Kapitel 2 - Deutsches Zentrum für Kinder
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Kapitel 2 - Deutsches Zentrum für Kinder
Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie Kinderrheuma wir können was tun! Ein Ratgeber für Eltern und Patienten bei juveniler idiopathischer Arthritis Herausgeber: Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie Gehfeldstr. 24, 82467 Garmisch-Partenkirchen Redaktion: Christel Becker, Renate Häfner, Hartmut Michels, Martin Rummel-Siebert Projektabwicklung: Martin Rummel-Siebert Layout & Druck: Osterchrist Druck und Medien GmbH, Nürnberg, www.osterchrist.de 1. Auflage 10.000 Exemplare 2006 Die Herstellung dieses Buches konnte finanziert werden mit freundlicher Unterstützung des Vereins ‚Hilfe für das rheumakranke Kind e.V.’ und der Firma Wyeth Pharma GmbH. Für die Bereitstellung der Orstbilder ‚Garmisch-Partenkirchen’ bedanken wir uns ganz herzlich bei Garmisch-Partenkirchen Tourismus und der PR-Agentur Hermann-Meier. Kinderrheuma wir können was tun! Ein Ratgeber für Eltern und Patienten bei juveniler idiopathischer Arthritis Vorwort ................................................................................................... 5 Grußwort ................................................................................................ 6 Kapitel 01. Diagnose und Krankheitsbild ........................................ 7 Kapitel 02. Medikamentöse Therapie ............................................. 29 Kapitel 03. Operative Therapie ....................................................... 57 Kapitel 04. Krankengymnastik ........................................................ 63 Kapitel 05. Physikalische Therapie ................................................. 85 Kapitel 06. Ergotherapie ............................................................... 101 Kapitel 07. Pflege .......................................................................... 107 Kapitel 08. Impfungen ................................................................... 113 Kapitel 09. Ernährung ................................................................... 119 Kapitel 10. Urlaub ......................................................................... 123 Kapitel 11. Sport ........................................................................... 127 Kapitel 12. Aspekte der Krankheitsbewältigung ......................... 131 Kapitel 13. Eltern-Kind-Beziehung .............................................. 143 Kapitel 14. Schule und Studium .................................................. 155 Kapitel 15. Berufsausbildung ........................................................ 161 2 Inhaltsverzeichnis Kapitel 16. Krankenkasse .............................................................. 167 Kapitel 17. Behindertenausweis .................................................... 171 Kapitel 18. Pflegeversicherung ..................................................... 177 Kapitel 19. Steuer .......................................................................... 185 Kapitel 20. Sozialhilfe ................................................................... 189 Kapitel 21. Elternkreise rheumakranker Kinder Deutsche Rheuma-Liga .............................................. 195 Kapitel 22. Erklärung wichtiger Fachausdrücke .......................... 199 Anhang ................................................................................................ 207 Literaturhinweise................................................................................ 208 Kontakt – So erreichen Sie uns ....................................................... 209 Internetadressen ................................................................................ 210 Anschriften der Deutschen Rheuma-Liga ........................................ 211 Stichwortverzeichnis ......................................................................... 213 Unser Freundes- und Förderkreis ‚Hilfe für das rheumakranke Kind e.V.’ ............................................ 220 Autorenverzeichnis ............................................................................ 222 Notizen ............................................................................................... 223 3 4 Vorwort » Liebe Eltern, Rheuma ist eine Erkrankung, an der nicht nur Erwachsene leiden. Vielleicht haben Sie erst jetzt erfahren, dass auch schon Kinder an Rheuma erkranken können. Glücklicherweise tritt Rheuma im Kindesalter eher selten auf. Für Sie bedeutet dies jedoch, dass Sie in Ihrer unmittelbaren Umgebung kaum Familien finden, mit denen Sie sich austauschen können. Auch ist es nicht immer einfach in der Nähe Ärzte und Therapeuten zu finden, die sich mit Rheuma bei Kindern auskennen. Mit unserer Broschüre sollen Sie erfahren, worauf es in der Diagnostik und Behandlung von kindlichem Rheuma ankommt, damit Sie gemeinsam mit dem Arzt Ihres Vertrauens den besten Weg für Ihr Kind finden. Rheuma verläuft häufig über Jahre. Bei vielen Kindern wechseln sich schmerzhafte Schubsituationen mit beschwerdefreien Intervallen ab, entsprechend schwankt Ihre Stimmung zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Auf lange Sicht kann man mit den heutigen Therapiemöglichkeiten den meisten Kindern gut helfen. Die Krankheit kommt oft vollständig zur Ruhe. Wichtig ist, dass Sie sich in den schlimmeren Krankheitsphasen einer intensiven Behandlung stellen. Damit können Sie Ihrem Kind häufig bleibende Schäden ersparen. Den wenigsten Familien gelingt es, eine optimale Behandlung über lange Zeit durchzuhalten. Krisensituationen im All- tag oder Entwicklungsschritte wie z.B. die Pubertät, erfordern Kompromisse. Sie sollten über der Krankheit nie die eigenständige Persönlichkeit und Entwicklung Ihres Kindes vergessen. Die rheumatische Erkrankung eines Kindes wirkt sich immer auf die ganze Familie aus. Deshalb sollten Sie sich nicht scheuen, neben der medizinischen und krankengymnastischen Behandlung auch die psychosoziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen, die alle Familienmitglieder einbezieht. Wenn es Ihnen gelingt, dass sich die ganze Familie mit der Erkrankung auseinandersetzt, ohne dass das Rheuma Ihren Alltag dominiert, haben Sie gemeinsam ein wichtiges Ziel erreicht. Wir würden uns freuen, wenn unsere Informationsschrift Ihnen auf diesem schwierigem Weg hilft und Ihnen Mut macht, trotz vieler Hindernisse optimistisch in die Zukunft zu schauen. Dr. Hartmut Michels, Chefarzt Dr. Renate Häfner, Oberärztin 5 Grußwort » Sehr geehrte, liebe Eltern, „Mein Kind hat Rheuma“ - das ist ein Satz, der in früheren Zeiten für viele der betroffenen Kinder einen schicksalhaften Verlauf bedeutet hat. Oft konnte man nicht allzu viel dagegen tun. Jedoch hat sich diese Situation während der letzten Jahre ganz wesentlich verbessert. Gemeinsam mit Fachleuten können Eltern heute für ihre Kinder viel erreichen. Die vorliegende Broschüre „Mein Kind hat Rheuma - wir können was tun“ beschreibt, die Wege, die bei einem Kind mit juveniler chronischer bzw. idiopathischer Arthritis zu einem günstigen Erkrankungsverlauf führen, und was Sie selbst dabei tun können. Eltern werden hier umfassend und verständlich von Fachleuten darüber informiert, wie eine zeitgemäße Behandlung gestaltet werden kann und welche Möglichkeiten sie für ihr Kind nutzen können. Diese Broschüre hilft, das Gespräch mit den Fachleuten zu erleichtern. Sie gibt einen Überblick über die spezifischen Krankheitsbilder. So besteht die Möglichkeit, einen tieferen Einblick zu gewinnen, damit den betroffenen Kindern gezielt geholfen werden kann. Dabei ist von besonderer Bedeutung, neben den Krankheitsbildern in ihren zahlreichen Facetten, auch über die 6 Bandbreite der Medikamente, die verschiedenen Arten der Physio- und Ergotherapien und die Wege der sozialen Betreuung informiert zu werden. Die vorliegende Broschüre kann Ihnen, liebe Eltern, bei Ihrer Suche nach der bestmöglichen Behandlung für Ihr rheumakrankes Kind eine hilfreiche Anregung sein. Dafür wünsche ich Ihnen viel Kraft und alles Gute! Ihre gez. Eva Luise Köhler Kapitel 1 Diagnose und Krankheitsbild R. Häfner, H. Truckenbrodt » » » » » » » » » » » Was ist Rheuma? ........................................................................... 8 Mit welchen rheumatischen Erkrankungen müssen wir beim Kind rechnen? .................................................. 8 Wie entsteht Rheuma? .................................................................. 9 Wie erkennt man Rheuma beim Kind? ...................................... 10 Welche Erscheinungsformen der chronischen Arthritis treten beim Kind auf? ................................................................. 11 Warum muss ein rheumakrankes Kind zum Augenarzt? ......... 18 Was ist eine Amyloidose? ........................................................... 20 Kann Rheuma das Wachstum der Kinder beeinträchtigen? ..... 21 Welche Laborwerte sind für Ihr Kind wichtig? ......................... 24 Wie wichtig sind Röntgen und andere bildgebende Verfahren? .................................................. 26 Wie sieht die Prognose für Kinder mit einer chronischen Arthritis aus? .......................................................... 28 7 Diagnose und Krankheitsbild 1 » Was ist Rheuma? Unter dem Begriff „Rheuma“ fasst man verschiedene schmerzhafte Erkrankungen des Bewegungsapparates zusammen. Die Beschwerden können von den Gelenken, Bändern, Sehnen, Knochen und Muskeln oder anderen Weichteilstrukturen ausgehen. Die Krankheiten, die dahinter stecken, können sehr unterschiedlicher Natur sein. Rheuma stellt also eine Sammelbezeichnung für verschiedene Erkrankungen dar. Die meisten rheumatischen Erkrankungen beginnen im Erwachsenenalter. Manche Rheumaformen sind jedoch typisch für das Kindesalter. Mit ihnen wollen wir uns in der vorliegenden Broschüre befassen. Gelenkbeschwerden treten bei Kindern recht häufig auf. Etwa 5-10% der Schulkinder klagen irgendwann einmal über Schmerzen in den Gelenken, ohne dass ein krankhafter Befund dahinter steckt. Sog. Wachstumsschmerzen, die meist die Kniegelenke betreffen, kommen vor allem bei Kleinkindern vor und können manchmal recht heftig sein. Sie verschwinden jedoch nach Wochen, Monaten oder manchmal auch Jahren ohne Folgen zu hinterlassen. Ernsthafte Gelenkerkrankungen treten dagegen beim Kind deutlich seltener auf als im Erwachsenenalter. So fehlen die Verschleiß- und Abbauerscheinungen des älteren Menschen. Es stehen im Kindesalter entzündliche Erkrankungen an den Gelenken und Sehnenscheiden im Vordergrund. 8 » Mit welchen rheumatischen Erkrankungen müssen wir beim Kind rechnen? Zwei große Gruppen stehen sich gegenüber, die akuten und chronischen Formen der Arthritis. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass bei den akuten Formen die Gelenkstrukturen erhalten bleiben, während die chronische Entzündung die Gefahr der Gelenkschädigung bis hin zur Zerstörung in sich trägt. Der Häufigkeit nach stehen die akuten rheumatischen Erkrankungen im Vordergrund. Sie werden durch Infektionen ausgelöst. In Frage kommen verschiedene Viren, wie z.B. das Rötelnvirus oder Bakterien, insbes. Streptokokken, aber auch Yersinien und Salmonellen, welche Magen-Darminfektionen auslösen. Die akuten rheumatischen Gelenkentzündungen halten oft nur Tage oder wenige Wochen an. Sie können aber auch über Monate oder sogar 1-2 Jahre andauern und mehrfach aufflackern. Im Gegensatz zu vielen anderen akuten Erkrankungen können also die akuten rheumatischen Gelenkentzündungen lange Zeit bestehen bleiben und somit leicht mit chronischen Formen verwechselt werden. Die akuten Rheumaformen sind etwa zehnmal häufiger als die chronischen Verläufe. Die chronisch rheumatischen Gelenkentzündungen können zwar manchmal auch durch Infektionen ausgelöst werden, sie beginnen aber meist ohne erkennbare äußere Ursache. Gelegentlich Kapitel 1 entwickeln sich die ersten Krankheitszeichen so schleichend, dass im Nachhinein der genaue Beginn nicht mehr sicher festgestellt werden kann. Es kommt vor, dass bei manchen Kindern die Erkrankung über Wochen und Monate oder gar Jahre unerkannt bleibt. Der chronische Entzündungsprozess schreitet bei den meisten kindlichen Verlaufsformen nur langsam fort, so dass erste Gelenkschädigungen meist erst nach Monaten oder Jahren auftreten bzw. durch frühzeitige Therapie auch verhindert werden können. Neben den beiden Gruppen der akuten und chronischen Arthritiden kommen noch zahlreiche andere rheumatische Erkrankungen beim Kind in Betracht, beispielsweise die Kollagenosen, entzündliche Erkrankungen des Bindegewebes oder verschiedene Erscheinungsbilder durch Entzündung des Gefäßsystems, sog. Vaskulitiden. Auch weichteilrheumatische Erkrankungen mit oft heftigen Schmerzen im Bereich von Gelenken, Muskeln und Sehnenansätzen können bereits beim Kind auftreten. Die vorliegende Broschüre beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit chronischen Formen der kindlichen Arthritis und ihren Auswirkungen auf das erkrankte Kind und seine Umgebung. » Wie entsteht Rheuma? Die bisherigen Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass mehrere Faktoren zusammen kommen müssen, bevor eine rheumatische Entzündung ausgelöst wird. Man nimmt an, dass eine Veranlagung, an Rheuma zu erkranken, bereits in die Wiege gegeben wird. Diese Vermutung wird gestärkt durch die Beobachtung, dass Rheuma in vielen Familien gehäuft vorkommt. Außerdem kennt man genetische Merkmale, die bei Patienten mit bestimmten Rheumaformen vermehrt auftreten. Die Veranlagung ist aber nur der eine Teil in der Entstehungsgeschichte. Viele Menschen tragen eine entsprechende Bereitschaft in sich ohne jemals zu erkranken. Es müssen also äußere Einflüsse als Auslöser hinzukommen. Infektionen mit unterschiedlichen Viren oder Bakterien sind die typischen Auslöser für akute rheumatische Erkrankungen. Durch eine fehlerhafte Reaktion des Abwehr- oder Immunsystems werden nicht nur die Erreger selbst bekämpft, sondern es findet auch an den Gelenken, Sehnenscheiden oder inneren Organen eine Immunreaktion statt, die zur Entzündung führt. Der Körper richtet also seine Abwehrkräfte gegen eigenes Gewebe. Dieser sog. Autoimmunprozess ist auch an der Entstehung von chronisch-rheumatischen Erkrankungen beteiligt. Auch hier können Infektionen als Auslöser in Frage kommen. Manchmal tragen auch Unfälle oder Überlastungen zur Entstehung bei. Es wird auch immer wieder beobachtet, dass psychische Belastungssituationen am Auftreten rheumatischer Erkrankungen beteiligt sind. Man muss allerdings sehr vorsichtig sein bei der Beurteilung von Ursache und Wirkung. Wenn die Krankheit ausgebrochen ist, sucht man meist verzweifelt nach Ursachen, um das Geschehen erklären zu 9 Diagnose und Krankheitsbild 1 können. Bei den meisten Kindern tritt die chronische Erkrankung ohne erkennbare äußere Einflüsse auf. » Wie erkennt man Rheuma beim Kind? Als wichtigstes Krankheitszeichen tritt bei den meisten Rheumaformen eine Arthritis auf. Arthritis bedeutet Gelenkentzündung. Die Entzündung führt zu einer vermehrten Durchblutung und einem Anschwellen der Gelenkinnenhaut, welche außerdem vermehrt Gelenkflüssigkeit, den sog. Erguss, produziert. Das Gelenk schwillt äußerlich sichtbar an und ist meist auch überwärmt. Gleichzeitig treten Schmerzen auf und es kommt fast immer zu einer Einschränkung der Funktion, also der Beweglichkeit und Gebrauchsfähigkeit von betroffenen Händen und Füßen bzw. Armen und Beinen oder der Wirbelsäule. Je nach Sitz der Erkrankung fällt auf, dass das Kind hinkt oder Schwierigkeiten beim Greifen bzw. Schreiben entwikkelt. Neben der Arthritis kann es auch zu entzündlichen Reaktionen an den Sehnenscheiden kommen. Betroffen sind häufig die Beugesehnen in der Hohlhand oder auch die Strecksehnen überm Handrücken. Im Fußbereich liegen die Sehnenscheidenentzündungen besonders hinterm Innen- und Außenknöchel. Die Sehnenscheidenentzündung, auch Tenosynovitis genannt, kann vor allem an den Hohlhandbeugesehnen zu Verklebungen der Sehnen im Sehnenfach führen. Dies schränkt die Greiffunktion der Hand erheblich ein, weshalb durch eine 10 frühzeitige intensive Physiotherapie die Beweglichkeit der Sehnen erhalten werden muss. Ausgehend von einer Arthritis kann es auch zur Ansammlung von Flüssigkeit in gelenknahen Schleimbeuteln kommen. Diese sog. Synovialzysten entstehen vor allem in der Kniekehle und heißen dann „Bakerzysten“. Man findet sie aber auch ausgehend vom Schultergelenk am Oberarm, seltener an anderen Stellen. Gelenkschmerzen werden vor allem bei kleinen Kindern nicht immer als solche wahrgenommen. Kinder klagen insgesamt weniger über Schmerzen als Erwachsene. Man ist bei ihnen deshalb oft auf indirekte Schmerzäußerungen angewiesen, um die rheumatische Erkrankung im Frühstadium zu erkennen. Aufmerksame Eltern beobachten bei ihren Kindern eine abnorme Haltung der erkrankten Gelenke. Mit diesen Schonhaltungen versuchen die Kinder, das Gelenk in eine schmerzarme Stellung zu bringen. Sie bewegen und belasten das erkrankte Gelenk weniger und führen Ausweichbewegungen durch. Je nachdem, welche Gelenke erkrankt sind, fällt auf, dass die Kinder hinken, anders greifen und Schwierigkeiten beim Essen, Schreiben, Anziehen oder anderen Alltagsbewegungen entwickeln. Sie wirken ungeschickt, wollen weniger laufen und viel getragen werden oder schlafen unruhiger als sonst. Oft werden diese ersten Krankheitszeichen nicht erkannt, die Kinder manchmal als faul oder ungezogen hingestellt. Kapitel 1 Am besten kann man betroffene Gelenke beim rheumakranken Kind erkennen, indem man in einer entspannten Situation alle Gelenke nacheinander vorsichtig durchbewegt. Dabei muss man das Kind sorgfältig beobachten. Beim Bewegen erkrankter Gelenke treten Abwehrreaktionen auf oder das Kind verzieht das Gesicht. Es verblüfft uns immer wieder, dass trotz der offensichtlichen Schmerzreaktionen Kinder auf Befragen angeben, dass sie keine Schmerzen verspüren. in USA wird jedoch überwiegend an der bisherigen Diagnose „juvenile rheumatoide Arthritis“ festgehalten. Das ursprüngliche Ziel, eine internationale Einigung zu erreichen, steht also noch aus. » Welche Erscheinungsformen 1. Systemische Arthritis der chronischen Arthritis treten beim Kind auf? Zu Beginn wird Ihnen sicherlich die Namensgebung einige Schwierigkeiten bereiten. Dennoch ist es wichtig, dass Sie über einige Begriffe informiert sind. In Europa haben sich die Kinderrheumatologen im Jahr 1977 auf einer Tagung in Oslo auf die Bezeichnung juvenile chronische Arthritis (JCA) geeinigt. Damit wurde die früher gebräuchliche Bezeichnung juvenile rheumatoide Arthritis (JRA) bei uns abgelöst, die jedoch in den USA sowie einigen anderen Ländern noch angewendet wird. Um eine Einheit in der Namensgebung zu erreichen, hat ein internationales Komitee von Kinderrheumatologen 1994 die Bezeichnung juvenile idiopathische Arthritis (JIA) vorgeschlagen und die Untergruppen definiert. Der Vorschlag wurde von den Experten mehrfach überarbeitet und 2002 eine letzte Version veröffentlicht. Die Bezeichnung „juvenile idiopathische Arthritis“ hat sich in Europa inzwischen weitgehend durchgesetzt, Die Diagnose juvenile idiopathische Arthritis stellt eine Sammelbezeichnung für verschiedene Formen der kindlichen Gelenkentzündungen dar, die als Kategorien bezeichnet und im Folgenden genauer erklärt werden. (Tabelle 1) Mit der Ergänzung „systemisch“ soll besagt werden, dass der gesamte Körper in Mitleidenschaft gezogen ist, Fieber besteht und die inneren Organe in der Regel miterkranken. Die systemische Form, die bei etwa 10% unserer Kinder mit JIA auftritt, beginnt überwiegend beim Kleinkind im 2.-5. Lebensjahr, wobei Jungen und Mädchen gleichermaßen betroffen sind. Die Erkrankung beginnt mit hohem Fieber, das in den frühen Morgenstunden oder am Nachmittag auftritt und über Wochen täglich wiederkehrt. Während des Fiebers sind die Kinder schwer krank und oft stark berührungsempfindlich. Meist tritt auch ein Hautausschlag auf, der bei manchen Kindern auf wenige rote Flecken während der Fieberphasen beschränkt bleibt. Man muss gezielt danach suchen, da der Ausschlag ein wichtiges Zeichen für die Diagnose darstellt. Lymphknoten, Leber und Milz sind oft vergrößert. Bei jedem 3. bis 4. Kind tritt eine Herzbeutelentzündung 11 Diagnose und Krankheitsbild 1 auf. Seltener ist der Herzmuskel selbst in Mitleidenschaft gezogen. Haben die Kinder Bauchschmerzen, muss man an eine Beteiligung des Bauchfells denken. Zu Beginn der Erkrankung klagen die Kinder vor allem während der Fieberphasen über allgemeine Muskel- oder Gelenkschmerzen, oft ohne sichtbare Gelenkschwellungen. Die Zeichen der Arthritis entwickeln sich dann erst im weiteren Verlauf. Manchmal dauert es Wochen bis Monate, gelegentlich sogar Jahre, bis erste Gelenkschwellungen in Erscheinung treten. Bei einem Teil der Kinder bleibt die Arthritis auf wenige Gelenke beschränkt, die meisten entwikkeln jedoch eine Entzündung vieler großer und kleiner Gelenke, wobei auch die Halswirbelsäule sowie die Kiefergelenke häufig miterkranken. Der Entzündungsprozess kann vor allem an den Handgelenken und bei längerem Verlauf auch an den Hüften zu Gelenkzerstörungen führen. Tabelle 1 Systemische Arthritis ◆ Beginn meist < 6 Jahre ◆ Mädchen = Jungen ◆ Hohes Fieber über > 2 Wochen ◆ Hautausschlag ◆ Leber-/ Milzvergrößerung ◆ Lymphknotenschwellungen ◆ Entzündung Rippen- / Bauchfell ◆ Herzbeutel-/ Herzmuskelentzündung ◆ Arthritis meist polyartikulär 12 Die systemische Arthritis verläuft oft in Schüben. Zwischendurch können die Kinder für einige Zeit beschwerdefrei sein, bevor die Krankheit von neuem aufflackert. Bei über der Hälfte der Kinder kommt die Erkrankung nach unterschiedlicher Verlaufsdauer zur Ruhe. Bei den anderen schreitet der chronische Prozess weiter fort. Die systemischen Zeichen, wie Fieber und Beteiligung der inneren Organe, klingen jedoch zunehmend ab und die Arthritis tritt immer mehr in den Vordergrund. 2. Oligoarthritis (Tabelle 2) Diese Krankheitsform beginnt meist im frühen Kindesalter zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr. Mädchen sind mit 70-80% häufiger betroffen als Jungen. Oligoarthritis bedeutet, dass nur wenige Gelenke erkranken, meist 1-4. Bei manchen Kindern dehnt sich die Entzündung jedoch auf 6-8 Gelenke aus, man spricht dann von einer „erweiterten Oligoarthritis“. Wichtiger als die Zahl der Gelenke ist das Befallsmuster der Arthritis. Es überwiegt der asymmetrische Befall, das bedeutet, dass die Gelenke beider Körperhälften nicht gleichmäßig betroffen sind. Gelegentlich erkranken durchaus z.B. beide Knie- oder Sprunggelenke. Fast immer geht jedoch eine Seite voraus oder ist stärker betroffen als die andere. Knie- und Sprunggelenke erkranken bei dieser Verlaufsform am häufigsten. Aber auch Hand- und Ellbogen-, Kiefer- oder einzelne Fingerund Zehengelenke sind oft mitbetroffen. Bei entsprechender Behandlung können wir auf weite Sicht die Arthritis meist Kapitel 1 zur Ruhe bringen, wenn auch manchmal mit mehreren Krankheitsschüben gerechnet werden muss. Gelegentlich ist die Arthritis an einzelnen Gelenken recht hartnäckig, so dass Knorpel und Knochen Schaden leiden können. Bei wenigen Kindern geht die Oligoarthritis in eine symmetrische Polyarthritis mit Befall aller großen und kleinen Gelenke über. Diese Sonderform bedarf einer intensiven Behandlung. Kinder mit einer Oligoarthritis haben ein hohes Risiko an einer besonderen Form der Augenentzündung, einer chronischen Iridozyklitis, zu erkranken. Da die Iridozyklitis für die kindlichen Rheumaformen von besonderer Bedeutung ist, werden wir in einem eigenen Kapitel darauf eingehen. Wichtig ist, dass alle Kinder mit einer Oligoarthritis in 4-6-wöchentlichen Abständen vom Augenarzt an der Spaltlampe untersucht werden, damit die Iridozyklitis rechtzeitig erkannt und behandelt werden kann. Tabelle 2 Oligoarthritis ◆ Beginn < 6 Jahre ◆ Mädchen >> Jungen ◆ Asymmetrische Arthritis (Knie-, Sprunggelenke) ◆ Chronische Iridozyklitis ◆ Antinukleäre Antikörper 70-80% positiv Hilfreich für die Zuordnung zur Oligoarthritis ist ein Laborwert, die sog. antinukleären Antikörper (ANA). Wir können diesen Faktor, der allerdings auch bei anderen Erkrankungen vorkommt, bei etwa 70-80% der Patienten im Blut nachweisen und wissen, dass diese Kinder besonders gefährdet sind, eine chronische Iridozyklitis zu entwickeln. 3. Rheumafaktor negative Polyarthritis (Tabelle 3) (Kindliche Polyarthritis) Polyarthritis bedeutet, dass viele Gelenke erkranken, definitionsgemäß mehr als 4, in der Regel mindestens 8-10 Gelenke. Im Gelenkmuster überwiegt der symmetrische Befall, d.h. beide Körperhälften sind gleichermaßen betroffen. Meist erkranken fast alle großen Gelenke, wie Schultern, Ellbogen, Handgelenke, Hüften, Knie- und Sprunggelenke, sowie auch die kleinen Finger- und Zehengelenke. Auch Kiefergelenke und Halswirbelsäule sind häufig mitbetroffen. Die kindliche Polyarthritis kann in jedem Alter beginnen, Mädchen erkranken etwas häufiger als Jungen. Durch den Befall der vielen Gelenke sind die Kinder in ihrer Beweglichkeit und Geschicklichkeit beeinträchtigt, das Gangbild wird kleinschrittig und ungelenk. Man nennt diese Form auch die seronegative Polyarthritis des Kindes, wobei seronegativ bedeutet, dass der Rheumafaktor im Blutserum nicht nachweisbar ist. Die rheumafaktor-negative kindliche Polyarthritis geht ohne systemische 13 Diagnose und Krankheitsbild 1 Zeichen wie Fieber oder Befall innerer Organe einher. Eine chronische Iridozyklitis kann auftreten, kommt jedoch wesentlich seltener vor als bei der Oligoarthritis. Naturgemäß schränkt die Polyarthritis das Kind in seinen Alltagsaktivitäten stärker ein als die Oligoarthritis. Dennoch können wir eine gute Beweglichkeit erhalten, wenn wir frühzeitig und konsequent behandeln. Die kindliche Form der Polyarthritis verläuft Rheumafaktornegative Polyarthritis ◆ Beginn gesamte Kindheit ◆ Mädchen > Jungen ◆ Symmetrische Arthritis große und kleine Gelenke ◆ IgM Rheumafaktor negativ im allgemeinen gutartiger als die Erwachsenenform. Sie verursacht weniger bleibende Gelenkschäden und kann auf lange Sicht gesehen bei der Mehrzahl der Kinder überwunden werden. 4. Rheumafaktor positive Polyarthritis (Tabelle 4) (Chronische Polyarthritis vom Erwachsenentyp) Diese Form der Polyarthritis tritt beim Kind weit seltener auf. Sie befällt am ehesten Mädchen ab dem 11. Lebensjahr mit beginnender Pubertät und stellt gewissermaßen den frühesten Beginn der Erwachsenenform dar. Ähnlich wie bei der kindlichen Polyarthritis können nahezu alle Gelenke erkranken. Im Blutserum dieser Kinder kann der Rheumafaktor nachgewiesen werden. Deshalb wird diese Verlaufsform auch als seropositive Polyarthritis bezeichnet. Tabelle 3 Tabelle 4 Rheumafaktorpositive Polyarthritis ◆ Beginn meist > 10 Jahre ◆ Mädchen >> Jungen ◆ Symmetrische Arthritis große und kleine Gelenke ◆ IgM Rheumafaktor positiv ◆ Antinukleäre Antikörper ca. 50% positiv 14 Bei Patienten mit dieser Erkrankung finden wir neben den Gelenkerscheinungen oft noch andere Begleitreaktionen. Häufig treten sog. Rheumaknoten auf. Dies sind schmerzhafte Knötchen unterschiedlicher Größe, die im Weichteilbereich oft in der Nähe von Gelenken und Sehnenscheiden entstehen. Sie müssen manchmal operativ entfernt werden, vor allem, wenn sie an Stellen mit vermehrter Reibung, wie z.B. am Fuß, auftreten und somit starke Beschwerden verursachen. Für den Verlauf ist es wichtig, die rheumafaktor-positive Polyarthritis frühzei- Kapitel 1 tig zu erkennen. Der Entzündungsprozess kann an den Gelenken schon innerhalb von Monaten Schäden hervorrufen. Daraus ergeben sich sowohl für die medikamentöse Behandlung wie auch für die Krankengymnastik wichtige Konsequenzen. Durch die heutigen Behandlungsmöglichkeiten gelingt es meist auch bei dieser Gruppe, das Krankheitsgeschehen zum Stillstand zu bringen. 5. Die Enthesitis assoziierte Arthritis (Tabelle 5) Überwiegend erkranken Jungen ab dem Schulalter. Die Krankheit beginnt meist mit einer Arthritis an einem oder zwei Gelenken, wobei Knie- und Sprunggelenke, aber auch die Hüften am häufigsten erkranken. Auch einzelne Zehengelenke werden öfters miteinbezogen. Gelenke der oberen Körperhälfte, wie Schulter-, Ellbogen-, Hand- oder Fingergelenke, können ebenfalls betroffen sein. Neben den Gelenkerscheinungen müssen weitere Besonderheiten beachtet werden: Die Muskelkraft wird mittels Sehnen auf die gelenkbildenden Knochen übertragen. Die Ansatzstellen der Sehnen am Knochen, welche auch knorpeliges Gewebe enthalten, können sich entzünden und erhebliche Schmerzen verursachen. Man nennt diese Sehnenansatzschmerzen auch Enthesopathie oder Enthesitis. (Daher die neue Namensgebung!) Häufig betroffen ist die Ferse am Ansatz der Achillessehne oder an der Fußsohle (Abb.1). Typische Stellen finden sich auch unterhalb der Kniescheibe, am Beckenkamm, Schulterblatt oder im Ellbogenbereich. Als zweite Besonderheit kann eine akute Iridozyklitis auftreten. Diese Form der Augenentzündung bereitet meist heftige Schmerzen mit Rötung und Lichtscheu. Durch sofortige Behandlung mit Augentropfen und Salben klingt sie innerhalb von Tagen bis Wochen ab und hinterlässt kaum bleibende Augenveränderungen. Abbildung 1: Enthesitis an der rechten Ferse. Deutlich erkennt man die entzündliche Schwellung im Bereich des Achillessehnenansatzes. 15 Diagnose und Krankheitsbild 1 Eine weitere Besonderheit betrifft den Bereich von Becken und Wirbelsäule. Die Kinder und Jugendlichen klagen häufig über Rückenschmerzen, vor allem nach längerem Sitzen oder Liegen. Die Ursache dafür liegt in erster Linie in einer Entzündung der Kreuz-Darmbeingelenke (Iliosakralgelenke). Die Entzündung der Iliosakralgelenke nennt man auch Sakroiliitis. Die Sakroiliitis äußert sich meist als spontaner Schmerz oder Druckempfindlichkeit über den Kreuz-Darmbeingelenken, welche als Grübchen im oberen Gesäßbereich neben der Wirbelsäule zu erkennen sind. Manchmal strahlen die Beschwerden auch ins Bein aus. Nicht selten geben Kinder mit einer Sakroiliitis nur Schmerzen in der Lendenwirbelsäule an. Sie entstehen durch eine Schonhaltung des Beckens, womit die entzündeten Iliosakralgelenke entlastet werden. Gleichzeitig wird dadurch auf lange Sicht die Wirbelsäule überlastet. Sie reagiert mit Schmerzen. Tabelle 5 Enthesitis assoziierte Arthritis ◆ Beginn > 8 Jahre ◆ Jungen >> Mädchen ◆ Asymmetrische Arthritis (Hüft-, Knie-, Sprunggelenke) ◆ Enthesitis ◆ Akute Iridozyklitis ◆ Rückenschmerzen (Sakroiliitis) ◆ Genetische Disposition (Familienanamnese, HLA B 27 positiv) 16 Aus der Enthesitis assoziierten Arthritis kann sich im Erwachsenenalter ein Morbus Bechterew entwickeln. Der M. Bechterew wird auch als ankylosierende Spondylitis bezeichnet. Dies bedeutet, dass es sich um eine Wirbelsäulenentzündung mit Neigung zur Versteifung handelt. Die versteifenden Reaktionen entwickeln sich aber erst etwa ab dem 20. Lebensjahr. Aus der Sicht der Kinderrheumatologie stellt der M. Bechterew also das mögliche Spätstadium einer Enthesitis assoziierten Arthritis dar. Der Entzündungsprozess kommt aber meist schon im Kindes- und Jugendalter zur Ruhe und nur etwa 1015% der Patienten entwickeln später tatsächlich einen M. Bechterew. Wenn man das Krankheitsbild von der Erwachsenenrheumatologie her betrachtet, hat die ankylosierende Spondylitis bei etwa 6-7% der Patienten mit einer Arthritis im Kindesalter begonnen. Bei der Enthesitis assoziierten Arthritis tritt die vererbbare Bereitschaft zur Erkrankung besonders deutlich hervor. Bei jedem dritten Kind findet man in der Familie ähnliche rheumatische Erkrankungen. Die vererbbare Bereitschaft ist eng an ein genetisches Merkmal, das sog. HLA-B27 gebunden. Beim HLA-System handelt es sich um eine Gruppe von Erbmerkmalen, die auf dem kurzen Arm des Chromosoms Nr. 6 vererbt werden. Die Forschung hat bereits zahlreiche dieser HLA-Gene aufgedeckt und mit Buchstaben und Zahlen benannt. Man weiß inzwischen, dass sie bedeutsam sind für immunologische Reaktionen und somit auch für das Auftreten verschiedener Er- Kapitel 1 krankungen. Die Bedeutung des HLA-B27 für bestimmte Rheumaformen war schon zu Beginn der HLA-Forschung in den frühen achtziger Jahren bekannt geworden. Wir finden dieses Merkmal bei etwa 70-80% der Kinder mit Enthesitis assoziierter Arthritis. In der Bevölkerung sind nur etwa 8-10% Merkmalträger. Das HLA-B27 ist jedoch nicht mit einer Erkrankung gleichzusetzen. Äußere Einflüsse müssen hinzukommen, um die Krankheit auszulösen. Die meisten sind noch unbekannt. Man weiß aber, dass eine besondere Gefahr besteht nach Darminfektionen mit Salmonellen und Yersinien. 6. Die Psoriasisarthritis (Tabelle 6) Als Psoriasis oder Schuppenflechte wird eine chronische Hauterkrankung bezeichnet, die recht häufig in der Bevölkerung vorkommt und eine deutliche vererbbare Bereitschaft erkennen lässt. Etwa ein Drittel der Patienten entwickeln Gelenkbeschwerden, nicht selten eine Arthritis. Im Erwachsenenalter geht die Schuppenflechte in der Regel der Gelenkentzündung voraus. Beim Psoriasisarthritis ◆ Beginn gesamte Kindheit ◆ Mädchen > Jungen ◆ Überwiegend asymmetrische Arthritis ◆ Psoriasis ◆ Familiäre Psoriasis ◆ Daktylitis ◆ Verhornungsstörungen Nägel Tabelle 6 Kind dagegen tritt häufiger erst die Arthritis auf und die Psoriasis kann bis zu Jahre später nachfolgen. Wir können die Erkrankung zu Beginn bei den meisten Kindern deshalb nur vermuten, wenn gleichzeitig eine Schuppenflechte in der Familie bekannt ist und Besonderheiten im Gelenkmuster darauf hinweisen. Die Psoriasisarthritis verläuft beim Kind meist als asymmetrische Arthritis. Typisch ist der Befall einzelner Finger oder Zehen mit Gelenk- und Sehnenscheidenentzündung, was auch als Daktylitis bezeichnet wird (Abb.2). Bei manchen Abbildung 2: Daktylitis der 2. und 5. Zehe bei Psoriasisarthritis 17 Diagnose und Krankheitsbild 1 Kindern steht eine Arthritis mehrerer kleiner Gelenke ganz im Vordergrund. Wenn noch keine typischen Hautveränderungen aufgetreten sind, können manchmal kleine Tüpfel oder Verhornungsstörungen an den Fingernägeln auf die Psoriasis hinweisen. 8. Undifferenzierte Arthritis Nicht immer lässt sich die Erkrankung einer der o.a. Kategorien zuordnen oder die Arthritis erfüllt die Kriterien für mehrere Kategorien. Dafür gibt es innerhalb der JIA die Bezeichnung „undifferenzierte Arthritis“. Für den einzelnen Patienten ist diese Zuordnung unglücklich gewählt. Sie hat jedoch ihren Sinn für Studien, die an möglichst einheitlichen Gruppen durchgeführt werden sollten und ggf. Patienten aus der Kategorie „undifferenzierte Arthritis“ ausschließen können. » Warum muss ein rheumakrankes Kind zum Augenarzt? Rheuma ist zwar in erster Linie eine Gelenkerkrankung. Aber Sie wissen inzwischen, dass auch innere Organe und insbesondere die Augen miterkranken können. Deshalb gehört zur Diagnostik bei Krankheitsbeginn eine ausführliche augenärztliche Untersuchung. In der Folgezeit können weitere Besuche beim Augenarzt notwendig werden. Ihre Häufigkeit richtet sich nach der Krankheitsform ihres Kindes und dem jeweiligen Verlauf. Bei der Augenbeteiligung handelt es sich um eine entzündliche Reaktion, die 18 medizinisch als Iridozyklitis oder auch Uveitis bezeichnet wird. Die Entzündung beginnt an den vorderen Augenabschnitten (Abb.3). In der normalerweise klaren Flüssigkeit der vorderen Augenkammer tauchen Entzündungszellen und kleine Eiweißpartikel auf. Diese erkennt der Augenarzt durch eine sorgfältige Untersuchung mit der Spaltlampe. Er spricht in seinem Befund von „Zellen“ oder „Zellströmung“ in der Augenvorderkammer. Wenn die Entzündung sehr stark ausgeprägt ist, können die Eiweißpartikel zu Verklebungen zwischen der Regenbogenhaut (Iris) und der dahinter liegenden Linse führen. Die Verklebungen können sich in den ersten Stunden und Tagen wieder lösen, wenn sofort eine Behandlung einsetzt. Andernfalls festigt sich die Verbindung und die Verklebung bleibt auf Dauer bestehen. Die Verklebung zwischen Iris und Linse wird in der medizinischen Fachsprache als hintere Synechie bezeichnet. Die Iris lässt in der Mitte ein Sehloch, die Pupille, frei. Beim gesunden Auge verändert der Ziliarmuskel je nach Lichteinfall die Stellung der Iris. Bei Dunkelheit wird die Pupille weit, im Hellen verengt sich das Sehloch. Hat sich nun als Folge einer Iridozyklitis eine Synechie gebildet, kann an der Verklebungsstelle die Iris nicht mehr zurückgezogen werden. Bei erweiterter Pupille erkennt man dann eine zipflige Ausziehung der Iris (Abb.4). Solche einzelnen punktförmigen Verklebungen nennen wir deshalb auch Zipfelsynechien. Haben sich bereits ausgedehntere Synechien gebildet, verliert die Pupille immer mehr ihre ursprünglich runde Form. Kapitel 1 Schließlich ist bei einer kompletten ringförmigen Verklebung der Iris keinerlei Erweiterung des Sehlochs mehr möglich. Man spricht dann von einer zirkulären Synechierung. Kommt es im Verlauf einer Iridozyklitis zu bleibenden Veränderungen am Auge, treten als Erstes Synechien auf. Die Störung kann sich auf einzelne Zipfelsynechien beschränken und hat dann kaum Auswirkungen auf die Sehfähigkeit des Auges. Es besteht jedoch immer die Gefahr, dass bei fortschreitender Entzündung weitere Komplikationen hinzutreten. Neben den Synechien können sich vor allem Trübungen von Hornhaut und Linse entwickeln. Je nach Ausdehnung behindern diese Trübungen den Lichteinfall ins Auge und damit die Sehfähigkeit. Im Gefolge einer lang anhaltenden Entzündung der vorderen Augenkammer können Schwellungen und Ablagerungen von Entzündungspartikeln die Öffnung am Augenwinkel für den Abfluss des Kammerwassers einengen. Dadurch staut sich die Flüssigkeit in der vorderen Augenkammer an. Der Augendruck steigt und es kann zu einer Druckschädigung des Auges kommen. Ein erhöhter Augendruck wird in der Fachsprache als Glaukom bezeichnet. Dabei handelt es sich immer um eine ernstzunehmende Folgeerscheinung, die genau überwacht und ggf. mit Medikamenten behandelt werden muss. In seltenen Fällen kann sich die Entzündung auch auf den Glaskörper oder die dahinter liegenden Augenabschnitte ausdehnen und dort evtl. zusätzlich bleibende Schäden verursachen. Kammerwasserabfluss Hintere Synechie Linse Vordere AugenAugenkammer Zellströmung Iris Ziliarmuskel Abbildung 3: Längsschnitt durch die vorderen Augenabschnitte. Neben den anatomischen Bezeichnungen sind Entzündungspartikel in der vorderen Augenkammer sowie eine hintere Synechie eingezeichnet. Abbildung 4: Geschädigtes Auge bei Iridozyklitis. Die Pupille ist durch mehrere Synechien entrundet. Deutlich erkennt man die zipfligen Ausziehungen an den Stellen, wo die Iris mit der Linse verklebt ist. 19 Diagnose und Krankheitsbild 1 Die Iridozyklitis mit ihren Folgeerscheinungen bedeutet also eine schwerwiegende Begleiterkrankung der JIA. Bei manchen Kindern steht die Entzündung am Auge ganz im Vordergrund der Krankheitserscheinungen. Wenn die Iridozyklitis nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird, kann es zur Erblindung eines und in schweren Fällen auch beider Augen kommen. Glücklicherweise erkranken nur wenige Kinder mit JIA an einer Iridozyklitis. Außerdem kennt man die gefährdete Patientengruppe und kann bei diesen Kindern durch regelmäßige Augenuntersuchungen die Entzündung meist frühzeitig erkennen und behandeln. Gefährdet sind in erster Linie Kinder mit einer Oligoarthritis, bei denen im Serum antinukleäre Antikörper nachweisbar sind. Sie stellen die eigentliche Risikogruppe für die Iridozyklitis dar. Heimtückischerweise läuft bei ihnen die Augenentzündung ohne äußere Anzeichen oder Beschwerden ab. Nur die Untersuchung vom Augenarzt an der Spaltlampe kann die Iridozyklitis entdecken. Wichtig für die Prognose ist aber, dass die Entzündung frühzeitig erkannt und behandelt wird. Wir empfehlen deshalb für alle Kinder mit Oligoarthritis augenärztliche Untersuchungen in 4-6-wöchentlichen Abständen. Erst wenn über 3-4 Jahre keine Iridozyklitis (mehr) aufgetreten ist, können die Kontrollintervalle allmählich verlängert werden. Allerdings haben wir auch nach 10 und mehr Jahren, manchmal sogar noch im Erwachsenenalter Iridozyklitisschübe beobachtet. Wir empfehlen deshalb 20 auch im späteren Verlauf noch ein- bis zweimal pro Jahr den Augenarzt aufzusuchen. Auch bei der Enthesitis assoziierten Arthritis kann eine Iridozyklitis auftreten. Sie führt aber fast immer zu Schmerzen und Rötung des Auges, so dass frühzeitig der Augenarzt aufgesucht wird. Durch konsequente Behandlung mit Augentropfen klingt die Iridozyklitis dann meist innerhalb von Tagen bis Wochen ab, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Nur in seltenen Fällen entwickeln sich Synechien oder gar schwerwiegendere Komplikationen. Gelegentlich können auch Kinder mit einer Polyarthritis an einer Iridozyklitis erkranken. Meist handelt es sich dabei um Patienten, bei denen sich eine anfangs bestehende Oligoarthritis auf viele Gelenke ausgebreitet hat. Bei der rheumafaktor-positiven Polyarthritis vom Erwachsenentyp gibt es keine Iridozyklitis, ebenso wenig bei der systemischen Verlaufsform. Dennoch sollten auch diese Kinder vom Augenarzt untersucht werden. Es gibt nämlich ähnlich verlaufende Krankheiten, die mit einer Augenbeteiligung einhergehen können und deren Abgrenzung oft Schwierigkeiten bereitet. In diesen Fällen kann der Augenarztbefund wichtige Hinweise für die Diagnose bringen. » Was ist eine Amyloidose? Eine Amyloidose kann als Folgekomplikation bei verschiedenen chronisch-entzündlichen Erkrankungen auftreten. Bei der JIA sind insbesondere Kinder mit Kapitel 1 einer systemischen Verlaufsform gefährdet, bei denen die Erkrankung über Jahre aktiv bleibt mit hohen Entzündungswerten. Neben Krankheitsform und -dauer spielt wahrscheinlich die genetische Veranlagung noch eine Rolle. So beobachten wir bei Kindern aus Osteuropa häufiger eine Amyloidose als in den westlichen Ländern. In Amerika kommt die Amyloidose nur ganz selten vor. Bei den betroffenen Kindern wird durch die lang anhaltende Entzündung im Körper eine krankhafte Eiweißsubstanz, das sogenannte Amyloid, produziert. Dieses Amyloid lagert sich dann mit der Zeit in verschiedenen Körperorganen ab. Betroffen sind in erster Linie die Nieren, aber auch in Leber, Milz, Lymphknoten, Darm und Herzmuskelgewebe kann man bei schwerer Amyloidose dieses Eiweiß nachweisen. Geringe Mengen Amyloid beeinträchtigen die Organfunktion meist wenig. Wenn der Prozess jedoch fortschreitet und sich immer mehr Amyloid ablagert, wird mehr und mehr gesundes Gewebe verdrängt und zerstört. Es kann dann z.B. an der Niere zu einem Nierenversagen kommen oder am Darm zu starken Blutungen. Glücklicherweise gibt es heutzutage Medikamente, mit denen man eine Ausbreitung der Amyloidose bei den meisten Kindern verhindern kann und auch oft erreicht, dass bereits abgelagertes Amyloid wieder abgebaut wird. Um eine Amyloidose sicher zu diagnostizieren, muss man feingewebliche Untersuchungen eines betroffenen Organs durchführen. Je nach Befunden wird man sich zu einer Nieren-, Leberoder Darmbiopsie entscheiden. Da sich Amyloid auch im Fettgewebe ablagert, eignet sich als Suchmethode die Entnahme von Fettgewebe am Bauch oder Gesäß. Dieser Eingriff ist vergleichsweise harmlos und kann unter lokaler Betäubung durchgeführt werden. » Kann Rheuma das Wachstum der Kinder beeinträchtigen? Viele chronische Erkrankungen oder auch andere Störungen in der Entwicklung des Kindes können das Wachstum hemmen. Dies gilt teilweise auch für die chronische Arthritis. Dabei beobachten wir, dass die Störung des Wachstums vorwiegend mit der Schwere des Krankheitsbildes zusammenhängt. Leichtere Rheumaformen, insbes. Oligoarthritiden beeinträchtigen das allgemeine Längenwachstum nicht wesentlich. Dagegen treten bei Kindern mit systemischem Verlauf häufig Wachstumsprobleme auf. Während schwerer Krankheitsschübe wachsen die Kinder oft gar nicht oder nur 1-2 cm pro Jahr. Hält der hochentzündliche Krankheitsprozess länger an, bleiben die Kinder im Wachstum hinter Gleichaltrigen deutlich zurück. Wenn es gelingt, die Erkrankung zur Ruhe zu bringen, beginnen die Kinder wieder zu wachsen und wir beobachten dann oft ein Aufholwachstum, d.h., dass die Kinder vorübergehend schneller wachsen als ihre Altersgenossen und somit zumindest einen Teil ihres Wachstumsrückstandes wieder aufholen. Bei einem Kind mit systemischem 21 Diagnose und Krankheitsbild 1 Krankheitsbild kann die Wachstumsgeschwindigkeit Hinweis auf die Schwere der Erkrankung geben. Die Ärzte werden deshalb diesen Faktor im Therapieplan immer mitberücksichtigen. Dabei muss beachtet werden, dass kortisonhaltige Medikamente das Wachstum zusätzlich hemmen. Es ist deshalb wichtig, eine notwendige Kortisontherapie so bald wie möglich auf eine geringe Dosis zu reduzieren. Erfahrungsgemäß hemmt eine schwere Erkrankung nicht nur das Wachstum des Kindes, sondern verzögert auch seine Reifeentwicklung. Dies ist insofern günstig, als dadurch mehr Zeit für das Längenwachstum zur Verfügung steht. Wachstum und Pubertät sind eng miteinander verbunden. Vor der Pubertät setzt bei Kindern noch ein größerer Wachstumsschub ein. Mit Eintreten der Geschlechtsreife sind dann nur noch wenige cm an Größenzunahme zu erwarten. Wenn sich bei einem chronisch kranken Kind die Pubertät verschiebt, verzögert sich auch der vorhergehende Wachstumsschub. In einem Alter um die 12-14 Jahre, wenn bei den Klassenkameraden die Pubertät voll eingesetzt hat, fällt der Größenunterschied besonders ins Gewicht. Durch die verzögerte Entwicklung kann das rheumakranke Kind in den nächsten Jahren jedoch noch deutlich an Größe zunehmen und schließlich eine gute Endgröße erreichen. Außer dem allgemeinen Längenwachstum muss man bei der chronischen Arthritis noch auf sog. lokale Wachstumsstörungen achten. Die Wachs22 tumsfugen, von denen das Knochenwachstum ausgeht, befinden sich in unmittelbarer Gelenknähe, also im Bereich der Entzündungsreaktion. Dadurch kann das Wachstum an den betroffenen Stellen verändert werden. Dabei kann man beobachten, dass je nach Alter des Kindes und betroffenem Gelenk das Wachstum entweder beschleunigt oder verzögert werden kann. Ein typisches Beispiel betrifft das Kniegelenk beim Kleinkind. Hier führt die Entzündung zu einem Wachstumsreiz und bei einseitigem Gelenkbefall wird das betroffene Bein länger. Der Beinlängenunterschied muss dann durch Erhöhung der Schuhsohle auf der gesunden Seite ausgeglichen werden, weil sonst das Becken schief steht und die Wirbelsäule zur Verbiegung neigt (Abb.5). Der Wachstumsunterschied gleicht sich in den folgenden Jahren meist wieder aus. Manchmal kann ein geringer Unterschied auf Dauer zurückbleiben. Ein vermehrtes Wachstum sieht man im Kleinkindalter auch bei betroffenen Fingern und Zehen. Bei größeren Kindern dagegen führt die Arthritis an Fingern und Zehen eher zur Verkürzung. Dies wird teilweise dadurch Abbildung 5: Eine Arthritis am linken Kniegelenk hat bei dem 5-jährigen Mädchen zu einer Verlängerung des linken Beines mit Beckenhochstand geführt (linke Bildhälfte). Durch 1,5 cm Ausgleich unterm rechten Bein wird der Unterschied ausgeglichen, das Becken steht gerade (rechte Bildhälfte). Kapitel 1 Abbildung 5 23 Diagnose und Krankheitsbild 1 verursacht, dass sich die Wachstumsfugen schneller schließen als an den gesunden Gliedern. Eine enge Beziehung besteht zwischen Funktion und Wachstum. Dies bedeutet, dass die tägliche Benutzung und Belastung von Händen und Füßen wichtig ist für ein normales Wachstum. Was passiert, wenn diese Beziehung gestört wird, kann man besonders gut am Beispiel des Fußes beobachten. Er wird normalerweise durch das Gehen einer regelmäßigen Belastung ausgesetzt. Erkrankt nun ein Kind im Wachstumsalter an einer Arthritis im Hüft-, Knie- oder Sprunggelenk, wird das entsprechende Bein geschont. Insbesondere bei einseitigem Befall fällt dann auf, dass der betroffene Fuß im Wachstum zurückbleibt (Abb.6). Der Größenunterschied kann bei anhaltender Entzündung manchmal Schwierigkeiten beim Schuhkauf bereiten, da der betroffene Fuß ein bis zwei Schuhnummern kleiner sein kann. Auch an der Hand beobachten wir eine solche Wachstumsstörung. Die Arthritis im Handgelenk führt oft zu einer Verkleinerung der gesamten Hand, da das Kind die meisten Greiffunktionen im Alltag nur noch mit der gesunden Hand ausführt. » Welche Laborwerte sind für Ihr Kind wichtig? Einige Laborwerte sind für die Diagnose sowie für die Verlaufsbeobachtung notwendig oder hilfreich. Wir dürfen ihre Abbildung 6: Eine chronische Arthritis im rechten Sprunggelenk hat bei diesem Kind zu einer erheblichen Verkleinerung des Fußes geführt. 24 Kapitel 1 Bedeutung jedoch nicht überschätzen und sie immer nur im Zusammenhang mit der klinischen Untersuchung bewerten. • Zu Beginn der Erkrankung helfen uns bestimmte Laboruntersuchungen für die Differentialdiagnose. Wir können z.B. den Verdacht auf eine akute Arthritis erhärten durch Erregernachweis oder Bestimmung von Antikörpern gegen Infektionserreger im Blut. Des weiteren können ähnlich verlaufende Erkrankungen, wie z.B. bestimmte Blutkrankheiten oder Stoffwechselstörungen, durch Laborbefunde erkannt bzw. ausgeschlossen werden. • Hilfreich für die Einschätzung des Schweregrades, aber auch für die Verlaufsbeobachtung bei rheumatischen Erkrankungen können die allgemeinen Entzündungszeichen im Blut sein. Dabei beurteilen wir in erster Linie die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sowie ein Eiweißprodukt, das bei Entzündungen im Blut entsteht, das sog. C-reaktive Protein (CRP). Bei schweren, insbesondere systemischen Verläufen steigt auch die Zahl der weißen Blutkörperchen und Blutplättchen an. Gleichzeitig sinkt der Eisenspiegel und der rote Blutfarbstoff (Hämoglobin) ab. Dabei handelt es sich nicht um einen Eisenmangel, sondern um eine entzündungsbedingte Eisenverwertungsstörung. Eisengabe bessert normalerweise nicht den niedrigen Eisenspiegel. Erst wenn die Entzündung sich bessert, normalisieren sich auch die Eisen- und Hämoglobinwerte. Die Entzündungszeichen im Blut helfen uns die Aktivität der Erkrankung und ihre Auswirkung auf den gesamten Körper abzuschätzen. Sie sind ferner hilfreich, um den Erfolg der Behandlung beurteilen zu können. Wir müssen aber wissen, dass beim kindlichen Rheuma die Entzündungswerte im Blut durchaus normal sein können, obwohl an den Gelenken ausgeprägte Entzündungszeichen bestehen. Dies gilt insbesondere für Kinder mit einer Oligoarthritis. • Auch für die Diagnostik der verschiedenen Verlaufsformen innerhalb der kindlichen Arthritis stehen uns einige Laborbefunde zur Verfügung. Sie ergänzen das klinische Bild oder erleichtern die Einordnung. Dazu zählen z.B. das Erbmerkmal HLA-B27, das bei der Enthesitis assoziierten Arthritis gehäuft vorkommt; ferner immunologische Werte, deren Bedeutung im Krankheitsgeschehen wir heute noch nicht sicher kennen. Beispiele hierfür sind die antinukleären Antikörper (ANA), die vor allem bei der Oligoarthritis oder der Psoriasisarthritis gefunden werden, aber auch bei den beiden Polyarthritisformen vorkommen können, insbes. bei der rheumafaktor-positiven Arthritis. Der Rheumafaktor selbst ist ebenfalls ein immunologischer Befund, der allerdings im Kindesalter nur bei der rheumafaktor-positiven Polyarthritis vorkommt oder auch mal Hinweis für eine Kollagenose sein kann. 25 Diagnose und Krankheitsbild 1 Bei allen Laborbefunden müssen wir berücksichtigen, dass sie natürlichen Schwankungen unterworfen sind. Wir dürfen einzelne Befunde daher nicht überbewerten, sondern müssen mehr die Entwicklung über längere Zeiträume hinweg im Auge behalten. » Wie wichtig sind Röntgen und andere bildgebende Verfahren? Zu Krankheitsbeginn sind Röntgenaufnahmen vor allem wichtig, um andere Erkrankungen auszuschließen. Bei rheumatischen Erkrankungen treten Veränderungen im Röntgenbild meist erst nach Monaten oder gar Jahren auf. Röntgenbilder sind also wichtig für die Verlaufsbeurteilung, bringen aber am Anfang wenig für die Bestätigung der Diagnose. Heutzutage ist die Sonografie (Ultraschall) die wichtigste bildgebende Untersuchung. Sie zeigt aktuelle Entzündungen in den Gelenken und Sehnenscheiden an und ist besonders hilfreich zur Beurteilung von Gelenken, bei denen man entzündliche Schwellungen nicht sicher erkennt (Hüft-, Schultergelenk) (Abb.7). Die Kernspintomografie, auch Magnetresonanztomografie (MRT) genannt, stellt ein modernes, recht aufwändiges Verfahren dar, mit dem man alle Ge- Gelenkkapsel Gelenkkapsel Erguss Gelenkspalt Knochenlinie Knochenlinie Rechte Hüfte gesund Linke Hüfte Arthritis Abbildung 7: Sonografische Darstellung eines Ergusses im linken Hüftgelenk. Die Gelenkflüssigkeit stellt sich tiefschwarz dar, die Gelenkkapsel wird durch die vermehrte Flüssigkeit aufgedehnt. 