Kaufvertragsrecht und Sachmängelhaftung

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Kaufvertragsrecht und Sachmängelhaftung
Kaufvertragsrecht und
Sachmängelhaftung
Nr. 114/15
Ansprechpartnerin:
Ass. Katja Berger
Geschäftsbereich Recht | Steuern
der IHK Nürnberg für Mittelfranken
Ulmenstraße 52, 90443 Nürnberg
Tel.: 0911/13 35-390
Fax: 0911/13 35-150463
E-Mail: [email protected]
Internet: www.ihk-nuernberg.de
Dieses Merkblatt basiert auf einem Vortrag der
Rechtsanwälte Bogsch & Partner,
Marientorgraben 3 - 5, 90402 Nürnberg
Stand: Dezember 2015
Hinweis:
Dieses Merkblatt soll nur erste Hinweise geben und
erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und
Richtigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt
erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche
Richtigkeit nicht übernommen werden, es sei denn, der
IHK
wird
vorsätzliche
oder
grob fahrlässige
Pflichtverletzung nachgewiesen.
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Der Verkäufer einer Ware ist verpflichtet, dem Käufer die Sache ohne Mängel zu übergeben
und zu übereignen. Wird die Ware vom Käufer als mangelhaft beanstandet, ist fraglich
unter welchen Voraussetzungen eine Haftung des Verkäufers vorliegt und welche Rechte
der Käufer hat.
Dieses Merkblatt soll hierzu einen ersten Überblick geben.
I. Kaufgegenstand
Kauf ist die Veräußerung eines bestimmten Gegenstandes gegen Geld (§ 433 BGB). Bei
beweglichen Sachen macht es keinen Unterschied, ob es diese bei Abschluss des
Kaufvertrages schon gibt oder ob sie erst noch hergestellt werden müssen (§ 651 BGB).
II. Mangelbegriff
1. Vereinbarte Beschaffenheit
Ob eine Sache mangelhaft ist, bestimmt sich in erster Linie danach, was zwischen den
Parteien vereinbart wurde. Weicht danach die tatsächliche Beschaffenheit der Kaufsache
von der vereinbarten Beschaffenheit ab, liegt ein Sachmangel vor. Dies setzt freilich voraus,
dass die Parteien eine solche Beschaffenheitsvereinbarung - ausdrücklich oder konkludent
- getroffen haben.
2. Eignung für die vorausgesetzte Verwendung
Fehlt es an einer solchen Vereinbarung - was bei den Massengeschäften des Alltags
regelmäßig der Fall sein wird -, wird die Vorstellung der Parteien vom Verwendungszweck
zum maßgeblichen Kriterium: Die Sache ist danach mangelfrei, wenn sie sich für die nach
dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.
Hatte sich der Kunde in seiner Bestellung etwa darauf beschränkt, Stückzahl und Preis des
benötigten Produkts anzugeben und ansonsten keine weiteren Angaben, z.B. über die
benötigte Qualität, gemacht, kann das gelieferte Produkt nicht von den - nicht vorhandenen
- Angaben der Bestellung abweichen. In solchen Fällen kommt es darauf an, ob der Kunde
die Kaufsache zu dem Zweck verwenden kann, zu dem er sie gekauft hat und ob der
Verkäufer diesen Zweck kannte.
Beispiel: Kauft ein Kunde einen Staubsauger ohne besondere Angaben im
Kaufvertrag, hat er jedoch im Kaufgespräch erwähnt, dass er damit auch Wasser
saugen wolle, so ist der Staubsauger mangelhaft, wenn er kein Wasser saugt.
3. Gewöhnliche Beschaffenheit
Nur wenn weder die Beschaffenheit vereinbart ist noch die Parteien eine bestimmte
Verwendung vorausgesetzt haben, kommt es auf die
 Eignung für die gewöhnliche Verwendung und
 die Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer
nach der Art der Sache erwarten kann,
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an. Der Vergleichsmaßstab sind grundsätzlich Sachen der gleichen Art. Dies wird vor allem
bei gebrauchten Sachen zu berücksichtigen sein.
