Deutsche Herzstiftung

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Deutsche Herzstiftung
SONDERDRUCK
Deutsche
Herzstiftung
Herzreparatur mit kleinen
Schnitten
Expertengespräch
zu minimal-invasiven Verfahren
bei Bypass- und Klappen-Operationen
Experten:
Norbert Augustin, Friedhelm Beyersdorf, Volkmar Falk,
Christian Hamm, Hugo A. Katus, Wolf-Peter Klövekorn,
Anton Moritz, Michael-Jürgen Polonius, Hermann Reichenspurner, Hans Heinrich Scheld, Gerhard Walterbusch
Moderation:
Hellmut Oelert
Herzreparatur mit kleinen Schnitten
Expertengespräch am 15. Juli 2003 zu minimal-invasiven Verfahren bei
Bypass- und Klappenoperationen
Mein Arzt hat mir gesagt, dass ich um eine Herzoperation nicht mehr herumkomme. Das war für
mich, der sich mit seiner Krankheit ganz gut eingerichtet hatte, ein Schock. Mit dem Gedanken,
am Herzen operiert zu werden, kann ich mich
schwer abfinden. Ich habe Angst vor den Schmerzen, vor der Narkose, vor der Intensivstation, ja vor
dem ganzen Eingriff.
Aber vielleicht gibt es einen Ausweg. Im Fernsehen
habe ich vor kurzem einen Bericht über eine neue
Operationsmethode gesehen: die SchlüssellochChirurgie. Offenbar ist die Operation dann ein
kleiner Eingriff, denn es ist dabei nur ein kleiner
Schnitt nötig. Der Fernsehbericht hat mir große
Hoffnungen gemacht. Bitte informieren Sie mich,
was Sie davon halten, schreibt der 47-jährige Alexander L.
Solche Briefe erhält die Herzstiftung immer wieder, besonders viele nach Zeitungsberichten in
Illustrierten und Fernsehsendungen über die minimal-invasive Herzchirurgie, die von Laien Schlüsselloch-Chirurgie genannt wird. Schon das Wort
minimal-invasiv wirkt verlockend, weil es suggeriert,
dass es sich nur um einen minimalen Eingriff handelt (invasiv lat. = eingreifend). Meist vermitteln
die Medien die Botschaft, dieses Verfahren sei dem herkömmlichen weit überlegen.
So neu sind die minimal-invasiven Verfahren nicht.
Die erste minimal-invasive Bypass-Operation wurde 1994 durchgeführt. Aber in fast einem Jahrzehnt hat sich das neue Verfahren nicht durchgesetzt.
Es gibt viele Kritiker und bedeutende Chirurgen,
die das minimal-invasive Verfahren wegen seiner Risiken ablehnen.
Für den Patienten, der vor einer Operation steht,
ist die Situation undurchschaubar. Kann er den Fernsehsendungen trauen, die die minimal-invasive
Methode als spektakulären Fortschritt hinstellen?
Oder drängt sich der Verdacht auf, dass hinter
diesem Verfahren wirtschaftliche Interessen stehen,
z.B. die der Geräteindustrie oder der Kliniken,
die damit für sich werben? Wie ist das Verfahren
heute zu beurteilen ? Welche Vorteile hat es, welche Risiken?
Das Interesse der Patienten ist so groß wie ihre Unsicherheit. „Wir haben die Schlüsselloch-Chirurgie
seinerzeit in unserer Zeitschrift vorgestellt. Wenn
Patienten uns heute danach fragen, können wir nicht
schweigen“, sagte Prof. Hans-Jürgen Becker, Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Deshalb
hat er zu einem Expertengespräch eingeladen.