26 Kapitel 1 Abbildung 8a + b: Kleines Mädchen mit Polyarthritis. Vor Therapie sieht man die Beugestellung in den Hüftund Kniegelenken, auch die Arme können nicht gestreckt werden. Das Gesicht des Kindes spiegelt den Schmerz wieder (Abb. 8a). Etwa 1 Jahr später konnte durch medikamentöse Behandlung und intensive Physiotherapie eine normale Gelenkbeweglichkeit erreicht werden (Abb. 8b). 27 Diagnose und Krankheitsbild 1 lenkstrukturen gut erkennen kann. In der Kinderrheumatologie wird die Methode manchmal zu häufig angewandt. Der Gelenkzustand lässt sich meist ausreichend durch die klinische Untersuchung, ergänzt durch Ultraschall und evtl. Röntgenbild beurteilen. Wichtig ist die MRT vor allem bei unklaren klinischen Befunden zur Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen. » Wie sieht die Prognose für Kinder mit einer chronischen Arthritis aus? Die JIA kann je nach Subgruppe und Schweregrad unterschiedlich verlaufen. Insgesamt ist jedoch die Prognose für die kindliche Arthritis deutlich günstiger als im Erwachsenenalter. Bei den meisten Kindern gelingt es, die Erkrankung auf Dauer zur Ruhe zu bringen. Je früher und konsequenter die Therapie durchgeführt wird, umso günstiger sind die Ergebnisse. Dabei ergänzen sich medikamentöse Behandlung und Physiotherapie. Wichtig ist auch die soziale Betreuung, welche die gesamte Familie mit einbeziehen muss. Wenn man die Behandlung früh genug beginnt, kann man bei den meisten Kindern ausgeprägte Gelenkeinschränkungen und Fehlstellungen verhindern. Wesentlich mehr Mühe bereitet es, länger bestehende Gelenkveränderungen wieder zu bessern. Aber auch hier können auf lange Sicht erfreuliche Ergebnisse erzielt werden (Abb.8). Unser Ziel ist immer die völlige Wiederherstellung von Gelenkachsen und -funktionen. Als wichtige Voraussetzung dafür müssen 28 wir den Entzündungsprozess durch Medikamente zur Ruhe bringen und gleichzeitig gezielt krankengymnastisch behandeln. Die Ergebnisse sind umso besser, je konsequenter die Behandlung auch zu Hause weitergeführt wird. Unsere Erfahrung zeigt immer wieder, dass Eltern, die über die Krankheit informiert sind und für die Mitbehandlung zu Hause angeleitet werden, einen wichtigen Beitrag zur Besserung der Erkrankung leisten. Kapitel 2 Medikamentöse Therapie H. Michels » » » » » » » » » » » » » » Einführung ................................................................................... 30 Welche Medikamente stehen uns zur Verfügung? ................... 31 Wo greifen die antirheumatisch wirksamen Medikamente in den rheumatischen Prozess ein? ............................................ 32 Die Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ....... 34 Die Gruppe der „Basistherapeutika“ .......................................... 37 Die Gruppe der Immunsuppressiva/Zytostatika ........................ 39 Die Gruppe der cortisonhaltigen Medikamente ........................ 46 Wann können die Medikamente abgesetzt werden? ................ 51 Welche neueren Entwicklungen sollten beachtet werden? ..... 51 Medikamentöse Therapie - Zusammenfassung ......................... 52 Anhang Komplementäre Therapie V. Miller, H. Michels ................................................................... 52 Pflanzliche Medikamente ............................................................ 52 Weitere komplementäre Therapien ............................................ 53 29 Medikamentöse Therapie 2 » Einführung Medikamente werden bei rheumatischen Erkrankungen hauptsächlich aus drei Gründen eingesetzt: • Verhinderung von bleibenden Gelenkund Organschäden und von weiteren Erkrankungskomplikationen • Linderung der Beschwerden • Abkürzung, möglichst Beendigung der Grundkrankheit. Nur bei einigen Sonderformen kindlichrheumatischer Arthritiden (= Gelenkentzündungen) kennen wir die Erkrankungsursache und verfügen deshalb über eine ursächlich wirkende Therapie, z.B. Antibiotikagabe bei borrelienbedingter Arthritis. Die Ursache(n) der rheumatischen Erkrankungen im engeren Sinne, wie die juvenile idiopathische Arthritis (JIA), kennen wir bislang jedoch nicht. Für die JIA wurde 1999 deshalb international die Bezeichnung juvenile idiopathische Arthritis (JIA) vorgeschlagen, wobei „idiopathisch“ so viel bedeutet wie „Ursache unbekannt“. Auch wenn die JIA also bislang nicht ursächlich behandelt werden kann, so verfügen wir doch über eine große Auswahl wirksamer Medikamente. So kann für jedes betroffene Kind in aller Regel ein befriedigender Weg gefunden werden. Die medikamentöse Behandlung ist für die meisten Kinder notwendig, u.a. weil ohne Medikamente die Krankengymnastik wegen der Schmerzen nicht befriedigend durchgeführt werden könnte, sich Schmerz- und entzündungsbedingte Gelenkfehlhaltungen verstärken und zu Fehlstellun30 gen führen würden, insbesondere würde sich das Risiko entzündungsbedingter Gelenkzerstörungen und Organschäden erhöhen. Medikamente weisen erwünschte (hier: die angestrebte antirheumatische Wirkung) und unerwünschte Wirkungen (oft als „Nebenwirkungen“ bezeichnet) auf. Mit Recht sind die Eltern und auch die Kinder deshalb oftmals beunruhigt. Die Beipackzettel der Medikamentenpackungen, besorgte Nachfragen von Verwandten, Freunden, Nachbarn oder auch des Apothekers („Muss Ihr Kind tatsächlich diese starken Medikamente einnehmen?“) verstärken nicht selten diese Bedenken. Hinzu kommt die in aller Regel lange Dauer der Behandlung. So verwundert es nicht, wenn alle anderen therapeutischen Maßnahmen, wie Krankengymnastik, Ergotherapie oder Hilfsmittelversorgung, gern angenommen werden, der medikamentösen Behandlung oftmals jedoch zunächst große Vorbehalte entgegengebracht werden. Wesentliche Voraussetzungen für eine gute, möglichst nebenwirkungsarme medikamentöse Therapie sind: • Auswahl der Präparate und medikamentöse Einstellung durch einen kinderrheumatologisch erfahrenen Arzt. Die Behandlung durch den Spezialisten soll gewährleisten, dass die Medikamente immer fachgerecht eingesetzt werden und ihre Auswahl nach dem neuesten Stand des medizinischen Wissens erfolgt. • Aufklärung der Eltern und, falls vom Alter her möglich, auch des Kindes, Kapitel 2 über die Wirkungsweise einschließlich der unerwünschten Wirkungen der verwendeten Medikamente. Eltern und Patient sollen dabei auch erfahren, dass schwere oder bleibende Medikamentenschäden sogar bei jahrelanger Einnahme durch die regelmäßigen ärztlichen Kontrollen fast immer zu verhindern sind (s.u.). • Eine vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit zwischen Eltern/ Kind, dem Kinderrheumatologen und dem Kinder- bzw. Hausarzt. Die Ärzte sind in der Beurteilung von Wirkung und Nebenwirkungen auf die tägliche Beobachtung der Kinder durch die Eltern angewiesen. Den Eltern kommt die wichtige Aufgabe zu, dem Kind die Medikamente regelmäßig nach Verordnungsplan zu geben, auf erwünschte und unerwünschte Wirkungen zu achten und dem Arzt Auffälligkeiten umgehend mitzuteilen. Durch die so gewährleistete fachgerechte Anwendung der medikamentösen Therapie lassen sich schwere unerwünschte Wirkungen in aller Regel vermeiden, größere Probleme bzw. bleibende Medikamentenschäden sind selten. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die exakte Einnahme zu den empfohlenen Tageszeiten und die regelmäßigen ärztlichen Kontrollen einschließlich Laborkontrollen (Blutbild, Leber- und Nierenwerte, Entzündungswerte, Urinstatus). Wir legen deshalb besonderen Wert darauf, dass Eltern und Kinder genau über Einnahmezeiten, Dosierungen, mögliche unerwünschte Wirkungen und notwendige ärztliche Kontrollen mittels eines Verordnungsplanes auch schriftlich informiert werden. Dabei werden sie gleichzeitig darüber aufgeklärt, wie sie sich in besonderen Situationen, wie z.B. Urlaubsreisen, bei zwischenzeitlich auftretenden Windpocken oder Operationen verhalten sollen. » Welche Medikamente stehen uns zur Verfügung? Die antirheumatisch wirksamen Medikamente werden in verschiedene Gruppen eingeteilt (Tab. 1): nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), die „Basistherapeutika“ im engeren Sinne, Immunsuppressiva / Zytostatika als Basistherapeutika im weiteren Sinn, die neue Gruppe der sogenannten Biologika“, Cortison-Präparate, neuere, in Erprobung befindliche Substanzen sowie „komplementäre“ (d.h. ergänzende) Arzneimittel. Letztere werden in einem eigenen Kapitel besprochen. Tabelle 1 Medikamente für die Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis ◆ Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ◆ „Basistherapeutika“ ◆ Immunsuppressiva / Zytostatika ◆ „Biologika“ ◆ Cortisonpräparate ◆ Medikamente in Erprobung ◆ „komplementäre“ Arzneimittel 31 Medikamentöse Therapie 2 Vorausgeschickt sei, dass wir demselben Medikament unter verschiedenen Namen begegnen können: Wenn eine pharmazeutische Firma ein neues Medikament einführt, so besitzt sie darauf ein über viele Jahre geltendes Patent. Während dieser Zeit darf keine andere Firma dieses Medikament herstellen oder verkaufen, d.h. es gibt dieses Medikament nur unter einem einzigen Namen. Beispiel: Leflunomid wird nur unter dem Namen AravaR verkauft (das hochgestellte „R“ bedeutet, daß es sich um einen firmeneigenen, nach Werbegesichtspunkten ausgewählten Namen handelt). Nach Ablauf des Patentschutzes dürfen auch andere Firmen das Medikament herstellen bzw. verkaufen. Diese Firmen wählen für dieselbe Substanz nun jeweils eigene Namen. So wurde etwa das nichtsteroidale Antirheumatikum Diclofenac von der urspünglichen Herstellerfirma unter dem Namen VoltarenR abgegeben. Inzwischen wird Diclofenac auch von „Nachahmerfirmen“ unter mehr als 30 verschiedenen Firmennamen verkauft. Man spricht bei diesen „Nachahmer“-Präparaten mit derselben Wirksubstanz von „Generica“ (Einzahl „Genericum“). Die Nachahmerfirmen haben für diese Präparate keine Forschungs- bzw. Entwicklungskosten und geben sie in aller Regel billiger ab als die Firma, die das Präparat ursprünglich entwickelt hat. Man kann davon ausgehen, dass die Nachahmer-Präparate bzw. Generica dieselbe Wirksamkeit aufweisen wie das Originalpräparat. 32 » Wo greifen die anti- rheumatisch wirksamen Medikamente in den rheumatischen Prozess ein? Vereinfacht lässt sich die Entstehung der juvenilen idiopathischen Arthritis und anderer rheumatischer Erkrankungen so beschreiben, wie in Abbildung 1 dargestellt. Ein oder mehrere „Auslöser“ (man denkt hier z.B. an Viren) können bei Menschen mit entsprechender Veranlagung das Immunsystem (= Körperabwehrsystem) zu fortlaufenden Entzündungsreaktionen veranlassen. In der Folge entstehen z.B. am Gelenk die typischen klinischen Entzündungszeichen Schwellung, Erwärmung, Schmerz und Bewegungseinschränkung. Wünschenswert wären Medikamente bzw. Behandlungsstrategien, die in der Krankheitsentstehungskette ganz links eingreifen (Abb. 1), also ursächlich wirken. Da wir über den oder die Auslöser der Erkrankung bislang lediglich Vermutungen haben (s.o.; z.B. Viren?) und auch die individuelle Veranlagung nicht ändern können (Abb. 1), verfügen wir bislang über keine ursächliche Behandlung. Mit Hilfe der derzeit verfügbaren Medikamente lässt sich die rheumatische Grunderkrankung aber in den meisten Fällen dennoch gut beeinflussen. Diese Substanzen greifen wie folgt in den Erkrankungsprozess ein: Schmerzmittel wie Paracetamol wirken rein symptomatisch (ganz rechts in der dargestellten Krankheitsentstehungskette in Abb.1, in der Abb. nicht eingezeichnet). Die nichtsteroidalen Antirheumatika wirken antientzündlich. Die sogenannten „Ba- Kapitel 2 Wo wirken die Medikamente? Stark vereinfachtes Schema über die Enstehung einer rheumatischen Gelenkentzündung: Durch letztendlich noch unbekannte krankheitsauslösende Stoffe („Auslöser“, z.B. Viren) aus der Umwelt entwickelt sich bei entsprechend veranlagten Menschen („Veranlagung“, hierher gehören z.B. das HLA-B27 oder die familiäre Belastung mit „Schuppenflechte/ Psoriasis“) eine Fehlregulation im Immunsystem. Dies führt zu anhaltenden Entzündungsreaktionen. Am Gelenk kommt es dadurch zu Schwellung, Erwärmung, Schmerz und Funktionseinschränkung. Therapeutisch können wir am Ende dieser Kette durch Kältepackungen, Schmerzmittel und Krankengymnastik einwirken („symptomatische Therapie“). Die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wirken entzündungshemmend. Die „Basistherapeutika“ (BT) einschließlich der Immunsuppressiva/Zytostatika (IS) wirken auf das Immunsystem und sollen die Fehlregulationen günstig beeinflussen. „Biologika“ haben meist eine „Anti-Zytokin-Wirkung“, richten sich also gezielt gegen die Wirkung spezieller Zytokine wie Tumornekrosefaktor ␣ ( (TNF␣), Interleukin 1 oder Interleukin 6 (s. Text). Cortisonpräparate (CS) sind starke Entzündungshemmer, besitzen aber auch immunmodulierende Wirkungen. Abbildung 1 Auslöser CS Immunsystem Veranlagung BT IS Biologika Entzündung Schwellung Schmerz Erwärmung Funktion NSAR 33 Medikamentöse Therapie 2 sistherapeutika“ und die Immunsuppressiva/ Zytostatika sollen das Immunsystem umstimmen („immunmodulierend“ wirken) und so den nachfolgenden rheumatischen Entzündungsprozess verhindern. Cortisonpräparate wirken sowohl auf das Immunsystem als auch direkt auf den Entzündungsprozess. Die neue Gruppe der sogenannten „Biologika“, das sind Eiweiss-Moleküle, greifen gezielt in spezielle Abläufe innerhalb des Immunsystems ein. » Was versteht man unter nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR)? Die NSAR stellen eine Gruppe direkt antientzündlich wirkender Medikamente dar. Die Bezeichnung „nichtsteroidal“ soll sie von den Cortisonpräparaten (= „Steroide“) abgrenzen. Schon in geringerer Dosierung weisen sie auch fie- bersenkende und schmerzstillende Wirkungen auf und gehören deshalb zu den häufigst verordneten Medikamenten überhaupt (z.B. AspirinR). In der Kinderrheumatologie bestehen Erfahrungen mit den in Tabelle 2 aufgeführten NSAR. » Wie wirken die nichtsteroidalen Antirheumatika? Ihre entzündungshemmende Wirkung beruht hauptsächlich auf einer Hemmung der körpereigenen Prostaglandinbildung. Prostaglandine sind hormonähnliche Substanzen, die der Körper unter anderem für die Auslösung von Entzündungsreaktionen benötigt. Wird die körpereigene Herstellung der Prostaglandine vermindert, so nimmt auch die Entzündungsreaktion ab. Die Verminderung der Prostaglandinherstellung durch die NSAR erfolgt über eine Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (Ab- Tabelle 2 In der Kinderrheumatologie verwendete nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Medikament Saftform verfügbar? ◆ Indometazin (z.B. IndopädR) Ja ◆ Naproxen (z.B. ProxenR) Ja (in Deutschland über die Schweiz beziehbar) ◆ Diclofenac (z.B. VoltarenR) Nein R ◆ Ibuprofen (z.B. Ibuflam ) Ja R ◆ Meloxicam (Mobec ) Nein ◆ Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin juniorR) (Ja) („Brause“) 34 Kapitel 2 kürzung COX). Enzyme sind Eiweißmoleküle, die biochemische Reaktionen in unserem Körper beschleunigen; ohne Enzyme würden die vielfältigen biochemischen Reaktionen in unserem Körper so langsam ablaufen, dass dies mit dem Leben nicht vereinbar wäre. Die Cyclooxygenase wird bei der ProstaglandinProduktion benötigt. Die Cyclooxygenase 1 (COX-1) ist hauptsächlich bei der Entstehung der Prostaglandine in „Funktionsgewebe“, wie Magen-Darm-Trakt, Nieren und Blutplättchen (Thrombozyten), beteiligt. Dagegen entstehen die an Entzündungsreaktionen beteiligten Prostaglandine unter der Wirkung der Cyclooxygenase 2 (COX-2). Die herkömmlichen NSAR hemmen sowohl die COX-1 als auch die COX-2. Zahlreiche unerwünschte Wirkungen der NSAR (s.u.), insbesondere die am Magen-Darm-Trakt, entstehen durch Hemmung der COX-1 , Als besonderer Vorteil der neueren selektiven COX-2-Hemmer (selektiv bedeutet in diesem Zusammenhang: Diese Substanzen hemmen nahezu ausschließlich die COX-2, nicht die COX-1) wird ein geringeres Auftreten unerwünschter Wirkungen am Magen-Darm-Trakt angesehen. Wegen unerwünschter Wirkungen im Bereich des Herz-Kreislaufsystems bei Erwachsenen wurde ein Teil der für Erwachsene bereits zugelassenen COX-2Hemmer wie Rofecoxib (VioxxR) wieder vom Markt genommen. Bislang ist keines der COX-2-selektiven NSAR für Kinder zugelassen (Stand: Frühjahr 2006). Die Wirkung der NSAR beginnt kurze Zeit, nachdem sie eingenommen wurden. Das Maximum ist je nach Präparat nach zwei bis mehreren Stunden erreicht. Die meist erwünschte Dauerwirkung wird durch die regelmäßige Einnahme des richtig dosierten Medikamentes gewährleistet. Wenn die Erkrankung gut kontrolliert und stabilisiert ist, kann eine bedarfsweise Einnahme der NSAR erwogen werden. » Wann werden die nicht- steroidalen Antirheumatika eingesetzt? In der Regel werden NSAR eingesetzt, sobald die rheumatische Gelenkentzündung diagnostiziert worden ist. Insofern stellen sie bei der juvenilen idiopathischen Arthritis die zuallererst verwendeten Medikamente dar. » Was ist bei der Einnahme der nichtsteroidalen Antirheumatika zu beachten? Kleinkinder akzeptieren Medikamente in Saftform eher. Diese ist in Deutschland für die Präparate Indometazin (IndopädR) und Ibuprofen (z.B. IbuflamR) verfügbar (Tab.2; Stand Frühjahr 2006). Naproxen-Saft (ProxenR) muß z.Zt. über die Schweiz bezogen werden und wird deshalb von den Krankenkassen meist nicht mehr bezahlt (Stand: Frühjahr 2006). Die Saftform hat aber vor allem den Vorteil, dass hier eine genaue Dosierung pro Kilogramm Körpergewicht möglich ist. Für die genaue Dosierung des Saftes wird den Eltern eine 2-Milliliter- oder 5-Milliliter-Spritze ausgehändigt, mit deren Hilfe sie die erforderliche Menge aus der Flasche entnehmen, z.B. 1,5 Milliliter oder 3 Milliliter. Dagegen sind die NSAR35 Medikamentöse Therapie 2 Tabletten bzw. -Kapseln meist für Erwachsene angefertigt. So bedeutet die Verabreichung einer einzigen Kapsel, etwa einer 25 mg Indometazin-Kps., z.B. für ein Kleinkind mit 12 kg Körpergewicht die gesamte Tagesmenge oder sogar mehr, so dass nur eine Kapsel pro Tag verabreicht werden könnte und eine gleichmäßige Verteilung über den Tag nicht möglich wäre. Viele NSAR werden im Körper relativ rasch inaktiviert und ausgeschieden. Man spricht dann von einer kurzen „Halbwertszeit“ (HWZ) des entsprechenden Präparates. Die HWZ ist die Zeit, in der die Hälfte der eingenommenen Medikamentenmenge im Körper abgebaut bzw. ausgeschieden ist. Medikamente mit kurzer HWZ, z.B. AspirinR, müssen häufiger über den Tag verteilt eingenommen werden (meist 3 oder 4mal), damit die Medikamentenkonzentration im Blut noch ausreichend hoch, also wirksam ist. Präparate mit längerer HWZ brauchen dagegen nur ein- oder zweimal pro Tag gegeben zu werden (z.B. ProxenR). » Welche unerwünschten Wirkungen können auftreten? Hier kann keine vollständige Auflistung der unerwünschten Wirkungen der NSAR gegeben werden; vielmehr sind diese z.B. im Beipackzettel, in der „Roten Liste“ (Arzneimittelverzeichnis des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie) oder in der einschlägigen Literatur nachzulesen. An dieser Stelle werden lediglich einige wichtige Nebenwirkun36 gen und das damit verbundene erforderliche Handeln beispielhaft dargestellt. Die unerwünschten Wirkungen sind bis auf wenige Besonderheiten der einzelnen Präparate für die verschiedenen NSAR-Substanzen gleichartig, können sich beim einzelnen Kind jedoch je nach Medikament unterschiedlich auswirken. Unverträglichkeit für ein bestimmtes nichtsteroidales Antirheumatikum muss deshalb keineswegs bedeuten, dass auch die übrigen NSAR in gleicher Weise nicht vertragen werden. Bei Auftreten von unerwünschten Wirkungen lohnt sich also der Versuch der Umstellung auf ein anderes Präparat. Die mit Abstand häufigsten unerwünschten Wirkungen der NSAR stellen Beschwerden von Seiten des MagenDarm-Traktes dar, wie Übelkeit, Brechreiz, Magenschmerzen bis hin zum Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür. Gefährdet sind vor allem ältere Menschen. Alle NSAR können solche Magenbeschwerden verursachen und sollen deshalb nie auf nüchternen Magen, sondern nur direkt nach den Mahlzeiten, ggf. mit einem Becher Joghurt oder einem Glas Milch, eingenommen werden. Die antithrombotische („Blut verdünnende“) Wirkung der NSAR, besonders des AspirinR, wird therapeutisch zur Thromboseprophylaxe, z.B. nach Operationen, ausgenutzt. Sie kommt durch eine Hemmung bzw. Schädigung der Cyclooxygenase 1 in den Blutplättchen zustande (vgl. oben COX-1/2. ; Blutplättchen = Thrombozyten). Dies kann zu vermehrter Blutungsbereitschaft führen. Kapitel 2 Dann fallen die Kinder z.B. durch eine über das übliche Maß hinaus gehende Anzahl „blauer Flecken“ an den Schienbeinen oder durch Nasenbluten auf. Besonders beachtet werden muss diese Wirkung vor Operationen, etwa vor einer Mandeloperation. Die NSAR müssen eine Woche vor einer geplanten Operation abgesetzt werden. - Selektive COX2-Hemmer haben keine antithrombotische Wirkung. Asthma leiden, Verminderung der roten und/ oder weißen Blutkörperchen, allergische Reaktionen, erkennbar an Hautausschlägen. Durch Sonnenlicht begünstigte Hautausschläge unter Naproxen (ProxenR) machen im Allgemeinen Absetzen des Medikamentes erforderlich. Die analgetische (= schmerzstillende) Wirkung der NSAR kann dazu führen, dass z.B. bei Mittelohrentzündungen anfangs keine Schmerzen auftreten und die Diagnose deshalb verspätet in einem Krankheitsstadium gestellt wird, in dem bereits Schäden am Trommelfell oder an den Gehörknöchelchen aufgetreten sind. Darum sollen Kinder, die mit NSAR behandelt werden, bei oberen Luftwegsinfekten („Schnupfen“) frühzeitig mit dem Ohrenspiegel untersucht werden. Für die „Basistherapeutika“ gibt es noch weitere Namen wie „Langzeitantirheumatika“ oder „krankheitsmodifizierende Medikamente“. Entsprechend dem stark vereinfachten Schema in Abbildung 1 stellt das Immunsystem den Angriffspunkt der Basistherapeutika dar. Diese Medikamente greifen im Vergleich zu den NSAR also mehr an der „Basis“ des Krankheitsprozesses ein (daher der Name „Basistherapeutika“). Von den Basistherapeutika erhoffen wir uns dementsprechend eine tiefergehende Wirkung auf den rheumatischen Entzündungsprozess. Vor allem in höherer Dosierung können die NSAR Schwindelgefühl und Ohrensausen verursachen. Zu den unerwünschten Wirkungen auf das zentrale Nervensystem gehören Müdigkeit und Kopfschmerzen. Krampfanfälle stellen ein Vergiftungssymptom dar, das bei Überdosierung auftreten kann. Je nach Symptomatik können Absetzen, Dosisverminderung oder Umsetzen auf ein anderes Präparat erforderlich werden. Alle anderen unerwünschten Wirkungen der NSAR sind vergleichsweise selten. Dazu gehören Begünstigung von Asthmaanfällen bei Kindern, die unter » Was verstehen wir unter „Basistherapeutika“? Gemeinsam ist den verschiedenen Basistherapeutika, dass ihr Wirkungseintritt verzögert, meist erst nach 2-3 Monaten, eintritt und dass sie nur auf den rheumatischen Schmerz, nicht etwa auf Kopfschmerzen (wie die NSAR, z.B. AspirinR) einwirken. Therapieerfolge werden etwa bei 2/3 der Patienten erzielt. Die therapeutische Einstellung auf Basistherapeutika erfordert spezielle Erfahrung und bleibt deshalb in der Regel dem Kinderrheumatologen bzw. der Spezialklinik vorbehalten. 37 Medikamentöse Therapie 2 » Welche Basistherapeutika kennen wir? (vgl. Tabelle 3) Von den Basistherapeutika im engeren Sinn werden heute vor allem noch Chloroquin/Hydroxychloroquin und Sulfasalazin eingesetzt, während Gold und DPenicillamin nur noch selten verwendet werden (Abb.1, Tab. 3). Im weiteren Sinn können auch die Immunsuppressiva/Zytostatika zu den Basistherapeutika gerechnet werden (s.u.). » Wann werden die Basis- therapeutika eingesetzt? Basistherapeutika verwenden wir immer dann, wenn die Wirkung der NSAR für eine gute Kontrolle der Krankheitsaktivität nicht ausreicht, also vor allem bei polyarthritischen Verlaufsformen, aber auch bei hartnäckigen Oligoarthritiden. Die NSAR werden dabei in aller Regel weitergegeben und nicht etwa abgesetzt. » Gibt es subgruppenbezogene Richtlinien für den Einsatz der „Basistherapeutika im engeren Sinne“? Wir gehen davon aus, dass die Basistherapeutika grundsätzlich bei allen Subgruppen (Beginnformen, Verlaufsformen s.o.) der juvenilen idiopathischen Arthritis wirken können. Chloroquin und Hydroxychloroquin (ResochinR / QuensylR) verwenden wir vorwiegend bei Oligoarthritis und zur Kom- Tabelle 3 „Basistherapeutika“: Basistherapeutika im engeren Sinn müssen von den Immunsuppressiva / Zytostatika abgegrenzt werden. Angegeben sind die chemischen Namen und in Klammern beispielhaft Firmennamen. „Basistherapeutika im engeren Sinn“ Immunsuppressiva / Zytostatika ◆ Chloroquin, Hydroxychloroquin (WeimerquinR, Resochin juniorR, QuensylR) ◆ Sulfasalazin (Azufidine RAR) ◆ Gold (TauredonR, RidauraR)* ◆ Methotrexat (LantarelR) ◆ Azathioprin (ImurekR) ◆ Ciclosporin A (SandimmunR) ◆ Leflunomid (AravaR) ◆ Mycophenolat Mofetil (CellceptR) ◆ Chlorambucil (LeukeranR)** ◆ Cyclophosphamid (EndoxanR)** * nur noch selten eingesetzt ** nur in speziellen Situationen bei JIA verwendbar (s. Text) 38 Kapitel 2 bination mit anderen Basistherapeutika, während Sulfasalazin seine beste Wirksamkeit bei den HLA-B27- positiven Kindern zu haben scheint. Sulfasalazin darf nicht bei systemischer juveniler idiopathischer Arthritis („Still-Syndrom“) verwendet werden, da es hier die schwerwiegende und lebensbedrohliche Komplikation „Makrophagen aktivierendes Syndrom“ (MAS) auslösen kann. » Welche unerwünschten Wirkungen sind bei den Basistherapeutika zu beachten? Wiederum werden auch hier nicht alle bekannt gewordenen unerwünschten Wirkungen vollständig aufgelistet, sondern lediglich schwerpunktartig dargestellt (vgl. NSAR). Weitere Informationen sind im Beipackzettel verfügbar, aber natürlich auch durch ein Gespräch mit dem Arzt zu bekommen. Bei der Anwendung von Antimalariamitteln (Chloroquin/Hydroxychloroquin) sehen wir unerwünschte Wirkungen verhältnismäßig selten. Auftreten können Hellerwerden der Haare, Hautausschläge, vermehrte Lichtempfindlichkeit der Haut, Magen-Darmstörungen, Blutbildveränderungen. Bei Kindern mit bekanntem Anfallsleiden können Anfälle begünstigt werden; solche Kinder sollen deshalb von einer Therapie mit Antimalariamitteln ausgenommen werden. Am wichtigsten sind die allerdings extrem selten beobachteten unerwünschten Wirkungen auf die Netzhaut, die zu bleibenden Sehschäden führen können. Wir empfehlen deshalb 1/4 - 1/2 jährliche spezielle augenfachärztliche Kontrollen und begrenzen die Therapie meist auf zwei bis drei Jahre. Unter diesen Vorsichtsmaßnahmen haben wir Netzhautschäden niemals beobachten müssen. Die Einlagerung von (Hydroxy-) Chloroquin in die Hornhaut wird vom Kind selbst nicht bemerkt, führt nicht zu Sehverlust und verschwindet nach Absetzen der Therapie. Auch bei Sulfasalazin (AzulfidineR) muss mit Beschwerden von Seiten des Magen-Darmtraktes gerechnet werden. Darüber hinaus sind Blutbildveränderungen, Hautausschläge, Nebenwirkungen von Seiten des Zentralnervensystems, wie Kopfschmerzen oder Wahrnehmungsstörungen, und Nierenfunktionsstörungen möglich. Eine eventuell auftretende Verminderung der Spermienzahl normalisiert sich nach Absetzen des Präparates. » Was versteht man unter Immunsuppressiva/ Zytostatika? Als weitere therapeutische Möglichkeit stehen als „Basistherapeutika“ im weiteren Sinne die Immunsuppressiva/Zytostatika zur Verfügung. Dazu gehören in der Kinderrheumatologie die in Tabelle 3 aufgelisteten Medikamente. Immunsuppressiva entfalten ihre antirheumatische Wirkung durch „Suppression“, d.h. Dämpfung des Immunsystems, das ja bei der Entstehung der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eine wesentliche Rolle spielt (Abbil39 Medikamentöse Therapie 2 dung 1). Wie die „Basistherapeutika“ im engeren Sinne (s.o.) entfalten sie ihre Wirkung erst im Verlauf von Wochen bis Monaten. » Welche Immunsuppressiva/ Zytostatika werden in der Kinderrheumatologie verwendet? Als Substanz mit dem günstigsten Verhältnis erwünschte/unerwünschte Wirkungen gilt derzeit das Methotrexat. Mit Azathioprin (ImurekR) verbinden sich über 35 Jahre Erfahrung in der Kinderrheumatologie. Ciclosporin A (SandimmunR), ein aus dem Bereich der Organtransplantation kommendes Medikament, wird seit einigen Jahren auch in der Kinderrheumatologie verwendet. Hinzu kommen als neuere Präparate das Leflunomid (AravaR) und das Mycophenolatmofetil (CellceptR). Zugelassen für die Kinder- und Jugendrheumatologie sind das Methotrexat und das Azathioprin (Kollagenosen), für die Behandlung der rheumatischen Regenbogenhautentzündung zudem das Ciclosporin. Für Leflunomid (AravaR) wird im nächsten Jahr mit der Zulassung für das Kindesalter gerechnet (Stand: Frühjahr 2006). Die Auswahl erfolgt individuell nach Wirksamkeit und Verträglichkeit. Chlorambucil und Cyclophosphamid (LeukeranR, EndoxanR) gehören zu den Zytostatika im engeren Sinne, und zwar zu den alkylierenden Substanzen. Sie entfalten ihre Wirkung, indem sie sich mit der DNS („Erbsubstanz“) im Zellkern verbinden. Durch Hemmung des Zell40 wachstums wirken sie vor allem auf schnell wachsende Gewebe, wie das blutbildende System und das Immunsystem. Ihr Hauptanwendungsgebiet ist die Krebstherapie. Die hier in Frage kommenden LeukeranR und EndoxanR gehören zu den stärksten antirheumatisch wirksamen Medikamenten. Ihre Anwendung ist jedoch wegen ihrer potentiell krebserzeugenden Wirkung auf wenige schwerwiegende Erkrankungsprobleme begrenzt (s.u.). » Wann werden Immun- suppressiva/Zytostatika eingesetzt? Methotrexat (MTX) und ImurekR werden bei systemischer JIA eingesetzt, wo die Basistherapeutika im engeren Sinne, wie Sulfasalazin, nicht in Frage kommen, solange noch „systemische“ Symptome, wie Fieber und/oder Hautausschläge, auftreten (s.o.). Darüber hinaus kommen sie bei polyarthritischen, eventuell auch bei schwer verlaufenden oligoarthritischen Verlaufsformen zur Anwendung, wenn Basistherapeutika, wie Chloroquin, nicht ausreichend wirken. Bei rheumafaktor-positiver Polyarthritis, die im Krankheitsverlauf zur Gelenkzerstörung neigt, verwenden wir heute MTX in der Regel primär und haben damit bessere Langzeitergebnisse. Bei rheumatischer Iridozyklitis (Regenbogenhautentzündung) werden Immunsuppressiva, insbesondere Methotrexat, Azathioprin und Ciclosporin A, eingesetzt, wenn Cortisonaugentropfen und -salbenbehandlung nicht ausreichend wirken. Kapitel 2 Das einzige Anwendungsgebiet für LeukeranR ist die sonst therapieresistente Amyloidose, eine schwere Komplikation hochentzündlicher Verlaufsformen der JIA. Amyloidosegefährdet sind vor allem Kinder mit systemischer JIA. Die Amyloidose kann zu Funktionsstörungen und schließlich Organausfall, insbesondere der Nieren, führen. Durch einen zeitlich begrenzten Einsatz von LeukeranR kann die Prognose bei Kindern mit Amyloidose nicht selten erheblich gebessert werden. EndoxanR verwenden wir bei Kollagenosen mit schwerer Organbeteiligung und bei sogenannten systemischen Vaskulitiden (= rheumatische Erkrankung der Blutgefäße). Bei der JIA bleibt EndoxanR Spezialproblemen, wie Begleitvaskulitiden (= Blutgefäßentzündungen) oder schwerst verlaufenden Iridozyklitiden, vorbehalten. » Bleiben die Therapieerfolge durch Immunsuppressiva nach Absetzen erhalten? Leider kommt es nach Absetzen dieser Medikamente nicht selten zum Wiederaufflammen der rheumatischen Entzündungsaktivität („Rezidiv“). Deshalb setzen wir nie abrupt, sondern schrittweise über Monate ab und führen oft gleichzeitig überlappend ein anderes Medikament als Ersatz in die Behandlung ein. » Welche unerwünschten Wirkungen sind bei Immunsuppressiva/Zytostatika zu beachten? Auch hier können nicht alle bekannt gewordenen unerwünschten Wirkungen vollständig aufgelistet, sondern lediglich schwerpunktartig dargestellt werden (weitergehende Informationen durch den behandelnden Arzt, die Beipackzettel oder durch die „Rote Liste“). Die wichtigsten unerwünschten Wirkungen hängen mit der Hauptwirkung dieser Präparate zusammen, nämlich der „Suppression“ (Bremsung) des Zellwachstums. Davon sind schnell wachsende Gewebe wie das Immunsystem und das blutbildende Knochenmark besonders betroffen. So kann eine durch Hemmung des Immunsystems vermehrte Infektionsgefährdung gegeben sein oder es können Infektionen schwerer verlaufen. Infolge der Wirkung auf das Knochenmark kann eine Verminderung der roten und weißen Blutkörperchen sowie der Blutplättchen auftreten. Da die in der Rheumatologie verwendeten Dosierungen im Vergleich zur Krebstherapie eher niedrig sind, steht diese Problematik meist nicht im Vordergrund. Durch Dosisreduktion oder vorübergehendes Absetzen, bei Infektionsverdacht, ergänzt durch eine antibiotische oder antivirale Behandlung (Acyclovir/ZoviraxR bei Windpocken oder Gürtelrose), können diese Situationen meist gut beherrscht werden. Wichtig ist das rechtzeitige Erkennen solcher Komplikationen. 41 Medikamentöse Therapie 2 Bei MTX sind Beschwerden von Seiten des Magen-Darmtraktes wie Übelkeit oder Bauchweh nicht selten. Da die Wochendosis meist an einem Tag gegeben wird, sind diese Probleme somit zeitlich relativ begrenzt. Ein besonderes Problem bei MTX stellt eine bei ca. 1/3 der Kinder sich entwickelnde Abneigung gegen das Medikament dar, das so ausgeprägt sein kann, dass Absetzen nötig wird. Maßnahmen, wie Verabreichung des MTX als Flüssigkeit (aus eigentlich zur Injektion vorgesehenen MTX-Ampullen) in Orangensaft, gleichzeitige Gabe von ZofranR oder die subkutane Verabreichung können die Situation erleichtern. - Wegen möglicher Wirkungen auf die Leber müssen die Leberwerte regelmäßig kontrolliert werden. Wird das Alkoholverbot während der MTX-Therapie eingehalten , sind bleibende Leberschäden aber sehr selten. Flüssige Zubereitungen von Medikamenten können Alkohol enthalten, z.B. SandimmunR. Dies muss im Einzelfall mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Hartnäckiger Husten kann ein Hinweis auf eine allerdings seltene Lungen-Nebenwirkung sein. NSAR (s.o.) können die Konzentration von Methotrexat im Blut und damit erwünschte und unerwünschte Wirkungen verstärken. NSAR sollten deshalb in einem zeitlichen Abstand zum Methotrexat verabreicht werden. Auch bei Azathioprin (z.B. ImurekR) können Magen-Darmstörungen, Erhöhung der Leber- und Bauchspeicheldrüsenwerte auftreten. Selten (bei ca. 3 pro 1000 Menschen) muss mit einer angeborenen Überempfindlichkeit gegenüber 42 Azathioprin infolge eines angeborenen Mangels an dem Enzym TPMT (= Thiopurinmethyltransferase) gerechnet werden (Enzyme = Eiweißmoleküle, die biochemische Reaktionen in unserem Körper beschleunigen). Das TPMT hat die Aufgabe, das Azathioprin zu inaktivieren. Ist TPMT nicht ausreichend vorhanden, so verbleiben zu hohe Azathioprinmengen im Körper, so dass unerwünschte Wirkungen auftreten. Dies zeigt sich etwa nach vier bis sechs Wochen: die Kinder entwickeln Fieber, Übelkeit, eine Verminderung der roten und/oder weißen Blutkörperchen und/oder der Blutplättchen. Nach Absetzen von Azathioprin verschwindet diese Symptomatik wieder. Deshalb lassen wir bei allen Kindern, die Azathioprin erhalten sollen, das TPMT vor Therapiebeginn in einem Speziallabor bestimmen. Ist TPMT nicht ausreichend vorhanden, sehen wir von einer Azathioprin-Therapie ab. Eine ähnliche Problematik wird beobachtet, wenn bestimmte, die Harnsäure im Blut vermindernde Medikamente wie Allopurinol gleichzeitig zum Azathioprin eingenommen werden. Allopurinol und andere sogenannte XanthinoxidaseHemmer dürfen also nicht bei Patienten, die unter Azathioprin stehen, verordnet werden. Die wichtigsten unerwünschten Wirkungen von Ciclosporin A stellen das Auftreten von Nierenfunktionsstörungen bis hin zum Nierenversagen und Blutdrucksteigerungen dar. Diese Gefahr kann durch regelmäßige Kontrollen des Blutdrucks, der „Nierenwerte“ und der Konzentration des Medikamentes im Kapitel 2 Blut wesentlich vermindert werden. Ohnehin werden in der Rheumatologie relativ niedrige Dosierungen von Ciclosporin A verwendet. Sobald der „Nierenwert“ Kreatinin im Blut eine zu hohe Konzentration erreicht, vermindern wir die Ciclosporin A-Tagesdosis oder setzen das Medikament ab. Weitere unangenehme Wirkungen von Ciclosporin A sind Vermehrung der Körperbehaarung, Zahnfleischwucherungen, Störungen von Seiten des Magen-Darm-Traktes oder Missempfindungen („Brennen“) an Händen und Füßen. Zu beachten ist, dass bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Medikamente, wie Erythromycin (z.B. PädiathrocinR), sich die Ciclosporin-Blutkonzentration und damit auch die Nebenwirkungen erhöhen können. Das Leflunomid (AravaR) kann zu einer Blutdruckerhöhung, zu Störungen von Seiten des Magen-Darm-Traktes wie Durchfall, Übelkeit oder Erbrechen, zu Haarausfall und auch zu Kopfschmerzen führen. Ferner müssen wie bei den anderen Immunsuppressiva Blutbild und Leberwerte regelmäßig kontrolliert werden. Treten unerwünschte Wirkungen auf, so wird die Tagesdosis von Leflunomid vermindert. Reicht das nicht aus, wird es abgesetzt. Wegen seiner langen Halbwertszeit (vgl. NSAR) von ca. 14 Tagen bleibt Leflunomid lange im Körper. Bei Bedarf kann es aber mit Hilfe des Medikamentes Cholestyramin rasch über den Darm ausgeschieden werden. Wie bei anderen Immunsuppressiva muss auch bei Mycophenolatmofetil (MMF) (CellceptR) mit erhöhter Infektgefährdung, mit Veränderungen des Blutbildes und der Blutplättchen, mit Störungen von Seiten des MagenDarm-Traktes, mit Nierenfunktionsstörungen, Blutdruckveränderungen und Kopfschmerzen gerechnet werden. Wie bei allen anderen antirheumatisch-medikamentösen Therapien lassen sich die unerwünschten Wirkungen durch regelmäßige ärztliche und Laborkontrollen in aller Regel früh- bzw. rechtzeitig erkennen, so dass entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Die langfristige Einnahme von Immunsuppressiva/Zytostatika ist mit einem gewissen Risiko für die Entwicklung bösartiger Erkrankungen wie Leukämie verbunden. Dieses Risiko steigt mit der Gesamtmenge der eingenommenen Substanz und besteht vor allem für die Zytostatika LeukeranR und EndoxanR. Wenn die eingenommene LeukeranGesamtmenge begrenzt wird (ca. 500 mg/m2 Körperoberfläche), so kann das Risiko deutlich vermindert werden. Bei Methotrexat sind solche Komplikationen äußerst selten. Das gleiche gilt für den Einsatz von ImurekR in der Kinderrheumatologie. Bei Ciclosporin A, Leflunomid und MMF besteht diese Problematik in ähnlicher Weise. Vor dem Einsatz von Immunsuppressiva/Zytostatika müssen diese Fragen mit den Eltern und, sofern vom Alter her möglich, auch mit dem Kind besprochen werden. 43 Medikamentöse Therapie 2 » Können die Immun- suppressiva/Zytostatika die Sexualfunktionen beeinträchtigen? Immunsuppressiva/Zytostatika dürfen wegen Missbildungsgefahr für das ungeborene Kind nicht während einer Schwangerschaft eingenommen werden. Rheumapatientinnen im gebärfähigen Alter mit immunsuppressiver/zytostatischer Behandlung dürfen nicht schwanger werden. Verhütungsmaßnahmen müssen rechtzeitig, am günstigsten vor Therapiebeginn, mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Mit einer Schwangerschaft soll mindestens sechs Monate nach Absetzen dieser Medikamente gewartet werden. Ebenso gilt für männliche Patienten, dass unter immunsuppressiver/zytostatischer Behandlung die Zeugung eines Kindes unterbleiben muss und erst erfolgen darf, wenn diese Medikamente mindestens sechs Monate abgesetzt sind. Bei Männern, seltener bei Frauen, muss nach einer längerdauernden Therapie mit Chlorambucil (LeukeranR) oder Cyclophosphamid (EndoxanR) mit bleibender Sterilität gerechnet werden, d.h. es können nach einer solchen Therapie keine Kinder mehr gezeugt werden. » Biologika - eine neue Gruppe von Antirheumatika Bei dem „Tumornekrosefaktor-alpha“ (TNF␣) handelt es sich um ein sogenanntes Zytokin. Zytokine sind hormonähnliche, Informationen innerhalb und zwischen den Zellen vermittelnde 44 Botenstoffe im Immunsystem. Medikamente, die sich gegen bestimmte Zytokine richten, werden als Anti-Zytokine bezeichnet. Solche Medikamente stehen seit einigen Jahren zur Verfügung. Sie sind oft außerordentlich gut wirksam und stellen einen der wesentlichen therapeutischen Fortschritte in der antirheumatischen Therapie während der letzten Jahrzehnte dar. Durchwegs sind sie im Vergleich zu den herkömmlichen Arzneimitteln sehr teuer, was mit ihrem komplizierten Aufbau (Eiweißmoleküle) und der deshalb komplizierten Herstellung zusammenhängt. Etanercept etwa ist derzeit etwa hundertmal teurer als Methotrexat. Bei der Entstehung der rheumatischen Entzündung spielt das Zytokin TNF␣ eine wichtige Rolle. Wird die Wirkung von TNF␣ vermindert, so wird die Entzündungsreaktion schwächer. Heute in der antirheumatischen Therapie zur Verfügung stehende medikamentöse Gegenspieler des TNF␣ sind Etanercept (EnbrelR), Adalimumab (HumiraR) und Infliximab (RemicadeR). Für diese Medikamentengruppe wird auch der Begriff „biologische Medikamente“ oder kurz „Biologika“ verwendet. Dieser Begriff zielt auf die Eiweißstruktur der AntiZytokine, aber auch auf ihren gezielten Angriffspunkt innerhalb des Immunsystems, nämlich Gegenspieler des TNF␣ zu sein. In der Kinder- und Jugendrheumatologie ist Etanercept (EnbrelR) seit 2000 für die antirheumatische Therapie der Polyarthritis im Rahmen einer JIA zugelassen. Für Adalimumab (HumiraR), wird die Zulassung für Kinder im kom- Kapitel 2 menden Jahr erwartet (Stand: Frühjahr 2006). Es handelt sich um Medikamente, die Eiweißmoleküle darstellen und sich als sehr wirksam vor allem bei den nichtsystemischen Fällen mit hoher rheumatischer Entzündungsaktivität erwiesen haben. Bei systemischer JIA („Still-Syndrom“) scheinen die TNF␣blockierenden Medikamente weniger wirksam zu sein. Während wir bei der JIA mit Polyarthritis für Etanercept mit 7080% Erfolgen rechnen, zeigt sich für die systemische JIA lediglich eine ca. 30%ige Effektivität. Erfreulicherweise zeichnen sich hier Alternativen mit Biologika ab, die gegen die Zytokine Interleukin 1 (für Erwachsene als Anakinra, KineretR, bereits zugelassen) und Interleukin 6 gerichtet sind. » Werden die Biologika geschluckt oder gespritzt? Wie bereits erwähnt, haben die TNF␣blockierenden Substanzen eine Eiweißstruktur. Wenn Eiweiße über den Mund („oral“) eingenommen werden, so werden sie im Magen und den nachfolgenden Darmabschnitten durch Verdauungsenzyme in ihre Einzelbausteine, die Aminosäuren, zerlegt. So wären Etanercept, Adalimumab und Infliximab nicht wirksam, wenn man sie schlucken würde, vielmehr müssen sie gespritzt werden, das Etanercept subkutan (d.h. unter die Haut) ein- bis zweimal pro Woche, das Adalimumab ebenfalls subkutan, aber nur alle 14 Tage, das Infliximab dagegen als intravenöse Infusion alle 4-6 Wochen. Anakinra muss täglich unter die Haut („subkutan“) gespritzt werden. » Welche Unterschiede zwischen den verschiedenen TNF␣-blockierenden Substanzen sollten noch beachtet werden? Etanercept (EnbrelR) unterscheidet sich von den anderen beiden Substanzen durch einen anderen Wirkungsmechanismus. Ein Etanerceptmolekül besteht aus jeweils zwei TNF␣-Rezeptoren, wie sie fast identisch auch in unserem Körper vorkommen; jeweils zwei der TNF␣Rezeptoren sind durch ein Immunglobulinteil miteinander verbunden. Rezeptoren sind antennenähnliche Strukturen, mit denen die Zellen Signale empfangen. So wirkt das für uns lebensnotwendige TNF␣-Molekül dadurch, dass es auf der Zelloberfläche den TNF␣Rezeptor aufsucht, zu dem es wie ein Schlüssel in ein Schloss passt. Durch diesen „Schlüssel-Schloss“-Kontakt wird ein Signal ausgelöst, das dem Zellkern zu verstehen gibt, dass er mit der Herstellung von Entzündungsmolekülen beginnen soll. Wird Etanercept und damit TNF␣-Reptoren gespritzt, so werden ein Teil der TNF␣-Moleküle, die sonst an den Oberflächen der Immunzellen Entzündungsreaktionen (s.o. Schlüssel-Schloss-Kontakt) ausgelöst hätten, abgefangen, so dass die Entzündungsreaktion ausbleibt oder deutlich geringer ausfällt. 