentlichen aus Stahl gefertigt, z.T. auch in Beton. Alter Mann: Grubenbau, der nach der Gewinnung der Kohle verbleibt. Grubenhund(t): So nannte man früher die kleinen Grubenwagen. In der „Schwarzkaue“. Hier ziehen die Bergleute ihre Grubenkleidung an und aus. Mit einer Kette wird der Kleiderhaken an die Decke gezogen. Die Kleidung ist trocken, durchlüftet und diebstahlsicher untergebracht. Ebenso sieht die „Weißkaue“ für Straßenkleidung aus. 3 nicht größer als ein etwas dickeres Taschenbuch. Er wird am Gürtel getragen und stört nicht bei der Arbeit. Das zweite wichtige Gerät, das jeder mitnehmen muss, der in ein Bergwerk einfahren will, ist der sogenannte Filterselbstretter, eine Metalldose mit einer Art Gasmaske für den Fall, dass Feuer unter Tage ausbricht und Brandgase die Atemluft vergiften. Der Weg zum Schacht ist von der Lampenstube nicht mehr weit. Er führt durch die Markenkontrolle, einem Durchgang, an dessen Wänden einige hundert Datenkarten stecken. Jeder Bergmann hat seine Nummer. Sie findet sich auf seiner Lampe, auf seinem Selbstretter und auf seiner Datenkarte. Wenn der Bergmann seine Schicht beginnt, zieht er die Karte durch ein Lese- gerät und steckt sie dann in das Anwesenheitsfach. Wenn er aus dem Bergwerk wieder ausfährt, wird die Karte wieder in das Lesegerät gesteckt und ins Abwesenheitsfach abgelegt. Dieses Verfahren dient der Anwesenheits- und Sicherheitskontrolle. Jederzeit kann sofort festgestellt werden, welcher Bergmann sich unter Tage befindet. Geleucht: Jahrtausendelang stellte der Bergmann keine anderen Anforderungen an sein Grubenlicht als an sein Licht zu Hause; es musste billig, handlich, robust und sparsam sein. Die ersten bekannten Grubenlampen nach dem einfachen Kienspan waren römische und griechische Öllampen. Diese Lampen, ihrer Form nach Frosch, Schiffchen oder Vögelchen genannt, gab es bis in die Neuzeit. Erst in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts erkannte man, dass die offene Flamme des Geleuchtes zur Gefahr werden konnte (Schlagende Wetter!). Nach zahllosen Versuchen gelang es erst 1815 dem Engländer Humphry Davy, eine relativ lichtstarke und explosionssichere Grubenlampe zu entwickeln. Diese mit Benzin betriebenen Lampen wurden über hundert Jahre lang im Steinkohlenbergbau verwendet. Danach gab es die noch sichereren, wenn auch zunächst sehr schweren, elektrischen Handleuchten, die bis etwa 1960 in Gebrauch waren. Heute werden durchweg akkubetriebene Kopflampen verwendet. Außerdem ist das Bergwerk an den meisten Stellen durch fest installierte elektrische Lampen beleuchtet. Holzfackel Tonlampe für Ölbrand In der Lampenstube werden die Akkus der Kopflampen, wenn diese nicht benutzt werden, aufgeladen. Auch die Wartung und Reparatur wird in dieser Zeit durchgeführt. 4 Am Schacht In einer großen Halle unmittelbar am Schacht beginnt die Schicht des Bergmanns. Der Förderkorb wird nicht nur zu ebener Erde, wo der Schacht in die Tagesoberfläche mündet, sondern auch eine Etage höher bestiegen. Dadurch können gleichzeitig mehr Bergleute anfahren. In den Förderschächten gibt es nur noch vereinzelt die sogenannte Gestellförderung, in der die Kohle in Förderwagen zutage gehoben wird. Bei der Gestellförderung werden die aus der Grube kommenden vollen Förderwagen automatisch von den leeren Wagen aus dem Korb gedrückt. Die vollen Wagen rollen dann vom Korb in eine KippAnlage, werden dort entleert und reihen sich dann über ein Umlauf-System wieder auf der anderen Schachtseite ein, um nach unter Tage gebracht zu werden. Heute wird die Kohle meistens mit Gefäßen, den sogenannten Skips, gefördert. Die Gefäße – das sind zwei riesige Eisenkästen – sind etwa 17 Meter hoch, 3,50 m lang und 1,80 m breit. Sie hängen an mehreren armdicken Seilen und schaffen je Stunde rund 1000 Tonnen Kohle zutage. 33mal rasen die Fördergefäße in einer Stunde durch den Schacht, das eine gefüllt nach oben, das andere gleichzeitig leer nach unten – alles vollautomatisch gesteuert und mit einer Fahrgeschwindigkeit von 18 bis 20 Meter pro Sekunde, rund 70 Kilometer pro Stunde. An der Hängebank warten die Bergleu- te auf die Seilfahrt. Für andere ist die Schicht zu Ende. 5 Unter Tage wird die Kohle in der Regel mit Gurtförderbändern kontinuierlich vom Abbau bis zum Bunker am Schacht transportiert. Vom Bunker wird die Kohle direkt in die Fördergefäße abgezogen. Durch einen solchen Schacht (Hauptschacht) wird ausschließlich Rohkohle (Kohle einschließlich Gestein) gefördert. Diese Gefäße können über 30 Tonnen Kohle aufnehmen; das entspricht dem Fassungsvermögen eines normalen Eisenbahn-Waggons. Die Fördermaschine ein Kraftpaket Bedenkt man, welche Mengen und Gewichte Tag für Tag durch den Hauptförderschacht befördert werden, dann muss es schon eine kräftige Maschine sein, die diese Arbeit bewältigt. Neben dem Schachtgerüst steht in einer Halle die Fördermaschine – eine übermannshohe Stahltrommel, über die vier Seilstränge laufen. An beiden Enden hängt je ein Förderkorb oder eben ein Skip. Beim Drehen wird das Seil mitgenommen, ein Förderkorb bewegt sich damit nach oben, der andere nach unten. Bei großen Teufen werden mehrere Seile benötigt, um das große Gewicht allein der Seile selbst zu tragen. Antriebsaggregate mit einer elektrischen Leistung von 9000 Kilowatt drehen die Scheiben, ein Computer steuert die Anlage, stoppt sie bei Störungen, regelt ihre Geschwindigkeit. Trotz der automatischen Steuerung kann und darf aber auf den Menschen nicht verzichtet werden. Der Fördermaschinist überwacht den Betrieb und greift nur ein, wenn es irgendwo mal nicht klappen sollte. Seil: Jahrtausendelang aus Hanf oder anderen Pflanzenfasern gefertigt, die – das war ihr Nachteil – jedoch schnell verschleißen und gegen Frost und Feuchtigkeit empfindlich sind. Etwa seit dem 16. Jahrhundert wurden Ketten – „eiserne Seile“ – verwendet, deren großes Eigengewicht allerdings ihren Einsatz beschränkte. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Stahldraht nach Art der Hanfseile geflochten. Vom Bergbau aus trat das Drahtseil seinen Siegeszug in der Welt an. Seit 1903 gibt es in Bochum eine „Seilprüfstelle“, eine international anerkannte Prüfstelle für Drahtseile. Seilfahrt: Schacht. Personenbeförderung im Seilfördermaschinen laufen beim Kohle- transport vollautomatisch. „Seil“fahrt im Mittelalter Fahrung: Jede Art der Fortbewegung der Bergleute in der Grube, mit einem Beförderungsmittel aber auch zu Fuß. Eine Grube wird z.B. „befahren“, man spricht von einer Gruben„fahrt“, Seil„fahrt“, Leitern sind „Fahrten“. Neue Strecken werden „aufgefahren“. 6 Natürlich kann der Maschinist die Fördermaschine auch von Hand steuern, er kann das Fahrtempo bestimmen und die Gefäße an jedem beliebigen Punkt im Schacht stoppen – doch das tut er nur, wenn etwa Reparaturarbeiten dies notwendig machen sollten. Als es die automatische Steuerung noch nicht gab, hatte der Fördermaschinist alle Vorgänge im Schacht buchstäblich selbst in der Hand. Er steuerte den Förderkorb nach den Glockensignalen, die ihn vom Schacht erreichten, nach dem Teufenanzeiger und nach den weißen Markierungen, die er vor sich auf dem Seil sehen konnte. Heute gilt dies nur noch für die Schächte mit Personenseilfahrt und Materialförderung. Fingerspitzengefühl, das war und ist eine der Haupteigenschaften, die einen Fördermaschinisten auszeichnen. An der Art und Weise, wie der Korb fährt, erkennen erfahrene Bergleute, wer da an der Maschine sitzt. Sie schimpfen über den, der den Korb zu hart abstoppt, und loben den, der die Kunst der sanften Fahrt beherrscht. Auf der Hängebank, unmittelbar am Schacht, steht der Anschläger, ein Bergmann, der ein wenig als Verkehrspolizist fungiert: Er hat die Aufgabe, den Zugang zum Förderkorb zu sichern, er kontrolliert alle Vorgänge im Bereich des Schachtes und ist für die Signalgebung verantwortlich. An Hauptförderschächten ist dies alles Vergangenheit. Hier wird die Förderung vollautomatisch gesteuert. Füllort: Schnittpunkt zwischen Schacht und Strecke, wo früher die am Seil herabgelassenen Weidenkörbe gefüllt wurden. Nach mittelalterlichem Sprachgebrauch sagen die Bergleute „das Füllort“. Das „Ort“ – in der Mehrzahl „Örter“ – bedeutete im Mittelalter die Spitze, das Ende oder Ziel, zu dem man hin will. Pferdegöpel: die Fördermaschine des vorindustriellen Zeitalters, ihre Kegeldächer beherrschten im 18. Jahrhundert das Bild der Landschaft südlich der Ruhr. Blindschacht: Ein Schacht zwischen zwei Sohlen, der nicht bis zur Tagesoberfläche führt, also „blind“ ist. Bei Handbetrieb werden die Signale nach einem einfachen Verfahren gegeben. Wenn der Anschläger an einem Handgriff, dem Schachthammer, zieht, löst er ein Glockensignal aus: Zunächst das Zielsignal, also zu welcher Sohle im Bergwerk die Fahrt gehen soll. Dann folgen vier Schläge, das heißt „Seilfahrt“. Weitere drei Schläge bedeuten „hängen!“ – der Korb mit den Personen soll abwärts fahren. Wenn es wieder nach oben gehen oder Material gefördert werden soll, gibt es andere Signale. Trotz aller modernen Elektronik im Bergbau wird dieses Signalsystem im Schachtbetrieb auch heute noch angewendet, weil es einfach und jederzeit fehlerfrei funktioniert. Daneben gibt es Lichtund Tonsignale, elektronische Datenübertragung und Fernsehkameras zur Überwachung der Hängebank und der Füllörter. In 90 Sekunden auf 1000 Meter Tiefe „Seilfahrt“ – Automatisch bewegen sich die Schachttore zur Seite, wenn der Korb eingetroffen ist. Dann öffnet der Anschläger das Schutzgitter am Förderkorb. Ein Bergmann nach dem anderen steigt ein. Der Förderkorb: ein großes eisernes Gestell mit mehreren Etagen. Auf den Böden sind Gleisstücke montiert, auf die Förderwagen geschoben werden können. An der Wand hängen Ketten, an denen man sich festhalten kann. Vier Etagen hat dieser Förderkorb, so dass mit einer Fahrt bis zu 100 Bergleute befördert werden können. Die Lampen werden angeknipst, das Schutzgitter rasselt herunter, die Schachttore schließen sich. Der Anschläger gibt die Signale. Wenige Augenblicke später fährt der Korb an – ganz sanft, fast so wie ein Kaufhausfahrstuhl. Die normale Fahrgeschwindigkeit bei der Seilfahrt ist 8 Meter je Sekunde. Das sind annähernd 30 Kilometer pro Stunde. Wenn Material oder Maschinen gefördert werden, ist die Fahrgeschwindigkeit mehr als doppelt so hoch. Es ist dunkel, nur der Schein der Grubenlampen ist zu sehen. Rechts und links gleiten die Spurlatten aus Stahl vorbei. Die Körbe oder Gefäße haben Rollenführungen. Dadurch können sie noch ruhiger und erschütterungsfreier fahren. Es zieht ein wenig – das kommt vom Fahrtwind – und den spüren wir deutlich, weil der Korb an beiden Seiten nur von Sicherheitsgittern verschlossen ist. Und auch nur dadurch merkt man, dass der Korb mit ziemlicher Geschwindigkeit in die Tiefe fährt. Er rüttelt leicht, aber im ganzen ist es eine sehr ruhige Fahrt. Jetzt, gerade für Bruchteile einer Sekunde: ein Lichtschein. Das muss die Zwischensohle gewesen sein, in 640 Meter Teufe – und in diesem Augenblick verspürt man auch einen leichten Druck auf den Ohren. Jetzt verlangsamt der Korb die Fahrt, wenige Sekunden noch, dann ist das Füllort erreicht. 7 Ein unterirdischer Güterbahnhof Wir kommen in einem hell erleuchteten, tunnelartigen Raum an – fünf bis sechs Meter hoch aus Beton, weiß gestrichen – fast kann man auf die Idee kommen, in einem U-Bahn-Tunnel nur ein paar Meter unter der Erde zu sein. Das Füllort, ein Umschlagbahnhof zwischen Schacht und Strecke, wo die Bergleute, Material oder Kohle ankommen und zu den Betriebspunkten oder zu Tage befördert werden. Hier werden die von oben kommenden, mit Material gefüllten Förderwagen aus dem Korb gedrückt. Zur Zeit ist das Füllort fast menschenleer. Der Verkehr der Wagen kann von nur einem Mann ferngesteuert werden. Bei Schichtwechsel herrscht lautes Treiben im Füllort. Hier kommen die Bergleute an, hier steigen sie in die Personenzüge, in denen sie zu ihren Arbeitsplätzen fahren. Zum Schichtende ist das Füllort dann wieder Treffpunkt der Bergleute, wenn sie ausfahren. Das Füllort ist die Schnittstelle zwischen Schacht und Strecke. Beinahe wie in einem U-Bahnhof sieht es hier am Füllort aus. Die Züge verkehren nach einem festen Fahrplan. 8 Wetter: Nach mittelalterlichem Sprachgebrauch die Luft im Grubengebäude. „Frische Wetter“ nennt man dementsprechend die einziehende, unverbrauchte Luft. Unter Abwetter wird die verbrauchte Luft verstanden. Unter Bewetterung versteht man die Versorgung der Grubenbaue mit Frischluft. Lüfter Ausziehschacht Einziehschacht Frische Wetter in der Grube Hier unten im Füllort weht ein frischer Wind – der Wetterstrom, wie der Bergmann sagt. Durch das Füllort am Schacht, hier in 820 Meter Teufe strömen frische Wetter, also frische, unverbrauchte Luft, in die Grube ein. Wie frische Luft in und „verbrauchte“ Luft aus dem Bergwerk kommt, zeigt das Schema der Wetterführung. Um eine Wetterführung überhaupt erst zu ermöglichen, sind zwei Schächte nötig: ein einziehender Schacht, durch den die Frischluft in die Grube kommt, und ein ausziehender Schacht, durch den die Abwetter abgesaugt werden. Um den Wetterstrom in Gang zu halten, sind am ausziehenden Schacht Ventilatoren eingesetzt. Sie sind mit einer Leistung von 3000 Kilowatt die größten, die überhaupt in der Industrie verwendet werden. Diese Ventilatoren, auch Grubenlüfter genannt, können bis zu 26 000 Kubikmeter Luft in der Minute ansaugen. Die Wetterführung wird mit einem Computer berechnet und durch Drosselung und Schleusen präzise gesteuert, so dass alle Betriebspunkte unter Tage ausreichend mit frischer Luft versorgt werden. Wo nicht mit durchziehenden Wettern belüftet werden kann - z. B. dort wo eine Strecke vorgetrieben wird - werden die benötigten Wettermengen von kleineren Venti- latoren durch flexible Kunststoffrohre, die sogenannten Wetterlutten, in die betreffenden Betriebspunkte geleitet. Pro Minute werden für jeden Bergmann mindestens sechs Kubikmeter Luft zugeführt. Das ist hundertmal mehr als ein Mensch selbst bei schwerster Arbeit benötigt. In der Tiefe wird es wärmer Es gibt mehrere Gründe dafür, dass so große Wettermengen durch ein Bergwerk geleitet werden müssen. Zunächst brauchen die Bergleute natürlich Luft zum Atmen. Auch viele der eingesetzten Maschinen, wie z.B. Dieselmaschinen, benötigen Luft zum Betrieb. Außerdem, je tiefer man in die Erde eindringt, desto wärmer wird es. Etwa alle 30 Meter steigt die Gebirgstemperatur um jeweils ein Grad Celsius an. In 1000 Meter Tiefe liegt die Gebirgstemperatur bei über 40°C. Die Wetter dienen also auch zur Kühlung. Um erträgliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, werden im Abbaubereich, wo laufend Kohle und Gestein mit höherer Temperatur freigelegt werden, zusätzliche Kühlanlagen eingesetzt. Bergbehördliche Bestimmungen legen fest, dass ein Bergmann bei Temperaturen über 28°C eine verkürzte Arbeitszeit vor Ort hat. Wettertür 1.Sohle Streb 2.Sohle Wettertür Schema der Wetterführung In einer zentralen Kälteanlage (im Bild sind die Pumpen zu sehen) wird eine Kühlflüssigkeit abgekühlt und anschließend durch das Grubengelände geleitet. 