Beispiel: Ein gebrauchter Pkw etwa ist nicht „von der gleichen Art“ wie ein
Neuwagen desselben Typs, darf mit diesem also nicht verglichen werden. Bei
ersterem wird etwa das Alter und die Laufleistung die berechtigten Erwartungen des
Käufers wesentlich beeinflussen; Umstände, die bei einem Neuwagen keine Rolle
spielen können.
4. Werbeaussagen
Ein Sachmangel liegt auch dann vor, wenn die Kaufsache in Wahrheit anders beschaffen
ist, als sie in der Werbung dargestellt wird.
Dies ist bemerkenswert, weil die Person des Werbenden und die des Verkäufers in der
Regel auseinander fallen. Meist wirbt der Hersteller, nicht der Verkäufer für das Produkt,
z. B. in der Automobilbranche. Für die TV-Spots ist also der Automobilkonzern
verantwortlich, nicht der Vertragshändler, der das beworbene Fahrzeug verkauft. Dennoch
muss sich der Vertragshändler die Angaben aus dem Werbespot zurechnen lassen, es sei
denn, er kann nachweisen, dass
 er den Werbespot nicht kannte und es auch nicht zu seinen Pflichten gehörte, ihn
zu kennen, also seine Unkenntnis auch nicht auf Fahrlässigkeit beruht (vgl. § 122
Abs. 2 BGB),
 der Werbespot spätestens bei Vertragsschluss „in gleichwertiger Weise“ korrigiert
worden ist, oder
 der Käufer das Produkt ohnehin gekauft hätte (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB).
Für die Sachmängelhaftung des Verkäufers kommt es dabei nicht darauf an, dass er sich
bei etwaigen Verkaufsgesprächen auf die Werbung des Herstellers bezogen, diese
Angaben also in eine Beschaffenheitsvereinbarung aufgenommen hat.
Beispiel: Der Autohersteller XY hat ein Auto produziert, das nach Prospekt
normalerweise vier Liter Kraftstoff benötigt, in günstigen Fällen aber auch mit drei
Litern auskommt. Um den Verkauf zu steigern, bewirbt er es als 3-Liter-Auto. Mit
Rücksicht auf diese Werbung kauft K bei V dieses Auto und stellt später fest, dass
es doch keine drei Liter, sondern vier Liter verbraucht.
Die Beweislast für entlastende Umstände, wie die Tatsache, dass die Werbeaussage für die
Kaufentscheidung des Käufers nicht maßgeblich oder die Werbeaussage im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses bereits berichtigt war, liegt dabei beim Verkäufer.
Für eine etwaige Berichtigung der Werbeaussage wird verlangt, dass sie mit demselben
oder einem vergleichbar wirksamen Medium erfolgt. Unzureichend wäre es daher, wenn
eine groß angelegte fehlerhafte Plakatwerbung durch eine eher unauffällige Anzeige in
einer Tageszeitung berichtigt würde.
Die Relevanz von Werbeaussagen oder sonstigen Kennzeichnungen des Herstellers, wie
etwa Angaben auf der Verpackung, ist allerdings auf „bestimmte“ Eigenschaften der
Kaufsache beschränkt. Dadurch ist sichergestellt, dass rein werbende, anpreisende oder
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reißerische Aussagen nicht die Qualität einer Eigenschaftszusicherung erlangen können.
Der Verkäufer muss sich also nur die objektiven, öffentlichen Eigenschaftszusagen des
Herstellers, von deren Werbeeffekt letztlich auch sein Absatz profitiert, im Verhältnis zu
seinen Kunden zurechnen lassen.
5. Fehlerhafte Montage
Ein Sachmangel liegt auch vor, wenn die vereinbarte Montage unsachgemäß durchgeführt
worden ist, § 434 Abs. 2 S. 1 BGB.
