Wenn der Internetzugang das Tor zu einer anderen Welt öffnet
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Wenn der Internetzugang das Tor zu einer anderen Welt öffnet
Im Mittelpunkt Quersumme 2 /10 – Seite 8 Im Mittelpunkt Quersumme 2 /10 – Seite 9 Wenn der Internetzugang das Tor zu einer anderen Welt öffnet Wie Internet im tiefsten Busch bezahlbar wird Im Gemeinschaftshaus von Chikanta wird schon an Computern gearbeitet, ... ... den Strom liefert das Notstromaggregat vor dem Haus. Das Internet wird ihnen neue Chancen eröffnen. Strohgedeckte, traditionelle Häuser und rote Erde prägen das Bild von Macha im Süden Sambias. Test der Funkverbindung auf dem Wasserturm von Macha. Mit preiswerten Routern und einer robusten Technologie wollen Fraunhofer-Forscher das Internet auch in abgelegene Regionen dieser Welt bringen. Das Projekt heißt »Networks for Developing Countries«, kurz »Net4DC«, und wird Menschen in Entwicklungsländern völlig neue Perspektiven eröffnen – zum Beispiel in Afrika. Schon von Weitem ist das Knattern des Generators zu hören, der unter einem runden Strohdach vor dem Gemeinschaftshaus von Chikanta steht. Als Karl Jonas den schlichten Flachbau betritt, sieht er, warum draußen das Aggregat auf Hochtouren läuft. Es liefert Strom für die Computer und Röhrenmonitore, die auf einfachen Holztischen stehen. Gebannt schauen junge Afrikanerinnen und Afrikaner auf die Bildschirme. Nach der herzlichen Begrüßung verraten sie dem deutschen Professor: »Wir lernen, wie man mit einem Computer umgeht. Bald wird es bei uns in Chikanta auch Internet geben.« Seit seinem Besuch in dem kleinen sambischen Dorf Chikanta weiß Professor Karl Jonas vom Fraunhofer FOKUS, wie sehnsüchtig die Menschen im ländlichen Afrika auf einen Zugang zum Internet warten. Jonas hofft, möglichst vielen Menschen möglichst bald diesen Zugang zu verschaffen – mithilfe des Projekts Net4DC, bei dem mit kostengünstigen Routern ein Netzwerk von Funkstrecken aufgebaut werden soll. Installiert werden die Router auf einfachen Masten. Die Stromversorgung erfolgt Achim Marikar hat Router und Antennen aus Deutschland mitgebracht. Per Satelliten-Verbindung hat Macha Zugang zum Internet. Gertjan van Stam baut mobile Internetcafés für Afrika .... ... in Schiffscontainern, die er mit Satelliten schüssel und Dieselaggregat versieht. durch Solarzellen oder Windenergie. Damit das Netz auch für den Mobilfunk genutzt werden kann, werden die Router mit einer GSMSchnittstelle versehen. Karl Jonas‘ Engagement für Afrika begann 2009 in Holland – bei einem Workshop der Global Research Alliance (GRA), einem weltweiten Zusammenschluss führender Forschungsorganisationen, die sich der Umsetzung der Milleniumsziele der Vereinten Nationen verschrieben haben und zu denen auch die Fraunhofer-Gesellschaft gehört. Neben der Verbesserung der medizinischen Versorgung in Entwicklungsländern gehört auch der Aufbau der Internetkommunikation in Ländern der Dritten Welt zu den Zielen der GRA. Bei jenem Workshop lernte Karl Jonas den Mann kennen, der ihm die Brücke nach Afrika baute: Gertjan van Stam, einen ehemaligen Mitarbeiter der holländischen Telekom, dessen Frau in dem kleinen sambischen Ort Macha als Ärztin in einem Malariakrankenhaus arbeitet. Van Stam hat begonnen, in Macha ein Telekommunikationsnetz zu installieren – für Karl Jonas die ideale Basis, um erste Erfahrungen mit dem Aufbau einer Internetversorgung für abgelegene Landstriche zu sammeln. Im Sommer 2009 reisen Jens Mödeker und Achim Marikar als erstes Team vom Fraunhofer FOKUS nach Macha – und finden sich mitten im bunten afrikanischen Dorfleben wieder. Rote Erde, niedrige Häuschen aus Lehmziegeln, Frauen in farbenfrohen Tüchern, viele tragen ein Kind auf dem Rücken. Vor dem Krankenhaus, in dem Gertjan van Stams Frau arbeitet, haben sich Familien unter einem Regenschutz niedergelassen. Sie sind hier, um ihre Angehörigen im Krankenhaus zu versorgen – mit Maisbrei und Gemüse, das sie auf kleinen Feuerstellen zubereiten. Mobile