1. Abschnitt – Einleitung
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1. Abschnitt – Einleitung
1. Abschnitt – Einleitung 1. Kapitel – Der Tonfa als Mehrzweckeinsatzstock Zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hat die kalifornische Polizei damit begonnen, neue Arten von Einsatzstöcken auf ihre Praxistauglichkeit zu untersuchen. Hierbei wurden auch Kampfkunstexperten zu Rate gezogen, die sich zahlreich im Südwesten der USA niedergelassen hatten. Die Notwendigkeit eines neuartigen Einsatzstocks erwuchs aus der sich entwikkelnden Kriminalität in den amerikanischen Großstädten. Das Ziel bestand darin, Straftäter bei Polizeieinsätzen handlungsunfähig machen zu können, ohne sie gefährlich verletzen zu müssen. Aus diesem Grund entwickelte das Unternehmen Monadnock den „PR-24“, dessen Verwendung heute Bestandteil der regulären Ausbildung der uniformierten Polizeibeamten in den USA ist. Es handelt sich dabei um einen Tonfa mit rundem Querschnitt, der mit 60 Zentimetern etwas länger ist als der klassische okinawanische Tonfa. Er besteht heute im allgemeinen aus Verbundwerkstoffen. Im Unterschied zu seinem Vorläufer wird er einzeln und nicht in Paaren eingesetzt. Dieser neue „Polizeistock mit seitlichem Griffstück“ ersetzt den herkömmlichen „Gummiknüppel“. Im Vergleich zu diesem sind seine Einsatzrichtungen eingeschränkter, aber seine Wirkungen sind bedeutend umfangreicher und gefährlicher. Mit dem „Polizei-Tonfa“ kann man sowohl Angriffe abwehren und Gegenangriffe durchführen, als auch Techniken – z. B. Gelenkhebel – anwenden, die bei der Verhaftung von Delinquenten zum Einsatz kommen. Letztere Techniken werden vor allem durch die Kräfte, die die öffentliche Ordnung aufrechterhalten sollen, eingesetzt. In diesem Zusammenhang kann der Tonfa dazu verwendet werden, Straftäter oder Verdächtige abzuführen, sie ruhigzustellen, um ihnen Handschellen anzulegen, oder sie zu zwingen, ihr Fahrzeug zu verlassen. Auch in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Frankreich und Deutschland, ist der Tonfa inzwischen Bestandteil der Standardausrüstung der Ordnungskräfte. Dies gilt vor allem für bestimmte Einheiten der Polizei, des Zolls sowie für Wachgesellschaften oder Leibwächter. Hierbei findet der sogenannte „Sicherheits-Tonfa“ Verwendung. Im offiziellen Sprachgebrauch wird dieser Polizei-Tonfa als MES (Mehrzweckeinsatzstock) oder als PEMS (Polizeieinsatz-Mehrzweckschlagstock) bezeichnet. 171 Dieses Instrument zur Aufrechterhaltung der Ordnung ist hervorragend als Einsatzwaffe auf kurze bis mittlere Distanz geeignet und ermöglicht es in vielen Fällen, auf den Einsatz von Schußwaffen zu verzichten. Man kann mit ihm effektiv Angriffe abwehren und einen Angreifer unter Kontrolle bringen, ohne daß man diesem ernsthaften Schaden zufügen muß. Damit erweist sich der Tonfa als echte Alternative zum Einsatz von potentiell tödlichen Waffen. 1.1 Die Regeln für den Einsatz des Tonfa der Polizei Der Tonfa hat sich als Polizeiwaffe qualifiziert, weil er sich sowohl zur Abschreckung als auch zur Verteidigung eignet. Seine Wirksamkeit beruht unter anderem auf einer Reihe von Schwingtechniken, bei denen das Griffstück als Drehachse fungiert. Indem er die Reichweite des Arms verlängert oder den Arm schützt, kann man sich mit ihm gegen jede Art von Angriffen mit der bewaffneten oder unbewaffneten Faust oder mit dem Fuß verteidigen und auch jeden Versuch eines Festhaltens vereiteln. Der Tonfa der Polizei verlängert somit die Verteidigungstechniken der bloßen Hand genauso, wie dies für den klassischen okinawanischen Tonfa gilt. In diesem Zusammenhang wird er auf gleiche Weise gehandhabt wie letzterer. Aus diesem Grunde werden sich einige der Beschreibungen von Techniken auf den Teil des Buches, in dem der Umgang mit dem klassischen Tonfa beschrieben wird, beziehen. Die Nutzung als Instrument für Zwangsmaßnahmen (Ruhigstellen, Verhaften, Abführen) ist hingegen im traditionellen Kobudô kaum bekannt, wo es in erster Linie darum geht, den Wiederstand des Gegners zu brechen und den Kampf mit großer Gewalt zu Ende zu führen. Den Tonfa als stumpfe Angriffswaffe (Schlagstock) einzusetzen, ist nur in streng geregelten Ausnahmefällen gestattet. Die Regeln des Einsatzes des Tonfa der Polizei sind sehr präzise und unterliegen den allgemeinen Bestimmungen für das Verhalten von Ordnungskräften sowie den Bestimmungen, die für die Selbstverteidigung von Polizeibeamten gelten. Dies trifft sowohl für den individuellen Einsatz zu als auch für den Einsatz durch eine Spezialeinheit. Es sei vor allem darauf hingewiesen, daß außer in gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen Schläge auf bestimmte 172 Teile des menschlichen Körpers, wie sie in den Dienstvorschriften für Selbstverteidigungs- und Eingreiftechniken festgelegt sind, zu vermeiden sind. 1.2 Gesetzliche Bestimmungen für den Einsatz des Tonfa Es sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, daß beim Umgang mit den in diesem Buch beschriebenen Waffen die jeweiligen landesspezifischen waffentechnischen Regelungen unbedingt einzuhalten sind. Es obliegt der Eigenverantwortung des Übenden, sich über diese Bestimmungen ausreichend zu informieren. Allgemein gilt, daß der Umgang mit dem PolizeiTonfa vernünftig, vorsichtig, kontrolliert und angemessen zu erfolgen hat. Siehe hierzu auch die Erläuterungen im folgenden Punkt 1.3. 1.3 Treffzonen für Schläge Es wäre extrem gefährlich und unverantwortlich, mit dem Tonfa ziellos zuzuschlagen. Manche Schläge können selbst bei geringem Kraftaufwand ernsthafte Verletzungen zur Folge haben und unter Umständen sogar tödlich sein. Die Treffzonen werden in drei Kategorien unterteilt: 1: Zonen, die vorrangig anzuvisieren sind (aufgrund geringer Verletzungsgefahr und vorübergehender Folgen): Arm und Unterarm, Handgelenke, Beine, Oberschenkel, Knöchel, Achillessehne. 2: Zonen, die in zweiter Linie anzuvisieren sind (ernsthaftere, möglicherweise dauerhafte Verletzungen können die Folge sein): Ellbogen, Knie, Schultern, Schulterblätter, Schlüsselbeine, Bauch. 3: Zonen, die unbedingt zu vermeiden sind, wenn man nicht mit extremer Gefahr konfrontiert ist (da hier größte und sogar tödliche Verletzungen möglich sind): Kopf, Gesicht, Genick, Brust, Rücken, Nieren, Wirbelsäule, Unterleib. Achtung! Auf welchen Punkt man auch schlägt, die Schläge können, in Abhängigkeit von ihrer Stärke, extremen Schaden zufügen. 173