Fasten in der russisch-orthodoxen Kirche – das
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Fasten in der russisch-orthodoxen Kirche – das
Fasten in der russisch-orthodoxen Kirche – das Philippus-Fasten in der Adventszeit steht bevor Viele Religionen kennen Tage oder Perioden des Fastens. Bereits im alten Ägypten war das Fasten nachweisbar bekannt. Das Judentum kennt mehrere Fastentage; so wird der Zerstörung des Tempels in Jerusalem am neunten Tage des Monats Av und der Versöhnungstag Jom Kippur mit einem 25-stündigen Nahrungsverzicht gedacht. Auch die Bahai-Religion kennt eine Fastenzeit im Monat Ala und in der Askese-Kultur Ostasiens und im Hinduismus spielt die Enthaltsamkeit eine Rolle. Grundsätzlich sollte nach der in den orthodoxen Kirchen verbreiteten Ansicht jeder Gläubige seine Fastenregeln „mit Gott“, sich selbst und seinem Priester oder Beichtvater abklären. Fasten „auf eigene Faust“ wird nicht empfohlen, und das Beten sowie die striktestmögliche Enthaltung von den Sünden, nicht der Nahrungsverzicht, gelten als der wichtigere Teil des Fastens. Alles Folgende ist also als Vorschlag zu verstehen und wird zumindest in der heutigen Zeit nur noch von einer kleinen Minderheit von Gläubigen komplett eingehalten. Die orthodoxe Kirche orientiert sich bei ihren Fastenregeln auch heute noch an den Regeln der Kirchenväter der ersten Jahrhunderte. Sie wurde von Anfang an stark durch das Mönchtum und das monastische Leben beeinflusst. Daher finden sich in der Orthodoxie – stärker als im Westen - mehr asketische Elemente wie das Fasten. Ohne das Fasten würde – ebenso wie ohne das tägliche Beten – eine Hauptfacette orthodoxen Glaubens fehlen. In der Abschwächung der Fastenregeln in der Westkirche im Laufe der Jahrhunderte (Verkürzung der Adventsfastenzeit von sechs auf vier Wochen, Zulassung von Milch etc.), hat man in der Orthodoxie eine Verwässerung und damit Abweichung vom ehemals einheitlichen Glauben gesehen. Eine Tatsache, die dazu geführt hat, dass die Ostkirchen sich auch heute noch als Bewahrer des rechten Glaubens, also rechtgläubig (=orthodox), verstehen. „Strenges Fasten“ bedeutet ein streng veganes Fasten, bei dem außer Honig keinerlei tierische Produkte verzehrt werden, außerdem werden weder Öl noch Alkohol konsumiert. Dagegen sind beim „Leichten Fasten“ Wein, Öl und Weichtiere erlaubt. An speziellen Fastentagen ist zusätzlich noch Fisch erlaubt. (Für orthodoxe Mönche gelten weitere Regeln; so wird teilweise gänzlicher Nahrungsverzicht bis 15:00 Uhr praktiziert, wird generell montags gefastet und in den strengsten Klöstern kann ein einziges Ei am Ostersonntag das maximal Erlaubte an tierischen Lebensmitteln sein.) In der orthodoxen Kirche gibt es vier mehrtägige Fastenzeiten: Die Philippus-Fastenzeit, die dem westlichen Advent und der Vorbereitung auf Weihnachten entspricht, dauert vom 28. November bis 6. Januar. Sie ist nach dem Apostel Philippus benannt, da es nach dessen Gedenktag am 14. November (Julianischer Kalender/Gregorianischer Kalender: 27.11.) beginnt. Das Philippus-Fasten wird in den kirchlichen Büchern seit dem 4. Jahrhundert erwähnt, in der heutigen Form stammt es aus dem 12. Jahrhundert. Je nach Tradition gibt es verschiedene Fastenstufen. Fisch, Wein und Öl sind in der Philippus-Fastenzeit samstags und sonntags erlaubt, Wein und Öl dienstags und donnerstags. Montags, mittwochs und freitags sind weder Wein noch Öl zulässig. Das bedeutet, dass der Speiseplan an diesen Tagen also praktisch nur aus Gemüse, das ohne Öl gekocht oder gedünstet wird, Kartoffeln und Brot besteht, wobei gewöhnlich Getreide, Buchweizen, Pilzen, Nüssen oder Hülsenfrüchten besondere Bedeutung zukommt. Wein und Öl sind an diesen Tagen auch gestattet, wenn ein Gedenktag eines wichtigen Heiligen auf diesen Tag fällt. In den Zeiten vom 20.-24. Dezember bzw. vom 2.