Beispiel:
Beschädigung
einer
Waschmaschine
infolge
fehlerhaften
Wasseranschlusses durch den Monteur, wodurch Wasser in Teile der Maschine
eindringt, die eigentlich trocken bleiben sollten
Erfasst wird davon nicht nur die Beschädigung der Kaufsache durch die Montage, sondern
auch die mangelhafte Montage als solche, also auch die Fälle, in denen eine zunächst
mangelfreie Sache geliefert wird, die nur dadurch mangelhaft wird, dass der Verkäufer sie
sodann unsachgemäß montiert bzw. bei dem Käufer aufstellt, ohne dass dies die Sache
selbst beschädigen würde.
Beispiel: Die einschließlich Montage vor Ort erworbene Markise ist als solche intakt,
wird vom Monteur aber an der Hauswand des Kunden nicht waagerecht angebracht.
Irrelevant ist, ob der Verkäufer die Montageverpflichtung selbst erfüllt oder sich hierzu eines
Dritten (Erfüllungsgehilfen) bedient.
6. Fehlerhafte Montageanleitung (sog. IKEA-Klausel)
Ein Sachmangel liegt ferner vor, wenn bei einer Sache, die zum Zusammenbau oder zum
Einbau bestimmt ist, die Montageanleitung fehlerhaft ist und es dem Käufer tatsächlich nicht
gelingt, die Sache fehlerfrei zu montieren (§ 434 Abs. 2 S. 2 BGB).
So ist ein Sachmangel auch dann gegeben, wenn die Markise im vorgenannten
Beispiel mit einer Anbauanleitung verkauft wird, die so unvollständig, unrichtig oder
unverständlich ist, dass der (durchschnittlich begabte) Kunde oder ein von diesem
damit beauftragter Dritter sie nicht waagerecht anzubringen vermag.
Die Gewährleistungshaftung für eine fehlerhafte Montageanleitung entfällt allerdings, wenn
die Montage durch den Kunden gleichwohl, warum auch immer, fehlerfrei gelingt. Insoweit
stellt die fehlerfreie Montage durch den Käufer eine vom Verkäufer zu beweisende
Ausnahme dar.
7. Falschlieferung (Aliud) und zu geringe Menge
§ 434 Abs. 3 BGB stellt nun beide Varianten ausdrücklich dem Sachmangel gleich. Sie
unterfallen damit auch der kaufrechtlichen Gewährleistungsfrist.
Beispiel: Liefert der Verkäufer eine falsche Sache oder eine falsche Menge, so ist
er den Gewährleistungsansprüchen des Käufers ausgesetzt. Wenn also der
Verkäufer versehentlich zehn Dosen Lack „Hochglanz“ liefert, obwohl der Käufer
zehn Dosen Lack „Seidenmatt“ bestellt hat, dann handelt es sich damit um zehn
mangelhafte „Hochglanz“-Lackdosen.
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8. Erheblichkeit des Sachmangels
Auch bei unerheblichen Sachmängeln steht dem Käufer das Recht auf Kaufpreisminderung,
Nacherfüllung oder Umtausch zu. Bei unerheblichen Sachmängeln sind jedoch der Rücktritt
(§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB) und der „Schadensersatz statt der ganzen Leistung“ (sog. großer
Schadensersatz, vgl. § 281 Abs. 1 S. 3 BGB) ausgeschlossen.
Beispiel: Der Anspruch auf den sog. kleinen Schadensersatz (also die
Wertdifferenz zum vertragsgemäßen Zustand) und das Minderungsrecht werden
auch durch einen unerheblichen Mangel ausgelöst. Wenn der Käufer also im
Gemüsehandel einen Zentner Kartoffeln kauft, wovon zwei Stück faulig sind, kann er
Minderung verlangen. Vom ganzen Vertrag zurücktreten kann er aber nicht.
III. Gewährleistungsrechte des Käufers
Wenn die Kaufsache mangelhaft ist:
 Ersatzlieferung
(Nacherfüllung)
 Nachbesserung
(Nacherfüllung)
Wenn Ersatzlieferung und Nachbesserung scheitern, nicht möglich oder unzumutbar
sind:
 Erstattung des Kaufpreises
(Rücktritt)
 Herabsetzung des Kaufpreises
(Minderung)
 Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen
1. Vorrang der Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB
Im Falle des Mangels kann der Kunde zunächst nur Nachbesserung oder, was bei
einfachen Massenprodukten regelmäßig ökonomischer ist, Ersatzlieferung verlangen,
§ 439 BGB.
