Predigt vom 29.12.2013

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Predigt vom 29.12.2013
Jesaja 49,13-16 Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit
Jauchzen! Denn der HERR hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden.
Zion aber sprach: Der HERR hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen.
Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den
Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor
mir.
Außer dem Gesicht sind unsere Hände wohl das Persönlichste, das Ausdrucksvollste an unserem Körper.
An Händen können wir ablesen, wie ein Mensch lebt und was er arbeitet. An den
Händen kann man das Lebensalter ablesen.
Sehr persönlich sind unsere Hände und unverwechselbar.
Ich erinnere mich gut an meine erste Predigt im Vikariat. Ich musste hinterher
Abendmahl austeilen. Als ich die Hände sah, die sich nach der Oblate ausstreckten, wusste ich, dass ich für die Menschen mit diesen Händen keine Predigt gehalten hatte.
Was verraten uns Gottes Hände?
Und wie können wir überhaupt von Händen Gottes sprechen? Was heißt das,
wenn Gott seinem Volk im Babylonischen Exil ausrichten lässt: In meine Hände
habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir.
In diesem Satz begegnet uns Gott auf dreierlei Weise:
1. Gott als Liebhaber
Er begegnet uns als Liebhaber. Seit der Antike kommt es vor, dass sich ein verliebter junger Mann den Namen seines Mädchens oder wenigstens ihr Monogramm in die Hand tätowieren ließ. Den ganzen Tag über, bei jeder Beschäftigung schaute er immer wieder auf seine Hand. Da stand sie ja, die Mirjam, die
Hanna, die Elisabeth.
Und da schlägt sein Herz schneller und höher. Da sieht er sie gleich vor sich und
Freude überflutet ihn. Das nimmt Gott jetzt auf: „In meine Hände habe ich dich
gezeichnet.” Stell dir vor: Dein Name in Gottes Hand gezeichnet, in die Hand
eines Liebenden. Und mit deinem Namen stehst du selbst Gott vor Augen. Und
ob wir das jetzt glauben können, oder nicht: Beim Blick auf unseren Namen erfüllt ihn Freude.
Ich könnte eher verstehen, wenn es hieße, dass Gott ein enttäuschtes, trauriges, ja
zorniges Gesicht macht, wenn er an mich denkt. Das hätte ich verdient. Aber ein
strahlendes Lächeln, wie bei einem Liebhaber?
„In die Hände habe ich dich gezeichnet.” Das darf sich jeder von uns ganz persönlich sagen lassen:
Da hat ein Alkoholiker einen Rückfall erlebt und liegt nun am Boden, verzweifelt: Ich habe mein Gelübde gebrochen, ich schäme mich vor mir selbst. Mich
kann niemand mehr achten.
Oder jemand ist krank und fragt verzweifelt: Hat Gott mich vergessen, hat er sich
von mir zurückgezogen?
Oder einer kommt jeden Sonntag zum Gottesdienst und schleppt immer den
Zweifel mit sich herum: Gehöre ich eigentlich dazu, darf ich das für mich persönlich in Anspruch nehmen?
Können Sie es hören? Gott spricht: „In die Hände habe ich deinen Namen geschrieben, du bist mein!” Das kannst du glauben!
Darum vertrau dich ihm an, der dich so liebt. Schenk ihm dein Vertrauen. Mach
dein Leben an ihm fest. Für Gott ist Liebe zu dir nicht nur ein blindes Aufschäumen von Hormonen, kein Augenblicksgefühl, sondern dauerhaftes Interesse an
dir.
Aber Gott ist nicht nur Liebhaber, er ist auch ein Märtyrer.
2. Gott als Märtyrer
In meine Hände habe ich dich gezeichnet.
Vielleicht hatten manche von uns gleich die Hände Jesu vor Augen. Und nun
müssen wir uns Jesus am Kreuz vorstellen: Wie die Henkersknechte Nägel durch
seine Handflächen treiben. „Ich, ich und meine Sünden..., heißt es im Choral, ...
die haben dir erreget, das Elend, das dich schläget.” Es ging um mich, als Jesus
seine Hände durchschlagen wurden.