45 Medikamentöse Therapie 2 Adalimumab (HumiraR) und Infliximab (RemicadeR), sind monoklonale Antikörper, die gegen TNF␣ gerichtet sind und dadurch deren Wirkung hemmen. „Monoklonal“ bedeutet, dass die Antikörper alle aus derselben Zellinie hergestellt wurden und deshalb eine identische Molekül-Struktur aufweisen. » Welche unerwünschten Wirkungen sind bei den Biologika zu beachten? Wie bei allen Medikamenten können Überempfindlichkeitsreaktionen, bei Etanercept, Adalimumab und Anakinra vor allem an der Einstichstelle, beim Infliximab (das ja per intravenöser Infusion verabreicht wird) als Allgemeinreaktion, auftreten. Die wichtigste unerwünschte Wirkung dieser Medikamentengruppe ist die erhöhte Infektionsgefährdung. Vor jeder Behandlung mit diesen Substanzen muss eine Tuberkulose ausgeschlossen werden. Wichtig ist, dass aus kleinen Infekten schwere Infektionen werden können, wenn nicht sorgfältig beobachtet und gegengesteuert wird. In der Praxis kommt es vor allem darauf an, dass bei fieberhaften Infekten die Therapie mit Biologika unterbrochen oder zumindest vermindert wird. Darüber muss jeweils der behandelnde Arzt entscheiden. Er wird auch festlegen, ob zusätzlich ein Antibiotikum zu verabreichen ist. Wie auch bei den Immunsuppressiva dürfen während der Behandlung mit Biologika keine Lebendimpfungen durchgeführt werden. Gelegentlich sind Blutbildveränderungen und Leberenzymerhöhun46 gen zu beobachten, so dass unter einer Behandlung mit Biologika regelmäßige Kontrollen des Blutbildes einschließlich der Blutplättchen und der Leberwerte erfolgen müssen. Selten treten Autoimmunreaktionen mit Bildung von Autoantikörpern auf. Vereinzelt wurde unter einer Anti-TNF␣-Therapie über Veränderungen im Sinne einer multiplen Sklerose berichtet. Patienten, in deren Familien Fälle von multipler Sklerose bekannt sind, sollten nicht mit diesen Medikamenten behandelt werden. Erst nach langfristigen Beobachtungen wird zweifelsfrei geklärt werden können, ob Biologika das Risiko für die Entwicklung bösartiger Erkrankungen erhöhen. Ausreichende Erfahrungen über die Wirkung der Biologika auf die Schwangerschaft liegen nicht vor, so dass diese Medikamente nur eingenommen werden dürfen, wenn eine Schwangerschaft ausgeschlossen ist. » Cortison - warum wird die Therapie oft ungern akzeptiert? Cortisonpräparate werden bei kindlichrheumatischen Erkrankungen nicht selten zu lange und zu hochdosiert eingesetzt, was einerseits zu erheblichen unerwünschten Wirkungen und beim Versuch einer Dosisverminderung zu einem Krankheitsrückfall führt. Dabei ist eine hochdosierte Langzeittherapie in der Regel anfangs gar nicht beabsichtigt: Wer das Leiden kleiner Kinder mit hochaktiver systemischer juveniler idiopathischer Arthritis erlebt hat mit Fieber- Kapitel 2 schüben, Schüttelfrösten, Kurzatmigkeit, heftigen Schmerzen und steifen Gelenken, versteht, dass in einer solchen Situation Cortisonpräparate eingesetzt werden, da sie meist verblüffend rasch zum Verschwinden dieser schweren Symptomatik führen. Wegen der bekannten unerwünschten Wirkungen einer CortisonLangzeittherapie (s.u.) wird von Anfang an beabsichtigt, die hohe Cortisonanfangsdosis nach spätestens vier bis sechs Wochen auf eine unproblematische Erhaltungsdosis zu vermindern. Bekanntlich gelingt dies dann aber oft nicht, da auch bei relativ vorsichtiger Dosisreduktion die Krankheitssymptome in aller Heftigkeit bereits bei noch hoher Gesamtdosis wieder auftreten. Die Cortisondosis muss dann erneut erhöht werden, nicht selten auf eine noch höhere Tagesdosis als zuvor, damit die Krankheitssymptomatik erneut kontrolliert werden kann. Im weiteren Verlauf muss die hohe Cortisontagesdosis dann oft über eine lange Zeit gegeben werden, damit es nicht erneut zu einem Krankheitsrückfall kommt. Nunmehr entwickeln die Kinder die gefürchteten Cortison-Nebenwirkungen, u.a. Wachstumsstillstand, Gewichtszunahme, Osteoporose etc. (s.u.). Es kommt also darauf an, in solchen schweren Erkrankungssituationen, in denen man ohne Cortisonpräparate meist nicht auskommt, Wege zu finden, die nicht „automatisch“ in eine hochdosierte Cortison-Langzeittherapie einmünden. Oft kann dies auch bei Anwendung bestimmter Therapieverfahren gelingen (s.u.). Cortison und verwandte Substanzen sind lebensnotwendige Hormone, die unser Körper in der Nebennierenrinde herstellt. Zu den vielfältigen Wirkungen des Cortison gehören immunsupprimierende und stark antientzündliche Effekte (Abbildung 1), was die gute Wirksamkeit dieser Präparate bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erklärt. Zu lange Einnahme und zu hohe Dosis ziehen jedoch zwangsläufig weitere Wirkungen nach sich: Knochenentkalkung (Osteoporose), Übergewicht, Akne, vermehrte Körperbehaarung, Bluthochdruck, Muskelschwäche, Infektanfälligkeit, grauer Star, grüner Star, bei Kindern sind vor allem die Wachstumsstörungen (Kleinwuchs) gefürchtet. » Sollte wegen der uner- wünschten Wirkungen auf Cortisonpräparate verzichtet werden? Cortisonpräparate haben nach wie vor eine wichtige Rolle in der medikamentösen Rheumatherapie. In bestimmten Situationen kommen wir nach wie vor ohne sie nicht aus. Wenn sie gezielt und problemorientiert eingesetzt werden und Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, müssen Cortisonpräparate bei guter Wirksamkeit keineswegs mit erheblichen unerwünschten Wirkungen verbunden sein. 47 Medikamentöse Therapie 2 » In welcher Darreichungs- form können Cortisonpräparate verabreicht werden? Wir sprechen von „systemischer“ Verabreichung, wenn das Cortisonpräparat entweder als Tablette über den Mund (Magen-Darmtrakt) oder als Spritze subkutan unter die Haut, intramuskulär oder aber intravenös gegeben wird. Eine Sonderform der intravenösen Therapie stellt die „Pulstherapie“ dar (s.u.). Davon abzugrenzen ist die „lokale“ Therapie, bei der nur eine örtlich begrenzte Anwendung vorgenommen wird. Hierher gehören die Cortisontropfen und salbenbehandlung am Auge sowie die Injektion direkt in das Gelenk (z.B. LederlonR). » In welchen Erkrankungssituationen wenden wir Cortison systemisch an? Hier kommen vor allem Verläufe in Frage, bei denen eine erhebliche systemische Erkrankungsaktivität behandelt werden muss, z.B. belastende Fieberschübe mit Schüttelfrost oder eine erhebliche Herzbeteiligung. Darüber hinaus können hochentzündliche Krankheitsbilder mit starken Gelenkschwellungen und -schmerzen den Einsatz von Cortison erforderlich machen, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichend wirksam sind (Tab.4). Eine seltene Komplikation rheumatischer Erkrankungen im Kindesalter ist das „Makrophagen aktivierende Syn48 Corticosteroide bei JIA - wann? Systemisch: ◆ wenn bei systemischer JIA oder bei schweren polyarthritischen Verläufen durch nichtsteroidale Antirheumatika, Basistherapeutika oder Biologika kein ausreichender Effekt ◆ bei schweren Verläufen: z.B. vierwöchentliche intravenöse Pulstherapie als Überbrückungstherapie bis zum Wirkungsbeginn neu eingesetzter „Basistherapeutika“ anstelle einer kontinuierlichen Cortisontherapie ◆ bei Makrophagen-aktivierendem Syndrom (MAS) (s. Text) ◆ in einigen besonderen Situationen bei rheumatischer Iridozyklitis – bei zystischem Makulaödem (s. Text) – intravenöse Pulstherapie bei akutem Auftreten von hinteren Synechien* – Unterbrechung eines anhaltenden Iridozyklitisschubes durch die Pulstherapie – präoperativ Lokal: ◆ intraartikulär (= in das Gelenk) ◆ als Augentropfen/-salbe bei Iridozyklitis * „hintere Synechien“ = Regenbogenhaut-Verklebungen mit der dahinter liegenden Augenlinse Tabelle 4 Kapitel 2 drom“ (MAS). Dabei kommt es, wohl ausgelöst durch Viren oder durch Medikamente (vgl. oben), zu einem schweren Krankheitsbild mit Verminderung der roten und weißen Blutkörperchen und der Blutplättchen (Thrombozyten), Leberwerterhöhung und Bewusstseinsstörungen. Hier muss schnellstens u.a. mit Cortisonpräparaten behandelt werden. Wenn im Rahmen einer chronischen rheumatischen Iridozyklitis sich an der Stelle des schärfsten Sehens („Macula lutea“ = lateinisch „gelber Fleck“) Flüssigkeit eingelagert wird (Ödem) („zystisches Makulaödem“), so besteht die Gefahr einer bleibenden Schädigung mit Einschränkung des Sehvermögens. In dieser Situation muss unverzüglich gehandelt und systemisch mit Cortisonpräparaten behandelt werden. Als Überbrückung bis zum Einsetzen der Wirkung einer gerade begonnenen Behandlung mit „Basistherapeutika“ und/oder Immunsuppressiva können wir die lnfusions-Pulstherapie einsetzen. Dabei wird Methylprednisolon (UrbasonR) hochdosiert an drei aufeinanderfolgenden Tagen oder mit je einem Tag Pause in einer Kurzinfusion gegeben. Bei Bedarf kann der „Cortisonpuls“ nach vier Wochen wiederholt werden. In unserer Erfahrung handelt es sich dabei um ein nebenwirkungsarmes Vorgehen. » Welche Möglichkeiten bestehen bei länger dauernder systemischer Cortisontherapie, drohende unerwünschte Wirkungen gering zu halten? Eine möglichst niedrige Cortisontagesmenge, die günstigerweise in einer Morgendosis verabreicht wird, ist vorteilhaft. Wenn es die Erkrankungssituation erlaubt, sollte man nicht mit einer hohen Cortisondosis beginnen. Stattdessen sollte versucht werden, sofort mit der angestrebten niedrigen Dosierung auszukommen. Dies wird vor allem dann gelingen, wenn gleichzeitig mit einem „Langzeitantirheumatikum“, z.B. mit Methotrexat, begonnen wird („Cortison-Spareffekt“ der Langzeitantirheumatika). Die Zeit bis zum verzögerten Wirkungseintritt des Langzeitantirheumatikums (s.o.) kann gegebenenfalls mit einer Cortison-Pulstherapie überbrückt werden („Überbrückungs-Behandlung“, s.o.). Die täglich verabreichte Menge sollte bei längerfristiger Gabe nach Möglichkeit deutlich unter 0,2 mg Prednison/kg Körpergewicht liegen. Weiter vermindern lassen sich die Häufigkeit und die Ausprägung der unerwünschten Wirkungen, wenn Cortison nicht täglich gegeben werden muss, sondern die doppelte Tagesmenge jeden zweiten Tag verabreicht werden kann mit jeweils einem dazwischen liegenden cortisonfreien Tag. Hier muss angefügt werden, dass diese nebenwirkungsmindernden Maßnahmen auch die Wirksamkeit der Cortisontherapie herabsetzen und deshalb nicht immer 49 Medikamentöse Therapie 2 möglich sind. Individuelle Unterschiede in der Cortisonempfindlichkeit sind zu beachten. Bettruhe bei konsequenter Kühlung und Krankengymnastik erhöht in unserer Erfahrung die langfristige Erfolgsrate. » Wann brauchen wir die » Ist die örtliche Cortison- Je lokaler sich der Entzündungsprozess abspielt, desto „lokaler“ soll auch die Behandlung sein. „Lokal“ (= „örtlich“) bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Medikament nicht über den Mund/Magen-Darmtrakt und auch nicht über eine intravenöse, subkutane oder intramuskuläre Spritze verabreicht wird und im gesamten Organismus wirkt. Stattdessen wird das Medikament nur im Bereich eines bestimmten Körperteiles eingesetzt, entweder äußerlich, z.B. als Augentropfen oder Augensalbe, oder über eine Spritze direkt in das Gelenk („intraartikulär“). Bei der Behandlung der rheumatischen Regenbogenhautentzündung (Iridozyklitis) hat sich die systemische Cortisonbehandlung bis auf einige Ausnahmen nicht bewährt (Tab. 4). Stattdessen werden Cortison-Augentropfen- bzw. Augensalben angewendet, deren Dosierung augenfachärztlich dem jeweiligen Befund an der Spaltlampe angepasst wird. Leider muss auch bei der lokalen Cortisontherapie mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden (für die bei systemischer Gabe auftretenden Nebenwirkungen siehe oben). Am Auge können sich ein erhöhter Augeninnendruck („grüner Star“) und /oder eine Augenlinsentrübung („grauer Star“) entwickeln. Zudem ist das Auge durch Cortisonaugensalbe und/oder -augentropfen vermehrt infektionsgefährdet; in der Praxis sehen wir erfreulicherweise aber nur selten infektiöse Komplikationen. örtliche Cortisontherapie? Bei geschwollenen Gelenken, insbesondere, wenn die krankengymnastische Behandlung an eine Grenze gestoßen ist, können oft eindrucksvolle Behandlungserfolge durch Injektion eines speziellen Cortisonpräparates (Triamcinolon-Hexacetonid = LederlonR) in das Gelenk erzielt werden. Anschließende 50 therapie nebenwirkungsfrei? Die Infektionsgefährdung stellt auch bei der Gelenkeinspritzung von Cortison das Hauptproblem dar, wird jedoch bei fachgerechtem Vorgehen und sterilen Bedingungen nur äußerst selten gesehen. Zu beachten sind bei LederlonR-Gabe narbenähnliche Hautveränderungen am Injektionsort durch Schädigung des Unterhautfettgewebes, womit wir in 3-5% der Fälle rechnen. Sie können sich aber über die Jahre zurückbilden. Im Rahmen der LederlonR-Injektion in das Gelenk sind auch Kalkablagerungen im Gelenk und lokale Wachstumsstörungen beobachtet worden. Kapitel 2 » Wann können die Medikamente abgesetzt werden? Die Faustregel gilt, dass die antirheumatische Therapie je nach Verlauf etwa 3-6 Monate über das Verschwinden der Krankheitserscheinungen einschließlich Normalisierung der Labor-Entzündungswerte hinaus geführt werden soll. Zur Vermeidung von Rückfällen wird nicht abrupt, sondern vorsichtig schrittweise über Monate abgesetzt. Dabei wird jeweils immer nur ein Medikament reduziert, nicht zwei gleichzeitig. Bei einem Krankheitsrückfall wäre sonst unklar, welches der beiden Medikamente dafür verantwortlich ist. Bleibt das Kind ohne Medikamente zwei Jahre lang erscheinungsfrei, so spricht man von einer „Remission“. Man meint damit, dass der Patient die Erkrankung nunmehr überwunden haben könnte. » Welche weiteren Therapiemöglichkeiten sind zu beachten? Neben Kombinationen von „Basistherapeutika“ und/oder Immunsuppressiva, wie sie zunehmend auch in der Kinderrheumatologie eingesetzt werden, sollen noch die intravenös verabreichten Immunglobuline und die autologe Knochenmarkstransplantation erwähnt werden. Bei den Kombinationen von zwei oder sogar mehr „Basistherapeutika“ bzw. Immunsuppressiva erhofft man sich eine stärkere antirheumatische Wirkung ohne Mehrauftreten unerwünschter Wirkungen. In der Praxis hat sich dies oft bestätigt. Entsprechende kontrollierte Medikamentenstudien, wie sie für die Erwachsenenrheumatologie vorliegen, wurden bei Kindern jedoch bislang nicht durchgeführt. Die Immunglobuline werden etwa alle vier Wochen in einer Infusion verabreicht. Die Wirkung lässt sich - ähnlich wie bei den „Basistherapeutika“ - erst nach mehreren Monaten abschätzen. Überzeugende Wirkungsnachweise liegen für die JIA bislang nicht vor. Als Nebenwirkungen sind u.a. akute Unverträglichkeitsreaktionen bekannt. Bei den Immunglobulinen handelt es um Eiweiße, die aus Blutplasma von Blutspendern gewonnen werden. Insofern besteht eine gewisse Gefährdung für eine Übertragung von Infektionen, insbesondere von Virusinfektionen. Durch die technische Bearbeitung der Präparate vor ihrer Verwendung ist diese Gefahr nach heutiger Kenntnis allerdings sehr gering. Grundlage der „autologen Knochenmarkstransplantation“ ist die Überlegung, dass bei der Entstehung der rheumatischen Entzündung das Immunsystem mit seinen Zellen eine wesentliche Rolle spielt (Abb. 1). Das Knochenmark ist die Bildungsstätte der verschiedenen Blutzellen (rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen). Bei der autologen Knochenmarkstransplantation als Behandlung rheumatischer Erkrankungen wird das vorhandene Knochenmark durch Medikamente zerstört und anschließend aus den vorher 51 Medikamentöse Therapie 2 aus dem eigenen Blut gesammelten Knochenmarksstammzellen ein neues Knochenmark aufgebaut. Dadurch erhofft man sich auch die Beseitigung der für die rheumatische Grunderkrankung verantwortlichen Immunzellen und damit quasi eine Heilung von der rheumatischen Erkrankung. Es handelt sich um eine Behandlung, die wegen der Gefährdung der Patienten nur in Frage kommt, wenn alle anderen therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. » Medikamentöse Therapie Zusammenfassung Bislang gibt es noch keine ursächliche Behandlung für die JIA. Jedoch verfügen wir über eine große Auswahl wirksamer Medikamente, die - eingebettet in den Gesamtbehandlungsplan (x spezifische Krankengymnastik, Ergotherapie, Hilfsmittelversorgung u.a.) - für weitaus die meisten Kinder einen Behandlungserfolg bringen können. Die Medikamente sollten allerdings individuell und vor allem fachgerecht durch einen erfahrenen Kinderrheumatologen eingesetzt werden. Gerade bei der für die meisten Kinder guten Langzeitprognose sollte sichergestellt sein, dass das Nebenwirkungsrisiko durch die medikamentöse Therapie geringer ist als das der Erkrankung selbst. 52 » Anhang Komplementäre Therapie Pflanzliche Medikamente Eine Vielzahl pflanzlicher Medikamente (= Phytotherapeutika) wird bei rheumatischen Beschwerden eingesetzt. Untersuchungen liegen für Erwachsene vor, bei rheumakranken Kindern wurde die Wirkung bislang wissenschaftlich nicht überprüft. Pflanzliche Medikamente können ergänzend zur übrigen Therapie eingesetzt werden. Dies sollte jedoch grundsätzlich mit dem behandelnden Kinderrheumatologen abgesprochen werden. Auf jeden Fall darf eine laufende antirheumatische Therapie nicht ohne Rücksprache mit dem Kinderrheumatologen zugunsten von Phytotherapeutika abgesetzt werden. Die antirheumatisch eingesetzten pflanzlichen Präparate sind im allgemeinen schwächer wirksam als die herkömmlichen Antirheumatika, so daß sie am ehesten als ergänzende Therapie verwendet werden können. Es sollte immer darauf geachtet werden, dass die pflanzlichen Arzneien oder auch Homöopathika keinen hohen Alkoholgehalt haben, insbesondere unter gleichzeitiger Therapie mit Methotrexat. Die Weidenrinde ist ein seit Jahrhunderten verwendetes pflanzliches Heilmittel und war der Ausgangsstoff bei der Entwicklung der Acetylsalicylsäure und somit der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Die Wirkung ist der der NSAR vergleichbar, aber schwächer. Auch die Nebenwirkungen sind geringer ausge- Kapitel 2 prägt. In Einzelfällen können Weidenrindenpräparate, die ab 12 Jahren zugelassen sind, Alternativen zu NSAR sein. Die Brennessel ist eine Pflanze aus der westlichen Volksmedizin. Bei Arthritis und bei Arthrose konnte eine Wirkung mit Reduktion von NSAR bei Erwachsenen nachgewiesen werden. Fertigpräparate sind für Kinder ab 12 Jahren zugelassen, ausserdem gibt es Frischpflanzenpresssäfte, die für Kinder jeden Alters zur Verfügung stehen. Die Teufelskralle wird in der afrikanischen Volksmedizin seit Jahrhunderten eingesetzt und scheint eher bei Arthrosen als bei entzündlichen Gelenkerkrankungen verwendbar zu sein. Eine Wirkung tritt erst nach ca. zwei Wochen ein. Eine Zulassung besteht ab 12 Jahren bei den verfügbaren Fertigpräparaten. Weihrauchpräparate kommen aus der indischen Volksmedizin. Die Hauptinhaltsstoffe sind die Boswelliasäuren. Traditionell wird der Weihrauch bei Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt. Ein Wirknachweis konnte in den bislang durchgeführten Studien nicht erbracht werden. In Deutschland gibt es kein zugelassenes Fertigpräparat; der Bezug kann über die internationale Apotheke erfolgen. Weitere pflanzliche Medikamente, die erprobt werden, sind Krallendorn, Gujakholz und die neuseeländische Grünlippmuschel. Verschiedene chinesische Kräutermischungen sind im Einsatz, wobei hier immer eine Unsicherheit über die Reinheit und Verträglichkeit der Inhaltsstoffe besteht. » Vorsicht bei Präparaten unbekannter Hersteller, vor allem wenn die Inhaltsstoffe nicht angegeben sind oder wenn die Präparate besonders teuer sind: Wie immer wieder aufgedeckt wird, besteht bei solchen Präparaten stets die Gefahr, daß den „komplementären Präparaten“ nicht deklarierte Zusätze wie Cortison oder sonstige, u.U. gesundheitsschädliche Stoffe hinzugefügt werden. Weitere komplementäre Therapien: Viele andere komplementäre Therapien werden Rheumapatienten angeboten. Akupunktur kann Erfolge bei der Schmerzstillung bringen. Auch die Anwendung von Homöopathie kann ergänzend versucht werden, wenn auch bislang keine fundierten Untersuchungen vorliegen, die einen Therapieerfolg wissenschaftlich belegen könnten. » Allen „komplementären Therapien“ ist gemein: ◆ Sie sollten mit dem Kinderrheumatologen besprochen werden. ◆ Es sollte keinesfalls die „schulmedizinische“ Basistherapie plötzlich und ohne Rücksprache mit dem Kinderrheumatologen abgebrochen werden, auch wenn dies von manchem „alternativen Therapeuten“ empfohlen wird, da die Gefahr eines starken Krankheitsschubes besteht. 53 Medikamentöse Therapie 2 Weitere Therapeutika und Behandlungsverfahren, die zur Behandlung der juvenilen idiopathischen Arthritis eingesetzt wurden, deren Wirksamkeit jedoch nicht bewiesen ist. Therapeutikum Verfahren Bemerkungen ◆ Thymus Bis auf Einzelfallberichte liegt bislang kein überzeugender Wirksamkeitsnachweis vor. Allergische Reaktionen, auch Übertragung von Infektionen (bei unmittelbarer Gewinnung aus frisch geschlachteten Kälbern) sind nicht sicher auszuschließen. ◆ Bach-Blüten Bei der Bach-Blütentherapie (F. Bach, walisischer Arzt, 1886-1936) wird versucht, über die Beeinflussung seelischer Zustände mittels Extrakten aus 38 verschiedenen Blüten auch organische Grundkrankheiten zu behandeln. Kinder mit JIA werden mit diesem Verfahren gelegentlich behandelt. ◆ Anthroposophische Medizin Es sollen die Selbstheilungskräfte des Organismus aktiviert werden. Zum Einsatz kommen mineralische, pflanzliche und tierische Substanzen nach deren spezieller Bearbeitung, zusätzlich auch „künstlerische“ Therapien (Malen, Plastizieren, Musiktherapie) und Heileurhythmie. Unterstützend kommt die anthroposophische Ernährung hinzu – laktovegetabile Kost mit einheimischen, saisonalen, naturbelassenen Produkten aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft. Wo für erforderlich gehalten, werden auch „schulmedizinische“ Behandlungsstrategien eingesetzt. Diese Behandlungsprinzipien können sich im Sinne einer komplementären „Ordnungstherapie“ positiv auf die Gesamtsituation der betroffenen Kinder auswirken. Auf die spezifische antirheumatische mehrdimensionale Behandlung darf allerdings nicht verzichtet werden. Die Durchführung einer anthroposophisch ausgerichteten Therapie ist an eine spezielle Ausbildung des behandelnden Arztes gebunden. 54 Kapitel 2 ◆ Bioresonanztherapie, Diagnose- und Therapieprinzip mit verschiedenen biophysikalische Varianten, das auf der wissenschaftlich nicht funInformationstherapie dierten Vorstellung beruht, dass Krankheiten durch Störungen der körpereigenen elektromagnetischen Schwingungen entstehen. Spezielle Geräte für Diagnostik und Therapie wurden entwickelt. Zwar ist von Unwirksamkeit auszugehen, doch muss wohl auch nicht mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden. ◆ Geopathie Wissenschaftlich nicht untermauerte Vorstellung, nach der geologische Formationen wie Wasseradern, die mittels Wünschelrute lokalisiert werden, oder so genannte Erdstrahlen sich gesundheitsschädlich auswirken. ◆ Nosoden, Autovakzine Bei der Nosoden-Therapie werden in verschiedenen Variationen Arzneimittel u.a. aus körpereigenen Substanzen hergestellt. Hier bestehen Überschneidungen zur Eigenblut- und Eigenurintherapie. Nach unserer Kenntnis werden solche Verfahren einschließlich der Eigenurintherapie von einigen naturheilkundlich ausgerichteten Ärzten und Heilpraktikern gelegentlich bei Kindern mit JIA angewendet. Aus kinderrheumatologischer Sicht liegen jedoch keine überzeugenden Nachweise für eine antirheumatische Wirksamkeit vor. Bei parenteraler Verabreichung (intramuskulär, subkutan) muss bei der SJIA, bei Kollagenosen oder systemischen Vaskulitiden mit unerwünschten Wirkungen wie Schubauslösung gerechnet werden; von diesen Therapien ist deshalb abzuraten. ◆ Eigenblutbehandlung „Reizbehandlung“ für das Immunsystem, die die Selbstheilkräfte aktivieren soll. Keine Erfahrungen bei rheumatischen Erkrankungen im Kindesalter. Entnommenes Venenblut wird, eventuell nach spezieller Aufbereitung, intra- oder subkutan oder intramuskulär gespritzt. Für das Kleinkindalter und 55 Medikamentöse Therapie 2 insbesondere bei systemischer juveniler idiopathischer Arthritis wegen nicht vorhersehbarer Reaktion ungeeignet und deshalb kontraindiziert. ◆ Tragen von Kupferringen Aus der Erfahrungsmedizin stammende Vorstellung, nach der vom Metall Kupfer antirheumatische Wirkungen ausgehen. Der Wunsch, solche Ringe zu tragen, sollte wegen offenbar fehlender unerwünschter Wirkungen akzeptiert werden, auch wenn aus heutiger wissenschaftlich-medizinischer Sicht die dahinter stehende Idee nicht haltbar ist. ◆ Akupunktur Zur Ergänzung der Schmerztherapie; im Kleinkindalter allenfalls als Laser-Akupunktur oder Akupressur. 56 Kapitel 3 Operative Therapie Dr. Martin Arbogast » » Indikation ..................................................................................... 58 Operative Verfahren .................................................................... 58 57 Operative Therapie » Indikation 3 Schwerpunkte der operativen Therapie bei rheumatischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind mon- oder oligoartikuläre Verlaufsformen, die über eine konservative Therapie nur inkomplette oder fehlende Rückbildung der krankhaft veränderten Befunde aufzeigen, sowie polyartikuläre Verläufe mit Verschlimmerungstendenz von Fehlstellungen bei schon zerstörten Anteilen der Gelenke des Bewegungsapparates. Die im Unterschied zur Erwachsenenrheumatologie oft erhebliche Diskrepanz von klinischer Symptomatik und subjektiven Schmerzangaben der Kinder und Jugendlichen setzt nach sorgfältiger Diagnostik eine engmaschige Verlaufskontrolle voraus, um operativ relevante Befunde rechtzeitig einer Therapie zuzuführen. » Operative Verfahren Synovialektomie ( Entfernung der entzündeten Gelenkinnenhaut bzw. der Gleitschichten der Sehnen ) Schwellungen von Gelenken, Schleimbeuteln und an den Sehnen, die über eine lokale oder medikamentöse Therapien innerhalb von 6-12 Monaten keine ausreichende Rückbildung zeigen und mit einer zunehmenden Fehlstellung und einem Funktionsverlust einhergehen, eignen sich bei radiologisch noch erhaltenen Gelenkkonturen operativ behandelt zu werden. Über die Entfernung der Gelenkinnenhaut oder der Gleit58 schichten der Sehnen kann eine dauerhafte Schmerzbeeinflussung verbunden mit reduzierter Schwellneigung und einer Funktionsverbesserung der betroffenen Extremitätenabschnitte erreicht werden. Außerdem wird über die Entfernung des entzündlich veränderten Gewebes die Zerstörungstendenz an Gelenken und Sehnen günstig beeinflusst. Durch schonende Operationstechniken über minimalinvasive Verfahren in Regionalanästhesie ist die Traumatisierung gering, eine postoperative Schmerztherapie kann mit kontinuierlichen Kathetertechniken angeschlossen werden. Dies ermöglicht eine rasche Mobilisation und Rehabilitation der Betroffenen. Schulter-, Knie- und Sprunggelenke werden durch eine Gelenkspiegelung sehr effektiv vom krankhaft veränderten Gewebe befreit. Eine dauerhafte Reduktion von Belastungs- und Bewegungsschmerzen sowie der Schwellneigung darf erwartet werden. Auch in Spätstadien ist noch eine Reduzierung der Schmerzen verbunden mit einer verbesserten Funktion zu erzielen. Minimal invasive Verfahren an Ellenbogen-, Hand- oder Hüftgelenken gelten gegenüber der offenen Entfernung der Schleimhaut noch nicht als Standardtherapie. Die offene Synovialektomie im Larsenstadium I und II ( Röntgenfrühveränderungen ) am Ellenbogen lässt eine gute Schmerzlinderung und damit Verbesserung der Alltagstauglichkeit erwarten. Auch in den Spätstadien kann mit einer ergänzenden Radiuskopfentfernung eine Funktionsbesserung erreicht werden, allerdings erst nach Schluss der Kapitel 3 Wachtumsfugen. Am Hüftgelenk sind insbesondere eine zunehmende Fehlstellung und Fehlfunktion bei radiologisch weitgehend erhaltener Gelenkkontur eine ideale Indikation, wenn über die konservativen Maßnahmen einschließlich Punktion und Kortikoid-Instillation in das Gelenk keine Besserung erreichbar ist. Stärker als beim Erwachsenen ist bei der reinen offenen Hand- und Fingergrundgelenkssynovialektomie mit postoperativen Verklebungen und einer wenig elastischen Kapselnarbe zu rechnen, weswegen nur in besonderen Fällen eine Indikation zur Operation besteht. Die Tenosynovialektomie (Entfernung der entzündeten Gleitschichten) im Karpalkanal (beugeseitiges Handgelenk) und in der Hohlhand ist im Vergleich zur Strekkseite erfolgversprechender. Insbesondere dann, wenn eine Nervenkompression vorliegt. Nicht so selten sind Entzündungen der Sprunggelenke einschließlich Mitbeteiligung der Sehnen. Neben der arthroskopischen Behandlung des oberen Sprunggelenkes (Gelenkspiegelung), können offene Sehnen- oder Gelenkeingriffe in gleicher Sitzung durchgeführt werden. Eine Normalisierung des Abrollvorganges ist Zielsetzung dieser Behandlung. Abb. 1a: Hohlhandsynovialitis mit Streckdefizit Abb. 1b: intraop nach Präparation des Synovialgewebes Abb. 1c: intraop Prüfung der Sehnengleitfunktion und Inspektion der Sehnengleitbahn Abb. 1d: 4 Tage postop komplette Streckung 59 Operative Therapie Nervenkompression 3 Nerven, die in enger Nachbarschaft von Gelenken und Sehnenscheiden verlaufen, können durch vermehrte Flüssigkeitbildung oder das verdickte Synovialgewebe eingeengt werden. Über eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten ( Nervenfunktion ) wird die Operationsindikation überprüft. Am häufigsten ist der Mittelnerv am beugeseitigen Handgelenk mit Schmerzen und Kribbelgefühl in den Fingerspitzen betroffen. Durch Spaltung des beugeseitigen Bandes über den Sehnen und einer Entfernung der Gleitschichten der Beugesehnen wird der Nerv entlastet. Am Ellenbogen kann der Ellennerv in der Nervenrinne durch Schwellung oder Deformierung des Knochens betroffen sein. Die frühzeitige Entlastung des Nerven gegebenenfalls mit Nervenverlagerung und die Synovialektomie der angrenzenden Sehnen und Gelenke beheben die neurologische Störung. Sehnenverlängerung, -verkürzung , -verlagerung Stark bewegungseingeschränkte Gelenke insbesondere an der unteren Extremität, die über eine krankengymnastische Übungstherapie ungenügend beeinflussbar bleiben, können über Sehnen- und Gelenkumformende Eingriffe in eine günstigere Position gebracht werden. Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzen auch angrenzender Gelenkabschnitte werden gebessert und kontrakturbedingte Fehlbelastungen können ausgeglichen werden. Dies gilt 60 am häufigsten für Anspreiz- und Beugefehlstellung der Hüften und Beugefehlstellung der Kniegelenke. Extreme Fehlstellungen sind über eine schrittweise Korrektur mittels äußerem Gelenkspanner korrigierbar. Der Behandlungsaufwand ist jedoch sehr groß, weswegen die Indikation zuvor sorgfältig mit allen Beteiligten abgesprochen werden sollte. Korrekturosteotomie (Umstellung der Knochen) Korrekturosteotomien sollten bei noch offenen Wachstumsfugen nur bei extremen Fehlstellungen indiziert werden. Die natürliche Korrektur in Abhängigkeit der Entzündungsaktivität in einem Gelenkabschnitt lässt sich leider nicht exakt berechnen. Bei rasch zunehmenden Fehlstellungen der Beinachse können eine Umstellung des Oberschenkels geplant werden. Dabei müssen Gelenkersatzoperationen zu einem späteren Zeitpunkt bereits in eine Planung miteinbezogen werden. Vorübergehend hilfreich können auch Umstellungen des ersten Mittelfußstrahles sein, um das Fehlwachstum der übrigen Zehen günstig zu beeinflussen. Bei isolierten Knochenverkürzungen nach entzündlich bedingtem Wachstumsverlust, können Verlängerungen der Knochen mittels äußerem Gelenkspanner den Längenverlust ausgleichen. Kapitel 3 Resektionsarthroplastik (Neuformung eines Gelenkes ) In seltenen Fällen kann nach Schluss der Wachstumsfugen beim Jugendlichen eine schmerzbedingte Zerstörung der Zehengrundgelenke bestehen. Wenn Einlagen- und Schuhversorgung die Beschwerden nur inkomplett reduzieren, kann die Neuformung am Großzehengrundgelenk hilfreich sein. Ähnlich wie beim Erwachsenen wird sie in der Technik nach Hueter-Mayo durchgeführt, um einer späteren Erweiterung der Vorfußkorrektur in der Technik nach Hoffmann-Tillmann (Mittelfußkopfentfernung) zur Behandlung des gesamten Vorfußes nicht im Wege zu stehen. Eine Vorfußbettende Einlage ist in jedem Fall erforderlich. Neuformung eines Gelenkes der oberen Extremitäten ist eher im Erwachsenenalter indiziert. Alloarthroplastischer Gelenkersatz (Künstliches Gelenk) Sind die Wachstumsfugen geschlossen und besteht klinisch ein schwer zu behandelndes Schmerzbild in einem Gelenkabschnitt, der eine weitgehende Zerstörung aufweist, so lässt sich auch im jugendlichen Alter der endoprothetische Gelenkersatz kaum umgehen. Dies betrifft hauptsächlich Knie- und Hüftgelenk. Dabei muss ein vernünftiger Kompromiss zwischen sparsamer Knochenentfernung und Stabilität der Endoprothese geschlossen werden. Ob zementiert oder zementfrei hängt von der Qualität des Knochens ab und sollte auch im Hinblick auf später zu erwartende Wechseloperationen entschieden werden. Wegen der oft schweren Verformung der gelenkbildenden Partner durch die entzündlichen Veränderungen und des Wachstumsdefizits sind im Einzelfall Individualendoprothesen den Standardendoprothesen vorzuziehen. Arthrodesen ( Versteifungen ) Nach Abschluss der Wachstumsfugen können Versteifungen eine sinnvolle operative Ergänzung des Gesamtkonzeptes bei einem Jugendlichen sein. Stabilisierend und schmerzlindernd sind Daumengrund- und Fingermittelgelenksversteifungen. Insbesondere der Spitz-, Schlüssel- und Zylindergriff ist mit einer Stabilisierung des Daumengrundgelenkes verbesserungsfähig. Die Destruktion und Fehlstellung der Handwurzel kann über eine Teil- oder Komplettversteifung nicht nur einen Kraftzuwachs erfahren, sondern über eine Korrektur der Stellung wird auch einem Strecksehnenriss entgegengewirkt. Dabei kann der Ellenkopf wie beim Erwachsenen teil- oder ganz entfernt werden, um eine schmerzarme Unterarmumwendbewegung zu erreichen. Chronische Schmerzen an Sprung- und Mittelfußgelenken bei weitgehend verbrauchtem Knorpelüberzug können über eine Versteifung reduziert werden. Allerdings muss für eine adäquate Schuhund Einlagenverordnung Sorge getragen werden. 61 Operative Therapie » 3 Nachbehandlung Eine rheumaorthopädische Maßnahme im Kindes- oder Jugendalter sollte ohne eine adäquate Physiotherapie im Anschluss nicht geplant werden. Nur wenn eine oft mehrfach tägliche Nachbehandlung gewährleistet werden kann, ist ein optimales Operationsergebnis zu erwarten. In Ergänzung zur Physiotherapie komplettieren physikalische und ergotherapeutische Maßnahmen das zu gewährleistende Behandlungsspektrum. Die Kompliance bei Kindern unter 6 Jahren ist gering und erst zwischen 7 und 10 Jahren individuell gegeben, deshalb muss bei einem geplanten Eingriff die Kooperationsfähigkeit der Betroffenen mitberücksichtigt werden. Nur bei zu erwartender Kooperation zur notwendigen Nachbehandlung sind Elektiveingriffe sinnvoll, dies beinhaltet auch die Geduld der Eltern. 62 Kapitel 4 KRANKENGYMNASTIK M. Spamer » » » » » » » » » » » Wie enstehen Gelenkfehlstellungen? ......................................... 64 Wie erkenne ich ein entzündetes Gelenk? ................................ 65 Wie erkenne ich Bewegungseinschränkungen rechtzeitig? ..... 66 Wie sehen die häufigsten Schon- bzw. Fehlhaltungen aus? ... 68 Wann ist eine krankengymnastische Behandlung notwendig? 71 Was gilt es bei der krankengymnastischen Behandlung zu beachten? ................................................................................ 72 Was sind die Schwerpunkte der krankengymnastischen Behandlung? ................................................................................ 73 Was sollte bei der krankengymnastischen Behandlung vermieden werden? ..................................................................... 75 Warum sollen betroffene Gelenke wenig belastet werden? .... 76 Was kann ich zu Hause selbständig üben? ............................... 78 Welche Hilfsmittel gibt es, wann sind sie notwendig? ............ 80 63 Krankengymnastik » Wie entstehen Gelenkfehlstellungen? 4 Eine Gelenkentzündung (Arthritis) äußert sich durch Schwellung und Schmerzen. Bei Kindern und Jugendlichen sind vor allem die Schmerzen verantwortlich für die Entstehung von Gelenkfehlstellungen. Vor allem kleine Kinder klagen oft nicht bewusst über Schmerzen. Stattdessen nimmt das Gelenk unbewusst eine Stellung ein, in der es weniger weh tut. Wir sprechen von einer schmerzentlastenden Schonhaltung. Was passiert? Die Spannung der einzelnen Muskeln verändert sich. Die Muskeln, die das Gelenk in eine Position ziehen, die weniger schmerzt (Schonhaltung), spannen ständig an. Ihre Gegenspieler erschlaffen und werden schwächer. In dieser Schonhaltung können sich die Kinder im Alltag oft noch erstaunlich gut bewegen. Was fällt auf? Der Bewegungsablauf verändert sich. Je nachdem, welche Gelenke befallen sind, hinken die Kinder, ziehen beim Treppensteigen ein Bein nach, greifen anders, verändern die Bewegungsabläufe beim An- und Ausziehen oder vermeiden das Abstützen mit der Handfläche. Oft weichen die Kinder zur Schmerzentlastung so geschickt aus, dass es im normalen Alltag kaum auffällt. Dies geschieht jedoch unbewusst. Mit Ermahnungen, wie: „Lauf anständig!“ oder „Halt dich gerade!“ können die Kinder 64 nichts anfangen. Was ist richtig? Was ist gerade? Sie erleben ihre Schonhaltung als das „Normale“. Durch die andauernde Fehlbelastung im Alltag wird das falsche Bewegungsmuster immer mehr gefestigt. Kommt die Gelenkentzündung mit den entsprechenden Schonhaltungen über längere Zeit nicht zur Ruhe können sich die Gelenke strukturell verändern, das heißt, die gespannten Muskeln, Bänder und anderen Weichteile verkürzen. Das Gelenk kann nicht mehr die normale Stellung einehmen. Es hat sich eine Kontraktur entwickelt. Die Gefahr von Gelenkzerstörungen, die bereits durch die Entzündung gegeben ist, wird durch eine andauernde Fehlbelastung noch verstärkt. Die Gelenkschäden ihrerseits führen aber wieder zu einer Zunahme der Schmerzen und verstärken damit die Schmerzschonhaltung. Die Entwicklung von Gelenkfehlstellungen entwickelt sich also in einem Teufelskreis, der mit einer oft harmlos anmutenden schmerzentlastenden Schonhaltung beginnt und in einer schweren Deformität und Behinderung enden kann (Abb.1). Je früher der Teufelskreis durch eine gezielte Therapie unterbrochen wird, desto besser sind die Aussichten nach Abklingen der Arthritis wieder die normale Beweglichkeit zu erhalten. Wichtig ist also, dass wir die Entwicklung von Fehlstellungen bereits zu Beginn erkennen und behandeln. Sind bereits Fehlstellungen eingetreten, ist die Therapie wesentlich aufwändiger und langwieri- Kapitel 4 Gelenkentzündung Schmerzen Gelenk-deformitäten, -zerstörungen Schmerzschonhaltung Andauernde Fehlbelastung im Alltag Abb.1 Teufelskreis ger. Nicht immer gelingt es dann, wieder eine normale Funktion zu erreichen. Neben den direkt betroffenen Gelenken können auch benachbarte, nicht erkrankte Gelenke in den Teufelskreis mit einbezogen werden. Durch die Schonhaltung im entzündeten Gelenk werden sie oft falsch belastet oder in Ausgleichsbewegungen einbezogen. Auf lange Sicht können an den zunächst gesunden Gelenken ebenfalls Veränderungen und Fehlstellungen entstehen. » Wie erkenne ich ein entzündetes Gelenk? Schwellungen im Bereich der Gelenke sind besonders dann einfach zu erkennen, wenn das Gelenk direkt unter der Haut liegt, z.B. im Bereich von Hand-, Finger-, Knie- oder Sprunggelenken. Die kleinen Hautfalten, die normalerweise über diesen Gelenken liegen, erscheinen durch Schwellungen weniger und abgeflachter. Über Schulter- und Hüftgelenk liegt eine dicke Muskelschicht. Daher sind Gelenkschwellungen in diesen Bereichen schwer zu erkennen (meist nur durch Ultraschalluntersuchung). Überwärmung: Das Erfassen von erhöhter Hauttemperatur ist gut im Seitenvergleich möglich. Die Mutter kann dabei ihre beiden Hände gleichzeitig auf das re. und li. Kniegelenk legen und anschließend von dort aus die Haut von oben nach unten abtasten. Die Hauttemperatur ist überall gleich, sofern das Gelenk nicht entzündet ist. Neben Schwellungen oder evtl. Temperaturerhöhung am Gelenk sind vor allem Schonhaltungen und Bewegungseinschränkungen Hinweise auf ein betroffenes Gelenk. Schonhaltungen und Ausweichbewegungen: ◆ Ausweichen, wenn das Kind z.B. fester an die Hand genommen oder hochgehoben wird. ◆ Das Kind läuft ungern, es will viel getragen werden. ◆ Verändertes, ungewohntes Gangbild (humpeln, hinken usw.) ◆ Veränderter Gebrauch der Hände, z.B. beim Abstützen, wenig Kraft beim Greifen ◆ Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen ◆ Mehrfach nächtliches Aufwachen, bedingt durch Schmerzen beim Umdrehen. 65 Krankengymnastik » Wie können Bewegungs- einschränkungen rechtzeitig erkannt werden? 4 Eltern und Jugendliche können selbständig die freie Beweglichkeit aller Gelenke überprüfen. In manchen Gelenken entwickeln sich Bewegungseinschränkungen unbemerkt. Dies gilt besonders für Kinder, die kaum über ihre Gelenke reden oder über Schmerzen klagen. An gleichaltrigen Freunden oder Geschwistern können Eltern sehr gut vergleichen, wie weit ein Gelenk beweglich sein muss. Ein Gelenk, das nicht betroffen ist, kann immer frei bewegt werden. Jedes Gelenk entwickelt typische Bewegungseinschränkungen. Die entsprechenden Untersuchungen sind im Folgenden als Schnelltests näher beschrieben. Die Bewegungen sollen ohne Ausweichbewegung so weit ausgeführt werden, wie dies ohne Schmerzen gelingt. Im Zweifelsfall sollten Sie beim Arzt oder beim Physiotherapeuten Rat suchen, die Ihnen sicherlich behilflich sein können. Schnelltests Halswirbelsäule Im Sitzen zur Decke hochschauen: Das Gesicht sollte fast parallel zur Decke sein. Die Schultern bleiben unten und werden nicht mit hochgezogen (Abb.2). Seitliches Drehen des Kopfes sollte zu beiden Seiten gleichmäßig möglich sein. Der Oberkörper bleibt dabei ruhig. 66 Kiefergelenke Mund öffnen: Es sollten die ersten drei Finger des Kindes hochkant locker zwischen die Zahnreihen passen. Das Öffnen des Mundes muss ebenso wie das Kauen ohne Schmerzen möglich sein (Abb.3). Schultergelenk Arme heben: Beide Oberarme des Kindes sollten leicht bis hinter die Ohren kommen. Der Kopf darf sich nicht nach vorne neigen ( Abb.4). Ellbogen Ellbogen strecken: Sie sollten ganz gerade, meistens leicht überstreckbar sein. Seitenunterschiede müssen beachtet werden (Abb.5). Ellenbogen beugen: Beide Hände erreichen seitengleich die jeweilige Schulter. Handgelenke und Fingergelenke Hand hochziehen: Stern: Bei aufliegendem Unterarm beide Hände kräftig hochziehen. Die Finger dabei strecken und spreizen. Der Daumen soll im rechten Winkel, wie bei einem „L“ abgespreizt werden; d.h. die Kinder machen einen Stern mit der Hand, Mittelfinger und Unterarm sollen eine Linie bilden (Abb. 6). Finger beugen = kleine Faust: Alle Finger sollen gleichmäßig angebeugt werden. Die Fingergrundgelenke müssen dabei gestreckt bleiben (Abb.7). Hüftgelenke Hüftbeugung: Im Liegen auf dem Teppich zieht das Kind mit beiden Händen ein Knie bis auf den Bauch. Rücken und Kopf und anderes Bein bleiben dabei auf dem Boden liegen. Gleichzeitig wird die Kapitel 4 Abbildung 2a Abbildung 2b Abbildung 3a Abbildung 3b Abbildung 4a links Abbildung 4b rechts 67 Krankengymnastik Hüftstreckung auf der anderen Seite geprüft (Abb.8). 4 Kniegelenke Kniestreckung: Im Sitzen auf dem Teppich soll die Kniekehle auf den Boden gedrückt werden, so dass sich die Ferse gleichzeitig anhebt. Beim Kleinkind kann man ein dünnes Stofftier o.ä. auf den Boden legen, das es mit der Kniekehle festhalten soll. Die Ferse geht dann von ganz alleine hoch. Falsch ist es, wenn das ganze Bein abgehoben wird (Abb.9). Kniebeugung: Mit beiden Händen wird die Ferse zum Gesäß gezogen. Ist die Bewegung bis zum Gesäß möglich? Sind Seitenunterschiede zu erkennen? Füße Füße nach unten strecken: Die Schienbeinkante und der Fußrücken sollen eine Linie bilden. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass sich die Ferse nach oben bewegt und viele Falten zwischen Ferse und Wade entstehen (Abb.10). Zehenstand: Beim Stehen auf Zehenspitzen muss der Großzehenballen auf den Boden gedrückt werden können. Die Fersen sollen gleich hoch kommen. Gangbild Betroffene Gelenke fallen oft als Erstes unter Belastung beim Gehen auf. Auf folgende Dinge sollte dabei geachtet werden: - Ist es dem Kind möglich, zuerst die Ferse aufzusetzen und dann über den Großzehenballen abzurollen? - Kann das Kind mit Hilfe auf einer Linie gehen und dabei die Füße gleichmäßig voreinander aufsetzen? 68 - Werden beide Füße gleich lang belastet? - Können beide Knie beim Gehen gleichmäßig gebeugt und gestreckt werden? - Kann das Kind auf Zehenspitzen gehen? - Sind die ersten Schritte am Morgen flüssig, ohne zu hinken? » Wie sehen die häufigsten Schon- bzw. Fehlhaltungen aus? Gelenkfehlstellungen sind nicht plötzlich da, sondern sie entwickeln sich langsam, wie in Absatz 1 beschrieben. Entzündung und Schmerzen lösen an jedem Gelenk die gleiche Reaktion aus. Da jedoch alle Gelenke anders aufgebaut sind, unterschiedliche Funktion haben und anders belastet weden, entwickeln sich an den einzelnen Gelenken ganz verschiedene Fehlstellungen. Beeinflusst werden diese zusätzlich von der Krankheitsaktivität und der einzelnen Verlaufsform. Zu Beginn einer Fehlhaltung steht immer die gestörte Funktion und die eingeschränkte Beweglichkeit des Gelenkes. Typische Funktionsstörungen und Fehlstellungen der Hand- und Fingergelenke ◆ Beugestellung im Handgelenk ◆ Abweichen der Mittelhand nach außen ◆ Veränderungen der Fingergelenke, Abweichen in Beugestellung oder Abweichen der Fingerachsen, die Finger sind nicht mehr gerade. Was fällt auf? • Die Hand lässt sich nicht mehr selbständig hochziehen. Sie wird in Beu- Kapitel 4 Abbildung 5b Abbildung 5a Abbildung 6a Abbildung 6b Abbildung 7a Abbildung 8a Abbildung 8b Abbildung 9a Abbildung 9b Abbildung 10a Abbildung 10b Abbildung 7b 69 Krankengymnastik 4 gung, d.h. nach unten gehalten. Beim Greifen bleibt das Handgelenk gebeugt. (Abb.11). • Die Mittelhand weicht mehr und mehr nach außen ab. Die Hand kann nicht mehr zurück in die Mittelstellung gebracht werden. Häufig ziehen als Folge die Finger in die entgegengesetzte Richtung, also nach innen. Stützen erfolgt nur noch auf den Fin• gergrundgelenken bzw. der Faust oder auf dem Ellbogen (Abb.12). • Die Finger und der Daumen werden dicht aneinander gehalten und geschont. Das Kind ist nicht mehr in der Lage die Finger kräftig auseinander zu spreizen und zu strecken. Abb.11 Fehlhaltung der Hand beim Greifen • Das Kind hat keine Kraft mehr in den Fingern, das Aufdrehen des Wasserhahns oder das Herunterdrücken von Türklinken fällt ihm schwer. Es hilft sich mit der anderen Hand und gebraucht die betroffene Seite weniger. Ausweichbewegungen nehmen immer mehr zu. • Die kleine Faust ist nicht möglich. (Abb.7b) • Das Greifen des Kindes sieht verändert aus, da einzelne Gelenke nicht mehr normal beweglich sind. Häufige Funktionsstörungen und Fehlstellung des Kniegelenkes ◆ Beugestellung ◆ Auswärtsdrehung des Unter- gegen den Oberschenkel = scheinbare XBeinstellung (Pseudovalgusstellung). (Abb.13) Was fällt auf? • Das Knie wird in einer ständigen Beugestellung gehalten. Ohne Belastung kann das Kind häufig das Kniegelenk noch beugen, jedoch schon nicht mehr selbständig ganz strecken. Abb.12 Fehlhaltung der Hand beim Stützen 70 Kapitel 4 • Wenn das Kind geht oder steht, bleibt das Kniegelenk in der Beugung fixiert. Es wird unter Belastung nicht mehr bewegt. • Der ständige Zug der seitlichen Kniebeuger kann zu einer Auswärtsdrehung des Unterschenkels gegen den Oberschenkel führen. Es entwickelt sich eine scheinbare X-Beinstellung. (Abb. 13). Häufige Schonhaltungen, Funktionsstörungen und Fehlstellungen des Fußes ◆ Ständig hochgezogener Fuß, der Fuß hängt nicht mehr herunter. ◆ Abrollen des Fußes über die Fußinnenkante, Entwicklung eines KnickSenkfußes. ◆ Gehen über die Fußaußenkante, Entwicklung eines Hohlfußes. ◆ Fehlende Belastung des Großzehenballens ◆ Krallen der Zehen beim Stehen. Was fällt auf? • Der Fuß kann im Sitzen nicht mehr entspannt herunterhängen. Der Fuß wird schmerzbedingt oben gehalten. Die Fußheber verkürzen, die Wadenmuskulatur wird inaktiv. • Beim Gehen wird der Fuß nicht mehr abgerollt. Stattdessen belastet das Kind vermehrt den Innen- oder Außenrand des Fußes. • Kinder mit Entzündungen im Bereich des Mittelfußes und der Zehen weichen dem Schmerz durch Krallen der Zehen aus. • Je nachdem, welche Gelenke des Fußes entzündet und schmerzhaft sind, Abb.13 Fehlstellung linkes Knie in Außendrehung des Unterschenkels flachen die Fußgewölbe ab (Knicksenkfuß) oder sie vestärken sich (Hohlfuß). » Wann ist eine kranken- gymnastische Behandlung notwendig? Ist die Diagnose einer juvenilen Arthritis gestellt, muss jedes Kind regelmäßig von der Krankengymnastin untersucht und behandelt werden. Ziel ist das Vorbeugen, d.h. das Erhalten der vollen Gelenkbeweglichkeit sowie das Verhindern von Schonhaltungen und Gelenkfehlstellungen. Dies gelingt 71 Krankengymnastik 4 nur durch eine frühzeitig einsetzende Physiotherapie. In keinem Fall sollte bei Kindern mit juveniler Arthritis mit der krankengymnastischen Behandlung gewartet werden, bis sich Bewegungseinschränkungen entwickelt haben. Die Therapie dauert dann wesentlich länger und nicht immer stellt sich der gewünschte Erfolg ein. Jedes Kind muss und kann seinem Alter entsprechend behandelt werden. Dies gilt auch für das Kleinkind. Auch im akuten Krankheitsschub ist es notwendig die Gelenke regelmäßig zu behandeln. Ist das Kind zu diesem Zeitpunkt zu Hause, wird evtl. ein Hausbesuch des Physiotherapeuten notwendig. Behandlung: ◆ Sobald die Diagnose gestellt ist ◆ So früh wie möglich ◆ In jedem Alter ◆ Auch im Krankheitsschub » Wie sollte die kranken- gymnastische Behandlung ablaufen? • Verschiedene Verlaufsformen der Erkrankung, unterschiedliche Gelenkfehlstellungen sowie das jeweilige Alter der Kinder erfordern immer eine Einzelbehandlung. • Eine Gruppenbehandlung kann nur ergänzend hilfreich sein. Sie ist eine zusätzliche Behandlungsmöglichkeit und sollte deshalb mit Rücksicht auf den ohnehin sehr engen Zeitplan der Kinder nur auf ausdrücklichen Wunsch des Kindes stattfinden. Sie ist nie Ersatz für eine Einzelbehandlung. 72 • Die Häufigkeit der krankengymnastischen Behandlung ist abhängig vom jeweiligen Befund. Sie wird in Absprache mit dem behandelnden Arzt und dem Physiotherapeuten festgelegt. Befindet sich das Kind in einer Klinik, wird es in der Regel an Werktagen täglich behandelt. • Die Behandlungsdauer richtet sich nach dem Alter und der Anzahl der betroffenen Gelenke. • Kleinkinder sind meist nur eine begrenzte Zeit für die Therapie zu gewinnen. Es ist daher günstig, das Kind kürzer und wenn möglich häufiger zu behandeln. • Oftmals ist die Behandlung über Monate und Jahre notwendig. Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut , Kind und Eltern bildet hierfür die Voraussetzung. • Anfängliche Angst vor Schmerzen und damit das Verweigern der Behandlung erfordern viel Einfühlungsvermögen des Therapeuten. Es liegt bei dem Physiotherapeuten, dem Kind zu zeigen, dass die Therapie nicht wehtut. Das rechtzeitige Erkennen der Schmerzgrenze jedes einzelnen Kindes ist die Basis für das Vertrauen zum Therapeuten. Über Vorlesen, Singen oder Anmalen der Haut gelingt es meist, den kleinen Patienten von seiner Angst abzulenken. • Die Behandlung sollte in einem kindgerechten Rahmen erfolgen. Sie erfordert Geduld, Zeit und Erfahrung. Die Eltern müssen nach Möglichkeit von Anfang an in die Behandlung mit einbezogen werden (Abb.14). Kapitel 4 • Die Eltern sollten zur Therapie ihres Kindes angeleitet werden, damit sie einen Teil davon zu Hause durchführen können. Wie viel und was die Eltern an Therapie mit übernehmen können, wird zusammen mit dem Physiotherapeuten im Einzelfall festgelegt. Wichtige Behandlungsgesichtspunkte ◆ Einzelbehandlung ◆ Vertrauensverhältnis ◆ Keine Schmerzen ◆ Altersorientiert ◆ gelenkschonende Ausgangsstellung ◆ Elternanleitung » Was sind die Schwerpunkte der krankengymnastischen Behandlung? Zu Beginn der Behandlung steht immer eine Befundaufnahme. Zur Orientierung werden alle Gelenke des Kindes auf ihre Beweglichkeit, Entzündungszeichen und Fehlhaltungen hin untersucht, wie auf S. 65 beschrieben. Die Beweglichkeit betroffener Gelenke wird mit Hilfe eines Winkelmessers gemessen. Dabei unterscheidet man zwischen der Bewegung, die das Kind selbständig ausführen kann, also der „aktiven“ Bewegung und der „passiven“ Bewegung, die mit Hilfe des Therapeuten ausgeführt wird. Diese Untersuchungen sind nur möglich, wenn das Kind entspannt ist und bei der Untersuchung mitmacht. Das Erkennen beginnender Fehlhaltungen an den einzelnen Gelenken ist ein wichtiger Teil der Untersuchung. Beurteilt wird, ob bereits Fehlhaltungen vorhanden sind und inwieweit das Kind in der Lage ist sie ohne Hilfe auszugleichen. Die Bewegungsanalyse gibt Aufschluss, wie sich die betroffenen Gelenke unter Belastung und in Bewegung verändern. Hierzu geben Alltagsbewegungen Auskunft, wie Gehen, Krabbeln, Hinsetzen, Aufstehen oder Greifen bzw. An- und Ausziehen. Aus all diesen Informationen und den Gesprächen mit den Eltern, den Kindern und Jugendlichen wird ein individueller Behandlungsplan für jedes einzelne Kind erstellt. Behandlungsziel: Erhalten bzw. Wiederherstellen der normalen Gelenkbeweglichkeit um das Gelenk vor Fehlbelastung und Fehlstellungen zu schützen. Entspannung und Schmerzlinderung Entzündung, Schmerzen und Angst führen zu einer erhöhten Spannung der Muskulatur, die das betroffene Gelenk in der Schonhaltung fixiert. Die folgenden Abb.14 Entspanntes Kind auf dem Schoß der Mutter bereit für die Behandlung des Kniegelenkes 73 Krankengymnastik 4 Maßnahmen helfen die Schmerzschonhaltung der betroffenen Gelenke langsam zu lösen. • Schon allein das unterstützende Halten der Gelenkpartner, z.B. des Fußes bei Arthritis des Sprunggelenkes, ermöglicht dem Kind Spannung der Muskulatur abzugeben. Dies ist eine nach Nichts aussehende, hoch wirksame Maßnahme. • Nach dieser ersten Entspannung kann das Gelenk langsam in die eingeschränkte Richtung bewegt werden (Abb.15). Der Physiotherapeut muss hierbei besonders auf das Kind eingehen und einfühlsam die Schmerzgrenze spüren. Die Schmerzgrenze darf nicht überschritten werden. • Mit weichem, flächigem Griff bewegt der Therapeut immer wieder aufs Neue an die Bewegungs- bzw. Schmerzgrenze heran. Mit der Zeit verbessert sich durch Nachlassen der Muskelspannung die Beweglichkeit . Eine optimale medikamentöse Behandlung bildet die Voraussetzung für die krankengymnastische Behandlung, da Schmerzen und Entzündung den Erfolg erheblich limitieren. Abb.15 Verbessern der Beweglichkeit der Hand nach oben Im Kapitel 6 sind physikalische Maßnahmen als weitere Möglichkeit zur Muskelentspannung und Schmerzlinderung aufgeführt. Gezieltes Dehnen der Muskelgruppen, die das Gelenk in seiner Schonhaltung fixieren und in seiner Beweglichkeit einschränken. Zur Dehnung der verkürzten Muskulatur können je nach Befund unterschiedliche Techniken angewandt werden. Gedehnt werden die Muskeln, die die Beweglichkeit einschränken und das Gelenk in die Fehlhaltung ziehen. • Während der Dehnung dürfen keine Gelenkschmerzen auftreten. Dies erfordert u.a. eine entsprechende Lagerung in schmerzfreier und entspannter Ausgangsposition. • Leichte Dehnschmerzen in der Muskulatur können größere Kinder in der Regel gut tolerieren. In diesem Dehnbereich jedoch müssen das Kind bzw. der Jugendliche und der Therapeut eng zusammenarbeiten und sich gut austauschen. Aktivieren der Muskeln, die der Gelenkfehlstellung entgegenarbeiten. Muskelaktivierung bedeutet das Gespür für das richtige Muskelanspannen zu schulen. • Das Kind lernt, in der neu erarbeiteten Position die Muskelgruppen wieder anzuspannen, die aus der Fehlstellung herausziehen. Zunächst hilft der 74 Kapitel 4 Therapeut, später wird das statische Anspannen selbständig durchgeführt. Beim Handgelenk z.B. lernt das Kind die Hand in Fauststellung oben zu halten und so die kurzen Handstrecker wieder aktiv einzusetzen (Abb.16). später werden Hand- und Fingerstrecker gemeinsam aktiviert (Abb.17). • Es folgen Bewegungen mit kleinem Bewegungsausschlag. • Mit der Zeit lernt das Kind auch Bewegungen mit großem Bewegungsausschlag wieder selbständig auszuführen. Hat es z.B. verlernt, beim Greifen das Handgelenk hochzuziehen, wird nur diese eine Bewegung mit dem Kind geübt, bis es diese wieder bewusst und selbständig ausführen kann. Wiedererlernen von normalen Bewegungsabläufen des Alltages. Durch häufiges Wiederholen und unter ständiger Korrektur lernt das Kind Alltagsbewegungen, wie z.B. das Gehen, wieder richtig auszuführen. Muskeln, die das Gelenk in die falsche Richtung ziehen, arbeiten sehr viel schneller und kräftiger als die inaktiven „richtigen“ Muskeln. Es verlangt hohe Konzentration und viel korrigiertes Üben, diese schwächeren Muskeln in großen Bewegungsabläufen richtig anzuspannen. • Weicht das Kind trotz Korrektur immer wieder in die Fehlstellung ab, ist der Bewegungsablauf zu diesem Zeitpunkt noch zu schwierig. • Es müssen dann nochmals kleinere Bewegungsabläufe geübt werden, die immer wieder aufs Neue in die Alltagsbewegungen integriert werden. • Werden die Bewegungen vom Kind wieder richtig ausgeführt und zeigen die Gelenke keine Entzündungszeichen mehr, nimmt die Muskelkraft ohne weitere Maßnahmen von alleine zu. Behandlungsschwerpunkte: ◆ Herabsetzen der Muskelspannung, die das Gelenk in der Schonhaltung fixiert. ◆ Verbessern der Gelenkbeweglichkeit. ◆ Vorsichtiges Dehnen der in ihrer Spannung erhöhten und verkürzten Muskelgruppen, die in die Fehlstellungen ziehen. ◆ Gezieltes Aktivieren derjenigen Muskeln, die der Fehlhaltung entgegenwirken. ◆ Wiedererlernen von „richtigen“ Bewegungsabläufen, damit die Gelenke wieder normal eingesetzt werden. » Was sollte bei der krankengymnastischen Behandlung vermieden werden? • Alle krankengymnastischen Techniken müssen dem speziellen Rheumabefund der Kinder angepasst sein. • Viele Ausgangsstellungen, die in der Behandlung anderer Erkrankungen von Kindern genutzt werden, sind bei betroffenen Knie- oder Handgelenken zu belastend für die Gelenke. Dies sind z.B. Vierfüßlerstand, Kniestand, Fersensitz oder Hocke. • Günstige Ausgangsstellungen sind Sitzen sowie Rücken-, Seiten- oder 75 Krankengymnastik 4 Bauchlage. Der Gelenkschutz steht immer im Vordergrund jeder Behandlung. • Solange Gelenke entzündet und in ihrer Funktion eingeschränkt sind, dürfen keine Bewegungen gegen Widerstand ausgeführt werden. Beispiele hierfür sind das Üben der Kniestreckung gegen Widerstand von Sandsäcken oder Fingerübungen gegen den Widerstand von Gummibändern. Aufgrund des gestörten Muskelzusammenspiels sind die schwachen Muskeln nicht einmal ohne Widerstand in der Lage, das Gelenk in die richtige Stellung zu ziehen. Statt die schwachen Muskeln zu kräftigen, arbeiten wieder die Muskeln, die das Gelenk weiter in die Fehlstellung ziehen. Man sollte immer vor Augen haben, dass das entzündete und in seiner Funktion veränderte Gelenk die Ursache für die Muskelschwäche ist. • Werden zu schwierige Bewegungen vom Kind verlangt, z.B. auf dem Schaukelbrett, dem Kreisel oder sogar auf dem Trampolin, werden die Gelenke unter zusätzlicher Belastung völlig falsch eingesetzt und die Fehlstellungen eher unterstützt. • Das Kind braucht manuelle Hilfestellung, Führung und Korrektur der Krankengymnastin bei seinen Übungen, damit es die Bewegungen richtig ausführen kann. Bei der Behandlung vermeiden: ◆ gelenkbelastende Übungen oder Ausgangsstellungen ◆ Sprung- und Hüpfübungen 76 ◆ Muskelkräftigung gegen Widerstand, insbesondere wenn Gelenkfehlstellungen und entzündungsbedingte Veränderungen der Gelenkstrukturen vorliegen » Warum sollen betroffene Gelenke teilentlastet werden? Freude an der Bewegung sowie ungehindertes Herumspringen sind für jedes Kind ein Grundbedürfnis. • Eine Arthritis im Bereich der Füße, Knie oder Hüften behindert das freie Bewegen. Schonhaltungen führen zu Fehlbelastungen, die Fehlstellungen begünstigen und die Arthritis verstärken können. Ausweichbewegungen wirken sich negativ auf betroffene und nichtbetroffene Gelenke aus. • Um dies möglichst zu verhindern, sollten in der akuten Phase der Arthritis die Gelenke der Beine, d.h. Hüft-, Knie- und Sprunggelenke, vom Körpergewicht teilentlastet werden. • Neben dem Schutz des erkrankten Gelenkes und seiner Bänder führt die zeitweise Teilentlastung der Gelenke zum „Vergessen“ der falsch angewöhnten Bewegungsabläufe. Schmerzen und eingeschränkte aktive Beweglichkeit des Gelenkes werden durch Teilentlastung verbessert. Die rechtzeitige Teilentlastung ist ein wichtiger Teil des Behandlungskonzeptes. Viel bewegen, wenig belasten ist das Motto. Die betroffenen Gelenke dürfen Kapitel 4 Abb.16 Aktivieren der Handhebemuskulatur mit entspannten Fingern in lockerer Faust Abb.17 Aktivieren der Handhebemuskulatur mit Anspannen der Fingerstreckmuskeln Abb.18 Schlingenaufhängung zum lockeren Bewegen des Hüftgelenkes 77 Krankengymnastik 4 nie komplett ruhig gestellt werden wie z.B. im Rollstuhl. • Bewegungen mit dem Fahrrad, Bewegungen im Schlingentisch ( Abb.18), Bewegung im Wasser verbessern die Gelenkfunktion und schützen das erkrankte Gelenk vor Fehlstellungen. Wichtig Das Maß der Entlastung eines oder mehrerer Gelenke muss immer dem jeweiligen Zustand des Gelenkes angepasst werden. Viele Eltern berichten, dass das Kind, wenn es herumspringt und mit Freunden spielt, überhaupt keine Schmerzen hat. Wenn von ihm jedoch etwas verlangt wird, was es nicht gerne tut, äußert es seine Schmerzen sehr deutlich. Dies führt häufig dazu, dass dem Kind die Schmerzen nicht geglaubt werden. Die Eltern müssen jedoch davon ausgehen, dass ihr Kind eigentlich immer Schmerzen hat, die es durch Ablenkung nur nicht bewusst empfindet. • Wie viel das Kind entlasten sollte, ist abhängig vom Gelenkbefund, also der Schwellung, der Überwärmung, der Fehlstellung und der Bewegungseinschränkung. • Das abendliche Kontrollieren der Sprung- und Kniegelenke kann hierbei eine Entscheidungshilfe sein. • Muss ein Kind längere Strecken zurücklegen, sollte ihm die Möglichkeit geboten werden, sich zwischendurch auszuruhen. Ein Warnzeichen ist immer, wenn das Kind unterwegs plötzlich anfängt zu humpeln. Dies zeigt, dass das Gelenk überlastet und schmerzhaft ist, auch wenn das Kind nicht klagt. 78 Gesichtspunkte zur Teilentlastung: ◆ Entlasten der Gelenke als Schutz vor Fehlbelastungen ◆ Vergessen des angewöhnten „falschen“ Bewegungsablaufes ◆ Maß der Belastung abhängig vom jeweiligen Gelenkzustand » Was kann zu Hause selbständig geübt werden? (siehe auch www.rheuma.kinderlinik.de) An Rheuma erkrankte Kinder sind durch Schule, Hausaufgaben, Arztbesuche, krankengymnastische Behandlung und tägliche physikalische Anwendungen weitaus mehr belastet als andere Kinder in ihrem Alter. Die Zeit zum Spielen ist knapp. Daher gehören nur wenige gezielte Übungen in das tägliche Übungsprogramm zu Hause. Wichtig ◆ Die einzelnen Übungen müssen korrekt ausgeführt werden, sonst können sie richtiggehend schaden! ◆ Übungsprogramme aus einem Heft oder Prospekt müssen immer kritisch betrachtet werden. In jedem Falle dürfen sie nicht ohne Rücksprache und Kontrolle des Therapeuten durchgeführt werden. Es ist ausgesprochen wichtig, dass das individuelle Heimprogramm genau vom Therapeuten gezeigt und mit den Eltern bzw. den Jugendlichen eintrainiert wird. • Das jeweilige Übungsprogramm ist abhängig vom Alter des Kindes, der Kapitel 4 Anzahl der betroffenen Gelenke, der Schwere der Bewegungseinschränkungen sowie der Krankheitsaktivität. Gelenke, die das Kind in seinen Neigungen und Aktivitäten besonders einschränken, stehen im Vordergrund. • Bei kleinen Kindern und sehr schmerzhaften, akut entzündlichen Gelenken werden die Gelenke von den Eltern passiv bewegt. Hierzu müssen die Eltern ausführlich angeleitet sein. Sie sollten - wissen, wie das Gelenk normal funktioniert. - wissen, auf was besonders zu achten ist. - Griff und Bewegung mehrfach unter Anleitung des Physiotherapeuten geübt haben. - Sicherheit haben im selbständigen Üben. Für • größere Kinder und Jugendliche sowie bei geringen Bewegungseinschränkungen wird ein Übungsprogramm zum eigenständigen, aktiven Üben erstellt. Die wenigen gezielten Übungen müssen gut eintrainiert sein, so dass sie ohne Ausweichbewegungen durchgeführt werden können. Diese täglichen Übungen verlangen von Eltern, Kindern und Jugendlichen viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Alle müssen lernen sich dem wechselnden Gelenkbefund anzupassen. • Zu wenig und zu vorsichtig ausgeführte Übungen reichen nicht aus. • Zu kräftig ausgeführte Bewegungen können Schmerzen auslösen und richtiggehend schaden. • Zu viele Übungen enden meist in einer zeitlichen Überforderung. Als Folge werden die Übungen entweder gar nicht, nur unvollständig oder nur gelegentlich durchgeführt. Unzufriedenheit mit sich und schlechtes Gewissen plagen dann Eltern und Jugendliche gleichermaßen. • Um kleinere Kinder jeden Tag für die Therapie neu zu gewinnen, greifen viele Eltern zu „Tricks“, wie z.B. Geschichten vorlesen, Kasetten hören oder Kindersendungen im Fernsehen anschauen. • Es hat sich bewährt, die Übungen immer zur gleichen Tageszeit durchzuführen und gemeinsam mit dem Therapeuten zu überlegen, wann die beste Zeit ist.. Weitere wichtige Aufgaben zu Hause sind Lagerungen z.B. die Bauchlage und das Anlegen von Lagerungsschienen an Händen und Beinen. Auch hierbei ist die Häufigkeit und die Intensität sowie die Art der Lagerung vom jeweiligen Befund abhängig. Sind die Hüftgelenke betroffen, ist das Üben in einer Schlingenaufhängung eine hervorragende Möglichkeit, den Stoffwechsel im Hüftgelenk zu fördern und die Beweglichkeit zu verbessern (Abb.18). Mit einem stabilen Haken kann die Schlinge zu Hause an einer geeigneten Zimmerdecke angebracht werden. Aufgaben für zu Hause sind: ◆ Spezielles Übungsprogramm (siehe auch www.rheuma-kinderklinik.de) 79 Krankengymnastik 4 ◆ Dehnlagerung nach Anleitung ◆ Anlegen von Lagerungsschienen (siehe Hilfsmittel) ◆ Schlingenaufhängung für die Hüfte ◆ Anlegen von Eisbeuteln oder warmen Packungen (siehe Kapitel 5) » Welche Hilfsmittel gibt es, wann sind sie notwendig? Hilfsmittel zur Entlastung der Gelenke der Beine Die Wahl der Hilfsmittel zur Entlastung von Hüft-, Knie-, Sprung- und Fußgelenken ist abhängig vom Alter des Kindes und von den betroffenen Gelenken. Alle entlastenden Hilfsmittel sollten eine Streckung in den Gelenken und eine aktive Fortbewegung ermöglichen. Günstigerweise ähnelt der Bewegungsablauf mit dem teilentlastenden Hilfsmittel dem des Gehens. Abb.19 Münsterpferdchen zur Entlastung von Fuß-, Knie- und Hüftgelenken • Das Münsterpferdchen (Abb. 19) eignet sich beim Kleinkind bis ca. 3 Jahre. Hiermit können sich die kleinen Kinder fortbewegen und haben gleichzeitig die Streckung der Hüft-, Knie-, und wenn notwendig, der Sprunggelenke. Das Münsterpferdchen gibt es in zwei Größen, es kann über das Orthopädiefachgeschäft bezogen werden. • Kleine Laufräder finden sich inzwischen überall im Handel. Die pendelnde Laufbewegung gleicht der Gehbewegung und kommt dem Bewegungsdrang der Kinder von 3-5 Jahren sehr entgegen. Der Sitz trägt das Gewicht des Kindes. Eine ideale Entlastung, da auch gesunde Kinder 80 Abb.20 Garmischer Roller zur Entlastung von Fuß-, Knie- und Hüftgelenken Kapitel 4 dieses Fahrzeug verwenden. Vorsicht: Viele Laufräder haben keine Bremsen • Auch Dreiräder sind gängige Fortbewegungsmittel für das Alter von 2-5 Jahren. Der Sattel sollte möglichst senkrecht über dem Tretlager sein und so hoch gestellt werden, dass die Kniegelenke beim Treten ausgestreckt werden können. • Der Gehroller ist in der Altersgruppe der 6-12-Jährigen sehr beliebt. Er bietet durch einen speziellen Sitz eine hervorragende Entlastung der Knie-, Hüft- und Sprunggelenke, bei gleichzeitiger Streckung der Beine. Auch hier gleicht die Bewegung dem normalen Gehen. Der Roller mit einem aufgeschweißten Sitz wurde im Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in GarmischPartenkirchen entwickelt. (Abb.20) • Das Fahrrad als normales Fortbewegungsmittel kann im Alltag sehr gut zur Entlastung eingesetzt werden. Stärkere Steigungen sollten unter dem Aspekt der Entlastung jedoch gemieden werden. • Fahrräder mit herkömmlichen Stützrädern sind häufig instabil und wackelig, so dass das Kind beim Aufund Absteigen sowie beim Anhalten Schwierigkeiten haben kann. Ausgerüstet mit stabilen Stützrädern aus dem orthopädischen Fachhandel erfüllt das Fahrrad die gleichen Voraussetzungen wie das Dreirad. Was ist bei Fahrzeugen zur Entlastung zu beachten? ◆ Der Sattel sollte so eingestellt sein, dass Hüft- und Kniegelenke gestreckt sind, das Kind sich jedoch sicher bewegen kann. Gegebenenfalls bleibt der Sattel bis zur gewünschten Sicherheit etwas tiefer. ◆ Bremsen sind ein Sicherheitsaspekt. Kleine Hände oder betroffene Hände und Finger verhindern oft das kräftige Anziehen der Bremse. Hier können ein verringerter Abstand vom Lenker zum Bremshebel oder spezielle Bremshebel helfen. • Unterarmstützen werden von älteren Kindern und Jugendlichen bevorzugt. Sind jedoch gleichzeitig Hand-, Ellbogen- oder Schultergelenke betroffen, wird es schwierig. Spezielle Griffe sowie seitliche Stützbänder helfen den Handgelenken beim Stützen. Diese Änderungen werden vom Orthopädietechniker vorgenommen. • Den Buggy gibt es auch für größere Kinder. Er sollte jedoch möglichst wenig im Alltag eingesetzt werden, da die Gelenke im Sitzen gebeugt sind und nicht bewegt werden. • Der Rollstuhl ist zur ständigen Entlastung nicht zu empfehlen, da Hüftund Kniegelenke gebeugt sind und somit Muskelverkürzungen begünstigt werden. Das passive Sitzen vermindert zudem die Muskelkraft, die Selbständigkeit und das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen. Nur vorübergehend, z.B. nach Opera81 Krankengymnastik 4 tion oder Punktion von Gelenken, kann der Rollstuhl zur Fortbewegung notwendig werden. ◆ Schutz der erkrankten Gelenke und der Nachbargelenke vor Über- oder Fehlbelastung. Funktions- und Lagerungsschienen Schmerzen und Schwellung führen am entzündeten Handgelenk rasch zu einer Schonhaltung. Das Hantieren in dieser Fehlhaltung im Alltag, kombiniert mit einer Kapselbandinstabilität durch Schwellung, begünstigt die Entwicklung von Fehlstellungen im Finger-Handbereich. Sind die Finger- oder Daumengelenke mit betroffen, helfen spezielle Lagerungsschienen. Sie korrigieren die jeweiligen Fingerfehlstellungen und evtl. das Handgelenk. Je nach Befund werden die Schienen stundenweise nachts oder auch tagsüber angelegt. Funktionsschienen helfen die Gelenkachse zu korrigieren, so dass diese auch bei Alltagsbewegungen, wie z.B. dem Schreiben, beibehalten wird. Das instabile Handgelenk führt zu einem erheblichen Kraft- und Funktionsverlust der Finger. Durch Stabilisation des Handgelenkes mit einer kurzen Handschiene erhält die Hand wieder Kraft in ihrer Greiffunktion. Ist die Hand wieder in die normale Position gebracht und dort stabilisiert , kann auch die Hand-, Fingermuskulatur wieder richtig zusammenarbeiten. Es kann sich wieder ein Muskelgleichgewicht einstellen. Aufgaben der Funktionsschienen ◆ Korrektur beginnender Fehlhaltungen oder bereits vorhandener Fehlstellungen ◆ Stabilisierung des Handgelenkes in der korrigierten Position ◆ Verbesserung der Kraftübertragung im Finger-/Handbereich durch Stabilisation des Handgelenkes 82 Wann Handfunktions- bzw. Lagerungsschienen notwendig sind, entscheidet der Arzt zusammen mit der Physio- und Ergotherapeutin, den Eltern und den Kindern . Auf was ist bei der Schienenfertigung zu achten? ◆ Jede Schiene muss dem einzelnen individuellen Befund genau angepasst werden. Dies erfordert mehrere Anproben unter Anwesenheit des Physio- oder Ergotherapeuten und die Kontrolle der fertigen Schiene. ◆ Jedes Gelenk der Hand oder der Finger muss exakt korrigiert werden, so dass die Fehlhaltung bestmöglichst ausgeglichen wird. ◆ Wieviel korrigiert werden kann, ohne Schmerzen zu provozieren und keine Druckstellen zu verursachen, braucht sehr viel Erfahrung seitens der Therapeuten und des Orthopädietechnikers. ◆ Korrigiert die Schiene zu wenig, bringt sie nichts. Korrigiert sie zu viel, verursacht sie Schmerzen und wird nicht getragen. ◆ Handschienen, die nicht dem Befund Kapitel 4 entsprechend angefertigt sind, können auch schaden! ◆ Für welchen Zeitraum die Funktionsoder Lagerungsschienen notwendig sind und in welchen Abständen sie auf ihren Sitz überprüft werden müssen, wird in Absprache des ganzen Teams entschieden. ◆ Wann am Tag die Schienen getragen werden, ist individuell unterschiedlich und richtet sich nach dem jeweiligen Befund. Wichtig • Kleinere Kinder gewöhnen sich meist leichter an Funktionsschienen als Schulkinder. Daher ist es notwendig, die neuen Bewegungsabläufe im Alltag mit der Schiene richtiggehend zu trainieren. In der Ergotherapie erfolgt dies durch spezielles Schreibtraining und funktionelles Training. • Es besteht keine Gefahr, dass das Handgelenk durch das Tragen der Schiene steif wird oder die Muskulatur abnimmt. Im Gegenteil, ohne Schiene wird das Handgelenk muskulär in der Schonhaltung steif gehalten und wird das gestörte Muskelgleichgewicht noch verstärkt. Durch die Versorgung mit Lagerungsund Funktionsschienen können schwere Fehlstellungen der Finger und Hände weitgehend vermieden werden. So können die meisten Kinder eine gute Handfunktion erhalten. Einlagen und Schuhversorgung Der Fuß trägt das gesamte Körpergewicht. Seine Stabilität wird vor allem durch kräftige Bänder gewährleistet. Schmerzen und Schwellung im Bereich der Fußgelenke können zu Lockerung von Kapsel und Bändern und zu einer veränderten Gelenkstellung führen. Sind Fuß- oder Zehengelenke betroffen, verändert sich durch die Schmerzen die Belastung und Abrollbewegung des Fußes. Wichtig Da der Fuß das gesamte Körpergewicht trägt, muss er von Anfang an vor Fehlbelastungen und Fehlstellungen geschützt werden. Durch eine Einlage werden die Achsen des Fußes wieder aufgerichtet und die Fußgewölbe unterstützt. Die erkrankten Gelenke werden stabilisiert und durch Unterpolsterung entlastet. Die Art der Einlage richtet sich auch hier nach dem jeweiligen Befund. Bevor die Einlage angefertigt wird, muss die Ursache für die jeweilige Schon- oder Fehlbelastung des Fußes herausgefunden sein. Folgende Fragestellungen spielen eine Rolle: • Welche Fehlstellung zeigt der Fuß, wie sieht er von hinten aus? • Kann die Fehlstellung unter Belastung, z.B. im Zehenstand, ausgeglichen werden? • Lässt sich die Fehlstellung ohne Belastung korrigieren? • Wo sind die Belastungspunkte des Fußes, sichtbar an der Hornhautbildung der Fußsohle? • Wie schmerzhaft ist der Fuß als Ganzes? 83 Krankengymnastik • Welche Stellen des Fußes sind bei Belastung schmerzhaft? 4 Aus den Antworten ergeben sich, in Absprache mit dem Orthopädieschuhmacher, die individuell notwendigen Einlagen. Woran lässt sich erkennen, ob die Einlage passt? • Die Schmerzen nehmen ab. • Das Kind fühlt sich mit der Einlage beim Gehen wohl. • Das Gangbild verbessert sich. Die Einlage benötigt einen ausreichend großen Schuh mit weicher Sohle. Von der Größe her benötigen die Zehen einen freien Spielraum von ca. 0,8 cm. Turnschuhe eignen sich meist gut, da sich die Innensohle herausnehemen lässt. 84 Auf was ist bei den Einlagen zu achten? ◆ Sie dürfen nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel korrigieren. Korrigiert die Einlage zuviel, bereitet sie Schmerzen. Korrigiert sie zu wenig, bringt sie nichts. ◆ Die entzündeten Gelenke des Fußes benötigen eine weiche Einlage zur Dämpfung. Eine harte Einlage kann die Schmerzen verstärken. ◆ Die Einlage muss die Länge des ganzen Fußes, plus 0,8 cm Zehenzugabe für die Abrollbewegung, umfassen. Barfußlaufen führt bei akut betroffenen Fußgelenken zu keiner Kräftigung der Muskulatur, sondern führt eher in die Fehlhaltung. Wann Barfußlaufen angezeigt ist, wird am besten mit dem Physiotherapeuten besprochen. Kapitel 5 Physikalische Therapie Vielseitige Möglichkeiten mit großer Wirkung Hans-Jörg Händel » » » » » Massage ........................................................................................ 86 Elektrotherapie ............................................................................ 90 Thermotherapie ............................................................................ 95 Hydrotherapie ............................................................................ 100 Bewegungsbad ........................................................................... 100 85 Physikalische Therapie 5 Die physikalische Therapie ist ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung rheumakranker Kinder. Sie konzentriert sich überwiegend auf die Therapie von Schmerzen und ihren Folgeerscheinungen, wie Muskelverspannungen oder auch Bewegungseinschränkungen, kommt aber auch bei begleitenden Ödemen oder Gewebsverhärtungen bzw. -verklebungen zum Einsatz. » Massage Klassische Massage (Abb. 1) Die klassische Massage ist eine seit dem Altertum bekannte und fortlaufend verbesserte Methode zur Behandlung von Krankheiten des Bewegungsapparates. Verschiedene Grifftechniken wie Streichungen, Knetungen und Walkungen werden je nach Befund schwerpunktmäßig eingesetzt. In der heutigen klassischen Massage sind grobmechanische Techniken von einer milderen, reflektorisch wirkenden Arbeitsweise abgelöst worden. Dies gilt besonders für die Behandlung von Kindern mit Arthritis, da Schmerzen bei der Massage sofort eine Gegenspannung auslösen. Mit der Entdeckung von Reflexzonen in Haut, Bindegewebe und Muskulatur (Head und Mackenzie) haben sich die Möglichkeiten der Massage deutlich erweitert. Örtlich wirksame Reize können die Durchblutung verändern und Lymphverschiebungen bewirken, Mus86 kelspannung senken oder auch anregen, sowie erbsengroße Verhärtungen im Muskel (Myogelosen) behandeln. Außerdem gelingt es, gezielt reflektorisch auf vegetativ gestörte Organe und Gefäßbezirke einzuwirken. Wirkung Die klassische Massage fördert die Durchblutung und Entspannung der angespannten und schmerzhaften Muskulatur, die das entzündete Gelenk in der Schmerz-Schonhaltung fixiert. Auf diese Weise vorbereitet, lässt sich die Muskulatur in der anschließenden krankengymnastischen Behandlung effektiv dehnen. Folgende Punkte sollten beachtet werden: • Entzündete Gelenke dürfen durch zu großflächige und kräftige Massagegriffe nicht unnötig überwärmt werden. • Die Massage wirkt nur dann entspannend, wenn die Schmerzgrenze nicht überschritten wird. • Vertrauen ist die Grundlage einer entspannten Behandlung. Kleine Kinder sollten daher anfangs nicht in Bauchlage massiert werden, bis sie mit dem Therapieablauf vertraut sind. • Die schmerzhaften Körperregionen müssen so gelagert werden, dass die Kinder ihre Muskulatur entspannen können. Friktionen (intensive Quermassagen am Sehnenansatz) Friktionen an rheumatisch entzündeten Sehnenansätzen und Sehnenscheiden Kapitel 5 Abb. 1: Kindgerechte Massage Abb. 2: Lymphdrainage zur Schmerzlinderung 87 Physikalische Therapie 5 können zu leichten Mikrotraumen und erneuten Schmerzzuständen mit ihren Folgen (vgl. Schmerzkreis Seite: 65) führen. Bei der Arthritis sollten daher keine Friktionen, sondern nur leichte Quermassagen zum Lösen von Verklebungen ausgeübt werden. Bindegewebsmassage (BGM) Die Bindegewebsmassage wird bei der Arthritis selten angewendet. Einzelne Techniken (Anhangsstriche) unterstützen in der Kontraktur- und Narbenbehandlung das Lösen von Verklebungen. Manuelle Lymphdrainage (ML) (Abb. 2) Der Entzündungsprozess kann zu einer verminderten Transportkapazität der Lymphgefäße führen, mit der Folge einer ödematösen Schwellung, die sich nicht nur in der Gelenkinnenhaut, in der Gelenkkapsel, der Knochenhaut, dem umhüllenden Bindegewebe und den Sehnen bemerkbar macht, sondern sich auch zu einem regelrechten Lymphödem entwickeln kann. Wirkung Die manuelle Lymphdrainage bewirkt eine Verschiebung der Gewebsflüssigkeit und eine Erhöhung der Lymphgefäßbewegung. Die Verminderung des Gelenksinnendruckes entlastet die Schmerzrezeptoren und führt zu einer Schmerzlinderung. Das erregende Nervensystem (Sympathikus) wird gedämpft und eine bessere Beweglichkeit im Gelenk erreicht. 88 Behandlung Im Rahmen des physikalischen Therapieplanes sollte die ML nach der Kälteanwendung (min. 30 Minuten) und vor der Bewegungstherapie erfolgen. Wann darf die ML nicht angewendet werden? (Kontraindikationen) Allgemein: • Akute Entzündungen, verursacht durch Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren • Wassereinlagerungen in das Gewebe, bedingt durch Herzerkrankungen • Bösartige Prozesse (relative Kontraindikation) Für die Halsbehandlung: • Herzrhythmusstörungen • Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose, Basedow-Krankheit). • Überempfindlichkeit im Halsbereich Kompressionstherapie Die Kompressionstherapie ist eine spezielle druckausübende Wickelung im Bereich des betroffenen Gelenkes im Anschluss der Manuellen Lymphdrainage. Da sich die Überwärmung des Gelenkes durch die Wickelung verstärken kann, wird die Kompressionstherapie in der Kinderrheumatologie selten eingesetzt. » Kombinierte Behandlungstechniken Kontrakturbehandlung (Abb. 3) Die Kontrakturbehandlung wird mittels klassischer Massage und Techniken aus der Bindegewebsmassage und der manuellen Lymphdrainage durchgeführt. Kapitel 5 Wirkung • Lockerung der gelenkumgebenden Muskulatur • Bessere Entsorgung der entzündlichen Schlackenstoffe besser durch das gelockerte Gewebe abzutransportieren. Vorgehen Anfangs werden die gelenkumgebenden Muskelgruppen mit klassischer Massage gelockert. Während dieser Behandlungsschritte wird die Muskulatur immer wieder mit Griffen der klassischen Massage zur Muskelentspannung und Schmerzlinderung behandelt. Bindegewebsstriche unmittelbar am betroffenen Gelenk lösen dort Verklebungen. Verklebungen an Sehnen und Sehnenscheiden werden zusätzlich mittels Quermassagen gelöst. Alle Maßnahmen in dieser Reihenfolge tragen zu einer verbesserten Gelenkbeweglichkeit bei. Verklebungen zwischen Haut, Unterhaut und Bindegewebe lassen sich mit Hautfaltgriffen lösen. Anschließend ist es sinnvoll, den Patienten krankengymnastisch zu behandeln, Gipsschienen anzulegen oder ihn zu lagern. Die manuelle Lymphdrainage wird lokal im Bereich der Kontraktur eingesetzt, um direkt am betroffenen Gelenk den Rücktransport zu fördern. In Verbindung mit der manuellen Lymphdrainage hilft die klassische Massage über die Durchblutungsförderung, Stoffwechselendprodukte und die Entzündungsstoffe Abb. 3: Kontrakturbehandlung am Knie Narbenbehandlung (Abb. 4) Eine gezielte Narbenbehandlung beschleunigt die Wundheilung. Sie hilft Narbenkontrakturen zu verringern und verbessert die Haut- und Narbenelastizität. Abb. 4: Postoperative Nachbehandlung 89 Physikalische Therapie Therapeutisch werden die klassische Massage, die manuelle Lymphdrainage und Grifftechniken aus der Bindegewebsmassage eingesetzt. 5 Vorgehen Durch Lockern, der um die Narbe gelegenen Muskulatur, wird das Narbengewebe entlastet. Es entwickelt sich im Narbenbereich eine leichte Steigerung der Durchblutung. Diese fördert den Abtransport von Stoffwechselendprodukten und somit den Heilungsprozess. Die Behandlung postoperativer Ödeme durch die manuelle Lymphdrainage (ML) wird gerade in der Handchirurgie und nach Knie- und Hüftsynovektomien mit Erfolg eingesetzt. Der optimale Behandlungszeitraum liegt zwischen dem 2. -21. postoperativen Tag. Wirkung • Senken des Gewebsdruckes • Schmerzdämpfung • Verbesserte Wundheilung • Verbesserte Hautelastizität (wichtiger Faktor in Anbetracht der reduzierten Gelenkbeweglichkeit) dehnfähig wird. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die dazugehörigen Muskelgruppen mit der klassischen Massage behandelt und die ML zur oben genannten Wirkung eingesetzt. Vorsicht: Da im Rahmen der Bindegewebsmassage leichte, schneidende und ziehende Schmerzen auftreten können, ist eine gute Vertrauensbasis zum Kind notwendig. Nur dann ist es für die Behandlung kooperativ. » Elektrotherapie Die Elektrotherapie wird in der Kinderrheumatologie in erster Linie zur Linderung von Schmerzen und zur Muskelentspannung eingesetzt. Selbst bei Kleinkindern ist bei Einhaltung folgender Grundsätze eine Elektrotherapie möglich: • Individuelle Anwendung • Genaue Elektrodenlage • Vorsichtige Wahl der Stromintensität, Reizfrequenz und Impulsdauer Gute Erfolge lassen sich mit folgenden Therapieformen erzielen: Kontraindikation Siehe Abschnitt Lymphdrainage. Zwei bis drei Tage nach Entfernen der Fäden kann mit vorsichtigen Anhangstrichen der Bindegewebsmassage direkt im Narbenbereich begonnen werden. Sie lockert die unteren Hautgewebsschichten, wodurch die Narbe geschmeidig und 90 • Interferenzstrom • Hochvolttherapie • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) • Ultraschall Diese Stromformen sind vom Hautgefühl her gut verträglich, so dass ihre Kapitel 5 Anwendung auch von kleinen Kindern akzeptiert wird. Herkömmliche niederfrequente Reizströme dagegen verursachen ein brennendes Hautgefühl, das die Kinder unnötig verängstigt. Diese Stromform wird beim Kind nicht eingesetzt, außer bei der Iontophorese, hier jedoch nur bei älteren Patienten und mit geringen Intensitäten. Interferenzstrom (Abb. 5) Beim Interferenzstrom handelt es sich um einen mittelfrequenten Reizstrom, bei dem zwei mittelfrequente Wechselströme mit einer Frequenz von ca. 4000 und 3800 Hz zusammenfließen. Interferenzstrom besitzt im Vergleich zu herkömmlichen, niederfrequenten Strömen den Vorteil einer höheren Eindringtiefe ohne sensorische Belastung der Haut. Abb. 5 Interferenzstrom zur Muskelentspannung und Schmerzlinderung • Chronische Beschwerden, höhere InIndikation • Schmerzen • Kontrakturen • Lymphödeme • Narbenbehandlung Wirkung • Schmerzlindernd • Stoffwechselsteigernd • Muskelentspannend Dosierung Die Intensität richtet sich nach Krankheitsstadium und Konstitution des Patienten: • Je akuter die Beschwerden, desto geringer die Intensität. tensität. In jedem Fall sollte die Stromstärke motorisch unterschwellig (es darf zu keiner Muskelanspannung durch die Elektrotherapie kommen) und für den Patienten angenehm sein. Vorgehen Vier Saugelektroden ermöglichen eine gezielte und einfache Anwendung. Das zu behandelnde Gebiet liegt im Kreuzungsbereich der Elektroden. Insbesondere kontrakte und schmerzhafte Hüftgelenke lassen sich auf diese Weise gut behandeln. 91 Physikalische Therapie 5 Wann darf der Interferenzstrom nicht angewendet werden? (Kontraindikation) Keine Durchflutung von Herzschrittmachern, Tumoren, akute Entzündungen, Schwangerschaft, Metallimplantaten (Direktdurchflutung)! Hochvolttherapie Neben den zuvor genannten traditionellen Reizstromtherapieverfahren findet die Hochvolt-Therapie zunehmend Verbreitung. Sie benutzt ultrakurze Einzeloder Doppelimpulse von 25 bis 40 Mikrosekunden. Da die extrem kurze Impulsdauer kein Hautkribbeln auslöst und eine erwärmende Wirkung ausschließt, können niedrige Intensitäten mit einer hohen Eindringtiefe therapeutisch eingesetzt werden. Durch gezieltes Ansprechen der schnellen Nervenfasern lässt sich eine wirkungsvolle Schmerzdämpfung erzielen. Die Verträglichkeit der Hochvolt-Therapie ist so gut, dass sogar die Behandlung von Schleimhäuten und offenen Wunden möglich ist. Indikation • Allgemeine Schmerzbehandlung • Kontrakturbehandlung • Stoffwechselaktivierung Wirkung • Gefäßerweiterung • Durchblutungsförderung • Förderung des Sauerstoffaustausches • Verbesserung der Lymphbewegung • Detonisierung verspannter Muskulatur • Schmerzstillung • Entzündungshemmung 92 Vorsicht: Motorisch überschwellige Behandlungen führen zu Muskelanspannung, haben keine detonisierende Wirkung und können kleinere Kinder verängstigen. Wann darf die Hochvolttherapie nicht eingesetzt werden? (Kontraindikationen – siehe Interferenzstrom) Iontophorese Bei der Iontophorese werden Medikamente im ionisierten (d.h. elektrisch geladenen) Zustand aus einer aufgetragenen, Medikamenten-Ionen-haltigen Salbe mit Hilfe von Gleichstrom über die Haut eingebracht. Verwendet werden niederfrequente Ströme. Bereits mit 0,1 Milliampere pro cm2 lässt sich, bei geringer sensibler Belastung des Patienten, eine Wirkung der Iontophorese erzielen und ist auch bei älteren Kindern und Jugendlichen ohne negative Nebeneffekte anwendbar. Bei dieser geringen Stromintensität ist die Menge der eingebrachten Medikamenten-Ionen einzig und allein abhängig von der Behandlungsdauer. Es dürfen nur Salbenpräparate verwendet werden, auf deren Beipackzettel die Iontophorese zugelassen ist. Die Behandlungshäufigkeit richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung. Je akuter, desto häufiger. Indikation • Allgemeine Schmerzbehandlung • Enthesiopathien (schmerzhafte Veränderungen im Sehnenansatzbereich) Kapitel 5 Wirkung • Einbringen von Salben durch die intakte Haut mittels der Elektrotherapie zur Schmerzlinderung und Mehrdurchblutung. Dosierung • Behandlungszeit wird, mit 10 - 20 Minuten beginnend, schrittweise gesteigert. Wann darf die Iontophorese nicht angewendet werden? (Kontraindikationen) Keine Elektrodenanlage im Bereich von Metallimplantaten, Herzschrittmachern und bösartigen Prozessen. Vorsicht: Motorisch überschwellige Intensitäten(der Strom darf nicht so stark sein, dass die Muskulatur anspannt) sollten bei Kindern nicht eingesetzt werden. Die individuelle Stromempfindlichkeit muss beachtet werden. TENS-Therapie der Empfang der Schmerzsignale im Gehirn blockiert werden, denn es kann immer nur ein Reiz nach dem anderen verarbeitet werden. Ein entscheidender Vorteil der TENSTherapie ist die einfache Handhabung. Ältere Kinder und Eltern können das Verfahren erlernen und selbst durchführen. Bei fachgerechter Anwendung und richtiger Indikation erreicht man eine hohe Erfolgsquote. Der Patient sollte erst durch einen Therapeuten behandelt werden. Wenn sich TENS günstig auf seine Schmerzen aus- Abb. 6: TENS-Therapie zur Schmerzlinderung (Abb. 6) Die Wirksamkeit der TENS-Therapie kann durch die „Endorphin-“ und die „GateControl“-Theorie erklärt werden. Die Endorphin Theorie besagt, dass bei niedrigfrequentem Reizstrom (<10 Hz) eine vermehrte Ausschüttung von Endorphinen (körpereigene Substanzen mit Anti-Schmerzwirkung) zur Schmerzblockade führt. Nach der Gate-Control-Theorie wird der Reizstrom mit Frequenzen über 10 HZ schneller über die Nervenbahnen zum Gehirn weitergeleitet als der Schmerz. Dadurch soll 93 Physikalische Therapie 5 wirkt, wird er individuell mit der für seine Probleme am besten wirksamen Behandlung in die Handhabung und Therapie eingewiesen. Für die Heimtherapie wird vom behandelnden Arzt ein Rezept für ein Leihgerät ausgestellt. Somit hat der Patient die Möglichkeit, die Therapie selbstständig weiterzuführen. In der Behandlung von Kindern mit Arthritis ist die thermische Wirkung aus folgenden Gründen kontraindiziert: • Die Wachstumsfugen werden beeinflusst (eine Schädigung ist nicht auszuschließen). • Durch Erwärmung im Gewebe können sich akute Entzündungen verstärken. Indikation • Alle Arten von Schmerz Die thermische Komponente des Ultraschalls lässt sich durch gepulste Anwendung leicht ausschalten. Unter dieser Voraussetzung können Kinder mit Rheuma bei vorsichtiger Dosierung durchaus von der positiven Wirkung des Ultraschalls profitieren. Dosierung Bei Bedarf mehrmals täglich 10 - 20 Minuten. Wann darf die TENS-Therapie nicht angewendet werden? (Kontraindikationen – siehe Interferenzstrom) Ultraschalltherapie (Abb. 7) Ultraschalltherapie ist keine Elektrotherapie, sondern eine hochfrequente Mikromassage. Sie wirkt thermischmechanisch und nimmt Einfluss auf den Stoffwechsel. Abb. 7: Ultraschall zur Mikrovibrationsmassage 94 Indikation • Sehnenansatzentzündung („Enthesitis“), die hauptsächlich bei Patienten mit HLA-B27-assoziierter Oligoarthritis auftritt. • Sehnenscheidenentzündung (Tenosynovitis), insbesondere der Fingerflexoren im Bereich des Handtellers und der Finger. • Muskelverspannungen, besonders im Bereich der Iliosakralgelenke. Wirkung Der gepulste Ultraschall besitzt immer eine Frequenz von 100 Hz und zeigt folgende besondere Wirkungen: • Dämpfung des erregenden Nervensystems (Sympathikus) • Durchblutungsförderung • Muskelentspannung • Schmerzlinderung Kapitel 5 Häufigkeit der Behandlung bei Kindern Die Behandlung sollte 2-4-mal wöchentlich durchgeführt werden. Vorsicht: Bei Kindern darf nur gepulster Ultraschall angewendet werden, aufgrund der regelmäßigen Unterbrechung der Schallenergie ist mit einer unerwünschten Erwärmung nicht zu rechnen. phorese eingesetzt werden. Durch die Kombination von Ultraschall und Medikament wird die Eindringtiefe des Medikamentes über die Haut erhöht. Dazu können Salben und Gels mit der Eigenschaft „Iontophorese geeignet“ (Beipackzettel) verwendet werden. » Thermotherapie (Abb. 8) Wärme • Geringe Definitionsgemäß wird zwischen 26 38°C von Wärme gesprochen. Therapeutisch lässt sich Wärme an betroffenen Gelenken ohne akute Entzündung, jedoch mit eingeschränkter Gelenkfunktion nutzen. Merke Generell liegt die Intensität bei Kindern um 0,10 - 0,15 W/cm2 niedriger als bei Erwachsenen. Wann soll Wärme angewandt werden? Wärme führt zu einer vermehrten Durchblutung und Entspannung der Muskulatur. Daher sollte Wärme hauptsächlich auf verspannter und verkürzter Muskulatur angewandt werden. An Rükken und Halswirbelsäule werden Wärmepackungen von den Kindern gut vertragen und akzeptiert. Intensität Die Intensität variiert von 0,15 - 0,35 Watt /cm2. Intensität bei kleinflächigen Bereichen, direkt unter der Haut liegenden Strukturen und überhaupt bei kleinen Kindern. • Höhere Intensität bei größeren Flächen, tieferliegenden Strukturen und bei größeren Kindern. Anwendungsdauer • An kleineren Flächen 3 - 4 Minuten • An größeren Flächen 4 - 5 Minuten Spezielle Anwendungen • Die Ultraschalltherapie von Hand oder Fuß lässt sich auch gut im Wasser durchführen. Hierzu sollte die Wassertemperatur für den Patienten angenehm sein. • Der Ultraschall kann auch zur Phono- Indikation • Muskelverspannungen • Muskelkontrakturen • Bewegungseinschränkungen nach abgeklungener akuter Arthritis Wirkung • Muskelentspannend • Schmerzlindernd, sofern die Muskelverspannung den Schmerz auslöst • Durchblutungsfördernd 95 Physikalische Therapie Wann darf Wärme nicht angewendet werden? (Kontraindikationen) Akute Arthritis, Fieber, Herzbeteiligung bei systemischer JIA („Still-Syndrom“). Hitze 5 Von Hitze wird bei Temperaturen über 41° C gesprochen. Hitze wird im Wesentlichen wie die Wärmeapplikationen, jedoch nur als Kurzzeitanwendung eingesetzt. Abb. 8: Fango zur Muskelentspannung Häufigste Anwendungsformen • Fango • „Hotpack“ (im Handel als „Cold-Hotpack“ erhältlich und durch Einlegen in heißes Wasser in Hotpack umwandelbar) • Wärmflasche • Eine andere Möglichkeit sind Baumwollsäckchen mit eingenähten Kirschkernen oder Dinkelkissen, die in der Mikrowelle erwärmt werden können. Vorsicht: Bei akuter Arthritis darf Wärme nicht direkt auf das Gelenk appliziert werden. Dagegen lässt sie sich zur Entspannung im Bereich der verspannten Muskulatur anwenden. Kinder sind hautempfindlicher als Erwachsene. Daher müssen die behandelten Hautbereiche kontrolliert und Beschwerden der Kinder ernst genommen werden. 96 Indikation • Muskelverspannungen • Muskelkontrakturen • Schwellungen (Trauma oder Operationen) Wirkung • Das Lymphsystem wird aktiviert, dadurch erhöhter Abtransport von Schlackenstoffen • Aktivierung der Kältesensoren der Haut, Muskeltonuserhöhung und Muskeltonussenkung beim Entfernen der Hitze, als Langzeitwirkung die Entspannung • Minderung von Ödemen Häufigste Anwendungsformen • Heiße Rolle, zuerst tupfen, später rollen • Hotpacks, extrem heiß, zur Abtupfung • Andere Wärmeträger Wann darf Hitze nicht angewendet werden? (Kontraindikationen) • Akute Arthritis (bei Anwendung direkt auf dem Gelenk) • Kollagenosen • Vaskulitis • Fieber Kapitel 5 Kälte (Abb. 9) Anwendungen von 0° - 18° werden als Kälte- oder Kryotherapie bezeichnet. Wann soll Kälte angewandt werden? Zur Kälteanwendung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung (s.u.). Die Auswahl richtet sich nach der Anzahl der betroffenen Gelenke, die gekühlt werden sollen, nach dem Alter des Kindes und nach der entzündlichen Aktivität der betroffenen Gelenke. Jedes Gelenk, das überwärmt oder nur geschwollen ist, sollte gekühlt werden. Durch kühlende Anwendungen wird dem Gelenk die überschüssige Wärme entzogen. Dies führt zu einer Entzündungshemmung bei gleichzeitiger Schmerzlinderung. Zur Entzündungshemmung ist ein lang anhaltender Abfall der Gewebstemperatur im betroffenen Gelenk notwendig, so dass sich das Gelenk nach der Kälteanwendung noch für ca. 20 Minuten kühl anfühlt. Die Tendenz geht nach den Erkenntnissen der letzten Jahre weg von extrem kalten Applikationen, hin zur Anwendung von milderer Kälte. Dies kann man zum Beispiel mit Kryogelpackungen erreichen, die noch einige Zeit außerhalb des Gefrierschranks lagern, bevor sie angelegt werden. Dann sind sie etwas wärmer und weicher. Für jedes Kind muss individuell ausprobiert werden, welches die günstigste Anwendungsform ist. Viele Kinder kön- nen selbst sehr genau darüber Auskunft geben. Schmerzen bei Kälteanwendungen oder ein stechendes Gefühl sind Anzeichen dafür, dass Kälte nicht vertragen wird. Als Alternative bieten sich mildere Kälteanwendungen an. Indikation • Schmerzlinderung • Entzündungshemmung Wirkung • Schmerzlinderung durch Hemmung der Nervenleitgeschwindigkeit • Senkung der Gewebetemperatur Anwendungsdauer • Schmerzlindernde Wirkung, 1 - 5 Minuten • Entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung, 10 - 12 Minuten Häufigste Anwendungsformen (Abb. 10) • Kryogelbeutel • Packungen mit Eischips • Eis am Stiel • Kaltes Moor • Alkohol- oder Eiswasserwickel • Verschiedene kühlende Hausmittel, z.B. Quarkwickel Kryogel-Packungen Kryogelpackungen können in der Apotheke in verschiedenen Größen bezogen werden. Sie sind sehr praktisch, da sie einfach in das Eisfach oder in den Kühlschrank gelegt werden können und so mehrmals täglich gebrauchsfertig sind. Sie können an mehreren Gelenken 97 Physikalische Therapie gleichzeitig angelegt werden und sind daher auch gut im Bett zu verwenden. Zwischen Packung und Haut muss eine dickere Stoffschicht liegen. Das Gelenk wird auf diese Weise anhaltend gekühlt, ohne dass die Haut selbst zu kalt wird. 5 Eis am Stiel Dies ist ganz einfach selbst herzustellen. In einen Joghurtbecher wird Wasser gefüllt und ein Holzstäbchen hineingestellt. Das Ganze wird im Eisfach gefroren. Unter heißem Wasser lässt sich das Eis gut aus dem Joghurtbecher herausnehmen. Beim Einreiben ist darauf zu achten, dass das Eis gleichmäßig über eine große Hautfläche verrieben und nicht an einer Stelle gehalten wird, da es sonst zu Kälteschäden an der Haut kommen kann. Besonders kleinere Kinder mögen diese Art der Kälteanwendung sehr gerne, da sie dabei selber tätig sein können. Sie sollten dabei aber in jedem Fall überwacht werden! Mildere Kälteanwendungen sind alle Arten von kühlen Umschlägen, wie z.B. Quarkumschläge, kaltes Moor, essigsaure Tonerde usw. Sie sind jedoch aufwendig und im Alltag häufig umständlich anzulegen. Besonders gut eignen sie sich bei Sehnenansatzschmerzen und Sehnenscheidenentzündungen. Eine weitere Form der milderen Kälteanwendung sind Alkoholwickel Dabei wird Isopropylalkohol mit Wasser verdünnt und damit getränkte Tücher um das jeweilige Gelenk gewickelt. Dies ist auch bei Kleinkindern an Zehen- und Fingergelenken gut anwendbar. Es sollte 98 jedoch auf die Hautverträglichkeit geachtet werden. Anschließend gute Hautpflege (Abb. 11). Hausmittel sind trockene Erbsen oder Kirschkerne Sie werden in einem Stoffbeutel tiefgefroren und anschließend großflächig auf das Gelenk gelegt. Merke Je weiter das Gelenk vom Körpermittelpunkt entfernt ist, desto milder sollte die Kälteanwendung sein. Es sollten maximal 6 Eisapplikationen gleichzeitig angelegt werden. Vorsicht: Kleine und sehr schlanke Kinder kühlen leicht aus. Daher nur milde Kälte verwenden und nur wenige Applikationen gleichzeitig anlegen. Vorsicht ist immer dann geboten, wenn auf der Haut weiße Flecken entstehen. Das bedeutet, dass die Anwendung zu kalt oder zu lang war. Die empfindliche Haut von Kindern kann mit Erfrierungen reagieren. Im Alltag des Kindes bewähren sich Kälteanwendungen morgens nach dem Aufstehen, in der Mittagspause oder abends vor dem Schlafengehen. Wann dürfen Kälteanwendungen nicht angewendet werden? (Kontraindikationen) • Kälteunverträglichkeit • Kollagenosen • Durchblutungsstörungen, Vaskulitis Kapitel 5 Abb. 9: Kindgerechte Kältetherapie Abb. 10: Eisbeutel Abb. 11: Alkoholumschläge Abb. 12: Unterwassermassage Abb. 13: Bewegungsbad zur Entspannung und Bewegungserweiterung 99 Physikalische Therapie » Hydrotherapie Unterwassermassage (UWM) 5 wird durch die verbesserte Durchblutung der Abtransport von Schlackenstoffen gefördert. (Abb. 12) Indikation • Muskelkontrakturen • Narbenkontrakturen • Verspannungen Wirkung • Durch die intensive Massage mit dem Wasserstrahl kommt es zur Durchblutungsförderung und Muskelentspannung • Über die Gewebelockerung können sich Muskel- und Narbenkontrakturen verbessern Vorsicht: Bei systemischen Verlaufsformen ist die Absprache mit dem Arzt notwendig. Bei akuten Entzündungen darf die Unterwassermassage nicht angewandt werden. Kneipp`sche Güsse Indikation • Schmerz • Vegetative Durchblutungsstörungen Wirkung • Durch den Kältereiz auf das Gewebe wird der Körper kurzzeitig unter Stress gesetzt, die Durchblutung wird gefördert und anschließend, wenn der Patient nachruht, kommt es zu einer Muskelentspannung und somit zu einer Schmerzlinderung. Außerdem 100 Wann dürfen Kneipp`sche Güsse nicht angewendet werden? (Kontraindikation) • Akute Entzündung • Bei systemischer Verlaufsform Behandlung nur in Absprache mit dem Arzt » Bewegungsbad (Abb. 13) Bei einer Wassertemperatur von 32 Grad Celsius dient das Bewegungsbad der Muskelentspannung und Entlastung von schmerzhaften Gelenken. Selbst Kinder mit erheblichen Gelenkeinschränkungen können sich im Wasser unbeschwert austoben. Neben dem entspannenden Effekt steht die positive psychische Wirkung des freien Bewegens im Vordergrund. Vorsicht: Bei systemischen Verlaufsformen ist die Absprache mit dem Arzt notwendig. Die Badezeit sollte in der Regel 30 Minuten nicht überschreiten. Erklärung Kontraktur: Muskel-, Gewebs- und Sehnenverkürzungen im Gelenksbereich Kapitel 6 Ergotherapie C. Weigert, K.Fischer 101 Ergotherapie 6 Die Ergotherapie unterstützt die wichtige Aufgabe, körperliche, seelische und soziale Folgen der chronischen Arthritis zu beseitigen oder zu mindern. Durch eine größtmögliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit werden die Kinder und Jugendlichen in ihrem individuellen Schul-, Berufs-, Freizeit und Alltagsleben gefördert. Die Ergotherapie ergänzt die krankengymnastische Behandlung, indem sie die erreichten funktionellen Verbesserungen in die Aktivitäten des täglichen Lebens umsetzt. Funktionen, die das Kind durch die Erkrankung verloren hat, werden durch Gelenkmobilisation, Muskelkräftigung und Schulung der Bewegungskoordination wieder erlernt, immer unter Berücksichtigung des Gelenkschutzes. Das Kind wird in der Ergotherapie entsprechend seinen Fähigkeiten behandelt. Die Ergotherapie nutzt die in jedem Menschen vorhandene Neigung zum Schöpferischen. Die Kinder und Jugendlichen äußern selbst ihre Interessen und Neigungen, auf denen die Behandlung aufbaut. Dabei kommen unterschiedliche Materialien zum Einsatz (Fingermalfarbe, Peddigrohr, Ton, Papier etc.). Therapeutisches Vorgehen Die Ergotherapie rheumakranker Kinder und Jugendlicher gliedert sich in folgende Bereiche: • Funktionelles Training • Anfertigung von Handschienen und Eintrainieren im Umgang damit • Gelenkschutz und Hilfsmittelversorgung 102 Je nach Befund und Tagesform stehen einzelne Bereiche im Vordergrund. Manche Kinder benötigen nur Teilaspekte, andere die gesamte Palette der Behandlung. Funktionelles Training Hierbei lernen die Patienten, die in der Krankengymnastik verbesserte Beweglichkeit in den Ablauf von Alltagsbewegungen einzubeziehen. Dabei achten die Therapeuten auf ein schonendes Arbeiten in einer möglichst achsgeraden Gelenkstellung. Während die Kinder handwerklich arbeiten, werden Gelenkfehlstellungen von den Therapeuten korrigiert (Abb. 1). Beim funktionellen Training verlieren die Kinder ihre passive Patientenrolle und werden zum aktiven Handeln angeregt. Ihr selbstgewähltes kreatives Tun steht im Vordergrund. Die fertigen Produkte fördern das Selbstwertgefühl und steigern das psychische Wohlbefinden der Kinder (Abb. 2). Zum funktionellen Training gehört auch die sensomotorische Stimulation der Handinnenflächen. Dies geschieht durch arbeiten und spielen mit unterschiedlichen Materialien wie Ton, Fingerfarben, Knete, Rasierschaum oder auch Kirschkernsäckchen, Linsenbad etc (Abb. 3, 4). Mit der sensomotorischen Stimulation wird erreicht, dass das Kind die erkrankte Hand wieder verstärkt einsetzt. Wachstums- und Entwicklungsstörungen der Hand, verursacht durch Mindergebrauch, können somit verbessert werden. Kapitel 6 Abb. 2: Stolz und glücklich präsentiert der Junge seinen selbstgebastelten Elefanten Abb. 1: Beim Handabdruck mit Fingerfarben korrigiert die Ergotherapeutin die Handachse des Kindes Abb. 4: Auch beim Malen mit Fingerfarben wird die Sensomotorik geschult. Die Ergotherapeutin überwacht den Bewegungsablauf und kann gegebenenfalls die Handstellung korrigieren. Abb. 3: Mit Rasierschaum einen Spiegel „bemalen“ macht Spaß und trainiert die Sensomotorik der Handflächen Abb. 5: Beim Seidenmalen üben die Kinder den ersten Umgang mit den Handschienen. 