Erst wenn Nachbesserung oder Ersatzlieferung fehlschlagen oder zu Recht oder zu
Unrecht vom Verkäufer verweigert werden, kommen Rücktritt und/oder Schadensersatz
oder Minderung in Betracht.
Allerdings kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung ablehnen,
wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, § 439 Abs. 3 BGB.
Unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, wenn
 die Kosten der Nacherfüllung den Wert der Kaufsache - wäre sie mangelfrei erheblich übersteigen,
 die Kosten der Nacherfüllung den Betrag erheblich übersteigen, um den der
Mangel den Wert der mangelhaften Kaufsache mindert oder
 jeweils eine andere Art der Nacherfüllung günstiger ist und für den Käufer keine
erheblichen Nachteile bedeutet.
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Hinweis: Besonders bei geringwertigen Sachen des Alltags wird eine
Nachbesserung häufig mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden sein.
Hier dürfte in der Regel ausschließlich Ersatzlieferung in Betracht kommen.
Umgekehrt kann der Verkäufer einer Waschmaschine die vom Kunden verlangte
Ersatzlieferung dann verweigern, wenn der Mangel durch Auswechseln einer
einfachen Schraube behoben werden kann.
Sind beide Arten der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich, kann
der Verkäufer die Nacherfüllung insgesamt verweigern, § 439 Abs. 3 BGB.
2. Rücktritt, §§ 437 Nr. 2, 323 BGB
Schlägt die Nacherfüllung fehl oder wird sie zu Recht oder zu Unrecht vom Verkäufer
verweigert oder ist dem Käufer die ihm zustehende Form der Nacherfüllung nicht zumutbar
(§ 440 BGB), stehen dem Käufer neben der Minderung auch Rücktritt und/oder
Schadensersatz oder alternativ zum Schadensersatz der Ersatz vergeblicher
Aufwendungen zur Wahl.
Der Käufer kann mithin bei gegebenen Voraussetzungen einerseits vom Vertrag
zurücktreten, andererseits die aus einem aufwendigeren Ersatzgeschäft resultierenden
Mehrkosten als Schadensersatz geltend machen.
§ 323 BGB knüpft den Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
an die vorhergehende ergebnislose Fristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung an.
Wurde zuvor bereits die Nacherfüllung nach § 439 BGB unter Fristsetzung verlangt, ist
diese Voraussetzung für Rücktritt und/oder Schadensersatz bereits erfüllt. Wird die
Nacherfüllung zu Unrecht verweigert, schlägt sie fehl oder ist sie dem Käufer unzumutbar,
erübrigt sich die Fristsetzung (§ 440 BGB). Als fehlgeschlagen gilt die Nachbesserung nach
§ 440 S. 2 BGB regelmäßig mit dem zweiten erfolglosen Versuch.
Wegen nur unerheblicher Mängel der Kaufsache darf der Käufer nicht zurücktreten (§ 323
Abs. 5 S. 2 BGB). Ihm bleiben jedoch die sonstigen Gewährleistungsrechte, insbesondere
der Anspruch auf Nacherfüllung, erhalten (s.o.).
3. Minderung, §§ 437 Nr. 2, 441 BGB
Gleichberechtigte Alternative zum Rücktritt ist die Minderung, also Herabsetzung des
Kaufpreises. Wie der Rücktritt erfolgt sie durch einseitige Erklärung des Käufers, § 441
Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Voraussetzungen der Minderung sind dieselben wie beim Rücktritt. Wenn der Verkäufer
dem Käufer eine mangelhafte Kaufsache geliefert hat, muss der Käufer dem Verkäufer eine
angemessene Frist setzen, um den Mangel zu beheben. Ist die Frist abgelaufen oder war
die Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich (§ 323 Abs. 2 BGB) kann der Käufer den
Kaufpreis mindern.
