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Aus-, Fort- und Weiterbildung ENN-ICS – Multilinguales LernmanagementSystem für die Schlafmedizin Brigitte Knobl1, Teresa Paiva2, Dieter Jungmann3, Rico Böhme4, Thomas Penzel1 1 Klinikum der Philipps-Universität, Schlafmedizinisches Labor, Marburg, Deutschland 2 Centro de EEG e Neurofisiologia Clínica, Lda, Lissabon, Portugal 3 Robotron Datenbank-Software GmbH, Dresden, Deutschland 4 Technische Universität, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Dresden, Deutschland Einleitung Angesichts des wachsenden wirtschaftsund sozialpolitischen Drucks in der Diskussion um die Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme werden neue Wege zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung in der Patientenversorgung zur gesamteuropäischen Herausforderung. Lernmanagement-Systeme unterstützen die gesundheitspolitische Strategie der Europäischen Union zur nachhaltigen Verbesserung der Gesundheitsfürsorge. Mit der Aus- und Fortbildung medizinischer Berufsgruppen und fachgerechten Informationsangeboten für Patienten führen sie langfristig zur Kostenreduktion. In diesem Kontext wird in dem von der EU geförderten eHealth-Projekt ENNICS (European Neurological Network – Interactive Communication System) eine technische Plattform entwickelt [1], die mit Hilfe modernster Technologien unter Nutzung neuer Medien ein interaktives Kommunikationssystem errichtet, das für alle relevanten Zielgruppen – medizinisch wissenschaftliche Experten, niedergelassene Fachärzte und Allgemeinmediziner, pflegerisches Fachpersonal, Studenten und betroffene Patienten – medizinisches Wissen sammelt, verfügbar macht und analog zu neuesten Forschungserkenntnissen stetig aktualisiert. Das Modellprojekt fokussiert die Schlafmedizin als interdisziplinäres Querschnittsfach zahlreicher Fachdisziplinen wie Pneumologie, Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie, HNO-Heilkunde, Pädiatrie, Physiologie, Psychologie, Biologie und weitere Naturwissenschaften. Nicht-erholsamer Schlaf, Ein- und Durchschlafstörungen, Tagesmüdigkeit und behandlungsbedürftige Schlafstörungen sind in der Bevölkerung Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2006 Kap_3_4_TMF_06 229 häufig auftretende Beschwerdebilder, die nicht nur die subjektive und soziale Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch ihre berufliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen, mit fatalen Auswirkungen auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Mit der Entwicklung und Implementierung eines interaktiven Kommunikationssystems zielt ENN-ICS, dessen Vorläufer das Telematikprojekt ENN (1996 - 1998) [2, 3] ist, auf die Verbesserung der schlafmedizinischen Versorgung in Europa. Acht Projektpartner aus Nord-, Mittelund Südeuropa (Schweden, Deutschland, Spanien und Portugal) nehmen daran teil. Bei der Schaffung eines webbasierten Netzwerks werden innovative Methoden des E-Learning und E-Publishing generiert, evaluiert und analog zu den unterschiedlichen nationalen gesundheitspolitischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen in Testläufen praktisch angewandt. Ein zentrales Autoren- und Content-Management-System sorgt für die optimale Verwertung und Verbreitung schlafmedizinischen Wissens bei kontinuierlicher und zeitnaher Aktualisierung. Schulungen im virtuellen Klassenraum, interaktive Websites für singuläres oder gruppenorientiertes Lernen und E-Commerce-Center für Schulungsprodukte wie DVDs, CDs und herkömmliche Druckversionen werden als Serviceangebote multilingual gestaltet, um die europaweite Nutzung des vorhandenen Wissens - auch unter dem Aspekt der Kostenersparnis durch Prävention bzw. rechtzeitige Behandlung - für diagnostische und therapeutische Zwecke zu optimieren. Der Grundsatz „einmal erzeugen – multifunktional, -national, -lingual nutzen“ trägt so programmatisch inhärent zur finanziellen Entlastung im Gesundheitswesen bei. Langfristig zielt das Projekt darauf, durch gebührenpflichtige Serviceangebote mittels stetiger Re-Investition erzielter Einnahmen partiell zur selbstfinanzierten Forschung beizutragen. Service-Center