103 Ergotherapie Anfertigung von Handschienen und Eintrainieren im Umgang damit 6 Die Ergotherapeuten fertigen aus thermoplastischem Kunststoff individuelle Handschienen an. Nähere Angaben zu den Prinzipen der Schienenanfertigung finden Sie im Kapitel Physiotherapie (s. S. 85). Die Handschienen werden von den Kindern und Jugendlichen nur dann akzeptiert, wenn sie gelernt haben, damit umzugehen. Der Einstieg gelingt am besten über kreative Tätigkeiten. Beim Seidenmalen, T-Shirt-Bemalen, Korbflechten etc. lernen die Kinder, mit den Schienen zu arbeiten (Abb. 5). Die Akzeptanz der Schienen wird erhöht durch das Erfolgserlebnis des fertigen Werkes. Sodann wird auf die weniger beliebte Tätigkeit, das Schreibtraining übergegangen. Dabei wird sowohl auf eine schonende Stifthaltung als auch auf eine richtige Sitzposition geachtet. Das Halten der Stifte mit Handschienen wird durch dicke Stifte oder Griffverdickungen erleichtert (Abb. 6). Außerdem erlernen die Patienten zur Entlastung der Fingergelenke als Alternative den Dreipunktgriff. Der Stift wird dabei zwischen Zeige- und Mittelfinger gehalten, wodurch auch die Handachse gerader ist (Abb. 7). Ideal ist, wenn das Kind unterm Schreiben zwischen den Schreibhaltungen wechseln kann, und somit einseitige Belastungen der Hand- und FingerGelenke vermeidet. Ein bequemes, aufrechtes Sitzen kann erleichtert werden durch ein Keil- oder Ballkissen; für Kinder und Jugendliche 104 mit schweren Behinderungen am Hüftgelenk kann evtl. auch ein Arthrodesenstuhl verordnet werden (Abb. 8). Eine schräge Arbeitsfläche verbessert zusätzlich die aufrechte Sitzposition und entlastet Halswirbelsäule und SchulterNackenbereich (Abb. 9). Gelenkschutz und Hilfsmittelversorgung Fehlbelastungen der Gelenke lassen sich häufig durch veränderte Bewegungsabläufe und den Einsatz von Hilfsmitteln vermindern. Diese gelenkschonenden Bewegungen müssen trainiert werden. Mit einem gezielten Gelenkschutztraining kann man Fehlstellungen der Gelenke verbessern oder gar vermeiden. Die Patienten lernen dabei durch Information und praktisches Üben, wie sie ihre Kraft wirkungsvoll einsetzen können, ohne dabei die Gelenke falsch oder zu stark zu belasten. Für Jugendliche bietet es sich an, beim gemeinsamen Kochen in einer Übungsküche verschiedene Hilfsmittel für den Haushalt auszuprobieren (Abb. 10). Sie lernen Alltagsbewegungen gelenkschonend auszuführen und dabei Hilfen wie Spezialmesser, Dosenöffner oder Topfhalter anzuwenden (Abb. 11, 12). Das gemeinsame Kochen und Essen macht Spaß und fördert die Gemeinschaft. In dieser Verbindung nehmen die Jugendlichen gelenkschonende Bewegungsabläufe eher an, als in theoretischen Unterweisungen. Einige wenige Kinder und Jugendliche benötigen Hilfsmittel für ihre Selbständigkeit. Bei Problemen mit der Körper- Kapitel 6 Abb. 6a+b: Stifte können mit einfachen Griffverdickungen aus weichem Plastik oder Moosgummi verstärkt werden (Abb. 6a), Die Griffverdickung erleichtert das Schreiben mit der Handschiene (Abb. 6b) Abb. 7: Beim Dreipunktgriff wird der Stift zwischen Zeige- und Mittelfinger gehalten und vom Daumen geführt. Dieser Schreibstil entlastet die Fingergelenke Abb. 9: Keilkissen und schräge Arbeitsfläche ergänzen sich zu einer günstigen Sitzhaltung, welche den Rücken und die Halswirbelsäule entlastet. Abb. 8: Ein schräges Sitzkissen (rechts) verbessert die Sitzposition. Für Kinder mit schwer betroffenen Hüftgelenken kann ein Arthrodesestuhl (links) mit individuell einstellbarer, zweigeteilter Sitzfläche das Sitzen erleichtern. Abb. 10: Beim gemeinsamen Kochen läßt sich Gelenkschutz im Alltag am nachhaltigsten vermitteln. 105 Ergotherapie 6 pflege, dem Strümpfe oder Schuhe anziehen oder dem Knöpfe schließen wird individuell nach Lösungen gesucht. Oft helfen schon kleine Veränderungen wie z.B. eine Schlaufe / Lasche am Reißverschluss (Abb. 13). Im Handel erhältliche Hilfsmittel sind für Kinder häufig zu groß oder zu lang und müssen auf die kindlichen Maße angepaßt werden. Zusammen mit den Kindern und Jugendlichen wird dann eine bestmögliche, gelenkschonende Handhabung erarbeitet. Bei kleineren Kindern werden die Eltern über die Grundsätze des Gelenkschutzes informiert und angehalten, dem Kind gelenkbelastende Tätigkeiten zunächst noch zu ersparen. Es werden Anregungen und Übungen mit nach Hause gegeben, wie die Eltern Gelenkschutz auch spielerisch mit ihren Kindern durchführen und in den Alltag übernehmen können (Abb. 14). Abb. 11a + b: Beim Brotschneiden mit einem herkömmlichen Messer wird das Handgelenk in der Fehlstellung eingesetzt (Abb.11a), mit einem Spezialmesser wird die Fehlstellung korrigiert (Abb. 11b) – die Handachse ist nun gerade. Abb. 12:a+b: Den Topf mit einem Henkel zu fassen belastet das Handgelenk ungünstig (Abb.12a), mit einem Topfhalter als zweitem Griff verteilt sich die Belastung auf beide Hände in günstiger Stellung (Abb.12b). Abb. 13: Eine Lasche am Reißverschluss erleichtert das Öffnen und Schließen bei stark betroffenen Hand-Fingergelenken, und verleiht den Kindern mehr Selbständigkeit beim Anziehen. Abb. 14: Bei kleineren Kinden können Eltern angeleitet werde, Gelenkschutz im Alltag umzusetzen. 106 Kapitel 7 Pflege I. Übler, A. Bartmann » » » » » » Pflege – worauf kommt es an? ............................................... 108 Was ist bei der Körperpflege zu beachten? ............................ 108 Was ist bei der Verabreichung von Medikamenten zu beachten? .............................................................................. 109 Was ist bei der Verabreichung von Augentropfen bzw. Augensalben zu beachten? ............................................... 110 Wie können Sie Ihrem Kind in einem rheumatischen Krankheitsschub helfen? ........................................................... 110 Wie erhalten Sie einen Überblick über den Krankheitsverlauf Ihres Kindes? ................................................ 111 107 Pflege » Pflege – worauf kommt es an?! Die Pflege eines rheumakranken Kindes erfordert besondere Aufmerksamkeit und Beobachtung. Nehmen Sie Ihr Kind mit allen Sinnen wahr. 7 ... mit den Augen – hinschauen: • Schläft Ihr Kind unruhig - schwitzt es stark im Schlaf? • Kann es sich morgens schlecht bewegen? • Kann es sich gut alleine waschen und anziehen? • Sind die Gelenke Ihres Kindes - gerötet - überwärmt - geschwollen? • Wie sieht die Haut aus - trocken - rote Flecken? • Wie sehen die Augen aus - gerötet entzündet? ... mit den Ohren – hinhören: • Was sagt Ihr Kind — was verschweigt es — und warum? • Oft verschweigen Kinder ihre Schmerzen, weil sie lieber mit anderen Kindern spielen möchten... • Manchmal flüchtet sich ein Kind aber auch in die Krankheit um den alltäglichen Anforderungen auszuweichen (z.B. Schularbeiten machen). ... mit dem Herzen – erspüren Es ist wichtig, das Kind als Persönlichkeit wahrzunehmen, mit all seinen Bedürfnissen: • körperliche Zuwendung schenken; • Oasen der Ruhe schaffen mitten im Alltag; 108 • Kreativ sein im Weglassen von Unnötigem, um Zeit füreinander zu haben... » Was ist bei der Körperpflege zu beachten? Durch die Krankheit, aber auch durch Medikamente oder lokale Anwendungen wie Kälte- oder Wärmetherapie kann es zu Hautveränderungen kommen. Sie sollten den Körper Ihres Kindes gut beobachten und auf folgende Dinge achten: • Trockene Haut / Einrisse an Lippen und Mundwinkeln Hier sind fettende Salben zu empfehlen. Je nach Ausprägung der Hautveränderung sind sie ein- oder mehrmals anzuwenden. Auch rückfettende Ölbäder tun trockener Haut gut, Ihr Hausarzt oder Apotheker kann Ihnen sicher bei der Auswahl der verschiedenen Produkte behilflich sein. • Gefahr von Nagelbettentzündungen und Pilzinfektionen Durch die herabgesetzte Abwehrkraft bei rheumakranken Kindern kann es unter Umständen zu Entzündungen des Nagelbettes oder zu Pilzinfektionen kommen. Bezogen auf die Nagelpflege bietet sich an, die Nägel nach einem Vollbad vorsichtig zu schneiden und darauf zu achten, dass die Fingernägel rund und die Zehennägel gerade geschnitten werden. So können Sie das Einwachsen des Nagels und die mögliche Entstehung einer Nagelbettentzündung vermeiden. Kapitel 7 In den Zehenzwischenräumen, aber auch auf der Mundschleimhaut können sich Pilze ansiedeln. Diese Stellen sollten Sie regelmäßig kontrollieren. Rote Stellen zwischen den Zehen oder weißlicher Belag in den Wangentaschen, der sich nicht wegwischen lässt, sind typische Zeichen. Häufiges Wechseln von Zahnbürste, Waschlappen und Handtüchern sind ein weiterer Beitrag um Pilzinfektionen vorzubeugen. In der Apotheke sind Tablettenboxen mit verschiedenen Einteilungen erhältlich. Suchen Sie sich einen Tag in der Woche aus (am besten Samstag oder Sonntag), an dem Sie mit Ihrem Kind zusammen die Tabletten für die nächste Woche herrichten. Im folgenden Abschnitt finden Sie einige Erfahrungen und Tipps, die Ihnen bei der Verabreichung von Medikamenten helfen können. Wenn es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu Hautveränderungen kommt, sollten Sie auf jeden Fall frühzeitig Ihren Hausarzt darüber informieren. • Bei der Verabreichung von Säften ist » Was ist bei der Verabrei- chung von Medikamenten zu beachten? die genaue Dosierung nicht einfach. 2/5ml Spritzen haben sich hier gut bewährt. Sie sind in der Apotheke erhältlich und können nach Gebrauch ausgespült und somit wieder verwendet werden. • Oft ist es für Kinder nicht leicht TaDie tägliche Medikamenteneinnahme ist fester Bestandteil im Tagesablauf Ihres Kindes. Deshalb ist wichtig, Ihr Kind so früh wie möglich einzubeziehen. Seien Sie ehrlich zu Ihrem Kind. Erklären Sie ihm, wofür die Medikamente sind, die es schlucken muss - wofür sie gut sind, aber auch, was passieren kann, wenn es sie nicht regelmäßig einnimmt. Entwerfen Sie mit Ihrem Kind ein Blatt, ähnlich einem Stundenplan, aus dem es ersehen kann, zu welcher Tageszeit welches Medikament einzunehmen ist. Hängen Sie diesen gut sichtbar und für Ihr Kind erreichbar auf, z. B. am Kühloder Küchenschrank. Mit zunehmendem Alter kann Ihr Kind Schritt für Schritt die eigenständige Einnahme der Medikamente und die Dokumentation übernehmen. bletten zu schlucken. Helfen Sie Ihrem Kind, indem Sie ihm den Ablauf erklären und genaue Anweisungen geben. Hier ein Beispiel: Wählen Sie mit Ihrem Kind ein Lieblingsgetränk aus. Lassen Sie Ihr Kind 1-2 Schluck trinken. Danach soll es den Mund ganz weit öffnen. Legen Sie nun die Tablette ganz hinten auf die Zunge. Das Kind soll nun sofort viel nachtrinken. Kontrollieren Sie anschließend die Wangentaschen, damit Sie sicher sind, dass die Tablette geschluckt worden ist. Vergessen Sie nicht Ihr Kind nach jedem erfolgreichen Versuch zu loben und bleiben Sie geduldig, auch wenn es manchmal mehrer Anläufe braucht. 109 Pflege • Bei 7 manchen Tabletten besteht die Möglichkeit sie zu zerkleinern und dann in flüssiger Nahrung unterzumengen, z. B. Joghurt oder Pudding. In der Apotheke sind Mörser oder Tablettenteiler erhältlich, die das Zerkleinern erleichtern. Manche Tabletten gibt es nicht in der entsprechenden Dosierung, sie müssen geteilt werden. Deshalb ist es wichtig, die Dosierungsangabe auf der Verpackung mit der vom Arzt verordneten Dosierung immer zu vergleichen. Bei Unsicherheiten wenden Sie sich an Ihren Hausarzt. » Was ist bei der Verab- reichung von Augentropfen bzw. -salben zu beachten? Das Verabreichen von Augentropfen/ Augensalben ist gerade für Kinder (vor allem Kleinkinder) unangenehm. Um ihnen die Angst etwas zu nehmen, können Sie es Ihrem Kind an einem Stofftier/Puppe vorführen. • Zunächst waschen Sie sich die Hände und stellen sich alles zurecht (Augentropfen/Augensalben, Papiertaschentücher). • Das Stofftier wird bequem ins Bett gelegt und dabei erklären Sie, was nun passiert: Es soll die Augen weit aufmachen und nach oben hinten schauen! Einfacher wird es noch, wenn Sie eine genaue Stelle bestimmen und dort ein Bild oder einen Aufkleber anbringen. 110 • Jetzt wird getropft und zwar jeweils einen Tropfen in das untere Augenlid! Achten Sie darauf, dass das Augenlid nicht berührt wird. • Mit einem Papiertaschentuch wischen Sie evtl. überfließende Tropfen vom Unterlid ab. Nun ist Ihr Kind an der Reihe! Die meisten Augentropfen müssen regelmäßig über den Tag verabreicht werden. Als Erinnerungshilfe können Sie auf einem „Stundenplan“ Zeiten eintragen und jeweils abhaken. Augensalben sollten immer vor dem Schlafengehen in gleicher Weise wie oben beschrieben verabreicht werden. Öffnen Sie die Augentropfen/Augensalben zum ersten Mal, schreiben Sie bitte Datum und Uhrzeit auf die Flasche bzw. Tube und beachten Sie die Haltbarkeit nach Anbruch (siehe Beipackzettel). Vielleicht haben Sie ein ähnliches leeres Fläschchen, mit dem Ihr Kind das Verabreichen von Augentropfen/Augensalben an einem seiner Stofftiere üben kann. » Wie können Sie Ihrem Kind in einem Krankheitsschub helfen? Jede Erkrankung kann unter Umständen einen rheumatischen Krankheitsschub auslösen. Es ist wichtig, dass Sie Ihr Kind während und nach einer solchen Erkrankung beobachten. Kinder können Ihre Schmerzen gut verbergen, sie sagen Kapitel 7 oft nicht, dass sie Schmerzen haben, auch wenn man sie gezielt danach fragt. Erste Anzeichen, wie z.B. verminderte körperliche Aktivität, vermehrte Schonhaltung mancher Gelenke, Appetitlosigkeit und schnell wechselnde Laune, können ein Hinweis auf einen Krankheitsschub sein. Vermitteln Sie Ihrem Kind Ruhe und Verständnis, teilen Sie ihm Ihre Beobachtungen mit und machen Sie ihm verständlich, dass Sie ihm helfen können. • Fiebert Ihr Kind, sollten Sie versuchen, das Fieber durch kühle Wickel an Waden oder Stirn möglichst schnell zu senken. Oft ist eine medikamentöse Therapie (fiebersenkende Zäpfchen) unumgänglich. Ein Anruf bei Ihrem Hausarzt gibt Ihnen Sicherheit und Sie können mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. • Reduzieren Sie alle überflüssigen Reize, wie Fernsehen, Radio und helles Licht. Sorgen Sie für Ruhe. Bieten Sie Ihrem Kind viel Flüssigkeit an und lassen Sie es nicht alleine. Eine leichte Decke (nur Bettlaken) und frische Luft (kein Durchzug) tun dem Kind oftmals gut. troffenen Gelenke tut dem Kind gut und lässt es zur Ruhe kommen. Erst wenn es ihm wieder besser geht, kann die Gelenkbeweglichkeit im entlasteten Zustand wieder langsam gefördert werden. » Wie erhalten Sie einen Überblick über den Krankheitsverlauf Ihres Kindes? Um den Verlauf der Krankheit Ihres Kindes beurteilen zu können, ist es hilfreich, wenn Sie ein Tagebuch führen, in welches Sie Ihre Beobachtungen und die Augen- und Laborbefunde eintragen. So entsteht ein wertvoller Verlaufsbericht, aus dem Sie und der behandelnde Arzt beispielsweise entnehmen können, wie lange die Morgensteifigkeit andauerte, an welchen Stellen Schmerzen auftraten und wie stark sie waren, wie das Kind geschlafen hat oder ob es bei der Medikamenteneinnahme zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Auch die ‘Tagesform’ und Stimmung Ihres Kindes sind als Beobachtung wichtig und können Ihnen und dem Arzt helfen, die Krankheit zu verstehen und erfolgreich zu therapieren. • Hat Ihr Kind entzündliche, geschwollene und überwärmte Gelenke, kühlen Sie diese mehrmals am Tag mit Eispacks. Wenn das Kind eine Schonhaltung einnimmt, sollten Sie keinesfalls eine Streckung der Gelenke erzwingen! Unterlegen Sie vielmehr die betroffenen Gelenke mit Kissen oder Handtüchern. Die Entlastung der be111 Notizen 7 112 Kapitel 8 Impfungen bei Autoimmunerkrankungen H. Michels, R. Häfner 113 Impfungen bei Autoimmunerkrankungen 8 Aktive Schutzimpfungen stellen die wichtigste Vorbeugung zur Vermeidung von gefährlichen, eventuell sogar lebensbedrohenden Infektionserkrankungen dar. Dabei werden dem „Impfling“ veränderte, nicht krankmachende Bestandteile des Erregers (= „Totimpfstoffe“, vgl. Tab.1) oder noch lebende, aber abgeschwächte Erreger (= „Lebendimpfung“, vgl. Tab.1) verabreicht. In einer Reaktion des eigenen Immunsystems auf den Impfstoff werden Abwehrstoffe und spezifisch wirksame Immunzellen gebildet, die dem Geimpften meist jahrelangen Schutz („Immunität“) vor der betreffenden Erkrankung verleihen. Die Schutzwirkung steht direkt nach der Impfung noch nicht zur Verfügung, sondern muß je nach Impfung vom Immunsystem erst über Wochen, gegebenenfalls Monate aufgebaut werden. Zum Erreichen des vollen Schutzes sind je nach Impfung eventuell mehrere Impfungen erforderlich. Da die Schutzwirkung zwar lang anhält, meist jahrelang, aber doch zeitlich begrenzt ist und nicht lebenslang dauert, werden nach Jahren Auffrischimpfungen erforderlich. Wird eine unmittelbare Schutzwirkung benötigt, so kommt die passive Schutzimpfung zum Einsatz, die aber oft nicht so wirksam, nur kurzdauernd (Wochen), teuer und mit zusätzlichen Risiken verbunden ist. Im Gegensatz zur aktiven werden bei einer passiven Schutzimpfung fertige Immunglobuline, d.h. von anderen Menschen (ausnahmsweise auch Tieren: z.B. Diphtherie) gebildete Abwehrstoffe, gespritzt. Bei Kindern mit Autoimmunerkrankungen wie der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) sind Impfungen besonders wichtig, da • die Infektionserkrankungen Rheumaschübe auslösen können oder • die Infektionserkrankungen wegen der Erkrankung selbst oder wegen der verabreichten Medikamente (Immunsuppressiva, Zytostatika, Glucocorticoide, Biologika, vgl. Kapitel „Medikamente“) besonders schwer verlaufen können. Andererseits können gerade diese Patienten wegen der medikamentösen Tabelle 1: Beispiele für Erkrankungen, gegen die Lebend- bzw. Totimpstoffe zur Verfügung stehen. Lebendimpfstoffe Totimpfstoffe Masern Mumps Röteln Tuberkulose Windpocken Kinderlähmung (Spritz-Impfung) Diphtherie Tetanus Hepatitis A und B Hämophilus influenzae („HIB“) Keuchhusten Grippe („Influenza“) Pneumokokken 114 Kapitel 8 Behandlung mit Immunsuppressiva, Zytostatika, Biologika oder Glucocorticoiden empfindlicher auf die Impfung reagieren, eventuell kann ein Rheumaschub ausgelöst werden oder aber die Schutzwirkung entwickelt sich nicht. Grundsätzlich sollte nur in Phasen geringer oder fehlender Krankheitsaktivität („Remissionsstadium“) geimpft werden. Eltern, Patienten und auch Ärzte bewegen nicht selten darüber hinaus folgende Fragen: 1. Können Impfungen rheumatische Erkrankungen auslösen? 2. Können Impfungen Schübe bei rheumatischen Erkrankungen auslösen? 3. Sind Kinder mit immunsuppressiver und/oder Cortisonbehandlung hinsichtlich unerwünschter Wirkungen durch die Impfung vermehrt gefährdet im Vergleich zu anderen Kindern? 4. Kann der Impferfolg, d.h. die Entwicklung der Schutzwirkung, durch die Behandlung mit Immunsuppressiva, Zytostatika, Biologika oder Glucocorticoiden beeinträchtigt sein? 5. Sind alle Impfungen genauso wichtig bzw. welche Impfungen sind von besonderer Bedeutung? Es handelt sich hier um bedeutsame Fragen, die nicht immer und für jedes Kind mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten sind. Vielmehr muß die Beratung für jeden Patienten individuell erfolgen, müssen Nutzen und Risiko sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Zu den einzelnen Fragen: zu 1) Können Impfungen rheumatische Erkrankungen auslösen? Die Ursache rheumatischer Erkrankungen wie der JIA oder von Kollagenosen ist bislang nicht hinreichend geklärt. Insofern ist es nicht möglich, die Frage eindeutig zu beantworten. Nicht ganz selten berichten Eltern über einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und dem ersten Auftreten der rheumatischen Erkrankung. In den meisten Fällen wird von einem zufälligen Zusammentreffen auszugehen sein, im Einzelfall mag aber auch ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. zu 2) Können Impfungen Schübe bei rheumatischen Erkrankungen auslösen? Auch diesbezüglich werden von den Eltern gelegentlich zeitliche Zusammenhänge berichtet. Wiederum wird es sich oft um ein zufälliges Zusammentreffen handeln. Jeder Einzelfall muß jedoch gesondert geprüft und bewertet werden. Nicht immer wird man zu einem klaren „Ja“ oder „Nein“ kommen können. 115 Impfungen bei Autoimmunerkrankungen Zu 3) Sind Kinder mit immunsuppressiver und/oder Cortisonbehandlung hinsichtlich unerwünschter Wirkungen durch die Impfung vermehrt gefährdet im Vergleich zu anderen Kindern? 8 Kinder mit immunsuppressiver und/oder höherdosierter Cortisonbehandlung sind gegenüber Lebendimpfungen gefährdet. Lebendimpfungen dürfen bei diesen Kindern deshalb nicht durchgeführt werden. Zur Beurteilung der Situation bei Therapie mit Biologika (z.B. Etanercept bzw. EnbrelR), ebenfalls Medikamente mit immunsuppressiver Wirkung, ist die Datenlage noch ungenügend. Hier ist entsprechend zu verfahren und von Lebendimpfungen abzuraten. Natürlich hängt das Ausmaß der Gefährdung von der Dosierung der Medikamente ab, wobei eine höhere Dosierung eine größere Gefährdung und eine niedrigere Dosierung eine geringere Gefährdung bedeuten. Besonders gefürchtet bei immunsupprimierten Kindern waren früher die Windpocken. Jetzt steht ein Impfstoff zur Verfügung, der, falls es die Erkrankungssituation erlaubt, rechtzeitig vor Einleitung der immunsuppressiven Therapie einzusetzen ist. Sollte es bei immunsupprimierten, noch ungeimpften Kindern tatsächlich zum Ausbruch von Windpocken kommen, so kann heute durch das Medikament Aciclovir (z.B. ZoviraxR) meist gut geholfen werden. Dringend ist bei gefährdeten rheumakranken Kindern die Windpokkenimpfung von deren Geschwistern zu erwägen, um damit vorbeugend die Ansteckungsmöglichkeiten zu vermindern. 116 Zu 4) Kann der Impferfolg, d.h. die Entwicklung der Schutzwirkung, durch die Behandlung mit Immunsuppressiva, Zytostatika, Biologika oder Glucocorticoiden beeinträchtigt sein? Die Entwicklung der Schutzwirkung durch die Impfung („Totimpfstoffe“, „Lebendimpfungen“ nicht erlaubt, s.o.) ist an ein regelrecht arbeitendes Immunsystem gebunden. Unter der Behandlung mit Immunsuppressiva, Zytostatika oder Glucocorticoiden kann die Reaktion des Immunsystems auf die Impfung so beeinträchtigt sein, daß keine ausreichende Schutzwirkung zustande kommt. Denkbar ist dies auch bei Behandlung mit Biologika, jedoch fehlen bislang aussagekräftige Daten. Daher sollte bei Kindern, die unter einer der genannten Therapieformen stehen, die Überprüfung der Immunität durch eine geeignete Untersuchung angestrebt werden. Bei nicht ausreichendem Impfergebnis kann mit einer höheren Impfdosis nachgeimpft werden; wiederum muß das Impfergebnis durch geeignete Untersuchungen überprüft werden. Zu 5) Sind alle Impfungen genauso wichtig bzw. welche Impfungen sind von besonderer Bedeutung? Selbstverständlich gibt es je nach Alter und Situation des Kindes verschieden wichtige Impfungen. Beispielsweise wäre eine Impfung gegen Frühsommer- Kapitel 8 Meningoenzephalitis (FSME) nicht als dringlich anzusehen, wenn das betreffende Kind weder in einem diesbezüglich gefährdeten Gebiet wohnt noch eine Reise in ein solches Gebiet geplant ist. Dagegen gelten Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus oder Kinderlähmung, die bei uns nach wie vor zwar selten sind, dennoch als dringlich, da diese Erkrankungen als äußerst gefährlich und lebensbedrohend einzustufen sind. Hinweise für die Durchführung von Impfungen bei rheumakranken Kindern gibt Tabelle 2. Zusammenfassung und abschliessende Bemerkungen • Grundsätzlich ist ein ausreichender Impfschutz gegen alle gefährlichen Infektionskrankheiten gerade für das rheumatisch erkrankte Kind anzustreben. Dabei ist zu beachten, daß auch sonst häufig als eher harmlos eingeschätzte Erkrankungen wie Windpokken bei immunsupprimierten Kindern sehr schwer verlaufen können. Gegen Windpocken sollte deshalb, sofern es die Erkrankungssituation erlaubt, vor einer immunsuppressiven Therapie geimpft werden. Durch die Impfung von Geschwistern und anderen Personen, die keine Windpocken durchgemacht haben und in häufigem Kontakt mit dem gefährdeten rheumakranken Kind stehen, kann das Infektionsrisiko für das rheumakranke Kind herabgesetzt werden. • Zu beachten ist, daß nach erfolgter Impfung bei immunsupprimierten Kindern der Impferfolg mittels geeig- neter Untersuchungen überprüft werden soll. • Bei Immunsupprimierten dürfen grundsätzlich keine Lebendimpfungen verabreicht werden. • Bei Impfungen, die vorwiegend aus gesundheitspolitischen Gründen (Ausrottung der betreffenden Erkrankung in der Bevölkerung) bereits im Kleinkindalter gegeben werden, sollte bei rheumakranken Kindern individuell abgewogen und entschieden werden. Auf eine Rötelnimpfung kann bei rheumakranken Jungen grundsätzlich und bei Mädchen vor der Pubertät verzichtet werden. Danach sollten rheumakranke Mädchen nur geimpft werden, wenn sich im Blut keine ausreichenden Rötelnantikörper-Konzentrationen nachweisen lassen. Bei Hepatitis B ist vor der Pubertät die epidemiologische Situation zu berücksichtigen; bei geringer Gefährdung kann die Impfung zurückgestellt werden. In jedem Fall sollte jedoch vor Erreichen des geschlechtsaktiven Alters gegen Hepatitis B geimpft werden. • In Rheumaschub-Situationen sollte nicht geimpft werden. Vielmehr ist dringend zu überprüfen, ob eine anstehende Impfung nicht verschoben werden kann. • Das individuelle Eingehen auf die jeweils besondere Situation des zu impfenden rheumakranken Kindes wird heute dadurch erschwert, daß für verschiedene Erkrankungen keine Einzelimpfstoffe mehr zur Verfügung stehen. 117 Impfungen bei Autoimmunerkrankungen Tab.2: Hinweise für die Durchführung von aktiven Schutzimpfungen bei immunsupprimierten und nicht immunsupprimierten Kindern mit rheumatischen Erkrankungen. Jeder Einzelfall ist gesondert zu beurteilen. Die Tabelle gibt lediglich Beispiele und Anhaltspunkte. Impfung Immunsupprimiert Lebendimpfungen Nicht immunsupprimiert Masern Mumps Röteln zu unterlassen zu unterlassen zu unterlassen Tuberkulose zu unterlassen Windpocken vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie möglich möglich vor der Pubertät abzuraten, nach der Pubertät nur, wenn keine ausreichende RötelnantikörperKonzentration im Blut nachzuweisen ist nur in besonderen Situationen eventuell als Schutzmaßnahme für die immunsupprimierten Kinder Kinderlähmung (Spritzimpfstoff) Diphtherie Tetanus Hepatitis A empfohlen empfohlen empfohlen empfohlen bei Gefährdung empfohlen empfohlen bei Gefährdung Hepatitis B bei Gefährdung bei Gefährdung Hämophilus influenzae (HiB) Keuchhusten FSME Pneumokokken empfohlen empfohlen empfohlen bei Gefährdung empfohlen empfohlen bei Gefährdung zu erwägen möglich möglich 8 Totimpfstoffe Grippe (Influenza) 118 Bemerkungen die Impfung kann als (seltene) unerwünschte Wirkung eine Polyarthtitis hervorrufen geimpfte nicht immunsupprimierte Kinder stellen keine Infektionsquelle für gefährdete Kinder mehr dar z.B. bei bestimmten Auslandsreisen ab Pubertät grundsätzlich empfohlen azellulärer Impfstoff Polysaccharid-Impfstoff ab vollendetem 2. Lebensjahr Nach Möglichkeit im Remissionsstadium, nicht während aktiver Phasen impfen Kapitel 9 Ernährung V. Miller » » » » Kann kindliches Rheuma durch eine falsche Ernährung ausgelöst sein? .......................................................................... 120 Kann kindliches Rheuma durch eine bestimmte Ernährung beeinflusst werden? .................................................................. 120 Was gibt es praktisch zu beachten? ........................................ 120 Vitamine und Spurenelemente ................................................. 121 119 Ernährung » Kann kindliches Rheuma » Was gibt es praktisch zu Es ist nicht bekannt, dass die vor dem Auftreten der rheumatischen Erkrankung praktizierte Ernährung eine Ursache für das Entstehen der Erkrankung darstellt. Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Entzündung im Körper spielen sogenannte Entzündungsbotenstoffe. Beim Aufbau dieser Stoffe werden verschiedene Fettsäuren benötigt, andere können hemmend wirken. durch eine falsche Ernährung ausgelöst sein? » Kann kindliches Rheuma 9 durch eine bestimmte Ernährung beeinflusst werden? Ja, es gibt Untersuchungen an erwachsenen Rheumatikern, die zeigen, dass eine bestimmte Art der Ernährung in der Lage ist, die Entzündungsaktivität der Erkrankung günstig zu beeinflussen und dadurch helfen kann, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) einzusparen. Für Erwachsene gibt es Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Auch bei Kindern ist davon auszugehen, dass durch die Ernährung ein Einfluss auf die Erkrankung möglich ist. Basismedikamente werden durch eine Ernährungsumstellung nicht ersetzt, aber es können eventuell NSAR eingespart werden. Bei Kindern muss jedoch noch viel mehr auf eine ausgewogene Ernährung und die nötige Zufuhr von Nähr- und Mineralstoffen sowie Vitaminen geachtet werden. Daher sollten mit Kindern keinesfalls extreme Diäten oder gar Fastenkuren durchgeführt werden, wie sie bei Erwachsenen mit rheumatischen Erkrankungen in der naturheilkundlichen Medizin praktiziert werden. 120 beachten? Entzündungsfördernd wirkt vor allem die Arachidonsäure, die in tierischen Produkten (Fleisch, Wurstwaren, Milchprodukte, Eier) enthalten ist. Empfohlen werden kann eine Reduktion der Arachidonsäureaufnahme (z.B. auf 350 mg/ Woche) durch Begrenzung der Aufnahme von tierischen Produkten. Ein kompletter Verzicht bringt keine Vorteile, da der Körper selbst die Arachidonsäure, unabhängig von der Ernährung, aus anderen Fettsäuren aufbauen kann und die Enährung dadurch eventuell unausgewogen wird. Eine Fleischmahlzeit wird zweimal pro Woche empfohlen. Arachidonsäurearmes Fleisch sind Geflügel und magere Fleischsorten. Je fetter ein Fleisch ist, desto mehr Arachidonsäure enthält es. Dasselbe gilt für die Milchprodukte. Es ist daher die Verwendung von fettarmen Milchprodukten günstig. Die empfohlene Wochendosis eines Erwachsenen von 350 mg Arachidonsäure ist in beispielsweise 3,5 l fettarmer Milch 1,5% (70mg Arachidonsäure), 280g Hartkäse (80mg), 2 Fleischportionen á 150 g (120mg) und 2 Eiern (80mg) enthalten. Entzündungshemmend wirken dagegen verschiedene Omega-3-Fettsäuren, wie die Eicosapentaensäure, die in Fischölen Kapitel 9 enthalten ist, oder die Alpha-Linolensäure, welche in verschiedenen pflanzlichen Ölen vorkommt. Günstig ist daher der Konsum von Fisch z.B. durch zwei Fischmahlzeiten in der Woche. Je fetter der Fisch ist, desto höher liegt der Anteil an Omega-3-Fettsäuren, desto günstiger also im Hinblick auf die entzündungshemmende Wirkung. Prinzipiell gilt, dass der Anteil der antientzündlich wirksamen Fischöle in Seefischen wie Lachs, Makrele, Hering, Sardine und Thunfisch höher liegt als in Süßwasserfischen. Zusätzliche Fischöle können auch in Form von Fischölkapseln zugeführt werden. Günstige pflanzliche Öle, die AlphaLinolensäure enthalten, sind Raps-, Soja-, Walnuss- und Leinöl. Entzündungshemmend wirkt auch die pflanzliche Gamma-Linolensäure. Sie findet sich in Nachtkerzensamen-, Borretsch-, schwarzem Johanniskern-, Sesam- und Kürbiskernöl. Prinzipiell gilt: • Mit Kindern sollten nie extreme Diäten durchgeführt werden. • Die Kinder sollten nicht zu einer anderen Ernährung gezwungen werden. • Eine Ernährungsumstellung ist dann empfehlenswert, wenn sie dem Kind nicht schwer fällt. • Am besten sollte die ganze Familie an der Ernährungsumstellung teilnehmen, damit es sich nicht um eine Diät, die das kranke Kind essen muss, handelt, sondern um das reguläre Familienessen. • Werden die genannten Ernährungsgrundsätze berücksichtigt, entsteht eine cholesterinarme Diät, die im übrigen auch für die Erwachsenen günstig ist. Der wesentliche Effekt einer Ernährungsumstellung bei erwachsenen Rheumatikern war in Studien eine mögliche Reduktion der nichtsteroidalen Antirheumatika von durchschnittlich etwa 30%. Die Effekte einer Ernährungsumstellung machen sich frühestens nach vier bis acht Wochen bemerkbar, wenn der körpereigene Arachidonsäurepool langsam abgebaut ist. Vitamine und Spurenelemente Prinzipiell empfiehlt sich eine ausgewogene Kost, die Vitamine in Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse enthält. Durch eine vielseitige Ernährung werden die Vitamine und Spurenelemente normalerweise in ausreichender Menge aufgenommen. Die Gefahr einer zusätzlichen Vitamingabe ist immer auch die der Überdosierung, wobei hier vor allem Vitamin D und A zu beachten sind. Relativ häufig als Nahrungsmittelergänzung wird Vitamin E eingenommen, da es im Blut von Rheumapatienten erniedrigt gemessen wurde und ausserdem mit unserer Ernährung eher knapp zugeführt wird. Ein positiver Effekt einer Vitamin E-Einnahme auf rheumatische Erkrankungen konnte wissenschaftlich bislang jedoch nicht belegt werden, so dass die Einnahme umstritten ist. Be121 Ernährung kannt ist, dass hohe Vitamin E-Dosen auch unerwünschte Effekte haben können, da sie das Immunsystem stimulieren können, was bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma nicht erwünscht ist. Hochdosiertes Vitamin E sollte daher nicht eingenommen werden. In den empfohlenen Pflanzenölen (auf kühle und dunkle Lagerung achten), Nüssen und Meeresfischen ist reichlich Vitamin E enthalten. 9 Auch Selen (enthalten in Nüssen, Meeresfischen und Fleisch), Vitamin A und C wurden als Nahrungsmittelergänzung diskutiert, eine antirheumatische Wirkung konnte wissenschaftlich bislang nicht nachgewiesen werden. Vitamin C ist in allen Früchten, Gemüsen und Salaten enthalten und wird normalerweise in ausreichender Menge mit der Nahrung aufgenommen. Besonders reichlich ist es in Paprika, schwarzer Johannisbeere, Sanddorn und Zitrusfrüchten zu finden. 122 Vitamin A ist vor allem in allen roten, gelben und grünen Gemüsen wie Karotten, Spinat, Broccoli, Grünkohl und roten Beeten enthalten. Bei Einnahme von Vitamin A als pharmazeutische Zubereitung (Kapseln, Tropfen etc.) ist die Gefahr unerwünschter Wirkungen durch Überdosierung groß (x z.B. Kopfschmerzen, Meningitis-ähnliche Symptomatik), daher muss davon abgeraten werden. Kapitel 10 Urlaub R. Häfner, H. Michels 123 Urlaub 10 Rheumakranke Kinder reagieren meist weniger auf klimatische Einflüsse als Erwachsene. Dennoch sollte man für eine Urlaubsreise extreme Klimaschwankungen vermeiden. Ungewohnte Hitze oder Kälte erfordern ein hohes Maß an Anpassung und bedeuten somit immer eine körperliche Belastung. Viele Rheumakinder fühlen sich in einer warmen, trockenen, aber nicht zu heißen Umgebung am wohlsten. Bei Reisen in südliche Länder oder gar nach Asien muss bedacht werden, dass ungünstige hygienische Bedingungen zu infektiösen Durchfällen führen und damit auch zur Auslösung eines Rheumaschubes führen können. bedeutet das fast immer auch eine Erholung von der Krankheit. Viele Eltern berichten uns, dass sich ihr rheumakrankes Kind im Urlaub viel freier bewegt, weniger über Schmerzen klagt und sich insgesamt wohler fühlt als in der Hektik des Alltags. Wichtiger als die äußeren Bedingungen am Urlaubsort ist jedoch die Urlaubssituation als solche. Der Urlaub dient zur Erholung und Entspannung für die ganze Familie. Suchen Sie sich deshalb in erster Linie ein Urlaubsziel, das die Erwartungen und Wünsche aller Familienmitglieder berücksichtigt. Kinder wollen sich im Urlaub austoben, wollen etwas erleben. Viele Urlaubsvergnügen sind auch mit einem rheumakranken Kind möglich. Es bieten sich an: Fahrradtouren, Badeurlaub an warmen Seen oder in Schwimmbädern, Besuche von Museen, Zoos oder Vergnügungsparks sowie zahlreiche andere Besichtigungen oder Erkundigungen in der Umgebung. Planen Sie aber auch immer Erholungsphasen ein. Faule Tage mit Lesen, Basteln und gemeinsamen Spielen sind für alle Kinder wichtig und erhöhen den Erholungswert des Urlaubs. Wenn sich die ganze Familie am Urlaubsort wohl fühlt, Die täglich erforderlichen Rheumamedikamente müssen in ausreichender Menge mitgenommen werden. Falls Medikamente gespritzt werden müssen, werden natürlich auch Spritzen, Kanülen, Desinfektionsmittel und Tupfer benötigt. Bei subkutan gespritztem Methotrexat (MTX) sollte beim behandelnden Arzt nachgefragt werden, ob vorübergehend für die Urlaubszeit nicht auch MTX-Tabletten genommen werden können; man würde sich dann die Kanülen etc. sparen können. Mit dem Reisebüro, örtlichen Zollbehörden oder auch vielleicht mit Ihrem Apotheker sollten Sie besprechen, ob bei Reisen ins Ausland Probleme beim Zoll auftreten könnten, z.B. könnten Spritzen und Kanülen die Zollbehörde fälschlicherweise an Drogenmissbrauch denken lassen. Im Zweifelsfall wäre eine ärztliche Bescheinigung über die derzeit notwendige Therapie sicher hilfreich. Vor jeder Ur- 124 Trotzdem sollten Sie nicht gerade in Urlaub fahren, wenn sich bei Ihrem Kind ein Rheumaschub eingestellt hat. Ihr Kind braucht dann besonders viel Ruhe und die Sicherheit der gewohnten Umgebung. Außerdem fehlen Ihnen am Urlaubsort meist die Möglichkeiten für die täglichen Verordnungen, Krankengymnastik und die ärztliche Beratung. Kapitel 10 laubsreise sollten Sie mit Ihrem betreuenden Arzt absprechen, welche Medikamente Sie für den Notfall noch einpacken sollten und was Sie tun können, wenn Ihr Kind Fieber, Durchfall oder eine andere Infektionskrankheit bekommt. Wird Ihr Kind mit sogenannten Biologika (Etanercept - EnbrelR oder Adalimumab - HumiraR) behandelt, so ist es unbedingt erforderlich, dass diese Medikamente bis zu ihrem Verbrauch vorschriftsmäßig gekühlt werden („normale Kühlschranktemperatur“), also während der Auto-, Zug- oder Flugzeug-Reise Aufbewahrung in einer entsprechenden Kühlbox. Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden; andernfalls können die Medikamente ihre Wirksamkeit verlieren. Im Zweifelsfall besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt oder Apotheker, was zu tun ist. zen. Leichte Kleidung als Sonnenschutz gilt als günstiger im Vergleich zu Sonnenschutzcremes, auf die aber nicht verzichtet werden sollte (hohen Lichtschutzfaktor wählen!) Für Notfälle kann es hilfreich sein, wenn Sie sich die Telefonnummern Ihres Hausarztes oder der betreuenden Rheumakinderklinik/-abteilung notieren, damit Sie sich auch im Urlaub gegebenenfalls Rat holen können. Bei Reisen in südliche Länder bzw. überhaupt, wenn mit erhöhter UV-Bestrahlung zu rechnen ist, muss für ausreichenden Sonnenschutz gesorgt sein. Bei manchen Erkrankungen, etwa beim juvenilen systemischen Lupus erythematodes, kann ver mehrte UV-Bestrahlung einen Krankheitsschub auslösen. Auch manche Medikamente, z.B. Chloroquin und Hydroxy-Chloroquin (ResochinR, QuensylR), machen die Haut gegen Sonnenbestrahlung überempfindlich („Fotosensibilität“). Keinesfalls sollte man sich als Betroffene/r der direkten Sonnenbestrahlung ausset125 Notizen 10 126 Kapitel 11 Sport R. Häfner 127 Sport Darf ein Kind mit chronischer Arthritis Sport treiben? 11 Die erkrankten Gelenke sollen viel bewegt, aber wenig belastet werden. Daraus ergibt sich, dass die sportlichen Aktivitäten dem entzündlichen Stadium anzupassen sind. Schwimmen und Radfahren darf praktisch immer betrieben werden. Sie haben sogar einen therapeutischen Nutzen, da sowohl das Wasser als auch der Fahrradsattel das Körpergewicht tragen und die Gelenke somit in Entlastung bewegt werden. Beim Schwimmen sollte darauf geachtet werden, dass das Wasser warm genug ist und das Kind nicht auskühlt. Ideal sind Wassertemperaturen von 26-32°C. Im Sommer kann man auch 22-24°C tole- 128 rieren. Das Kind soll aber hinterher gut abgetrocknet und vor Auskühlung geschützt werden. Das Fahrrad kann so weit wie möglich für den Schulweg genützt oder auch im Freizeitbereich für Besuche bei Freunden, Einkaufsfahrten etc. eingesetzt werden. Am Wochenende ersetzen Radtouren mit der Familie den Sonntagsspaziergang. Radfahren ist bei Kindern ohnehin beliebter als Wandern. Weitere Sportarten sind je nach Befallsmuster der Arthritis und Krankheitsstadium möglich (Abbildung). Während aktiver Krankheitsphasen mit starken Gelenkschwellungen oder gar Schmerzen sollten sportliche Aktivitäten eingeschränkt werden. Die Belastung fördert sonst Schon- und Fehlhaltungen Kapitel 11 Tennis Alpinski bei Krankheitsstillstand Fußball Geräteturnen Leichtathletik Reiten Tanzen Federball Tischtennis bedingt möglich Skilanglauf Nordic Walking Schwimmen Radfahren und erschwert den Heilungsprozess. Wenn die Entzündungszeichen abklingen und die krankengymnastische Behandlung zu einer guten Gelenkstellung und Funktion geführt hat, kann Ihr Kind wieder schrittweise in weitere sportliche Aktivitäten eingeführt werden. Sie sollten es allerdings nie dazu drängen und immer darauf achten, dass der Sport einen spielerischen Charakter behält und Leistungssport vermieden wird. An Sportarten, die recht bald wieder aufgenommen werden können, eignen sich Tischtennisspielen, leichte rhythmische günstig Gymnastik und im Winter Skilanglauf. Bei erkrankten Beingelenken sollten alle Sportarten mit Springen, Laufen und akutem Abbremsen, wie z.B. Fußball, Leichtathletik, Tennis, vermieden werden. Auch Sportarten mit erhöhtem Verletzungsrisiko, wie alpiner Skilauf, Eislaufen und Inline-Skating, können sich ungünstig auswirken, da ein Sturz auf das Gelenk zum Aufflackern der Arthritis führen kann. Sportlich begabte Kinder können meist großzügiger wieder am Sport teilnehmen. Sportarten, die ihr Kind schon vor der Erkrankung be129 Sport herrscht hat, können früher wieder aufgenommen werden. Dagegen bedeutet das Erlernen eines neuen Sports meist eine stärkere Belastung mit erhöhtem Verletzungsrisiko. 11 Für den Schulsport gilt Ähnliches. Bei noch aktivem Entzündungsprozess raten wir von der Teilnahme zunächst ab. Sobald sich die Arthritis zurückgebildet hat, soll vorsichtig und stufenweise wieder am Unterricht teilgenommen werden. Das setzt allerdings voraus, dass der Lehrer Verständnis für die Erkrankung hat und zu Kompromissen bereit ist. Die Kinder können zunächst wieder bei gymnastischen Übungen und Ballspielen 130 mitmachen, evtl. auch Übungen am Schwebebalken oder Stufenbarren, aber ohne Absprünge. Mit Leichtathletik und Übungen an Sprunggeräten sollte erst wieder begonnen werden, wenn die Erkrankung schon einige Zeit zur Ruhe gekommen ist und keine Gelenkfehlstellungen mehr bestehen. Sprechen Sie auch vorher mit dem Lehrer, ob er bereit ist, von einer Benotung Abstand zu nehmen. Die begrenzte Teilnahme wird manchmal mit einer schlechteren Note bestraft und führt somit zu Enttäuschungen und Resignation. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es jedoch, das Kind zu motivieren und ihm die Freude an Sport und Bewegung zu erhalten. Kapitel 12 Aspekte der Krankheitsbewältigung M. Rummel-Siebert, B. Fauser » » » » » » » » » » » » » Die Zeit bis zur Diagnosestellung...............................................133 Der Diagnoseschock.....................................................................134 Wie reagiert das Umfeld? ...........................................................134 Die Situation des Kindes .............................................................135 Alltagserfahrungen ......................................................................136 Auswirkungen auf die Situation der Eltern ..............................137 Was bedeutet die Krankheit für die Geschwister?....................138 Die Schuldfrage............................................................................139 Zwischen ‘Glucke’ und ‘Rabenmutter’........................................140 Achtung: Krankheitsgewinn! ......................................................140 Patientenschulung und andere Hilfestellungen ........................141 Unterstützung suchen und finden..............................................141 Leben trotz Rückschlägen ...........................................................142 131 Aspekte der Krankheitsbewältigung 12 Die Diagnose einer chronischen Erkrankung hat nicht nur Auswirkungen auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen, sie erfasst das ganze Familiensystem sowie das soziale Umfeld. Zu Beginn ist für die betroffene Familie noch gar nicht absehbar, was alles auf sie zukommen wird. Wie ein großer Berg türmen sich zunächst viele Fragen, Ängste und Unsicherheiten auf, all dies will bewältigt und verarbeitet werden. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit Fragen der Lebensbewältigung bzw. mit den psychosozialen Aspekten einer chronischen Erkrankung. Dass die Diagnose ‚Rheuma’ das Familienleben in besonderer Weise prägt, wird an einigen Stellen immer wieder deutlich. Für die Krankheitsbewältigung ist es entscheidend, dass die Auswirkungen und Veränderungen im Blick auf das Familiensystem wahr- und ernstgenommen werden. Rheuma gilt heutzutage weitgehend immer noch als ‚Alterskrankheit’. Auf die Diagnose ‚juvenile idiopathische Arthritis’ reagieren viele Eltern und Angehörige oft ungläubig, rat- und hilflos. Das Krankheitsbild ist nur schwer einzuordnen. Rheuma bei Kindern? Das lässt Zweifel aufkommen. Wie schlimm ist die Krankheit eigentlich? Wird das Kind wieder ganz gesund werden? Was bedeutet die Diagnose für die künftige Lebensplanung von Betroffenen und deren Angehörigen? Viele berechtigte Fragen tauchen auf und fordern Antworten. Mit Beginn der chronischen Erkrankung betreten alle Beteiligten ‚Neuland’. Für 132 die ‚Phase der Krankheits-Annäherung’ lassen sich zwei Grundmuster unterscheiden. A) Die Patienten und Angehörigen wollen möglichst schnell Sicherheit gewinnen. Sie sind ‚auf der Jagd’ nach Informationen über die Krankheit, Möglichkeiten der Therapie sowie weiterführende Hilfestellungen. B) Andere Betroffene wiederum setzen sich erst mit Fragen und Problemen der Krankheit auseinander, wenn sie auftauchen. Sie wollen möglichst wenig davon wissen (Vogel-Strauß-Taktik), frühzeitige Informationen verunsichern und sind für sie kräftezehrend. Es gibt hier weder ein ‚Richtig’ noch ein ‚Falsch’. Beide Verhaltensweisen sollten respektiert werden. Die Annäherung an die Krankheit kann immer nur ein Prozess sein, bei dem sich alle Beteiligten gemeinsam ‚auf den Weg machen’ müssen. Wichtig ist dabei der ehrliche, offene Umgang mit den eigenen Gefühlen. Gönnen Sie sich, wo immer dies möglich ist, Ihr eigenes Tempo! Ein Merkmal der chronischen Arthritis ist der unvorhersehbare Krankheitsverlauf. Trotz aller Erfahrungswerte und Therapiefortschritte weiß niemand, was auf die Patienten und Angehörigen zukommen wird. Dennoch ist es möglich den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Aus diesem Grund arbeiten wir im Rahmen eines ganzheitlichen Thera- Kapitel 12 piekonzeptes mit allen Patienten, Angehörigen, Ärzten, Schwestern, Therapeuten sehr eng zusammen. Durch die wiederkehrenden Klinikaufenthalte wächst von Seiten der Kinder und Eltern das Vertrauen zu allen Mitarbeitern. Die familiäre Atmosphäre trägt dazu bei, dass sich die Betroffenen mit ‚ihrer Krankheit’ und deren Folgen nicht allein gelassen fühlen. Eine rheumatische Erkrankung ist, gleich in welchem Alter sie auftritt, in jedem Fall sehr ernst zu nehmen. Die Krankheitsverläufe sind in ihrer Ausprägung und Schwere ganz unterschiedlich. Nur in wenigen Fällen ist der Verlauf lebensbedrohlich. Dieses Buch möchte Ihnen Mut machen, dass es trotz aller offenen Fragen und Unwägbarkeiten viele Möglichkeiten gibt um den Krankheitsverlauf gemeinsam positiv zu beeinflussen oder zum Stillstand zu bringen. Viele gute Ratgeber sind über die Deutsche Rheuma-Liga (www.rheuma-liga.de) erhältlich. Unter anderem berichten junge Rheumatiker über ihr Leben mit einer rheumatischen Erkrankung. Sie wollen Mut machen und zeigen, dass es trotz aller Beschwernisse möglich ist ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen. In der Klinik erleben wir täglich aufgeweckte, fröhliche Kinder und Jugendliche, die körperlich nicht immer mit gleichaltrigen Altersgenossen mithalten können. Gerade diese Patienten entwikkeln aber oft eine bewundernswerte Sensibilität für sich und andere Menschen. Sie alle würden vermutlich ein Leben ohne ihre Erkrankung bevorzugen. Gleichwohl haben sie durch ihre Krankheiten vieles gelernt und erfahren, das ihr Wesen und ihre Einstellung zum Leben positiv prägt. Viele Beschwernisse des Alltags müssen trotz dieser Mut machenden Perspektive weiterhin bewältigt werden. Jeder Tag muss neu erlebt und gelebt werden. Was morgen, in einem Monat oder nächstes Jahr auf die Betroffenen zukommt, kann niemand vorhersagen. Dies gilt für Gesunde wie für Kranke gleichermaßen, jedoch wird es uns bei rheumakranken Kindern umso deutlicher bewusst. Ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Krankheitsbewältigung ist die Akzeptanz der krankheitsbedingten Planungsunsicherheit. Patienten und Angehörige müssen beispielsweise lernen, über den nächsten Urlaub, das nächste Reiseziel künftig kurzfristig zu entscheiden. Vieles hängt davon ab, wie es den betroffenen Kindern in der aktuellen Situation geht. Was Sie und das Kind jedoch beeinflussen können, ist die Gestaltung des heutigen und auch des morgigen Tages! Die Zeit bis zur Diagnosestellung Noch immer vergehen, aufgrund des geringen Bekanntheitsgrades des kindlichen Rheumas, teilweise Wochen, Monate und Jahre bis zur Diagnose der juvenilen Arthritis. Es ist eine Zeit der Unsicherheit. Oft gelten Kinder und Jugendliche als Simulanten. Beschwerden werden nicht ernst genommen, und 133 Aspekte der Krankheitsbewältigung 12 wenn, werden sie als wehleidig bezeichnet. Gerne würden Eltern den Beschwichtigungen von Freunden und Ärzten Glauben schenken. Sie selbst spüren aber, dass irgendetwas mit dem Kind nicht stimmt. Oftmals erzählen Eltern von einer langen Klinik-Odyssee und viel diskutierten Krankheitsbildern. Die Bandbreite reicht von ‘harmlosen, alterstypischen Wachstumsschmerzen’ bis hin zur ‘Leukämie’. Vielleicht ziehen Sie sich in dieser Phase zurück, um selbst Sicherheit zu gewinnen. Vielleicht suchen Sie aber auch das Gespräch mit anderen Menschen, den Austausch in Selbsthilfegruppen. Wesentlich hängt dies von Ihrer ganz individuellen Bewältigungsstrategie ab. Signalisieren Sie aber auch Ihrer Umwelt wie es Ihnen geht, denn nur dann können sich Ihre Mitmenschen darauf einstellen und sich entsprechend verhalten. Allzu verständlich sind die Irritationen auf Seiten der Eltern und die damit verbundenen Gefühls- und Stimmungsschwankungen. Viele sind von dem ständigen Auf und Ab müde und sehnen sich nach einer klaren verlässlichen Diagnose, einem Arzt, der endlich Licht ins Dunkel bringt. Doch auch in einer Fachklinik vergeht bis zur sicheren Diagnose eine geraume Zeit. Wieder beginnt die Auseinandersetzung mit der Frage: „Was ist, wenn mein Kind Rheuma hat?“ In einer Fachklinik wird der ‚Diagnoseschock’ mitunter dadurch verstärkt, dass Eltern zum ersten Mal Kinder und Jugendliche sehen, die seit Jahren unter dieser Krankheit leiden und zum Teil durch Fehlstellungen schwer gezeichnet sind. Sie sollten sich jedoch bewusst machen, dass sie hier nur denjenigen Patienten begegnen, die immer noch in die Klinik kommen müssen. Es gibt aber sehr viele rheumakranke Kinder, bei denen der Krankheitsverlauf so positiv beeinflusst wurde, dass sie gar nicht mehr oder zum Teil nur in sehr großen Abständen zur stationären Behandlung kommen müssen! Der Diagnoseschock Besteht letztlich Gewissheit über die Diagnose, dann schlagen meist zwei Herzen in der Brust der Patienten und Angehörigen: Einerseits sind die Beteiligten froh, dass die Krankheit endlich einen Namen hat! Andererseits besagt die Diagnose, dass es sich vermutlich um eine chronische, unter Umständen fortschreitende Krankheit handelt. Fragen kommen auf: Wie wird die Erkrankung verlaufen? Welche Folgen hat die Krankheit für das Kind und die Familie? Wie werden die Geschwister, der Partner, die Verwandten und die Mitschüler reagieren? 