Der Kaufpreis ist dabei in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem der tatsächliche Wert
der mangelhaften Sache zum Wert der Sache in mangelfreiem Zustand steht.
Anders als der Rücktritt ist die Minderung auch bei unerheblichen Mängeln möglich (s.o.).
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4. Schadensersatz, § 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280, 281 BGB oder Ersatz vergeblicher
Aufwendungen, 437 Nr. 3 i.V.m. § 284 BGB
Anders als die Gewährleistungsrechte Nacherfüllung, Rücktritt und Minderung hängt der
Anspruch auf Schadensersatz vom Verschulden des Verkäufers ab. Verschulden bedeutet
vorsätzliches und fahrlässiges Handeln (§ 276 BGB).
Wie bei Rücktritt und Minderung muss der Käufer dem Verkäufer grundsätzlich eine
angemessene Frist setzen, um die Pflichtverletzung zu beheben, d.h. um Nacherfüllung zu
leisten (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB), es sei denn die Fristsetzung ist ausnahmsweise
entbehrlich (§ 281 Abs. 2 BGB).
IV. Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf
Ein Verbrauchsgüterkauf liegt vor, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine
bewegliche Sache kauft, § 474 Abs. 1 BGB.
1. Anwendungsbereich
Die §§ 474 ff BGB gelten nur, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine
bewegliche Sache kauft, § 474 Abs. 1 BGB. Sie finden keine Anwendung bei Kaufverträgen
von Unternehmern oder Verbrauchern untereinander oder dann, wenn ein Verbraucher eine
Sache an einen Unternehmer verkauft.
2. Dispositionsfreiheit
Wichtigste Besonderheit des Verbrauchsgüterkaufs ist, dass die Rechte des Käufers fast
nicht eingeschränkt werden können, weder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen noch
durch Individualvereinbarung (§ 475 Abs. 1 S. 1 BGB).
Gemäß § 475 Abs. 2 BGB darf die Gewährleistungsfrist vertraglich für neue Sachen nicht
auf weniger als zwei Jahre und für gebrauchte Sachen nicht auf weniger als ein Jahr
verkürzt werden.
Eine Ausnahme gilt beim Schadensersatzanspruch wegen Lieferung einer mangelhaften
Sache; diesen Anspruch können die Parteien beschränken, § 475 Abs. 3 BGB.
3. Beweislastumkehr
In den ersten sechs Monaten nach Gefahrübergang gilt beim Verbrauchsgüterkauf eine
gewährleistungsrechtliche Beweislastumkehr: In diesem Zeitraum wird nach § 476 BGB
beim Auftreten eines Sachmangels zugunsten des Käufers vermutet, dass der Fehler
bereits bei Gefahrübergang (Lieferung bzw. Übergabe) der Kaufsache vorhanden war. Der
Gegenbeweis obliegt dann dem Verkäufer.
Beispiel: An einem im Juli vom Gebrauchtwagenhändler erworbenen Pkw tritt im
Oktober bei Regen Wasser ein. Es zeigt sich, dass sich die Dichtungen an den
Türrahmen großflächig ablösen. Hier muss der Händler den Beweis führen, dass die
Dichtungen zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeuges an den Käufer in Ordnung
waren, gelingt ihm das nicht, haftet er.
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Der Käufer/Verbraucher muss jedoch beweisen, dass überhaupt ein Sachmangel vorliegt.
Beispielsweise stellen normaler Verschleiß oder Schäden, die sich auf Fehlbedienung
zurückführen lassen, keine Mängel dar. Die Beweislastumkehr dient also nur dazu, eine
zeitliche Fiktion zu Gunsten des Kunden dahingehend auszulösen, dass der tatsächlich
aufgetretene Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war.
4. Transparenzgebot für Garantien
Für alle Kaufverträge, auch Verbrauchsgüterkaufverträge, gilt § 443 BGB, der
 die bindende Wirkung der Garantie unbeschadet der gesetzlichen Rechte des
Käufers vorschreibt,
 die Maßgeblichkeit der in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung
angegebenen Bedingungen festlegt und
 die Vermutung enthält, dass innerhalb einer Haltbarkeitsgarantie aufgetretene
Sachmängel den Garantiefall auslösen.