An der Diskussion nahmen unter der Moderation von Prof. Hellmut Oelert, Universitätsklinikum Mainz, folgende Herzchirurgen
teil: Dr. Norbert Augustin, Deutsches Herzzentrum München, Prof. Friedhelm Beyersdorf, Universitätsklinik Freiburg, Priv.Doz. Dr. Volkmar Falk, Herzzentrum Leipzig, Prof. Wolf-Peter Klövekorn, KerckhoffKlinik Bad Nauheim, Prof. Anton Moritz,
Universitätsklinik Frankfurt am Main,
Prof. Michael-Jürgen Polonius, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Berlin, Prof. Hermann Reichenspurner, Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf sowie
der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Herz-,
Thorax- und Gefäßchirurgie, Prof. Hans Heinrich
Scheld, Universitätsklinik Münster, Prof. Gerhard
Walterbusch, St.-Johannis-Hospital Dortmund und
die Kardiologen Prof. Christian Hamm, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, Prof. Hugo A. Katus, Universitätsklinik Heidelberg.
Befürworter und Kritiker waren gleichermaßen
vertreten. In der lebhaften Debatte wurde vor
allem über die minimal-invasive Bypass-Operation,
die Bypass-Operation ohne Herz-Lungen-Maschine und über Klappenoperationen diskutiert.
Bypass-Operation
„Nur etwa 1 % aller Bypass-Operationen wird mit
der minimal-invasiven Technik der kleinen Schnitte operiert – das sollte jeder Patient wissen, der
sich für dieses Operationsverfahren interessiert“,
sagte Prof. Klövekorn. Im Jahr 2002 wurden in
Deutschland 73 987 Bypässe nach herkömmlichen Verfahren operiert und nur 708 minimalinvasiv1.
Ein Bypass wird dann gebraucht, wenn bei einer
schweren koronaren Herzkrankheit sich Engstellen in den Herzkranzgefäßen gebildet haben,
die die Blutversorgung des Herzens gefährden
und Medikamente oder eine Ballondilatation (Aufdehnung) nichts mehr ausrichten können. Dann
wird mit körpereigenen Arterien und Venen die
Engstelle überbrückt, so dass das Herz wieder
ausreichend mit Blut versorgt werden kann.
Bei der Standard-Operation wird das Brustbein
durchtrennt, damit der Operateur einen optimalen Zugang und die bestmögliche Übersicht über
das Herz und alle seine Gefäße erhält. Eine
andere Voraussetzung ist die Herz-Lungen-Maschine. Sie übernimmt während
der Operation für einige Zeit die Pumpleistung des Herzens und die Atemarbeit der Lungen. Dadurch kann der
Herzchirurg am blutleeren, bewegungslosen Herzen präzise und sicher
arbeiten.
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Leistungszahlen der Deutschen Gesellschaft für
Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, 2002.
Niemand zweifelt am hohen Stellenwert der herkömmlichen Bypass-Operation. Auch in Zentren,
die sich auf das neue Verfahren spezialisierten, wird
sie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle
durchgeführt. Die Operation ist relativ sicher: Die
Sterblichkeit liegt bei Patienten unter 75 Jahren,
deren Herz nicht vorgeschädigt ist, bei etwa 1 %.
Wie bei jedem Eingriff kann es zu Komplikationen kommen, z. B. zu Infarkten während der Operation, zu Nachblutungen, zu Wundheilungsstörungen, die aber meist gut beherrschbar sind.
Die Ergebnisse sind exzellent (Prof. Beyersdorf).
In 90 bis 95% der Fälle gelingt es, die Blutversorgung
des Herzens wiederherzustellen, von der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität des Patienten
abhängen.
Aber: „Erfolg sollte nicht zur Trägheit verführen“,
hatte Prof. Reichenspurner schon vor Jahren
gesagt. Die Bypass-Operation soll verbessert werden. Als Mitte der neunziger Jahre die minimalinvasive Chirurgie auf anderen Gebieten erstaunliche Erfolge erzielte, begann man die Chirurgie
der kleinen Schnitte auf Herzoperationen zu übertragen.
Die so genannte MIDCAB-Operation (minimally invasive direct coronary artery bypass) unterscheidet sich vom herkömmlichen Bypass auf
doppelte Weise:
Auf die Herz-Lungen-Maschine wird verzichtet. Der Chirurg arbeitet am schlagenden Herzen. Dabei wird die Oberfläche des Herzens an
der betreffenden Stelle mit einem Stabilisator
ruhig gestellt.
