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ALLES BUCH Studien der Erlanger Buchwissenschaft XXXI 2009 Iris Papouschek Routine oder reger Austausch? Eine Analyse deutscher Gegenwartsliteratur in Lizenzausgaben auf dem französischen Buchmarkt von 2000 bis 2007 Alles Buch Studien der Erlanger Buchwissenschaft XXXI Herausgegeben von Ursula Rautenberg und Volker Titel ISBN 978-3-940338-12-9 2009 Buchwissenschaft / Universität Erlangen-Nürnberg Alles Buch Studien der Erlanger Buchwissenschaft XXXI Herausgegeben von Ursula Rautenberg und Volker Titel © Buchwissenschaft / Universität Erlangen-Nürnberg ISBN 978-3-940338-12-9 ISSN 1611-4620 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Erlanger Buchwissenschaft unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. Danksagung Mein Dank gilt Frau Prof. Dr. Ursula Rautenberg, die die vorliegende Arbeit von der Themenfindung bis hin zur Abgabe begleitet, Frau Prof. Dr. Christine Lubkoll, die sich spontan zur Zweitkorrektur entschieden und Herrn Dr. Günther Fetzer, der mir Einblick in seine Branchenerfahrung gegeben hat. Weiterhin danke ich Frau Lise Rebout (Goethe-Institut, Montréal), Frau Jutta Bechstein-Mainhagu (GoetheInstitut, Bordeaux) und Frau Monika Heflin (Goethe-Institut, München) für die Bereitstellung aller Bibliotheksbestandslisten und darüber hinausgehende Informationen. Herrn Hermann Staub (Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt am Main) danke ich für die Durchführung von Recherchen in den deutschen Branchenzeitschriften und Frau Céline Bordas (Electre, Paris) für die Zusendung von Ausgaben des französischen Branchenblattes. Außerdem danke ich Frau Steffi Wolf (Deutsche Nationalbibliothek, Leipzig) für die Bereitstellung interner Eingabekriterien im Online-Katalog, Frau Erika Mursa und Frau Lucie Kuhls (DVA-Stiftung, Stuttgart) für die großzügige Zusendung von Festschriften und Frau Petra Metz (Stiftung Genshagen, Ludwigsfelde) für ihre Anregungen zum Thema. Mein ganz besonderer Dank geht an meine Kommilitoninnen für ihre konstruktive Kritik und fleißige Korrektur. Mein letzter und liebster Dank gilt Thorsten für die musikalische Begleitung meiner gesamten Magisterarbeitsphase. Inhaltsverzeichnis I Grundlegendes 7 1 2 3 4 Einleitung Vorgehensweise und Zielsetzung Forschungsstand und Quellenlage Definitionen und Eingrenzung des Forschungsgegenstandes 7 8 9 11 II Gesellschaftliche, staatliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen des französischen Buchmarktes sowie das internationale Lizenzgeschäft 1 Literaturnation Frankreich und die Rolle des Staates 1.1 Stellung des Buches in der Gesellschaft 1.2 Staatliche Fördermaßnahmen 1.3 Gesetzliche Buchpreisbindung 2 Fortschreitender Konzentrationsprozess 2.1 Herstellender Buchhandel 2.2 Verbreitender Buchhandel 2.2.1 Zwischenbuchhandel 2.2.2 Bucheinzelhandel 3 Buchproduktion 3.1 Gesamtproduktion 3.2 Belletristik 4 Internationales Lizenzgeschäft 4.1 Verkauf von Übersetzungslizenzen 4.2 Einkauf von Übersetzungslizenzen III 1 1.1 1.2 1.3 2 2.1 2.1.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 14 14 14 15 16 18 19 22 22 23 28 29 31 32 32 33 Deutsche Gegenwartsliteratur in französischer Übersetzung von 2000 bis 2007 35 Erstellung des Titelkorpus Quellenlage Erfassungsprobleme Auswahlkriterien und Titelmerkmale Statistische Analyse des Titelkorpus Titel Titelanzahl pro Jahr Autoren Titelanzahl pro Autor Gründe für Titelanzahl pro Autor Migrationshintergrund Generationswechsel und die ‚Neue Lesbarkeit‘ Gattungen, Untergattungen und thematische Schwerpunkte Roman allgemein Familienroman Kriminalroman Historischer Roman Frauenroman Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen Fazit 35 35 38 38 39 39 40 41 41 42 44 45 47 49 50 52 54 55 56 57 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.7.5 Verlage Lizenzgeber Lizenznehmer Zusammenarbeit mit anderen Verlagen und Autoren Übersetzer Titelanzahl pro Übersetzer Zusammenarbeit mit Autoren und Verlagen Zeitabstand zwischen deutscher und französischer Erstausgabe Aspekte des Literaturmarketings Covergestaltung Titelgebung Hinweis auf Übersetzung und Reihenzugehörigkeit Erfolg Deutsche Preisträger in französischer Übersetzung Deutsche Titel als Träger französischer Preise Deutsche Bestseller in französischer Übersetzung Deutsche Titel als französische Bestseller Allgemeiner Erfolg des Lizenzhandels 60 60 61 63 64 64 66 67 69 69 72 74 76 76 79 81 82 83 IV Resümee 84 1 2 3 Gründe für die geringe Zahl an Übersetzungen vor 2001 Gründe für den Anstieg an Übersetzungen nach 2001 Vorschläge für eine künftig hohe Anzahl an Übersetzungen 84 86 92 V Quellen- und Literaturverzeichnis 93 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2 2.1 2.2 2.3 Primärquellen Titelkorpus Gedruckte Quellen Elektronische Quellen Sonstige Quellen Sekundärliteratur Lexika und Nachschlagewerke Monographien und Aufsätze Elektronische Literatur 93 93 93 93 94 94 94 95 98 VI Abbildungsverzeichnis 102 VII Abkürzungsverzeichnis 105 VIII Anhang 106 1 2 Quellen, Suchkriterien und Probleme Titelkorpus deutscher Gegenwartsliteratur in französischer Übersetzung von 2000 bis 2007 (Kurzversion) Ergänzende Abbildungen 106 3 108 112 I Grundlegendes 1 Einleitung L’Allemagne est à l’honneur au 21e Salon du livre, du 16 au 21 mars, à la porte de Versailles, à Paris. La Grande Allemagne. Plus de 80 millions d’habitants, la locomotive de 1 l’Europe. Mit diesen bedeutungsvollen