für elektronische Gesundheitsdienste Auf der Grundlage eines webbasierten interaktiven Kommunikationssystems bildet das ENN-ICS Center die Schnittstelle für die Implemetierung und Vertreibung multilingualer elektronischer Gesundheitsdienste für Schlafmedizin. Die im Aufbau befindlichen ENN-ICS Services umfassen interaktive Websites, elektronische Schulungskurse für Ärzte und pflegerisches Personal in virtuellen Klassenräumen, Informationsangebote für Patienten sowie ein Vertriebszentrum für DVDs, CDs, Informationsbroschüren und Bücher. Die mutlifunktionale Nutzung von Schulungsmaterial und Lehrangeboten wird durch die Installation eines zentralen Content Management Systems (CMS) gewährleistet, das auf 3.4 Autoren: Brigitte Knobl, Teresa Paiva, Dieter Jungmann, Rico Böhme, Thomas Penzel Titel: ENN-ICS – Multilinguales Lernmanagement-System für die Schlafmedizin In: Jäckel (Hrsg.) Telemedizinführer Deutschland, Bad Nauheim, Ausgabe 2006 Seite: 229-232 229 13.10.2005, 11:26:54 Uhr Aus-, Fort- und Weiterbildung Abbildung 1: Distribution der Inhalte des Content-Management-Systems im On- und Offline-Verfahren 3.4 offenen XML-Standards (Extensible Markup Language) basiert. Der Austausch von XML-Daten zwischen verschiedenen Softwarepaketen erfolgt mit Hilfe von Dokumenttyp-Definitionen (DTDs), d. h. formalen Spezifikationen aller in einem Dokumenttyp erlaubten Strukturen. Sie stellen die formale Grammatik für XMLDokumente dar, die wie HTML zu den Auszeichnungssprachen zählt. Anwendungen, die XML-Dokumente verarbeiten, interpretieren entsprechende Anweisungen der DTDs, wie Eigenschaften und Attribute frei definierbarer Tags und ihrer Verschachtelungen, und berücksichtigen sie bei der Darstellung. Mit DTDs lassen sich sowohl die Struktur als auch der genaue Aufbau von XML-Dokumenten verbindlich festlegen. Während XML definiert, wie strukturierte Daten in einem Textdokument darzustellen sind, kann mit Hilfe von XSL (Extensible Stylesheet Language) festgelegt werden, wie ein XMLDokument für unterschiedliche Ausgabemedien dargestellt werden soll. Stylesheets können ebenfalls in die zu formatierenden XML-Dokumente eingebunden werden, wobei es sich hier um Layouts handelt, die sich speziellen Medien zuordnen lassen. 230 Kap_3_4_TMF_06 230 So kann ein Layout zum Drucken, z. B. für die Generierung einer PDF-Datei im Offline-Verfahren, oder aber ein Layout für die Darstellung am Computer, z. B. einer HTML-Datei im Online-Verfahren, verwandt werden (Abb. 1). Während die Inhalte einmal erzeugt werden, können mit dieser Technik multimediale und multilinguale Produkte wie E-Learning-Kurse, HTML-Seiten für Internet und DVDs/CDs sowie PDF-Dateien für Druckversionen generiert werden. Aktualisierungen und Modifikationen des Lehr- und Informationsmaterials werden dabei stets an den singulären, im CMS abgelegten Originalquellen vorgenommen, wobei die variablen Ausgabeprodukte automatisch und ohne Mehraufwand angepasst werden. Das multilinguale LernmanagementSystem (LMS) funktioniert im Wesentlichen nach demselben XML-basierten Prinzip. Bei der Konzipierung und Generierung von Lerneinheiten, wie z. B. E-Learning-Kursen, garantiert ein zentrales Autorensystem die multiple Nutzung von Inhalten. Genaue Analysen und Definitionen der Metadatenstruktur verwendeter Texte und Objekte – wie Graphiken, Audios, Videos etc. – erlauben die flexible Montage für unterschiedliche Zielgruppen. So werden z. B. die nach der ICSD (International Classification of Sleep Disorders) [4] klassifizierten Schlafstörungen von den Autoren bei der Erstellung von Lerneinheiten erfasst, bei der späteren Verwertung aber nur für bestimmte Nutzergruppen zur Verfügung gestellt. Während ICSD-Schlüssel und -definitionen für Ärzte und Studenten wichtige Informationen für die fachliche Arbeit darstellen, erschweren sie Patienten gerade wegen der Überfrachtung fachspezifischer Informationen häufig unnötig das Verständnis. Für die einheitliche Gestaltung nach definierten didaktischen Prinzipien sorgt ein Storyboard, das die Autoren bei der Erstellung von Texten unterstützt, bestimmte strukturelle Regeln einzuhalten, um die Verarbeitung von