Der Zugang zum Herzen wird nicht mehr über
das Brustbein eröffnet, ein fünf bis sieben Zentimeter langer Schnitt zwischen den Rippen
genügt. Allerdings können dadurch nur die
Gefäße an der Vorder- und Seitenwand des
Herzens erreicht werden. Eine Operation an den
Gefäßen der Herzhinterwand ist so nicht möglich.
Der kleine Schnitt bringt ein befriedigendes kosmetisches Ergebnis, aber auch erhebliche Nachteile. Da die Rippen gespreizt werden, kommt es
oft zu starken Schmerzen nach der Operation,
weil sie überdehnt und Rippenhaut und Rippenfell gereizt sind.
Noch weit wichtiger: Das Verfahren ist auf Ein- und
maximal Zweigefäß-Erkrankungen beschränkt.
In der Mehrzahl der Fälle werden bei schwerer koronarer Herzkrankheit Bypässe für drei oder mehr
Gefäße gebraucht. Einengungen in einem oder
zwei Gefäßen werden meist durch eine Ballondilatation aufgedehnt. Eine Operation kommt nur
dann in Betracht, wenn eine Aufdehnung nicht möglich ist oder nach mehrfachen Dilatationen eine
weitere nicht mehr sinnvoll erscheint, weil die
Gefäße oder der Stent immer wieder zugehen.
Überlegen oder nicht?
Wie ist das minimal-invasive Verfahren heute zu
beurteilen? Ist es besser als das herkömmliche?
Die Antwort ist unter Herzchirurgen – auch in
dieser Expertenrunde – umstritten. Allerdings hat
die Debatte im Lauf der Zeit an Schärfe verloren.
In den 90er Jahren wurde die minimal-invasive Chirurgie vor allem in den USA oft als der große
Durchbruch propagiert, der für Patienten entscheidende Verbesserungen bringen werde. Heute ist davon nicht mehr die Rede. Andererseits
bestreitet niemand, dass darauf spezialisierte Chirurgen eine hohe Perfektion erreicht haben. Die
Vorteile des neueren Verfahrens sehen sie vor
allem in dem kleinen Schnitt, der nicht nur gute
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kosmetische Ergebnisse liefert, sondern auch
Wundheilungsstörungen mindert, weil die seltene, aber unangenehme Entzündung des Brustbeins oder seine Instabilität nicht mehr vorkommen. Außerdem verweisen sie auf die tendenziell etwas schnellere Erholung des Patienten nach
der Operation. Die Bypässe sind ebenso gut durchgängig wie nach der herkömmlichen Bypass-Operation.
Die Kritiker halten die Vorteile für gering und
auch nicht für wissenschaftlich belegt. Verlässliche
Daten z.B. über Sterblichkeit und über Komplikationen liegen nicht vor; die geplante Datenbank der Arbeitsgemeinschaft für minimal-invasive Herzchirurgie ist gescheitert. Wissenschaftlich
kontrollierte Studien, die Vor- und Nachteile der
Bypass-Operation des kleinen Schnitts mit der
herkömmlichen Bypass-Operation vergleichen,
gibt es nicht. „Deswegen kann man das Verfahren
in der Öffentlichkeit nicht als echte Alternative
darstellen“, sagte Prof. Katus. Vor allem muss der
Patient wissen, dass die minimal-invasive BypassOperation hohe Anforderungen an den Chirurgen stellt. Nicht jeder, der das Verfahren – womöglich spektakulär im Fernsehen – anbietet, beherrscht
es, und dann kann es zu gefährlichen Komplikationen kommen. Nur erfahrene Hände erzielen gute Ergebnisse.
Und: Nicht jeder Patient ist für das minimal-invasive Verfahren geeignet. Die Entscheidung dafür
kann nur individuell nach einer genauen Analyse des Katheterfilms getroffen werden, darauf
wies Prof. Scheld, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, hin.
Wenn die Herzkranzgefäße zu kleinkalibrig sind,
wenn sie langstreckig erkrankt sind und eine aufwendige Reparatur, die Ausschälung der Gefäße
(Endarteriektomie), nötig wird, wenn Infarkte
oder Operationen Verwachsungen verursachten,
muss im offenen Brustkorb operiert werden.
