Interview Professor Reichart_Fü

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Interview Professor Reichart_Fü
Das Herz ist ein Wunder der Natur
Interview mit Professor Dr. Bruno Reichart anlässlich des 40. Jahrestages der
ersten Herztransplantation. Professor Reichart ist Direktor der
Herzchirurgischen Klinik im Klinikum Großhadern.
München/Frankfurt am Main, Januar 2008. Vor 40 Jahren führte der südafrikanische
Chirurg Christiaan Barnard die weltweit erste Herztransplantation im Groote Schuur
Hospital in Kapstadt durch. Bruno Reichart war von 1984 bis 1990 als Nachfolger
von Barnard Chef der Herz- und Thoraxchirurgischen Klinik der Universität Kapstadt
und operierte im Groote Schuur Hospital.
Professor Reichart, wer in Deutschland könnte authentischer als Sie über die
Entwicklung der Herztransplantation berichten. Könnten Sie Ihre persönlichen
Erfahrungen in Südafrika schildern?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
1984 habe ich die direkte Nachfolge von Christiaan Barnard in Kapstadt angetreten
und zum Teil mit seinem Team weiter gearbeitet. Da waren z. B. der erste Assistent
und der Anästhesist, die mit Barnard die weltweit erste Herztransplantation
vorgenommen hatten. Die Herz-Lungenmaschine der ersten Herztransplantation
habe ich dann später jahrelang noch eingesetzt, obwohl das Barnard-Museum in
Beaufort West sie liebend gerne in seinen Fundus übernommen hätte. Natürlich
habe ich auch viele seiner Patienten kennen gelernt und betreut. Darunter einen
etwa 60-jährigen Südafrikaner, der 1968 transplantiert wurde und letztendlich über
20 Jahre mit seinem neuen Herzen lebte. Barnard hatte ein sehr gutes
Transplantationsprogramm mit Einjahresüberlebensraten von 60 Prozent entwickelt.
In den Jahren nach 1967/68 gab es übrigens nur drei Kliniken, in denen regelmäßig
Herztrans- plantationen vorgenommen wurden, das waren Stanford, Paris und eben
Kapstadt. Dazu muss man wissen, die erste Herztransplantation 1967 fiel in eine
Enklave aus Apartheid, Diktatur und religiösem Fanatismus. Es durften nur „weiße“
Herzen transplantiert werden und es gab natürlich viel zu wenige weiße Spender.
Schwarze Afrikaner durften und wollten nicht spenden. Dem Herzen kam innerhalb
der afrikanischen Stammesreligion eine herausragende Bedeutung zu: Wollte man
einen Feind entehren, schnitt man ihm nach dessen Tod sein Herz heraus. Jahre
später hatte ich eine Unterredung mit einem maßgeblichen Stammeshäuptling, der
die Abschaffung der Apartheid forderte und sich im Gegenzug für die Organspende
einzusetzen versprach. Es war jedoch damals schon schwer genug, durchzusetzen,
dass schwarze Schwestern weiße Patienten behandeln durften.
Professor Reichart, war Prof. Barnard irgendwann so etwas wie ein Vorbild für Sie?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Ich habe große Achtung vor seinen medizinischen Leistungen, aber er war für mich
kein Vorbild im üblichen Sinne. Ich bin Barnard nur selten persönlich begegnet. Aber
nach allem, was ich weiß, ist er ein eher problematischer Mensch gewesen. Es
wurde ihm ja auch immer vorgeworfen, dem amerikanischen Chirurgen Norman
Shumway - zuerst noch in Minneapolis, dann später in Stanford - seinen Erfolg
weggenommen zu haben. Barnard war in jener Zeit tatsächlich in Minnesota, um die
Nierentransplantation zu erlernen und bekam dabei auch Einblick in die Techniken
der Herztransplantation. Zurück in Kapstadt hatte er zunächst seine erste und
einzige Nierentransplantation durchgeführt. Zwei Monate später unternahm er dann
die berühmte erste Herztransplantation. Shumway war kurz davor gewesen, selbst
erfolgreich zu sein; Barnard hatte seine Methoden und die jahrzehntelangen
wissenschaftlichen Studienergebnisse übernommen. Damit wurde Barnard
weltberühmt, Shumway nicht. Meiner Meinung nach hätte Barnard Shumway in
seinen Erfolg mit einbeziehen, ihn zitieren müssen.
Wie viele Herzen haben Sie bisher übertragen?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Unser gesamtes Team hat insgesamt bestimmt mehr als 1.000 Herzen übertragen,
ich persönlich habe sicher mehrere hundert Herzen transplantiert – ich habe sie nicht
gezählt.