Und dann steht der Auferstandene vor uns. Er hält uns seine Handflächen entgegen, - seltsam: Sogar in den Auferweckungsleib hinein hat er die Wundmale mitgenommen. Er zeigt sie seinen Jüngern: „In meine Hände habe ich euch gezeichnet.”
Warum behält Jesus die Nägelmale an seinem verwandelten Leib? Etwa als
Merkzettel, damit er nur ja nicht vergisst, was wir ihm getan haben? Nein, diese
Narben in den Händen Jesu sind Narben der Vergebung.
Da fängt das Leben an. In seine Hände ist dein Name eingeschlagen, ist untrennbar verwachsen mit ihm. Nun gilt was Paulus schreibt: „Niemand soll dich aus
seiner Hand reißen.”
Die Wunden, die das Kreuz geschlagen hat, da siehst du die Handschrift der Liebe Gottes: In seine Hände hat er dich gezeichnet. Und dann kannst du mit Simeon
ausrufen: Meine Augen haben deinen Heiland gesehen!
Als Märtyrer steht Jesus vor uns. Märtyrer heißt ja wörtlich Zeuge. Und Zeuge
meint etwas Juristisches. Das heißt: Wenn Jesus seine Hände vor uns hält, dann
ist das ein Siegel, eine Garantie, dann ist es bezeugt und signiert: „Ich lasse dich
nicht los.”
Und auf noch eine dritte Art begegnet uns Gott: in der Rolle eines Architekten.
3. Gott als Architekt
Der Satz in Jesaja hat nämlich noch eine Fortsetzung: „..., deine Mauern stehen
immer vor mir.”
Die Stadt Jerusalem war dem Erdboden gleichgemacht, der Tempel verbrannt,
die Bevölkerung deportiert. In diese Situation hinein sagt Gott: „...deine Mauern
stehen immer vor mir.” Das heißt, Gott sieht nicht Trümmer. Er sieht das neue
Jerusalem, die vollendete Gottesstadt.
Gott hat keine Mühe, aus Ruinen etwas zu machen.
Mancher von uns kann vielleicht bezeugen: Das ist die Geschichte meines Lebens! Eine Ruine war auch ich, aber aus den Trümmern hat Gott etwas gemacht.
Das ist der Stil des Schöpfers und Heilands: Trümmer sind sein bevorzugtes
Baumaterial: „... deine Mauern stehen vor mir”, das bedeutet: Gott sieht mich
nicht mit meinem Murks. Gott sieht nicht den Menschen, der immer zurückbleibt
hinter den Zielen.
Das ist ja manchmal unsere Angst, ob wir durchhalten? Wir machen so viel
falsch. Da kommt immerzu in uns hoch, das nichts mit Glaube, Liebe, Hoffnung
zu tun hat. Werden wir durchhalten bis zum Ziel?
Doch Gott schaut uns schon von dem Ziel her an, das er in seiner Liebe mit uns
erreicht. Da bleibt kein Bruchstück.
Er ist der große Architekt. Das gilt nicht nur für den einzelnen, sondern auch für
die Gemeinde und die Welt.
Wir leben in unserem wohlorganisierten reichen kleinen Land – und ahnen vor
dem Jahreswechsel doch, dass wir Probleme vor uns herschieben, die wir nicht
lösen. Die Schulden, die demographischen Probleme bei uns und die Überbevölkerung der Welt, Klimaentwicklung und knappe Ressourcen – aber wir kennen
auch den großen Neumacher, den Architekten, der eine neue Welt baut. Er
spricht: Siehe, ich mache alles neu.
Blicken wir noch auf unsere Hände: Was steht in unseren Händen? Halten unsere
Hände, was nicht hält? Zählen wir, was nicht zählt? Lieben wir, was nicht bleibt?
Ich möchte Sie einladen, sich den Händen des Heilands anzuvertrauen. Legen Sie
Ihre Hand in seine Hände! In die Hand des Liebhabers, in die Hand des Märtyrers, der uns bezeugt: Dein Name ist mit meinem für immer verwachsen. In die
Hand des Architekten, der großartige Pläne mit uns hat. Amen!