Werke der Barmherzigkeit damals und heute
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Werke der Barmherzigkeit damals und heute
März 2016, Nummer 92 Werke der Barmherzigkeit damals und heute Elisabeth von Thüringen, die junge Landesfürstin fasziniert, da sie sowohl spontan, als auch überlegt handeln konnte. Sie hat sich einzelner Menschen, die ganz unten waren, erbarmt, hat ihnen gedient, sie gepflegt und getröstet. Und gleichzeitig hat sie von oben, als Landesherrin vom Thron aus vielen Menschen geholfen. Barmherzig hat sie Gerechtigkeit geschaffen. Sie konnte schnell „Soforthilfe“ organisieren, langfristig nach „fairem Handel“ verlangen, „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben und sich dabei sozial engagieren. Was wir heute mit diesen modernen Vokabeln ausdrücken, war für Elisabeth nur eines: Barmherzigkeit. Gerecht handeln im und aus dem Glauben. Das christliche Handeln nimmt die Probleme der Zeit und der Menschen wahr. Elisabeth gründet ihr Verhalten auf die >Werke der Barmherzigkeit< aus der Szene vom Weltgericht, wo es heißt: >Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig, … ich war fremd und ohne Kleidung, … krank und im Gefängnis, … und ihr habt euch um mich angenommen - denn, was ihr meinen geringsten Brüdern und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan< (vgl. Mt 25,35 ff). Dieser Text hat von Anfang an die Christen bewegt. Er wurde als die Zusammenfassung des ganzen Evangeliums gesehen. Jesus beurteilt unser Christsein an unserem Verhalten gegenüber dem Nächsten. Papst Franziskus hat zum Jahr der Barmherzigkeit eine Verkündigungsbulle >Misericordiae vultus< (MV) veröffentlicht. Darin lädt er uns ein: „Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass die Christen während des Jubiläums über die leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit nachdenken. Das wird eine Form sein, unser Gewissen, das gegenüber dem Drama der Armut oft eingeschlafen ist, wachzurütteln und immer mehr in die Herzmitte des Evangeliums vorzustoßen, in dem die Armen die Bevorzugten der göttlichen Barmherzigkeit sind. Die Verkündigung Jesu nennt uns diese Werke der Barmherzigkeit, damit wir prüfen können, ob wir als seine Jünger leben oder eben nicht. Entdecken wir erneut die leiblichen Werke der Barmherzigkeit.“ (MV 15) Die leiblichen Werke der Barmherzigkeit können wir aus Mt 25,35ff herauslesen: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Fremde aufnehmen, Nackte kleiden, Kranke und Gefangene besuchen. Schon die frühe Kirche hat die sechs Werke der Barmherzigkeit um das siebte Werk, die Bestattung der Toten, erweitert. Seit gut 10 Jahren kam eine Wiederbelebung. Bischof Joachim Wanke aus dem Bistum Erfurt hat anlässlich des 800. Geburtstags der hl. Elisabeth von Thüringen (20062007) Theologen und Personen des öffentlichen Lebens eingeladen, über die Werke der Barmherzigkeit nachzudenken und sie in unsere Zeit zu übersetzen. Auch eine Befragung gab es, was unterschiedlichste Menschen heute unter Barmherzigkeit verstehen. Ihre Antworten sind dann eingeflossen in eine Neuformulierung der 7 Werke der Barmherzigkeit: Sie heißen: Einem Menschen sagen: >Du gehörst dazu<. Ich höre dir zu. Ich rede gut über dich. Ich gehe ein Stück mit dir. Ich teile mit dir. Ich besuche dich. Ich bete für dich. Wie kommen diese „Werke der Barmherzigkeit“ bei mir/ bei uns an? Bei der Barmherzigkeit geht es für uns Christen um das offene, aufmerksame und empfindsame Herz für den Anruf Gottes, der in der Begegnung mit der Not anderer an uns ergeht. Speziell die Hinwendung zu den Armen ist unser Lebensauftrag als Christen, denn die Armen sind die Bevorzugten der göttlichen Barmherzigkeit, ja die besonderen Lieblinge Gottes. Das bedeutet eine immer neue bzw. eigentlich andauernde Herausforderung. Es kann uns so manches Mal auch überfordern, weil der Handlungsbedarf groß ist in unserer Umgebung und darüber hinaus. Mit Papst Franziskus möchte ich abrunden aus der bereits erwähnten Verkündigungsbulle: In einem jeden dieser „Geringsten“ ist Christus gegenwärtig. Sein Fleisch wird erneut sichtbar in jedem gemarterten, verwundeten, gepeitschten, unterernährten, zur Flucht gezwungenen Leib …, damit wir Ihn erkennen, Ihn berühren, Ihm sorgsam beistehen. Vergessen wir nicht die Worte des heiligen Johannes von Kreuz: „Am Abend unseres Lebens werden wir nach der Liebe gerichtet werden.“ (MV 15, 3. Absatz) Ich wünsche, dass wir fest in Gott verwurzelt, uns immer neu überraschen und anfragen lassen - und bereit sind zum tatkräftigen Einsatz nach unseren jeweiligen Möglichkeiten. >Denn - so hat es P. Franz Hauser am Elisabethtag 2015 im Mutterhaus formuliert: - das, was am Ende bleibt, ist die Kraft der Liebe<. In diesem Sinn ein hoffnungsfrohes und einsatzfreudiges Unterwegssein in der Fastenzeit, in der Kar- und Osterwoche! Sr. Stefana Zur persönlichen Vertiefung: Wann habe ich in meinem Leben die Barmherzigkeit Gottes ganz persönlich erfahren? Wann habe ich in meinem Leben die Barmherzigkeit von Menschen in besonderer Weise erfahren? Wann habe ich sie schenken können? Bin ich mir selber gegenüber immer wieder barmherzig? Wie heißt mein Werk der Barmherzigkeit? Wenn ich mir die Werke der Barmherzigkeit durchsehe – welches betrifft und berührt mich im Herzen? Wo bin ich gefragt zum Handeln? Wo und wer sind die Armen und Geringsten in meiner unmittelbaren Umgebung? Literaturhinweise: >Misericordiae vultus< Verkündigungsbulle von Papst Franziskus zum Außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit, 11. April 2015, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 200 >Damit die Welt verwandelt wird<, Die sieben Werke der Barmherzigkeit, Anselm Grün, Mosaik bei Goldmann 2011, ISBN 978-3-442-17203-0 // Teile aus der Einleitung >Mehr als Brot und Rosen<, Elisabeth von Thüringen heute, Joachim Wanke, Christoph Kähler u.a., Herder 2007, ISBN 978-3-451-29354-2 // Teile aus dem 1. + 2. Kapitel >Barmherzigkeit<, Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens, Walter Kardinal Kasper, Herder 2014, ISBN 978-3-451-30642-6