Ergänzend hierzu regelt § 477 BGB für den Verbrauchsgüterkauf die inhaltlichen und
formellen Anforderungen an eine vom Hersteller, dem Verkäufer oder einem Dritten
gegebene Garantie.
Danach muss die Garantieerklärung
 einfach und verständlich abgefasst sein,
 Namen und Anschrift des Garantiegebers ausdrücklich nennen,
 Auskunft darüber geben, für welche Defekte, wie lange und wo sie gilt, und
 einen Hinweis darauf enthalten, dass die Gewährleistungsrechte des Käufers
unabhängig von der Garantie bestehen.
Diese formalen Erfordernisse sind aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Erfüllt die
Garantieerklärung die vorstehenden Voraussetzungen nicht, ist die Garantieverpflichtung
gleichwohl wirksam, § 477 Abs. 3 BGB.
Sanktionslos bleibt ein Verstoß des Garantiegebers gegen das Transparenzgebot aber
nicht: Die Verbraucherschutzverbände sowie die Industrie- und Handelskammern können
ihn auf Unterlassung in Anspruch nehmen (§ 3 Unterlassungsklagengesetz, § 8 Gesetz
gegen den unlauteren Wettbewerb).
5. Rückgriff des Verkäufers beim Hersteller
a) Erleichterter Rückgriff bei Händlerhaftung
Als Ausgleich dafür, dass der Verkäufer beim Verbrauchsgüterverkauf einer besonders
strengen Sachmängelhaftung unterliegt, bietet ihm das Schuldrecht beim Verkauf neuer
Sachen die verbesserte Möglichkeit, gegen seinen Lieferanten (Großhändler) bzw. den
Hersteller Rückgriff zu nehmen.
Die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche des Händlers gegenüber dem Hersteller
wurde erleichtert. Dazu befreit § 478 Abs. 1 BGB den Händler von „einer sonst
erforderlichen Fristsetzung“ gegenüber dem Hersteller. Der Verkäufer braucht vom
Lieferanten daher keine Nacherfüllung verlangen bzw. ihm keine Frist zur
Mängelbeseitigung setzen, sondern kann gleich die möglichen Rechte Rücktritt, Minderung
oder Schadensersatz geltend machen.
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Hinweis: Diese erleichterte Rückgriffsmöglichkeit besteht für den Händler nur dann,
wenn er seinerseits vom Endkunden auf Gewährleistung in Anspruch genommen
wurde. Hat der Händler die Ware jedoch noch auf Lager, muss er den (normalen)
Weg gehen und zunächst Nacherfüllung verlangen.
b) Aufwendungsersatzanspruch
§ 478 Abs. 2 BGB erlaubt dem Letztverkäufer, die Aufwendungen, die er durch die
Befriedigung des Nacherfüllungsanspruchs seines Kunden hatte, verschuldensunabhängig
an seinen Vorlieferanten weiterzugeben.
Hinweis: Transport-, Wege- Arbeits- und Materialkosten, die den Händler bei der
Nacherfüllung treffen, kann er vom Hersteller ersetzt verlangen.
Auch der Anspruch aus § 478 Abs. 2 BGB setzt aber selbstverständlich voraus, dass der
Mangel bei Lieferung der Sache an den Letztverkäufer, also bei Gefahrübergang auf
diesen, bereits vorhanden war und nicht etwa erst durch falsche Lagerung beim Händler
entstanden ist.
c) Untersuchungspflicht des § 377 HGB
Die Rügeobliegenheit eines Kaufmanns nach § 377 HGB bleibt unberührt, § 478 Abs. 6
BGB.
