Untergriffe sind abzulehnen

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Untergriffe sind abzulehnen
Samstag/Sonntag, 4./5. März 2006
der Standard 7
INLAND
„Untergriffe sind abzulehnen“
Bundespräsident Heinz Fischer erklärt sein
Unbehagen mit den ÖVP-Plänen zum „Haus der
Geschichte“ und wünscht sich eine unabhängige
Kommission. Barbara Tóth und Michael Völker
klärt Fischer auf, warum ihm die Ortstafelfrage
nicht auf die Nerven gehen darf.
Standard: Bundeskanzler Wolf-
gang Schüssel hat zwei seiner
Minister mit der Planung für
ein Haus der österreichischen
Zeitgeschichte beauftragt. Was
halten Sie von dieser Initiative?
Fischer: Die Bemühungen, ein
Haus der Geschichte einzurichten, sind viele Jahre alt.
Ich habe auch in meiner Neujahrsansprache dieses Thema
angeschnitten. Im Jänner hat
mir der Bundeskanzler gesagt,
dass die Ressortminister
Gehrer und Platter an Überlegungen dafür arbeiten, er
mich zeitgerecht darüber informieren wird und endgültige Entscheidungen
noch nicht getroffen wurden.
Standard: Und hat
er Sie inzwischen informiert?
Fischer: Noch nicht.
Ich glaube, das wird
in den nächsten
Wochen
stattfinden. Ich glaube, da
ist eine Äußerung
über einen möglichen Standort gemacht worden, nämlich beim Heeresgeschichtlichen Museum, aber
die inhaltliche Konzeption
wird unter Einbindung von
Wissenschaftern auf einer
möglichst breiten politischen
Basis zu diskutieren sein.
Standard: Ist dieser Standort
im Arsenal, im dritten Wiener
Bezirk in der Nähe des Südbahnhofs, ideal?
„
Man sollte ganz
deutlich demonstrieren
und sicherstellen,
dass das ,Haus der
Geschichte‘ als absolut
überparteiliches und
objektives Projekt
geplant ist.
“
Fischer: Mehrere Standorte
sind denkbar, ich schließe keinen aus. Manche sprechen
auch vom Karlsplatz als denkbaren Standort. Das kann man
nicht isoliert von der Frage der
inhaltlichen Gestaltung entscheiden. Jetzt liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, die Endentscheidung steht noch aus.
Standard: Derzeit gibt es Kritik,
unter anderem von den Initiatoren der Belvedere-Jubiläumsausstellung, dass das Projekt
von der ÖVP dominiert ist.
Fischer: Man sollte ganz deutlich demonstrieren und sicherstellen, dass es als absolut
überparteiliches und objektives Projekt geplant ist – unabhängig von Legislaturperioden und Regierungen. Es hat
mehrere Projekte in letzter
Zeit gegeben, bei denen es außer Streit stand, dass sie überparteilich und objektiv sind:
Historikerkommission,
Nationalfonds für NS-Opfer,
Entschädigungsfonds
für
Zwangsarbeiter. Inhaltlich ist
das nicht vergleichbar, aber
bei einem Haus der Zeitgeschichte muss in gleicher
Form und Weise dokumentiert sein, dass es kein Parteiprojekt, sondern ein Republiksprojekt ist.
Standard: Diese Institutionen
sind dem Präsidium des Nationalrats unterstellt. Soll auch
das Haus der Geschichte dort
landen?
Fischer: Das ist sicher ein
denkbarer Weg, weil er an gute
Erfahrungen anknüpft. Aber
ich will kein Namedropping
machen. Mein Grundsatz ist:
Ja zum Museum, Ja zur einer
bestmöglichen wissenschaftlichen Erarbeitung und Ja
zur
Vermeidung
parteipolitischer
Einseitigkeit. Das
wird ein Projekt für
die nächsten Jahrzehnte sein – und
nicht für die Zeit bis
zur Wahl.
Standard: Zeitgeschichte ist ein
dehnbarer Begriff. Wo soll so
ein Museum beginnen?