134 » Wie reagiert das Umfeld? Die Gedanken von Patienten und Eltern ‚wandern’ schnell über die Zeit des stationären Aufenthaltes hinaus. Oft wird schon an den ersten Reaktionen von Freunden und Bekannten deutlich, dass kaum einer die Art und Schwere der Krankheit sowie deren Folgen einzuschätzen vermag. Manch einer hat schnell gut gemeinte Ratschläge, altbewährte Hausmittel oder spezielle Diä- Kapitel 12 ten parat. Die Fehleinschätzungen und Unsicherheiten der Umwelt beruhen jedoch meist auf einem Informationsdefizit. Für die betroffenen Familien ist das vielfältige Schriftenmaterial der Deutschen Rheuma-Liga eine gute Möglichkeit der Informationsweitergabe. Die Broschüren und die darin enthaltenen persönlichen Erfahrungsberichte sind mitunter eine gute Hilfe, um Verkrampfungen und Unsicherheiten des ‚Umfeldes’ zu reduzieren. Das persönliche Gespräch kann dabei nicht ausbleiben. Immer wieder werden Eltern die Krankheit in unterschiedlichen Situationen erklären müssen. Die Deutsche Rheuma-Liga, die KinderRheumastiftung und die Fachkliniken erhöhen durch ihre Internetpräsenz, Kongresse, Vorträge und Öffentlichkeitsarbeit den Informationsgrad innerhalb der Ärzteschaft sowie der Bevölkerung. Dennoch stoßen Eltern immer wieder auf Unverständnis in Kindergärten, Schulen oder bei Behörden. Sie erhalten in diesen Fällen Unterstützung durch die Elternkreise der Rheuma-Liga sowie die Sozialdienstmitarbeiter der Kliniken. Die Situation des Kindes Je nach Krankheitsbild und -intensität prägt die rheumatische Erkrankung das Leben des Kindes in den unterschiedlichen Altersstufen. Wenn die Arthritis nur einzelne Gelenke betrifft und die Erkrankung mit einer umfassenden Therapie schnell zum Stillstand gebracht wird, dann sind die Auswirkungen nur gering. Unter Umständen können aber auch re- gelmäßige, teils mehrwöchige Klinikaufenthalte nötig werden. Die tägliche Eisbehandlung und die Krankengymnastik zu Hause kann dabei viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Aufgrund all dieser notwendigen Therapieeinheiten bleibt letztlich für das Kind weniger Zeit im Freundeskreis übrig. Kleinkinder können noch gar nicht verstehen, was mit ihnen und um sie herum geschieht. Plötzlich soll das ‚Herumtollen’ mit Spielkameraden nicht mehr erlaubt sein. Dann gibt es auf einmal allerlei Hilfsmittel und ständig erinnern die Eltern an gelenkschonendes Verhalten. Wenn kleine Kinder Schmerzen haben, dann können sie dies meist nicht in Worte fassen. Manchmal sind sie aggressiv, zurückgezogen oder weinerlich. Woher dieses Verhalten kommt, können sie keinem erklären. Weder Eltern noch Freunde können dies in den wenigsten Fällen richtig einschätzen oder deuten. Meist gelten Kinder dann als grundlos launisch, empfindlich oder anstrengend. Missverständnisse und Fehleinschätzungen sind mitunter schmerzliche Folgen. Um dies zu vermeiden, unterdrücken ältere Kinder und Jugendliche oftmals ihre Schmerzen. Sie wollen keine Außenseiter sein oder werden und ‚verstecken’ deshalb nicht selten ihre Krankheit. Wider besseres Wissen meiden sie den Gebrauch von Handschienen, Gehstützen und anderer Hilfsmittel, denn die Umwelt wird oft erst durch sie auf die Krankheit aufmerksam. Die wohltuende und wichtige Wirkung der Hilfsmittel wird somit ignoriert. 135 Aspekte der Krankheitsbewältigung Spätestens in der Pubertät fällt es den erkrankten Jugendlichen besonders schwer, ein ‚positives Körpererleben’ zu entwickeln. Idole und Leitbilder, die von der Konsumgesellschaft und der Werbung propagiert werden, sind idealtypisch, gesund, sportlich, wohlgeformt, stark und immer strahlend. 12 Betroffene Kinder und Jugendliche ‚lernen’ und ‚profitieren’ von den stationären Klinikaufenthalten. Sie sind dann ‘Gleiche unter Gleichen’ und niemandem muss Rheuma erklärt werden. Sie kennen die Station und die Mitarbeiter des Hauses, können ungeniert sämtliche Hilfsmittel benutzen und erleben insbesondere andere Kinder und Jugendliche, die mit der Krankheit leben lernen. Viele Jugendliche haben die Krankheit gut in ihr Leben integriert und zeigen einen Weg auf, an dem sich andere Kinder orientieren können. Nach einiger Zeit werden rheumakranke Jugendliche vielleicht selbst zu ‚Vorbildern’ - gerade weil sie gelernt haben, sich ihrer Krankheit zu stellen und dennoch Spaß am Leben zu haben! Viele Begegnungen von Jugendlichen finden im Rahmen des Freizeitprogramms statt. Betroffene erleben neben den krankheitsbedingten Einschränkungen auch ihre Stärken und machen ganz neue Erfahrungen. Der Einfluss einer chronischen Erkrankung auf die Kinder und Jugendlichen ist nicht zu unterschätzen. Jedoch gibt es auch viele Lebensbereiche, in denen sich gar nichts verändert. Wie jedes andere Kind haben die Patienten eigene Ideen und Interessen, Stärken und 136 Schwächen, Glücksmomente und Liebeskummer. Kinder und Jugendliche wollen nach und nach IHREN Lebensweg beschreiten, ihre eigenen Erfahrungen, Erfolgserlebnisse und Niederlagen sammeln. Ob eine durchtanzte Nacht gut für die Gelenke ist oder nicht, spielt dabei manchmal keine Rolle - und das ist gut so. Zu dem eigenen Lebenskonzept gehört dann auch die schrittweise Loslösung von den Eltern. Fehlzeiten und Lernrückstände können die ‚Schullaufbahn’ teilweise begleiten. Manches kann durch diszipliniertes Arbeiten aufgefangen werden. Wie gut die Kinder diese Einschnitte verkraften, wird sich im Laufe der Zeit erweisen. Eltern und Kinder sollten sich aber davor hüten, sich zusätzlich zur Krankheit selbst unter erhöhten Leistungsdruck zu setzen. Eine aufmunternde und fürsorgliche Haltung der Eltern tut den Kindern gut. Alltagserfahrungen Durch die Krankheit wird der eigene Lebensrhythmus ganz verändert. Leidet das Kind unter Morgensteifigkeit, dauert morgens alles etwas länger. Die häuslichen krankengymnastischen Übungen und die ambulanten Arztbesuche müssen in den Tagesablauf integriert werden. Tage und Wochen werden nunmehr anders strukturiert. Zu Beginn wird es nicht einfach sein, die erforderlichen Termine in den täglichen Ablauf zu Hause zu integrieren. Alle Beteiligten müssen gemeinsam überlegen und ausprobieren, wann was am besten gemacht Kapitel 12 werden kann. Nach einiger Zeit hat sich der Alltag eingespielt. Parallel zur Krankengymnastik werden z.B. Vokabeln gelernt oder es wird eine wohlverdiente Pause eingelegt. Die notwendigen Untersuchungen und Behandlungen sind und bleiben anstrengend und oft unangenehm. Dennoch kehrt nach einiger Zeit für die Kinder etwas Routine ein und sie bewältigen Blutabnahmen und Einspritzungen mit einer gewissen Gelassenheit. Die Unvorhersehbarkeit des Krankheitsverlaufes lässt das HEUTE wichtiger werden. Was übermorgen oder in einem Jahr ist, ist nicht abzusehen. Sich in dieser Weise auf die Gegenwart zu konzentrieren, ist zunächst ungewohnt und manchmal anstrengend, doch darin liegt auch eine Qualität. Die gemeinsame Krankheitsbewältigung schafft vertraute Momente, zwingt im hektischen Alltag zu Rhythmus und Langsamkeit und macht sensibel für Fortschritte und schöne Erlebnisse. Manche großen Ziele lassen sich nicht aufrecht erhalten, die große Sportlerkarriere oder ein mit schwerer körperlicher Beanspruchung verbundener Beruf wird beispielsweise nicht möglich sein - aber es gibt dennoch unzählige Möglichkeiten, das Leben positiv zu gestalten. Der Prozess der Neuorientierung ist zunächst womöglich schmerzhaft, mitunter aber auch wohltuend, denn allen Beteiligten wird klar: Letztlich kann und muss ein eigener Weg zur Krankheitsbewältigung gefunden werden! Es kommt durchaus vor, dass die rheumatische Erkrankung und die notwendigen Therapieeinheiten nicht in das ‚Lebenskonzept’ der Familie integriert werden können. Beides wird abgelehnt. Mögliche Ursachen sind z.B. Widerstände des Kindes oder zu hohe Nebenwirkungen der Medikamente. Diese Problematik sollten Sie baldmöglichst mit ihrem behandelnden Arzt und den Klinikmitarbeitern der Fachklinik besprechen. Gemeinsam können dann mögliche Lösungen gesucht werden. Auswirkungen auf die Situation der Eltern Die Erkrankung des Kindes ist auch ein Stressfaktor für die Eltern. Zum Teil sind längere Krankenhausaufenthalte notwendig. Die Therapie und die Sorge um das Kind binden Zeit und Kraft. Eltern haben - bewusst oder unbewusst - ein Bild von sich und ihrem Kind. Wenn das Kind unter einer chronischen Krankheit leidet, die seine Leistungsfähigkeit in manchen Bereichen einschränken kann, dann muss dieses Bild unter Umständen revidiert werden. Die Eltern sind zunächst selbst traurig und verunsichert. Sie erleben sich gegenüber der Krankheit als machtlos und wünschen sich selbst Trost und Zuversicht. Zugleich wollen sie gegenüber dem Kind stark und hoffnungsvoll sein. Viele Partner rücken in dieser Phase näher zusammen, geben sich Halt und suchen gemeinsam nach dem besten Weg. Sie machen die gute Erfahrung, dass sich ihre Beziehung auch in Krisenzeiten 137 Aspekte der Krankheitsbewältigung bewährt. Vieles kann gemeinsam leichter getragen und entschieden werden. Schwierig wird es, wenn die Partner sich ganz unterschiedlich verhalten: Ein Elternteil möchte viel reden und klären, der andere möchte am liebsten gar nichts von der Krankheit und deren Folgen wissen. Ist dies der Fall, dann sollten sie sich zunächst etwas Zeit lassen. Oftmals spielt sich das nach und nach aufeinander ein. Für den einen Partner bieten die Elternkreise eine gute Möglichkeit zum Gespräch um Sorgen, Nöte und Ideen zu besprechen. Das ist zwar nicht der eigentlich angestrebte Weg, aber es nimmt den Druck etwas heraus und schenkt Zeit. 12 Finden die Partner in einer solchen Situation jedoch nicht mehr zueinander, dann war die Krankheit des Kindes in der Regel nicht Ursache, sondern, wenn überhaupt, lediglich Auslöser der Beziehungskrise. Es ist allen Familienmitgliedern zu wünschen, dass die Partner in dieser Situation die Hilfe einer entsprechenden Ehe- und Familienberatungsstelle in Anspruch nehmen. Dabei geht es nicht nur um die Beziehung der Eltern. Es sollte unbedingt vermieden werden, dass das Kind den Eindruck gewinnt, es wäre mit seiner Krankheit Schuld an der Partnerschaftskrise! Falls Sie ihr Kind alleine erziehen, spüren Sie wahrscheinlich den Druck und die Verantwortung, die auf Ihnen lasten. Die gesamte Alltagsorganisation bleibt an Ihnen hängen: Das kranke Kind und eventuelle Geschwisterkinder sollen möglichst optimal versorgt sein, der 138 Haushalt muss organisiert, das Familieneinkommen gesichert werden... Alleinerziehende meistern diese Aufgaben oft mit Bravour. Sie sind jedoch besonders in der Gefahr zu vereinsamen und eigene Bedürfnisse permanent hinten anzustellen. Dem Gespräch mit anderen Eltern, dem Hausarzt oder den Klinikmitarbeitern kommt in dieser Situation besondere Bedeutung zu. Es ist einer der Vorteile der chronischen Krankheit, dass durch die wiederkehrenden Begegnungen hilfreiche Beziehungen wachsen können, die über oberflächliche Alltagskontakte weit hinausgehen. Darüber hinaus gibt es konkrete Möglichkeiten der Entlastung, so z.B. die kostengünstige Übernachtung für Eltern mit geringem Einkommen in der ‘Villa Kunterbunt’ der Klinik in Garmisch-Partenkirchen. Andere Kliniken haben ähnliche Angebote. » Was bedeutet die Krankheit für die Geschwister? Die Geschwisterkinder kommen durch die chronische Krankheit ihres Bruders / ihrer Schwester oft in eine sehr schwierige Lage. Plötzlich dreht sich alles um das kranke Kind. Von den gesunden Geschwistern wird stets Rücksichtnahme und Verständnis erwartet. Auch sie haben ein Anrecht auf Zuwendung von ihren Eltern und dies nicht nur dann, wenn etwas ‚Zeit übrig bleibt’. Kapitel 12 Es ist nicht leicht in dieser Situation den richtigen Weg zu finden. Einerseits müssen Geschwisterkinder lernen, die eigene Bedürftigkeit zu äußern, denn sonst kommen sie zu kurz. Wird nun andererseits aber mehr Aufmerksamkeit eingefordert, kommen Eltern zusätzlich unter Druck, da sie im Alltag schon alle Hände voll zu tun haben. In dieser Phase entwickeln gesunde Geschwisterkinder unter Umständen auch ein schlechtes Gewissen, wenn sie merken, dass ihretwegen das kranke Kind weniger Aufmerksamkeit erhält und sogar darunter leidet. Von gesunden Geschwistern kann erwartet werden, dass sie die besondere Bedürftigkeit des chronisch kranken Kindes vor allem in krisenhaften Zeiten erspüren und respektieren. Umgekehrt ist es auch für das kranke Kind ein wichtiger Lernprozess, dass die Geschwister ein Anrecht auf ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Bei aller notwendigen Fürsorge darf bei den Kindern nicht der Eindruck entstehen, dass sie nur dann genügend Zuwendung erhalten, wenn sie entweder krank sind, mit schlechten Noten nach Hause kommen oder sonst irgendwie ‘aus der Reihe tanzen’. Die Schuldfrage Die Ursache einer rheumatischen Erkrankung ist bisher leider immer noch unklar. Viele Komponenten kommen als Auslöser in Frage. Wie bereits ausgeführt, gibt es Anhaltspunkte für eine gewisse erbliche Disposition. Bei anderen Kindern mit chronischer Arthritis fehlen diese Erbmerkmale jedoch. In jedem Fall müssen aber weitere, bisher unbekannte auslösende Faktoren dazukommen. Doch eines steht fest, Sie als Eltern trifft an der Erkrankung Ihres Kindes keinerlei Schuld! Die Vermutungen und Unterstellungen mancher Zeitgenossen, Sie hätten die Krankheit etwa durch zu dünne Kleidung des Kindes oder zu einseitige Ernährung ausgelöst, entbehren jeder Grundlage. Auch die betroffenen Kinder können nichts für diese Situation! Eltern dürfen dem Kind auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, es wäre krank, weil es nicht folgsam oder lieb genug war! Sollte das Kind selbst auf diesen Gedanken kommen, muss es unbedingt entlastet und aufgeklärt werden. Ihr Kind ist aber weit mehr als nur das kranke Kind. Es will auch in seinem Wunsch nach Unabhängigkeit respektiert und manchmal einfach in Ruhe gelassen werden. In vernünftigen Maßen dürfen Sie das sich und Ihrem Kind zugestehen, ohne dass Sie sich Schuldvorwürfe machen müssen. Immer wieder stellen Eltern fest, im Nachhinein hätte man vielleicht manches früher erkennen oder konsequenter behandeln können. Doch sie sollten die Vergangenheit möglichst schnell ruhen lassen und ihre Kraft für die Zukunft aufwenden. Gemeinsam können alle an der Therapie beteiligten Personen viel erreichen, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Als Behandlungsziel gilt die optimale Versorgung. Allerdings müssen die Beteiligten immer 139 Aspekte der Krankheitsbewältigung wieder der Realität ins Auge schauen und auch die begrenzten Möglichkeiten akzeptieren und mit ihnen leben lernen. Zwischen ‘Glucke’ und ‘Rabenmutter’ 12 Nach wie vor sind es in der Regel die Mütter, die ihr Kind im häuslichen Alltag betreuen und während der Klinikaufenthalte begleiten. Die Krankheit fordert von den Müttern viel Zeit und Energie. Teilweise geben berufstätige Mütter sogar ihre Arbeitsstelle auf, um sich mit aller Kraft dem Kind und den sonstigen familiären Aufgaben zu widmen. Trotz der damit verbundenen Minderung des Familieneinkommens ist dieser Schritt in vielen Fällen wohltuend für alle Beteiligten, denn sie haben mehr Zeit füreinander. Andererseits ist dies auch eine ‚Gratwanderung’, denn die Krankheit darf auch nicht zu sehr im Mittelpunkt stehen. Das Kind bedarf der elterlichen Fürsorge. Es braucht aber auch seine Ruhe und den altersgemäßen Freiraum, um eigene Erfahrungen machen zu können. Der richtige Mittelweg liegt wohl zwischen der ‘gluckenhaften Fürsorge’ und der ‘rabenmütterlichen Distanz’. Natürlich braucht das Kind während eines Krankheitsschubes verstärkte Aufmerksamkeit und Betreuung. Es gibt aber auch Phasen, in denen die Krankheit in den Hintergrund treten kann und soll. Neben aller berechtigter Fürsorge um das kranke Kind sollten alle Familienmitglieder darauf achten, dass Kontakte gepflegt werden und die eigenen Interessen nicht zu kurz kommen. 140 Achtung: Krankheitsgewinn! Eine ältere Patientin erzählte schmunzelnd, dass sie wegen ihrer Krankheit sehr zum Ärger ihrer gesunden Geschwister - nie in den Keller gehen musste um Getränke für die Familie zu holen. Sie hat dieses kleine Privileg genossen. Auch anderen Kindern ist es zu gönnen, dass die Krankheit neben vielen Nachteilen im Alltag ab und zu auch Positives für sie bereithält. Nicht nur die Kinder, sondern die gesamte Familie kann von der Krankheit profitieren, denn sie gibt ein Thema vor, auf das sich jetzt alle konzentrieren können. Viele Familien rücken im Laufe der Zeit näher zusammen, kleinere und größere Konfliktpunkte der Vergangenheit verlieren an Bedeutung. Problematisch wird es, wenn die Krankheit zum einzig einigenden Faktor und beherrschenden Thema der Familie wird, Konflikte auf Dauer zugedeckt und offene Fragen nicht mehr geklärt werden. Ebenso schwierig ist es, wenn die betroffenen Kinder und Jugendlichen über ihre Krankheitsschübe hinaus die Erfahrung machen, dass sie sich unter Verweis auf ihre Arthritis allerlei unangenehmen schulischen und privaten Anforderungen entziehen können. Falls diese Verhaltens- bzw. Vermeidungsmuster - bewusst oder unbewusst - zunehmend wirksam werden, führt dies dazu, dass nicht die Krankheit, sondern der natürliche Heilungsprozess bedroht wird. Wenn die Arthritis zu oft als Schutzschild gegen die unangenehmen Kapitel 12 Anforderungen des Lebens eingesetzt wird, dann verlieren alle, die sich dahinter verstecken, das Selbstvertrauen, ihr Leben auch ohne diesen Schutz zu meistern. Auch hier ist es nicht leicht, den ‚goldenen’ Mittelweg zu finden. Denn ab und zu dürfen Patienten und Eltern ohne schlechtes Gewissen die wenigen Vorteile genießen, die die Krankheit mit sich bringt. Keinesfalls darf dies zu einem gewohnten Verhaltensmuster werden, denn dann nimmt eine Entwicklung ihren Anfang, die einer Gesundung und erfolgreichen Lebensbewältigung im Wege steht. Patientenschulung und andere Hilfestellungen Zunehmend Verantwortung für die Gestaltung des weiteren Behandlungsverlaufes zu übernehmen, setzt ein hohes Maß an Verständnis für die Krankheit und Wissen um die Therapiemöglichkeiten voraus. Dieses Buch leistet einen Beitrag zur umfassenden Information, der durch weitere Broschüren und Informationsblätter der Deutschen RheumaLiga sowie andere Veröffentlichungen ergänzt wird. Besonders Angehörige greifen auf diese Hilfestellungen gerne zurück. Die Mitarbeiter der Fachkliniken haben in vielen Fällen beobachtet, dass sich Jugendliche zwar oftmals gut informiert fühlen, tatsächlich jedoch über ein ‚Krankheits-Halbwissen’ verfügen. So haben sich langjährige Patienten gescheut nach einiger Zeit vermeintlich ‘dumme Fragen’ zu stellen. Vertreterinnen und Vertreter aller Berufsgruppen aus verschiedenen deutschen Zentren für Kinderrheumatologie entwickelten deshalb gemeinsam eine Patientenschulung für Kinder, Jugendliche und Eltern, die in unterschiedlicher Form an Wochenenden oder mehreren Abenden angeboten wird. Zentrale Themen des Schulungsprogramms sind: • Was bedeutet Rheuma beim Kind? • Wie behandelt man Rheuma beim Kind? • Rheuma braucht Bewegung - Physiotherapie bringt’s • Wie kann ich Ergotherapie für mich nutzen? • Bewältigung im Alltag - Soziales und Rechtliches • Anregungen zur Krankheitsbewältigung Neben diesem Schulungsprogramm sind die Arztgespräche, Einzelberatungen und Elternabende wertvolle Hilfen um möglichst gut über die Krankheit und ihre Behandlung informiert zu werden. Unterstützung suchen und finden Wie würden Sie auf die Frage „Was gibt Ihnen Kraft?“ antworten? Welche Form der Unterstützung tut Ihnen und Ihrem Kind gut? Zu Beginn des Buches und auch in diesem Kapitel wurde deutlich, dass Sie, gemeinsam und jeder für sich, einen eigenen Weg finden müssen, um mit der Krankheit leben zu lernen. Für viele Menschen ist der Glaube und das 141 Aspekte der Krankheitsbewältigung 12 Vertrauen auf Gottes Beistand eine große Kraftquelle. Andere können damit nichts anfangen, ihnen liegt an Hilfestellungen, die sie als ‘handfester’ erleben. Wie Ihr Weg auch aussehen mag, es gibt mit Sicherheit Gleichgesinnte, mit denen Sie sich zusammentun können. Das kostet Energie, gibt aber auch viel zurück. Auch hier sind die Elternkreise der Rheuma-Liga oder für Jugendliche und junge Erwachsene die Gruppe junger Rheumatiker eine gute Adresse. Hier haben nicht nur Ihre Fragen Platz, sondern auch Ihr Optimismus, Ihre Erfahrungen, Ihr Witz und all das, was Sie als Persönlichkeit ausmacht. Im entsprechenden Kapitel dieses Buches finden sie dazu weitere Informationen. Leben trotz Rückschlägen Das bisher Gesagte sollte verdeutlichen, dass die psychische Verfassung - unabhängig von der Existenz einer Erkrankung - eine entscheidende Rolle in unserem Leben spielt. Für das Leben der betroffenen Familien ist die chronische Arthritis der prägende Faktor. Wie es Ihnen geht, was Ihnen Mut macht, was Sie Kraft kostet und welche Bedürfnisse Sie haben, ist deshalb nicht nur wichtig für Sie persönlich, sondern auch für eine erfolgreiche Krankheitsbewältigung. Sie sollten sich und Ihre Gefühle ernst nehmen und darauf achten, dass sie auch von anderen ernst genommen werden. 142 Wie bereits deutlich wurde, ist eine der besonders belastenden Seiten der juvenilen idiopathischen Arthritis deren Unberechenbarkeit. Der schubweise Verlauf bringt es mit sich, dass niemand sagen kann: „Jetzt ist alles ausgestanden!“ Ein erneutes Aufflammen der Entzündung ist jederzeit möglich. Es ist für alle Beteiligten enorm anstrengend, die eigenen Kräfte immer wieder neu zu mobilisieren und sich den nötigen Optimismus zu erhalten. Umso wichtiger ist es, gute Phasen gemeinsam zu genießen und in diesen Zeiten Kraft zu schöpfen. Machen Sie sich auch bewusst, dass es viele Patienten gibt, bei denen die Krankheit zum Stillstand gebracht werden konnte. Ärzte, Therapeuten, Schwestern, Psychologen und Sozialdienstmitarbeiter stehen den Patienten und Angehörigen helfend und beratend zur Seite. Gerade wenn wichtige Entscheidungen anstehen oder Krisen zu bewältigen sind, müssen Eltern die Last nicht alleine tragen. Rückblickend sagen viele Patienten und Angehörige, die bereits mehrere Höhen und Tiefen durchlebt haben, mit berechtigtem Stolz: „Was wir schon alles geschafft haben! Und wir werden auch die Zukunft meistern!“ Kapitel 13 Eltern-Kind-Beziehung T. Kerbs » » » » » Einleitung.................................................................................... 144 Körper und Psyche – Kleinkinder.............................................. 144 Kind und Krankheit – Besonderheiten vom Kleinkind- bis ins Jugendalter .................................................. 146 Das große Thema der Ablösung und Selbständigkeit – Jugendliche und Eltern .............................................................. 149 Krankheitsbewältigung............................................................... 152 143 Eltern-Kind-Beziehung Veränderungen der ElternKind-Beziehung durch chronische Krankheit des Kindes » Einleitung 13 Wird in einer Familie jemand ernsthaft und über längere Zeit hinweg krank, dann verändern sich auch die persönlichen Beziehungen der Familienmitglieder zueinander. Deshalb soll in dieser Broschüre die Psychologie mit einem eigenen Kapitel zu Wort kommen. Ihr wesentliches Interesse gilt den Beziehungen zwischen den Menschen, sowohl in ihren Gesetzmäßigkeiten als auch in ihren individuellen Auswirkungen. Hinweise aus psychologischer Sicht, wie sie im Folgenden gegeben werden, können daher helfen, die Beziehungen zwischen Eltern und chronisch kranken Kindern für einen förderlichen Umgang mit der Krankheit nutzbar zu machen und Veränderungen der Beziehungen, wie sie sich unvermeidlich ergeben, nicht zur zusätzlichen Belastung für alle Beteiligten werden zu lassen. Sollten nach der Lektüre Fragen offen geblieben sein, so lade ich Sie herzlich zum Gespräch bei mir oder einem für Sie erreichbaren Kollegen1 ein. Im persönlichen Gespräch lassen sich auch schwierige Fragen erläutern und klären, wie die bisherige Erfahrung immer wieder zeigt. 1 Der besseren Lesbarkeit halber wird im folgenden Text durchgängig die männliche Form verwandt. Gemeint sind jeweils männliche und weibliche Personen. 144 » Körper und Psyche Kleinkinder Bewegung ist Erfahrung Das heutige Gesundheitswesen unterscheidet zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen. Durch diese Trennung wird das komplexe Thema Gesundheit und Krankheit insofern unzulässig vereinfacht, als die gegenseitige Beeinflussung des einen durch das andere heute gesichertes Wissen darstellt: Es ist immer der ganze Mensch krank, Körper und Psyche beeinflussen und bedingen sich gegenseitig. Besonders zu beachten ist die enge Verschränkung von Körper und Psyche in der Kindheit und Jugend, wenn sich beide rasch entwickeln und die körperliche Reifung die intellektuelle Entwicklung förmlich mit sich reißt. Mit zunehmendem Bewegungsspielraum und wachsender Geschicklichkeit erobert sich das Kleinkind neue Erfahrungswelten, indem es mit der Bewegung neue Eindrücke aufnimmt und damit neue Erfahrungen machen kann, die den Intellekt reifen lassen. Beispielsweise bewegt es sich krabbelnd zur Stereoanlage und entdekkt dort den Effekt des Knöpfedrückens. Bewegung ist also gleichzusetzen mit Erfahrung, und Erfahrung ermöglicht dem reifenden Geist die zielgerichtete und geschickte Bewegung durch seine Welt. Das vorab Gesagte läßt theoretisch den Schluss zu, dass rheumakranke Kinder infolge ihrer eingeschränkten Beweglichkeit das zur Verfügung stehende Umfeld als weniger intellektuell anre- Kapitel 13 gend erleben und in ihrer Entwicklung deshalb beeinträchtigt sind. Das ist allerdings nicht zwangsläufig so, denn neben der angesprochenen Verknüpfung körperlicher und psychischer Entwicklungsfaktoren spielen noch weitere Parameter eine Rolle, z. B. die dem Kind innewohnende Neugierde, ererbte Temperaments- und Charakterzüge und nicht zuletzt der Anregungsreichtum der familiären und außerfamiliären Umgebung. Die in ihrer Beweglichkeit beeinträchtigten Kinder sind stärker auf ein anregendes Umfeld angewiesen als gesunde Kinder. Chronisch kranke Kinder sind zusätzlich in ihrem Bewegungsdrang gebremst, weil sie viele Stunden in Krankenhäusern, physiotherapeutischen und sonstigen Praxen (bzw. auf dem Hinund Rückweg) verbringen, also in einem Umfeld, das kaum geeignet ist, den kindlichen Bedürfnissen gerecht zu werden und ihre vitale Neugier zu befriedigen. Von der Wichtigkeit des Sprechens Wünschenswert oder sogar notwendig ist es daher, den Mangel an verfügbarer Zeit durch aktive Förderung der persönlichen Entwicklung möglichst auszugleichen. Zeit ist in unserem Leben ein knappes Gut. Es gibt berufliche Verpflichtungen, vielleicht auch Geschwisterkinder mit eigenen Bedürfnissen, es gilt eine Ehe zu pflegen, und eventuell gibt es noch ganz andere, nicht minder bedeutsame Erfordernisse. Wenn die Grenze der Belastbarkeit also schon erreicht und das Zeitbudget erschöpft ist, dann genügt es tatsächlich schon, dem rheumakranken Kind und hier insbesondere dem Kleinkind, möglichst viel von dem zu erklären, was mit ihm und in seiner Umgebung geschieht. Begleitendes Sprechen schon bei Säuglingen ist in seinem Wert und seiner Bedeutung für die intellektuelle Entwicklung nicht hoch genug einzuschätzen. Zusätzlich fördert es die Beziehungsqualität zwischen Eltern und Kind. All das kostet letztlich nicht mehr Zeit und Aufmerksamkeit, ist dennoch von großem Wert und wird von den kleinen Kindern mit größter Dankbarkeit und Freude angenommen. Denn für sie gibt es nichts Vertrauteres und Ermutigenderes als die Stimme ihrer Eltern. Die Empfehlung des begleitenden Sprechens ist jedoch keinesfalls so gemeint, dass dabei die Bedürfnisse des Kindes nach Rückzug und einem ihm gemäßen Austausch missachtet werden. Auch der Säugling lässt schon deutlich wissen, ob und in welcher Form er zur Aufnahme kommunikativer Anregungen bereit ist. Und beziehungslose Monologe geraten nicht nur für ganz kleine Zuhörer schnell unbefriedigend und unverständlich. Bei diesen an das Kind gerichteten Erläuterungen sind also immer die Bedürfnisse des kindlichen Gegenübers im Auge zu behalten. Erklärungen ja - aber nicht um jeden Preis. 145 Eltern-Kind-Beziehung » Kind und Krankheit – Besonderheiten vom Kleinkind- bis ins Jugendalter Wie verändert sich die ElternKind-Beziehung durch die Krankheit des Kindes? 13 Die Überschrift zu diesem Kapitel impliziert die Hypothese, dass die chronische Krankheit eines Kindes die Eltern-KindBeziehung verändere. Und tatsächlich ist das auch so, denn die Beziehung zwischen Menschen, die sich nahestehen, ist überaus wandelbar und passt sich flexibel der Situation und den jeweiligen Rahmenbedingungen an. Dabei ist wichtig zu wissen, dass sich die Veränderung der Beziehung keineswegs zum Schlechteren hin entwickeln muss. Vielmehr kann das gemeinsame Erleben der Krankheit sowohl Bereicherung als auch Zugewinn für das Miteinander sein, die von den Beteiligten als positiv erfahren werden. Nicht umsonst geschieht es häufig, dass Menschen, die wesentliche Krankheitserfahrungen gemacht haben, von ihrer Umwelt als reifer und tiefgründiger erlebt werden als andere, denen solche Herausforderungen erspart geblieben sind. Schutzreaktion und Mitteilungsbedürfnis Wenn Menschen sich nicht wohl fühlen oder krank werden, suchen sie automatisch die Nähe von geliebten und bekannten Bezugspersonen – und das gilt insbesondere für Kinder. Kranke Kinder brauchen zur Genesung stabile Bezie146 hungen und ein als angenehm und sicher erlebtes Umfeld. Bei den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sind die Möglichkeiten der familiären Bezugspersonen in Bezug auf die direkten medizinischen Beschwerden begrenzt. Das ist für die Eltern erkrankter Kinder häufig frustrierend, weil sie hilflos neben ihren leidenden Kindern stehen und scheinbar nicht wirksam helfen können. Doch müssen sich Väter und Mütter klarmachen, dass sie schon durch ihre Gegenwart als verlässliche Ansprechpartner, durch unterstützende Handlungen und durch verständnisvollen Beistand wertvolle Hilfe leisten können. Auch ganz kleine Kinder tragen neben dem unmittelbaren Schutzbedürfnis schon ein Bedürfnis nach Mitteilung in sich: Vertrauten Menschen mitzuteilen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, stellt also altersunabhängig ein Grundbedürfnis dar. Bedenkt man zudem, dass Kinder in ihren ersten eineinhalb Jahren einen Großteil ihrer Zeit mit Kommunikation verbringen, wird deutlich, wie bedeutsam gerade für sie die Qualität des Kontaktes ist. Im vorsprachlichen Alter fehlt ihnen die Möglichkeit zur verbalen Kommunikation. Die vom Kleinkind genutzte symbolische Form des Ausdrucks mündet häufig in Missverständnisse oder gar in das Unverständnis der erwachsenen Bezugspersonen. Der Verständigung mit dem Kleinkind sollte also so viel Aufmerksamkeit wie möglich gewidmet werden, was neben der Beziehungspflege auch die Qualität der Verständigung verbessert. Kapitel 13 Der Umgang mit den Gefühlen zählt mehr als Worte Die Eltern und ihr Umgang mit schwierigen Situationen bieten den ersten und wichtigsten Orientierungspunkt für Kinder. Diese haben von früh an gelernt, zuerst auf die elterlichen Verhaltensweisen zu achten und sie nachzuahmen. Je jünger die Kinder sind, um so mehr halten sie sich an die Gefühlsreaktionen der Eltern und weniger an deren Worte. Ein beispielhafter Fall soll verdeutlichen, was es damit auf sich hat: Die Mutter des neunjährigen Stefan beklagt sich darüber, dass sie nach Ende der Besuchszeit die Station nur unter Kämpfen verlassen kann. Stefan versucht sie mit allen Mitteln zurückzuhalten und brüllt und schreit, wenn sie dann endgültig die Station verläßt. Es kommt häufig vor, dass die Schwestern später in ihrer Unterkunft anrufen und sie noch einmal zurückkehren muss, bis Stefan dann spät nachts völlig erschöpft einschläft. Im Gespräch beklagt sich Stefans Mutter über seine Anhänglichkeit und die aufwühlenden Abschiedsszenen. Im weiteren Verlauf der Beratungsgespräche zeigt sich der bedeutungsvolle Umstand, dass sie selbst Stefan im Grunde ihres Herzens nicht zutraut, mit der Trennungssituation klarzukommen. Er sei doch so krank und brauche sie wirklich noch. Stefan nimmt offensichtlich von seiner Mutter weniger ihre Worte auf („Wir sehen uns ja morgen wieder, Du schaffst das schon!“) als vielmehr ihr fehlendes Vertrauen in seine Fähigkeiten, die Trennungsangst zu bewältigen und sich allein zurechtzufinden. Die mütterliche Unsicherheit überlagert ihre verbalen Aufforderungen, er möge sich tapfer verhalten, weil Kinder mit außerordentlich feinen Antennen auf das Innenleben ihrer Eltern ansprechen. Nachdem sich Stefans Mutter über diese Zusammenhänge klar wurde und mehr Vertrauen in die Selbstständigkeit ihres Sohnes entwickelt hatte, entspannte sich die Situation deutlich. Sie konnte die Station schließlich nach einem ganz normalen Abschied verlassen und Stefan schlief während der Nacht ruhig, bis sie sich am kommenden Morgen wiedersahen. Es nützt also wenig, Kindern in gefühlsgeladenen Situationen mit Worten immer wieder die eigenen Überzeugungen vermitteln zu wollen. Gerade in Grenzsituationen erspüren sie zuverlässig, wie es in ihren Eltern „tief drinnen“ aussieht und wie sie mit der jeweiligen Situation und den daraus erwachsenden Gefühlen umgehen. Das Beobachtete ahmen die Kinder nach und folgen ihren Gefühlen in gleicher Weise. Tritt demnach eine Diskrepanz zwischen den mündlichen Ermahnungen und den wahrgenommenen Gefühlen wie im obigen Beispiel 147 Eltern-Kind-Beziehung auf, orientiert sich das Kind immer an dem, was aus seiner Sicht die stärkere Kraft ausübt. Die Gefühle sind auch bei uns Erwachsenen häufig stärker als das, was der Kopf an Gedanken und Überlegungen vertritt. Krankheitsbewusstsein bei Kindern 13 Bei kranken Kindern spielt für die ElternKind-Beziehung eine bedeutsame Rolle, dass Kinder noch kein Krankheitsbewusstsein im Sinne der Erwachsenen haben. Sie gehen in ihrem noch unreifen Weltverständnis davon aus, dass alle Menschen so sind wie sie und auch exakt dasselbe erleben. Dass sie eine Krankheit haben und sich dadurch von anderen unterscheiden, erfahren sie erst mit der Zeit durch den Vergleich mit gesunden Kindern und Bezugspersonen. Kausale Zusammenhänge erschließen sich ihnen nicht so eindeutig und unmittelbar wie Erwachsenen, weil sie das zugehörige Weltwissen erst noch erwerben müssen. Ein Beispiel dazu: Einem Kleinkind leuchtet keineswegs zwingend der Zusammenhang zwischen der wöchentlichen Spritze und dem darauf folgenden besseren Allgemeinzustand ein. Es wird immer einen Bezug zwischen den zeitlich eng beisammen liegenden Ereignissen herstellen, also den zwischen der Spritze und den Schmerzen bzw. seiner Angst vor der Spritze. Die Spritze ist also Urheber des jeweiligen Elends und jenseits dieses Momentes gibt es im Erleben des Kindes nichts Bedeutsameres. Das Kind tut seiner persönlichen Logik fol148 gend nun alles, um der Spritze zu entgehen. Kindern fällt es bis ins späte Jugendalter hinein besonders schwer, ihr momentanes Handeln an den Erfordernissen der Zukunft auszurichten. Sie schaffen es nur mit Mühe, sich im Hier und Jetzt so zu verhalten, dass sie bestimmte zukünftige Konsequenzen ausschalten können, insbesondere wenn es sich um sehr langfristige Konsequenzen handelt. Die Gegenwartsorientierung von Kindern und Jugendlichen ist einerseits ein Geschenk, andererseits kann sie zur Strafe des späteren Lebens werden, wenn es in den Jugendjahren zu einem selbstschädigenden Verhalten gekommen ist. Der Grund liegt darin, dass spätere Schädigungen und Nachteile nur gedacht werden können und sich mit den aktuellen Erlebnissen überhaupt nicht in Einklang bringen lassen. Kinder sind erheblich weniger durch ihre Gedankenwelten bestimmt als Erwachsene, sie leben stärker in ihren eigenen Gefühls- und Erlebniswelten. Das gilt ebenso für Pubertierende, die sich in einer Phase extremer innerer Veränderungen befinden – Gedanken, Vernunft und die Vorwegnahme zukünftiger Konsequenzen spielen da oft nur eine untergeordnete Rolle. Um es noch einmal zusammenzufassen: Die kindliche Logik lässt sich nicht mit der der Erwachsenen vergleichen und es ist die Aufgabe der Eltern und Betreuer, das Kind seinem eigenen Lerntempo gemäß an die Maßstäbe der Erwachsenenwelt heranzuführen. Unter Zwang funktioniert das selten; der einzig gangbare Weg ist der, sich mit viel Geduld und Kapitel 13 Verständnis auf die Ebene des Kindes zu begeben und dort eine Verständigung zu suchen. Das gilt grundsätzlich für alle Kinder, umso mehr jedoch für die Kinder, die durch eine chronische Krankheit zusätzlich belastet sind. » Das große Thema der Ablösung und Selbständigkeit – Jugendliche und Eltern Die Entwicklung hin zur Ablösung und Unabhängigkeit vom Elternhaus stellt einen natürlichen Prozess dar, der im Menschen weitestgehend autonom und als vermutlich genetisch vorgegebenes Programm abläuft. In den verschiedenen Gesellschaften und Kulturen mündet dieser Prozess in sehr vielfältige Ausformungen dessen, was dort jeweils als Autonomie des Erwachsenen verstanden wird. Im folgenden Abschnitt soll die Frage gestellt werden, ob und wie sich eine chronische Krankheit auf die Selbständigkeitsentwicklung des betroffenen Kindes auswirkt. Erwachsen werden heißt: Privilegien abgeben Die Frage, ob es zu einer Beschleunigung, Verzögerung oder einer qualitativen Veränderung dieser Entwicklung kommt, ist nicht generell zu beantworten. Denn einerseits mündet die Krankheit von Kindern häufig in eine frühe Reifung und Selbständigkeit, andererseits verbringen chronisch kranke Kinder viel Zeit in einem Versorgungssystem, in dem sie eine eher passive Rolle innehaben. Mit ihnen wird gemacht, sie erhalten Anwendungen, Therapieentscheidungen werden von fachlichen Autoritäten getroffen und sie müssen sich auf Station in ein striktes, Anpassung und Unterordnung erforderndes Pflegesystem einfügen. Hinzu kommt, dass sie während ihrer Kindheit und Jugend große Aufmerksamkeit von nahe stehenden Personen und den medizinischen Betreuern wegen ihrer Krankheit erhalten. Erwachsen werden bedeutet für sie deshalb durchaus auch, sich in einer aus ihrer Sicht grundlegend veränderten Welt zurechtzufinden: Der Sonderstatus des Kind-Seins fällt weg, gleichzeitig muß die volle Verantwortung getragen werden. Wo Kindern im Gesundheitswesen erheblich mehr Personal und Betreuungsaufwand zugestanden werden, wird dem erwachsenen Patienten mehr Eigenständigkeit abverlangt und der frühere Sonderstatus aberkannt. Erwachsen werden heißt für chronisch kranke Jugendliche somit auch, sich innerlich von der emotionalen Zuwendung unabhängig zu machen, die vorwiegend aus ihrem Krank-Sein erwachsen war. Sie müssen sich in einem Umfeld, für das Krankheit eher ein Hindernis darstellt, Bezugs- und Kontaktpersonen suchen. Kommt es zu einem Wechsel von der Kinder- und Jugendlichenmedizin in die Erwachsenenmedizin, geht es auf einen Schlag rauer und sachlicher zu. Der erwachsene Patient löst beim medizinischen Personal nicht im gleichen Maß einen Schutzreflex aus, wie das Kindern gegenüber der Fall ist. Autonom werden heißt also insgesamt, sich in veränderten Rahmenbedingun149 Eltern-Kind-Beziehung gen zurechtzufinden, in einer von Wettbewerb geprägten Wirklichkeit mit all ihren Härten anzukommen. Bindung an die Eltern und Ablösung von ihnen 13 Eltern werden häufig erst durch die Ablösungsbestrebungen ihrer Kinder darauf aufmerksam, wie sehr sie ihr Leben auf das kranke Kind ausgerichtet haben. Sie haben sich daran gewöhnt, einen erheblichen Teil ihrer verfügbaren Zeit mit dem unterstützungsbedürftigen Kind zu verbringen. In dem Maße, wie Autonomiebestrebungen auftauchen, benötigt es nun nicht mehr vordringlich lebenspraktische Unterstützung, sondern eine andere Art der Hilfestellung: Das Kind muss das Vertrauen seiner Eltern in seine Fähigkeiten spüren. Es erlebt dieses Vertrauen am eindrücklichsten, wenn ihm mehr und mehr angemessene Verantwortung überlassen wird. Das Umschalten von starker Zuwendung zu verstärktem Loslassen ist für alle Beteiligten nicht leicht. Jugendliche wehren sich erst einmal gegen die Tatsache, dass das Angenehme (die Unabhängigkeit) auch einen Preis hat (Verantwortung, Unsicherheit, Angst). Ist eine der beiden Parteien nicht einverstanden mit dieser Veränderung, kann es für die jeweils andere schwierig werden, den von der natürlichen menschlichen Entwicklung her vorgegebenen Weg zu gehen. Eine Form von Nicht-Kooperation kann so aussehen, dass Jugendliche durch selbstschädigendes Verhalten immer wieder die Aufmerksamkeit ihrer Eltern (und anderer Autoritätspersonen wie 150 Lehrer, Polizei etc.) auf sich lenken. In solchem Verhalten drückt sich letztlich also Angst vor der neuen Freiheit und dem Alleinsein aus. Auf der anderen Seite wird Ablösung zur unüberwindlichen Hürde für die Jugendlichen, wenn sie von ihren Eltern als Ersatzpartner, als „Antidepressivum“ oder aus sonstigen selbstbezogenen Motiven im Familienverbund festgehalten werden. Festzuhalten bleibt, dass die chronische Krankheit in eine veränderte Situation mündet, die durchaus dazu angetan ist, die Ablösung des chronisch kranken Kindes von seinen Eltern zu erschweren. In erster Linie betrifft dies die große Ablösung in der Pubertät, daneben aber durchaus auch ihre kleinen Vorstufen vom frühesten Kindesalter an. Neue Aufgaben für die Eltern Im Hintergrund der erschwerten Ablösung des Kindes steht auch der Aspekt, dass Kinder für ihre Eltern grundsätzlich sinnstiftende Wirkung haben. Lange Jahre nehmen sie sehr viel Raum im Leben ihrer Eltern ein, weil sie in erheblichem Ausmaß der elterlichen Pflege und Zuwendung bedürfen – das gilt ganz besonders für chronisch kranke Kinder. In dem Maße, in dem Kinder älter werden, nimmt diese Abhängigkeit von der betreuenden Unterstützung langsam, aber kontinuierlich ab und es werden bei den Eltern theoretisch wieder Ressourcen frei, die anderweitig investiert werden können. Es will gelernt sein, dieses Mehr an verfügbarer Zeit mit einer Beschäftigung zu füllen, in deren Zentrum nun nicht mehr das Kind steht. Kapitel 13 In Gesprächen mit den Eltern rheumakranker Kinder zeigt sich immer wieder, wie schwierig und krisenhaft dieser Übergang von einer nahezu ausschließlichen Kinderbetreuung zu anderen Aufgaben und Beschäftigungen erlebt wird. Eigene Interessen und Aufgaben zu verfolgen ist auch deshalb so wichtig, weil Jugendliche daran merken, dass sie nicht zwangsläufig darauf festgelegt sind, von ihren Eltern als sinnstiftender Lebensinhalt oder Ansprechpartner gebraucht zu werden. Auf die Autonomiebestrebungen des Kindes wirken sich unglückliche und einsame Eltern negativ aus, da sie sich zur Bewältigung ihrer Schwierigkeiten auf die Kinder stützen. Schaffen es die Eltern hingegen, sich neue Lebensinhalte zu suchen und ihren Alltag mit anderen, ebenso sinnvollen Aufgaben auszufüllen, kann ihr Nachwuchs dies gleichzeitig als Vorbild bei seiner eigenen beruflichen und lebensweltlichen Orientierung nutzen. Krisenzeit Pubertät: Warum der Ärger? Die Pubertät kostet in der Regel alle Beteiligten Nerven und Kraft, obwohl sie eine sinnvolle Entwicklungsphase darstellt und mit ihren Konflikten erst die Voraussetzung dafür schafft, dass Eltern und Kinder am Ende dieser Phase trotz des Trennungsschmerzes getrennte Wege gehen können. Die Konflikte der Pubertät erleichtern also letztlich die Distanzierung, nachdem in den vorangegangenen Jahren eine sehr enge Bindung existiert hatte. Auf Seiten der Jugendlichen stehen häufíg Revolte und Verweigerung, Ablehnung der elterlichen Vorstellungen und Werte. Auch wenn diese Entwicklung als gesund bejaht wird, kann es zu ernstlichen Schwierigkeiten kommen, wenn sich die Revolte gegen einen medizinisch notwendigen Behandlungsplan richtet. Jeder Versuch der Erwachsenen, auf ein gesundheitsförderndes Verhalten hinzuwirken, kollidiert dann mit dem Kampf um Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, weil diese Empfehlungen ja von Seiten der Erwachsenen kommen und sich innerhalb deren Vernunft bewegen. Von der Ambivalenz solch oppositionellen Verhaltens war bereits die Rede. Wiederholt werden muss, dass selbstschädigendes Verhalten und Gesetzesübertritte natürlich Eltern oder andere Autoritätspersonen auf die Bühne rufen und sich dahinter aus psychologischer Sicht eher die Verweigerung der Ablösung verbirgt als ein wahrhaftiger Ablösungsversuch. Verstärkt gilt das für chronisch Kranke, die über therapieschädigendes Verhalten zu revoltieren versuchen. Das weckt berechtigte Ängste bei allen Beteiligten und führt im Endeffekt dazu, dass die Erwachsenen die jugendlichen Patienten in ihrem Verhalten noch stärker eingrenzen und ihnen den angestrebten Freiraum weiterhin versagen. Das wiederum löst erneut Bemühungen um Autonomie aus, die wegen ihres unverändert revolteartigen Charakters ebenso wenig zum Ziel führen werden. 151 Eltern-Kind-Beziehung 13 Eltern und medizinische Betreuer können solchen selbstschädigenden Verhaltensweisen nur entgegenwirken, wenn sie das Besondere der Lebenssituation erkennen und respektieren. Pubertierende zeigen ja nicht durchweg Ablehnung, sondern fordern Eigenverantwortlichkeit und Anerkennung bzw. Respekt ein, wobei sie es durch ihr Verhalten gleichzeitig wieder erschweren, ihnen genau dies zuzugestehen. Die Erwachsenen stehen vor der schwierigen Aufgabe, das pubertäre Verhalten nicht zu verdammen oder Anpassung einzufordern, sondern sich um Verständigung zu bemühen. Ansonsten besteht die Gefahr eines Machtkampfs, in dem die Parteien nur noch darum kämpfen, in der Auseinandersetzung die Oberhand zu gewinnen. Nicht minder schlimm ist es, wenn die Erwachsenen es aus falsch verstandenem Mitgefühl versäumen, konsequent die Einhaltung bestimmter unumstößlicher Grenzen einzufordern. Pubertierende Jugendliche brauchen ein erwachsenes Verhalten, das bezüglich der eigenen Positionen fest, aber nicht unflexibel ist und das Distanzierung zulässt ohne einen Bruch zu erzwingen. Bei dieser Gratwanderung können alle Beteiligten bis an ihre Belastungsgrenzen geführt werden, insbesondere wenn noch eine Krankheit des Kindes mit ins Spiel kommt. Weil die Kliniken diese Krisenkonstellationen kennen, bieten sie in der Regel über die medizinische Versorgung hinaus psychologische und psychosoziale Beratungen an, die in scheinbar verfahrenen Situationen den Blick weiten und damit für Entlastung sorgen können. 152 » Krankheitsbewältigung Stolze Eltern - traurige Eltern Die Familienmitglieder des kranken Kindes müssen die Krankheit auf unterschiedliche Weise bewältigen, sie in ihr Leben integrieren und ihr vielleicht auch Sinnhaftigkeit abringen. Eltern wollen für ihre Kinder immer das Beste und wünschen ihnen eine unbeschwerte, erlebnisreiche und mit glücklichen Fügungen beschenkte Jugend. Aber auch sie hegen Erwartungen und richten auf ihre Kinder nicht selten Wünsche nach Wachstum und nach Überwindung von Grenzen, die sie im eigenen Leben nicht realisieren konnten. Insofern geht mit der Tatsache, dass das eigene Kind im Sinne der gängigen Erwartungen nicht ganz perfekt ist, im ersten Moment eine persönliche Enttäuschung einher. Wie immer, wenn es im Leben anders läuft als erwartet, ist Zeit nötig, in der die unerwarteten Tatsachen anerkannt, verarbeitet werden und ein Umgang mit ihnen gefunden wird. Dann kann die Einsicht wachsen, dass kein Menschenleben perfekt verläuft. Die Dinge stellen sich beim zweiten Blick meist schon weniger dramatisch dar und beim dritten Hinschauen wird deutlich, welche Möglichkeiten dem Unerwünschten doch innewohnen. Anders sein als andere Aus Sicht der kranken Kinder gilt es ganz andere Schwierigkeiten zu bewältigen. Sie wollen dazugehören und sind dazu Kapitel 13 doch nicht in der Lage. In jungen Jahren suchen sie die Nähe der Eltern, sie wollen an ihrem Tun teilhaben, von ihnen lernen und so sein wie sie. Später orientieren sie sich stärker an der außerfamiliären Umgebung und eifern ihren Freunden und sonstigen Vorbildern nach. Ist dieses Nacheifern aus gesundheitlichen Gründen teilweise oder vollständig unmöglich, so ist die Tatsache allein für Kinder schon schwer zu verkraften. Hinzu kommt, dass Kinder nach den Maßstäben der Erwachsenenwelt mitunter ‚grausam’ sind. Sie nehmen das Anderssein anderer Kinder äußerst differenziert wahr, benennen dann unmittelbar ihre Wahrnehmung und weisen schonungslos auf vermeintliche Missstände hin, ohne sich in das Innenleben der „Andersartigen“ hineinversetzen zu können. Auch Mitgefühl und die Vorwegnahme der Gefühle anderer wollen mühsam gelernt sein. Rheumakranke Kinder unterscheiden sich also in einer Zeit von ihren Altersgenossen, in der es wenig Schlimmeres gibt als sich von der Umgebung abzuheben. Eltern können ihren Kindern und Jugendlichen in diesem Drama unterstützend zur Seite zu stehen, indem sie Verständnis für die Schwierigkeiten zeigen, emotional verfügbar sind und ggf. unaufdringliche Gesprächsangebote machen. Es ist keineswegs immer so, dass allein das Reden über seelischen Kummer diesen Kummer nachhaltig vergehen lässt. Aber der Kontakt zu aufrichtig interessierten, verständnisvollen Menschen und das Gespräch mit ihnen stel- len die Grundlage für die Verarbeitung des schwer Erträglichen dar. Es kann manchmal lange dauern, bis die Kinder in der Lage sind, sich jemandem zu offenbaren – hier ist es sehr wichtig, das Gespräch mit viel Einfühlungsvermögen zu eröffnen und nicht neuerlich dadurch zu verletzen, dass dem Kind etwas entlockt werden soll. Der Umgang der Eltern mit den eigenen Gefühlen spielt auch in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Für das Kind ist es eine riesengroße Hilfe, dass sie da sind und mit ihm zusammen sein Leid ertragen. Es ist keinesfalls leicht, aber von großer Bedeutung, dass sie die Gefühle des Kindes aushalten ohne sie aus der Welt schaffen zu wollen. Angemessene Unterstützung Im Text wurde immer wieder betont, dass den Eltern chronisch kranker Kinder eine tragende Rolle zukommt. Diese zusätzlichen Aufgaben erfordern häufig große Kraftanstrengungen. Auch Eltern sind Menschen, die nur begrenzte Ressourcen und eine begrenzte Leidensfähigkeit haben und manchmal scheint alles zusammenzubrechen. Eltern sollten sich dort Unterstützung holen, wo sie geboten wird. Diese Hilfe kann schon ein Gesprächspartner sein, der mit Geduld und Verständnis Anteil nimmt. Im Rahmen der stationären Behandlung bieten Kinder- und Jugendkliniken eine psychologisch-psychotherapeutische Betreuung an, die sowohl den jugendlichen Patienten als auch ihren Eltern zur Verfügung steht. 153 Eltern-Kind-Beziehung Ganzheitliche Behandlung als Chance Vor dem Hintergrund der Trennung körperlicher und psychischer Erkrankungen in unserem Gesundheitswesen scheuen manche Menschen den Gang zum Psychologen, weil sie sich dann als psychisch krank stigmatisiert fühlen. Dies basiert auf einem fundamentalen Missverständnis. Psychotherapie ist tatsächlich viel zu schade, um sie nur den psychisch Kranken zukommen zu lassen. Gerade psychotherapeutisch ausgebildete Behandler, die in der Regel selber eine mehrjährige psychotherapeutische Behandlung durchlaufen haben, profitieren von dieser Methode bei der eigenen Lebensführung. 13 154 Der Leser dieses Textes sei dahin gehend ermutigt, das psychologische Angebot seiner Klinik wahrzunehmen und sich dort eine vielleicht ungewohnte, letztlich jedoch hilfreiche Unterstützung zu holen. Studien belegen, dass bei allen körperlichen Erkrankungen eine ganzheitliche Behandlung wirkungsvoller ist als die ausschließlich medizinische. Kapitel 14 Schule und Studium M. Rummel-Siebert, B. Fauser » » » » » » » Sollten Lehrer und Mitschüler über die Erkrankung informiert werden?..................................................................... 156 Welche Möglichkeiten vermindern die körperliche Belastung im Schulalltag?........................................................................... 156 Was tun, bei Schwierigkeiten mit dem Schreiben? ................................................................... 157 Wie kann versäumter Lernstoff nachgeholt werden? ............. 157 Müssen rheumakranke Kinder in eine Schule für körperbehinderte Kinder eingegliedert werden?...................... 