Manchmal zeigen sich diese Erschwernisse erst
während des Eingriffs. Dann muss der Chirurg
mitten in der Operation auf das herkömmliche
Verfahren umsteigen. Auch bei erfahrenen Operateuren kommt das in 5 % der Fälle vor. Angesichts
solcher Unwägbarkeiten „sollte der Patient nicht
die Frage stellen, wie komme ich zu einem mög-
lichst kleinen Schnitt, sondern
und Pumpen fließt, reagiert
wie werde ich am sichersten
der Körper auf den Fremdoperiert. Denn hier geht es
kontakt mit Entzündungen
nicht um kosmetische Ideale,
und Fieber. Außerdem könsondern um die Blutversornen kleine Embolien entgung des Herzens, die von
stehen. Deswegen versuvitaler Bedeutung ist.“ (Prof.
chen die Chirurgen auf die
Beyersdorf)
Herz-Lungen-Maschine zu
„Insgesamt kann man sagen,
verzichten. Durch die Entdass die so genannte Schlüswicklung neuer Techniken
selloch-Chirurgie des Herzens
kommt der Chirurg heute
für die Anlage des aortoauch ohne Herz-Lungenkoronaren Bypasses das herMaschine an die Hinterkömmliche Operationsverwand des Herzens und kann
fahren in absehbarer Zeit nicht
sein Operationsfeld ausreiablösen wird“, erklärt das Prochend stabilisieren. Für den
tokoll der Sitzung, das von
Zugang wird wie bei der
Prof. Becker und Prof. Oelert
herkömmlichen BypassDieser Patient muss operiert werden. Der Hauptstamm der
verfasst wurde.
Operation das Brustbein in
linken Herzkranzader ist hochgradig eingeengt (Pfeil).
Die Pioniere des minimal-invader Mittellinie durchtrennt.
siven Verfahrens haben freiLange Zeit war nicht sicher,
lich eine andere Perspektive, wie zum Beispiel Dr.
ob bei dieser Operation (OPCAB = off-pump coroFalk, der in der Expertenrunde die Roboter-Chirurnary artery bypass) die Nahtverbindungen ebengie vorstellte (s. Bildunterschrift S. 6). Er sieht in
so gut sind wie bei dem herkömmlichen Verfahder Chirurgie der kleinen Schnitte eine Etappe
ren. Nach bisher vorliegenden Studien ist das
zu einem entfernten „visionären“ Ziel: ein Verjedenfalls nach zwei Jahren der Fall. Neue Studien
fahren zu entwickeln, das ebenso schonend ist wie
weisen auch daraufhin, dass die Entzündungen und
die Ballondilatation, aber auch den Vorteil des
auch die Gefahr der Embolien geringer sind.
Bypasses hat – den langfristigen Erfolg.
Noch sind viele Fragen offen, aber bei diesem
Verfahren sind sich die Experten insofern einig,
dass sie erwarten, dass OPCAB, insbesondere für
Am schlagenden Herzen
ältere Personen und Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko (Diabetes, Nierenschwäche, SchlagDie Zahlen sind nicht ermutigend: Seit 1999 ist die
anfallrisiko) von Vorteil ist. „Im benachbarten
Zahl der MIDCAB-Operationen in Deutschland
Ausland und in Amerika beanspruchen die OPCABdeutlich zurückgegangen: von 1 103 auf 708 in
Operationen bis zu 30 % der Fallzahlen“, ist dem
2002. Dagegen ist eine andere Alternative zum
Protokoll des Expertengesprächs zu entnehmen.
herkömmlichen Bypass auf dem Vormarsch: die
Bypass-Operation ohne Herz-Lungen-Maschine,
die im weiteren Sinn auch als minimal-invasiv
Klappenoperationen
gilt, weil der Verzicht auf die Herz-Lungen-Maschine weniger Belastungen für den GesamtorganisBei Klappenoperationen kann man auf die Herzmus bedeutet. Seit 1999 hat sich die Zahl dieser
Lungen-Maschine nicht verzichten, weil das Herz
Operationen deutlich erhöht: von 1 756 auf 2 925
geöffnet werden muss. Das gilt auch für miniin 2002.