Wie alt war Ihr jüngster Patient?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Das war ein Neugeborener, er war nur wenige Tage zuvor mit nur einer Herzhälfte
zur Welt gekommen. Die OP war schwierig, aber erfolgreich.
Ist das Herz ein besonderes Organ für Sie? Warum haben Sie die Spezialisierung
als Herzchirurg gewählt?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Für mich ist das Herz eine Pumpe – allerdings zugegebenermaßen eine sehr
eindrucksvolle und bewundernswerte Pumpe. Keinem Techniker gelang es bisher,
diese präzis funktionierende biologische Maschine dauerhaft so nachzubauen. Es ist
und bleibt ein Wunder der Natur. Meine Spezialisierung war reiner Zufall. Die
Herztransplantation war noch in ihrer Pionierzeit und ich dachte nicht daran,
Herzchirurg zu werden. Dann brach sich aber ein Herzchirurg bei einem
Basketballspiel ein Bein - was schon sehr ungewöhnlich war - und jemand musste
seine Stelle einnehmen. So kam ich zur Herzchirurgie.
Ist eine Herztransplantation eine besondere Operation für Sie?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Das Spektrum ist breit und reicht vom Routineeingriff bis zur sehr schwierigen,
komplizierten Operation. Das faszinierende Moment daran ist, ein krankes Herz
durch ein neues Organ zu ersetzen und zum Schlagen zu bringen.
Welches war Ihr schönstes Erlebnis im Zusammenhang mit einer Herztransplantation
oder mit einem Patienten?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Wir waren damals immer noch Pioniere. Jeder Herz-Chirurg erinnert sich natürlich an
seine erste eigene Herztransplantation. Ich erinnere mich jedoch auch sehr gut an
die erste Transplantation, der ich zugesehen habe. Wir haben das Herz damals
selbst aus San Diego in Kalifornien nach Stanford geholt. Bereits damals hat mich
die wunderschöne, saubere Technik der Operation sehr fasziniert. Der für mich
schönste Augenblick war, als die Klemmen geöffnet wurden und das Herz
selbstständig zu schlagen begann.
Meine erste eigene Herztransplantation im Jahre 1981 war für mich natürlich noch
sehr viel aufregender. Es war ein Patient mit mehreren Herzinfarkten, die
Abstoßungen waren heftig und er hat nur knapp überlebt – das aber dann über 26
Jahre.
Welche Erkrankungen stellen die häufigsten Ursachen für die Anmeldung zur
Herztransplantation dar?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Das sind zum einen Stoffwechselerkrankungen, die zum Herzversagen führen, zum
anderen aber auch Auswirkungen von mehreren aufeinander folgenden
Herzinfarkten und natürlich angeborene Herzfehler.
Was muss ein transplantierter Patient beachten?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Die wichtigste Voraussetzung ist, dass der Patient regelmäßig seine Medikamente
einnimmt. Nicht selten kommt es zu Komplikationen, weil die Medikamentendosis
eigenmächtig reduziert wird. Außerdem sollte man insgesamt gesund leben und
versuchen, Risiken zu minimieren. Dazu gehört, aufs Rauchen zu verzichten und auf
eine gesunde Ernährung zu achten. Ansonsten sollte man sich freuen und dabei
fröhlich und entspannt leben.
Was muss geschehen, damit mehr Patienten auf der Warteliste geholfen werden
kann?
Prof. Dr. Bruno Reichart:
Eine erfolgreiche Transplantationsmedizin ist auf eine spendenwillige Bevölkerung
angewiesen. Ohne Organspenden kann niemand durch eine Transplantation gerettet
werden. Ich selbst habe seit 1973 einen Organspendeausweis und kann nur jedem
Menschen empfehlen, sich dazu Gedanken zu machen und seine persönliche
Entscheidung zu treffen. Für die nahe Zukunft wünsche ich mir, dass die
Gesundheitskarte die Frage nach der Organspendebereitschaft beinhaltet und sich
auf diese Weise jeder Mensch mit dem Thema auseinandersetzt.
Ansprechpartnerinnen:
Birgit Blome, Bereichsleiterin Kommunikation
Dr. Susanne Venhaus, Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Nadine Körner, Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Stiftung Organtransplantation, Deutschherrnufer 52, 60594 Frankfurt am
Main
Tel.: 069/677 328-9400 oder -9413 oder -9411; Fax: 069/677 328-9409,
E-Mail: [email protected], Internet: www.fuers-leben.de, www.dso.de