-6. Januar geht es strenger zu – hier ist selbst samstags und sonntags kein Fisch erlaubt. Der unmittelbare Vortag vor Weihnachten (Heilig Abend) ist ein strenger Fastentag und die Fastenzeit endet „mit dem ersten Stern des Heiligen Abends“. Die Verschiebung des Weihnachtsfestes ergibt sich aus der Verwendung des Julianischen Kalenders im Orthodoxen Kirchenjahr, der dem seit 1582 eingeführten Gregorianischen Kalender um aktuell 13 Tage zurückgeblieben ist. In der Katholischen Kirche hatte Gregor von Tours (+ 594) beginnend nach Martini eine vierwöchige Fastenzeit eingeführt. Darauf gehen das Martinsgansessen und die karnevalistischen Gebräuche am 11.11. zurück. Das Wort Karneval wird auch auf carne levare – Fleisch wegnehmen oder carne vale – Fleisch, lebe wohl! zurückgeführt. Über die Jahrhunderte wurde der Fastengedanke abgeschwächt, bis er schließlich seit 1917 aus dem Kirchenrecht gestrichen wurde. Die Heilige und Große vierzigtägige Fastenzeit beginnt sieben Wochen vor Ostern und dauert bis zum Freitag vor dem Lazarus-Samstag an. An die große Fastenzeit schließt unmittelbar das Fasten des Lazarus-Samstages, des Palmsonntages und der Karwoche an. Der Fastenbrauch zur Vorbereitung von Ostern soll an die 40 Tage erinnern, an denen Jesus fastend und betend in der Wüste verbrachte. Die erste Vorfastenwoche ist fastenfrei, in der zweiten wird mittwochs und freitags streng gefastet und die dritte wird auch als Milch- oder Butterwoche bzw. Masleniza bezeichnet, in der kein Fleisch mehr, aber ausgiebig Milch, Milchprodukte und Eier verzehrt und regional verschiedene karnevalistische Gebräuche gepflegt werden. In der ersten bis sechsten Fastenwoche gilt Strenges Fasten, wobei am ersten Tag (Reiner Montag) Enthaltsamkeit bis mindestens 15:00 Uhr geübt wird und an den Wochenenden Leichtes Fasten erlaubt ist. In der (siebenten) Großen Woche (Karwoche) gilt durchgehend Strenges Fasten und am Karfreitag wieder Enthaltsamkeit bis 15:00 Uhr. Als Passionszeit (evangelisch) bzw. Österliche Bußzeit (katholisch) bezeichnet man im christlichen Kirchenjahr die Zeit zwischen Aschermittwoch und Karsamstag. Martin Luther sprach sich gegen eine Fastenzeit aus, da er die Gefahr sah, Gott gefallen zu wollen. Die Katholische Kirche sieht ein Fasten von Aschermittwoch bis Ostern vor, an denen kein Fleisch zu sich genommen werden sollte und am Tag je eine sättigende Mahlzeit und eine weitere kleine Stärkung erlaubt sind. In den letzten Jahren wurde es zu geistlicher Praxis, auf liebgewonnene Gewohnheiten wie gut essen, rauchen, Alkohol zu trinken oder das Fernsehen zu verzichten. Die karnevalistischen Gebräuche gehen analog wie am 11.11. auf das dann beginnende Fasten zurück. Die Apostel-Fastenzeit, in der ein leichtes Fasten gilt (Genehmigung von Fisch, Öl und Wein außer Montag, Mittwoch und Freitag möglich), dauert vom ersten Sonntag nach Pfingsten bis zum Fest Petrus und Paulus am 12. Juli. Die Dauer hängt vom Osterdatum ab; dieses Fasten kann längstens sechs Wochen dauern, am kürzesten nur acht Tage. Der Ursprung liegt weit zurück, sie wurde schon in den Apostolischen Konstitutionen vorgeschrieben und häufig seit dem 6. Jahrhundert erwähnt. In der Mariä-Entschlafenen-Fastenzeit wird vom 14. bis zum 28. August streng gefastet. Öl und Wein dürfen nur samstags/sonntags und am 19.8. (auch wenn der auf einen Mittwoch oder Freitag fällt) verzehrt werden. Mehrfach berichtet auch das Alte Testament vom Fasten als Zeichen der Trauer; so fastete König David nach dem Tod seines Sohnes Abschalom. Es entwickelte sich eine Praxis, dass man zweimal pro Woche, Mittwoch und Freitag, (teil)fastete außer in den Wochen direkt nach Ostern und Pfingsten (Oktav) und in den zwei Wochen nach Weihnachten. Die Katholische Kirche sah bis 1960 eine Fleischenthaltsamkeit freitags vor, was jedoch durch eine andere Einschränkung abgelöst werden kann. Während der Fastenzeiten sollte sowohl die Anzahl der täglichen Mahlzeiten wie auch deren Gehalt eingeschränkt werden. An Samstagen und Sonntagen wird das Fasten jeweils um eine „Stufe“ gelockert. Das Fasten der Katechumenen vor der Taufe gab es schon im Frühchristentum, die Fastenzeiten vor den höchsten Festen Ostern und Weihnachten kamen später hinzu. Darüber hinaus gibt es noch spezielle Regeln für einzelne Tage; so ist für den 18.1., 11.9. und 27.9. (Kreuzerhöhung) ebenfalls Fasten vorgesehen. Wenn wir uns also in Russland wie gewohnt auf die Adventszeit einstimmen und sicher auch heimisches Brauchtum bei Adventskranz, Kerzenschein und geschmücktem Wohnumfeld pflegen, dann sollten wir daran denken, dass unsere Vorfahren in diesen Tagen Verzicht geübt haben. Für meine Großmutter war es beispielsweise undenkbar, dass die bereits im November gebackenen und eingelagerten Stollen vor dem Heiligen Abend angeschnitten wurden. So werden einige unserer russischen Freunde, Bekannten oder Geschäftspartner auch die PhillippusFastenzeit praktizieren. Bei unserer Einkehr zur Adventszeit lassen sie uns also auch daran denken, wie die orthodox geprägten Menschen in unserem Gastland diese besondere Zeit im Jahr begehen. Steffen Hillmann