Worten wurde Deutschland im Jahr 2001 als Gastland der größten und wichtigsten Buchmesse Frankreichs begrüßt und stand damit seit 1989 erstmals wieder als Länderschwerpunkt im Fokus der französischen Aufmerk2 samkeit. Durch die Einladung auf den ‚Salon du Livre‘ wurde eine angemessene Antwort auf die ständige Klage von Kulturschaffenden beider Länder über die unzureichende Beachtung der Buchproduktion des jeweiligen Nachbarn gegeben.3 Alle Beteiligten setzten deshalb große Hoffnungen auf dieses Ereignis – galt es doch, die allgemeine Diskussion über ein abnehmendes deutsch-französisches Interesse zu beenden, „Auswege aus der Routine“4 zu finden und dem Literaturaustausch neue Impulse zu geben. Dies sollte vor allem mithilfe junger Autoren geschehen und „tatsächlich verbuchte Deutschland […] nicht zuletzt mit und wegen seiner jungen Autorenriege einen beachtlichen Erfolg.“5 Entgegen zweifelnder Stimmen zu Beginn der Messe konnten 240.000 Besucher gezählt werden, 2,6 % mehr als im Rekordjahr 2000. Viele deutsche Werke wurden eigens für den Messeauftritt ins Französische übersetzt und waren so den französischen Lesern erstmals zugänglich.6 Die vertretenen Verlage sowie die Buchhandlung des deutschen Gemeinschaftsstandes erzielten 7 hohe Umsätze auf „Europas größter Publikumsveranstaltung im Buchwesen“ und auch die 50 angereisten deutschen Schriftsteller konnten sich von dem wachsenden Interesse der Franzosen für die deutsche Gegenwartsliteratur überzeugen. Zahlreiche Gespräche und Diskussionsrunden zwischen deutschen Verlegern und ihren französischen Kollegen intensivierten und festigten die Beziehungen.8 Das Ziel beider Länder, dem Literaturaustausch neuen Schwung zu verleihen, schien somit mehr als erreicht und die Zuversicht, nach der Messe nicht wieder hinter das erreichte Niveau zu fallen, war groß. 1 O.V.: L’heure allemande. Auf: Website von Le Point. URL: http://www.lepoint.fr/actualiteslitterature/l-heure-allemande/1038/0/68854 [16.03.2001 / 04.07.2008]. „Deutschland ist Ehrengast der einunzwanzigsten Buchmesse, vom 16. bis 21. März, vor den Toren Versailles, in Paris. Das bedeutende Deutschland. Mehr als 80 Millionen Einwohner, die Lokomotive Europas.“ [Übersetzung d. Verf.]. 2 Vgl. o.V.: Le salon du livre depuis 1981. Auf: Website des Salon du livre. URL: http://www.salondulivreparis.com/84/Salon_1981.htm?idh=0&idb=0 [03.03.2008]. 3 Vgl. o.V.: Auswahlbibliographien. Auf: Website des Instituts für Auslandsbeziehungen. URL: http://cms.ifa.de/publikationen/auswahlbibliografien/bilateral0/frankfreich/ [24.04.2008]. 4 Institut für Auslandsbeziehungen 2000. 5 O.V. 2001a, S. 15. 6 Vgl. ebd. 7 Schweitzer 1997, S. 92. 8 Vgl. Klingsieck 2001a, S. 14. 7 Sieben Jahre später ist es nun von Interesse, ob diese Bemühungen bis heute Bestand haben und ob der durch die Messe entstandene Aufschwung langfristig genutzt werden konnte. Schlagzeilen aktueller Artikel und Sonderpublikationen wie Mit dem Rücken zum Rhein9 oder France – Allemagne: la fin?10 scheinen darauf hinzuweisen, dass die Kritik über eine unzureichende Beachtung der deutschen Buchproduktion wieder aktuell ist und der Messeauftritt nur einen kurzweiligen Erfolg darstellte. Doch hat sich im deutsch-französischen Literaturaustausch tatsächlich nichts verändert? Wie steht es um die deutsche Gegenwartsliteratur in Lizenzausgaben auf dem französischen Buchmarkt? 2 Vorgehensweise und Zielsetzung Die vorliegende Magisterarbeit beschäftigt sich mit der deutschen Gegenwartsliteratur, welche im Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2007 in Lizenzausgaben auf dem französischen Buchmarkt erschienen ist. Sie untersucht sowohl die Präsenz als auch die Relevanz deutscher Autoren und ihrer Übersetzungen in Frankreich, um der Frage nachzugehen, ob sich eine fortdauernde Veränderung des deutsch-französischen Literaturverhältnisses seit 2001 verzeichnen lässt und wie es aktuell um den deutsch-französischen Literaturaustausch steht. Die Untersuchung ist in zwei Abschnitte untergliedert. Im ersten Teil soll zunächst ein Einblick in die gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des französischen Buchmarktes gegeben werden. Anstelle einer allgemeinen Überblicksdarstellung des gesamten Marktes werden einige für diese Untersuchung relevante Merkmale aufgezeigt. Neben der Stellung des Buches in der Gesellschaft und seiner Förderung durch den Staat gehören hierzu die gesetzlich verankerte Buchpreisbindung, der weit fortgeschrittene Konzentrationsprozess im herstellenden und verbreitenden Buchhandel sowie die spezielle Form des Zwischenbuchhandels. Des Weiteren bieten die Kapitel zur Buchproduktion im Allgemeinen und zur Belletristik im Speziellen sowie zum internationalen Lizenzgeschäft Frankreichs eine statistische Grundlage und einen Maßstab für Vergleiche zu Deutschland. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Welchen Kriterien folgt der französische Buchmarkt? Welche Besonderheiten weist er im Gegensatz zu Deutschland auf und welche Auswirkungen haben diese auf das internationale Lizenzgeschäft? Was besagt die Statistik zum Literaturaustausch der beiden Länder? Dieser einführende Teil der Arbeit strebt also an, mittels Buchmarktkriterien die Bedingungen sichtbar zu machen, welche den Rahmen für den Literaturtransfer von Deutschland nach Frankreich bilden sowie das Lizenzgeschäft näher zu betrachten. Im zweiten Teil steht eine eigens durchgeführte Bestandsaufnahme deutscher Gegenwartsliteratur in französischer Übersetzung im Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2007 im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Hierfür wurde ein Titelkorpus neu erfasst und anschließend nach den Kriterien Autoren, Gattungen, Untergattungen und thematische Schwerpunkte, Verlage, Übersetzer, Aspekte des Literaturmar9 10 Müller 2007. Fondation Robert Schuman 2005. 