XML-Dokumenten zu garantieren. Das ENN-ICS Webportal [1] stellt öffentlich zugängliche Bereiche mit gebührenfreien Informationsangeboten zur Verfügung. Von hier erfolgt zudem die Weiterschaltung in das LMS zur Buchung und Belegung von E-Learning-Kursen. Ein mit Passwort geschützter Bereich ist den Projektpartnern zum Informationsund Datenaustausch vorbehalten (Abb. 2 und Abb. 3). Datenschutzrechtliche Bestimmungen und medizinische Ethikregeln nach EU-Richtlinien Angesichts des informationstechnologischen Fortschritts und neuartiger Telekommunikationsnetze können heute Personen bezogene Daten mühelos über nationale Grenzen hinweg übertragen werden. Dadurch können Daten von Bürgern eines EU-Mitgliedstaats in einem anderen EU-Mitgliedstaat verarbeitet werden. Durch die rasante Zunahme in der Erhebung und Weitergabe Personen bezogener Daten wurde eine Regulierung der Übermittlung von Daten notwendig, die zur Einführung von entsprechenden EURichtlinien führte. Als Rechtsinstrument des EU-Rechts, das an alle Mitgliedstaaten gerichtet ist, erfordert eine EU-Richtlinie einzelstaatliche Umsetzungsmaßnahmen in innerstaatliches Recht innerhalb einer von der EU festgelegten Frist. Dabei Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2006 13.10.2005, 11:26:55 Uhr Aus-, Fort- und Weiterbildung Abbildung 2: ENN-ICS Portal mit den Schnittstellen zum Lernmanagement-System für User, zum Content-Management-System für Autoren und zum mit Passwort geschützten Bereich für Projektpartner bleibt die Entscheidung über die formale und methodische Anwendung der Richtlinienbestimmungen jedem einzelnen Mitgliedstaat überlassen. Zu den EU-Richtlinien mit besonderer Relevanz für ENN-ICS zählen die Europäische Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG und die Direktive 2001/20/EC zur guten klinischen Praxis (GCP-Directive). Für das ENN-ICS Projekt wurde zunächst die Umsetzung und Gültigkeit der EU-Richtlinien in den Partnerländern Schweden, Deutschland und Portugal identifiziert, da diese als Testländer für die Validierung der medizinischen Lehrinhalte und Informationsangebote fungieren. Im Fall von Deutschland findet die Umsetzung der Direktiven nicht nur von der EU-rechtlichen auf die nationale Ebene, sondern zusätzlich auf länderspezifischen Ebenen statt. Die komplexen legislativen Regelungen und Vorschriften wurden im zweiten Schritt auf ihre tatsächliche Relevanz für die Aktivitäten von ENN-ICS geprüft. Dabei erwiesen sich die von der Europäischen Kommission veröffentlichten „Qualitätskriterien medizinischer Websites“ [5] als wichtige Richtung weisende Hilfsmittel bei der Ermittlung relevanter Vorschriften. Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2006 Kap_3_4_TMF_06 231 Sie werden bei der kontinuierlichen Fortentwicklung des Webportals schrittweise umgesetzt und implementiert. Validierung der Schulungs- und Informationsangebote Die Schulungs- und Informationsangebote von ENN-ICS werden in der Projektlaufzeit von Schweden, Deutschland und Portugal - repräsentativ für Entwicklung und Standard der Schlafmedizin in den gesundheitspolitischen Systemen von Nord-, Mittel- und Südeuropa - getestet. Testgruppen aus den genannten Ländern werden aus den verschiedenen Nutzergruppen von Ärzten, medizinischtechnischem Personal, Studenten und Patienten gebildet. Je nach Nutzergruppe und Wissensangebot werden verschiedene Validierungsinstrumente eingesetzt. Patienten bewerten Online-Ratgeber und Informationen nach einem dem DISCERN-Fragenkatalog [6] angepassten Fragebogen. Dieser wurde in dem gleichnamigen Projekt am Institute for Health Services der Universität Oxford, Division of Public Health and Primary Health Care [7] zur Bewertung von Patienteninformationen für konventionelle Printmedien entwickelt und später zur Bewertung für Online-Patienteninformationen modifiziert. In Deutschland wird der DISCERN-Fragebogen vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) angewandt, um mit Hilfe der Bewertungsergebnisse Patienten und Verbrauchern verlässliche Informationsquellen auf der Suche nach qualitätsgeprüften Gesundheitsinformationen im Internet aufzuzeigen. So wird z. B. der