Hat es also der Kaufmann bereits „auf dem Hinweg“ der Ware gegenüber seinem
Vorlieferanten unterlassen, einen Mangel der Kaufsache, den er bei gehöriger
Untersuchung hätte feststellen können, zu rügen, ist ihm der Regress abgeschnitten, wenn
die Kaufsache „auf dem Rückweg“ vom Endkunden wieder bei ihm ankommt.
d) Beweiserleichterung
Die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers gilt im Verhältnis Verkäufer/Lieferant
auch zugunsten des Verkäufers. Dies wird durch § 478 Abs. 3 BGB sichergestellt, der die
Beweislastumkehr des § 476 BGB für entsprechend anwendbar erklärt und die
Sechsmonatsfrist des § 476 BGB auch im Verhältnis Verkäufer/Lieferant erst mit dem
Gefahrübergang auf den Verbraucher beginnen lässt.
Beispiel: Wird ein defektes Kopiergerät im Mai 2014 vom Großhändler an den
Einzelhändler geliefert, der es im Januar 2015 an den Endkunden verkauft und tritt
im März 2015 ein Fehler am Sortiersystem des Gerätes auf, kann der Verkäufer, der
dem Kunden auf entsprechendes Nacherfüllungsbegehren ein mangelfreies Gerät
liefern muss, die Vermutung des § 476 BGB, dass der Mangel bereits bei
Gefahrübergang vorlag, auch gegenüber seinem Vorlieferanten nutzen, da die
Sechsmonatsfrist des § 476 BGB auch in diesem Verhältnis erst im Januar 2015 zu
laufen beginnt.
e) Abdingbarkeit
Die Rückgriffsrechte sind grundsätzlich durch Vertrag zwischen Hersteller und Händler
abdingbar. § 478 Abs. 4 BGB schränkt diese Abdingbarkeit zum Schutze der meist
schwächeren Händler dahingehend ein, dass eine Abweichung nur dann erlaubt ist, wenn
der Rückgriffsgläubiger (Händler) einen gleichwertigen Ausgleich erhält. Ein solcher
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„gleichwertiger Ausgleich“ kann
Gewährleistungsfällen liegen.
etwa
in
einer
pauschalierten
Abwicklung
von
f) Verjährung der Rückgriffsansprüche
Die Aufwendungsersatzansprüche gemäß § 478 Abs. 2 BGB verjähren ebenso wie die
kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche in zwei Jahren ab Ablieferung der Sache (durch
den Lieferanten an den Letztverkäufer), § 479 Abs. 1 BGB.
Damit bestünde ohne zusätzliche Regelung die Gefahr, dass der Rückgriffsanspruch des
Unternehmers gegen seinen Vorlieferanten verjährungsrechtlich leerlaufen könnte, wenn
die Kaufsache vor dem Verkauf an den Verbraucher länger gelagert wurde, wenn sie lange
Zeit auf verschiedenen Vertriebsstufen verbracht hat und/oder wenn der Mangel beim
Verbraucher erst kurz vor Ablauf der zweijährigen Mangelverjährung auftritt.
Damit der Rückgriff in solchen Fällen nicht an der Verjährung scheitert, sieht § 479 Abs. 2
S. 1 BGB eine sog. Ablaufhemmung vor: Die Verjährung der Rückgriffsansprüche des
Unternehmers tritt frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem der
Unternehmer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat. Die dadurch für den
Vorlieferanten entstehende Zeit der Ungewissheit wird durch § 479 Abs. 2 S. 2 BGB auf
maximal fünf Jahre nach Übergabe der Sache an den Unternehmer begrenzt.
V. Gewährleistungsfrist
Die regelmäßige Gewährleistungsfrist beträgt zwei Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
Darüber hinaus gibt es auch noch eine 5-jährige Verjährung für Bauwerke und
Baumaterialien und eine 30-jährige Verjährungsfrist, wenn der Mangel in einem dinglichen
Recht eines Dritten besteht.
1. Zwei-Jahres-Frist
„Normale“ Gewährleistungsansprüche des Käufers verjähren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3
BGB also in zwei Jahren.