mal-invasive Verfahren. Zahlenmäßig spielen sie
Die Herz-Lungen-Maschine ist für Herzoperatikeine große Rolle. Von 16 549 Klappenoperationen ein Sicherheitsfaktor, aber sie schafft auch
onen, die in Deutschland 2002 durchgeführt wurProbleme. Weil das Blut dabei durch Schläuche
den, fielen etwa 4 % auf die minimal-invasiven Ver5
Schlüsselloch-Chirurgie – wenn der Roboter operiert: Unser Bild zeigt eine
Bypass-Operation im Herzzentrum Leipzig. Der Roboter – wegen der Sterilität
in Folien gehüllt – beugt sich über den Patienten und führt die Operation
aus. Er braucht dazu nur vier ein Zentimeter große Schnitte, über die seine Stahlarme eine winzige Kamera und bleistiftdünne Zangen und Elektromesser
schleusen.
Gesteuert wird er von dem Herzchirurgen
Dr. Falk (Bild links), der im Raum daneben an der sogenannten Masterkonsole sitzt.
Er hat das Bild des Operationsfeldes in zehnfacher Vergrößerung vor Augen, während er
mit seinen Händen über Griffe, die unter
der Konsole angebracht sind, die Operation dirigiert. Die Computertechnik überträgt
exakt seine Bewegungen in präzise Bewegungen der Instrumente des Roboters.
In Leipzig wurden bisher 250 Bypass-Operationen mit Hilfe des Roboters gemacht,
davon 39 am schlagenden Herzen ohne
Herz-Lungen-Maschine. Es handelt sich
dabei immer um Eingefäß-Erkrankungen. Die
Operation dauert derzeit noch deutlich länger als eine Bypass-Operation ohne Roboter. In etwa 50 % der Fälle zwingen die Verhältnisse im Herzen dazu, während der
Operation vom Roboter auf das sogenannte MIDCAB-Verfahren umzusteigen.
fahren. Aber „auch wenn ein Verfahren nicht
flächendeckend angeboten wird, hat es eine Existenzberechtigung“, sagte Prof. Moritz. In manchen Zentren ist der Anteil der minimal-invasiven Klappenoperationen hoch. Zum Beispiel wurden in 2002 im Herzzentrum Leipzig 383 Aortenklappen-Operationen durchgeführt, davon
waren 104 (27 %) minimal-invasiv. Von 286 Mitralklappen-Eingriffen waren 224 (78 %) minimalinvasiv. Im Deutschen Herzzentrum München
wurden von 220 Aortenklappen-Operationen 18 %
minimal-invasiv operiert, von 107 MitralklappenOperationen 36 % . In Hamburg-Eppendorf waren
von 233 Aortenklappen-Operationen 87 (37 %)
minimal-invasiv. Von 378 Mitralklappen-Eingriffen
wurden 165 (44 %) minimal-invasiv operiert. In
allen drei Zentren ist die Wiederherstellung der Mit6
ralklappe (Mitralklappen-Rekonstruktion) der
weitaus häufigste Mitralklappen-Eingriff.
Bei der Mitralklappen-Operation wird der Schnitt
über die rechte seitliche Brustwand geführt, weil
das einen besonders guten Blick auf die Mitralklappe
erlaubt. Beispiel Hamburg-Eppendorf: Prof. Reichenspurner arbeitet assistiert von der Videotechnik, die genaue Bilder des Operationsfeldes
auf den Monitor wirft. Die Herz-Lungen-Maschine wird an den Leistengefäßen angeschlossen.
Den Vorteil sieht er in dem guten kosmetischen
Ergebnis und den geringeren Wundheilungsstörungen. Auch kommen seiner Erfahrung nach
die Patienten schneller wieder auf die Beine.
Besonders wenn die Mitralklappe zu einem frühen
Zeitpunkt wiederhergestellt wird, ist die Operation
durch einen kleinen Zugang günstig. Auch für
Patienten, die noch einmal operiert werden müssen, ist dieses Verfahren eine gute Alternative.