Online-Patientenratgeber der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) regelmäßig durch ÄZQ und Patienten evaluiert und anhand der Bewertungsergebnisse kontinuierlich überarbeitet. Zur Validierung medizinischer Websites im Gesundheitsbereich wird das Validierungsinstrument HON angewendet. Es wurde von der Health on the Net Foundation [8] entwickelt, um sowohl professionelle Nutzer als auch Laien zu qualitätsgeprüften Informationsquellen zu führen. Der HON-Fragenkatalog [9] 3.4 Abbildung 3: Web basierte Arbeitsplattform der Projektpartner 231 13.10.2005, 11:26:56 Uhr Aus-, Fort- und Weiterbildung basiert auf 8 Prinzipien, die die folgenden Punkte umfassen: Angaben über die Urheberschaft und über den Zweck des Informationsangebotes, die Garantie der vertraulichen Behandlung von Daten, Zitierung der Referenzen, Angaben zum Nutzen bzw. zur Wirksamkeit einer Therapie unterstützt durch geeignete wissenschaftliche Beweise, eindeutige Kontaktadressen, Bekanntgabe von Sponsoren und Werbepolitik. DISCERN und HON wurden nicht für die Bewertung der wissenschaftlichen Qualität von Inhalten entwickelt, sondern um die Zuverlässigkeit einer Publikation als Informationsquelle zu beurteilen. Sie bieten somit effiziente Entscheidungshilfen im stetig wachsenden, unübersichtlichen Informationsdschungel im Internet. Zur Bewertung der E-Learning-Kurse werden konventionelle Evaluations-Fragebögen eingesetzt, die von den Kursteilnehmern ausgefüllt werden. Bei dieser Bewertungsmethode werden Qualität und didaktische Darbietung jeder einzelnen Lektion geprüft. Schlussfolgerung 3.4 Evidenz-basierte, zuverlässige Informationsquellen leisten nicht zuletzt im Sinne der Prävention wichtige Beiträge in der Gesundheitsversorgung und tragen so zur Kostenentlastung im Gesundheitswesen bei. Mit der Fort- und Ausbildung von Fachkräften - wie Ärzten, Pflegepersonal und Studenten - kann die Versorgung von Patienten nach neuestem medizinischen 232 Kap_3_4_TMF_06 232 Wissen mit Hilfe der elektronischen Gesundheitsdienste von ENN-ICS bei geringen Kosten kontinuierlich verbessert werden. Dank der Flexibilität der eingesetzten Technologie kann die Aktualisierung der Lehr- und Informationsinhalte stets zeitnah und kostengünstig vorgenommen werden. Patienten erhalten Zugang zu evidenz-basierten Informationen und können dadurch eigenverantwortliche Verhaltensstrategien entwickeln, die die Kassen langfristig ebenfalls entlasten. Danksagung Dieses Projekt wird von der Europäischen Union unterstützt (Projekt ENNICS, European Neurological Network - Interactive Communication System, Nr. 517418). Quellen [1] ENN-ICS, European Neurological Network – Interactive Communication System, Webportal s. www.ennics.org. [2] Penzel T, Kesper K, Vogelmeier C. Netz der Schlafmedizin. In: Jäckel A (Hrsg.) Telemedizinfüher Deutschland Ausgabe 2003. Deutsches Medizin Forum, Obermörlen: 110-112, 2002. [3] Paiva T, Penzel T (Hrsg.), European Neurological Network, IOS Press, 2000. [4] The International Classification of Sleep Disorders. Diagnostic and Coding Manual. American Academy of Sleep Medicine. Second Edition. Westchester, IL, 2005. [5] Communication from the Commission to the Council, the European Parliament, the Economic and Social Committee and the Committee of the Regions - eEurope 2002: Quality Criteria for Health Related Websites, COM(2002) 667 final, s. http://europa.eu.int/information_ society/eeurope/ehealth/doc/ communication_acte_en_fin.pdf. [6] DISCERN online, Quality Criteria for Consumer Health Information, DISCERN Instrument, s. www.discern.org.uk/ discern_instrument.htm. [7] Institute for Health Services der Universität Oxford, Division of Public Health and Primary Health Care, s. www.dphpc.ox.ac.uk/. [8] Health on the Net Foundation, s. www.hon.ch/. [9] HON Code of Conduct (HONcode) for medical and health Web sites, s. http://www.hon.ch/HONcode/ Conduct.html. Kontakt Brigitte Knobl Klinikum der Philipps-Universität Schlafmedizinisches Labor Baldingerstr. 1 35033 Marburg Tel.: 0 64 21/2 86-64 36 Fax: 0 64 21/2 86-54 50 [email protected] Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2006 13.10.2005, 11:26:58 Uhr