Die Verjährungsfrist von zwei Jahren kann im Verbrauchsgüterkauf bei gebrauchten
Sachen auf ein Jahr verkürzt werden (§ 475 Abs. 2 BGB). Außerhalb des
Verbrauchsgüterkaufs gestattet § 202 Abs. 1 BGB grundsätzlich jede Verkürzung durch
Rechtsgeschäft, ausgenommen bei Haftung wegen Vorsatzes; geschieht die Verkürzung
durch Allgemeine Geschäftsbedingungen beträgt bei neuen Sachen die Untergrenze ein
Jahr (§ 309 Nr. 8 b ff BGB).
2. Fünf-Jahres-Frist
Gewährleistungsansprüche für Bauwerke und bewegliche Sachen, die entsprechend ihrer
üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden sind und dessen
Mangelhaftigkeit verursacht haben (Baumaterialien) verjähren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2
BGB in fünf Jahren.
Durch diese Regelung soll Bauhandwerkern geholfen werden, die nach § 634 a Abs. 1 Nr. 2
BGB fünf Jahre lang für ein mangelhaftes Bauwerk haften. Die Regelung gilt nicht nur für
die Ansprüche der Bauhandwerker gegen ihre Lieferanten, sondern auch für die Ansprüche
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der Zwischenhändler gegenüber anderen Zwischenhändlern oder einem Hersteller von
Baumaterialien. Ferner gilt die Vorschrift, wenn der Bauherr die Sachen selbst erworben
hat.
Die Fünf-Jahres-Frist gilt, sofern das Baumaterial entsprechend seiner üblichen
Verwendungsweise eingebaut worden ist. Es kommt auf den üblichen Verwendungszweck
an. Der Verkäufer braucht nicht konkret zu wissen, dass der Käufer die Sache tatsächlich in
ein Bauwerk einbauen möchte.
Die Fünf-Jahres-Frist gilt nicht, wenn die Kaufsache tatsächlich nicht eingebaut wird.
Hinweis: Würde der Maurer beispielsweise die mangelhaften Ziegel nur bei sich
lagern und nicht einbauen, würde die Zwei-Jahres-Frist gelten. Würde er sie
hingegen drei Jahre lang lagern und danach einbauen, würde die Fünf-Jahres-Frist
gelten und der Hersteller noch zwei Jahre ab Einbau haften.
Schließlich gilt die fünfjährige Verjährungsfrist nur bei denjenigen Sachen, deren
Mangelhaftigkeit zugleich zu einem Mangel des Bauwerks geführt hat. Liegt der Mangel in
der Einbauleistung des Käufers und nicht in der Fehlerhaftigkeit des Baumaterials, greift die
lange Verjährungsfrist nicht.
3. Beginn der Gewährleistungsfrist
Bei beweglichen Sachen beginnt die Verjährung mit der Ablieferung der Kaufsache, bei
Grundstücken mit der Übergabe (§ 438 Abs. 2 BGB). Für den Beginn der Verjährungsfrist
und für deren Lauf kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Käufer seine
Gewährleistungsansprüche kennt.
4. Verjährung bei Arglist
Nach § 438 Abs. 3 BGB verjähren abweichend von § 438 Abs. 1 Nr. 2 (= fünf Jahre) und
Nr. 3 (= 2 Jahre) BGB die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren
(§ 197 BGB), wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Drei-JahresFrist beginnt - anders als nach § 438 Abs. 2 BGB - nicht bereits mit der Ablieferung bzw.
der Übergabe der Sache, sondern gemäß § 199 BGB erst dann, wenn der Käufer von dem
Mangel Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Damit sich allerdings die Fünf-Jahres-Frist nicht um zwei Jahre verkürzt, gibt es insofern die
Sonderregelung in § 438 Abs. 3 S. 2 BGB, wonach die Verjährungsfrist mindestens fünf
Jahre beträgt, wenn der Verkäufer eines Bauwerks oder von Baumaterialien arglistig
getäuscht hat.
Unabhängig von der Kenntnis des Käufers verjähren die Gewährleistungsrechte spätestens
in zehn Jahren, bei Personenschäden spätestens in 30 Jahren (§ 199 Abs. 2 - 4 BGB).