9 Das Grubengas, ein ständiger Begleiter Nachdem vor rund 300 Millionen Jahren die riesigen Wälder der Steinkohlenzeit in den Sümpfen versunken waren, das Meer die Bäume und Pflanzen mit Sandschichten überdeckte und so die abgestorbene Vegetation luftdicht verschlossen hatte, entstanden im Zersetzungsprozess aus den Pflanzenresten und später während der KohleBildung Gase. Diese sammelten sich in der Kohle und in porösen Schichten des Steinkohlengebirges - so sind z. B. die Erdgaslagerstätten entstanden. Dieses Gas, im Steinkohlenbergbau Grubengas genannt, setzt sich aus unterschiedlichen Gasen zusammen: vor allem Methan, Kohlendioxid sowie Kohlenmonoxid, Stickoxiden und teilweise Wasserstoff. Werden diese Gase freigesetzt , so sind sie bei einer Konzentration zwischen 5% und 14% in der Luft explosiv. Der Bergmann nennt ein solches Luft-GasGemisch Schlagwetter. Damit es nicht soweit kommt, wird heute sehr viel getan. Die wichtigste Sicherheitsvorkehrung ist dabei die Vorbeugung. So wird weit vor dem eigentlichen Abbau aus den Kohlenflözen und dem umgebenden Gebirge das Grubengas abgesaugt, über separate Rohrleitungen zu Tage gefördert und insbesondere für Heizzwecke genutzt. Darüber hinaus wurden im deutschen Steinkohlenbergbau die Sicherheitsvorkehrungen ständig verbessert. Sie haben heute ein so hohes Maß an Zuverlässigkeit, dass sie international zu den besten der Welt rechnen. Alle Elektroschaltgeräte und Elektromotoren sind so gesichert, dass sie keine Explosion zünden können. Außerdem wird die Stromversorgung bei einer Konzentration von 1 % Grubengas in den Wettern automatisch unterbrochen. Gasmessgeräte erfassen im gesamten Grubengebäude kontinuierlich die Gaskonzentration und übertragen die Daten an die übertägige Gruben- und Sicherheitswarte. Entwicklung der durchschnittlichen Abbauteufe in der Bundesrepublik Deutschland (in Meter) 1960 1970 1980 1990 2000 Neben dem Grubengas aus aktiven Bergwerken wird zunehmend auch das aus stillgelegten Bergwerken abgesaugt und in Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt. Die dadurch erzeugte Energie wird danach in die Netze der lokalen Betreiber wie beispielsweise Stadtwerke eingespeist. Dadurch wird ein wertvoller Energieträger genutzt, das Klima geschützt und Gefahrenabwehr betrieben. Deshalb hat das Land Nordrhein-Westfalen die Grubengasinitiative NRW im Rahmen der Landesinitiative Zukunftsenergien gegründet, an denen 644 754 850 903 971 Niederbringen einer Bohrung, um vor dem Abbau Grubengas abzusaugen. Alle elektrischen Anlagen müssen schlagwettergeschützt eingekapselt werden. 10 sich neben Forschungsinstituten und Anlagenbauern u.a. auch die Grubengasverwertungsgesellschaften beteiligen, die mehrheitlich vom Bergbau geführt werden. Schichtwechsel Im Füllort der 9. Sohle ist es inzwischen etwas lebhafter geworden. Die Nachtschicht, die gestern Abend um 22 Uhr angefahren war, hat jetzt um sechs Uhr morgens Feierabend. Die Männer haben Reparaturen und andere Arbeiten ausgeführt, damit auf der Frühschicht die Kohlengewinnung in den Abbaubetriebspunkten wieder planmäßig anlaufen kann. Zum Beispiel der Tränker: Seine Aufgabe war es, das Kohlenflöz im Streb mit Wasser zu tränken. Das geschieht in erster Linie, um die Staubbildung beim Kohle-Abbau zu verringern, aber auch, um die Kohle leichter lösen zu können. Der Tränker bohrt über 100 Meter lange Löcher in das Kohlenflöz und presst mit einem Druck von etwa 80 bar Wasser hinein. Die fortschreitende Mechanisierung, die damit verbundene Produktivitätssteigerung und die Konzentration auf immer weniger Abbaubetriebspunkte – Faktoren, die den modernen Bergbau immer rationeller gestalten – stellen an die Staubbekämpfung besondere Anforderungen, dies vor allem im Interesse der Gesundheit der Bergleute. Staub kann zu Lungenerkrankungen führen. Deshalb werden umfangreiche Maßnahmen zur Staubbekämpfung eingesetzt. Außerdem werden die Bergleute regelmäßig ärztlich untersucht und bei Krankheitsanzeichen im Rahmen der Arbeitseinsatzlenkung an andere Arbeitsplätze versetzt. Im Vergleich zu früher treten Lungenerkrankungen heute nur noch sehr selten auf, ein Erfolg dieser Vorsorgemaßnahmen. Der Besucher fragt sich oft, wo die vielen Bergleute beschäftigt sind. Etwa 4.000 Menschen arbeiten über- und unter Tage auf einem Bergwerk und nur wenigen begegnet der Besucher unter Tage. Dies liegt zum einen an der Weitläufigkeit moderner Bergwerke. Da Tag und Nacht gearbeitet wird, verteilt sich die Belegschaft auf 3-4 Schichten. Außerdem hat sich das Berufsbild des Bergmanns völlig geändert. Früher haben viele Hauer die Kohle mit der Keilhaue, später mit dem Abbauhammer gewonnen. Heute übernehmen diese Arbeit Hochleistungsmaschinen, die von nur wenigen Bergleuten bedient werden. Wichtige Aufgaben der Bergleute liegen heute in vorbereitenden Maßnahmen und in der In- standhaltung der Grubenbaue. Vor Beginn des Abbaus sind Strecken aufzufahren, Förderbänder zu installieren, elektrische Leitungen zu verlegen und Datennetze aufzubauen. Außerdem sind vielfältige Wartungs- und Reparaturarbeiten an dem großen Maschinenpark vorzunehmen. Rund 90 Kilometer ist das in Betrieb befindliche unterirdische Streckennetz in diesem Bergwerk lang. 36 Kilometer Förderbänder für den direkten Transport von Kohle und Gestein von den Abbaustreben und den Streckenvortrieben bis zum Kohlenbunker am Hauptschacht sind montiert worden. Drei Abbaubetriebspunkte gibt es auf dieser Schachtanlage. Über 6.000 Kilogramm Kohle werden pro Mann und Schicht unter Tage gefördert – das ist die Durchschnittsleistung im Steinkohlenbergbau in Deutschland. Seit dem Jahr 1900 sind im deutschen Bergbau über 150.000 Kilometer unterirdische Strecken „aufgefahren“ worden. Das entspricht einem Tunnel, der viermal um die Erde gehen würde. 11 In den Strecken unter Tage, vom Füllort bis zu den verschiedenen Abbaubetriebspunkten, herrscht ein reger Zugverkehr. Bei Schichtwechsel sind es die Personenzüge, die die Bergleute zu ihren oft Kilometer weit entfernten Arbeitsplätzen bringen. Dann fahren während der Schicht Züge mit Material, Maschinen, Ersatzteilen und auf manchen Anlagen mit Kohle oder auch mit Bergen. Diese Schachtanlage hat sechs Lokomotiven im Einsatz. Es sind Loks mit AkkuAntrieb. In anderen Gruben gibt es auch Diesellokomotiven. Viele Wartungen und Reparaturen an den Maschinen werden unter Tage vorgenommen. Hier werden auch die Akkus der Grubenlok geladen. In der Montagekammer unter Tage wird die Vollschnittmaschine zusammengesetzt. Hier ist der Schneidkopf mit den Rollenmeißeln zu sehen, die das Gestein abscheren. Sowohl die Rollenmeißel als auch der gesamte Kopf drehen sich beim Vortrieb langsam. Das Streckensystem unter Tage ent- spricht dem Straßennetz einer Stadt über Tage. 12 Auf dem Weg „vor Ort“ Der Weg zum Abbaubetriebspunkt im Flöz Zollverein wäre zu Fuß ein Marsch von über einer Stunde, mit dem Zug dauert es nur 20 Minuten. Einsteigen. Eine Kabine mit zwei Sitzbänken – das ist ein „Abteil“ in diesem Personenzug. Sicherheitsgitter werden links und rechts über die Einstiege geschoben. Ein Signal, der Zug fährt an. Er verlässt das hell erleuchtete Füllort und biegt ab in die Strecke, ein etwa sieben Meter breiter Tunnel. Die Wände sind mit Stahlbögen ausgebaut, die Zwischenräume mit Betonplatten ausgefüllt. Holzausbau findet man heute im Bergbau so gut wie nicht mehr. Er könnte dem hohen Gebirgsdruck in dieser Tiefe nur begrenzt standhalten. Deshalb werden diese Strecken mit Stahlbögen und Beton ausgebaut. In der Mitte der Strecke liegt das Schotterbett für die Zuggleise. An der Decke (bergmännisch: Firste) und an den Wänden (bergmännisch: Stöße) ziehen sich ganze Bündel von Leitungen entlang – für Druckluft und Wasser, für elektrische Energie und Daten-Übertragung, für das planmäßig im Bereich der Strebe abgesaugte Grubengas, für Baustoffe und Hydraulikflüssigkeit. Immer noch rollt der Zug durch die Strecke. Eben passiert er einen Abzweig. Im Licht der Grubenlampen sind große Plastikwannen an der Firste zu erkennen. In regelmäßigen Abständen tauchen sie auf: Explosionssperren. Sie sind voll Wasser; im Falle einer Gas- oder Kohlenstaubexplosion würden sie von der Druckwelle umgeworfen und einen Wasserschleier in der Strecke versprühen, durch den die Flamme nicht durchschlagen kann; sie wird gekühlt und damit gelöscht. Großbohrmaschinen treiben Tunnel in das Gebirge Es hat nicht nur Monate, sondern Jahre gedauert, um diese Strecke zu bauen – oder wie der Bergmann sagt aufzufahren. Streckenvortrieb ist eine ebenso mühsame wie kostspielige Arbeit. Rund 40 Bohrlöcher werden in das Gestein getrieben. Sprengstoff wird eingefüllt und gezündet. Das gesprengte Gestein wird mit einem Seitenkipplader auf den Förderer verladen und abtransportiert. Dann erst kann der Ausbau des neu aufgefahrenen Streckenabschnitts erfolgen. Auf einem Bohrwagen können bis zu sechs Bohrgeräte zusammengefasst sein, so dass mehrere Löcher gleichzeitig in das Gestein gebohrt werden können. 13 Viele Strecken werden heute mit Vortriebsmaschinen aufgefahren. Zwei unterschiedliche Typen gibt es: Teilschnittmaschinen, die das Streckenprofil nach und nach herausfräsen, und Vollschnittmaschinen, die in einem Arbeitsgang eine Strecke von bis zu 12 Meter Durchmesser auffahren. Vollschnittmaschinen fahren durch das Gestein, das vorne von rotierenden Stahlscheiben gelöst wird und mitten durch den Maschinenkörper zum weiteren Abtransport nach über Tage geschafft wird – eine Art stählerner Regenwurm. Kilometerlange Strecken werden so in wenigen Monaten fertiggestellt. Eine Neuentwicklung ist die Vortriebsmaschine „AVSA“ (steht für „Alternatives Vortriebssystem Schneiden Ankern“). Mit ihr wird nicht nur flexibel der Streckenquerschnitt herausgearbeitet sondern gleichzeitig kann auch der Ankerausbau zum Halten der Deckschichten gesetzt werden. Beim Ankerausbau werden bis zu mehrere Meter lange Bohrlöcher in das Gestein vorgetrieben. Darin verklebt man Stangen, die so die einzelnen Gesteinspakete zusammenhalten. Bei der Streckenplanung benutzt man heute Datenverarbeitungsanlagen, die eine optimale Streckenführung errechnen. Auf den Zentimeter genau muss die vorausberechnete Richtung der Strecke beim Vortrieb eingehalten werden. Die Berechnungen sind Sache der Vermessungsingenieure, der Markscheider. Schon lange arbeitet man beim Streckenvortrieb mit einem Laserstrahl, der die Richtung der Strecke über größere Entfernungen festlegt und die früher erforderlichen häufigen Zwischenmessungen überflüssig macht. Die Techniken des Messens und Vermessens sowie des Streckenvortriebs sind nicht auf den Bergbau beschränkt geblieben. Bei U-Bahn-Bauten, Straßentunneln, Bau von Wasserleitungen werden die Erfahrungen der Bergleute genutzt. Moderne Vermessungstechnik, im deutschen Bergbau entwickelt, wurde auch beim Eurotunnel zwischen Frankreich und England eingesetzt. Bei einer Gesamtlänge von 37,9 km haben sich zwei Vollschnittmaschinen bis auf wenige Millimeter Abweichung unter dem Ärmelkanal getroffen. Mit der Vortriebsmaschine AVSA wird die Strecke vorgetrieben und gleichzeitig mit Ankern gesichert. Mit Hilfe von Ankern wird das hangen- de Gestein gehalten, so dass ein weiterer Ausbau mit Stahlbögen nicht nötig ist. 14 Vor Ort Der Zug stoppt. Das Sicherheitsgitter am Ausstieg wird hochgezogen. Aussteigen! Es ist merklich schwüler geworden. Die Stöße der Strecke sind feucht. Das Wasser wird in kleinen Gräben, den sogenannten Wasserseigen, aufgefangen und entlang der Strecken zu Sammelbecken oder Sümpfen geleitet und von dort in die Wasserhaltung der Grube gepumpt. Holzausbau, wie er früher in steil gelagerten Flözen üblich war. Überall im Gebirge gibt es wasserführende Klüfte und Schichten, und es sind manchmal große Mengen Wasser, die ständig in die Grube fließen. Dies hat dazu geführt, dass der Bergmann ein kompliziertes System der Wasserhaltung entwickeln musste. Leistungsstarke, elektrisch angetriebene Kreiselpumpen drücken das Grubenwasser durch Rohrleitungen an die Tagesoberfläche. Ein paar Meter noch, dann ist der Blindschacht erreicht, ein Schacht, der übereinander liegende Sohlen verbindet, dessen oberes Ende unter Tage liegt. Die Fahrt zur nächsten Sohle ist nur kurz. Stille, nur das dumpfe Rütteln des Förderkorbes und das Klicken der Wassertropfen. Auf der unteren Sohle ist es noch ein paar Grad wärmer. Zu Fuß geht es zur Bandstrecke. Maschinenteile links und rechts, Material, Eisen, Holz, Kabeltrommeln. Für den Materialtransport bis zum Abbaubetriebspunkt ist eine Einschienen-Hängebahn installiert. Lange Stahlteile, z. B. die Rundbögenteile für den Streckenausbau oder Rohre, schweben einfach an Haken eingehängt bis vor Ort. Kleinere Teile transportiert man in Containern, die vom normalen Schienenfahrgestell auf die Hängebahn umgesetzt werden können. Der Weg wird abschüssig. Bis zum Kohlenstreb sind noch 40 Meter Höhenunterschied zu bewältigen. Rechts läuft das Förderband, auf dem die abgebaute Kohle zum Schacht transportiert wird. Nur das Surren der Bandrollen ist zu hören. Auch die Bergleute fahren auf diesem Band vom Haltepunkt des Personenzuges bis nach vor Ort und zurück. Dafür sind spezielle Auf- und Absteigestellen eingerichtet. Etwa 30 Meter vor dem Streb hängt ein Zug an einem besonderen Schienenstrang. Zwölf Wagen mit Transformatoren und Schaltanlagen, Hydraulikpumpen und Kommunikationseinrichtungen – die fahrbare Energieversorgung des Abbaubetriebes. Aus dem Dunkel links dröhnt ein Lüfter, akustische Signale sind zu hören und Rufe; die 27 Männer im Abbaubetriebspunkt 14 haben die Arbeit aufgenommen. Die Einschienhängebahn dient zum Transport von Bergleuten oder Material. Strebausbau um 1950: Holzkappen und Stahlstempel Moderner Schreitausbau: Stahlschilde schirmen den Streb ab 15 16 Schildstreb mit Walzenschrämlader. Der Walzenfahrer steuert die Maschine fern. 17 Der Kohlen-Streb: Etwa 2,50 Meter hoch, 5 bis 6 Meter breit und ca. 300 Meter lang. Das Kohlenflöz ist auf der einen Längsseite des Strebs zu sehen. Der bereits abgebaute Teil, der „Alte Mann“, liegt verdeckt hinter dem stählernen Schildausbau. Wir sind in einem Schildstreb. Längst sind alle Strebbetriebe mit diesem Ausbau ausgerüstet, der das Hangende hydraulisch abstützt und in das ausgekohlte Feld vorwärts rückt – schreitet. Große Stahlplatten stützen das Hangende (das Gebirge, das über dem Kohlenflöz liegt) lückenlos ab. Die Bergleute arbeiten wie in einem stählernen Tunnel, offen nur auf der Seite, wo das Kohlenflöz abgebaut wird. Auf einer Länge von über 300 Metern steht Schild an Schild. 2500 Tonnen Stahl sind in diesem Streb eingebaut. Die Sicherheit der Bergleute im Streb hat sich dadurch wesentlich erhöht. Früher musste der Bergmann noch viele Holzstempel setzen, um das Hangende abzustützen. Seit etwa 1960 sind die mühsam von Hand gesetzten Einzelstempel in Folge der technischen Entwicklung nach und nach schließlich durch den vollmechanischen Ausbau, den sogenannten Schreitausbau, abgelöst worden. Mit gewaltiger Kraft nähert sich der Walzenschrämlader, eine 20 Tonnen schwere Maschine, deren rotierende Walzen mit zahlreichen Meißeln bestückt sind. Sie schneidet aus dem matt glänzenden Kohlenflöz einen etwa 80 Zentimeter breiten Streifen heraus. Mit 6 Meter pro Minute fährt die Schrämwalze an dem Flöz entlang. Aus zahlreichen Düsen an der Walze spritzt Wasser auf die Kohle zur Staubbekämpfung. Der Maschinenfahrer und sein Begleiter tragen Schutzbrillen und Staubmasken. Durch die Drehung der Walze gelangt die Kohle automatisch auf den Kettenförderer, eine Art Stahlwanne, in der ein schweres Kettenband die Kohle zur Bandstrecke schiebt. Dort fällt sie auf einen weiteren Kettenförderer, wird in einem Brecher zerkleinert und gelangt schließlich auf ein Gurtförderband. 1. Gewinnen 2. Rücken 3. Einfahren Auch in automatisch gesteuerten Schild-Streben ist eine Überprüfung erforderlich 4. Schreiten 5. Setzen Das „Schreiten“ eines Schildes in einzelnen Phasen. Das Hangende: Die Gesteinsschicht über dem Kohlenflöz, im Streb die „Decke“ des Abbauraumes, auf dem der Druck des darüberliegenden Gebirges lastet. Das Liegende: Die Gesteinsschicht unter dem Kohlenflöz, im Streb der „Fußboden“ des Abbauraumes. Firste: die „Decke“ einer Strecke. Vor Ort: Arbeitsplatz unter Tage, wo eine Strecke vorgetrieben oder Kohle gewonnen wird. Markscheide: Grenzlinie eines Grubenfeldes, Markscheidekunde = Vermessungskunde im Bergbau. 