158 Welche Schulbildung sollte angestrebt werden?..................... 158 Information für Studieninteressierte und Studierende mit Behinderung und chronischer Krankheit........................... 159 155 Schule und Studium » Sollten Lehrer und Mit- schüler über die Erkrankung informiert werden? 14 Lehrern und Mitschülern fehlt häufig das Verständnis für die rheumatische Erkrankung des Schülers/der Schülerin. Dieses fehlende Verständnis ist keine Ignoranz oder gar bös gemeint, eher ist mangelndes Wissen über Form und Besonderheiten der rheumatischen Erkrankung die Ursache. Rheuma ist für viele immer noch eine Alterserkrankung. Kinder werden hier nicht in den Blick genommen. Manches Unverständnis wird durch ‚Irritationen’ noch gefördert. Beispielsweise lässt die Morgensteifigkeit von Kindern rheumakranke Schüler manchmal morgens kaum zur Schule kommen. Zwei bis drei Stunden später sind die Kinder dann jedoch wieder ‚fit’. Eltern sind gut beraten rechtzeitig mit Lehrern und Mitschülern ausführliche Gespräche zu führen. Durch gezielte Informationen kann ein vermehrtes Verständnis für die Krankheit erreicht werden. Es geht dabei nicht um das Erlangen einer Sonderstellung, vielmehr soll eine adäquate Integration in den Schul- und Klassenverband erreicht werden. Die Faustregel ‘So wenig Ausnahmen wie möglich - so viel wie nötig’ ist ein guter Anhaltspunkt für das Maß der anzustrebenden Ausnahmeregelungen. Eine bewährte Grundlage für das persönliche Gespräch mit Lehrern, Eltern und Mitschülern ist die Broschüre ‘Das rheumakranke Kind in der Schule - Eine Orientierungshilfe für Lehrer’. 156 Eine Bestätigung des behandelnden Arztes oder der Fachklinik über das Vorliegen einer chronisch-rheumatischen Erkrankung unterstreicht die Dringlichkeit Ihres Anliegens. » Kann das Kind bei Klassenausflügen mitmachen? Grundsätzlich sollten die Kinder bei allen Klassenaktivitäten mit eingebunden werden. Wichtig ist, dass Sozialkontakte unter den Mitschülern gefördert und gepflegt werden. Erst wenn das Verständnis für die Bedürfnisse des rheumakranken Mitschülers vorhanden ist, fällt es leichter, auf seine Situation einzugehen. Im persönlichen Gespräch mit dem Lehrer müssen oft Möglichkeiten gesucht werden, um die Teilnahme an Klassenausflügen zu ermöglichen. » Welche Möglichkeiten vermindern die körperliche Belastung im Schulalltag? Die baulichen Gegebenheiten von Schulen stellen körperlich eingeschränkte Schüler oft vor Probleme. Kinder mit rheumatischen Erkrankungen der Sprung-, Knie- und Hüftgelenke sollten belastendes Treppensteigen vermeiden. Die Schüler sollten ihr Klassenzimmer dennoch, wenn möglich, ohne fremde Hilfe erreichen können. Deshalb sollte ein Klassenzimmer ebenerdig liegen oder über einen Aufzug erreichbar sein. Eine Fahrstuhlbenutzung kann beantragt werden. Oftmals ist es auch möglich, das Klassenzimmer in das Erdgeschoss zu verlegen. Dies sollte im Vorfeld Kapitel 14 eines neuen Schuljahres von Eltern eingebracht werden. Ist eine Verlegung nicht möglich, kann auch ein Hilfsdienst der Lehrer und Mitschüler organisiert werden, um etwaige Treppen zu überwinden. Schwere Schultaschen sind für die Gelenke eine große, jedoch vermeidbare Belastung. Ein zweiter Satz Schulbücher wäre hilfreich. Die Kinder müssen dann nur noch Hefte und Stifte mit in die Schule nehmen. Die Notwendigkeit des zweiten Schulbuchsatzes kann der behandelnde Arzt oder die Fachklinik mit einer Bescheinigung unterstützen. Entlastende Hilfen • Verlegung des Klassenzimmers in das Erdgeschoss • Fahrstuhlbenutzung • Stundenplangestaltung • Klausurzeitenverlängerung • Zweiter Satz Schulbücher • Befreiuung vom Schulsport » Was tun, bei Schwierig- keiten mit dem Schreiben? Die Einschränkung der Handgelenke und das Tragen von Handschienen können unter Umständen beim Schreiben sehr behindern. Die Zeit für Klassenarbeiten ist dann oft nicht ausreichend. Jedoch kann eine Schreibzeitverlängerung für Klassenarbeiten mittels ärztlichem Attest beantragt werden. In Ausnahmefällen wird bei sehr schwer betroffenen Schülern der Gebrauch eines Computers in der Schule und auch für Hausaufgaben genehmigt. » Was ist mit dem Sport- unterricht in der Schule? Sind rheumakranke Schüler vom Sportunterricht befreit, entstehen dem Schüler zwischen den Stunden Leerzeiten. Es ist jedoch möglich, dass auf Anfrage von Eltern bei der Schulleitung die Sportstunden an den Beginn oder an das Ende eines Schultages gelegt werden. Die Zeit kann dann für Arzt- oder Krankengymnastiktermine eingeplant werden. Dies sollte vor Beginn eines neuen Schuljahres geschehen. » Wie kann versäumter Lernstoff nachgeholt werden? Krankheitsschübe können zu Schulversäumnissen und als Folge zu einem Wissensdefizit führen. Wenn es aus diesen Gründen zu Problemen kommt, kann bei der Schule ein Antrag auf Hausunterricht gestellt werden. Schüler können an Stelle des Unterrichts in der Schule Hausunterricht erhalten, wenn sie • voraussichtlich länger als sechs Unterrichtswochen (einschließlich eines evtl. erforderlichen Krankenhausaufenthaltes) infolge einer Krankheit (nicht Behinderung) am Unterricht in der Schule nicht teilnehmen können oder wegen einer lange dauernden Krank• heit wiederkehrend den Unterricht an bestimmten Tagen (z-B. Dialyse-Patienten) versäumen müssen. Die Antragstellung erfolgt bei der betreffenden Schule durch die Erziehungsberechtigen oder den volljährigen Schü157 Schule und Studium ler. Die Wochenstundenanzahl des Hausunterrichts richtet sich je nach der Jahrgangsstufe des Schülers (Achtung: ‚Kann-Bestimmung’!) Aufgrund der Länderhoheit gibt es in den Bundesländern verschiedene Regelungen. Genauere Informationen erhalten Sie bei dem zuständigen Schulamt . » Regelung für den Schulwegtransport 14 Oft lässt es der Gesundheitszustand rheumakranker Kind nicht zu, dass sie sich in überfüllten Schulbussen einen Platz erkämpfen. Schlechte Verkehrsanbindungen erschweren die Situation, sodass Eltern den Schulwegtransport mittels Privat-Pkw übernehmen müssen. In Ausnahmefällen wird eine Kostenübernahme mit einem ärztlichen Attest gewährt. Auskunft geben die Schul- und Landratsämter. » Müssen rheumakranke Kinder in eine Schule für körperbehinderte Kinder eingegliedert werden? Den Anforderungen einer Regelschule sind fast alle Kinder gewachsen, deshalb ist nur in wenigen Fällen der Besuch oder der Übertritt in eine Schule für körperbehinderte Kinder sinnvoll. Entscheidend für den Übertritt ist, dass hier der Schüler aufgrund seiner chronischen Erkrankung bzw. der körperlichen Einschränkung besser betreut und individueller gefördert werden kann. 158 » Welche Schulbildung sollte angestrebt werden? Bei allen Formen der rheumatischen Erkrankung ist eine spätere Berufstätigkeit, die körperlich belastet, nicht zu empfehlen. Gerade für rheumakranke Kinder ist deshalb eine intensive schulische Förderung und Unterstützung besonders wichtig. Denn je besser der Schulabschluss, desto größer sind die Auswahlmöglichkeiten für eine Ausbildung bzw. den späteren Beruf. Allerdings ist darauf zu achten, dass Kinder bei allem zielgerichtetem schulischen Streben nicht einem überhöhten psychischen Druck ausgesetzt werden. Ein massiver Leistungsdruck kann sich wiederum negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken. Deshalb ist es entscheidend, das Kind entsprechend seinen Möglichkeiten individuell zu fördern und zu begleiten. Kapitel 14 » Informationen für Studien- interessierte und Studierende mit Behinderung und chronischer Krankheit Von Studienbewerber/innen mit und ohne Behinderung wird bei der Studienvorbereitung ein hohes Maß an Eigenrecherche, Eigenverantwortung und Flexibilität erwartet. Bei der Wahl von Studienfach, Studienabschluss und Zielhochschule sollten Studieninteressierte deshalb alle zur Verfügung stehenden Informations- und Beratungsangebote der Hochschulen, der Arbeitsagenturen und anderer Institutionen nutzen. Individuell können bei der Studienvorbereitung für Studienbewerber/innen mit Behinderung und chronischer Krankheit verschiedene andere Themen besonders wichtig werden, z.B. die baulichen Gegebenheiten der Hochschule, Wohnungsfragen, Mobilitätsprobleme, Klärung evtl. notwendiger Assistenz im Alltag oder die Organisation von technischen und personellen Studienunterstützungen. Für einige von Ihnen ist es wichtig zu wissen, ob und wo eine evtl. notwendige ärztliche Behandlung begonnen oder fortgesetzt werden kann. Daneben muss die wichtige Frage geklärt werden: Wie finanziere ich mein Studium, insbesondere den Mehrbedarf, den chronische Krankheit und Behinderung verursachen? Von Vorteil ist es, sich schon frühzeitig über die Möglichkeiten von Nachteilsausgleichen im Zusammenhang mit Studienzulassung, Prüfungen und behinderungsbedingten Studienzeitverlängerungen zu informieren. Studieninteressierte und Studierende mit Behinderung und chronischer Krankheit können sich mit allen Fragen rund ums Studium an die Beauftragten für die Belange von Studierenden mit Behinderung und chronischer Krankheit in Hochschulen und Studentenwerken sowie an die Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerks wenden (Adressen s.u.). Wichtige Adressen und Informationen - so z.B. zu Bewerbung und Zulassung, zur Finanzierung verschiedener Bedarfe oder zu Nachteilsausgleichsregelungen bei Prüfungen - sind in der Broschüre „Studium und Behinderung“, herausgegeben von der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerks, zusammengefasst. Sie wird Interessierten auf Wunsch gerne kostenlos übersandt. Außerdem steht sie unter dem Stichwort „Infos kompakt“ im Internet (www.studentenwerke.de/behinderung) zum Downloaden bereit. Hier kann man sich auch über Veranstaltungen, z.B. Infoveranstaltungen zum Studienbeginn oder Seminare zum Berufseinstieg, sowie über aktuelle Themen informieren. Um sich etwa erfolgreich um einen Platz in einem bundesweit, landesweit (gilt für NRW) oder örtlich zulassungsbeschränkten Fach zu bewerben, ist es wichtig sich im Vorfeld genau über die inhaltliche Ausrichtung von Studiengängen an verschiedenen Hochschulen und die spezifischen Bewerbungsmodalitäten zu informieren. 159 Schule und Studium Folgende Fragen sind im Vorfeld zu klären: ◆ Ist mein Wunschfach zulassungsbeschränkt? ◆ Bewerbe ich mich bei der Hochschule direkt oder bei der ZVS? ◆ Welche Bewerbungskriterien neben der Durchschnittsnote haben Einfluss auf meine Zulassungschancen? ◆ Wie hoch sind meine Chancen, einen Studienplatz im Wunschfach und/ oder an der Wunschhochschule zu bekommen? ◆ Gibt es Alternativen? ◆ Kann ich sowohl zum Winter- wie zum Sommersemester das Studium aufnehmen? ◆ Welche Bewerbungsfristen sind einzuhalten? Bei der Beantwortung dieser Fragen sind z.B. die Zentralen Studienberatungsstellen und die Fachberatungen der Hochschulen behilflich. Aktuelle Informationen dazu finden Sie auch auf den jeweiligen Internetseiten der Hochschulen bzw. der ZVS. Die Bewerbungsanträge stehen vielfach zusammen mit erläuternden Informationen auf den Internetseiten der einzelnen Hochschulen zum Downloaden bereit (s. u.). 14 www.studentenwerke.de/adressen/bfb.asp • aktuelles Verzeichnis der Beauftragten mit Anschriften, Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Beauftragten www.studentenwerke.de/behinderung • Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerks Monbijouplatz 11 10178 Berlin E-Mail: [email protected] Tel.: 030-29 77 27-64 Fax: 030-29 77 27-69 160 Kapitel 15 Berufsausbildung M. Rummel-Siebert, B. Fauser » » » » » » » Gibt es einen ‘rheumagerechten’ Beruf? .................................. 162 Wie findet man den idealen Beruf? ......................................... 162 Was sind berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen? ............. 163 Was tun, wenn ein erlernter Beruf nicht ausgeübt werden kann? ............................................................................. 164 Welche Hilfen sind im Rahmen einer Berufstätigkeit möglich? ........................................................... 164 Wer ist für die berufliche Eingliederung Behinderter zuständig? .............................................................. 165 Was tun, wenn sich niemand für zuständig erklärt? .............. 165 161 Berufsausbildung » Gibt es einen ‘rheuma- » Wie findet man den idealen Auch wenn sich die Berufswahl für rheumakranke Jugendliche meist etwas schwieriger gestaltet, so steht den Betroffenen dennoch eine Vielzahl von Berufen zur Auswahl offen. Am besten sind Ausbildungsberufe, die keine schweren körperlichen Belastungen erfordern und weder in nasser noch in kalter Umgebung ausgeübt werden müssen. Abwechslungsreiche Tätigkeit (Stehen, Sitzen und Gehen) sind zu empfehlen. Dies sind etwa Berufe in den Bereichen der Konstruktion, im wirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Sektor, der Verwaltung sowie im kreativpädagogischen Fachbereich. Die Berufswahl von Jugendlichen wird durch viele Faktoren beeinflusst. Drei wesentliche Aspekte sollten jedoch dabei besonders berücksichtigt werden. gerechten’ Beruf? » Wann sollte die Berufswahl erfolgen? 15 Betroffene Jugendliche und deren Eltern können sich heutzutage nicht rechtzeitig genug Gedanken um die berufliche Zukunft machen. Wichtiger denn je ist die Zusammenarbeit mit Beratungsstellen, Ämtern und Institutionen. Deshalb sollten Jugendliche sich bereits zwei Jahre vor Schulabschluss um einen Ausbildungsplatz kümmern und notwendige Intitativen ergreifen. 162 Beruf? Im Vordergrund steht zunächst: 1. Das Eigeninteresse und die persönliche Eignung 2. Die körperliche Belastbarkeit 3. Der individuelle Krankheitsverlauf Diese Punkte zusammen ergeben das jeweilige Berufsprofil. Dabei haben das persönliche Interesse und die Berufsvorstellung des Jugendlichen einen besonderen Stellenwert. Bei aller Unterstützung durch die Eltern ist es dennoch wichtig, dass der Jugendliche für die Ausbildung eine hohe Eigenmotivation mitbringt, dabei selbst aktiv wird und das gesteckte Berufsziel wirklich anstrebt. Dabei sollte auch die Ausbildungsstellensituation berücksichtigt werden. Gestaltet sich die Wahl eines Berufes sehr schwierig, sollte eine Berufsfindung oder Arbeitserprobung bzw. eine rehaspezifische berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme in Betracht gezogen werden. Kapitel 15 » Was sind berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen? Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit sind ein wichtiges Qualifizierungsinstrument, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Insbesondere stellt die veränderte Lage auf dem Ausbildungs- und Stellenmarkt eine Herausforderung für die Berufsausbildungsvorbereitung von Jugendlichen / jungen Erwachsenen dar. Um eine auf die Bedürfnisse der zu fördernden Jugendlichen zugeschnittene Qualifizierung zu ermöglichen, beinhaltet die Förderstruktur der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen folgende Elemente: • Eignungsanalyse Erfasst fachliche, methodische, soziale und persönliche Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die individuelle Motivation (Stärken / Schwächen-Profil). Die Eignungsanalyse stellt die Grundlage für die Qualifizierungsplanung dar. • Förderstufe Kernelement: Berufliche Grundfertigkeiten Sollte die Ausbildung- oder Beschäftigungsfähigkeit nach der Grundstufe nicht erreicht sein, ist die vorberufliche Qualifizierung durch die Förderstufe vorgesehen. Ziel ist die individuelle Verbesserung von beruflichen Grundfertigkeiten, die auf eine Ausbildungs- / Arbeitsstelle vorbereiten. • Übergangsqualifizierung Kernelement: Berufs- und betriebsorientierte Qualifizierung Die Übergangsqualifizierung richtet sich an Jugendliche, denen die Aufnahme einer Ausbildung (noch) nicht gelungen ist. Ziel ist die Verbesserung der beruflichen Handlungskompetenzen insbesondere durch Vermittlung von ausbildungs- und arbeitsplatzbezogenen Qualifikationen. Die Kosten für die jeweilige Maßnahme übernimmt - nach Prüfung der Notwendigkeit - die Agentur für Arbeit. • Grundstufe Kernelement: Berufsorientierung / Berufswahl Ziel der Grundstufe ist die Herausbildung und Festigung erforderlicher persönlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Aufnahme einer Ausbildung oder Arbeit. 163 Berufsausbildung » Wer ist Ansprechpartner für berufliche Fragen? Ansprechspartner für berufliche Fragen sind in erster Linie die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit. Dort arbeiten speziell ausgebildete Berater für Behinderte, sogenannte „Reha-Berater“. Der Jugendliche stellt bei der Agentur für Arbeit einen Rehabilitationsantrag. Zuständigkeits- und Kostenfragen werden von der Rehabilitationsabteilung in der Agentur für Arbeit geklärt. Während der jeweiligen berufsvorbereitenden Qualifizierungsmaßnahme begleitet der zuständige Reha-Berater die Jugendlichen auf ihrem weiteren Berufsweg. » Gibt es besondere Ausbildungsplätze für Rheumakranke? 15 Idealerweise sollte die Ausbildung heimatnah erfolgen. Die Ausbildungsplätze sind jedoch rar und nicht jeder Arbeitgeber stellt einen rheumakranken Jugendlichen zur Ausbildung ein. Kann aufgrund der Erkrankung eine betriebliche Ausbildung nicht erfolgen, dann vermittelt die Agentur für Arbeit den Jugendlichen in eine rehaspezifische Bildungseinrichtung, z.B. ein Berufsbildungswerk. Die Berufsbildungswerke sind flächendeckend in der Bundesrepublik verteilt. Sie führen die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sowie die Berufsausbildung für Körperbehinderte und chronisch kranke Jugendliche durch. Die Auszubildenden wohnen in dieser Zeit in den dazugehörigen Internaten und werden dort von Fachperso164 nal betreut. Kostenträger für alle anstehenden Kosten kann unter anderem die Agentur für Arbeit sein. » Was tun, wenn ein erlernter Beruf nicht ausgeübt werden kann? Kann ein Beruf aufgrund der körperlichen Belastung nicht mehr ausgeübt werden, dann ist zu klären, ob eine Umschulung ansteht. Eine Umschulung kann über die Agentur für Arbeit oder einen anderen REHA-Träger gefördert werden. Die Maßnahme erfolgt entweder am Heimatort oder, wenn nötig, in einem der Berufsförderungswerke, die ebenso flächendeckend in der Bundesrepublik verteilt sind. » Welche Hilfen sind im Rahmen einer Berufstätigkeit möglich? Kaum ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz ist auf die Bedürfnisse eines Rheumatikers abgestimmt. Umso wichtiger sind deshalb die Hilfen am Arbeitsplatz. Eine Verschlechterung des Krankheitsbildes kann allein deshalb schon hervorgerufen werden, wenn ein Arbeitsplatz nicht entsprechend den körperlichen Einschränkungen angepasst wird. Hier sind die Richtlinien für die Eingliederung am Arbeitsplatz anzuwenden. Zuschüsse zur technischen Ausgestaltung werden von den zuständigen Kostenträgern (Arbeitsamt oder Rentenversicherungsträger) gewährt. Die Möglichkeiten reichen von einem einfachen Kapitel 15 Die Berufswahl von Jugendlichen wird durch viele Faktoren beeinflusst. Drei wesentliche Aspekte sollten jedoch dabei besonders berücksichtigt werden. Im Vordergrund steht zunächst: 1. Das Eigeninteresse und die persönliche Eignung 2. Die körperliche Belastbarkeit 3. Der individuelle Krankheitsverlauf 165 Berufsausbildung Arthrodesenstuhl bei Hüftgelenksbefall über eine Stehhilfevorrichtung, wenn längeres Stehen unvermeidlich ist, bis hin zur Beschaffung eines CAD-Computers zum Entwerfen technischer Zeichnungen. Schwierigkeiten, die sich bei der Erreichung eines Arbeitsplatzes ergeben, können mittels Zuschüssen gelöst werden. Möglichkeiten bestehen in der Kostenübernahme des Führerscheins, Zuschüssen für Pkw, Fahrtkostenzuschüssen und dem behindertengerechten Umbau eines Pkw. Auch der Umzug in eine behindertengerechte oder verkehrsgünstiger zum Arbeitsplatz gelegene Wohnung sowie Zuschüsse zum behindertengerechten Um- oder Ausbau von Wohnraum sind möglich. 15 Die gesetzlichen Möglichkeiten sind insgesamt sehr umfangreich. Es darf aber nicht übersehen werden, dass sämtliche Leistungen immer am Einzelfall gemessen werden und den jeweiligen ‘KannBestimmungen’ unterliegen. 166 » Wer ist für die berufliche Eingliederung Behinderter zuständig? Welcher Kostenträger für welche Maßnahme zuständig ist, muss im Einzelfall geklärt werden. Folgende Träger können in Frage kommen: • Agentur für Arbeit • Berufsgenossenschaft • Rentenversicherung • Unfallversicherung • Krankenversicherung • Hauptfürsorgestellen » Was tun, wenn sich nie- mand für zuständig erklärt? Sollte dies der Fall sein, können Leistungen auch beim Sozialamt beantragt werden. Im Rahmen der „Eingliederungshilfe für Behinderte“ können behinderungsbedingte Aufwendungen bezogen werden. Die Leistungen des Sozialamtes sind einkommensabhängig. Dabei wird nicht nur das Einkommen des Antragstellers berücksichtigt. Auch Eltern, Geschwister oder Kinder können bei der Einkommensbemessung herangezogen werden. Kapitel 16 Krankenkasse S. Breun » » » » » » Wer zahlt die Fahrtkosten zur stationären und ambulanten Behandlung? .......................................................... 168 Kann die Krankenkasse die Übernahme von Behandlungskosten in einer Fachklinik ablehnen?.................. 168 Können berufstätige Eltern bei Krankheit des Kindes zu Hause bleiben? ................................................... 168 Wer versorgt bei Erkrankung des Haushaltsführenden den Haushalt?............................................................................. 169 Was bedeutet „Belastungsgrenze“?........................................... 169 Welche Zuzahlungen sind von über 18-jährigen Versicherten zu leisten? ............................................................. 169 167 Krankenkasse » Wer zahlt die Fahrtkosten » Können berufstätige Eltern Die Fahrtkosten zur stationären Behandlung werden für den Patienten und die Begleitperson (wenn eine Begleitperson medizinisch notwendig ist) von der Krankenkasse mit einer Eigenbeteiligung von 10 Euro pro Fahrt übernommen, können jedoch vor dem Krankenhausaufenthalt auch abgelehnt werden. In der Regel ist dies aber nur die Fahrt zum Behandlungsort und die Fahrt nach der Entlassung wieder nach Hause. Es empfiehlt sich, alle entstandenen Kosten (z.B. für die Übernachtung) einzureichen Manche Sachbearbeiter sind davon zu überzeugen, möglichst viel im Rahmen der Kulanz zu übernehmen. Jedem Elternteil stehen zur Betreuung eines erkrankten Kindes freie Tage zu (Bedingung: medizinische Notwendigkeit der Betreuung), allerdings nur bei Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Auch die Dauer der Betreuung ist eingeschränkt: Pro Kind sind das 10 Tage im Jahr, bei mehreren Kindern insgesamt aber höchstens 25 Tage im Jahr. Bei Alleinerziehenden erhöhen sich diese Tage pro Kind auf 20 und die Gesamttage bei mehreren Kindern auf 50. Man kann in diesem Fall beim Arbeitgeber unbezahlten Urlaub beantragen, die Lohnfortzahlung übernimmt dann die Krankenkasse in Höhe des regulären Krankengeldsatzes (Kinderkrankengeld). Bei stationären Behandlungen zählt diese Begrenzung auf 10 Tage nicht. Sie erhalten bei stationärer Mitaufnahme (Bedingung: medizinische Notwendigkeit) Lohnausfall für den gesamten Mitaufnahmezeitraum (Lohnfortzahlung im Rahmen der stationären Krankenhausnebenkostenregelung nach einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Leistungsrecht vom 11/1990). In beiden Fällen ist jeweils die Krankenkasse zuständig, bei der das Kind versichert ist. zur stationären und ambulanten Behandlung? » Kann die Krankenkasse die Übernahme von Behandlungskosten in einer Fachklinik ablehnen? 16 Grundsätzlich hat die Krankenkasse die Möglichkeit, die Behandlung in einer Fachklinik abzulehnen. Sie muss jedoch den Pflegesatz des nächstgelegenen Krankenhauses auf jeden Fall übernehmen. Entstehen also bei der Behandlung in einer Fachklinik Kosten über den betreffenden Pflegesatz hinaus, muss der Versicherte diese Mehrkosten im Konfliktfall tragen. Mehrkosten sind in diesem Zusammenhang auch Fahrt- und Übernachtungskosten zur Fachklinik. 168 bei Krankheit des Kindes zu Hause bleiben? Kapitel 16 » Wer versorgt bei Erkran- kung des Haushaltsführenden den Haushalt? In diesem Fall übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Haushaltshilfe. Bedingung ist: Im Haushalt muss ein Kind unter zwölf Jahren leben oder ein Kind, das über zwölf Jahre und behindert ist. Bezahlt werden derzeit bis zu etwa 60 Euro/Tag (je nach Stundenzahl der Versorgung). Für Verwandte ersten und zweiten Grades werden nur die Fahrtkosten und Lohnausfallkosten übernommen. Die Regelung zur Haushaltshilfe gilt auch für Mütter oder Väter, die aus medizinischen Gründen bei einer Krankenhausbehandlung ihres Kindes mitaufgenommen werden. » Was bedeutet „Belastungsgrenze“? Die Belastungsgrenze betrifft Zuzahlungen der gesamten Familie. Nach ‘Krankenkassengesetzen’ muss die Familie zu bestimmten medizinischen Leistungen Eigenanteile (Zuzahlungen) erbringen. Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten. Die Belastungsgrenze beträgt 2% der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Dabei sind sowohl Zuzahlungen als auch Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und Lebenspartner jeweils zusammenzurechnen. Alle Ausgaben, die über dem Betrag der Belastungsgrenze liegen, werden von der Krankenkasse zurückerstattet. Es empfiehlt sich, alle Quittungen über Zuzahlungen zu sammeln und am Jahresende mit der Krankenkasse zu verrechnen. Achtung chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind und bei denen mindestens eine Pflegestufe II vorliegt oder die einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad ab 80 % besitzen, beträgt die Belastungsgrenze 1% der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. » Welche Zuzahlungen sind von über 18-jährigen Versicherten zu leisten? Folgende Zuzahlungen sind bis zur Belastungsgrenze zu leisten: Praxisgebühr Jeder Versicherte, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, muss je Kalendervierteljahr für jeden ersten Arztbesuch 10 Euro Praxisgebühr bezahlen. Dies gilt nicht bei Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, der Vorsorge beim Zahnarzt und bei Schwangerenvorsorge. Medikamente Rezeptgebühr: Die Rezeptgebühr beträgt 10% des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro. Die Krankenkassen verhandeln den Preis für einen Medikamentengrundstoff mit den Herstellern mit sogenannten Festpreisen. Liegt 169 Krankenkasse ein Pharmahersteller unter oder im Rahmen dieser Festbeträge, sind die regulären Rezeptgebühren für die Medikamente zu zahlen. Liegt ein Pharmahersteller über dem Preis, kommen die zusätzlichen Kosten für das Medikament zur Rezeptgebühr dazu bzw. Sie müssen den Mehrbetrag selber bezahlen! Verbandsmittel 10% des Abgabepreises, mindestens 5 Euro/ maximal 10 Euro Heilmittel 10% der Kosten, sowie 10 Euro je Verordnung 16 Hilfsmittel Ist für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag festgesetzt, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe des Festbetrages. Für Hilfsmittel, bei denen kein Festbetrag festgelegt ist, übernimmt die Krankenkasse die jeweils vertraglich vereinbarten Preise. Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Hilfsmittel als Zuzahlung 10% des Abgabepreises, jedoch nicht mehr als 10 Euro und nicht weniger als 5 Euro. Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10% je Packung höchstens jedoch 10 Euro für den Monatsbedarf je Indikation. Mit ärztlicher Verordnung hat jeder Patient einmal jährlich Anspruch auf je ein Paar orthopädische Haus-und Straßenschuhe. 170 Krankenhausbehandlung Versicherte, die das 18. Lebensjahr erreicht haben, müssen für eine Krankenhausbehandlung einen Betrag von 10 Euro pro Kalendertag für längstens 28 Kalendertage bezahlen. Kieferorthopädie Z.Zt. 20% Eigenbeteiligung an den Behandlungskosten. Ist ein weiteres Kind zur selben Zeit in Behandlung, nur noch 10%. Es besteht keine Befreiungsmöglichkeit, da bei erfolgreicher Beendigung der Behandlung die Zuzahlungen zurükkerstattet werden. Zahnersatz Die Festzuschüsse umfassen 50% der festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. Kapitel 17 Behindertenausweis M. Rummel-Siebert; B. Fauser » » » » » » » » » » » Sollte ein Behindertenausweis beantragt werden?.................. 172 Ist gegen den Bescheid des Versorgungsamtes ein Widerspruch möglich? ......................................................... 173 Wie setzt sich der Behindertenausweis zusammen? ............... 173 Was bedeutet der Pauschbetrag für Körperbehinderte? ......... 174 Welche Nachteilsausgleiche bringen die Merkzeichen?.......... 174 Gelten die KfZ-Steuerregeln auch für Kinder?........................ 174 Was bedeutet „Freifahrt“ im öffentlichen Personenverkehr? .................................................. 175 Gibt es Sonderregelungen im öffentlichen Personenverkehr? .................................................. 175 Wann kann man sich auf einen Behindertenparkplatz stellen? ................................................... 175 Welche Vorteile hat ein schwerbehinderter Arbeitnehmer? ... 176 Gleichstellung ............................................................................. 176 171 Behindertenausweis » Sollte ein Behindertenausweis beantragt werden? 17 Bei chronischem Verlauf zählt die juvenile Arthritis zu den nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigungen. Für diese Fälle bietet der Gesetzgeber den Behindertenausweis als Nachteilsausgleich an. Die mit dem Schwerbehindertenstatus verbundenen und in diesem Kapitel beschriebenen Vorteile sollen die Nachteile im Alltag und die Mehrausgaben ausgleichen, die chronisch Kranken aufgrund ihrer Einschränkungen entstehen. Je nach Schwere des Krankheitsverlaufs steht den Betroffenen der Ausweis zu. Eine Verpflichtung zur Beantragung besteht jedoch nicht. Wird ein Ausweis vom Versorgungsamt erteilt, dann wird er, je nach Einzelfall, zeitlich befristet. Während der Laufzeit, die etwa zwischen zwei und fünf Jahren liegt, kann der Ausweis nur zurückgegeben werden, falls sich die Situation des Betroffenen so verbessert, dass er im Alltag durch die Krankheit nicht mehr entsprechend eingeschränkt ist. Die Behinderung wird dokumentiert und festgeschrieben. Für manche Eltern und Betroffene ist das eine belastende Vorstellung, sie verzichten lieber auf die sich aus dem Schwerbehindertenstatus ergebenden Vorteile. Andere wiederum haben den Ausweis beantragt und damit gute Erfahrungen gemacht. Aus ihrer Sicht ist die Krankheit bei schwerem Verlauf sowieso nicht zu verheimlichen und bringt so viele Nachteile mit sich, dass die wenigen Vorteile, die es gibt, in Anspruch genommen werden sollten. 172 In manchen Situationen können sich die genannten Vorteile leider in das Gegenteil verkehren. In besonderer Weise gilt dies für den Eintritt in das Berufsleben, denn viele Arbeitgeber schrecken davor zurück, Mitarbeiter einzustellen, die nach einem halben Jahr erhöhten Urlaubsanspruch haben, auf Antrag von Überstunden freizustellen sind und denen nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden kann. Doch es gibt auch Firmen und Behörden, die bei gleicher Eignung schwerbehinderte Bewerber bevorzugen - in diesen Fällen wirkt sich der Behindertenausweis also sehr positiv aus. Ob ein Ausweis beantragt werden soll oder nicht, bleibt also eine individuelle Entscheidung. Deshalb ist es wichtig, sich im Vorfeld gut zu informieren um schließlich ‘nach bestem Wissen und Gewissen’ eine Entscheidung zu treffen. Die Gespräche mit betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie mit den Mitarbeitern des Sozialdienstes der Klinik sind dabei sehr hilfreich. Da ein Schwerbehindertenausweis jederzeit beantragt werden kann, besteht kein Zeitdruck. Die Entscheidung kann in aller Ruhe reifen. Hat Ihr Kind bereits das Jugendalter erreicht, sollte es in jedem Fall maßgeblich in die Entscheidung einbezogen sein. Kapitel 17 » Wie wird ein Behindertenausweis beantragt? Die notwendigen Formblätter sind bei den zuständigen Versorgungsämtern oder Gemeinde- und Stadtverwaltungen erhältlich. Der schriftliche Antrag ist auszufüllen und beim zuständigen Versorgungsamt abzugeben. Die Antagstellung ist auch im Internet möglich unter www.schwerbehindertenantrag.bayern.de. Das Versorgungsamt fordert dann bei den im Antrag genannten Ärzten und Kliniken die entsprechenden Krankenunterlagen an. Der zuständige ärztliche Dienst des Versorgungsamtes legt nach Beurteilung der Unterlagen den Grad der Behinderung (GdB) und die entsprechenden Merkzeichen fest. Sowohl der Grad der Behinderung als auch die Merkzeichen richten sich nach Art und Intensität der rheumatischen Erkrankung. Ist das Gutachten abgeschlossen, erlässt das Versorgungsamt einen Bescheid. » Ist gegen den Bescheid des Versorgungsamtes ein Widerspruch möglich? Ist der Antragsteller der Meinung, die Behinderung wurde nicht entsprechend gewürdigt, also der Grad der Behinderung zu gering oder die entsprechenden Merkzeichen nicht zugeordnet, kann er innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Bescheides beim zuständigen Versorgungsamt Widerspruch einlegen. Der Widerspruch ist bisher noch kostenfrei. In einer ausführlichen Begründung müssen die im Bescheid nicht ausrei- chend gewürdigten individuellen Einschränkungen des Kindes beschrieben werden, wenn möglich, ist eine ärztliche Stellungnahme beizufügen. » Wie setzt sich der Behin- dertenausweis zusammen? Zwei Merkmale sind beim Behindertenausweis bedeutsam: ◆ zum einen der Grad der Behinderung (GdB) Er legt die körperliche Einschränkung auf einer Skala von 20-100 in Zehnerschritten fest. Erst ab einem Grad der Behinderung von 50 ist der Antragsteller schwerbehindert und bekommt einen Ausweis. Der Grad der Behinderung legt auch die Höhe des Steuerpauschbetrages für Körperbehinderte fest. ◆ zum anderen die Merkzeichen, dabei steht ... G für gehbehindert aG für außergewöhnlich gehbehindert B für die Notwendigkeit einer Begleitperson H für hilfebedürftig Die Kombination vom Grad der Behinderung und den verschiedenen Merkzeichen beschreiben also den Umfang der erteilten Nachteilsausgleiche. 173 Behindertenausweis » Was bedeutet der Pauschbetrag für Körperbehinderte? Der Pauschbetrag für Körperbehinderte soll behinderungsbedingte Mehrausgaben steuerlich ausgleichen. Er ist ein Steuerfreibetrag, der auf die Lohnsteuerkarte eingetragen werden kann oder bei der Lohn-/Einkommensteuer angegeben wird. Lohnender ist es, ihn im Jahr nach dem Erhalt des Ausweises in die Lohnsteuerkarte eintragen zu lassen. Neben dem Pauschbetrag für Körperbehinderte ist ab einem Grad der Behinderung von 80 ohne Merkzeichen ein Steuerpauschbetrag für private Fahrten von 3.000 km/Jahr möglich. Weitere Steuerfreibeträge durch den Behindertenausweis sind von den zugeordneten Merkzeichen abhängig. » Welche Nachteilsausgleiche bringen die Merkzeichen? 17 Merkzeichen G • Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr bei Zuzahlung von 60 Euro / Jahr oder KFZ-Steuerermäßigung; • Beitragsnachlass bei der KFZ-Haftpflichtversicherung; • G plus GdB von 70: Steuerfreibetrag für private Fahrten des Ausweisinhabers bis 3.000 km/Jahr; Merkzeichen aG • Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr bei Zuzahlung und KFZ-Steuerbefreiung; • Beitragsnachlass bei der KFZ-Haftpflichtversicherung; 174 • Parkerleichterungen; • aG plus GdB ab 80: Steuerfreibetrag für private Fahrten ohne km-Grenze (aber Nachweis mit „Fahrtenbuch;“) In vielen Gemeinden/Landkreisen gibt es unter bestimmten Voraussetzungen einen kostenlosen Fahrdienst für behinderte Menschen. Merkzeichen B • Freifahrt der Begleitperson in allen öffentlichen Verkehrsmitteln, auch im innerdeutschen Flugverkehr Merkzeichen H • erhöhter Pauschbetrag für Körperbehinderte von 3.700 Euro/Jahr Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr ohne Zuzahlung und KFZSteuerbefreiung • Beitragsnachlass bei der KFZ-Haftpflichtversicherung • Pflegepauschbetrag von 924 Euro für die Person, die die Pflege ausführt. » Gelten die KFZ-Steuerregeln auch für Kinder? Im Prinzip ja, der PKW müsste dann aber auf das Kind zugelassen werden und grundsätzlich für das Kind benutzt werden. Fahrten eines Elternteils zur Arbeit mit diesem PKW sind dann nicht erlaubt, das wäre Steuerhinterziehung. Derjenige, bei dem das Auto bisher versichert war, kann weiter Versicherter bleiben. Es muss also nicht auf den Schadensfreiheitsrabatt verzichtet werden. Kapitel 17 » Was bedeutet „Freifahrt“ im » Wann kann man sich auf öffentlichen Personenverkehr? Wer als Ausweisinhaber die Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nimmt, hat folgende Fahrten frei: • sämtliche U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse im öffentlichen Nahverkehr am Heimatort sowie in allen anderen Städten und Gemeinden; • 50 km im Umkreis des Heimatortes mit der Bundesbahn (welche Strecken dies sind, bestimmt das Versorgungsamt mit dem zugeschickten Streckenverzeichnis). Es empfiehlt sich für weitere Strecken die Fahrkarten erst ab der 50-km-Grenze zu kaufen. » Gibt es Sonderregelungen im öffentlichen Personenverkehr? Wenn ein Kind unter 6 Jahren einen Behindertenausweis mit dem Merkzeichen B besitzt, sind das Kind und die Begleitperson auf allen Strecken der Bundesbahn frei, sowohl in der 1. als auch 2. Klasse. In diesem Fall muss also keine Fahrkarte gekauft werden. einen Behindertenparkplatz stellen? Dies ist nur für Ausweisinhaber mit dem Merkzeichen aG möglich. Inhaber dieses Ausweises können bei der Stadt oder Gemeindeverwaltung einen Parkausweis beantragen. Allein den Behindertenausweis in die Windschutzscheibe zu legen, genügt nicht. Ein Strafzettel ist dann gerechtfertigt. Für diesen Parkausweis gelten ferner folgende Bestimmungen: • Parken im eingeschränkten Halteverbot bis zu 3 Std. (Parkscheibe); • Parken bis zu 3 Std. auf für Anwohner reservierten Parkplätzen; • Unentgeltliche Benutzung von durch Parkuhr oder Parkscheinautomat gebührenpflichtigen Parkplätzen, egal an welchen Tagen. Folgende Personen, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens ‚aG’ noch nicht erfüllen, können trotzdem von den zuständigen Straßenverkehrsbehörden eine - allerdings auf das Gebiet des Freistaates Bayern begrenzte - Ausnahmegenehmigung und den damit verbundenen blauen Parkausweis erhalten: Schwerbehinderte Menschen, die • allein für die Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken) einen GdB von wenigstens 80 und die Merkzeichen G und B zuerkannt bekommen haben 175 Behindertenausweis oder • allein für die Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken) einen GdB von wenigstens 70 zuerkannt bekommen haben und gleichzeitig durch Funktionsstörungen des Herzens und der Atmungsorgane, die wenigstens einen GdB von 50 bedingen, beeinträchtigt sind sowie die Merkzeichen G und B erhalten haben. Der Antrag ist bei der örtlichen Straßenverkehrsbehörde (Stadt- oder Gemeindeveraltung) zu stellen, die unter Beteiligung des Amtes für Familienförderung (Versorgungsamt) das Verfahren durchführt. Ähnliche Regelungen mit möglicherweise anderen Voraussetzungen gibt es auch in anderen Bundesländern. » Welche Vorteile hat ein schwerbehinderter Arbeitnehmer? 17 Aufgrund der Schwerbehinderteneigenschaft ist vom Gesetzgeber ein besonderer Kündigungsschutz vorgesehen. Ist der Arbeitnehmer länger als 6 Monate in einem Arbeitsverhältnis, darf ihm nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden. Das Integrationsamt regelt das Verhältnis zwischen Schwerbehinderten und Arbeitgeber. Für Schwerbehinderte 176 gibt es weiterhin eine Arbeitswoche pro Jahr mehr Urlaub, darüber hinaus sind sie auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freizustellen. Weitere Vorteile u.a. sind dem Kapitel Fragen zur Schule, Studium und Beruf zu entnehmen. » Gleichstellung Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeistplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind auch Jugendliche und junge Erwachsene während der Zeit einer Berufsausbildung in Betrieben, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 beträgt oder ein GdB nicht festgestellt ist. Die Anträge auf Gleichstellung sind bei der Agentur für Arbeit zu stellen. Kapitel 18 Pflegeversicherung M. Rummel-Siebert; B. Fauser » » » » » » » » » Warum wurde die Pflegeversicherung eingeführt? ................. 178 Wer ist versichert? ..................................................................... 178 Wer erhält Leistungen?.............................................................. 178 Wird auch die Pflege eines Kindes berücksichtigt? ................ 178 Wie sind die Leistungen der Pflegeversicherung aufgebaut? .... 179 Wie werden die Leistungen beantragt und festgelegt? .......... 181 Was versteht man unter einem Pflegetagebuch? .................... 181 Was sollten die Eltern beim Antragsverfahren beachten?...... 182 Lohnt es sich überhaupt, einen Antrag zu stellen?................. 183 177 Pflegeversicherung » Warum wurde die Pflegeversicherung eingeführt? Die Pflegeversicherung wurde 1994 als fünfte Säule in das System der Sozialversicherung eingebaut. Neben der Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung hat sie das Ziel, eine mögliche Pflegebedürftigkeit finanziell abzusichern. Nötig wurde dieser Schritt in erster Linie durch die stetig wachsende Zahl älterer pflegebedürftiger Menschen bei gleichzeitigem Rückgang der Großfamilien, in denen sie früher versorgt wurden. » Wer ist versichert? 18 Die Pflegeversicherung umfasst als Pflichtversicherung alle Personen, für die ein Krankenversicherungsschutz besteht, egal ob sie gesetzlich, privat oder mit einem Einkommen unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze als Familienmitglied mitversichert sind. Die Pflegeversicherung wurde an die Krankenkassen angegliedert. Sie finanziert sich über monatliche Beiträge, die von den Krankenkassen eingezogen werden, sowie die bundesweite Streichung eines Feiertages. » Wer erhält Leistungen? Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung auf Hilfe angewiesen sind. Um eine Pflegestufe zu erreichen, also Leistungen zu erhalten, 178 muss nachgewiesen werden, dass für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten ein Hilfebedarf in den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens vorliegt. Leistungsempfänger ist immer der Pflegebedürftige selbst, bei minderjährigen Kindern erfolgt die Auszahlung an die Eltern. » Wird auch die Pflege eines Kindes berücksichtigt? Grundsätzlich schon, denn ob man Leistungen erhält, hängt alleine vom nachgewiesenen Vorliegen der Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes ab. Bei der Schaffung der Pflegeversicherung und der Entwicklung der Abläufe wurde zunächst primär an ältere Menschen gedacht. Allerdings spielen das Alter des Pflegebedürftigen sowie die Tatsache, wie es zur Pflegebedürftigkeit kam, keine Rolle. Da die rheumatische Grunderkrankung durch ihren chronischen Verlauf länger als sechs Monate dauert und zu einem erhöhten Hilfebedarf führt, können betroffene Kinder Leistungen erhalten. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass nur der Pflegeaufwand berücksichtigt werden kann, der über dem eines gesunden Kindes gleichen Alters liegt. Je jünger das rheumakranke Kind ist, desto schwerer wird es sein, den erforderlichen Pflegemehraufwand nachzuweisen. So benötigt z.B. jedes zweijährige Kind Unterstützung bei der Zerkleinerung der Nahrung. Kapitel 18 » Wie sind die Leistungen der Pflegeversicherung aufgebaut? Wie hoch die Leistungen sind, hängt vom nachgewiesenen durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand in genau definierten Bereichen ab. Berücksichtigt werden lediglich folgende gewöhnliche und wiederkehrende Verrichtungen: • Im Bereich der Körperpflege: Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung. • Im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten und die Hilfestellungen bei der Aufnahme der Nahrung. • Im Bereich der Mobilität die Hilfe beim Aufstehen, Zu-Bett-Gehen, Anund Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Diese drei Bereiche machen miteinander die Grundpflege aus, die durch die hauswirtschaftliche Versorgung ergänzt werden kann. Darunter ist das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen zu verstehen. Die hauswirtschaftliche Versorgung alleine genügt nicht um Leistungen zu beziehen. Sie ist lediglich in Ergänzung zur Grundpflege anzurechnen. Um Kategorien für den Umfang der Leistungen zu schaffen, wurden drei Pflegestufen definiert: Pflegestufe I ‘Erheblich Pflegebedürftige’ sind Personen, für die mindestens einmal täglich bei wenigstens zwei Verrichtungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung oder Mobilität und in Ergänzung in der hauswirtschaftlichen Versorgung ein täglicher Pflege(mehr)bedarf von mindestens 90 Minuten besteht. Auf die Grundpflege müssen dabei mehr als 45 Minuten entfallen. Pflegestufe II ‘Schwerpflegebedürftige’ im Sinne des Gesetzes sind Personen, die in den genannten Bereichen mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten Hilfe im Umfang von mindestens drei Stunden benötigen. Die Grundpflege muss dabei mindestens zwei Stunden umfassen. Pflegestufe III ‘Schwerstpflegebedürftige’ sind Personen, die in den genannten Bereichen täglich rund um die Uhr, also auch nachts, der Hilfe bedürfen. Im Tagesdurchschnitt muss die Pflege einen Umfang von fünf Stunden erreichen, mindestens vier Stunden davon im Bereich der Grundpflege. 179 Pflegeversicherung Erfolgt die Einstufung in eine der drei Pflegestufen, ergeben sich daraus verschiedene Leistungen. Da die Betreuung eines rheumakranken Kindes nur äußerst selten in einer stationären Einrichtung, sondern fast ausschließlich zu Hause erfolgt, sind folgende Leistungen von besonderer Bedeutung: ◆ Das monatliche Pflegegeld in Höhe von 205 • € in der Pflegestufe I • 410 € in der Pflegestufe II • 665 € in der Pflegestufe III Das Pflegegeld darf bei der Gewährung anderer einkommensabhängiger Sozialleistungen (z.B. Sozialhilfe oder Wohngeld) nicht als Einkommen angerechnet werden! 18 ◆ Zuschüsse zum pflegebedingten Umbau der Wohnung Angestrebt wird eine Gestaltung des Wohnumfeldes, die die häusliche Pflege ermöglicht, erleichtert oder die Unfallgefahr verringert. In Frage kommt beispielsweise der Einbau eines Treppenliftes zur Überwindung von Stufen, die Anbringung von bestimmten Haltegriffen oder der Einbau von Einrichtungsgegenständen, die mit dem Rollstuhl unterfahren werden können. Die Zuschusshöhe liegt im Ermessen der Pflegekassen. Sie ist abhängig von der Notwendigkeit des Umbaus, den entstehenden Kosten und der Einkommenssituation des Versicherten und beträgt derzeit maximal 2557 € je Maßnahme. 180 ◆ Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen Die Pflegekassen entrichten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Pflegepersonen, die nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind und einen Pflegebedürftigen mindestens 14 Wochenstunden in dessen häuslicher Umgebung pflegen. Die Höhe der Beitragszahlungen ist abhängig vom Umfang der anerkannten Pflegetätigkeit, d.h. von der festgestellten Pflegestufe. Darüber hinaus sind die Pflegepersonen während der Ausübung der pflegerischen Tätigkeit unfallversichert und erhalten nach der Beendigung ihrer Pflegetätigkeit bei Bedarf vom Arbeitsamt Eingliederungshilfe für die Rückkehr in das Berufsleben. ◆ Kurzzeitpflege Ist die Pflegeperson erkrankt, im Urlaub oder anderweitig verhindert, kann die Pflege für maximal vier Wochen im Jahr durch die Unterbringung in einer geeigneten Pflegeeinrichtung oder durch die Finanzierung einer Ersatzpflegekraft sichergestellt werden. Findet diese Pflege zu Hause statt, erhält die Pflegeperson anteilig für diesen Zeitraum das Pflegegeld. Kann für diese Zeit ein Verdienstausfall nachgewiesen werden, der über dem Pflegegeld liegt, wird es bis zur entsprechenden Höhe aufgestockt. Der jährliche Höchstbetrag liegt bei 1432 €. Weitere Leistungsarten können den Informationen der Kranken- und Pflegekassen und der Verbände entnommen werden. Kapitel 18 » Wie werden die Leistungen beantragt und festgelegt? Der Antrag besteht aus einem einzigen Formular, das bei den Kranken- und Pflegekassen erhältlich ist. Nach der Antragstellung erfolgt ein Hausbesuch einer Pflegefachkraft des Medizinischen Dienstes der Pflegekasse, die ein Gutachten erstellt. Der dabei ermittelte Pflegeumfang richtet sich nicht nur nach der Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit des Antragstellers, sondern auch nach den häuslichen Gegebenheiten. Bereiten Sie sich auf diesen Besuch gut vor. Falls vorhanden, sollte Ihr Kind Handschienen tragen. Demonstrieren Sie ggf. auch Sinn und Handhabung von Nachtlagerungsschienen. Leider ist davon auszugehen, dass die Pflegefachkraft wenig über das kindliche Rheuma informiert ist. Erklären Sie deshalb die Krankheit, den schubweisen Verlauf und beschreiben Sie die Auswirkungen auf das tägliche Leben. Eine gute Hilfe sind die Broschüren der Deutschen RheumaLiga, die Sie ebenfalls bereithalten sollten. Einige Zeit nach dem Hausbesuch erhalten Sie einen Bescheid, dem Sie den ermittelten durchschnittlichen täglichen Pflegebedarf und die sich daraus ergebende Pflegestufe entnehmen können. Auf Ihr Verlangen hin ist Ihnen Einsicht in das Gutachten und die Berechnung des Pflegaufwandes zu gewähren, auf denen der Bescheid beruht. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Führt dieser nicht zum gewünschten Er- folg, kann der Klageweg vor den Sozialgerichten beschritten werden. » Was versteht man unter einem Pflegetagebuch? Ratsam ist, bereits im Vorfeld ein Pflegetagebuch zu führen, in das Sie über einen längeren Zeitraum alle Pflegleistungen und Hilfestellungen eintragen, die Sie für Ihr rheumakrankes Kind erbringen. Der Hausbesuch der Pflegefachkraft kann nicht mehr sein als eine Momentaufnahme. Durch das Pflegetagebuch können Sie verdeutlichen, wie unterschiedlich der Pflegeaufwand ist. Achten Sie darauf, dass auch die pflegeintensiven Phasen dokumentiert sind. Stellen Sie dar, wie viel Hilfe und Pflege Ihr Kind während eines Schubes braucht und dass es auch in besseren Zeiten aufmerksam wahrgenommen und zu gelenkschonendem Verhalten angeleitet werden muss. Notieren Sie ebenfalls, wenn es vor der Medikamenteneinnahme lange Diskussionen und Streitgespräche gibt oder wenn das Kind Ermutigung, Trost oder Hilfe beim Einschlafen oder nächtlichem Aufwachen bekommt. Sollte das Kind vor allem während der Schübe nachts so stark schwitzen, dass Sie mit ihm den Schlafanzug wechseln müssen, ist dies ebenfalls zu vermerken. Da Sie das Pflegetagebuch an die Pflegefachkraft aushändigen, sollten Sie es vor dem vereinbarten Gesprächstermin für Ihre Unterlagen kopieren und es im Vorfeld aufmerksam durchlesen. 