8 ketings und Erfolg analysiert. Besonders interessieren hierbei Fragestellungen wie etwa: Wie viele belletristische Titel werden pro Jahr ins Französische übersetzt? Welche Autoren sind wie häufig vertreten und warum? Lassen sich besonders beliebte Untergattungen und Themen erkennen? Welche Verlage und Verlagsgruppen sind maßgeblich am Lizenzgeschäft zwischen Deutschland und Frankreich beteiligt? Welche Rolle spielen die Übersetzer dabei? Welche verschiedenen Aspekte des Literaturmarketings werden genutzt, um das Herkunftsland der Autoren und Werke auszuweisen? Und schließlich: Haben Übersetzungen aus dem Deutschen in Frankreich Erfolg? Die in diesem Teil ermittelten Daten und gewonnenen Erkenntnisse werden gleichzeitig auf die Informationen über den französischen Buchmarkt aus dem ersten Teil bezogen sowie mit weiteren ausgewählten Besonderheiten, wie beispielsweise der landestypischen Buchgestaltung, der zeitlich klar definierten Herausgabe von Neuerscheinungen im ‚Rentrée littéraire‘ oder der hohen Stellung von Literaturpreisen in Verbindung gebracht. Ein solcher Rückschluss soll zeigen, ob Zusammenhänge zwischen dem französischen Buchmarkt und seinen Besonderheiten und dem Lizenzhandel mit Deutschland bestehen. Insgesamt ist es Ziel dieser Arbeit, den französischen Buchmarkt hinsichtlich seiner Besonderheiten darzustellen, einen tief reichenden, wenn auch zeitlich begrenzten Einblick in das Lizenzgeschäft zwischen Deutschland und Frankreich zu gewährleisten und die übersetzten Titel jenseits von Statistiken detailliert zu analysieren. So soll der aktuelle Stand des Literaturaustausches zwischen Deutschland und Frankreich definiert und der Frage nachgegangen werden, inwiefern dieser sich seit der Buchmesse 2001 verändert hat. Ein Resümee zum Anstieg deutscher Literatur auf dem französischen Buchmarkt, ein Ausblick auf die zukünftige Rolle deutscher Gegenwartsautoren in Frankreich und Vorschläge zur Verbesserung der deutschfranzösischen Literaturbeziehungen schließen die Arbeit ab. 3 Forschungsstand und Quellenlage Da der Forschungsstand zum französischen Buchmarkt im Allgemeinen und zum Lizenzgeschäft mit Deutschland im Speziellen unterschiedlich weit fortgeschritten ist, stützen sich die einzelnen Abschnitte der Arbeit auf unterschiedliche Quellen und Sekundärliteratur. Eine breite Literaturgrundlage steht für den ersten Hauptteil in Form aktueller Monographien zur Verfügung, welche einen Überblick zum französischen Buchmarkt bieten. Die von französischen Autoren erstellten Werke sind aufgrund ihrer hohen Aktualität und Praxisnähe von großem Nutzen für eine zeitgemäße Darstellung der französischen Buchbranche. Ihr Bezug ist jedoch nur teilweise über Fernleihe möglich, manchmal ist der direkte Einkauf in Frankreich nötig. Zu ihnen gehören beispielsweise Le livre. Mutations d’une industrie culturelle von François Rouet11 und Le livre aujourd’hui. Les défis de l’édition von Claude Combet12. Im Hinblick 11 12 Vgl. Rouet 2007. Vgl. Combet 2007. 9 auf die rasante Entwicklung vor allem im Bereich des herstellenden und verbreitenden Buchhandels veralten Publikationen dieser Art sehr schnell. Ältere Werke wie L’État et le livre von Yves Surel13, Le commerce du livre en France entre économie et culture von Fabien Chaumard14 oder Der Buchmarkt in Frankreich von Pascal Schweitzer15 dienen deshalb ausschließlich zur Gewinnung eines Überblickes über französische Besonderheiten und zur Erfassung langjähriger Tendenzen und Entwicklungen der französischen Buchbranche. Auch bei der Auswertung statistischer Primärquellen wurde auf Aktualität geachtet. Vor allem die Angaben zur Buchproduktion und zum Lizenzgeschäft stützen sich auf die, direkt beim französischen Verlegerverband Syndicat National de l’Édition erworbenen, neuesten Statistiken 16 zum nationalen und internationalen Geschäft. Für Vergleichswerte des deutschen Marktes bieten die jährlich vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels herausgegebenen Hefte Buch und Buchhandel in Zahlen Aufschluss. Auch das französische Kultusministerium Ministère de la culture et de la communication und seine Direction du livre et de la lecture (DLL) sowie diverse brancheninterne Verbände und Institutionen machen eine Vielzahl von Daten im Internet öffentlich zugänglich. Hier ist besonders der Rapport Livre 201017 hervorzuheben, welcher eine aktuelle Bestandsaufnahme der französischen Buchbranche darstellt. Aber auch Pressedossiers wie Le livre en France 2007 des Centre National du Livre (CNL) oder Lire en fête 2006 des Kultusministeriums sind von großem Nutzen für die Darstellung des Buchmarktes. Zur Definition von Branchentermina werden buchwissenschaftliche Nachschlagewerke herangezogen.18 Der direkte Literaturtransfer zwischen Deutschland und Frankreich ist hingegen in wissenschaftlicher Hinsicht bislang nur sehr vereinzelt untersucht worden. Da es kein Gesamtkonvolut deutscher Gegenwartsliteratur in französischer Übersetzung der letzten Jahre oder Jahrzehnte gibt, wurde das Titelkorpus, auf