18 Automatisch schiebt sich der Kettenförderer wieder an die Kohle heran. Dabei dienen die Schilde als Widerlager. Anschließend rücken die Schilde – elektrohydraulisch bewegt – ebenfalls automatisch nach. Nach jedem Schnitt folgen sie in Richtung auf das Flöz und stützen das freigelegte Hangende ab. Hinter den Schilden geht das Hangende zu Bruch und rutscht auf den schrägen Stahlplatten ab, gefahrlos für Bergmann und Maschine. Die Gewinnung ist heute im deutschen Steinkohlenbergbau voll mechanisiert. Das heißt: Maschinen lösen die Kohle aus dem Flöz und laden sie auf den Förderer. Dabei gibt es nicht nur den Walzenschrämlader. Ein paar Kilometer von diesem Streb entfernt wird zum Beispiel ein Kohlenhobel eingesetzt. Das ist eine Maschine, die auf der gesamten Streblänge die Kohle nicht wie der Schrämlader aus dem Flöz schneidet, sondern wie ein Schreinerhobel schält. Im Gegensatz zum Walzenschrämlader bewegt sich der Hobel mit einer hohen Geschwindigkeit (30 bis 90 Meter pro Minute) am Kohlenstoß entlang, dafür aber beträgt die Schnitttiefe nur drei bis acht Zentimeter. Warum wird hier mit dem Walzenschrämlader und dort mit dem Kohlenhobel gearbeitet? Die Antwort ist einfach: Es gibt z. B. besonders dicke Flöze mit harter Kohle und geringer mächtige Flöze mit weicherer Kohle. Flöz Zollverein ist zum Beispiel ein dickes Flöz mit sehr fester, harter Kohle. Ein Ho- bel könnte nur wenige Zentimeter tief die Kohle lösen und wäre auch zu niedrig, um das Flöz in der gesamten Höhe abzubauen. In solchen Flözen werden fast ausschließlich Walzenschrämlader eingesetzt. Anders dagegen im dünneren Flöz Katharina mit mittlerer Kohlenhärte. Dort ist der Hobel das besser geeignete Abbaugerät. Hobel und Walzenschrämlader können nur eingesetzt werden, wenn das Flöz eben, wellig oder mäßig geneigt ist. Je nach den geologischen Gegebenheiten können Flöze aber auch stark geneigt oder sogar steil, d.h. senkrecht stehen. Vielfältige Techniken, auch diese Flöze vollmechanisch abzubauen, wurden erprobt. Letztendlich war jedoch keine davon erfolgreich. Die jüngere Forschung will erreichen, den Gesteinsanteil bei der Förderung (heute rund 50 %) zu verringern, indem die Walze oder der Hobel die Grenze zwischen Kohle und Gestein automatisch erkennt. Mit Sensoren bestückte Maschinen, die von alleine immer in der Kohle bleiben, wurden erfolgreich getestet. Der Druckluft betriebene Abbauhammer, mit dem die Bergleute noch in den 50er Jahren die Kohle losbrachen, ist heute nur noch ein Hilfsmittel, wenn beispielsweise große Brokken die Transportbänder blockieren. Technischer Fortschritt im Kohleabbau: 1925: im Handbetrieb wird die Kohle mit der „Keilhaue“ gelöst. 1955: mit dem pressluftgetriebenen Abbauhammer. Heute: vollmechanisiert in einem Schild- streb (hier mit Kohle-Hobel). 19 Die Grubenwarte – das Nervenzentrum eines Bergwerks Nach einer eindrucksvollen Grubenfahrt gelangt die Gruppe wieder an die Tagesoberfläche. Der Bereichsleiter zeigt die Grubenund Steuerwarte – das Nervenzentrum des Bergwerks – und erläutert die Funktionsweise: Alle wichtigen Vorgänge, die sich unter Tage im Bergwerk abspielen, werden über Tage in der Grubenwarte registriert. Hier wird der gesamte Ablauf von Gewinnung und Förderung im Grubengebäude überwacht. Ein elektronisches Meldenetz, über das die wichtigsten Betriebszustände in die Grubenwarte gelangen, erhöht die Sicherheit und fördert den reibungslosen Betriebsablauf. Der Mitarbeiter in der Grubenwarte sieht an Bildschirmterminals auf einen Blick, ob die Gewinnungsmaschinen und die Förderer arbeiten oder stillstehen, er kann die jeweils geförderte Kohlenmenge ablesen, den Stand des Grubenwassers oder den Gas- gehalt der Wetter überprüfen. Steht die Bandanlage oder liegt irgendwo ein Maschinenschaden vor, zeigen es die Geräte der Warte an. Die Messwerte können am Bildschirm jederzeit sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus kann sich der Grubenwart über den Fernsprecher mit allen Betriebspunkten und natürlich auch mit der Betriebsleitung in Verbindung setzen. Nicht nur die Untertageanlagen werden in der Grubenwarte überwacht. Auch die Funktion der Grubenlüfter, der Fördermaschinen und die Elektroversorgung wird beobachtet. Zur weiteren Auswertung und für spätere Überprüfungen werden alle Daten elektronisch gespeichert. Neben der passiven Überwachung ist die aktive Steuerung von Maschinen unter Tage von übertägigen Steuerständen aus von besonderer Bedeutung. Alle Abbaubetriebe werden von solchen Steuerständen aus „gefahren“ und auch für Streckenvortriebe und den untertägigen Personen- und Materialtransport werden immer mehr übertägige Steuerstände eingerichtet. Die Arbeitsbedingungen der Bedienungsmannschaft werden dadurch wesentlich verbessert. Vollautomatischer Bergbau – Eine Vision? Aufgrund der nie exakt vorausberechenbaren geologischen Verhältnisse ist ein vollautomatischer Bergbau derzeit schwer vorstellbar. In Teilbereichen ist die Automatisierung jedoch weit fortgeschritten, wie wir gesehen haben (Bandanlagen, Schachtförderung, teilweise im Abbau). Diese Bereiche werden zunehmend durch zentrale Steuereinheiten über Computer vernetzt. Dabei spielen vor allem logistische Aufgabenstellungen eine Rolle, das heißt, die erforderlichen Materialien (Ausbauteile, Maschinen), Versorgungseinrichtungen (Pumpen, Stromaggregate), Leitungen für Strom, Wasser, Luft etc. entsprechend den Erfordernissen rechtzeitig vor Ort zu bringen und im Gegenzug die Kohle nach über Tage zu fördern. Üben im virtuellen Streb Nicht nur im Internet kann man sich mit den Komponenten eines Bergwerks vertraut machen (www.deutsche-steinkohle.de). Für die Aus- und Fortbildung der Bergleute werden Abbaubetriebe und Streckenvortriebe mit allen Einbauten und Maschinen virtuell nachgebildet. Hier kann der Umgang mit neuen Betriebsmitteln kostengünstig im „Trockenkurs“ geübt werden. Dieses 3DVerfahren dient auch dazu, das Zusammenspiel verschiedener Komponenten bereits während der Konstruktionsphase zu optimieren. Blick in die Grubenwarte über Tage. Hier laufen alle Informationen über die Betriebszustände der verschiedenen Teile des Bergwerks zusammen. Die Grubenwarte ist das Nervenzentrum des Bergwerks. 20 Bergmann – ein moderner Beruf Wer ein modernes Bergwerk gesehen hat und die dort arbeitenden Menschen beobachten konnte, weiß, dass nur qualifizierte Facharbeiter den Anforderungen gerecht werden können. Mit dem allgemeinen technischen Fortschritt hat sich das Berufsbild des Bergmanns geändert. Im Bergbau gibt es heute eine Vielzahl von Berufen. Lässt man die Angestelltenberufe einmal unberücksichtigt, so kommt man allein im technischen Bereich auf mehr als ein Dutzend Ausbildungsberufe. Der Industriemechaniker montiert und repariert Maschinen und Geräte über und unter Tage. Der Energie-Elektroniker kontrolliert das Leitungsnetz, installiert elektrische Einrichtungen, wartet Elektrogeräte, baut z. B. Hochspannungsanlagen sowie elektronische Bauteile und Schaltungen ein, wartet und repariert sie. Mit dem Mechatroniker steht ein Facharbeiter zur Verfügung, dessen Schwerpunkt im prozessorientierten Denken und Arbeiten besteht: Montage und Instandhaltung von komplexen Maschinen, Anlagen und Systemen sowie die Abnahme und das Betreiben von entsprechenden Systemen. Der IT-Systemelektroniker errichtet die Kommunikations- und Informationsnetze, wie z. B. Mobilfunknetze, PC-Netzwerke, elektronische Gebäudesicherungen etc.. Der Konstruktionsmechaniker baut Stahlkonstruktionen z. B. für Transportanlagen. Außerdem gibt es den Zerspanungsmechaniker, der in Werkstätten eingesetzt wird. gewidmet. Kenntnisse über die Eigenarten von Kohle und Nebengestein z. B. sind für den Maschineneinsatz und sicheres Arbeiten unentbehrlich. Der Bergmechaniker ist der Allround-Bergmann, der die besten Aufstiegschancen hat. In einem weiteren bergmännischen Ausbildungsberuf, dem des Berg- und Maschinenmanns, werden Jugendliche in zwei Jahren in einer intensiven, ihren Fähigkeiten entsprechenden Ausbildung auf spezielle bergmännische Tätigkeiten vorbereitet. Die Ausbildung wird im Bergbau praxisnah und mit besonderer Sorgfalt betrieben. Es beginnt damit, dass der Bergbau – anders als die anderen Wirtschaftszweige – seine eigenen staatlich anerkannten Berufsschulen/Berufskollegs mit speziell ausgebildeten Lehrern hat. Sie arbeiten direkt mit den erstklassig eingerichteten betrieblichen Ausbildungszentren zusammen. Bei den Abschlussprüfungen der Industrie- und Handelskammern schneiden deshalb die jungen Bergleute immer besonders gut ab. Seit jeher können begabte und tüchtige junge Bergleute eine weiterführende Schule, die Bergfachschule, besuchen, wo sie zum staatlich geprüften Techniker – „Steiger“ – ausgebildet werden. Bei besonderer Eignung und nach Bewährung ist eine Weiterbildung zum Abteilungsleiter möglich. Eine Hochschulaus- und -fortbildung im Fach Bergbau bieten die Technische Fachhochschule Georg Agricola in Bochum (Bergtechnik, Geotechnik) sowie die technischen Universitäten in Aachen (Bergbau), Berlin (Entsorgungs- und Rohstofftechnik), Clausthal (Geotechnik, Bergbau, Erdöl-/ Erdgastechnik) und Freiberg (Geotechnik und Bergbau). In Deutschland ausgebildete Bergleute und Bergtechniker genießen in allen Ländern der Erde höchstes Ansehen. Der Bergbau bildet aber nicht nur den Nachwuchs für die eigenen Betriebe aus. In Ausbildungseinrichtungen in- und außerhalb der Reviere werden junge Menschen auch in nicht bergbauspezifischen, anerkannten Ausbildungsberufen für andere Wirtschaftszweige ausgebildet. Qualifizierte Ausbildung wird groß geschrieben. Zu diesen Berufen, in denen sich die Ausbildung vergleichbar wie in anderen Industriezweigen vollzieht, kommen die besonderen bergtechnischen Ausbildungsberufe. Der Bergmechaniker wird dreieinhalb Jahre ausgebildet. Dabei wird er mit den Grundfertigkeiten der Metall- und Baustoffverarbeitung vertraut gemacht. Er wird an Maschinen ausgebildet und lernt Transportmittel und besondere Arbeitsverfahren kennen, die im Bergbau vorkommen. Die Ausbildung gleicht im ersten Jahr der Ausbildung des Industriemechanikers. Im zweiten Ausbildungsjahr lernt er über Tage die Maschinen kennen, mit denen er im dritten Ausbildungsjahr unter Tage umgeht. Dabei werden auch Zusammenbau, Wartung und Reparatur der Maschinen erlernt. Ein breiter Raum ist dem bergmännischen Fachwissen 21 Gemeinsam ans Ziel „Bergbau ist nicht eines Mannes Sache“, eine Erkenntnis, die Tradition hat. Um die vielfältigen Aufgaben, die sich im Bergbau stellen, erfüllen zu können, ist Team-Arbeit erforderlich. Mehr vielleicht als in vielen anderen Berufen ist der Bergmann auf die gute Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten angewiesen. Die besondere Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern spiegelt sich in der Montan-Mitbestimmung wieder. Was ist Mitbestimmung? Die Beschäftigten in den Bergwerken wählen – wie in anderen Betrieben außerhalb des Bergbaus auch – einen Betriebsrat, der ihre Interessen dem Arbeitgeber gegenüber wahrnimmt und z. B. in Fragen der Arbeitszeit, der Lohngestaltung, der Unfallverhütung usw. mitspricht. Bei betrieblichen Planungen kann der Betriebsrat Vorschläge machen, personellen Veränderungen muss er zustimmen. Nach den Regeln der Montan-Mitbestimmung wird, abweichend von der übrigen Wirtschaft, der Aufsichtsrat des Unternehmens in jeweils gleicher Zahl mit Arbeitnehmervertretern und Anteilseignern besetzt, hinzu kommt ein sogenanntes neutrales Mitglied. In der Unternehmensleitung wird mit den Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ein Arbeitsdirektor bestellt. Auf betrieblicher Ebene müssen die Betriebsdirektoren für Personalund Sozialwesen das besondere Vertrauen der Arbeitnehmer besitzen. Hauer: Eine Berufsbezeichnung, die aus der Zeit stammt, als die Kohle noch mit der Spitzhacke „gehauen“ wurde: Facharbeiter. Steiger: Aufsichtsperson im Bergbau, abgeleitet „vom steten Steigen und Einfahren in die Grube“, wie es im vorindustriellen Zeitalter üblich war. Ein Fahrsteiger ist ein Bergingenieur mit Hochschuloder Fachhochschulausbildung. Offiziell wird diese Bezeichnung nicht mehr verwendet. Knappe: Frühere Bezeichnung für einen in Ausbildung befindlichen Bergmann; übertragen auch allgemein für Bergmann. Heute nicht mehr gebräuchlich. Auf überbetrieblicher Ebene vertreten die Gewerkschaften die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber Arbeitgeberverbänden. Hier geht es vor allem um die Höhe der Löhne und die Länge der Arbeitszeit. Nur im Team können die Aufgaben bewältigt werden. Jeder trägt Verantwortung für sich selbst, aber auch für die anderen Bergleute und das Unternehmen. 22 Der Bergbau wandert Der Abbau der Steinkohle muss der Lagerstätte folgen. Das heißt, wenn die Kohle an einer Stelle abgebaut ist, so muss der Abbau an anderer Stelle fortgesetzt werden. Dies kann unmittelbar im Anschluss erfolgen, weiter weg oder in einem anderen, in der Regel tiefer liegenden Flöz. Hierzu sind zunächst entsprechende geologische Erkundungen notwendig. Mit seismischen Verfahren wird erkundet, wie die Gesteinsschichten und Kohleflöze liegen, wo geologische Störungen zu erwarten sind. Dazu wird das Gestein künstlich, meist durch kleine Sprengungen, in Schwingung versetzt und die reflektierenden Schallwellen werden anschließend gemessen. Zur genaueren Erkundung werden Bohrungen niedergebracht. Die Qualität der Kohle lässt sich anhand der gewonnenen Bohrkerne ermitteln. Aufgrund der nun bekannten Lagerstättenstruktur werden die neuen Abbaufelder und die erforderlichen Streckennetze entworfen. Die gesamte Abbauplanung ebenso wie neuerdings auch die Konfiguration der Strebeinrichtung wird mit Hilfe von Computerprogrammen ermittelt und in 3-D-Darstellungen visualisiert und optimiert. Zur Auswahl der nächsten Abbaubetriebe werden die verschiedenen Möglichkeiten unter geologischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft. Dabei werden weitere Untersuchungen vorgenommen, z. B. wie der Abbaubetrieb erreicht werden kann (durch den Vortrieb neuer Strecken oder den Aufschluss einer neuen Sohle), welche zusätzlichen Einrichtungen (z. B. neuer Wetterschacht) oder Erweiterungen (z. B. Tieferteufen eines Schachtes, Streckenquerschnitt erweitern) nötig sind. Für die jeweiligen Abbaubereiche sowie die benötigten weiteren Einrichtungen sind in Abhängigkeit von der gewählten Technik die Auswirkungen auf die Oberfläche, das Grundwasser etc. zu ermitteln. Bohrkerne geben Aufschluss über die geologischen Verhältnisse im Gebirge, die Lage und Qualität der Kohle. 3-D-Darstellung vom Übergang Streb/ Strecke. Grubenriss eines Bergwerks. Die Haupt- schachtanlage liegt am Standort der Schächte 1 und 2. Geologische Störungen bewirken, dass die Flöze um mehrere Meter versetzt werden. Der Zuschnitt des Bergwerks muss dies berücksichtigen. 23 Hohlräume verfüllen sich selber Durch den Kohlenabbau entstehen Hohlräume im Gebirge. Unter der Last des aufliegenden Gebirges brechen die Hangendschichten ein, wenn sie nicht mehr abgestützt werden. Seit langer Zeit wird versucht, Hohlräume wieder zu verfüllen oder, wie der Bergmann sagt, einen Versatz in den Bruchraum („Alter Mann“) einzubringen. Beim Blasversatz wird klein gebrochenes Bergematerial über Rohrleitungen mit Druckluft in den Bruchraum hinter den Schilden geblasen. Die anschließend aufliegenden Gebirgsschichten komprimieren die losen Schüttungen. Trotz zahlreicher Weiterentwicklungen hat sich der Blasversatz aber nicht durchsetzen können. Die technischen und logistischen Voraussetzungen waren zu hoch. Gleichzeitig ergaben sich erheblich erhöhte Betriebskosten. Außerdem ist die Reduzierung der Senkung an der Tagesoberfläche durch dieses Verfahren bei weitem nicht so groß, wie es zu Beginn der Entwicklungsarbeiten erwartet wurde. Ein anderes Verfahren ist die Bruchhohlraumverfüllung. Hierbei wird das kleingemahlene Bergematerial mit Verbrennungsaschen aus Kraftwerken und Grubenwasser vermischt. Pumpen befördern das Gemisch über Rohrleitungen in den Bruchraum. Dort verteilt sich das Gemisch in die Zwischenräume des lose geschütteten Bergematerials aus den Hangendschichten. Auch dieses hydromechanische Verfahren hat aber die Erwartungen nicht erfüllen können, die Auswirkungen des Kohlenabbaus an der Tagesoberfläche positiv zu beeinflussen. Wenn die Tagesoberfläche sich senkt Überall wo Bergbau betrieben wird, wird ein mineralischer Rohstoff oder fossiler Brennstoff – wie z. B. Kohle – abgebaut. Dabei werden Gesteinsmassen bewegt und aus der Erde herausgeholt. Beeinflusst wird dadurch das ursprüngliche physikalische Gleichgewicht im Gebirgskörper. Das kann zu unterschiedlichen Auswirkungen führen. Im Steinkohlenbergbau verfüllen sich die durch den Abbau der Kohle entstandenen Hohlräume sofort selbst, wenn das Gebirge 24 nicht mehr durch den Ausbau der Strecke oder im Streb gestützt wird. Im Anschluss daran senken sich die darüber liegenden Gesteinsschichten. Als Folge bilden sich an der Tagesoberfläche weiträumige Senkungsmulden. Diese Senkung ist um etwa 10 - 20 Prozent geringer als die Dicke des abgebauten Flözes. Der Senkungsbereich über Tage wandert in dem Maße wie sich der untertägige Abbaubetrieb fortbewegt. Rahmenbetriebsplan-Verfahren des Bergwerks Walsum Gegenstand des Rahmenbetriebsplans ist der geplante Steinkohlenabbau des Bergwerks Walsum bis zum Jahr 2019. 