2014_Rede Meckel La Cambe 2

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2014_Rede Meckel La Cambe 2
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Markus Meckel
Präsident des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Gedenkrede La Cambe, 8. Juni 2014
Anrede,
70 Jahre ist es her, dass sich hier – ab dem sogenannten „D-Day“ – im Jahr1944 alliierte und deutsche
Soldaten erbittert bekämpften. Auch für die Zivilbevölkerung hier brachten diese Kämpfe und insbesondere
die zahllosen Luftangriffe tausendfachen Tod mit sich. Schließlich gelang den Alliierten der Durchbruch und
es gab damit die zweite Front im Westen.
Der Sieg in der Normandie war ein wesentlicher Schritt zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. 70
Jahre ist dieses Drama her und es war mit vielfältigen Opfern verbunden. Wer den 6. Juni 1944 hier erlebt
hat, der hat ihn nie vergessen.
Wir stehen hier an den Gräbern in La Cambe, wo 21.140 deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges ihre
letzte Ruhestätte gefunden haben. Bei jedem Einzelnen handelt es sich um ein ganz individuelles Schicksal,
das hier sein Ende fand, und jeweils ist eine ganze Familie betroffen - und so wirkt dieser Tod lange nach,
zum Teil bis heute - denn auch heute wieder sind Angehörige und Überlebende unter uns.
Nicht anders ist es auf den Friedhöfen der anderen Nationen, die hier in der Nähe liegen.
Es ist wichtig und heute auch für die meisten Kriegsteilnehmer eine selbstverständliche Tradition, dass wir in
unser Totengedenken die Opfer der anderen Nationen einschließen. Ich freue mich, dass heute auch
Menschen unter uns sind, die sich damals feindlich gegenüber standen – und sich jetzt im Geist der
Versöhnung begegnen können.
Vorgestern trafen sich hier in der Normandie die Staats- und Regierungschefs der damals Krieg führenden
Nationen und konnten dieses Gedenken gemeinsam begehen. Vor zehn Jahren war mit Gerhard Schröder das
erste Mal auch ein deutscher Kanzler eingeladen, diesmal hat Angela Merkel als in ganz Europa geachtete
Kanzlerin teilgenommen. Das erste Mal waren nun auch die Polen eingeladen, die an allen Fronten mit
kämpften, um ihr eigenes Volk, aber auch uns vom Nationalsozialismus zu befreien. Sie waren vor 70 Jahren
bei der Landung in der Normandie die viertgrößten Truppensteller. Im nächsten Jahr, wenn wir den 70.
Jahrestag des Kriegsendes feiern, sollten wir in Deutschland mit den ehemaligen Alliierten aus diesem
Grunde immer auch die Polen mit einladen.
Dies alles zeigt, wie weit wir schon gekommen sind in der Auseinandersetzung mit unserer schwierigen
Geschichte.
Ich würde mich freuen, wenn vielleicht zum 75. Jahrestag ein deutscher Regierungschef den Mut fände, auch
diesen Friedhof hier zu besuchen.
Bisher hat man sich gescheut, dies zu tun, weil eben auf diesem Friedhof auch viele Angehörige der WaffenSS und Kriegsverbrecher begraben sind, nicht zuletzt auch Adolf Dieckmann und viele seiner Einheit, die für
das Massaker von Oradour-sur-Glane verantwortlich waren. Dieses Massaker jährt sich am Dienstag auch
zum 70. Male und wir schließen diese Opfer und die vieler anderer Gräueltaten in unser Gedenken ein. Ich
bin Bundespräsident Gauck und Präsident Hollande unendlich dankbar, dass sie im letzten Jahr diesen so
symbolischen Ort des Grauens gemeinsam besucht und die rechten Worte der Trauer, der Schuld und der
Verantwortung gefunden haben - und damit der Versöhnung zwischen den Menschen und unseren Völkern
Ausdruck verliehen.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist seit Jahrzehnten verantwortlich für die deutschen
Kriegsgräberstätten im Ausland und hat auch diesen würdigen, wunderbaren Friedhof gestaltet. Ich möchte
an dieser Stelle Herrn Tisserand danken, der mit hohem Einsatz und großer Professionalität für uns vor Ort
diese Aufgabe wahrgenommen hat und für alle Angehörigen und Gäste ein engagierter und verständnisvoller
Gesprächspartner und Ratgeber war. Er wird nun nach 25 Jahren diese Verantwortung abgeben. Wir
wünschen ihm auf seinem weiteren Weg alles Gute und Gottes Segen.
Wie alle Soldatenfriedhöfe und Kriegsgräberstätten wird La Cambe mit dem Sterben der Angehörigen und
Zeitgenossen immer mehr zu einem Gedenk- und Lernort für die folgenden Generationen. Seit langem bringt
der Volksbund hier und an vielen anderen vergleichbaren Orten junge Menschen aus den ehemals feindlichen
Ländern zusammen, um miteinander zu arbeiten und sich mit unserer schwierigen Geschichte zu
beschäftigen. In diesen Begegnungen wird Versöhnung selbstverständlich gelebt und Zukunft eröffnet. Junge
Menschen lernen hier, dass sie nicht mehr Teil gelenkter Gesellschaften sind wie in den Zeiten der
Weltkriege, sondern freie und verantwortliche Bürger in einem geeinten Europa, die Verantwortung tragen
für die gemeinsame Zukunft.
Wie auch damals schon Einzelne Mut bewiesen und Menschlichkeit lebten - und auch solche ruhen auf
diesem Friedhof, so trägt heute jeder Einzelne eine Mitverantwortung für unsere Zukunft.
Man kann gewiss die Europäische Union die Gestalt gewordene Lehre aus den Schrecken der ersten Hälfte
des letzten Jahrhunderts bezeichnen. Hier haben wir Strukturen entwickelt, durch die wir unterschiedliche
Interessen ausgleichen und im Dialog gemeinsame Perspektiven erstreiten. Diese müssen wir stärken, denn
wir werden die Herausforderungen der Zukunft nur gemeinsam bewältigen können.
Gleichzeitig aber bleibt unsere Verantwortung für Recht und Freiheit. Ich bin froh, dass Präsident Hollande
und Kanzlerin Merkel vorgestern mit Präsident Putin und Präsident Porochenko zusammengetroffen sind
und so dieser gemeinsamen Verantwortung Nachdruck verliehen haben.
Möge dies für die Ukraine zu Recht und Frieden beitragen.
Eine Lehre der Vergangenheit ist eben auch, dass Freiheit gelebte Solidarität braucht. So sollen sich auch in
Zukunft gefährdete Nachbarn auf uns verlassen können.
Über all das lässt sich hier an den Gräbern nachdenken, wenn wir nach der stillen Botschaft der Kriegstoten
fragen. Lassen Sie uns, jeder an seinem Ort, alles dafür tun, dass solch vieltausendfaches Sterben nicht
wieder geschieht.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.