welches sich die Analysen des zweiten Teils dieser Arbeit stützen, selbst erstellt. Die hierfür herangezogenen Quellen, die bei der Suche aufgetretenen Erfassungsprobleme sowie die verwendeten Auswahlkriterien werden zu Beginn des dritten Kapitels detailliert aufgeführt und sind auch im Anhang noch einmal zusammenfassend dargestellt.19 Für allgemeine Definitionen zu (Unter-)Gattungen sowie zu einzelnen Autorenbiographien und aktuellen Tendenzen werden einschlägige Literaturlexika und Jahrbücher herangezogen.20 Zur Übersetzungsthematik im Speziellen findet sich kaum gedruckte Sekundärliteratur. So liegen keine Monographien vor, welche das Lizenzgeschäft mit Frankreich aus deutscher Sicht behandeln. Quellen wie Seminar- oder Kolloquiumsberichte, in welchen die deutsch-französische Literaturbeziehung näher betrachtet 13 Vgl. Surel 1997. Vgl. Chaumard 1998. 15 Vgl. Schweitzer 1997. 16 Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a und 2007b. 17 Vgl. Barluet 2007. 18 Vgl. Rautenberg 2003. 19 Vgl. hierzu Kapitel III 1.1., 1.2 und 1.3 zu Quellenlage, Erfassungsproblemen und Auswahlkriterien sowie Anhang 1. 20 Vgl. Fricke 2000, Schnell 2000, Kraft 2003 und Lützeler / Schindler 2006. 14 10 wird, sind durchgängig veraltet, sie stammen meist aus den 1980er und 1990er Jahren. Es gibt hingegen eine Vielzahl an Untersuchungen über französische Literatur in deutscher Übersetzung, also aus genau umgekehrter Sichtweise. Unter diesen kann besonders die Arbeit Frankreich literarisch von Stephanie Grillo21 herangezogen werden. Sie dient jedoch nur als Beispiel einer möglichen Herangehensweise an das Thema. Weit häufiger finden sich Beiträge zur Internationalität deutscher Gegenwartsliteratur und ihrer Autoren in den einschlägigen Branchenzeitschriften, insbesondere im Börsenblatt und im buchreport. Die Jahresbestsellerlisten zur Analyse der Erfolgstitel werden auf deutscher Seite vom letztgenannten Branchenblatt bereitgestellt, auf französischer Seite von Frankreichs einziger Branchenzeitschrift Livres Hebdo. Auch Artikel aus der Tagespresse und aus kulturellen Fachzeitschriften geben Auskunft über aktuelle Tendenzen der deutschen Literatur und über ihren Einfluss im Ausland. Hierzu gehören Der Spiegel, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung oder die wöchentlich erscheinende Die Zeit sowie die Zeitschrift für KulturAustausch, vierteljährlich herausgegeben vom Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart. Von Letzterer liegt zudem eine Sonderausgabe zum deutsch-französischen Dialog unter dem Titel Auswege aus der Routine22 vor. Aufgrund des Mangels an gedruckter Sekundärliteratur stützt sich der zweite Hauptteil der vorliegenden Arbeit zudem auf eine Zahl von Online-Publikationen. Vor allem in den Internetausgaben französischer und deutscher Tageszeitungen können einige aktuelle Artikel zum Thema gefunden werden, was das rege öffentliche Interesse an der deutsch-französischen Literaturbeziehung widerspiegelt. So finden online gestellte Beiträge aus den Feuilletons der Zeitungen L’Express, Le Point, Le Figaro, Der Spiegel und Frankfurter Allgemeine Zeitung Eingang in diese Arbeit. Auch die Internetauftritte einiger im internationalen Geschäft aktiven Institutionen wie des GoetheInstitutes, des Instituts für Auslandsbeziehungen oder der Robert Bosch Stiftung enthalten wichtige Aufsätze zur deutschen Gegenwartsliteratur in französischer Übersetzung. 4 Definitionen und Eingrenzung des Forschungsgegenstandes Im Folgenden soll erläutert werden, was im Rahmen der vorliegenden Untersuchung unter ‚Deutsche Gegenwartsliteratur‘, ‚Lizenzausgabe‘ und ‚französischer Buchmarkt‘ verstanden wird. Zudem wird erklärt, woraus sich die Zeitspanne 2000 bis 2007 ergibt. Zunächst wird die deutschsprachige Literatur bewusst auf deutsche Literatur eingegrenzt. Anstelle aller literarischen Werke aus dem staatsübergreifenden deutschen Sprachraum, welcher neben Deutschland auch die Schweiz und Österreich umfasst, sind ausschließlich Werke deutscher Autoren im Titelkorpus zu finden. Trotz des gleichen Sprachkreises und der sonst gängigen Eingliederung in den Sammelbegriff Deutsche Literatur mussten schweizerische und österreichische Autoren ausgegrenzt werden, um den Umfang des Titelkorpus nicht zu sehr auszuweiten. Bei der Auswahl 21 22 Vgl. Grillo 1999. Vgl. Institut für Auslandsbeziehungen 2000. 11 der Autoren ist jedoch nicht allein die Herkunft beziehungsweise die Staatsbürger23 schaft ausschlaggebend, sondern auch Autoren mit Migrationshintergrund , welche auf Deutsch schreiben und in Deutschland verlegt werden, sind berücksichtigt worden. Ihre so genannte interkulturelle Literatur wird somit als ein Bestandteil der Nationalliteratur angesehen; ihnen widmet sich ein eigenes Kapitel im zweiten Hauptteil der Arbeit.24 Unter Gegenwartsliteratur versteht man zunächst die aktuelle Literaturproduktion eines Landes. Während dieser zeitliche Aspekt der Aktualität in der Literaturge25 schichte relativ weit gefasst ist , soll er für diese Arbeit an den Geburtsdaten der Autoren festgemacht werden. Der älteste im Konvolut vertretene Schriftsteller wurde im Jahr 1926, der jüngste 1982 geboren. Diese Autoren entsprechen trotz des beachtlichen Altersunterschiedes der allgemeinen Vorstellung von Gegenwartsautoren. Ihr größter gemeinsamer Nenner ist dabei das persönliche Miterleben eines zunächst geteilten und schließlich wiedervereinten Deutschlands, die