Internetcafés – irgendwo in Afrika In Macha zeigt Gertjan van Stam den beiden deutschen Ingenieuren, wie er mit einer genialen Idee und viel Enthusiasmus mobile Internetcafés für Afrika baut. Die von dem Niederländer gegründete kleine Firma LinkNet kauft alte Schiffscontainer, trennt einen schmalen Raum für das Dieselaggregat ab, stellt Tische mit ausrangierten Computern hinein und setzt eine Satellitenschüssel obendrauf. Mit dem Lkw kann das Internetcafé einfach transportiert und im Busch aufgebaut werden – irgendwo in Afrika. Gertjan van Stam weiß, wie wichtig der Zugang zum Internet für die Menschen hier ist. Er sagt: »Wenn wir Europäer das Internet benutzen, sehen wir einen Spiegel unserer Welt. Wenn Afrikaner ins Internet schauen, blicken sie aus dem Fenster und sehen in eine andere Welt – mit allen Vor- und Nachteilen.« In Sambia kann man bisher nur in den Städten das Internet nutzen oder mit dem Handy telefonieren. Da das Land sehr dünn besiedelt ist – auf einer Fläche von der doppelten Größe Deutschlands leben rund zwölf Millionen Einwohner – konnten in den ländlichen Regio- Im Krankenhaus von Macha wird schon moderne Technik eingesetzt. nen noch kaum Kommunikationsmöglichkeiten aufgebaut werden. Auch der Betrieb von Mobilfunkmasten ist wegen des fehlenden Stromnetzes äußerst schwierig. Die wenigen bisher existierenden Masten erhalten ihren Strom von einem Dieselaggregat, welches vom Mobilfunkbetreiber regelmäßig betankt werden muss. In Macha, das mitten auf dem Land und 80 Kilometer von der nächsten asphaltierten Straße entfernt liegt, gibt es dank des Engagements der Hilfsorganisation Macha Works bereits eine Satelliten-Verbindung, die den ganzen Ort mit Internet versorgt. Hier wollen Achim Marikar und Jens Mödecker anknüpfen, um als erste Versuchsstrecke eine Internetverbindung ins 3 Kilometer entfernte Ubuntu aufzubauen. Gemeinsam mit einheimischen Technikern installieren die beiden auf dem Wasserturm von Macha einen handelsüblichen Router und eine einfache Gitter-Parabolantenne mit Richtfunkcharakteristik. Bei der Auswahl der Antenne haben sie sich für ein Fabrikat aus Südafrika entschieden, das in Sambia erhältlich ist und daher für den weiteren Ausbau vor Ort genutzt werden kann. Preisgünstige Router auf selbst gebauten Masten Die Empfangsstation in Ubuntu haben die Einheimischen schon vorbereitet – einen rund sechs Meter hohen Mast, den sie selbst aus Baustahl gefertigt haben. Hier montieren die Eine Gitter-Parabolantenne stellt die Verbindung von Macha nach Ubuntu her. alle Fotos © Fraunhofer FOKUS Ingenieure als Empfangsstation eine Parabolantenne mit Router. Dazu kommt ein zweiter Anschluss mit Rundstrahlantenne, der das Funksignal auf die umliegenden Gebäude verteilt – darunter die Grundschule und das Büro der örtlichen Wasserverwaltung. Achim Marikar macht die Zusammenarbeit mit den Afrikanern Spaß, auch wenn nicht gleich alles sofort erledigt wird: »Die Arbeitsatmosphäre ist einfach toll, weil die Leute in Sambia sehr freundlich sind.« Drei Monate nachdem Achim Marikar und Jens Mödeker die Router installiert haben, fliegen Karl Jonas und sein Mitarbeiter Mathias Kretschmer nach Macha. »Mein Bild von Afrika war bisher von Medienberichten geprägt. Es hat sich bereits nach wenigen Tagen dramatisch gewandelt«, bekennt Jonas. Statt Hunger, Krieg oder Naturkatastrophen erlebt er überaus freundliche Menschen, die alle genug zu essen haben. »Im kleinsten Dorf im Busch gibt es Schulen, in denen die Kinder Englisch lernen. Das ist eine gute Basis, auf der wir aufbauen können.« Bei der Zusammenarbeit mit den Technikern aus Macha wird Jonas auch klar, auf welches Fachwissen sein Team die Bedienung der Router zuschneiden muss: »Ein hoch qualifizierter Techniker in Macha würde bei uns nicht einmal eine Praktikantenstelle bekommen.