Fischer: Niemand soll sagen,
der Bundespräsident hat inhaltliche Vorgaben gemacht.
Persönlich meine ich aber,
dass man mit der Gründung
der Republik samt Vorgeschichte einsetzen müsste.
Das 20. Jahrhundert müsste
voll abgedeckt sein.
Standard: In anderen Ländern
heißen vergleichbare Häuser
Nationalmuseum. Ist das auch
für Österreich passend?
Fischer: Wir können nicht bei
den Markomannen oder Babenbergern beginnen. Insofern trifft der Arbeitstitel
„Haus der Zeitgeschichte“
das, was geplant ist.
Standard: Ihre Amtszeit geht
weit über die aktuelle Legislaturperiode hinaus. Verstehen
Sie sich als Garant für dieses
Museumsprojekt?
Fischer: Es liegt mir am Herzen, und das wird auch über
das Ende dieser Legislaturperiode so bleiben. Ich kann garantieren, dass ich, wie immer
die nächste Regierung zusammengesetzt sein wird, die gleichen Prinzipien vertreten
werde.
Standard: Stichwort nächste
Regierung: Der Nationalratswahlkampf hat mehr oder weniger begonnen. Die Parteien
beschweren sich über das Dirty
Campaigning der jeweils anderen. Fürchten Sie einen besonders schmutzigen Wahlkampf?
Fischer: Grundsätzlich fürchte
ich mich in der österreichischen Politik vor nichts. Aber
natürlich wünsche ich mir,
dass sich der Wahlkampf in
einem Rahmen abspielt, den
man vertreten kann. Ich selbst
war Kandidat bei den letzten
zwölf Nationalratswahlen und weiß,
dass es da auch Aspekte gibt, die weniger erfreulich sind.
Dennoch haben sich
Bundespräsidenten
in Österreich bei
Kommentierungen
des
Wahlkampfes
immer sehr zurückgehalten, das soll
auch so bleiben. Meine Hoffnung ist, dass jenes Maß an
Härte, wie es in Demokratien
bei Nationalratswahlen üblich
ist, nicht überschritten wird.
Untergriffe sind abzulehnen.
Standard: Es gibt Vorschläge
für ein Fairnessabkommen,
gerichtshof und gegen einzelne Mitglieder des VfGH Stellung nehmen, ein großes Problem.
das hat es im Präsidentschaftswahlkampf zwischen ÖVP und
SPÖ auch gegeben. Würden Sie
ein solches Fairnessabkommen unterstützen, oder wäre
das nur eine Alibiaktion?
Fischer: Wenn man sich nicht
Wunder von einem Fairnessabkommen erwartet, bin ich
dafür. Wenn man in einem
Fairnessabkommen einfach
die zu Papier gebrachte Absicht erblickt, ein Mindestmaß
an politischer Kultur auch im
Wahlkampf aufrechtzuerhalten, dann ist das etwas sehr
Vernünftiges. Man darf nur
nicht in der Bevölkerung den
Eindruck erwecken, wenn
man ein Fairnessabkommen
abschließt, werden sich die
Parteien nur mehr mit Glacéhandschuhen anfassen und
sich nur Freundlichkeiten sagen. Das darf man nicht erwarten. Aber ich glaube, wenn ein
Fairnessabkommen zustande
kommt, ist das ein positiver
Schritt. Weil es zeigt, dass
man auch in dieser schwierigen Zeit des Wahlkampfes
miteinander reden kann und
sogar konsensfähig bleibt.
Standard: Gibt es eine
Schmerzgrenze im Wahlkampf, wo Sie als Präsident
eingreifen würden?
Fischer: Sicher. Aber das müssen Sie mir überlassen, nach
bestem Wissen und Gewissen
zu entscheiden, wenn sich
eine Notwendigkeit ergeben
sollte. Ich will nicht Situationen heraufbeschwören oder
an die Wand malen. Wenn
sich etwas Außerordentliches
ereignen würde, würde ich
das tun, was ein Bundespräsident zu tun hat, dem eine vernünftige und friedliche Entwicklung des Landes am Herzen liegt. Man darf nicht vergessen, dass es auch einen Tag
nach der Wahl gibt, wo man
miteinander nicht nur wieder
reden, sondern
auch arbeiten
muss.