Wahrnehmung Deutschlands als Einwanderungsland sowie als Mitspieler in einer zunehmend globalisierten Welt.26 All diese Aspekte vereinen Gegenwartsautoren und beeinflussen die Gegenwartsliteratur von heute. Der Fokus innerhalb dieser so definierten Gegenwartsliteratur liegt zudem auf belletristischen Werken, wobei mit dem Begriff Belletristik „schöngeistige (fiktionale) Literatur sowie feuilletonistische oder essayistische Texte“27 gemeint sind. Letztere werden im Rahmen dieser Arbeit jedoch aus der Betrachtung ausgeschlossen, ebenso wie die beiden nicht zur Belletristik zählenden Gattungen Lyrik und Dramatik. Somit ist die Epik mit dem Roman als ihre Groß- sowie Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen als ihre Kurzform, von besonderem Interesse. Die „außerhalb des buchhändlerischen Sprachgebrauchs manchmal mit negativen Konnotationen be28 lastet[e]“ und mit Unterhaltungsliteratur gleichgesetzte Bezeichnung Belletristik wird im Rahmen dieser Arbeit wertneutral behandelt und nicht von anspruchsvoller Literatur abgegrenzt, sondern als ein Teil von ihr angesehen. Ferner werden nichtfiktionale Wirklichkeitsberichte wie Tagebücher, (Auto-)biographien oder Briefe29 aus der Analyse ausgegliedert, ebenso wie Anthologien, Klassiker oder Kinder- und Jugendliteratur. 23 „Zu den Personen mit Migrationshintergrund gehört die ausländische Bevölkerung – unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland geboren wurde – sowie alle Zugewanderten unabhängig von ihrer Nationalität.“ Statistisches Bundesamt Deutschland 2007, S. 338. 24 Vgl. hierzu Kapitel III 2.2.3 zu Autoren mit Migrationshintergrund. 25 Der Begriff kann entweder auf Literatur bezogen werden, welche sich an das Ende des Zweiten Weltkrieges anschließt, oder einerseits an die Nachkriegsliteratur im Westen und andererseits and die Literatur in der DDR. Das Jahr 1945 oder die deutsche Wiedervereinigung gelten somit nicht nur in der Geschichtsschreibung, sondern auch in der Literaturgeschichte als bedeutende Zäsuren. Vgl. Mansbrügge 2005, S. 14. Auch in Frankreich wird Gegenwartsliteratur so datiert. Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a, S. 71. 26 Vgl. Mansbrügge 2005, S. 15. 27 Rautenberg 2003a, S. 52. 28 Ebd., S. 52f. 29 Vgl. Meynier-Heydenreich 2004, S. 38. 12 Unter einer Lizenzausgabe versteht man eine „Sonderveröffentlichung eines Titels z.B. als Taschenbuchausgabe oder in einer Buchgemeinschaft. Dazu muss der Verlag, dem der Autor die Verwertungsrechte übertragen hat, seine Erlaubnis (Lizenz) erteilen.“30 Eine solche Sonderveröffentlichung kann jedoch auch die Übersetzung eines Werkes sein, wobei es sich um die „Wiedergabe eines in einer bestimmten Sprache verfassten Textes in einer anderen [Sprache] durch einen Dolmetscher oder Überset31 zer“ handelt. Diese Art der Lizenzausgabe steht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Im Falle der literarischen Übersetzung handelt es sich bei den übertragenen Texten meist um Belletristik. Da der Anteil von Auslandslizenzen bei belletristischen Titeln 32 generell hoch ist , besteht eine enge Verbindung zwischen Belletristik und Lizenzgeschäft. Zudem ist das Lizenzgeschäft wichtiger Bestandteil der Buchwirtschaft eines 33 Landes und sagt somit viel über deren Ausrichtung aus. Ziel von Übersetzungen ist es, Sprachbarrieren zu überwinden und zu einer besseren Verständigung und einem rascheren Informationstransfer zwischen verschiedenen Völkern und Kulturen beizutragen.34 Das deutsch-französische Literaturverhältnis ist somit auch für das allgemeine Verständnis zwischen Deutschland und Frankreich von Bedeutung. Geographisch gesehen konzentriert sich die Betrachtung deutscher Gegenwartsliteratur in Lizenzausgaben auf den französischen Buchmarkt innerhalb der Grenzen Frankreichs – ohne die noch heute zu Frankreich gehörenden Überseegebiete aus der Zeit des Kolonialismus und ohne die, besonders für den Literaturexport wichtigen, frankophonen Gebiete wie Belgien, Québec oder die französischsprachige Schweiz. Diese werden nicht in den Überblick zum französischen Buchmarkt und seinem Lizenzgeschäft miteinbezogen. Zeitlich beschränkt sich der Titelkorpus des zweiten Hauptteiles auf den Zeitraum Januar 2000 bis einschließlich Dezember 2007. Der Beginn dieser Eingrenzung ergibt sich aus dem Auftritt Deutschlands als Gastland auf dem ‚Salon du Livre‘ in Paris im Jahr 2001. Um die direkte Auswirkung der Einladung zu Frankreichs wichtigster Buchmesse auf das deutsche Lizenzgeschäft aufzeigen zu können, beginnt die Bestandsaufnahme bereits ein Jahr zuvor. Das Ende der Untersuchung ergibt sich aus der Entstehungszeit der Arbeit im laufenden Jahr 2008. Die Anzahl an übersetzten Titeln in den ersten acht Monaten des Jahres 2008 wird zwar für einen Ausblick herangezogen, das allgemeine Korpus schließt jedoch mit dem Jahr 2007. 30 Estermann 2003b, S. 343. Estermann 2003c, S. 501. 32 Vgl. Rautenberg 2003a, S. 53. 33 Vgl. Moritz 2003, S. 343. 34 Vgl. Estermann 2003c, S. 501. 31 13 II Gesellschaftliche, staatliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen des französischen Buchmarktes sowie das internationale Lizenzgeschäft Zunächst soll ein aktueller Überblick über den französischen Buchmarkt gegeben werden, welcher die Stellung des Buches aus gesellschaftlicher Sicht skizziert, staatliche Förder- und Schutzmaßnahmen darstellt und die derzeitige wirtschaftliche Situation der drei Branchensparten Verlagswesen, Zwischenbuchhandel und Bucheinzelhandel aufzeigt. Anschließend wird die Buchproduktion sowie das internationale Lizenzgeschäft Frankreichs näher beleuchtet. 