1994 – 1996 Vorstudie (bergbauinterne Untersuchungen) Erst ist eine Genehmigung erforderlich 11.09.1996 Übergabe der „Planerischen Mitteilung“ des Bergbau-Unternehmens an die Bergbehörde Sämtliche bergbaulichen Aktivitäten und Bauten müssen in umfangreichen Verfahren genehmigt werden. Die in ihrer Laufzeit und Detaillierung unterschiedlichen Genehmigungen bauen aufeinander auf. Als erstes teilt der Bergbau der zuständigen Behörde mit, welche bergbaulichen Aktivitäten für einen längeren Zeitraum vorgesehen sind und beschreibt die grobe Planung hierfür. Dann wird gemäß den rechtlichen Vorgaben in aller Regel eine Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) durchgeführt und ein Rahmenbetriebsplan aufgestellt. In ihm wird festgelegt, wann und wo z. B. Abbau erfolgen soll. In einem anschließenden Beteiligungsverfahren werden die Träger öffentlicher Belange – Kommunen, Fachbehörden und Ämter – angehört. Schließlich wird der Rahmenbetriebsplan öffentlich ausgelegt. Betroffene Bürger können dazu Einwendungen erheben. Diese werden dann auf einem Termin erörtert, wobei der Bergbaubetreiber als Antragsteller und die Gutachter Stellungnahmen abgeben können. Daraus resultiert ein Planfeststellungsbeschluss, der oft Nebenbestimmungen oder Auflagen enthält. Allein dieser Planungs- und Abstimmungsprozess dauert rund sechs bis acht Jahre. Erst jetzt verfügt der Steinkohlenbergbau über eine generelle Zulassung. Im Folgenden müssen nun die jeweiligen Vorhaben durch Hauptbetriebspläne und danach jedes einzelne Vorhaben, wie z. B. der Abbaubetrieb oder ein Streckenvortrieb durch sogenannte Sonder- oder Einzelbetriebspläne genehmigt werden. Erst danach ist die Aufnahme der Arbeiten möglich. 13.09.1996 Aufforderung der Bergbehörde, den Rahmenbetriebsplan mit Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorzulegen. 19.02.1997 Abstimmung des Untersuchungsrahmens mit der Bergbehörde („Scoping“) 08.08.2000 Antragstellung des Bergbau-Unternehmens bis 19.12.2000 Öffentliche Auslegung bis 16.01.2001 Einwendungsfrist bis 25.01.2001 Beteiligungsverfahren der Träger öffentlicher Belange 21.06.2001 – 02.07.2001 1. Erörterungstermin 31.10.2001 – 29.01.2002 2. Erörterungstermin 07.06.2002 Planfeststellung durch die Bergbehörde Ein neuer Schacht entsteht Trotz aller Automation und allem technischen Fortschritt ist und bleibt der Beruf des Bergmanns ein Geschäft, das ohne Geschick, Zähigkeit und Ausdauer nicht auskommt. Das wird beim Schachtbau deutlich. In einer Pfütze auf der Sohle, genau 980 Meter tief unter der Erde, zerplatzen Blasen: Gas. Nichts Besonderes, die fünf Hauer, die dort unten den neuen Schacht Meter für Meter tiefer in den Fels treiben, wissen, dass sie beim Abteufen wieder auf eine kohleführende Schicht gestoßen sind. Das haben sie schon oft erlebt. Aber auch andere Erdschichten mussten durchteuft werden; Schwimmsande, Mergelschichten, Schiefer, Sandstein. Oben, an der Tagesoberfläche, wo die Abteuffördermaschine steht, wird der Kübel gekippt und das Gestein abtransportiert. Gegenwärtig bieten die Teufarbeiten für die Männer keine besonderen Schwierigkeiten. Aber auf den ersten 100 Metern sah das noch anders aus. Da mussten zunächst die wasserführenden Lockergesteine durchstoßen werden, die das feste Karbongebirge überlagern. Damals konnte man den Schacht nicht einfach durch Bohren, Schießen und Laden abteufen. Die Schwimmsandschichten und die wasserführenden Klüfte im Gestein hätten dies nicht zugelassen. in der ganzen Welt angewandt. Das Prinzip: Wasserhaltige und lockere Erdschichten werden eingefroren, um sie fest und stabil zu machen. Durch die gefrorene Erde wird dann der Schacht niedergebracht. Der Frostzylinder schützt den neuen Schacht während des Teufens gegen Wassereinbrüche und ermöglicht es, ihn dauerhaft wasserdicht auszubauen. Der wasserdichte Ausbau besteht heute aus Stahlblech, das durch eine Betonwand verstärkt wird. Deshalb wurde das Gefrierverfahren angewendet. Dies ist eine der zuverlässigsten Abteufmethoden – in Deutschland entwickelt, In Tag- und Nachtschichten haben die Hauer den Schacht, der 1000 Meter tief werden soll, pro Monat 40 bis 60 Meter tiefergeteuft und ausbetoniert; 20 Meter noch, dann ist die 1000-Meter-Sohle erreicht. Rund 50.000 Kubikmeter Gestein mussten dabei herausgesprengt und an die Tagesoberfläche gebracht werden. Schachtbau, das ist nicht nur harte Arbeit, sondern vor allem ein teures und langwieriges Unternehmen: 30 bis 70 Millionen Euro kostet ein Schacht. Unten arbeitet ein übermannshoher Polypgreifer, der das Gestein aufnimmt, das die Männer der Vorschicht losgesprengt haben. Ein Mann steuert die Maschine. Polternd lässt der Greifer die grauen Felsbrocken in einen riesigen Eisenkübel fallen, in dem das Gestein nach oben gefördert wird. In diesem Kübel verlassen die Bergleute bei Schichtwechsel ihren Arbeitsplatz im übrigen auch wieder. Neben dem Abteufgerüst liegen die Stahlausbauteile für den Einbau in den neuen Schacht bereit. 25 Rationalisierung und Konzentration Verbundmaßnahme Bergwerk Ost Durch den Einsatz moderner Techniken gelingt es, neue Wege in den Betriebsabläufen eines Bergwerks zu beschreiten. Wo früher viele Bergleute beschäftigt waren, z. B. im Streb, wird heute die Hauptarbeit von Maschinen geleistet. Die Schichtleistung unter Tage, das ist die Kohlenmenge, die ein Bergmann durchschnittlich in einer Schicht gewinnt, ist so auf heute 6,5 t je Mann und Schicht gestiegen (vor 45 Jahren waren es 1,5 t). Ziel des Verbundes ist die Verkleinerung des Grubengebäudes und der Belegschaft bei Aufrechterhaltung der Kohleförderung und der Option eines Zugriffs zu weiteren Lagerstättenteilen. Vor dem Verbund gab es in diesem Bereich 17 Schächte, nach Abschluss der Maßnahme 7. Die Gesamtstreckenlänge verringerte sich dadurch von 217 auf 105 km, die Belegschaft halbiert sich von rund 6700 auf etwa 3300. Im Zuge der Konzentration der Steinkohlengewinnung werden auch Bergwerke zusammengelegt. Die Förderung wird auf einen Schacht zusammengeführt. Um die Kohle kostengünstiger zu fördern, sind aber zunächst Investitionen erforderlich für Strekken, Bandanlagen, Schachtum- oder -neubauten. Chronologie: ● November 1997 Beschluss, die Bergwerke HausAden/ Monopol und Heinrich Robert zum Bergwerk Ost zusammenzuschließen Ausbau eines Schachtes mit vorgefer- tigten Betonpaneelen. März 1998 Beginn der Streckenauffahrung von Heinrich Robert auf der -1120m-Sohle ● April 1998 Verwaltungsmäßiger Zusammenschluss der beiden Bergwerke zum Bergwerk Ost und Beginn der Streckenauffahrung vom Bereich Monopol ● ● Mai 1999 Beginn des Tieferteufens von Schacht Lerche (bisher Abwetterschacht) ● Januar 2000 Umstellung der Wetterführung (Schacht Lerche wird Frischwetterschacht) März 2000 Inbetriebnahme der zentralen Wasserhaltung Ost ● ● Februar 2001 Durchschlag der Streckenauffahrung (Gesamtlänge 5,5 km) Juni 2001 Umstellung der Förderbänder Richtung Heinrich Robert. Endgültige Einstellung der Förderung auf Haus Aden ● ● Mai 2001 Ende der Teufarbeiten an Schacht Lerche Dezember 2001 Durchschlag der Strecke mit Schacht Lerche ● ● September 2002 Inbetriebnahme des Schachtes Lerche mit zentraler Kälteanlage und Seilfahrt. Aufgabe des Kauenstandortes Haus Aden 26 DIE STEINKOHLENREVIERE 27 Die Entstehung der Steinkohle Steinkohle ist vereinfacht dargestellt eine Weiterentwicklung von Torfmooren, wie sie auch heute noch entstehen: Holzige Pflanzenteile, Wurzelstöcke, Stämme und Äste sterben ab und sinken unter die Wasseroberfläche. Luftabschluss verhindert das Vermodern. Später werden Tone und Sande darüber abgelagert. Durch zunehmende Tiefe nimmt die Wärme zu, der Prozess der Inkohlung beginnt. Holz, das jahrzehntelang Sonnenenergie chemisch gespeichert hat, wird allmählich zu Kohle. Vor rund 300 - 350 Millionen Jahren im Karbon war das heutige Ruhrgebiet die sumpfige Uferzone eines riesigen Meeres. Das Klima war subtropisch, die Pflanzen wuchsen rasch. Der Vorgang der Torfbildung hat sich mehr als hundertmal ereignet: so viele Kohleschichten – Flöze – gibt es nämlich zum Beispiel im Ruhrrevier. Würde man sie aufeinanderlegen, wären sie etwa 80 Meter dick. heim. Möglich war dies geworden, nachdem 1802 erstmals mit Hilfe der einige Jahre zuvor entwickelten Dampfmaschine Wasser effektiv aus größerer Tiefe hochgepumpt werden konnte. Die rasche Industrialisierung des Ruhrgebiets zwischen 1880 und 1910 konnte nur mit der Hilfe von Zehntausenden von Einwanderern aus damaligen ostdeutschen und westpolnischen Gebieten erreicht werden. Sie haben das Land, das Leben und die Leute an der Ruhr wesentlich mitgeprägt. Heute gehören die ausländischen Mitarbeiter, ihre Familien und Nachkommen aus den süd- und südosteuropäischen Ländern sowie aus der Türkei zum Alltagsbild. Seit 1956, dem Jahr mit der höchsten Steinkohlenförderung (124,6 Mio. t) ist die Förderung auf ein Siebentel gesunken (2005: 18 Mio. t). Während damals auf 140 Bergwerken, 58 Kokereien und 20 Brikettfabriken eine Belegschaft von 485.000 arbeitete, gab es zu Beginn 2006 6 Bergwerke und 1 Kokerei mit insgesamt 31.900 Mitarbeitern. Das Ruhrrevier Das Saarrevier Unter dem Ruhrgebiet befindet sich der größte Steinkohlenvorrat Deutschlands. Die Kohlenlagerstätte an der Ruhr misst etwa 100 Kilometer in Ost-West-Richtung. An der Ruhr reichen die heute abgebauten Kohlenflöze bis zur Tagesoberfläche, nach Norden zu sinken sie unter ein immer mächtiger werdendes Deckgebirge ab. Für den Bergbau unter heutigen technischen Bedingungen erreichbar – d.h. bis etwa 1500 m Tiefe – ist in N-S-Richtung ein 20-30 km breiter Streifen. Die Lagerstätte ist ein Teil des nordwesteuropäischen Kohlengürtels, der sich von England über Nordfrankreich, Belgien und das Gebiet um Aachen mit Unterbrechungen bis zum russischen DonezBecken fortsetzt. Kohle im Saarrevier ist geologisch anders entstanden als Kohle an der Ruhr und in Ibbenbüren: Sie bildete sich nicht aus Wäldern an Meeresufern, sondern aus den Sumpfwäldern von Süßwasserseen. Daraus bildete sich mit einer Ausdehnung von etwa 60 mal 25 Kilometern zwischen Frankenholz im Kreis Homburg und Falkenberg (Lothringen) das saarländisch-lothringische Kohlenrevier. Die Flöze sind durchschnittlich zwei Meter dick, sie liegen meist flach und er- Geregelter Bergbau begann an der Ruhr nach zaghaften Versuchen, die bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen, um 1730. Bis ungefähr 1830 waren die Kohlenvorräte, die an der Ruhr zutage traten und im Schürf- und Stollenbergbau gewonnen werden konnten, erschöpft. Von nun an musste man durch das Deckgebirge stoßen, um Kohle zu finden. Zum ersten Mal versuchte das der Industrielle Franz Haniel aus Ruhrort auf der Zeche Kronprinz von Preußen an der Stadtgrenze von Essen-Borbeck und Mül28 leichtern dadurch den Abbau mit modernen Maschinen. An der Saar förderten 2005 rund 7.400 Mitarbeiter 4,7 Mio. t Steinkohle in einem Bergwerk. Anfang 2004 wurden die letzten beiden Anlagen zum Bergwerk „Saar“ zusammengelegt. 1956 waren es noch 18 Bergwerke und drei Kokereien. Ibbenbüren Hundert Kilometer nördlich des Ruhrgebiets tauchen die Schichten des Ruhrkarbons im Teutoburger Wald als eine fünfzehn mal sechs Kilometer große Scholle wieder aus der Tiefe empor. Seit über 500 Jahren wird hier Bergbau betrieben. Ibbenbürener Kohle ist eine Besonderheit: durch die ursprüngliche Lagerung in großer Tiefe mit höheren Temperaturen wurde sie viel stärker inkohlt als die Ruhrkohle in entsprechender Tiefe. Die Fettkohlenflöze von der Ruhr treten hier als Anthrazit- und Magerkohlen auf. In Ibbenbüren gab es 1956 6 Schachtanlagen, eine Kokerei und zwei Brikettfabriken mit 12.100 Beschäftigten. 2005 förderten 2.600 Bergleute 1,9 Mio. t Steinkohle in einem Bergwerk. Das Aachener Revier Im wahrscheinlich ältesten Steinkohlenrevier Deutschlands wurde mit der Schließung des Bergwerks Sophia-Jacoba 1997 die letzte Steinkohle gefördert. Betrieben werden heute noch zwei Brikettfabriken. Die RAG Aktiengesellschaft Die RAG Aktiengesellschaft, Essen, wurde 1969 als usprünglich reines Bergbauunternehmen gegründet und ist heute ein international tätiger Energie- und Chemiekonzern. In den Sparten Energie, Chemie, Immobilien und Bergbau wurde 2005 ein Umsatz von rund 22 Mrd. Euro erwirtschaftet. Von den weltweit knapp 100.000 Mitarbeitern ist rund die Hälfte im Ruhrgebiet tätig. Damit gehört die RAG nicht nur zu den größten Arbeitgebern in Nordrhein-Westfalen, sondern auch zu den Unternehmen mit den meisten Ausbildungsplätzen. Jährlich werden in insgesamt 50 Berufen rund 9.500 Jugendliche für den eigenen Bedarf und auch für andere Unternehmen ausgebildet. Die RAG-Tochter STEAG ist der fünftgrößte Stromerzeuger Deutschlands und hat eine installierte Kraftwerksleistung von rund 9.000 Megawatt im In- und Ausland. Die Geschäftsbereiche der STEAG sind Stromerzeugung, Kraftwerkstechnik, Fernwärme, Gasdistribution sowie Kohlehandel. Im Bereich der Steinkohleverstromung ist das Unternehmen Technologie- und Marktführer. Das modernste Steinkohlekraftwerk wird in Duisburg-Walsum gebaut. Am Standort Herne wird ebenfalls intensiv an einem Kraftwerksneubauprojekt gearbeitet. Die Perspektiven für die STEAG sind äußerst günstig: Experten rechnen bis zum Jahr 2025 mit einem Bedarf von 50 neuen Kraftwerksblöcken oder 40.000 Megawatt Kraftwerksleistung. Davon wird ein Großteil Steinkohlekraftwerke sein. Die Chemietochter Degussa der RAG ist weltweit die Nummer eins in der Spezialchemie und das drittgrößte Chemieunternehmen Deutschlands. In mehr als 85 Prozent ihrer Geschäftsfelder steht die Degussa an erster, zweiter oder dritter Stelle in der Weltrangliste. Mit Standorten in über 50 Ländern und einem weltweiten Vertriebsnetz entwickelt Degussa maßgeschneiderte Systemlösungen. In den kommenden Jahren wird Degussa die Aktivitäten in den Hauptgebäude der RAG in Essen Die Steinkohlenlagerstätte kommt an der Ruhr an die Tagesoberfläche und taucht nach Norden ab. Wachstumsmärkten Osteuropa und China verstärken. Über die Tochtergesellschaft RAG Immobilien zählt die RAG zu den großen Unternehmen der Immobilienwirtschaft in Deutschland. Mit 66.000 bewirtschafteten Wohnungen an Rhein, Ruhr und im Aachener Raum schafft RAG Immobilien Werte für Investoren, Eigentümer und Nutzer der Immobilien. Investitionen in die Modernisierung des Bestandes und den Neubau sowie die Erneuerung kompletter Wohnquartiere festigen die Position des Unternehmens. Der Bestand soll weiter ausgebaut werden. Den Kern des Geschäftsbereichs Bergbau bildet die Deutsche Steinkohle (DSK). Sie fördert im Auftrag der öffentlichen Hand in acht Zechen rund 26 Mio. t. Steinkohle jährlich, die Hauptabnehmer sind die Kraftwirtschaft und die Stahlindustrie. Die DSK setzt bei der Produktion und Verwertung von Steinkohle höchste Standards hinsichtlich Effizienz, Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Mit ihren 34.000 Mitarbeitern steht die DSK für Rohstoff- und Energiesicherheit eine Sicherheit, die im Zeichen von Rohstoffverknappung und steigenden Energiepreisen eine neue Bedeutung gewinnt. Die Aktivitäten in den Bereichen Energie, Chemie und Immobilien bilden den so genannten „weißen Bereich“ des RAG-Konzerns, der Bergbau den „schwarzen Bereich“. Es ist geplant, die Aktivitäten des weißen Bereichs im Jahr 2007 unter neuem Namen an die Börse zu bringen, um die Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen zu erhöhen. Der schwarze Bereich soll unter dem Namen