Standard: ÖVPGeneralsekretär
Lopatka hat unlängst versucht,
Sie als Bundespräsident in der
Ortstafelfrage in
die Pflicht zu
nehmen. Das sei nicht bloß im
Verantwortungsbereich
des
Bundeskanzlers, sondern auch
in Ihrem.
Fischer: Dass der Generalsekretär der ÖVP auf diese Art
Standard: Ganz direkt und offen gefragt: Geht Ihnen das
nicht schon auf die Nerven,
was in Kärnten passiert?
Fischer: Wissen Sie, man muss
mit Ruhe und Klugheit operieren und darf sich nicht im Sinne von „es geht mir auf die
„
Wissen Sie,
in der Ortstafelfrage
muss man mit Ruhe
und Klugheit operieren
und darf sich nicht
im Sinne von ,es geht
mir auf die Nerven‘
artikulieren.
“
Nerven“ artikulieren. Es geht
um den reibungslosen und
korrekten Umgang mit unseren
verfassungsrechtlichen
Spielregeln und mit der politischen Kultur, die notwendig
ist, damit das demokratische
System funktioniert. Die Demokratie braucht demokratiefähige Politiker.
Wenn es um den Ortstafelkonflikt geht, greift Bundespräsident
Foto: Cremer
Heinz Fischer zur Bundesverfassung.
Vertrauen in den Bundespräsidenten
zum
Ausdruck
bringt, freut mich natürlich
sehr. Aber die Verfassung hat
ganz klare Spielregeln über
die Rolle des Bundespräsidenten bei der Durchsetzung von
Erkenntnissen
des VfGH. Ich
verweise
auf
den Artikel 146,
Absatz 2
der
Bundesverfassung, in dem es
heißt, dass die
Exekution eines
Erkenntnisses
des VfGH durch
den Bundespräsidenten erfolgt, wenn der Antrag auf Exekution eines Erkenntnisses vom Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten gestellt wurde. Wie
Ihnen der Präsident des VfGH
sicher bestätigen wird, ist ein
solcher Antrag nicht gestellt
worden, damit ist der Bundespräsident auch nicht im verfassungsrechtlichen Sinn am
Ball.
Standard: Dieses Exekutionsrecht ist nur eine Notlösung,
der letzte Ausweg?
Fischer: Es ist die Ultima Ratio. Ich betrachte mich für legitimiert einzumahnen, dass der
VfGH nicht nur respektiert
wird, sondern dass alle Institutionen auf Bundes-, Landesund Gemeindeebene dazu beitragen und daran mitwirken,
dass ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes umgesetzt
wird. Ein Exekutionsantrag
wurde bisher nicht gestellt.
Momentan sind Wortmeldungen, die in sehr eindeutiger
Weise gegen den Verfassungs-
Standard: Aber es ist doch offensichtlich, dass die Weigerung des Kärntner Landeshauptmannes, zweisprachige
Ortstafeln aufzustellen, in erster Linie nur wahltaktische
Gründe hat.
Fischer: Das dürfen Sie sagen,
und es würde mir schwer fallen, diese Annahme zu widerlegen. Aber ich spekuliere
nicht über wahltaktische
Überlegungen, sondern argumentiere zugunsten des
Rechtsstaates.
Standard: Würden Sie eine Patenschaft für eine zweisprachige Ortstafel übernehmen?
Fischer: Ich übernehme die
Patenschaft für die Verfassung
und für ein friedliches und
vernünftiges Zusammenleben
der Volksgruppen auch in
Kärnten.
ZUR PERSON: Der promovierte Verfassungsjurist Heinz Fischer (66) ist seit Juli 2004 Bundespräsident. Davor war der
ehemalige SPÖ-Vize zwölf Jahre lang Nationalratspräsident.
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