1 Literaturnation Frankreich und die Rolle des Staates 1.1 Stellung des Buches in der Gesellschaft In Frankreich herrscht die Vorstellung des Buches als „exception culturelle“35 vor, da es als ein nicht-substituierbares und somit einzigartiges Kulturgut angesehen wird, welches sich von anderen Gebrauchsgütern unterscheidet und nicht den Regeln der 36 Liberalisierung des Handels unterliegt. Folglich wird es sowohl von der Gesellschaft als auch vom Staat sehr hoch angesehen. Nach Umsatz- und Verkaufszahlen stand es im Jahr 2004 mit 2,65 Milliarden Euro und 450 Millionen verkauften Exemplaren an erster Stelle aller kulturellen Güter, noch vor DVDs / Videos, CDs und Computerspielen.37 Und auch 2006 wurde das Buch vom weltweit tätigen Marktforschungsunternehmen GfK als kulturelles Gut Nummer Eins ermittelt, welches in Frankreich mit 50 % Marktanteil vor den anderen vier genannten Gütern rangiert.38 Was das Kaufverhalten betrifft, so hat eine Umfrage aus dem Jahr 2007 ergeben, dass zwar jeder vierte Franzose im Laufe eines Jahres kein Buch gelesen, gleichwohl aber jeder 39 Zweite im selben Jahr zumindest ein Buch gekauft hat. In Bezug auf das Leseverhalten herrscht in Frankreich die gleiche Situation vor, wie in vielen anderen westlichen Ländern. Während die Anzahl starker Leser, welche 25 und mehr Bücher pro Jahr lesen, kontinuierlich sinkt, steigt die Zahl an Wenig- bis Nichtlesern.40 Dennoch ist die Stellung des Mediums Buch in Frankreich hoch einzuschätzen. Als Kultur- wie auch als Wirtschaftsware hat es noch immer einen großen gesellschaftlichen Wert und sein Prestige als kulturelle Werte vermittelndes und Identität stiftendes Gut wird mehrheitlich anerkannt. Aus diesem Grund ist auch der Status des Schriftstellers als genialer ‚Homme des lettres‘ in Frankreich sehr hoch.41 35 Regourd 2006, S. 5. Vgl. Hillenweck 2004, S. 193. 37 Vgl. Combet 2007, S. 34. 38 Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a, S. 5. 39 Vgl. Barluet 2007, S. 10. 40 Vgl. ebd., S. 9. 41 Vgl. Hillenweck 2004, S. 193. 36 14 1.2 Staatliche Fördermaßnahmen Von Seiten des Staates wird traditionell viel für die Literatur im eigenen Land getan. Zahlreiche Fördermaßnahmen machen die vorherrschende Rolle des französischen Staates in der Kulturpolitik und den großen Einfluss auf das literarische Leben west42 lich des Rheins deutlich. Die Förderung rund um das Buch stand zusammen mit dem Erhalt historischer Gebäude an erster Stelle des Budgetplans 2007 des Kultus43 ministerium und die bereitgestellten staatlichen Mittel für die Förderung des Buchmarktes und des Lesens wurden in den letzten fünf Jahren um 21 % auf 185,1 44 Millionen Euro erhöht. Federführend bei der Förderung sind hierbei zwei Hauptakteure: die Abteilung Direction du Livre et de la Lecture (DLL) des Kultusministeriums sowie das Centre national du Livre (CNL)45. Zu ihren Aufgaben gehört die Gewährleistung von Subventionen für Verlage, Buchhandlungen und Übersetzer, die Vergabe zinsloser Kredite, die Senkung des Steuersatzes auf 5,5 % statt 19,6 % für Bücher, der Entwurf neuer Gesetzestexte und die gemeinsame Herausgabe der Fachzeitschrift Lettres seit 1985.46 Das aktuellste Projekt bestand in der Untersuchung aller Akteure des französischen Buchhandels, dessen Ergebnisse im Rapport Livre 2010 unter dem Motto „Pour que vive la politique du livre“47 zusammengefasst sind. In elf Gesprächen zwischen der DLL, des CNL und mehr als 200 Branchenmitarbeitern wurde zwischen September 2006 und Februar 2007 „ein Bericht zur Lage der Buchnation“48 erstellt und über Maßnahmen nachgedacht, welche dem staatlichen Engagement neue Impulse geben könnten. Ziel dieser Konferenzen war es deshalb einerseits, die aktuellen Veränderungen des Buchmarktes zu analysieren, und andererseits, mithilfe von öffentlichen Aktionen Konsequenzen zu ziehen und Perspektiven möglicher Reformen auszumalen, um die nationale Literatur im eigenen Land zu stärken.49 Einige dieser neuen Ideen werden im Laufe dieser Arbeit vorgestellt, so beispielsweise die Einführung eines Qualitätssiegels zum Schutz unabhängiger Buchhandlungen.50 Neben den Maßnahmen im eigenen Land setzt die französische Regierung aber auch viel daran, ihre Nationalliteratur im Ausland zu präsentieren und zu fördern. Das hierfür zuständige Bureau international de l’édition française (BIEF) hat es sich 42 Vgl. Hillenweck 2004, S. 199. Mit der engen Beziehung zwischen Staat und Kultur nimmt Frankreich eine Sonderrolle innerhalb der europäischen Länder ein, deren Staatsinterventionismus mehr auf den wirtschaftlichen und sozialen Bereich konzentriert ist. 43 Vgl. o.V.: Budget des Kultusministeriums. Auf: Website des Centre National du Livre. URL: http://www.centrenationaldulivre.fr/?Budget-de-la-Direction-du-livre-et [28.06.2006 / 06.03.2008]. 44 Vgl. o.V.: Budget 2007. Auf: Website des Ministère de la culture et de la communication. URL: http://www.culture.gouv.fr/culture/actualites/index-budget2007.html [27.09.2006 / 06.04.2008]. 45 Seit ihrer Gründung im Jahr 1957 wurde diese Institution mehrmals umbenannt. Aus Caisse des Lettres wurde Centre national des Lettres und heute Centre national du Livre. Im Jahr 2006 betrug ihr Budget 20,8 Millionen Euro. Vgl. Barluet 2007, S. 14f. 46 Vgl. Surel 1997, S. 27–32. 