Der kleine Zugang kann allerdings wegen der
sind, wenn die Wiederherstellung einer
Klappe komplex ist, wenn die Pumpfunktion des Herzens schlecht ist, kommt
meist nur das offene Verfahren in Betracht.
Auch die Zahl der Chirurgen, die das
Verfahren anwenden können, ist beschränkt. Denn die minimal-invasive
Klappenchirurgie stellt hohe Anforderungen an den Operateur. Das bedeutet, dass selbst in Zentren, die sich auf
dieses Verfahren spezialisiert haben,
nicht das ganze Team, sondern nur
wenige Chirurgen es ausführen können.
Die Diskussion bleibt offen
Spreizung der Rippen in den ersten Tagen nach
der Operation Schmerzen verursachen.
In der Expertenrunde gab es keine scharfen Fronten zwischen Anhängern und Skeptikern bei den
minimal-invasiven Klappenoperationen, zumal
bei der Mitralklappe. Denn auch konservative
Operateure bevorzugen manchmal diesen Zugang.
Andere Chirurgen wie Prof. Beyersdorf und Prof.
Oelert halten den Zugang über das Brustbein für
sicherer. Wissenschaftlich kontrollierte Studienergebnisse, die die Überlegenheit des neuen Verfahrens belegen, liegen nicht vor.
Wenn vor kurzem in einer Fernsehsendung die minimal-invasive Klappenoperation als „Hoffnung für
15 000 Deutsche“, die vor einer Klappenreparatur
stehen, dargestellt wird, dann geht das an der
Wirklichkeit vorbei. Das Verfahren hat seine
Beschränkungen: Nur isolierte Mitral- und Aortenklappen-Operationen sind möglich. Wenn
mehrere Klappen operiert werden müssen, wenn
zusätzlich ein Bypass oder ein Aortenersatz notwendig werden, wenn die Klappen stark verkalkt
Wenn Alexander L., der die Herzstiftung um Rat gefragt hat, diesen Bericht
über das Expertengespräch liest, ist er
wahrscheinlich ernüchtert. Er hatte –
aufgrund der Medienberichte – erwartet, dass die Chirurgie der kleinen Schnitte zu einem minimalen Eingriff führt,
wie das Wort minimal-invasiv verheißt. Aber
trotz aller Perfektion lässt sich diese Hoffnung
nicht erfüllen.
Falls er sich trotzdem z.B. wegen der kosmetischen Vorteile für das Verfahren interessiert, haben
ihm die Chirurgen dieser Expertenrunde eine
wichtige Botschaft vermittelt: Es kommt gerade hier
auf den erfahrenen Operateur an, der mit dieser
speziellen Technik vertraut ist, damit gute Ergebnisse erzielt werden. Und nicht jeder Patient ist für
die Schlüsselloch-Chirurgie geeignet. Die Entscheidung kann nur im Gespräch mit einem erfahrenen Chirurgen nach strengen Kriterien getroffen werden.
Trotz dieser Vorbehalte ist zur Resignation kein
Grund. Die Herzchirurgie entwickelt sich weiter,
sowohl in den herkömmlichen Verfahren, die
sich mehr und mehr perfektionieren, wie in den
minimal-invasiven. Ein gutes Beispiel ist die Operation ohne Herz-Lungen-Maschine, die wahrscheinlich für Hochrisikopatienten von Nutzen
sein wird. Darin waren sich die Experten in Frankfurt einig.
(ot.)
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Herzreparatur mit kleinen Schnitten
Expertengespräch am 15. Juli 2003 zu minimal-invasiven Verfahren bei Bypass- und
Klappen-Operationen
Experten:
Norbert Augustin, Friedhelm Beyersdorf, Volkmar Falk, Christian Hamm, Hugo A. Katus,
Wolf-Peter Klövekorn, Anton Moritz, Michael-Jürgen Polonius, Hermann Reichenspurner,
Hans Heinrich Scheld, Gerhard Walterbusch
Moderation:
Hellmut Oelert
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