RAG in eine noch zu gründende Stiftung eingebracht werden. Zukunft der deutschen Steinkohle Immer billiger angebotene Importenergie und der niedrige Dollarkurs haben im Verlauf der Jahre zu immer höheren Subventionen für die deutsche Steinkohle geführt. Angesichts der leeren öffentlichen Kassen war eine weitere Subventionierung auf hohem Niveau politisch nicht mehr durchsetzbar. Um keine bruchartigen Entwicklungen in den ohnehin von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Revieren auszulösen, waren Politiker von Bund und Bergbauländern, Gewerkschaften und Bergbau-Unternehmen im März 1997 übereingekommen, die öffentlichen Zuschüsse an den Steinkohlenbergbau bis zum Jahr 2005 kontinuierlich auf etwa die Hälfte zurückzufahren. Die Hilfen für die Verstromung und die Kokskohlenbeihilfen wurden zu einem Gesamtplafond zusammengefasst. Die Hilfen sind nicht – wie ehemals beim Jahrhundertvertrag – an Absatzmengen geknüpft. D.h. der 29 halten. Ausdrücklich wird auf die Notwendigkeit der Stärkung der Energiesicherheit durch die eigene Kohle hingewiesen. So sind Beihilfen für den heimischen Steinkohlenbergbau auch künftig zulässig. Entsprechende Kriterien wurden festgelegt. Die neue Ratsverordnung hat eine Laufzeit bis Ende 2010. Bergbau muss mit dem Geld auskommen und versuchen, ein Höchstmaß an Förderung zu erreichen, wobei er die Kohle zum Wettbewerbspreis – d.h. angelehnt an den Importkohlenpreis – verkauft. Entsprechend der Verringerung der Subventionen von 4,6 Mrd. Euro in 1997 auf 1,83 Mrd. Euro in 2012 soll die Förderung heimischer Steinkohle auf 16 Mio. t in 2012 zurückgehen. Die Belegschaft muss bis dahin auf 20.000 Mitarbeiter mehr als halbiert werden. Um diesen starken Belegschaftsabbau sozialverträglich gestalten zu können, erhalten die Bergleute u.a. Umschulungsangebote für andere Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des Konzerns. Zeitweise verzichtet die Belegschaft auch auf einen Teil ihres Einkommens, um damit den Belegschaftsabbau zu strecken und Entlassungen zu vermeiden. Strukturwandel im Revier Der starke Rückgang der Produktion auf mittlerweile ein Sechstel des Wertes von 1957 bewirkte einen Rückgang der Beschäftigten im Bergbau. Dieser war wegen der Produktivitätsfortschritte deutlich höher: Die Belegschaft ist in diesem Zeitraum auf weniger als ein Zehntel geschrumpft. In der Folge ist auch die Zahl der Ausbildungsplätze zurückgegangen. Beidem begegnet der Bergbau mit seinem Engagement in bergbaufernen oder -fremden Unternehmensaktivitäten und der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für andere Unternehmen. Für die Zeit nach 2005 sind auf europäischer Ebene im Rahmen der Regelungen zur Nachfolge des EGKS-Vertrages Beschlüsse erfolgt. Nach Beendigung des EGKS-Vertrages 2002 wurden die verschiedenen Sonderregeln für den Kohle- und Stahlsektor neu formuliert und in den allgemeinen EG-Vertrag eingeordnet. In einer neuen Ratsverordnung wurden die staatlichen Beihilfen für den Steinkohlenbergbau geregelt. Ziel ist es, unter Berücksichtigung der sozialen und regionalen Aspekte der Umstrukturierung, den Steinkohlenbergbau und den Zugang zu den Lagerstätten zu erJahr Bergwerke* Förderung tägl. Förderung je Schachtanlage tägliche KokeFörderung reien* je Abbaubetriebspunkt Anzahl Kokserzeugung Belegschaft Leistung je Mann und Schicht unter Tage kg v. F. Anzahl Mio. t v.F.** Mio. t Tausend 1957 153 149,4 3.380 212 64 42,3 607,3 1.599 1965 107 135,1 4.959 466 48 37,9 377,0 2.705 1970 69 111,3 6.360 868 36 32,2 252,7 3.755 1975 46 92,4 7.969 1.164 25 26,5 202,3 3.800 1980 39 86,6 8.723 1.408 18 20,7 186,8 3.948 1985 33 81,8 10.031 1.672 13 15,0 166,2 4.368 1990 27 69,8 10.449 1.803 8 10,3 130,3 5.008 1995 19 53,1 11.197 2.336 4 4,8 92,6 5.587 2000 12 33,3 9.890 3.431 1 3,8 58,1 6.685 2005 9 24,7 10.922 3.888 1 2,1 38,5 6.735 *) Stand Jahresende t v.F. Der Bergbau muss der Lagerstätte folgen. Dies führt dazu, dass er ständig neue Bereiche erkunden muss und sich aus anderen bereits abgebauten Bereichen zurückzieht. Bei alledem spielen wirtschaftliche und ökologische Aspekte ebenfalls eine große Rolle. Dies hat in der Vergangenheit und wird weiterhin zu Umstrukturierungen auch t v.F. **) t v.F. = Tonne verwertbare Förderung (vgl. S.35) Früher waren die Kohlenreviere von der Schwerindustrie geprägt. Umweltschutzeinrichtungen gab es kaum. Die Luft war dort bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts von Staub und Ruß erfüllt. Die Silhouette des Reviers: bestimmt von den zahlreichen Fördertürmen sowie Hochöfen und Schornsteinen, die Rauch und Staub in die Luft abgaben. Heute hat sich das Erscheinungsbild gründlich gewandelt. Einerseits ist die Stahl- und Kohleproduktion zurückgegangen. Andererseits wird heute Kohle wesentlich effektiver eingesetzt, bei Kraftwerken und in Hochöfen. Und schließlich haben die Rationalisierungsmaßnahmen der Industrie deutliche Erfolge gezeigt. Die Folge: wenige Fördertürme und Hochöfen, keine „qualmenden Schlote“ mehr. Vor Ort: Wer Kohle „begreifen“ möchte, wer das Revier „erfahren“ will, wer wissen will, wie es heute ist und einmal war, der findet in der Broschüre „Vor Ort“, herausgegeben vom Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus (Adresse siehe Impressum auf der 2. Umschlagseite) Adressen von Anschauungsbergwerken, Bergbau-Museen, Lehrpfaden und Sammlungen zum Thema Steinkohle. In den heute aktiven Revieren sind vor allem die von der Deutschen Steinkohle AG dem Publikum geöffneten Betriebe und Sammlungen zu nennen: Im Trainingsbergwerk in Recklinghausen kann man realen Bergbau erleben. In Ibbenbüren kann das Bergbaumuseum und im Saarland kann das Erlebnisbergwerk in Velsen und das geologische Museum in Saarbrücken besichtigt werden. Ein herausragendes Beispiel ist auch das Deutsche Bergbau-Museum (DBM) in Bochum, das größte Bergbau-Fachmuseum der Welt. In einem bergmännisch aufgefahrenen Streckennetz unter dem Museum befindet sich ein Anschauungsbergwerk von 2,5 km Streckenlänge. Das Museum beherbergt außerdem das Zentralarchiv des Bergbaus. Umstrukturierung im deutschen Stein- kohlenbergbau seit 1957. 30 übertage führen: Bergwerke werden zusammengelegt oder geschlossen, die Grundstücke und Gebäude werden einer neuen Nutzung zugeführt oder abgerissen. Da werden Gewerbebetriebe angesiedelt oder Technologieparks gebaut, Einkaufszentren oder Fabriken errichtet, Wohnviertel und Freizeiteinrichtungen für die Bevölkerung möglichst bald nach Aufgabe des bergbaulichen Betriebes hergerichtet. An der Entwicklung dieser neuen Flächen ist der Bergbau mit der RAG Immobilien AG aktiv beteiligt. Ob Logistikzentren auf ehemaligem Bergwerksgelände entstehen oder Freizeiteinrichtungen, auch ungewöhnliche Ideen werden umgesetzt. So kann heute beispielsweise auf einer Halde in Bottrop das ganze Jahr über im überdachten AlpinCenter skigelaufen werden. Vor jeder Neuansiedlung steht eine Analyse der vorhandenen Grundstückssituation (Baugrund, Gebäude, Verkehrsanschlüsse, etc.). Je nach Folgenutzung ergeben sich unterschiedliche Anforderungen wie z.B. Bodensanierung, Abriss und/oder Umbau von Industriegebäuden sowie Infrastrukturveränderungen. Um all diese komplexen Maßnahmen zu koordinieren und zeitsparend und kostengünstig durchzuführen, hat der Bergbau ein spezielles Planungs- und Steuerungssystem für das Flächenrecycling entwickelt. Das System ist so ausgelegt, dass es auch für andere Branchen einsetzbar ist. Das Gelände des Bergwerks Minister Stein in Dortmund während des Betriebes (links) und vorbereitet zur gewerblichen Nachfolgenutzung (rechts). Am Standort des ehemaligen Berg- werks Mont Cenis in Herne befindet sich heute die Fortbildungsakademie des NRW-Innenministeriums. Im Vordergrund ist die Abdeckung des Schachtes zu sehen. Hier wird das Grubengas gesammelt und in einem Blockheizkraftwerk in Strom umgewandelt. Nutzung der Halde Prosper in Bottrop durch das AlpinCenter (während der Bauphase), der längsten überdachten Skipiste der Welt. Wohn- und Gewerbeansiedlung auf dem ehemaligen Standort der Schachtanlage Prosper III in Bottrop. 31 Das Revier lebt mit dem Bergbau Ausgehend von der Nutzung der Steinkohlenvorkommen in den Revieren haben sich die Bergbau-Unternehmen zu vielseitigen Anbietern verschiedenster Produkte und Dienstleistungen entwickelt. Die Diversifizierung geht von dem im Bergbau erworbenen Know-how aus, entwickelt sich aber immer weiter. Der Erhalt von Arbeitsplätzen in den Revieren ist dabei ein wichtiges Ziel, da für die Steinkohlenproduktion immer weniger Arbeitskräfte erforderlich sind. Wurden 1982 in allen Revieren noch 185.000 Mitarbeiter beschäftigt (1957: rund 600.000!), so sind es Ende 2005 noch 38.500. Die Bergbau-Unternehmen engagieren sich auch außerhalb der Reviere. Durch Aufträge in der Maschinenbaubranche schaffen sie auch dort Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze, rund 100.000 insgesamt, wie eine Studie des Prognos-Instituts ergab. Gemeinschaftsorganisationen det, der sowohl technische wie wirtschaftliche Gemeinschaftsaufgaben hatte. Schon relativ früh hat man im deutschen Bergbau erkannt, dass viele unternehmerische Aufgaben – in der Technik, aber auch im sozialen und wirtschaftlichen Bereich – besser gemeinschaftlich gelöst werden können, als von jedem einzelnen Unternehmen für sich. Große Bedeutung erlangten in den vergangenen Jahrzehnten die gemeinschaftlichen Verkaufs- und Verwertungsorganisationen des Steinkohlenbergbaus: der bereits 1893 gegründete Gemeinschaftsverkauf der Bergwerksunternehmen an der Ruhr, später für das Kokereigas die Ruhrgas AG, die jetzt vor allem Erdgas fast in die ganze Bundesrepublik liefert; die BV-Aral zur Benzolverwertung, als ARAL AG ehemals die größte Treibstoff-Firma Deutschlands; die Ruhr-Stickstoff AG als Düngemittelproduzent; die Verkaufsvereinigung für Teererzeugnisse; schließlich die STEAG AG als geschäftsführende Gesellschaft der Bergbau-Elektrizitäts-Verbundgemeinschaft, heute der zweitgrößte Steinkohlenverstromer in der Bundesrepublik. Im ausgehenden Mittelalter schlossen sich die Bergleute zu Knappschaften zusammen, die die Gesundheits- und Altersfürsorge übernahmen. Heute ist die daraus entstandene Bundesknappschaft mit Sitz in Bochum eine in der ganzen Welt als vorbildlich angesehene, moderne Sozialversicherung aller deutschen Bergleute. Ebenfalls im Mittelalter gab es bereits den Zusammenschluss einzelner privater Bergbauunternehmen zu sog. Hilfskassen für gemeinschaftliche Aufgaben. Im Ruhrbergbau wurde 1858 der Verein für die bergbaulichen Interessen (VbI) gegrün- Die Unternehmen des Steinkohlenbergbaus sind im Unternehmensverband Steinkohlenbergbau (UVSt) zusammengeschlossen. Seine wichtigste Aufgabe ist der Abschluss der Tarifverträge mit den Gewerkschaften. Die Bergleute sind überwiegend in der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) organisiert. Die zentralen Gemeinschaftsorganisationen auf Bundesebene sind der Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus und die Deutsche Montan Technologie GmbH (DMT). Die DMT befasst sich mit Forschung und Prüfung sowie Aus- und Fortbildung. Für diese Aufgaben unterhält die DMT technisch-wissenschaftliche Institute und ein komplettes bergbauliches Schulsystem. Zur DMT gehört auch, in gemeinsamer Trägerschaft mit der Stadt Bochum, das Deutsche Bergbau-Museum. Der Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus (GVSt) nimmt vor allem die wirtschafts- und sozialpolitischen Belange wahr und repräsentiert den deutschen Steinkohlenbergbau in der Bundesrepublik und auch international, z. B. in der Europäischen Union. Die Ausbauschilde der DBT, einer RAG-Tochter, werden international eingesetzt. 32 UNSERE ENERGIEVERSORGUNG AUSGEWOGENER ENERGIEMIX MIT STEINKOHLE 33 Bergbau und Rohstoffe: Schlüssel zum Fortschritt So steht es im Lexikon: „Der Umfang der Rohstoff-Grundlage ist für jede Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung.“ Ein dürrer Satz, der so, wie er da steht, wenig aufregend ist. Ist es nicht selbstverständlich, dass die Rohstoffe Grundlage und Voraussetzung sind für die Entwicklung der Technik, für die Versorgung mit Licht, Kraft und Wärme, für die Höhe unseres Lebensstandards? Ein Leben ohne Rohstoffe ist überhaupt nicht vorstellbar. Viele Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, vom Messer bis zum Auto, werden aus mineralischen Rohstoffen hergestellt. Ohne die Rohstoffe Kohle, Öl und Gas gäbe es praktisch keinen Stahl, keinen elektrischen Strom, keine Industrie, keinen technischen Fortschritt. Rohstoffe und Zivilisation sind untrennbar miteinander verbunden, das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Je weiter sich der Mensch entwickelte, desto mehr Mineralien lernte er kennen und nutzen. Oder vielleicht sagt man es besser umgekehrt: Je mehr Mineralien der Mensch in der Natur zu finden und zu verwenden lernte, auf desto höhere Kulturstufen entwickelte er sich. Da war die Steinzeit mit Waffen und Werkzeug aus Feuerstein. Vor ungefähr 8000 bis 10 000 Jahren haben die Menschen der jüngeren Steinzeit 12 m tiefe Gruben gegraben, um an den harten Stein und damit an den Rohstoff zu kommen, aus dem sie ihre Waffen und Werkzeuge herstellten. Zunächst konnten sich viele selbst mit dem Rohstoff Feuerstein versorgen; bald aber übernahm eine Gruppe handwerklich Begabter diese Arbeit für die anderen. Der Mensch der Steinzeit hatte einen Beruf entwickelt, den des Bergmanns. Bergleute förderten den Stein zutage und begannen, ihn gegen Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens einzutauschen. In der Nähe der Gruben siedelten sich andere „Handwerker“ an; sie bauten Werkstätten, in denen die schweren Steinknollen zerschlagen und zu unterschiedlichen Geräten verarbeitet wurden. Kupfer und Bronze haben einer ganzen Epoche der Vorgeschichte den Namen gegeben. Man weiß heute, dass rd. 3000 Jahre vor der Zeitwende die Rohstoffe Blei, Zinn, Arsen, Antimon und Zinkerz zumindest 34 bekannt waren. Das erste Metall, das gehandelt wurde, war Kupfer. In der Türkei fand man Kupfererzschlacken aus dem 7. Jahrtausend vor der Zeitrechnung. Im gesamten Mittelmeerraum blühte der Handel mit Kupfer. Der Name der Mittelmeerinsel Zypern leitet sich aus dem Vorhandensein des begehrten Metalls ab (Cyprus = Kupfer). In Mesopotamien dürfte die älteste Bronze erschmolzen worden sein – aus den Metallen Kupfer und Zinn. Von Anbeginn war es so: Wer über Rohstoffvorkommen verfügte und sie nutzbar machte, sie erschließen konnte, hatte Macht und Wohlstand. Rohstoffe und Bergbau, das waren und sind die Schlüssel zum Fortschritt. Ein Blick in die Neuzeit macht das sehr deutlich: Selbst unwirtliche und geradezu lebensfeindliche Gebiete wie Alaska, Sibirien oder die Sahara wurden durch die Entdeckung von Rohstofflagerstätten plötzlich attraktiv und zogen Menschen an – Geologen, Ingenieure, Kaufleute. Neue Industrien entstanden, Wohnungen wurden gebaut, Menschen angesiedelt. Kohle – Motor der Industrialisierung Mit Beginn der Industrialisierung trat ein Rohstoff in den Vordergrund: die Kohle. Sie gab Energie, die man vorher nur durch Wasser- und Windmühlen oder durch Verbrennen von Holz gewinnen konnte. Die bis dahin überwiegend genutzte menschliche und tierische Muskelkraft war sehr begrenzt. Erst die Kohle ermöglichte eine wesentlich umfassendere Nutzung von Energie. Ohne die Kohle hätte es keine Industrielle Revolution gegeben. Ohne die Kohle hätte auch der Wald ein schlimmes Ende gefunden, weil überwiegend Holz und Holzkohle als Energieträger genutzt worden wären. Ballungszentren entstanden dort, wo es Rohstoffe in ausreichender Menge gab: Ruhrgebiet, Manchester in England, Pittsburgh in USA, Nowosibirsk in Russland, Johannesburg in Südafrika. Nehmen wir zur Verdeutlichung das Ruhrgebiet, eines der größten industriellen Ballungszentren der Welt: Bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Agrarland mit unbedeutenden Kleinstädten und Dörfern, dann die Industrielle Revolution auf der Basis der Dampf- maschine, angetrieben von dem Rohstoff Kohle. Die Eisenbahn verkürzte Transportund Reisezeiten erheblich. Eisen und Stahl, Maschinen, Produktion, Arbeit, Handel, Wohlstand – ein Kreislauf, der Millionen Menschen in das Land an Rhein und Ruhr lockte. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts war es gelungen, Eisen mit verkokter Kohle zu erschmelzen. Doch erst eineinhalb Jahrhunderte danach kam in Deutschland der Durchbruch. Hochöfen wurden gebaut, die Revolution in der Eisenindustrie. Der Bedarf an Kohle verdoppelte und verdreifachte sich in wenigen Jahren. In nur neun Jahren verdoppelte sich seinerzeit auch die Einwohnerzahl z. B. in Essen von 10.550 auf 20.800. Das ist nur ein Beispiel von vielen, um zu erkennen, wie sehr Rohstoffvorkommen die Entwicklung einer Region beeinflussen. Die im Bergbau entwickelten Techniken haben Bedeutung auch in anderen Wirtschaftszweigen. Das erste Stahlseil wurde im Bergbau entwickelt, die erste elektrische Lokomotive fuhr im Bergbau. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fand erneut eine „Revolution“ in der Eisenbahntechnik statt: Lokomotiven, die stromsparend und ruckfrei Schwerlastzüge ziehen können, sind heute weltweit im Einsatz – sie wurden im Bergbau entwickelt. Modernste Techniken der Datenübertragung und Datenverarbeitung (bis hin zur Computerlogik nach dem Prinzip der neuronalen Netze) werden auch im Bergbau erprobt und weiterentwickelt. Deutsche Technik ist weltweit begehrt. Die hohe Qualität ist ein entscheidender Grund dafür, dass 40 Prozent der auf dem Weltmarkt verkauften Bergbaumaschinen aus Deutschland kommen. Energie ist lebensnotwendig Energieverbrauch einiger Länder der Erde pro Kopf der Bevölkerung im Jahr 9,87 t SKE USA Unter den Rohstoffen sind die Energieträger von besonderer Bedeutung. Sie sind für die Entwicklung eines Landes und dessen Stellung in der Weltwirtschaft von strategischem Wert. Der Energieverbrauch je Kopf der Bevölkerung kennzeichnet einerseits den Lebensstandard eines Volkes. Andererseits wird in manchen Ländern auch deutlich, wie Energie mitunter noch verschwendet wird. In den 70er Jahren wurde die Begrenztheit unserer traditionellen Rohstoffvorkommen deutlich. Eine Reihe von Wissenschaftlern, die sich im Club of Rome zusammenfanden, warnten eindringlich vor der verschwenderischen Nutzung unserer Rohstoffe. Hinzu kam in den folgenden Jahren ein immer größer werdendes Umweltbewusstsein. Beides führt zu der Notwendigkeit, Energie und Rohstoffe möglichst effektiv zu nutzen. 4,72 t SKE Deutschland 2,75 t SKE Polen 1,44 t SKE Brasilien 0,7 t SKE Ägypten 0,34 t SKE China Große Unterschiede im Energieverbrauch weltweit. Steinkohleneinheit (SKE): Energieeinheit; 1 kg SKE entspricht 7000 kcal (Kilokalorien) oder 29308 kJ (Kilojoule). Fördermenge: Die Steinkohlenfördermenge wird in unterschiedlichen Einheiten angegeben. In t SKE (s. oben) wird der Energieinhalt beschrieben. In tv.F. wird der Aschen- und Wassergehalt berücksichtigt. Beispiel: Die Steinkohlenförderung der Bundesrepublik Deutschland betrug 1990 76,5 Mio. t 69,8 Mio. tv.F 71 Mio. t SKE. Die wirtschaftlich gewinnbaren Kohlenvorräte der Welt werden auf 800 Mrd. t geschätzt, das sind 66 % der Weltvorräte fossiler Energieträger (Kohle, Mineralöl, Erdgas). Bei einer Förderung von 3,9 Mrd. t würden die Kohlevorräte rund 200 Jahre lang reichen. Eine Verknappung ist also vorerst nicht in Sicht. All dies wird Auswirkungen auf den Öl- bzw. Gaspreis haben, aber auch Risiken in der Versorgung sind nicht ausgeschlossen. Von besonderer Bedeutung können daher die Energieträger werden, die im eigenen Lande vorhanden sind. Über sie kann man jederzeit verlässlich verfügen. Die Öl- und Gasvorräte werden aber nicht so lange reichen (60 bzw. 40 Jahre).Ein Überangebot mit relativ niedrigen Preisen wird auf Dauer nicht bleiben. Denn 79% der Ölvorräte liegen in Ländern, die sich zur sogenannten OPEC (Organization of Petro- Erdöl 215,6 Mrd. t SKE 6% 80% 13% 1% Die Öl- und Gasvorräte sind auf die OPEC und die Staaten der ehem. UdSSR konzentriert. Die erste elektrische Lokomotive fuhr leum Exporting Countries) zusammengeschlossen haben. 85% dieser OPEC-Vorräte liegen im politisch unruhigen Nahen Osten. Die Abhängigkeit vom OPEC-Öl nimmt daher zwangsläufig zu und damit dessen Marktmacht. Große Bedeutung für Deutschland und Europa werden den Gasvorkommen in Russland beigemessen. Allerdings sind riesige Investitionen in das Pipeline-Netz zur Instandsetzung und zum Neubau erforderlich. Die Staaten des ehemaligen Ostblocks und der ehemaligen UdSSR werden zudem zum Aufbau ihrer eigenen Wirtschaft zunehmend selbst Energie benötigen. Geografisch sind 70% der Weltölreserven und 40% der Weltgasreserven in der Region zwischen Persischem Golf, Kaspischem Meer und dem Nahen Osten konzentriert. Wegen der großen Bedeutung dieser Region für die Weltenergieversorgung wird diese Region auch als „Strategische Ellipse“ bezeichnet. Gerade diese Region zeichnet sich aber durch immer wieder aufflammende Krisen aus. Erdgas 205,0 Mrd. t SKE Russland 27% Sonstige Westeuropa 18% 3% 52% OPEC 2004 gewinnbare Weltvorräte im Bergbau. 35 Kohle in Deutschland Deutschland gehört mit seinen Stein- und Braunkohlenvorkommen zu den Ländern mit den höchsten Kohlereserven. Den geologischen Vorrat an Steinkohle – das ist der bekannte Gesamtvorrat, ohne Rücksicht auf seine technische Gewinnbarkeit – schätzen die Wissenschaftler auf ungefähr 230 Mrd. t (Milliarden Tonnen). Der nach heutigem Stand der Technik nutzbare Vorrat ist geringer – etwa 23 Mrd. t. Immerhin aber reichen diese Vorräte bei den heutigen Produktionsmengen noch einige hundert Jahre. Als weitere wichtige einheimische Energiereserve kommt die Braunkohle mit 43 Mrd. t – entsprechend 13 Mrd. t SKE (Steinkohlen-einheiten) – mit heutiger Technik gewinnbaren Vorräten hinzu. Die geologischen Reserven betragen 78 Mrd. t. Sie wird in den Revieren um Köln, bei Cottbus, zwischen Halle und Leipzig sowie bei Helmstedt im Tagebau gewonnen. gen in Norddeutschland, am Mittelrhein und am Inn vor; sicher etwa 47 Mio. t (Millionen Tonnen) Erdöl – das entspricht im Wärmewert etwa 67 Mio. t SKE – und 319 Mrd. Kubikmeter Erdgas, entsprechend 334 Mio. t SKE. Seit Beginn der Steinkohlenförderung stieg diese kontinuierlich bis ins 20. Jahrhundert an. Einbrüche gab es im Gefolge des I. Weltkrieges, der Weltwirtschaftskrise und des II. Weltkrieges. Einen wesentlichen Anteil am Zustandekommen des Wiederaufschwungs nach 1945 hatte die schnelle Zunahme der Kohlenförderung. Bald jedoch stellten Öl und später Erdgas und Kernenergie einen größer werdenden Anteil unter den Primärenergieträgern. Insbesondere bei der Wärmeversorgung der Haushalte ist der Einsatz von Kohle ständig zurückgegangen. Dagegen hat die Stromversorgung in allen Lebensbereichen zunehmend an Bedeutung gewonnen, dabei auch der Einsatz von Steinkohle zur Stromerzeugung. Erdöl und Erdgas kommen in der Bundesrepublik nur in verhältnismäßig geringen Men- Sicherheit für die Energieversorgung Die inländische Kohle ist Bestandteil einer Politik, die die Sicherheit der Versorgung mit Energieträgern gewährleisten soll. Insbesondere auf die Brennstoffversorgung der Kraftwerke und die Koksversorgung der Hütten richten sich die Maßnahmen der Kohlepolitik. Als Ergebnis dieser Politik ist im Stromsektor ein ausgewogener Energiemix mit einem hohen Anteil heimischer Energieträger (Kohle, regenerative Energien) vorhanden und damit ein hohes Maß an Versorgungssicherheit erreicht worden. Energiekrisen, wie die von 1973/74 und 1979/80, haben der Bevölkerung die Bedeutung einer eigenen Energiebasis deutlich gemacht. Aus Gründen der Energiesicherheit ist es volkswirtschaftlich sinnvoll, mit einem „lebenden“ Steinkohlenbergbau jederzeit über diesen bedeutenden nationalen Energievorrat verfügen zu können. Dem tragen die Anpassungsprogramme Rechnung: Zusammenlegungen und Schließungen von Berg- Steinkohle im langfristigen Trend – Förderung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Mio t v.F.*) 160 140 120 100 80 60 40 20 0 1900 1913 1919 1929 1932 *) t v.F. = Tonne verwertbare Förderung 36 1941 1945 1956 1964 1970 1978 1982 1998 2005 Strom für jeden Bedarf Die einzelnen Energieträger werden zur Stromerzeugung arbeitsteilig eingesetzt. Die hohen Investitionen für die Errichtung von Kernkraftwerken machen es erforderlich, dass diese Anlagen rund um die Uhr, möglichst das ganze Jahr über, in Betrieb sind. Den Strom aus diesen Kraftwerken nennt man deshalb „Grundlast“. Braunkohle und Wasserkraft (Flusskraftwerke) werden wegen der niedrigen Betriebskosten ebenfalls hier eingesetzt. Unter Mittellast versteht man den Strom, der bei zeitweilig höherem Bedarf von den Kraftwerken zusätzlich geliefert wird, d.h. z.B. in der Übergangsjahreszeit, im Winter und tagsüber. Hier wird Steinkohle eingesetzt, weil die Steinkohlenkraftwerke für diese Änderungen der Lastkurve ausgelegt sind. Für die Spitzenlast sind Gas- und Wasser-Kraftwerke (Pumpspeicherwerke) geeignet, da diese in kürzester Zeit zusätzlich Strom, z.B. um die Mittagszeit oder bei extremer Kälte, in das Netz einspeisen können. werken werden so angelegt, dass der Zugriff auf die Lagerstätte weiterhin gewährleistet bleibt. scheidende Versorgung mit Kohle und Stahl sicherstellen. Bis Mitte der 50er Jahre blieb Kohle ein Mangelprodukt. Ein kurzfristiges „Zurückgreifen" auf heimische Energieträger ist nur sehr begrenzt möglich: Bevor ein Bergbaubetrieb die Produktion erhöhen kann, sind langfristige Vorarbeiten und Investitionen erforderlich, vergeht Zeit; für den Neubau eines Bergwerks müssen 10 bis 15 Jahre veranschlagt werden. Eine in Jahren sicherer internationaler Energiemärkte einmal geschlossene Steinkohlenzeche kann in Zeiten internationaler Energieknappheit praktisch nicht wieder in Betrieb genommen werden. Ihre Lagerstätte ist dann „abgesoffen“ und damit nicht mehr zugänglich. Um die europäischen Kohleproduzenten vor Wettbewerbsverzerrungen zu schützen, enthielt der EGKS-Vertrag ursprünglich ein striktes Beihilfeverbot. Diese in Zeiten des Kohlenmangels nützliche Vorschrift schlug jedoch in einen Nachteil um, als sich die Marktlage durch steigende Importe aus Drittländern veränderte. Im Interesse des Erhalts einer europäischen EGKS-Wirtschaft war es nun erforderlich, das Beihilfeverbot durch einen Beihilfekodex zu ersetzen, der im Jahr 1965 in Kraft trat und danach mehrfach modifiziert wurde. Im Jahre 2005 wurden im deutschen Steinkohlenbergbau 24,7 Mio. t Steinkohle gefördert (das entspricht 25,6 Mio. t SKE). Von dem Gesamtabsatz von 26,8 Mio. t SKE wurden 3/4 , das heißt 20,3 Mio. t SKE, an die Kraftwirtschaft geliefert sowie 6,1 Mio. t SKE an die Stahlindustrie. Lediglich noch 0,3 Mio. t SKE gingen in den in- und ausländischen Wärmemarkt. Der Bedarf an Steinkohle wird in den kommenden Jahren bei etwa 60 Mio. t SKE stabil bleiben. Wegen der rückläufigen heimischen Steinkohlenproduktion wird der Importanteil entsprechend steigen (2003 bereits 37 Mio. t). Kohle im vereinten Europa Am 23. Juli 2002 endete fristgerecht nach 50-jähriger Vertragslaufzeit die Geltungsdauer des 1952 in Kraft getretenen Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Die EGKS, landläufig auch bekannt als Montanunion, war die älteste der Europäischen Gemeinschaften und gewissermaßen der Grundstein der heutigen Europäischen Union. Arbeitsteilung von Grund-/Mittel-/Spitzenlastkraftwerken. Lastkurve an einem Wintertag. Politischer Ausgangspunkt des EGKS-Vertrages war das Ziel, kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich unmöglich zu machen. Hinzu trat das wirtschaftliche Motiv, die Schranken im Waren- und Leistungsverkehr zwischen den europäischen Staaten zu beseitigen, um die Wirtschaft zu stärken und damit letztlich den Lebensstandard der Bevölkerung zu heben. Vor allem sollte ein gemeinsamer Markt die für Europas Wiederaufbau ent- Durch den Beihilfekodex war es den Mitgliedsstaaten möglich, ihre heimische Wirtschaft mit Beihilfen zu schützen, ohne den Wettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. Maßstab des Wettbewerbs war und ist der Preis von Drittlandskohle. Mit dem Auslaufen des EGKS-Vertrages fällt der Steinkohlenbergbau – wie die Stahlindustrie – in den Geltungsbereich des EGVertrages. Dessen allgemeine Bestimmungen treten somit an die Stelle der besonderen Vorschriften des EGKS-Vertrages. In drei wesentlichen Bereichen sind auf Basis des EG-Vertrages spezifische Nachfolgeregelungen zu EGKS-Instrumenten erforderlich, die ab dem 24. Juli 2002 gelten: An die Stelle des Beratenden Ausschusses der EGKS tritt eine Beratende Kommission für Kohle, Stahl und industrielle Umstellung unter dem Dach des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. ● Die EGKS-Forschungsförderung wird im Rahmen eines neuen Kohle- und Stahl-Forschungsfonds fortgeführt, der aus dem Restvermögen der EGKS eingerichtet wurde. ● Die letzte EGKS-Regelung über die staatlichen Beihilfen an den Steinkohlenbergbau von 1993 war ebenfalls bis zum 23. Juli 2002 befristet. Auf Vorschlag der EU-Kommission ist eine entsprechende neue Ratsverordnung auf Basis des EG-Vertrages mit gleicher Laufzeit (bis 2010) verabschiedet worden. ● Diese im Energierat politisch vereinbarte und schließlich verabschiedete Verordnung (EG) Nr. 1407/2002 des Rates vom 23. Juli 37 2002 über staatliche Beihilfen an den Steinkohlenbergbau schafft den rechtlichen Rahmen für die Gewährung von Beihilfen nach allgemeinem Gemeinschaftsrecht. Durch die 2004 erfolgte Erweiterung der EU auf 25 Staaten sind weitere Steinkohleproduzenten hinzugekommen. Die höchste Produktion in 2004 erreichte Polen mit 80,8 Mio. t SKE gefolgt von Deutschland (26,6), Großbritannien (20,5), Tschechien (11,1) und Spanien (6,9). Frankreich (0,2) hat seinen Steinkohlenbergbau in 2004 beendet, Ungarn fördert nur noch 0,1 Mio. t SKE. Bereits heute muss die Hälfte der in der EU verbrauchten Primärenergie aus Importen bereitgestellt werden. Bis 2030 wird die Energieabhängigkeit der erweiterten Europäischen Union auf knapp 70 % anwachsen, so wird geschätzt. Die EU-Kommission sieht in dieser steigenden Importabhängigkeit große Risiken. Damit wird es immer wichtiger, die eigenen Energiereserven Europas zu nutzen. Kohle für die Welt Steinkohle wird in vielen Regionen der Welt gefördert, insgesamt rund 3,9 Mrd. t. Über 80 Prozent der etwa 680 Mio. t Steinkoh In Übersee wird Steinkohle häufig auch im Tagebau gewonnen. Zentren der Weltsteinkohlenförderung in Mio. t. Die Weltförderung betrug 2004 3,8 Mrd. t Steinkohle. . . . . . 