47 Barluet 2007. „Damit die Buchpolitik lebe.“ [Übersetzung d. Verf.]. 48 O.V. 2007, S. 23. 49 Vgl. Barluet 2007, S. 5. 50 Vgl. hierzu Kapitel II 2.2.2 zum Bucheinzelhandel. 15 unter anderem zur Aufgabe gemacht, Gemeinschaftsstände auf mehr als 20 internationalen Messen zu organisieren, Studien zum französischen Buchmarkt und seinem Lizenzgeschäft zu erstellen sowie Branchenteilnehmer im In- und Ausland weiterzubilden. Hierbei wird es mit mehr als zwei Millionen Euro jährlich vom Kultusministerium unterstützt.51 Das Ziel, die nationale Literatur international zu verbreiten und das Buch als Sympathieträger in der Außenwerbung einzusetzen, steht somit im Mittelpunkt des staatlichen Interesses in Bezug auf das Lizenzgeschäft und entspricht dem Selbstverständnis Frankreichs als Buchnation, welche ihre Literatur in die Welt 52 tragen möchte. Weniger gefördert wird hingegen der Einkauf von Lizenzausgaben. Die Übertragung ausländischer Literatur ins Französische wird in kleinerem Rahmen unterstützt, obwohl sie aufgrund ihrer hohen Herstellungskosten und geringen Rentabilität zu den besonders geförderten Tätigkeiten gehören sollte.53 Finanzielle Unterstützung für Übersetzungsprojekte bietet beispielsweise der Ausschuss Littératures étrangères des CNL.54 Im Jahr 2005 wurden insgesamt 304 Übersetzungen mit 1,4 Millionen Euro subventioniert, wovon jedoch nur ein kleiner Teil in den Bereich der Belletristik und der Hauptteil in den der Sach- und Fachbücher fließt.55 1.3 Gesetzliche Buchpreisbindung Aufgrund seines Charakters als Kulturgut muss das Buch vom Prinzip der Liberalisierung, also dem wirtschaftlichen System von Angebot und Nachfrage, ausgeschlossen sein.56 Um dies zu gewährleisten, ist die bedeutendste staatliche Schutzmaßnahme – die Buchpreisbindung – in Frankreich seit über 25 Jahren gesetzlich verankert. Das ‚Loi Lang‘, benannt nach dem ehemaligen französischen Kultusminister Jacques Lang, welcher es am 10. August 1981 auf den Weg gebracht hat, trat am 1. Januar 1982 in Kraft und wurde 1985 im Rahmen der Römischen Verträge vom Europäischen Gerichtshof ratifiziert. Es umfasst insgesamt elf Artikel, innerhalb derer die Bestimmungen für alle Branchenteilnehmer genau definiert sind.57 Ein Vergleich mit Deutschland, wo die Preisbindung zwar bereits seit 1888 branchenintern gilt, aber erst seit 2002 Gesetz ist, macht die lange rechtliche Verwurzelung dieser Regelung in Frankreich deutlich.58 Zur Sonderstellung des Buches als Kulturgut und zur Zielsetzung der Buchpreisbindung sagte Jack Lang auf der Nationalversammlung des französischen Parlaments 1981: 51 Vgl. Barluet 2007, S. 39f. Vgl. Lempp 2007, S. 207. Kultur wird in Frankreich zudem als Mittel zur Demonstration von Macht und Stärke angesehen. Vgl. Hillenweck, S. 202. 53 Vgl. Rouet 2007, S. 351. 54 Vgl. Lance 2000, S. 87. 55 Vgl. Rouet 2007, S. 351–353. 56 Vgl. ebd., S. 16. 57 Vgl. Surel 1997, S. 210. 58 Vgl. o.V.: Buchpreisbindung. Auf: Website des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. URL: http://www.boersenverein.de/de/portal/volltextsuche/157599?_nav=157599,157635 [22.05.2008]. 52 16 Ce régime dérogatoire est fondé sur le refus de considérer le livre comme un produit marchand banalisé et sur la volonté d’infléchir les mécanismes du marché pour assurer la prise en compte de sa nature de bien culturel qui ne saurait être soumis aux seules 59 exigences de rentabilité immédiate. Die Fülle und Vielfalt der literarischen Produktion sowie ihre flächendeckende Verbreitung zu bewahren und somit zum Erhalt einer intakten Buchhandelslandschaft beizutragen, wird somit in Frankreich als Hauptaufgabe der Buchpreisbindung angesehen. Ein wesentlicher Unterschied zur deutschen Regelung lässt sich im ersten Artikel, Absatz 4 finden, welcher besagt, dass der Verkaufspreis zwischen 95 % und 100 % 60 des vom Verlag oder Importeur festgelegten Ladenpreises liegen darf. Es ist also ein maximaler Rabatt von 5 % vom Buchhändler an den Endkunden gestattet. Der niedrigere Preis kann in Form von direktem Preisabzug an der Kasse, bei Erreichen einer bestimmten Stückzahl beziehungsweise Zahlungsmenge oder mithilfe eines Kundentreuesystems gewährt und neben dem Originalpreis auf dem Buch vermerkt werden. Darüber hinaus sind bis zu 9 % Rabatt bei Großbestellungen durch Schulen, Vereine, Institutionen oder Bibliotheken möglich.61 Die Buchpreisbindung wird in Frankreich allgemein hoch geschätzt. Eine Umfrage des Branchenblattes Livres Hebdo aus dem Jahr 2006 hat ergeben, dass 25 Jahre nach Einführung der Buchpreisbindung 93 % der Buchhändler eine insgesamt positive Bilanz aus dieser gesetzlichen Sonderregelung ziehen.62 Auch im herstellenden Buchhandel ist man sich über die Funktion und Auswirkung der Buchpreisbindung einig. So resümiert beispielsweise Antoine Gallimard, einer der renommiertesten Verleger seines Landes, dass „die 1981 eingeführte gesetzliche Buchpreisbindung […] 63 seit 25 Jahren dazu bei[trägt], die unabhängigen Buchhandlungen zu schützen“ . Dieser Meinung sind insgesamt 85 % der Befragten und 71 % glauben ebenfalls, dass die Preisbindung zur Förderung der verlegerischen Vielfalt beiträgt. Die Mehrheit der Branchenteilnehmer spricht sich deshalb gegen eine Veränderung des aktuellen Preisbindungsgesetzes aus, 15 % sind sogar für eine weitere Verschärfung der Regelungen.64 59 Jacques Lang, zitiert nach Kert 2008, S. 8. „Diese Ausnahmeregelung gründet sich auf die Verweigerung, das Buch als ein kommerzielles Handelsprodukt anzusehen, und auf den Willen, die Marktmechanismen zu ändern, um seine Wahrnehmung als Kulturgut sicherzustellen, welches nicht allein dem Ziel der sofortigen Rentabilität unterliegen sollte.