« Aus dieser Erkenntnis ergibt sich ein wichtiges Fazit: Die Router müssen so intelligent sein, dass sie sich nach Fehlbedienungen selbst wieder in einen funktionstüchtigen Zustand bringen. Nicht nur beim Besuch des Gemeinschaftshauses von Chikanta erfährt Jonas, wie wichtig das Internet für Afrika ist. In Macha lernt er auch Fred kennen, der über die Satellitenverbindung des Krankenhauses ein Fernstudium an einer Universität in Südafrika begonnen hat. »Wenn wir Dörfer an das Internet anschließen, können die Menschen dort auf Informationen und vielfältige Bildungsangebote zugreifen«, folgert Jonas. »Daher ist der Aufbau eines flächendeckenden Kommunikationsnetzes ein wichtiges Instrument gegen die Landflucht.« Internationales Interesse an Net4DC Von Macha aus reisen Karl Jonas, Mathias Kretschmer und Gertjan van Stam nach Maputo in Mosambik, wo sie gemeinsam mit FOKUSMitarbeiter Burak Simsek an der AFRICOMM 2009 teilnehmen – der ersten internationalen Konferenz zum Aufbau elektronischer Kommunikationsnetze in Entwicklungsländern. Bei der Konzeption der AFRICOMM war Professor Radu Popescu-Zeletin, Leiter des Fraunhofer FOKUS, federführend beteiligt. »Gemeinsam mit Konzernen wie IBM oder Sony Ericsson haben wir mit der AFRICOMM einen Thinktank für IT-Lösungen in Entwicklungsländern geschaffen«, erläutert Popescu-Zeletin. Viele Netzbetreiber und Komponentenhersteller sind an einer Zusammenarbeit mit Net4DC interessiert – allen voran France Télécom. Das Unternehmen ist seit Langem in Afri- Karl Jonas arbeitet eng mit den afrikanischen Partnern zusammen. ka präsent und einer der wichtigsten Teilhaber am SAT-3 / WASC-Glasfaser-Unterseekabel, das von Europa aus entlang der westafrikanischen Küste bis nach Südafrika verläuft. Von diesem Unterseekabel aus gibt es auch eine Glasfaserverbindung nach Lusaka, der Hauptstadt von Sambia. Jonas und sein Team wollen mit ihrem Funknetz an diese Glasfaser anknüpfen – um so die horrend hohen Gebühren für die Satellitenverbindung zu sparen. Mit dem Feldversuch in Sambia hat Net4DC erste Anhaltspunkte gesammelt, die zeigen, in welche Richtung die Entwicklung gehen muss. Noch ist viel zu tun. Vor allem gilt es, Fördergelder zu beantragen – bei der EU, beim BMBF und beim BMZ, dem Bundes ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Karl Jonas ist mehr als motiviert, hier schnell voranzukommen. »In den meisten unserer Projekte geht es darum, den Mobilfunk schneller und besser zu machen«, erläutert der Informatiker. »Bei Net4DC bekommt unsere Arbeit einen ganz anderen Sinn: Jetzt bringen wir mit unserer Technologie Information und Ausbildung zu Menschen, die bislang davon ausgeschlossen waren. Wir öffnen ihnen damit das Tor zur Welt.« Karl Jonas hofft, dass er noch in diesem Jahr die Richtfunkstrecke in das 20 Kilometer von Macha entfernte Chikanta fertigstellen kann. Dann können die Computer im Gemeinschaftshaus endlich ans Netz gehen – und die kühnsten Hoffnungen der Dorfbewohner würden sich erfüllen. Pater Patrick aus Chikanta hatte Achim Marikar sogar per Post einen Brief nach Deutschland geschickt, in dem er schreibt: »I hope that proposals are going through. My village needs a communication system, that will become a backbone of development en deavors.« Christine Broll Net4DC – Net for Developing Countries Seit Jahresbeginn betreibt das Fraunhofer FOKUS Net4DC als Projekt. Als internationales Zentrum für Informations- und Kommunikationstechnologien in Entwicklungsländern will Net4DC gemeinsam mit Partnern aus den Zielregionen maßgeschneiderte ITInfrastrukturen und Kommunikationsnetzwerke erarbeiten und bereitstellen. Im Rahmen von Net4DC haben sich Fraunhofer-Einrichtungen mit entsprechenden Kompetenzen zusammengefunden: Neben FOKUS sind das AICOS (Portugal), FIT, HHI, IFAM, IIS, ISE, IWES und IZM. Im Sommer ist ein Workshop mit NGOs (Nicht-RegierungsOrganisationen) wie »Ärzte ohne Grenzen« geplant, um mit erfahrenen Praktikern die konkreten Anforderungen für Net4DC zu diskutieren. Zudem investieren NGOs einen großen Teil ihrer Mittel in die Satellitenkommunikation – Gelder, die bei Verwendung (preiswerterer) terrestrischer Verbindungen für die Kernarbeit frei würden. >>> www.net4dc.org