38 lenexporte liefern aber nur fünf Länder: Australien, China, Indonesien, Südafrika und Kolumbien. Dort wo die Kohle aus großen Tiefen gefördert wird – also vor allem in den Revieren, wo bereits seit Generationen Kohle gefördert wurde – sind die Förderkosten relativ hoch. Preiswerter ist die Kohle, die im Tagebau gewonnen werden kann oder wo die Aufwendungen für die Sicherheit oder den Umweltschutz nicht so hoch sind. Entsprechend günstig sind die Weltmarktpreise für Kohle, wenn gleichzeitig der Dollarkurs niedrig und das Angebot hoch ist. 38 Prozent des weltweiten Stromangebots werden aus Kohle produziert, sie ist hier Energieträger Nr.1. Trotz der verstärkten Nutzung der regenerativen Energieträger und der Ausweitung der Erdgasnutzung wird der Bedarf an Kohle wegen des weiter steigenden Strombedarfs auch künftig steigen. STEINKOHLE ENERGIE UND ROHSTOFF 39 Ein mineralischer Speicher Die Steinkohle in Deutschland ist vor 280 bis 350 Millionen Jahren entstanden. Dieses Erdzeitalter nennt man daher Karbon (lateinisch „carbo“ = Kohle). Steinkohle ist nicht in allen Lagerstätten gleich zusammengesetzt, sondern je nach den Pflanzen, aus denen sie entstand, und je nach Entwicklung und Lagerung unterschiedlich. Zeit und Erdwärme tragen wesentlich zum Grad der „Reifung“, der Inkohlung bei. Als Inkohlung wird der Prozess bezeichnet, in dessen Verlauf sich die ursprüngliche Pflanzensubstanz unter Bildung von Methan, Kohlendioxid und Wasser in Kohle umwandelt. Ein Teil des Methans ist heute noch in der Erdkruste gespeichert und wird als Erdgas in der Energiewirtschaft eingesetzt. Die chemische Analyse der Steinkohle zeigt, dass sie aus einem komplizierten Gemisch kohlenstoffhaltiger Verbindungen besteht, wobei große Kohlenwasserstoffmoleküle überwiegen. Bei höherem Inkohlungsgrad nimmt der Gehalt an Wasserstoff ab. Anthrazit, die Steinkohle mit dem höchsten Inkohlungsgrad, hat den höchsten Kohlenstoffgehalt. Sie brennt mit kurzer Flamme und entwickelt besonders heiße Glut. Die größte Flamme bildet die geringer inkohlte Steinkohle, die Gasflammkohle. Dazwischen liegen die anderen Kohlenarten, vor allem die Fettkohle, die beim Erhitzen zusammenbackt und sich daher besonders zur Kokserzeugung eignet. Die deutsche Braunkohle ist sehr viel jünger als die Steinkohle – etwa 50 - 60 Millionen Jahre ist sie alt. Sie ist relativ weich, enthält viel Feuchtigkeit und hat einen wesentlich niedrigeren Heizwert als Steinkohle. In der Bundesrepublik kann die Braunkohle, im Gegensatz zur Steinkohle, im Tagebau gewonnen werden, was geringere Kosten verursacht. Aufgrund ihrer Entstehung ist Kohle mit anderen Mineralen verwachsen. Diese Minerale bilden beim Verbrennen der Kohle unerwünschte Nebenprodukte, überwiegend als Asche oder Schlacke. Teilweise gelangen sie in die Verbrennungsabgase, z. B. als Schwefelverbindungen. Jedoch sind die Schwefelgehalte der Kohle relativ gering – meist unter 1,2 Prozent. Schwefelverbindungen und andere mineralische Stoffe sind auch in Erdöl und Erdgas enthalten, die ähnlich wie Kohle, jedoch vorwiegend aus Meerestieren, insbesondere dem Plankton, in Millionen Jahren entstanden. Kohle, Erdöl und Erdgas bezeichnet man nach dieser Entstehung aus Fossilen, also aus früheren Lebewesen der Erdgeschichte, auch als fossile Energieträger – anders als Kernenergie, Wasserkraft oder Windenergie. Kohlensorten und Kohlenarten: Kohlensorten bezeichnen die Größe – Staubkohle, Feinkohle, Nußkohle, Knabbeln und Stücke. Kohlenarten unterscheidet man nach ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften, die durch das Alter und die geologischen Einflüsse in der Erdgeschichte bestimmt sind. Gasflammkohle ist die jüngste Kohlenart, Anthrazit die älteste. Die allmähliche Umwandlung von pflanzlicher Substanz in Kohle nennt man Inkohlungsprozeß. Vgl. dazu das Kapitel „Steinkohle – Energie und Rohstoff“. Berge: Gestein, das beim Kohlenabbau und beim Streckenvortrieb sowie als Rest bei der Aufbereitung der Rohkohle anfällt. Halde: Aufschüttung von Bergematerial (Bergehalde), die begrünt und zu Landschaftsbauwerken gestaltet wird oder von Kohle (Kohlenhalde), die wegen Absatzmangel oder als Reserve gelagert wird. Kohlenwäsche Für jede Verwendung ist die höchstmögliche Reinheit des Produkts Kohle wichtig. So, wie die Steinkohle aus dem Bergwerk kommt, wird sie bei uns nicht verwendet. Sie wird erst einmal „gewaschen“, d. h. von nicht brauchbaren Begleitbestandteilen gereinigt. Etwa 50 Prozent der Rohkohlenförderung sind verwertbare Kohle. Das liegt zum Teil an der Mechanisierung des Abbaus. In den Kohleflözen gibt es Einlagerungen von Sandstein oder Tonschiefer. Der Kohlenhobel schält, die Schrämwalze Im Rundlager wird die Kohle zu einer gleichmäßigen Qualität gemischt. Heute werden Bergehalden zu Land- schaftsbauwerken gestaltet. Gliederung der Steinkohlenarten Flammkohle Gasflammkohle Gaskohle Fettkohle Eßkohle Magerkohle Anthrazit flüchtige Bestandteile % >40 40 - 35 35 - 28 28 - 19 19 - 14 14 - 10 <10 Kohlenstoff % 75 - 81 81 - 85 85 - 87,5 87,5 - 89,5 89,5 - 90,5 90,5 - 91,5 >91,5 Wasserstoff % 6,6 - 5,8 5,8 - 5,6 5,6 - 5,0 5,0 - 4,5 4,5 - 4,0 4,0 - 3,75 <3,75 Sauerstoff % >9,8 9,8 - 7,3 7,3 - 4,5 4,5 - 3,2 3,2 - 2,8 2,8 - 2,5 <2,5 Heizwert* kJ/kg <32800 32800 - 34000 33900 - 34800 34500 - 35600 35200 - 35600 35200 - 35500 35000 - 35300 zum Vergleich: Braunkohle Torf 60 - 43 80 - 70 65 - 75 49 - 60 8-5 8-5 30 - 12 45 - 28 14820** 14235*** Kohlenarten * wasser- und aschefreie Kohle; Durchschnitt für die Gesamtfördermenge von Steinkohle 30129 kJ/kg (2000) ** Hartbraunkohle; Durchschnitt für die Gesamtfördermenge von Braunkohle : 9100 kJ/kg (2000) *** Brenntorf 40 schneidet Kohle und Gestein aus dem Flöz. Unsortiert gelangt es weiter über Panzerförderer, Förderband und Zug bis zum Schacht. Der Bergeanteil war früher niedriger, weil der Bergmann noch vorwiegend mit dem Abbauhammer arbeitete und Bergebrocken sofort aussortierte. Dafür ist heute die Abbauleistung um ein Mehrfaches höher. Unter Tage fördert heute jeder Bergmann durchschnittlich über 6,5 Tonnen reine Kohle pro Schicht. Um ein reines und marktfähiges Produkt zu erhalten, wird die Rohkohle gesiebt und von den Bergen (Gestein) befreit. Die Abtrennung der Berge geschieht aufgrund ihres höheren spezifischen Gewichts: Ein Gesteinskorn ist schwerer als ein vergleichbar großes Korn aus Kohle. Nach der Vorsiebung passiert die Rohkohle verschiedene Becken mit Schwereflüssigkeit oder mit pulsierendem Wasser. Die relativ leichten Kohlestücke schwimmen dabei nach oben und werden abgeschöpft. Berge sinken zu Boden, und auch die Kohle-Mineral-Verwachsungen, das Mittelgut, wird getrennt gewonnen. Eigene Wege geht die Feinkohle, die nach intensiver Reinigung vorwiegend an Kokereien und Kraftwerke geliefert wird. Auch das Mittelgut wird als Ballastkohle speziellen Kraftwerken zugeführt. Die nach Größe sortierten stückigen Kohlen, die sog. Nusskohlen, werden nur noch in geringem Umfang im Haushalts- und Industriebereich verwendet. Diese Sortierungs- und Reinigungsprozesse werden als Aufbereitung bezeichnet. Die Aufbereitungsanlage einer modernen Großzeche verarbeitet vollautomatisch pro Tag bis zu 30 000 Tonnen Rohkohle, von wenigen Technikern an Steuerwarten überwacht. Damit möglichst viel Fördergut verwertet wird, finden auch die Berge vielfältige Verwendung. Man benutzt sie im Erd- und Straßenbau, Wasser- und Deponiebau. Der Rest wird auf Bergehalden abgelagert. Diese Halden werden heute als Landschaftsbauwerke gestaltet, sie werden begrünt und passen sich auf diese Weise gut in die Landschaft ein. Für die Ökologie und die Freizeitgestaltung der Revierbürger haben sie große Bedeutung. 41 Der Schornstein raucht schon lange nicht mehr Kohle enthält als natürliches Mineral viele Stoffe, die in der gesamten Erdrinde mehr oder weniger gleich verteilt vorkommen. Darunter ist auch der Schwefel zu nennen, dem in der Umweltdiskussion weiterhin eine große Bedeutung zukommt. Grundsätzlich ist Schwefel eine unverzichtbare Substanz des organischen Lebens. Auch der menschliche Körper enthält Schwefel, der mit der Nahrung aufgenommen wird. Der Schwefelbestandteil der Kohle war vorwiegend in dem Holz der Wälder enthalten, aus denen die Kohle entstanden ist. Aber auch Stickstoff, Chlor, Fluor, ja sogar Metalle, wenn auch in extrem geringen Mengen (Spurenelemente), sind in der Kohle enthalten. Beim Verbrennungsvorgang werden diese Stoffe meist in chemisch oder physikalisch veränderter Form in die Schlacke und Asche eingebunden. Ein sehr geringer Teil geht in das Rauchgas über, wo es herausgefiltert werden muss. Während in den Anfängen der Industrialisierung das Rauchgas ungereinigt über niedrige Kamine in die Atmosphäre abgeleitet wurde, wurde in den letzten Jahrzehnten erreicht, die Rauchgase völlig zu entstauben. Die Entwicklung der elektrostatischen Filter hat große Erfolge für die Luftreinigung gebracht. Heute werden in modernen Anlagen nahezu 100% der Stäube – auch der Feinstäube – aus den Rauchgasen gefiltert und mit ihnen natürlich auch die daran und darin gebundenen Stoffe. Umweltschutz bei der Nutzung von Steinkohle beginnt aber schon früher. Bereits in der Aufbereitung wird der in der Kohle in anorganischer Form (als Pyrit) enthaltene Schwefel teilweise entfernt (wie übrigens auch das Chlor). Feinkörniger Pyrit sowie der organisch gebundene Schwefel können in der Kohlenwäsche nicht abgetrennt werden. Sie werden, soweit nicht in der Asche eingebunden, bei der Verbrennung als Schwefeldioxid (SO2) freigesetzt. Aus den Rauchgasen wird das SO2 durch besonde- Mit dem Begriff Treibhauseffekt bezeichnet man den Umstand, dass Gase wie das CO2, aber auch andere wie die FCKW, das aus der Landwirtschaft stammende N2O oder das auch aus der Viehzucht stammende Methan (CH4) zwar das Sonnenlicht ungehindert einfallen lassen, die von der Erde ausgesandte Wärmestrahlung aber streuen. Es verbleibt damit mehr Energie in der Erdatmosphäre. Eine Zunahme dieser Gase in der Atmosphäre kann zu einer Temperaturzunahme führen, falls diese überschüssige Energie nicht vom Ozean absorbiert wird oder etwa durch die gesteigerte Verdunstung mehr Wolken entstehen, die den Einfall an Sonnenlicht vermindern. Wirkungsgrade von Steinkohlenkraftwerken China/Russland Welt Deutschland Künftige Technik 0 10 20 30 40 50% Eine verbesserte Brennstoffnutzung ist ein Beitrag zur Ressourcenschonung und zur Verminderung der CO2-Emission. Noch 1980 wurden 1,5 kg Steinkohle zur Herstellung von 1 kWh Strom benötigt, heute in deutschen Kraftwerken 310g. Steinkohlenkraftwerk Voerde am Niederrhein. Neben den Kesselhäusern, den Schornsteinen und dem Kühlturm fallen davor die umfangreichen Anlagen zur Abgasreinigung auf. 42 re Entschwefelungsverfahren entfernt. Diese sind sehr aufwändig und kostenintensiv. Sie haben andererseits den Vorteil, dass auch andere Stoffe wie Chlor, Fluor und Feinstäube gleichzeitig entfernt werden. Das am häufigsten verwendete Verfahren ist die Entschwefelung mit Kalk. In den Rauchgasstrom wird eine Kalksuspension gesprüht. Das Schwefeldioxid reagiert damit zu Gips. Der Gips wird zu Baustoffen weiterverarbeitet und zu 100% genutzt. Rauchgasreinigung 2 3 1 5 4 1 Kessel 2 Entstickung 3 Ascheelektrofilter 4 Entschwefelung 5 Schornstein Stickoxide entstehen bei Verbrennungsprozessen in Motoren, Industriefeuerungen und Kraftwerkskesseln aus dem Stickstoff der Luft bei entsprechend hohen Temperaturen. Die Luft besteht zu 78% aus Stickstoff und zu 21% aus Sauerstoff. Zur Verminderung der Stickoxidemissionen aus Feuerungsanlagen werden die Brenner so ausgelegt, dass die Flammtemperatur möglichst niedrig ist. Außerdem werden die Kraftwerke mit Katalysatoren ausgerüstet. In ihnen werden die Stickoxide wieder zurück zu Stickstoff reduziert, Stickstoff, wie er in der Luft ohnehin vorhanden ist. Kohlendioxid (CO2) entsteht bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern (Erdgas, Erdöl, Kohle). Gemeinsam mit anderen Stoffen (z. B. Methan, Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe „FCKW“) wird es als Klimarisiko betrachtet. Da es sich hierbei um ein globales Problem handelt, ist ein weltweit koordiniertes Handeln erforderlich, um Vorsorge für den Schutz der Atmosphäre zu betreiben. Eine wirkungsvollere Nutzung der Energieträger muss daher weltweit angestrebt werden, insbesondere dort, wo viel Energie mit geringem Wirkungsgrad einge- setzt wird. Angesichts der zunehmenden Weltbevölkerung ist es zwangsläufig, dass der Energiebedarf in Zukunft ansteigen wird. Moderne Technik – weltweit angewandt – ist erforderlich, um den Anstieg des CO2 in Grenzen zu halten. Projektüberlegungen gehen soweit, ein Kohle-Kraftwerk zu entwickeln, das Strom ohne CO2-Ausstoß erzeugt. Strom: Kohle über Draht Die weitaus meisten Steinkohlenkraftwerke arbeiten heute noch „konventionell“. Feingemahlene Kohle wird mit vorgewärmter Luft in den Kessel geblasen und verbrannt. Im Kesselraum befinden sich Rohrschlangen, in denen Wasser durch die Hitze in Dampf verwandelt wird. Der unter hohem Druck stehende Dampf treibt Turbinen an, die mit Stromgeneratoren gekoppelt sind. Der entspannte Dampf wird in einem Kondensator zu Wasser zurückgekühlt und wird dann zur erneuten Erhitzung wieder in den Kessel zurückgepumpt. Die Kühlung im Kondensator wird durch einen separaten Kühlwasserkreislauf gesteuert. Dieses Kühlwasser verrieselt z. B. in einem Kühlturm, so dass es durch die abgegebene Verdunstungswärme selbst gekühlt wird. Prinzip Kraftwerksprozess (ohne Kühlwasserkreislauf) 1 Kessel 2 Wasser - Dampf - Kreislauf 3 Turbine 4 Kondensator 5 Generator 6 Transformator Noch in den 50er Jahren lag der Wirkungsgrad der Kraftwerke bei 25%, heute können etwa 42% erreicht werden. D.h. man braucht für die gleiche Menge Strom viel weniger Brennstoff. Dadurch entstehen auch weniger Emissionen. Würde man die heute mit Kohle produzierte Strommenge noch mit der Technik der 50er Jahre erzeugen, so entstünden hierzulande etwa 100 Mio. t CO2 mehr im Jahr. Um aus einer Tonne Brennstoff mehr nutzbare Energie umweltschonend zu gewinnen, gibt es zwei Ansatzpunkte: Grundsätzlich neue Kraftwerkskonzepte oder eine entscheidende Erhöhung der Energieausnutzung durch Verbindung mit anderen Wärmesystemen. Für beide Punkte liegen Lösungen vor. All die Techniken, die geeignet sind, Kohle umweltfreundlicher in Energie umzuwandeln, werden auch als Clean-Coal-Technologien bezeichnet. In Nordrhein-Westfalen soll ein SteinkohlenKraftwerk modernster Bauart geplant werden. Mit einer Kombination von jeweils optimierten Anlagenkomponenten unter Einsatz neuester Werkstoffe soll dieses Kraftwerk einen Wirkungsgrad von bis zu 54 % erzielen. Bereits heute erreichen deutsche Kraftwerkstechnologien Spitzenwerte im internationalen Vergleich. Allein der Durchschnittswert der vorhandenen Steinkohlenkraftwerke liegt in Deutschland bei knapp 40 % – weltweit liegt der Wirkungsgrad bei gut 30 % und in manchen Ländern wie z. B. China wird erst ein Durchschnitt von etwa 24 % erreicht. In Deutschland entwickelte Kraftwerkstechnik ist also ein wertvolles, zunehmend wichtigeres Exportgut. Zum einen hilft es – im Ausland eingesetzt – die weltweiten CO2Emissionen deutlich zu reduzieren sowie gleichzeitig die Ressourcen effektiver und sparsamer einzusetzen. Zum anderen bedeutet die Fortentwicklung dieses Knowhows in Deutschland selbst Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft. Alle Prognosen gehen davon aus, dass der weltweite Bedarf an modernen Steinkohlenkraftwerken in den kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen wird. In GuD-(Gas- und Dampf-)Kohle-Kraftwerken wird nicht nur der Dampf in Turbinen genutzt sondern auch ein heißes Gas in einer Hochdruckturbine. Dieses Gas kann entweder aus der Vergasung von Kohle gewonnen werden (Versuche wurden hierzu schon durchgeführt) oder es kann direkt das Verbrennungsgas der Kohle genutzt werden. In der sogenannten Druckkohlenstaubfeuerung muss das Verbrennungsgas 43 aber bei hoher Temperatur zunächst gut gereinigt werden, da sonst die heißen Aschepartikel und die chemischen Bestandteile des Rauchgases die Turbinenschaufeln beschädigen würden. Hierzu werden zur Zeit umfangreiche Forschungen durchgeführt und neue Werkstoffe und Filtertechniken entwickelt. Ein Wirkungsgrad von über 50% kann dabei erreicht werden. Bei gleichzeitiger Nutzung auch von Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung), z. B. zur Raumheizung, kann der Energieausnutzungsgrad weit darüber hinausgehen. Bei der KraftWärme-Kopplung wird im Kraftwerk ein bestimmter Energieanteil als Wärme ausgekoppelt und in ein Fernwärmenetz geleitet. Dadurch entsteht kaum Abwärme, die ungenutzt bleibt. Insbesondere für Industrieanlagen, die für ihre Produktion z. B. Prozesswärme brauchen, und Stadtregionen ist die Kraft-Wärme-Kopplung eine effektive Lösung. Unter optimalen Bedingungen, z. B. an einem Wintertag, können Gesamtwirkungsgrade von über 80% erreicht werden. bindet Schwefel, der damit direkt in der Asche verbleibt. Die Wirbelschichtfeuerung ist für feste Brennstoffe – also für Kohle – besonders vorteilhaft, weil die Wärme intensiv auf die Siederohre des Kessels übertragen wird, die in diese brodelnde und brennende Schicht eintauchen. Dadurch kann bei gleicher Leistung die Kesselgröße verringert werden. Wenn die Verbrennung unter Überdruck durchgeführt wird, kann mit den Abgasen der verbrennenden Kohle zusätzlich eine Gasturbine zur Stromerzeugung betrieben werden. Dadurch lässt sich der Wirkungsgrad der Stromerzeugung erhöhen. Wirbelschichttechnik 3 8 6 Druckkohlenstaubfeuerung 1 2 7 5 4 1 Kohle 2 Kalk 3 Ascheabscheidung 4 Verbrennungsluft 5 Düsenboden 6 Wirbelschicht 7 Wasserzulauf 