181 Pflegeversicherung » Was sollten die Eltern beim Antragsverfahren beachten? Die Pflegefachkraft orientiert sich in ihren Fragen primär an Formularen, die nicht auf Kinder, sondern auf ältere Menschen zugeschnitten sind. Also Personen, die früher selbständig waren und nun in bestimmten Bereichen Hilfe benötigen. Ein kleines Kind, das sich beispielsweise noch nie selbst verständigen oder selbst versorgen konnte, passt nicht in dieses System. Dadurch ergibt sich ein Interpretationsspielraum, der sich zum Schaden, aber auch zum Vorteil des Kindes auswirken kann. Nur wenn es Ihnen gelungen ist, der Pflegefachkraft ein Gefühl für das Krankheitsbild, den schubweisen Verlauf und die Folgen im Alltag zu vermitteln, kann sie das starre Muster der Formulare zum Vorteil des Kindes verlassen. 18 Wie bereits erwähnt, ist jedoch auch bei wohlwollender Begutachtung lediglich der Pflegemehraufwand gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Kind zu erfassen. Je älter das Kind ist, desto eher ist beispielsweise anzurechnen, dass Sie das Kind im Buggy zu den Arztbesuchen schieben müssen. Falls die Pflegefachkraft Ihnen erklärt, dass bei Kindern bis zum 16. Lebensjahr die hauswirtschaftliche Versorgung grundsätzlich nicht angerechnet werden kann, weil auch gesunde Kinder keinen Haushalt führen, sollten Sie das auf keinen Fall akzeptieren. Verweisen Sie auf die Begutachtungs-Richtlinien, die festlegen, dass bei Kindern bis zum voll182 endeten achten Lebensjahr der erhöhte Zeitbedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung im erforderlichen Umfang gegeben ist, wenn er grundsätzlich besteht. Diese etwas komplizierte Formulierung meint, dass man bei Kindern dieser Altersgruppe den Mehraufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung pauschal anerkannt bekommt, wenn man nachweisen kann, dass er überhaupt besteht. Können Sie beispielsweise durch Ihre Erklärungen und die Vorlage des Pflegetagebuches deutlich machen, dass sich das Kind durch seine Schienen und Bewegungseinschränkungen häufiger bekleckert als andere Kinder gleichen Alters, greift diese Regelung. Es werden Ihnen dann nicht nur die Minutenwerte für das Waschen von ein oder zwei Füllungen Wäsche pro Woche anerkannt, sondern pauschal 45 Minuten hauswirtschaftliche Versorgung pro Tag in der Pflegestufe I. Grundvoraussetzung bleibt aber auch in diesem Fall, dass Sie in der Grundpflege im Tagesdurchschnitt die erforderliche Zeit nachweisen können, die hauswirtschaftliche Versorgung alleine reicht nicht aus. Bei Kindern zwischen acht und vierzehn Jahren kann in der Pflegestufe I pauschal ein erhöhter Zeitbedarf von 30 Minuten, in den Pflegestufen II und III von 45 Minuten angesetzt werden. Leider kann nur die Pflege in der oben definierten Grundpflege berücksichtigt werden. Die täglichen krankengymnastischen Übungen oder die Kühlung mit Eispacks fallen nicht unter die Grundpflege, sondern werden per Definition der Behandlungspflege zugerechnet, Kapitel 18 183 Pflegeversicherung für die die Krankenkasse und nicht die Pflegekasse aufkommen muss. Beim Aufsuchen und Verlassen der Wohnung im Rahmen der Mobilität wird nur die Fahrtzeit zum Arzt oder zur Krankengymnastik und wieder zurück berücksichtigt. Die Wartezeit fällt unter den Tisch und die Behandlung des Kindes wird im Rahmen der Behandlungspflege von den Krankenkassen finanziert. Voraussetzung: Therapie mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von sechs Monaten. 18 Empörend, aber gesetzeskonform ist, wenn Spaziergänge und Besuche von Freunden, Verwandten oder kulturellen Veranstaltungen gar nicht berücksichtigt werden, denn die Anerkennung dieser sozialen Kontakte würde zu einem politisch nicht gewünschten Anstieg der Leistungsbezieher führen. Für diesen Missstand kann die Pflegefachkraft, die Sie zu Hause besucht, nicht verantwortlich gemacht werden - er verdeutlicht aber, dass die Rheuma-Liga und andere Organisationen in ihrem Bemühen unterstützt werden sollten, eine Änderung der Richtlinien zu erreichen! 184 » Lohnt es sich überhaupt, einen Antrag zu stellen? Auch wenn die gesetzlichen Definitionen und Abgrenzungen oft dazu führen, dass der zweifellos vorhandene hohe Zeitaufwand bis auf einen kleinen Rest zusammenschmilzt, kann ein Versuch durchaus lohnend sein. Im Verlauf der Jahre haben immer klarere Vorschriften den individuellen Spielraum der Pflegefachkräfte zwar zunehmend eingeengt, in Einzelfällen kommt es aber immer wieder zu überraschend positiven Ergebnissen. Das Verfahren ist einfach, kostenfrei und nicht sehr aufwändig, die Führung eines Pflegetagebuchs über einen gewissen Zeitraum kann auch sehr interessant sein. In jedem Fall sollten Sie sich, vor allem bei schweren Krankheitsverläufen, nicht entmutigen lassen einen Antrag zu stellen! Kapitel 19 STEUER M. Rummel-Siebert; B. Fauser » » » Was kann von der Steuer abgesetzt werden?.......................... 186 Was kann neben den Pauschbeträgen steuerlich geltend gemacht werden? ......................................................... 187 Können die Steuerfreibeträge auch auf die Eltern übertragen werden?.................................................. 188 185 Steuer » Was kann von der Steuer abgesetzt werden? Grundsätzlich können bei der Steuer alle Aufwendungen geltend gemacht werden, die aufgrund der Erkrankung des Kindes entstanden sind und nicht von einer dritten Seite, wie z.B. der Krankenkasse, erstattet wurden oder noch erstattet werden. Diese Ausgaben sind als außergewöhnliche Belastungen einzustufen und in der Steuererklärung an entsprechender Stelle einzutragen. Von der sich ergebenden Summe wird vom Finanzamt eine zumutbare Eigenbelastung abgezogen, die sich nach dem Einkommen und dem Familienstand richtet. Sämtliche Ausgaben müssen durch Vorlage von Belegen nachgewiesen werden. Ist ein Behindertenausweis vorhanden, sind die vom Grad der Behinderung und dem Merkzeichen abhängigen Steuer- freibeträge (siehe auch Kapitel 12) abzusetzen: • Pauschbetrag für Körperbehinderte (siehe Tabelle unten) Diese Beträge stehen dem Schwerbehinderten, also in unserem Fall dem rheumakranken Kind zu! • Pflegepauschbetrag (924 € /Jahr bei Merkzeichen „H“) Dieser Betrag steht der Person zu, die den Schwerbehinderten pflegt! Da der Behindertenausweis erst ab einem Grad der Behinderung von 50 ausgestellt wird, muss zur Inanspruchnahme der Pauschbeträge bei einem GdB von 30 bzw. 40 eine Bestätigung des Versorgungsamtes vorgelegt werden, in der der Anspruch auf eine Steuerpauschale eingeräumt wird. Wenn dies der Fall ist, wird sie vom Amt für Versorgung und Familienförderung dem Feststellungsbescheid beigefügt. Tabelle Folgende jährliche Pauschbeträge sind je nach Grad der Behinderung gültig: Grad der Behinderung 19 von 25 von 35 von 45 von 55 von 65 von 75 von 85 von 95 Merkz. H 186 und und und und und und und und 30 40 50 60 70 80 90 100 Pauschbetrag / Jahr 310 € 430 € 570 € 720 € 890 € 1060 € 1230 € 1420 € 3700 € Kapitel 19 » Was kann neben den Pauschbeträgen steuerlich geltend gemacht werden? Nachstehende aufgeführte Punkte können als außergewöhnliche Belastungen zusätzlich zum Pauschbetrag für Körperbehinderte geltend gemacht werden: Unterkunfts- und Verpflegungskosten bei Begleitung des Kindes während des Klinikaufenthaltes Aufwendungen für Dienstleistungen zur Pflege Wurde das Merkzeichen H zugeordnet, können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Pflege durch eine ambulante Pflegekraft oder auch durch die Sozialstation oder einen privaten Pflegedienst ohne weiteres als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden, soweit die Aufwendungen ausschließlich auf die Pflege entfallen, d.h. krankheitsbedingt sind. Wurde das Kind während eines stationären Klinikaufenthaltes von einem Elternteil begleitet, für den Übernachtungskosten angefallen sind, können diese angegeben werden. Voraussetzung ist die Beifügung eines Beleges für die Ausgaben und eine Bestätigung der Klinik, dass die Anwesenheit dringend angezeigt war. Zusätzlich zu den Übernachtungskosten ist die Anrechnung des sog. ‘Verpflegungs-Mehraufwandes’ möglich, dessen Höhe von der Dauer der Abwesenheit vom Heimatort abhängt. Beschäftigung einer Haushaltshilfe Bei Abwesenheit • von mindestens 8 Stunden beträgt diese Pauschale derzeit 6 € • von mindestens 14 Stunden 12 € • von 24 Stunden 24 € pro Kalendertag. Bei einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder einem Grad der Behinderung von 70 plus Merkzeichen G oder aG können die Kraftfahrzeugkosten als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden, pauschal 3.000 km. Behinderungsbedingte Fahrten können auch über diese Kilometergrenze hinaus geltend gemacht werden. Dazu muss aber ein Fahrtenbuch geführt und vorgelegt werden. Im Zweifelsfall können auch Urlaubsfahrten, die im Interesse des Kindes liegen, geltend gemacht werden. Besuchsfahrten Wenn eine ärztliche Bescheinigung über die Anwesenheit eines Elternteils am Behandlungsort ausgestellt wird, können sämtliche Kosten, die dabei entstanden sind, geltend gemacht werden. Tatsächliche Aufwendungen für eine Haushaltshilfe (Babysitter, Nachhilfe, Putzfrau etc.) können in einer Höhe von 624 € pauschal abgesetzt werden. Sind die Voraussetzungen des Merkzeichen H erfüllt, erhöht sich der Pauschbetrag auf 924 €. Kraftfahrzeugkosten für Privatfahrten 187 Steuer Wurde das Merkzeichen aG zugeordnet, können sämtliche Fahrzeugkosten für Fahrten mit dem Kind als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. Hier können die tatsächlichen Kosten (Kilometerzahl x 0,30 €) angesetzt werden. Einverdiener-Familien, bei denen nur ein Elternteil erwerbstätig ist, können Kinderbetreuungskosten für Kinder zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr zu zwei Dritteln, maximal 4.000 € je Kind, als Sonderausgaben abziehen (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Kinderbetreuungskosten Um Doppelberücksichtigungen auszuschließen, dürfen Aufwendungen, die unter § 4f,§ 9 Abs. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 5 und Nr.8 EStG fallen nicht nach § 35 a EStG (haushaltsnahe Kinderbetreuung) geltend gemacht werden. Betreuungskosten sind Aufwendungen dafür, dass eine dritte Person das Kind beaufsichtigt und ggf. erzieht. Betreuungskosten werden auf Antrag gewährt. Kinder werden auch über das 14. Lebensjahr hinaus berücksichtigt, wenn sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Rechtslage ab 01.01.2006 Durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung ist die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten neu geregelt worden. Danach gilt Folgendes: 19 Berufstätige Alleinerziehende und Doppelverdiener können nunmehr nach §4f/§9 EStG (Einkommensteuergesetz) für die Betreuung von Kindern bis zum 14. Lebensjahr zwei Drittel der Kosten, maximal 4.000 € je Kind als Betriebsausgaben oder Werbungskosten von der Steuer absetzen. Diese Abzugsmöglichkeit besteht auch in den Fällen, in denen nur ein Elternteil berufsunfähig und der andere behindert oder dauerhaft krank ist oder sich in Ausbildung befindet; hier werden die Kosten als Sonderausgaben berücksichtigt (§10 Abs. 1 Nr. 8 EStG). 188 » Können die Steuerfrei- beträge auch auf die Eltern übertragen werden? Der Behinderten-Pauschbetrag und die anderen behinderungsbedingten Aufwendungen können auf Antrag auf die Eltern (Großeltern) übertragen werden. Die Übertragung setzt voraus: • Der Behinderten-Pauschbetrag steht dem Kind zu, das ihn nicht in Anspruch nimmt. • Die Eltern (bzw. der Elternteil) erhalten einen Kinderfreibetrag, Bedarfsfreibetrag oder Kindergeld. Tipp Unter www.bvkm.de können Sie jeweils das aktuelle Steuermerkblatt für Familien mit behinderten Kindern herunterladen. Kapitel 20 Sozialhilfe M. Rummel-Siebert; B. Fauser » » » » » Wer kann Sozialhilfe beantragen? ............................................ 190 Was ist vor der Antragstellung zu beachten?.......................... 191 Welche Leistung umfasst die Sozialhilfe allgemein? .............. 191 Was bedeutet Eingliederungshilfe für behinderte Menschen?......................................................... 192 Was ist unter ‘Hilfe zur Pflege’ zu verstehen? ........................ 193 189 Sozialhilfe » Wer kann Sozialhilfe beantragen? Nach der zum 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung des Sozialgesetzbuchs haben die Sozialleistungen folgende Strukturen: Art der Sozialleistung Personenkreis zuständige Behörde Grundsicherung im Alter Personen, die das 65. Lebensjahr und Sozialamt Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, erhalten Hilfen zur Grundsicherung nach dem SGB XII. Das Grundsicherungsgesetz wurde aufgehoben und in das SGB XII inhaltsgleich eingearbeitet (§§ 41 ff. SGB XII) Arbeitslosengeld II Erwerbsfähige Hilfebedürftige ab 15 bis Jobcenter 64 Jahre erhalten das Arbeitslosengeld II nach der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Ihre nichterwerbsfähigen, zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden hilfebedürftigen Angehörigen beziehen Sozialgeld gemäß § 28 SGB II Hilfe zum Lebensunterhalt Bedürftige, die weder Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem SGB II und keine Leistungen der Grundsicherung erhalten, bekommen Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 27 ff. SGB XII Sozialamt 20 Ziel der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfe soll ihn so weit wie möglich befähigen, unabhängig zu werden, um später seinen Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft bestreiten zu 190 können. Beantragt wird die Sozialhilfe bei den Sozialämtern der Städte und der Landkreise. Kapitel 20 » Was ist vor der Antragstellung zu beachten? Sämtliche Leistungen der Sozialhilfe sind vom Einkommen abhängig und beruhen auf dem Prinzip der Nachrangigkeit. Vom Antragsteller wird erwartet, dass er zunächst sein Einkommen, sein Vermögen und seine Arbeitskraft einsetzt, um seine Notlage zu beheben. Unter bestimmten Umständen sind darüber hinaus seine Angehörigen verpflichtet, ihn finanziell zu unterstützen. Weiterhin muss ausgeschlossen werden, dass dem Hilfesuchenden Leistungen anderer Sozialleistungsträger zustehen, also z. B. Rentenzahlungen oder Krankengeld. Die Sozialhilfe erfasst prinzipiell nur den gegenwärtigen Bedarf, die Übernahme von Schulden ist nicht möglich. Kommen Sonderausgaben auf den Sozialhilfeempfänger zu, wie z.B. Pensionskosten während der Begleitung des Krankenhausaufenthaltes des rheumakranken Kindes, muss die Kostenübernahme bereits im Vorfeld mit dem Sozialamt geklärt werden! » Welche Leistungen umfasst die Sozialhilfe allgemein? Die Sozialhilfe übernimmt zum einen laufende Leistungen zum Lebensunterhalt, zum anderen die sogenannten weiteren ’Hilfen in besonderen Lebenslagen’. Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere die Ernährung, die Miete, die Kleidung, Hausrat und Hei- zung sowie die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens. Die weiteren Hilfen (in besonderen Lebenslagen) sehen Leistungen vor wie die Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage, die vorbeugende Gesundheitshilfe, die Hilfe zur Gesundheit, die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, die Blindenhilfe, die Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und die Altenhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt Die Sozialhilfe wird seit dem 1. Januar 2005 als Leistung für nicht erwerbsfähige Menschen in einer (finanziellen) Notlage gewährt. Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt weder aus eigenen Kräften und Mitteln (Einkommen und Vermögen) noch mit Hilfe anderer (z. B. Rententräger, Unterhaltspflichtige) bestreiten kann. Sozialhilfe ist immer nachrangig zu gewähren. Wer Sozialhilfe in Anspruch nehmen möchte, muss daher sämtliche andere Hilfs- und Einkommensmöglichkeiten vorrangig ausschöpfen. Die Hilfe zum Lebensunterhalt wird, sofern mehr als eine Person im Haushalt lebt, für die gesamte Bedarfsgemeinschaft berechnet. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören Ehegatten, Alleinerziehende und deren minderjährige Kinder und Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft. Nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören z.B. Tante, Großvater usw.. 191 Sozialhilfe » Wer erhält Hilfe zum Lebensunterhalt? Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten nur noch Menschen zwischen 15 und 65 Jahren, die zeitweise nicht erwerbsfähig sind. Das sind z. B. Bezieher einer Altersrente (vor dem 65. Lebensjahr) oder Bezieher einer zeitlich befristeten Erwerbsminderungsrente oder Betreute in Einrichtungen (z. B. Psychiatrie). Aber auch alle, die länger als ein halbes Jahr wegen Krankheit oder Behinderung nicht mindestens drei Stunden täglich (amtlich festgestellt) arbeiten können. Dauerhaft Erwerbsunfähige und über 65-Jährige erhalten dagegen die Grundsicherung im Alter und bei vollständiger Erwerbsminderung. Und wer zwischen 15 und 65 Jahre alt und erwerbsfähig ist, erhält Arbeitslosengeld II. » Was beinhaltet die Hilfe zum Lebensunterhalt? 20 Sie umfasst die Sicherung des alltäglichen Lebensunterhalts durch Nahrung, Kleidung, Miet- und Heizkosten (soweit diese angemessen sind) sowie die Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, Alterssicherung oder auch Bestattungskosten. Die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt wird nach Regelsätzen bemessen. 192 » Was bedeutet Eingliede- rungshilfe für behinderte Menschen? Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Diese Eingliederungshilfe stellt eine Ist-Leistung mit Rechtsanspruch dar. Die Behinderung darf aber nicht nur vorübergehend vorhanden sein. Für rheumakranke Kinder und Jugendliche kommt die Eingliederungshilfe grundsätzlich in folgenden Fällen in Betracht: 1. wenn die rheumatische Erkrankung schwerwiegend ist; 2. wenn das Einkommen / Vermögen der Familie die Einkommens- und Vermögensgrenze nicht übersteigen; 3. wenn andere Kostenträger, z.B. die Agentur für Arbeit, Jobcenter, Versorgungsamt und Kranken- oder Pflegekasse, keine Leistungen gewähren. Zu den Maßnahmen der Eingliederungshilfe gehören vor allem die ärztliche und pflegerische Behandlung, die Versorgung mit Hilfsmitteln, die Hilfe zu einer angemessenen Schul- u. Berufsausbildung, die Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben, die Hilfe bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung und die Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Kapitel 20 » Was ist unter ‚Hilfe zur Pflege’ (nach SGB XII) zu verstehen? Bis zur Einführung der Pflegeversicherung hatte vor allem die Sozialhilfe die Aufgabe, die erforderliche Pflegemaßnahmen im Rahmen der ‘Hilfe zur Pflege’ finanziell abzusichern. Seit dem Bestehen der Pflegeversicherung greift diese Form der Unterstützung weiterhin für Personen, die ihre finanzielle Bedürftigkeit nachweisen können und • nicht Mitglied der Pflegeversicherung sind und deshalb keine Leistungen erhalten. • über ambulante Pflege versorgt werden müssen, in der Pflegeversicherung jedoch der Pflegestufe 0 zugeordnet wurden, weil der Pflegebedarf zwar nachgewiesen werden konnte, aber unterhalb der erforderlichen Mindestgrenze blieb. • in stationären Einrichtungen betreut werden müssen, deren anerkannter Pflegesatz über den gedeckelten Leistungssätzen der Pflegeversicherung liegt. In diesem Fall gleicht die Hilfe zur Pflege den Differenzbetrag aus. • nachweisen können, dass über anerkannte ambulante Leistungen der Pflegeversicherung hinaus weiterer Bedarf an ambulanter Pflege besteht. Diese Personen erhalten entsprechend dem ermittelten Bedarf ergänzende Hilfe zur Pflege. • vor dem Inkrafttreten der Pflegeversicherung bereits Leistungen der Hilfe zur Pflege bezogen haben, die über den dann gültigen Sätzen lagen. Um diese Schlechterstellung auszugleichen, erhalten sie den entsprechenden Differenzbetrag. 193 Notizen 20 194 Kapitel 21 Elternkreise rheumakranker Kinder Deutsche Rheuma-Liga C. Becker » » » » » Die Deutsche Rheuma-Liga ....................................................... 196 Die Elternkreise rheumakranker Kinder .................................... 196 Die Gruppen junger Rheumatiker ............................................. 197 Das Rheumafoon für Junge Rheumatiker und Eltern ............. 197 Wie Sie die Elternkreise und Gruppen Junger Rheumatiker finden ....................................................... 198 195 Elternkreise rheumakranker Kinder » Die Deutsche Rheuma-Liga eine starke Gemeinschaft Die Deutsche Rheuma-Liga ist eine der größten Selbsthilfeorganisationen im Gesundheitsbereich. Seit der Gründung im Jahre 1970 erhöhte sich die Zahl der Mitglieder auf nahezu 250.000. Angebote der Hilfe und Selbsthilfe für die Betroffenen, die Aufklärung der Öffentlichkeit und die Vertretung der Interessen Rheumakranker gegenüber Politik, Gesundheitswesen und Öffentlichkeit sowie die Förderung von Forschung sind die vorrangigen Aufgaben der Organisation. Bundesweit engagieren sich rheumakranke Menschen, Angehörige, Therapeuten, Ärzte sowie haupt- und ehrenamtliche Helfer in einer großen Gemeinschaft. Der Bundesverband ist die Dachorganisation mit übergeordneten Aufgaben. Starke Partner vor Ort sind die Landesund Mitgliedsverbände. » Elternkreise rheumakranker Kinder - Hilfen, um die Hürden des Alltags zu überwinden 21 Die kindliche chronische Gelenkentzündung ist eine Erkrankung, die tief und nachhaltig in das Leben der Kinder und ihrer Familien eingreift. In der breiten Öffentlichkeit, und selbst bei Fachleuten, ist die Krankheit oft nur wenig bekannt. So beginnt ein langer Weg mit Zweifeln, Hilflosigkeit und vielen Fragen. Die Betroffenen erleben Krankheit und Behinderung, Verunsicherung und Leid sehr 196 unterschiedlich. Fast alle aber fühlen sich mit ihren Sorgen allein gelassen. Aus dieser Situation heraus erkannten Fachleute und betroffene Mütter und Väter die Notwendigkeit, sich in Elternkreisen zu engagieren und zu solidarisieren. 1980 wurde in der Rheuma-Kinderklinik Garmisch-Partenkirchen der Bundesarbeitskreis Eltern rheumakranker Kinder gegründet. In enger Zusammenarbeit zwischen Bundesverband, Landesverbänden, Fachleuten und betroffenen Eltern hat sich die Elternarbeit seither beständig weiterentwickelt. Die Elternkreise bieten den betroffenen Familien: • individuelle persönliche Gespräche • Treffen zum Erfahrungsaustausch • Wochenendseminare • Informationsmaterial • Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen mit Ärzten und Therapeuten • Unterstützung bei alltäglichen Problemen in Kindergarten und Schule • Hilfe bei sozialrechtlichen und medizinischen Fragen Für viele Eltern sind die Elternkreise eine sinnvolle, praktische Lebenshilfe. Es kann erstaunlich entlastend sein, sich in einem Kreis von Menschen zu bewegen, die die eigenen Ängste nachvollziehen können, ohne Erklärungen vorausschicken zu müssen. Kapitel 21 » Die Gruppen Junger Rheu- » Das Rheumafoon für Junge In Deutschland leben etwa 30.000 40.000 junge Menschen im Alter von 16 bis 35 Jahren mit einer rheumatischen Erkrankung. Familie und Partnerschaft, Ausbildung, Studium und Beruf sind Themen, die Rheumakranke ebenso beschäftigen wie andere junge Menschen. Doch junge Rheumakranke müssen darüber hinaus Vorurteile und Hindernisse in Bezug auf ihre Erkrankung abbauen. Die Deutsche Rheuma-Liga setzt sich dafür ein, dass die besonderen Probleme junger Menschen mit einer rheumatischen Erkrankung in der Gesellschaft wahrgenommen und Defizite abgebaut werden. Junge Rheumatiker haben sich in regionalen Gruppen organisiert. Sie erhalten auf Landes- und Bundesebene, aber auch international die Möglichkeit, sich gegenseitig auszutauschen und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und anzunehmen. Zu den vielfältigen Angeboten und Projekten gehören z.B. Treffen zum Erfahrungsaustausch, Wochenendseminare, Bundesjugendtreffen, Informationsmaterial, Forum, Chat und Mailingliste. Junge Rheumatiker beraten Junge Rheumatiker - das ist kurz ausgedrückt die Idee des Rheumafoons. Die merkwürdige Schreibweise verdanken wir den Holländern, denen wir die Idee abgeschaut haben. Bereits 1996 wurde dieses Projekt bundesweit gestartet. Acht Rheumafoon-Berater stehen euch mit Rat und Tat zur Seite. Sie wurden auf ihre Aufgabe in Seminaren vorbereitet und werden regelmäßig fortgebildet. Gerne geben sie Auskunft z.B. über Erfahrungen anderer Junger Rheumatiker im Umgang mit der Krankheit, Fragen zur Berufswahl oder zu sozialrechtlichen Problemen. Einfach einen der Rheumafoon-Ansprechpartner anrufen und ihn löchern! Sollte niemand direkt an den Apparat gehen, sprecht auf den Anrufbeantworter! Der Rheumafooner ruft garantiert zurück. matiker haben einen festen Platz in der Rheuma-Liga Rheumatiker und Eltern ruf doch mal an! Im Jahr 2000 wurde dieses Angebot auch für Eltern rheumakranker Kinder eingerichtet. Bundesweit haben fünf Rheumafoon-Beraterinnen ein offenes Ohr und Zeit für Sie. Hier können Sie Ihre Fragen zum kindlichen Rheuma stellen und sich Rat und Hilfe holen. 197 Elternkreise rheumakranker Kinder » Wie Sie einen Elternkreis und die Gruppen Junger Rheumatiker finden Über das Bundesgebiet verteilt stehen viele Eltern und Junge Rheumatiker als Ansprechpartner zur Verfügung. Jeder kann die Angebote nach seinen Bedürfnissen nutzen und sich nach seinen Möglichkeiten einbringen. Etwas persönlicher Einsatz aber ist schon notwendig. Ein aktuelles Adressen-Verzeichnis bekommen Sie über die Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V., Ihren Landesverband und über die Elternkreis Kontaktstellen (alle Adressen im Anhang). 21 198 Kapitel 22 Erklärung wichtiger Fachausdrücke R. Häfner » » » » » » » Gelenke - Sehnen - Knochen.................................................... 200 Organbeteiligung ........................................................................ 202 Augen .......................................................................................... 203 Laborbefunde .............................................................................. 203 Röntgenbefunde und andere bildgebende Verfahren .............. 205 Medikamentöse Therapie ........................................................... 205 Operationen ................................................................................ 206 199 Erklärung wichtiger Fachausdrücke Gelenke - Sehnen - Knochen 22 Arthritis Gelenkentzündung Bursitis subachillea Entzündung des Schleimbeutels unter dem Achillessehnenansatz an der Ferse Bursitis Schleimbeutelentzündung Enthesitis / Enthesopathie Erkrankung der Sehnenansatzbereiche Erguss Flüssigkeitsvermehrung im Gelenk Erwachsenenhandskoliose Abweichung der Mittelhand nach innen (radial) mit Gegenknickung der Finger nach außen (ulnar) Extension Streckung Flexion Beugung Flexotenosynovitis Beugesehnenscheidenentzündung Hallux valgus Großzehenfehlstellung mit Abknickung nach außen (zu den anderen Zehen hin) Handskoliose Zickzackdeformität der Hand Iliosakralgelenk Gelenkige Verbindung im Beckenbereich zwischen Darmbeinschaufel und Kreuzbein Kindliche Handskoliose Abweichung der Mittelhand nach außen (ulnar) mit Gegenknickung der Finger nach innen (radial) Monarthritis Nur ein Gelenk betroffen Oligoarthritis Wenige Gelenke betroffen (meist 1-4) Polyarthritis Viele Gelenke betroffen (mindestens 5, meist >10) 200 Kapitel 22 Radialdeviation Abweichung der Handachse nach innen (zum Daumen) Rotation Drehung, Drehfehlstellung Sakroiliitis Entzündung des Iliosakralgelenkes Sehnenruptur Sehnenriss Subluxation krankhafte Verschiebung der Gelenkflächen gegeneinander, so dass sie nicht mehr in normalem Kontakt miteinander stehen Synovialis Gelenkinnenhaut Synovialzyste Ansammlung von Gelenkflüssigkeit in gelenknahem Schleimbeutel (in der Kniekehle auch als "Bakerzyste" bezeichnet) Synovialitis Entzündung der Gelenkinnenhaut, oft mit Gelenkerguss einhergehend Tenosynovitis Sehnenscheidenentzündung Ulnardeviation (zum Kleinfinger) Abweichung der Handgelenksachse nach außen Valgusstellung Knie X-Beinstellung 201 Erklärung wichtiger Fachausdrücke Organbeteiligung Amyloidose Erkrankung mit Ablagerung von Amyloid in wichtigen Körperorganen Amyloid Krankhafte Eiweißsubstanz, die sich im Gefolge einer chronisch-entzündlichen Erkrankung im Körper bildet Arrhythmie Herzrhythmusstörung mit unregelmäßigem Puls(Herz-) Schlag Exanthem Hautausschlag Hepatomegalie Lebervergrößerung Karditis Herzentzündung Myokarditis Herzmuskelentzündung Perikarderguss Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel (meist Ausdruck einer Perikarditis) Perikarditis Herzbeutelentzündung Peritonitis Entzündung des Bauchfells Pleuritis Entzündung des Rippenfells Serositis Entzündung der serösen Häute, dazu gehören Herzbeutel, Rippenfell und Bauchfell Splenomegalie Milzvergrößerung Tachykardie Erhöhte Herzfrequenz , schneller Puls (wichtiges Zeichen einer Myokarditis) 22 202 Kapitel 22 Augen Glaukom Erhöhter Augendruck („grüner Star“) Hintere Synechie Verklebung zwischen Linse und Regenbogenhaut (Iris) (möglicher Folgezustand bei Iridozyklitis) Hornhautdystrophie Trübung der Hornhaut (mögliche Komplikation bei Iridozyklitis) Iridozyklitis Regenbogenhautentzündung, Entzündung der vorderen Augenabschnitte Katarakt Linsentrübung („grauer Star“) Keratopathie Erkrankung der Hornhaut (ähnlicher Begriff wie Hornhautdystophie) Laborbefunde Anämie Blutarmut, erniedrigter Hämoglobinwert Antinukleäre Antikörper (ANA) Immunologischer Befund: gegen den Zellkern (Nukleus) gerichtete Antikörper. im Blutserum nachweisbar bei verschiedenen rheumatischen Erkrankungen, u.a. bei Oligoarthritis, Psoriasisarthritis oder RF-positiver Polyarthritis Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) Maß für Entzündungsreaktionen im Körper, bei Entzündung erhöht (Normwert bis 10 mm in der 1. Std.) C-reaktives Protein (CRP) Eiweißsubstanz, die u.a. bei Entzündungen im Körper ansteigt (Normwert unter 1 mg/dl) Hämaturie Nachweis von Blut im Urin 203 Erklärung wichtiger Fachausdrücke Hämoglobin Roter Blutfarbstoff (Normwert 13-15 g/dl) HLA-B27 Genetisches Merkmal, gehäuft bei Patienten mit Enthesitis assoziierter Arthritis oder Morbus Bechterew nachweisbar Leukopenie zu wenig weiße Blutkörperchen Leukozyten Weiße Blutkörperchen (Normwerte je nach Alter 5-10 000/µl) Leukozytose zu viel weiße Blutkörperchen Proteinurie Eiweißausscheidung im Urin Rheumafaktor (RF) immunologischer Marker, im Blutserum bei RF-positiver Polyarthritis nachweisbar Thrombopenie Erniedrigung der Blutplättchenzahl Thrombozyten Blutplättchen (Normwerte 100-400 000/µl) Thrombozytose Erhöhung der Blutplättchenzahl Transaminasen Leberwerte (Enzyme der Leber, die bei Schädigung von Leberzellen im Blutserum erhöht sind) Uricult Urinkultur zum Nachweis von Bakterienwachstum 22 204 Kapitel 22 Röntgenbefunde und andere bildgebende Verfahren Epiphysenfuge Wachstumsfuge, von der das Knochenwachstum ausgeht Erosion Oberflächliche Schädigung von Knorpel oder Knochen Kernspintomografie Bildgebendes Verfahren, das ohne Röntgenstrahlen (auch: mit Magnetfeldern arbeitet. Fast alle Strukturen im Magnetresonanztomografie) Bereich der Gelenke können mit dieser Methode dargestellt werden. Ossifikation Verknöcherung der im frühen Kindesalter noch knorpelig angelegten Skelettanteile Osteoporose Verminderung der Knochendichte Sklerosierung Zunahme der Knochendichte (oft gelenknah als Zeichen von Umbauvorgängen am entzündeten Gelenk) Sonografie (Ultraschalluntersuchung) Bildgebendes Verfahren, das mit Schallwellen arbeitet. Damit kann man Ergüsse im Gelenk oder in den Sehnenscheiden darstellen Usur Tiefergehender Defekt von Knorpel oder Knochen Medikamentöse Therapie Analgetikum Schmerzmedikament Antiphlogistikum Entzündungshemmendes Medikament Antipyretikum Fiebersenkendes Medikament Basismedikament/ Langzeitantirheumatikum Rheumamedikament mit Langzeitwirkung, das die Entstehung des Rheumaprozesses beeinflusst 205 Erklärung wichtiger Fachausdrücke Immunsuppressivum Rheumamedikament zur Unterdrückung der überschießenden Abwehrreaktion Intraartikuläre Injektion Einspritzung eines Medikaments ins Gelenk (Gluko)Kortikoid/Steroid Kortisonhaltiges Medikament Kortisonstoßtherapie Kurzfristige hochdosierte Kortisontherapie Lokaltherapie Örtliche Behandlung (z.B. Auge, Haut, Schleimhaut) Nichtsteroidales Antirheumatikum Kortisonfreies entzündungshemmendes Medikament (NSAR) mit schmerzlindernder und fiebersenkender Wirkung Orale Therapie Medikamente zum Schlucken (Tabletten, Säfte etc.) Symptomatisches Medikament Medikament zur Behandlung von Symptomen, wie Schmerzen oder Fieber Systemische Therapie Therapieform mit Wirkung auf den gesamten Körper, Verteilung des Medikaments über den Blutkreislauf Operationen 22 Arthrodese Operative Gelenkversteifung Arthroskopie Gelenkspiegelung Endoprothese Gelenksersatz Korrekturosteotomie Operationsverfahren mit Durchtrennung und Umstellung der Knochenachse zum Ausgleich von Fehlstellungen Synovialektomie Entfernung der erkrankten Gelenkinnenhaut 206 Anhang » » » » » » » Literaturhinweise........................................................................ 208 Kontakt – So erreichen Sie uns ............................................... 209 Internetadressen ........................................................................ 210 Anschriften der Deutschen Rheuma-Liga ................................ 211 Stichwortverzeichnis ................................................................. 213 Autorenverzeichnis .................................................................... 222 Unser Freundes- und Förderkreis ‚Hilfe für das rheumakranke Kind e.V.’ .................................... 223 207 » Literaturempfehlungen Physiotherapie in der Kinderrheumatologie Das Garmischer Behandlungskonzept Marianne Spamer/Renate Häfner/ Hans Truckenbrodt 344 Seiten mit 183 Abbildungen - 2001 Richard Pflaum Verlag Der große Ratgeber für Behinderte und Pflegebedürftige Bauer Franz, 6. Auflage, Berlin 2005 Kinderrheuma - Mit Ratgeber zu Krankheit und Klinikaufenthalt Die Erlebnisse von Rheuminchen, Juveninus und Arthritchen Herausgeber: Kinder-Rheumastiftung Rummelsberg 2 90592 Schwarzenbruck (erhältlich in der Klinik) Diät und Rat bei Rheuma und Osteoporose Adam, Olaf Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt, 2002 Mein Kind ist behindert - diese Hilfen gibt es Hinweise auf finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern - von Katja Kruse Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. Brehmstr. 5-7, 40239 Düsseldorf Tel. 0211 - 64 00 4-0 Fax 0211 - 64 00 4 - 20 E-Mail: [email protected] Kostenlose Schriften der Deutschen Rheuma-Liga: • Rheuma bei Kindern - die juvenile idiopathische Arthritis • Rheumatische Iridozyklitis bei Kindern • Eltern helfen Eltern - Eine Information für Eltern rheumakranker Kinder • Das rheumakranke Kind in der Schule - Eine Orientierungshilfe für Lehrer/innen • Jobs und mehr - Ausbildung, Beruf und Erwerbsminderungsrente • Unser Kind hat Rheuma – Ratgeber zur juvenilen idiopathischen Arthritis 208 Anhang » Kontakt - so erreichen Sie uns Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie Gehfeldstraße 24 82467 Garmisch-Partenkirchen Tel.: Fax: E-Mail: Homepage: 08821 - 701-0 08821 - 73916 [email protected] www.rheuma-kinderklinik.de Chefarztsekretariat, Information und Anmeldung Tel.: 08821 - 701-117 Fax: 08821 - 701-201 Sekretariat Verwaltung Tel.: 08821 - 701-112 Ambulanz Tel.: 08821 - 701-103 Sekretariat Klinikschule Tel.: 08821 - 701-158 Physiotherapie Tel.: 08821 - 701-248 Sozialdienst Tel.: 08821 - 701-226 od. 701-247 » Anfahrtsskizze 209 » Internet-Adressen: Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie Rheuma-Kinderklinik Garmisch-Partenkirchen www.rheuma-kinderklinik.de Deutsche Rheuma-Liga www.rheuma-liga.de Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie Informationen für Fachleute und Patienten www.gkjr.de Tipps für den Alltag betroffener Kinder www.rheumakids.de Rheumainformationen im Internet - Forum Kinderrheuma www.rheuma-online.de Mailingliste für Eltern rheumakranker Kinder und Jugendlicher Beschreibung: http://de.groups.yahoo.com/ group/kinderrheuma Deutsche Uveitis Arbeitsgemeinschaft - DUAG e.V. www.duag.org Verein zur Unterstützung rheumatologisch erkrankter Kinder und deren Familien e.V. Sendenhorst www.kinderrheuma.com 210 Eltern betroffener Kinder in Hamburg www.kinderrheuma.de Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) Bayern Projekt - Chronisch kranke Kinder in der Schule - Informationen für Lehrer www.gesundheit-und-schule.info/ Schwerbehindertenantrag www.schwerbehindertenantrag.bayern.de Arbeitsagentur www.arbeitsagentur.de Sozialministerium www.sozialministerium.bayern.de Sozialfibel www.sozialministerium.bayern.de/ fibel/index.htm Schulberatung www.schule.bayern.de Bundesarbeitsgemeinschaft unterstütze Beschäftigung / Integrationsfachdienst www.bag-ub.de Bundesmisterium für Gesundheit www.bmgs.bund.de/deu/gra/ publikationen/p 5.cfm Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerks www.studentenwerke.de/behinderung Anhang » Anschriften der Deutschen Rheuma-Liga Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V. Maximilianstr. 14, 53111 Bonn Tel. 02 28-7 66 06-0, FAX 02 28-7 66 06-20, Info-Telefon: 02 28-7 66 70 80 [email protected], www.rheuma-liga.de Deutsche Rheuma-Liga Nordrhein-Westfalen e. V. Deutsche Rheuma-Liga Berlin e. V. ZIRP - Zentrum für Integration, Rehabilitation und Prävention Schützenstr. 52, 12165 Berlin Tel. 0 30-8 05 40 16, FAX 0 30-8 05 62 93 [email protected]; www.rheuma-liga-berlin.de Deutsche Rheuma-Liga III. Hagen 37, 45127 Essen Tel. 02 01-82 79 70, FAX 02 01-8 27 97-27 [email protected]; www.rheuma-liga-nrw.de Landesverband Sachsen-Anhalt e. V. Wolfgang-Borchert-Str. 75-77, 06126 Halle Tel. und FAX 03 45-6 95 15 15 [email protected] Deutsche Rheuma-Liga Landesverband Rheinland-Pfalz e.V. Deutsche Rheuma-Liga Landesverband Brandenburg e.V. Schloßstr. 1, 55543 Bad Kreuznach Tel. 06 71-83 40-44, FAX 06 71-83 40-4 60 [email protected]; www.rheuma-liga-rp.de Friedrich-Ludwig-Jahn-Str. 19, 03044 Cottbus Tel. 03 55-7 80 97 91 51 od. -52 FAX 03 55-7 80 97 91 90 [email protected]; www.rheuma-liga-brandenburg.de Rheuma-Liga Baden-Württemberg e. V. Kaiserstr. 18, 76646 Bruchsal Tel. 0 72 51-91 62-0, FAX 0 72 51-91 62-62 [email protected]; www.rheuma-liga-bw.de Deutsche Rheuma-Liga Saar e. V. Schmollerstr. 2 b, 66111 Saarbrücken Tel. 06 81-3 32 71, FAX 06 81-3 32 84 [email protected]; www.rheuma-liga-saar.de Deutsche Rheuma-Liga Landesverband Bayern e. V. Fürstenrieder Str. 90, 80686 München Tel. 0 89-54 61 48 90, FAX 0 89-54 61 48 95 [email protected] www. rheuma-liga-bayern.de Deutsche Rheuma-Liga SchleswigHolstein e. V. Holstenstr. 88-90, 24103 Kiel Tel. 04 31-5 35 49-0, FAX 04 31-5 35 49-10 [email protected]; www.rlsh.de Deutsche Rheuma-Liga Landesverband Bremen e. V. Im Hause der AOK Bremen, Am Wall 102, 28195 Bremen Tel. 04 21-1 76 14 29, FAX 04 21-1 76 15 87 [email protected]; www. rheuma-liga.de/hb Rheuma-Liga Sachsen e. V. Deutsche Rheuma-Liga Landesverband Thüringen e. V. Willmar-Schwabe-Str.2-4, 04109 Leipzig Tel. 03 41-1 21 14 19 50, 03 41-1 21 14 19 51 FAX: 03 41-1 21 14 19 59 [email protected] Weißen 1, 07407 Uhlstädt-Kirchhasel Tel. 03 67 42/6 73-61 oder -62, FAX 03 67 42/6 73-63 [email protected]; www.rheumaliga-thueringen.de 211 Deutsche Rheuma-Liga Landesverband Hamburg e. V. Friedrichsberger Str. 60, Haus 21, 22081 Hamburg Tel. 0 40-2 00 51 70, FAX 0 40-2 00 50 10 [email protected]; www.rheuma-liga-hamburg.de Arbeitskreis Lupus Erythematodes Ansprechpartner für Fibromyalgiebetroffene Arbeitskreis Vaskulitis, Osteoporosegruppen Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e. V. Elternkreise rheumakranker Kinder und Jugendlicher Metzgergasse 16, 97421 Schweinfurt Tel. 0 97 21-2 20 33, FAX 0 97 21-2 29 55 [email protected]; www.bechterew.de Clubs Junger Rheumatiker Rheuma-Liga Hessen e. V. Auskünfte: beim Bundesverband und den Landesverbänden Elektronstr. 12 a, 65933 Frankfurt/M. Tel. 0 69-35 74 14, FAX 0 69-35 35 35 23 [email protected]; www.hessen.rheuma-liga.de Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft e. V. Elternkreis Kontaktstellen: Döppersberg 20, 42103 Wuppertal Tel. 02 02-4 96 87 97, FAX 02 02-4 96 87 98 [email protected]; www.lupus.rheumanet.org Christel Becker c/o Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie Gehfeldsstraße 24 82467 Garmisch-Partenkirchen Freitag von 9.00 bis 12.00 Uhr Telefon 08821 - 701 226 E-Mail: [email protected] Deutsche Rheuma-Liga Mecklenburg-Vorpommern e.V. „Gemeinsames Haus“ Rostock, Henrik-Ibsen-Str. 20, 18106 Rostock Tel. 03 81-7 69 68 07, FAX 03 81-7 69 68 08 [email protected]; www.rheuma-liga-mv.de Sklerodermie Selbsthilfe e.V. Am Wollhaus 2, 74072 Heilbronn Tel. 0 71 31-3 90 24 25, FAX 0 71 31-3 90 24 26 [email protected]; www.sklerodermie-sh.de Rheuma-Liga Niedersachsen e. V. Lützowstr. 5, 30159 Hannover Tel. 05 11-1 33 74, FAX 05 11-1 59 84 [email protected]; www.rheuma-liga-nds.de 212 Claudia Grave, Bundeselternsprecherin c/o Kinderabteilung der Rheumaklinik Bad Bramstedt Oskar-Alexander-Straße 26 24576 Bad Bramstedt Dienstag von 15.00 bis 18.00 Uhr Telefon: 04192- 90 22 19 E-Mail: [email protected] Anhang Acetylsalicylsäure 34, 52 Adalimumab 44, 45, 46, 125 Akupunktur 53, 56 Amyloid 21, 202 Amyloidose 7, 20, 21, 41, 202 Analgetikum 205 Anämie 203 Antinukleäre Antikörper 13, 14, 20 Antinukleäre Antikörper (ANA) 203 Antiphlogistikum 205 Antipyretikum 205 Antirheumatikum, nichtsteroidales 206 AravaR 32, 38, 40, 43 Arrhythmie 202 Arthritis 1, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 20, 21, 22, 24, 25, 28, 30, 31, 32, 35, 38, 39, 46, 53, 54, 56, 64, 71, 72, 74, 76, 86, 88, 94, 95, 96, 102, 114, 128, 129, 130, 132, 133, 135, 139, 140, 142, 172, 200, 204, 208 Arthrodese 206 Arthroskopie 206 AspirinR 34, 36, 37 Azathioprin 38, 40, 42 AzulfidineR 39 Basismedikament 205 Behindertenausweis 3, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 186 Belastungsgrenze 169 berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen 161, 163 213 Stichwortverzeichnis Bewegungsbad 85, 99, 100 Biologika 31, 33, 44, 45, 46, 48, 114, 115, 116, 125 Blutsenkungsgeschwindigkeit 25, 203 Bursitis 200 Bursitis subachillea 200 C-reaktives Protein 203 CellceptR 38, 40, 43 Chloroquin 38, 39, 40, 125 Ciclosporin A 38, 40, 42, 43 Cortison 31, 33, 46, 47, 48, 49, 50, 53, 116 Diclofenac 32, 34 Eingliederungshilfe 180, 189, 191, 192 Elektrotherapie 85, 90, 91, 93, 94 Elternkreise 3, 135, 138, 142, 195, 196, 198, 212, 222 EnbrelR 44, 45, 116, 125 Endoprothese 61, 206 Enthesitis / Enthesopathie 200 Epiphysenfuge 205 Erguss 10, 200, 201 Ernährung 2, 54, 119, 120, 121, 122, 139, 179, 191 Erosion 205 Erwachsenenhandskoliose 200 Etanercept 44, 45, 46, 116, 125 Exanthem 202 Extension 200 Fischöle 121 214 Anhang Flexion 200 Flexotenosynovitis 200 Gelenkeinspritzung 50 Gelenkersatz 61 Glaukom 19, 203 Hallux valgus 200 Hämaturie 203 Hämoglobin 25, 204 Handskoliose 200 Haushaltshilfe 169, 187 Hepatomegalie 202 HLA-B27 16, 17, 25, 33, 39, 94, 204 Homöopathie 53 Hornhautdystrophie 203 HumiraR 44, 46, 125 Hydrotherapie 85, 100 Iliosakralgelenk 200 Immunsuppressivum 206 ImurekR 38, 40, 42, 43 Indometazin 34, 35, 36 Infliximab 44, 45, 46 Intraartikuläre Injektion 206 Iridozyklitis 13, 14, 15, 16, 18, 19, 20, 40, 48, 49, 50, 203, 208 junge Rheumatiker 133, 195, 197, 198 Karditis 202 Katarakt 203 215 Stichwortverzeichnis Keratopathie 203 Kindliche Handskoliose 200 Korrekturosteotomie 60, 206 Kortisonstoßtherapie 206 Krankenkasse 3, 167, 168, 169, 170, 184, 186 Langzeitantirheumatikum 205 LederlonR 48, 50 Leflunomid 32, 38, 40, 43 Leukopenie 204 Leukozyten 204 Leukozytose 204 Lokaltherapie 206 Magnetresonanztomografie (MRT) 26, 205 Makulaödem 48, 49 Massage 85, 86, 87, 88, 89, 90, 100 Merkzeichen 171, 173, 174, 175, 176, 186, 187, 188 Methotrexat 38, 40, 42, 43, 44, 49, 52, 124 Monarthritis 200 Mycophenolat 38 Mycophenolatmofetil 40, 43 Myokarditis 202 Nachteilsausgleich 172 Naproxen 34, 35, 37 nichtsteroidales Antirheumatikum 36 Oligoarthritis 12, 13, 14, 20, 25, 38, 94, 200, 203 Ossifikation 205 Osteoporose 47, 205, 208 216 Anhang Patientenschulung 131, 141 Perikarderguss 202 Perikarditis 202 Peritonitis 202 Pflanzliche Medikamente 29, 52, 53 Pflegetagebuch 177, 181 Pflegeversicherung 3, 177, 178, 179, 180, 182, 184, 193 Phytotherapeutika 52 Pleuritis 202 Polyarthritis 13, 14, 20, 25, 27, 40, 44, 45, 200, 203, 204 Prednison 49 Proteinurie 204 ProxenR 34, 35, 36, 37 QuensylR 38, 125 Radialdeviation 201 RemicadeR 44, 46 ResochinR 38, 125 Rheuma-Liga 3, 133, 135, 141, 142, 181, 184, 195, 196, 197, 198, 207, 208, 210, 211, 212, 222 Rheumafaktor (RF) 13, 14, 20, 25, 40, 204 Rheumafoon 195, 197 Rotation 201 Sakroiliitis 16, 201 SandimmunR 38, 40, 42 Schule 2, 78, 155, 156, 157, 158, 160, 176, 196, 208, 210 Sehnenruptur 201 217 Stichwortverzeichnis Selen 122 Serositis 202 Sklerosierung 205 Sonografie 26, 205 Sozialhilfe 3, 180, 189, 190, 191, 192, 193 Splenomegalie 202 Star, grauer 47, 50, 203 Star, grüner 47, 50, 203 Steroid 206 Steuer 3, 185, 186, 188 Steuerfreibeträge 174, 185, 186, 188 Studentenwerke 159, 160, 210 Studium 2, 155, 156, 158, 159, 160, 176, 197, 210 Subluxation 201 Sulfasalazin 38, 39, 40 Synechie, hintere 18, 19, 203 Synovialektomie 58, 60, 206 Synovialis 201 Synovialitis,Synovitis 201 Synovialzyste 201 Synovialzysten 10 Tachykardie 202 Tenosynovialektomie 59 Tenosynovitis 10, 94, 201 Therapie, orale 206 Therapie, systemische 206 218 Anhang Thermotherapie 85, 95 Thrombopenie 204 Thrombozyten 35, 36, 49, 204 Thrombozytose 204 Transaminasen 204 Triamcinolon-Hexacetonid 50 Ulnardeviation 201 UrbasonR 49 Uricult 204 Usur 205 Uveitis 18, 210 Valgusstellung 201 Vitamin E 121, 122 VoltarenR 32, 34 Wachstumsschmerzen 8, 134 Zuzahlungen 167, 169, 170 219 » Hilfe für das rheumakranke Kind e.V. Freundes- und Förderkreis der Rheuma-Kinderklinik Garmisch-Partenkirchen Hilfswerk der Lions Clubs International 111 BS Wer sind wir? Was tun wir? Wie helfen wir? Der Verein „Hilfe für das rheumakranke Kind e.V.“ wurde 1966 von Hans Werner v. Bülow gegründet, um die Spendenaktionen der deutschen Lionsclubs zu Gunsten eines erweiterten Neubaus der Rheuma-Kinderklinik in Garmisch-Partenkirchen zu koordinieren und abzuwickeln. Dieser ursprüngliche Vereinszweck war 1971 mit der Einweihung erfolgreich erfüllt. Seitdem widmet sich der Verein engagiert der Förderung der Rheuma-Kinderklinik. Er unterstützt das „Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie“ zielgerichtet bei • der wissenschaftlichen Erforschung der Ursachen von Rheumaerkrankungen und der systematischen Weiterentwicklung der Behandlungsmethoden sowie bei • der Förderung der Heilbehandlung und sozialen Betreuung von an Rheuma erkrankten Kindern Wir betreiben bewusst Mittelansammlung, um • kurzfristig und unbürokratisch finanziell einspringen zu können, wo es drängt • aber auch, um langfristig angelegte Projekte gesichert übernehmen zu können. Wir halten stets enge Verbindung zur Kinderklinik und wissen so, wo es gerade „brennt“. Gemeinsam beraten wir zudem regelmäßig, wie die Spendenmittel strategisch so wirksam wie nur möglich eingesetzt werden können. Was leisten wir? • Wir • • 220 finanzieren Personalkosten bei Angeboten wie Musik-, Tanz- oder Hippotherapie, die die Kostenträger nicht übernehmen. Wir finanzieren die Anschaffung und den Unterhalt von für die Behandlung und die Forschung wichtigen Geräten. Wir übernehmen, soweit möglich, bauliche Verbesserungen. Anhang • Wir • unterstützen Rheuma-Symposien, -Kongresse und entsprechende Publikationen. Wir übernehmen die Kosten für orthopädische Hilfsmittel, Medikamente und Unterbringung begleitender Eltern, ganz oder teilweise, wenn keine anderen Kostenträger gefunden werden können. Was ist unser großes Plus? • Wir • • arbeiten planerisch aber helfen auch schnell und unbürokratisch. Ein Anruf genügt, wenn es eilt. Wir sind flexibel und an keine starren Budgets gebunden. Wir können Aufgaben übernehmen, die therapeutisch wertvoll, aber durch die Regelleistungen der Kassen und der Kostenträger nicht finanzierbar sind. Unsere Aufwendungen führen nicht zu Leistungskürzungen der Kostenträger. • Wir arbeiten effizient. Alle Aufgaben werden ehrenamtlich erledigt. Unser Verwaltungsaufwand liegt bei Null. • Wir unterstützen ausschließlich das „Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie“ in GarmischPartenkirchen und seine Patienten und deren Familien. Hierfür gespendete Beträge werden kontrolliert und ausschließlich im Sinne unserer Satzung verwendet. • In der Satzung von „Hilfe für das rheumakranke Kind e.V.“ ist verankert, dass die Vorstandschaft vor Ort ansässig sein muss. Dies garantiert unsere Reaktionsschnelligkeit. • Unser Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Spenden an ihn sind steuerlich begünstigt. Spendenbescheinigungen werden gerne ausgestellt. Wenn Sie regelmäßig über Verein und Klinik informiert werden wollen, teilen Sie uns dies bitte mit. Wie erreichen Sie uns? Vorsitzender: Gerd Rößler Rehbergstr. 4 Sekretär: Georg Neuner Mühlfeldstr. 9 Schatzmeister: Hans Keck Tiefkarstr. 15b Tel. 0 88 23 - 9 30 56 82481 Mittenwald [email protected] Tel. 08823 - 3001 82481 Mittenwald [email protected] Tel. 0 88 23 - 8059 82481 Mittenwald [email protected] Unser Spendenkonto: HILFE RHEUMAKIND E.V. KONTO 31 500 BLZ 70350000 KREISSPARKASSE GA.-PA. 221 » Autorenverzeichnis Arbogast, Martin Dr.med. Chefarzt der Abteilung Rheumaorthopädie und Handchirurgie Rheuma-Klinik Oberammergau Hubertusstr. 40 Sekretariat: 08822 - 914311 Bartmann, Anja ehem. Stationsleiterin Kinderkrankenschwester Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie (DZKJR) Gehfeldstr. 24 82467 Garmisch-Partenkirchen Becker, Christel Deutsche Rheuma-Liga Kontaktstelle der Elternkreise Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie Garmisch-Partenkirchen Breun, Simone Dipl. Sozpäd. (FH) Händel, Hans-Jörg Masseur, medizin. Bademeister Fauser, Bernhard Diakon, Dipl. Sozpäd (FH) Fischer, Carina Ergotherapeutin Häfner, Renate Dr.med. Kerbs, Thorsten Dipl.-Psych. Michels, Hartmut Dr. med. Miller, Verena Dr. med. Rummel-Siebert, Martin Diakon, Dipl. Sozpäd.(FH) Spamer, Marianne Physiotherapeutin Truckenbrodt, Hans Prof. Dr.med Übler, Ingrid Kinderkrankenschwester Weigert, Christine Ergotherapeutin Mitarbeiterin des Sozialdienstes (DZKJR) 222 Mitarbeiter der Abteilung Physiotherapie (DZKJR) ehem. Leiter des Sozialdienstes (DZKJR) ehem. Mitarbeiterin der Ergotherapie (DZKJR) Oberärztin (DZKJR) Klinischer Psychologe (DZKJR) Chefarzt (DZKJR) Assistenzärztin (DZKJR) Leiter des Sozialdienstes (DZKJR) Leiterin der Abteilung Physiotherapie (DZKJR) ehem. Chefarzt (DZKJR) Stationsleiterin (DZKJR) Mitarbeiterin der Abteilung Ergotherapie (DZKJR) Notizen 223 Impressum: Das Werk ist einschließlich seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung der Texte und Bilder – auch auszugsweise – ist ohne Zustimmung des Deutschen Zentrums für Kinder- und Jugendrheumatologie, Garmisch-Partenkirchen unzulässig, urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Broschüre (im Originaltext steht hier „Werk”) berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu den Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jederman benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. 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