8 Dampf 2 6 1 3 5 4 1 Kessel 2 Ascheabscheidung 3 Turbine für Rauchgas (Hochtemperatur) 4 Wärmetauscher 5 Turbine für Restwärme 6 Transformator Wirbelschichtfeuerung Umweltfreundlich und auch mit hohem Nutzeffekt können Kraftwerke mit Wirbelschichtfeuerung arbeiten. Hier wird Feinkohle mit Kalkstein vermischt in einem Kessel mit von unten her eingeblasener Luft verwirbelt und verbrannt. Der Kalkstein 44 Die Wirbelschichtfeuerung hat neben der Anwendung in Kraftwerken wegen ihrer Umweltfreundlichkeit und ihrer technischen Vorteile vor allem Bedeutung für die Wärmeerzeugung, z. B. in dezentralen Heizwerken für die Nahwärmeversorgung und in Industriebetrieben. Solche Heizwerke und Kraftwerke mit unterschiedlichen Leistungswerten sind bereits seit Jahren in Betrieb. Ein Kraftwerk von besonderer Bauart wird in Völklingen im Saarland betrieben. Die Abwärme wird direkt in ein Fernheiznetz eingeleitet. Mit einem Großkessel konventioneller Art wird eine Wirbelschichtfeuerung kombiniert. Der Schwefel wird nach der Verbrennung aus dem Abgas entfernt. Die gereinigten Abgase werden über den Kühlturm abgeleitet: der Schornstein wird eingespart. Koks für die Hütten Die Bundesrepublik Deutschland verfügt in ausreichendem Maße über eine der besten Kokskohlen der Welt. Als Kokskohle wird eine Kohlenart bezeichnet, meist Fettkohle, die beim Erhitzen besonders stark zusammenbackt und zugleich durch das entweichende Gas gut aufgebläht wird. Sie bildet einen festen, porigen Koks. Ein Teil der in Deutschland geförderten Kohle geht in die Kokereien und von dort als Koks in die Eisenhüttenindustrie. Wirtschaftliche Eisenverhüttung in großen Mengen ist ohne Hüttenkoks nicht möglich, auch wenn zusätzlich Öl und Gas und zunehmend Kohlenstaub verwendet werden. Wie wichtig Koks für die Versorgung der Industrie ist, hat die jüngste Entwicklung (2004) gezeigt: Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas hat die Weltmärkte geleert und das Preisniveau über das des deutschen Kokses getrieben. Infolgedessen ist nun der Ausbau der deutschen Kokereikapazität vorgesehen. Um Eisenerz in reines Eisen zu verwandeln, ist ein geeignetes Reduktionsmittel nötig, der Koks. Der abbrennende Koks erzeugt im Hochofen die Hitze zum Schmelzen des Erzes, und der im Koks enthaltene reine Kohlenstoff verbindet sich in dieser Hitze zugleich mit dem im Erz enthaltenen Sauerstoff. Das nennt man Reduktion. An Hüttenkoks werden hohe Anforderungen gestellt: Er muss fest sein, stückig und porös. Nur so ist es möglich, dass die von unten einströmende Luft das Erz-Koks-Gemisch gleichmäßig durchströmt, dass also der Reduktionsvorgang vollständig ablaufen kann. Außerdem darf Hüttenkoks weder Schwefel noch Phosphor enthalten, der Ascheanteil soll möglichst gering sein. Verkokt wird die Kohle in Horizontalkammeröfen. Zahlreiche nebeneinanderliegende Ofenkammern bilden dabei eine Koksofenbatterie. Die Kokskohle wird von oben eingefüllt, der fertige Koks seitlich herausgedrückt. Die Erhitzung erfolgt mit Hilfe von Brenngas über die Heizzüge zwischen den Ofenkammern. Die Kokskohle wird unter Luftabschluss mit steigender Temperatur entgast, das heißt, die flüchtigen Bestandteile werden ausgetrieben. Die glühende Kohle bildet eine plastische Masse; sie backt wie ein Kuchenteig, in dem die Gasbläschen Poren bilden, zu- sammen. Bei einem Temperaturanstieg über 1273 Grad Kelvin (1000 Grad Celsius) hinaus erreicht die Masse ihre volle Porosität und Festigkeit. Der Koks kann nun aus dem Ofen gedrückt und mit Wasser gelöscht werden. Auch hier werden durch großen technischen Aufwand die Umweltschutzauflagen erfüllt. So werden die beim Füllen und Leeren der Öfen und beim Löschen des Kokses entstehenden Abgase abgesaugt und gereinigt, das Kokereiwasser wird besonders gründlich gereinigt. Auch die bei der Koksherstellung anfallenden Gase werden gereinigt. Dabei fallen Teer, Rohbenzol, Ammoniak und Schwefelverbindungen an, die als Rohstoffe für die chemische Industrie genutzt werden. Außerdem entsteht Heizgas, das zum Beheizen der Koksöfen genutzt wird. Überschüssiges Gas wird an die Industrie und an die Gasversorger geliefert. Früher versorgte es als Stadtgas die Haushalte. Wärme aus Kohle Aus Kohle wird Gas Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Energiewirtschaft noch völlig auf die Kohle ausgerichtet. Noch Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden rund 50 Prozent der Steinkohlenförderung im sogenannten Wärmemarkt eingesetzt, d.h. in Kohleheizungen und kleineren Kesselanlagen. Heute spielt dieser Sektor bei der Steinkohle keine große Rolle mehr – ein Beispiel für den Strukturwandel. Dennoch gibt es Steinkohleheizungen und kleinere Steinkohlekessel auch heute noch, aber mit einer völlig neuen modernen Technik: vollautomatisch und thermostatgesteuert. Auch die Asche wird automatisch abgezogen und staubfrei in einen Container transportiert. Für Einzelfeuerung sind die umweltverträglichen Brennstoffe Anthrazitkohle und Koks geeignet. Brikett- und Eierkohlensorten werden längst nicht mehr teergebunden hergestellt und brennen daher praktisch rauchfrei. Dass man Kohle in brennbares Gas umwandeln kann, ist lange bekannt. Forscher und Techniker suchten nach der Ölpreiskrise nach neuen und wirksameren Verfahren. Der Kohle könnte künftig ein vollkommen neues Aufgabengebiet zugewiesen werden. Die klassischen fossilen Energiereserven der Erde sind zu rund 70 Prozent Kohle (bei den geologischen Reserven stellt die Kohle sogar über 80%) und nur zu 30 Prozent Erdöl und Erdgas. Im Gegensatz dazu beruhen über zwei Drittel unseres gegenwärtigen Verbrauchs an fossilen Energieträgern auf Öl und Gas. Die Entwicklung wirtschaftlicher Verfahren für die Vergasung von Kohle ist deshalb eine wichtige Aufgabe der Kohleforschung. Das Ziel: Erdöl und Erdgas dann zu ersetzen, wenn es knapp wird. Zwar ist derzeit wegen der niedrigen Öl- und Erdgaspreise eine wirtschaftliche Vergasung von Steinkohle in Deutschland nicht möglich. Aber die Verfahren können für andere Länder interessant sein. Aus Kohle kann zusammen mit Wasserdampf unter Druck und bei hoher Temperatur Synthesegas (Kohlenmonoxid und Wasserstoff) hergestellt werden – als Ausgangsprodukt für die chemische Industrie, als Reduktionsgas für die Eisenverhüttung oder nach weiterer Umwandlung in synthetisches Erdgas (Methan) als Heizgas für Industrie und Haushalte. Die Kohlevergasung ist je nach Ziel und Methode außerordentlich flexibel. Auch für die Wasserstoffherstellung zur Nutzung z. B. in Brennstoffzellen kann die Kohlevergasung einen Beitrag leisten. Um Kohle zu vergasen, muss viel Wärme zugeführt werden. Dazu kann ein Teil der Kohle während der Vergasung verbrannt werden, oft unter Zuführung von reinem Sauerstoff, um hohe Temperaturen zu erzeugen. Wird die benötigte Wärme jedoch von außen zugeführt, dann kann die gesamte Kohle in Gas umgewandelt werden. Kokerei Prosper in Bottrop. Die Abdeck- haube wird über den glühenden Koks gefahren, um die Emissionen zu unterbinden. 45 Flüssige Kohle Für Kohleöl gilt dasselbe, was bereits bei Kohlegas gesagt wurde: Erdöl und Erdgas werden mit Sicherheit knapp und teuer. Kohleöl könnte in der Zukunft einen Teil des Erdöls ersetzen. Auch die Kohleverflüssigung ist durchaus nicht neu. Grundsätzlich gibt es vier Methoden der Kohleverflüssigung: Die Fischer-Tropsch-Synthese: Kohle wird mit Wasserdampf unter Druck und Hitze vergast, wie oben beschrieben. Aus den dabei entstandenen „chemischen Bausteinen“ Kohlenmonoxid und Wasserstoff werden danach durch Synthese (griechisch: Zusammensetzen) verschiedene flüssige Kohlenwasserstoffe, z. B. Vergaser- und Dieselkraftstoff, hergestellt. Das Verfahren wurde in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von den deutschen Wissenschaftlern Fischer und Tropsch entwickelt. Die Methanol-Synthese: Nach der Verga- 46 sung (wie oben) kann Methanol erzeugt werden. Wie Benzin und Alkohol (genauer: Äthylalkohol) ist Methanol als Lösungsmittel geeignet, vielleicht aber in Zukunft vor allem als Autokraftstoff in Mischung mit Benzin. Die Automobilindustrie erprobt seit Jahren Fahrzeuge, die mit Methanol angetrieben werden. Das SRC-Verfahren (solvent refined coal – wörtlich übersetzt: mit Lösungsmittel verfeinerte Kohle): Kohle wird unter Druck und Hitze in Ölen, die viel Wasserstoff enthalten, aufgelöst. Dabei entsteht Kohleöl, das man als Heizöl verwenden oder zu anderen Produkten weiterverarbeiten kann. Die Kohle-Hydrierung (Griechisch: „Hydrogen“ = Wasserstoff ): Kohle wird nicht nur in Kohleöl, sondern zusätzlich mit reinem Wasserstoff nach einem besonderen Verfahren in andere flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt, also in Heizöl, Dieselöl, Vergaserbenzin oder Leichtbenzin. Den Umwandlungsprozess kann man je nach dem gewünschten Produkt steuern. Dieses Hy- drierverfahren wurde von dem deutschen Wissenschaftler Bergius entwickelt. Bereits 1928 wurden im Werk Leuna bei Halle etwa 100.000 Tonnen Benzin pro Jahr aus Braunkohle hergestellt. 1943 flossen in Deutschland aus 12 Hydrierwerken und 9 Synthesewerken fast 4 Millionen Tonnen Benzin, gewonnen aus Steinkohle und Braunkohle. Versuchsanlagen zur Herstellung von Kohleöl wurden nicht nur vom Steinkohlenbergbau, sondern auch von großen Ölgesellschaften in der jüngeren Vergangenheit betrieben. Die Forschung ist weitgehend abgeschlossen. Die großindustrielle Einführung könnte aber erst bei wesentlich höheren Ölpreisen erfolgen. Die einzigen Großanlagen zur Herstellung von Benzin und Öl aus Kohle werden gegenwärtig in Südafrika betrieben. In-situ-Vergasung Versuche haben gezeigt: Die Vergasung von Kohle könnte auch direkt im Flöz (an Ort und Stelle = „in-situ“) durchgeführt werden; allerdings nicht überall und erst in ferner Zukunft. Die Vergasung im Flöz könnte etwa so vor sich gehen: An zwei Stellen wird ein Kohlenflöz von oben angebohrt. Durch die eine Bohrung wird Luft, versuchsweise auch Wasserstoff, in das Flöz gepumpt und gezündet. Dabei setzt ein chemischer Prozess ein, bei dem Gas (vorwiegend Kohlendioxid, -monoxid, Wasserstoff) entsteht, das man durch die zweite Bohrung absaugen kann. Die Aussichten für eine wirtschaftliche Nutzung dieser Verfahren sind heute noch sehr gering. Aber vielleicht wird Untertagevergasung in weiterer Zukunft einmal für die riesigen, sehr tief liegenden Steinkohlenflöze in der norddeutschen Tiefebene möglich. Mit den derzeitigen technischen Mitteln des Bergbaus kann diese mehrere tausend Meter tief liegende Kohle nicht abgebaut werden. Aktivkoks für die Umwelt Edelgas Krypton aus den Abgasen zu entfernen. Ein großes Anwendungsgebiet findet der Aktivkoks bei besonders schwierigen und mit anderen Methoden kaum lösbaren Problemen der Abwässerreinigung. Der Bergbau hilft Umweltprobleme zu lösen Nicht nur bei der Entwicklung neuer umweltschonender Kraftwerkstechniken hat der Bergbau gezeigt, dass er weit über den Bergbau-Bereich hinaus international anerkannte Forschung betreibt und entsprechende Technik anbietet. Ein spezielles Kapitel ist die sogenannte Altlastensanierung. Auf vielen Industrie-Standorten ist im Laufe der Jahre der Produktion der Untergrund mit umweltgefährdenden Stoffen belastet worden. Unterschiedliche Methoden könnenangewendet werden, um diese Altlasten zu sanieren. Beim thermischen Verfahren werden die Böden verbrannt, so dass die umweltschädlichen Stoffe zersetzt werden. Biologische Verfahren sind für die Reinigung von Böden und Wasser geeignet. Spezielle Mikroben zersetzen hier die frag- lichen Stoffe zu schadlosen Abbauprodukten, u. a. Wasser. Die Erfahrungen aus dem Betrieb von Hydrieranlagen werden genutzt, um schadstoffhaltige Öle zu säubern. Die starke Zunahme von Abfällen aller Art zwingt zu Abfallvermeidung und Recycling. Die Reststoffe, die bei der Verstromung in Steinkohlenkraftwerken anfallen, werden fast vollständig wiederverwendet (Gips, Schlacke, Asche im Baustoffsektor). Was übrigbleibt, kann schadlos deponiert werden. In den Kokereien wurden bereits früher die „Abfallstoffe“ als „Wertstoffe“ genutzt. Auf der Grundlage dieser Stoffe entstand ein ganzer Wirtschaftszweig: die chemische und pharmazeutische Industrie. Chemische Untersuchungen, z. B. bei der Beurteilung von Böden, sind unerlässlich. Von den Forschungsinstituten des Bergbaus wurde ein Aktivkoks entwickelt, der auf vielfältige Weise im Umweltschutz eingesetzt werden kann, zum Beispiel zur Beseitigung von Schwefel aus Kraftwerksabgasen. Das Verfahren beruht darauf, Steinkohle zu einem so feinporigen Koks zu verarbeiten, dass dieser eine große Menge Gas adsorbieren, das heißt, an seiner Oberfläche festhalten kann. Nur 1 Gramm dieses hochporösen Aktivkokses hat eine innere Oberfläche von bis zu 1500 Quadratmetern. Diese Adsorptionsmethode hat sich in Kraftwerken zur Entfernung von Schwefeldioxid aus dem Rauchgas bereits bewährt. Aktivkoks wirkt auch als Molekularfilter, das heißt, die Porengröße wird genau auf die Größe der Moleküle bestimmter Stoffe eingestellt. Mit einer auf Millionstel Millimeter angepassten Porengröße kann zum Beispiel Sauerstoff oder Stickstoff aus der Luft angereichert werden. In Kernkraftwerken wird Aktivkoks dazu verwendet, das radioaktive Chemieprodukte aus Kohle. Die heutige organische Chemie hat ihre Wurzeln in der Verwertung der Kokerei-Abfallstoffe, die bald als Wertstoffe erkannt wurden. 47 Kohle – ein nachhaltiger Energieträger 1992 wurde auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro über ein globales System befunden, in dem ökologische, ökonomische und gesellschaftspolitisch soziale Ziele gleichrangig integriert sind. Dieses Zielsystem wird als Prinzip der Nachhaltigkeit verstanden. Der Steinkohlenbergbau engagiert sich in dieser Hinsicht ebenfalls. Steinkohle ist aufgrund seiner modernen Gewinnungstechniken langfristig in fast allen Regionen der Welt sicher gewinnbar. Mit zunehmender Knappheit des Erdöls und des Erdgases wird die Kohle weltweit wieder der Primärenergieträger Nummer eins. Sie zu veredeln, sie besser und sicherer auch in Deutschland zu nutzen, bedeutet zugleich haushalten mit dem wichtigsten Energieund Rohstoffvorrat, den die Bundesrepublik in ihrem eigenen Boden hat. Zugleich ist unsere Bergbau- und Kraftwerkstechnik führend und als „Exportschlager“ in der ganzen Welt begehrt. Dort hilft der deutsche Bergbau, z. B. in China, mit seinem Know-how Flözbrände zu löschen, oder engagiert sich international, das CO2-freie Kohlenkraftwerk zu entwickeln. Der Ausbau der Grubengasnutzung wird national wie auch in den Gruben der RAG Coal International vorangetrieben. Schnitt durch ein Steinkohlenberg- werk. Die Gebirgsschichten, die Einrichtungen des Grubenbetriebes und der Übertageanlagen sind nicht maßstäblich zueinander. Die unterirdische Ausdehnung des Bergwerks ist mit der einer Stadt vergleichbar und hier kaum dar- Der Erhalt eines lebenden, aktiven Steinkohlenbergbaus in Deutschland ist für die Fortentwicklung dieser und ähnlicher Projekte erforderlich. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten müssen weitergeführt werden, da nur ein moderner Bergbau und eine umweltverträgliche Nutzung der Steinkohle den Anforderungen der Zukunft gerecht wird. Die Gewinnung und Nutzung von Kohle sichert zudem Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Energie ist ein besonderer Stoff. Die Existenz eines Staates und seiner Bewohner hängt zu einem großen Teil von der Verfügbarkeit über Energiereserven ab. Nur über die Reserven im eigenen Lande können wir letztendlich jederzeit verfügen – wir und die Generationen nach uns. Das Zieldreieck der Nachhaltigkeit. Alle Ziele sind gleichrangig. Ökonomie Nachhaltige Entwicklung Ökologie 48 Soziale Entwicklung Gesamtverband Steinkohle 2001 Ausgewogener Energiemix Rückseite: Nordschacht des Berg- werks Ensdorf im Saarland. Nordschacht Bergehalde Kesselhaus Kohlelager Kühlturm Aufbereitung Kraftwerk Hauptschacht Fördergerüst Deckgebirge Alter Mann Strecke Steinkohlengebirge Förderschacht mit Gefäßförderung Füllort Streb Walzenschrämlader Bandförderung Einschienenhängebahn Streckenvortriebs -maschine