“ [Übersetzung d. Verf.]. 60 Vgl. o.V.: Prix Livre. Auf: Website des Ministère de la culture et de la communication. URL: http://www.culture.gouv.fr/culture/dll/prix-livre/ [22.05.2008]. 61 Vgl. o.V.: Prix livre historique. Auf: Website des Ministère de la culture et de la communication. URL: http://www.culture.gouv.fr/culture/dll/prix-livre/prix-1.htm#historiq [09.04.2008]. 62 Vgl. o.V.: Brancheninformationen. Auf: Website der Frankfurter Buchmesse. URL: http://www.buchmesse.de/de/index.php?content=/de/brancheninformationen/buchmaerkte_weltwe it/europa/frankreich/13996/content.html [05.04.2008]. 63 Antoine Gallimard, zitiert nach Wetzel 2007, S. 12. 64 Vgl. o.V.: Brancheninformationen. Auf: Website der Frankfurter Buchmesse. URL: http://www.buchmesse.de/de/index.php?content=/de/brancheninformationen/buchmaerkte_weltwei t/europa/frankreich/13996/content.html [05.04.2008]. 17 Welche Auswirkungen das Fehlen einer staatlich geführten Preispolitik hat, zeigte sich in Frankreich bereits in den 1970er Jahren. Zunächst galt der so genannte ‚Prix Conseillé‘, ein vom Verleger empfohlener Preis, der dem Buchhändler die Möglichkeit zu Rabatten und sogar zu Preiserhöhungen bot. Ab 1979 wurde der ‚Prix Libre‘ eingeführt, welcher dem Buchhändler gestattete, den Verkaufspreis in freiem Ermessen und völlig unabhängig vom Verleger festzulegen.65 Dies bildete die Grundlage für einen Preiskampf, welcher zu einer ersten Schließungswelle kleinerer Buchhandlun66 gen führte. Aufgrund einer größeren Abnahmemenge konnte vor allem die Fédération nationale d’achats – besser bekannt als fnac – höhere Rabatte an die Endkunden weitergeben und bot Bücher bis zu 20 % günstiger an. Die Entstehung eines Buchverkaufs zu Dumpingpreisen und mit Sparangeboten à la ‚Zwei zu einem Preis‘ – in 67 welchem der eigentliche Doppelcharakter des Buches , sowohl Kulturgut als auch Handelsware zu sein, zugunsten wirtschaftlicher Interessen aufgelöst wird68 – konnte jedoch mit Inkrafttreten der Buchpreisbindung im Jahr 1982 abgewendet werden. Eine mögliche Abmilderung oder gar Abschaffung der Buchpreisbindung wird seitdem in Frankreich mehrheitlich nicht in Erwägung gezogen. Dennoch gibt es einen aktuellen Antrag eines Parlamentariers in Folge des gezielten Lobbyismus durch das Internet-Versandhaus amazon, nach welchem das Preisbindungsgesetz abgeändert werden soll. Hierbei steht die bisher auf 5 % beschränkte Rabattgewährung im Fokus der Diskussion. Es wird gefordert, den festen Ladenpreis nicht wie bisher nach zwei Jahren, sondern bereits nach sechs Monaten auflösen zu dürfen. Begründet wird dies mit der kurzen Lebensdauer eines Buches, welches im Durchschnitt nur drei Monate im Regal einer Buchhandlung steht und durch die neue Rabattregelung ein ‚zweites Leben‘ erhalten würde. Darüber hinaus wird die hohe Zahl von circa 50 Millionen vernichteter Bücher pro Jahr als Argument für eine Neuregelung aufgeführt.69 Sowohl Verleger- und Buchhändlerverbände als auch die Kultur- und Kommunikationsministerin Christine Albanel sehen in diesem Antrag zur Gesetzesänderung einen ersten Schritt zum Fall der Buchpreisbindung in Frankreich und warnen eindringlich vor einem Umbruch der Buchbranche nach englischem Vorbild.70 2 Fortschreitender Konzentrationsprozess Trotz der bedeutenden Stellung des Buches in Gesellschaft und Staat, zahlreicher Fördermaßnahmen aus öffentlicher Hand und der seit 1982 gesetzlich verankerten Buchpreisbindung konnte die weitreichendste Entwicklung der Branche – der Konzentrationsprozess – nicht verhindert werden: dieser ist sowohl im herstellenden als auch im verbreitenden Buchhandel bereits sehr weit fortgeschritten. 65 Vgl. o.V.: Prix Livre. Auf: Website des Ministère de la culture et de la communication. URL: http://www.culture.gouv.fr/culture/dll/prix-livre/ [22.05.2008]. 66 Vgl. Chaumard 1998, S. 33 und vgl. Rouet 2007, S. 271. 67 Vgl. Rautenberg 2003b, S. 85. 68 Vgl. Combet 2007, S. 40f. 69 Vgl. Kert 2008, S. 5. 70 Vgl. Casassus 2008, S. 20. 18 2.1 Herstellender Buchhandel Betrachtet man das französische Verlagswesen, so zeigt sich, dass es von einer starken Konzentration gekennzeichnet ist, welche schon seit dem Ende der 1970er Jahre 71 voranschreitet. Es gibt zwar beinahe 8000 Verlage, von ihnen publizieren jedoch nur 800 regelmäßig und ganze 90 % der Buchproduktion werden von nur 300 Ver72 73 lagen getätigt. Ein stetiger Rückgang von Neugründungen und ein Anstieg an Ver74 lagsschließungen wird dieses Bild in den nächsten Jahren noch verschärfen. Im Jahr 2006 hat das französische Verlagswesen insgesamt 2,8 Milliarden Euro 75 erwirtschaftet – 3,1 Milliarden, wenn man die Buchclubs miteinrechnet. Die beiden Konzerne Hachette Livre und Éditis dominieren hierbei den Markt mit großem Abstand zu ihrer Konkurrenz. Das bereits 1826 gegründete Traditionsunternehmen76 Hachette Livre konnte seinen mit Büchern erwirtschafteten Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2006 steigern und steht damit, gemeinsam mit Random House Bertelsmann, auf Platz sechs eines weltweiten Verlagsvergleichs.77 In seinen Hauptbereichen Schulbuch und Literatur rangiert der Konzern sogar auf Platz drei, nach Pearson und Random House Bertelsmann, mit welchen er gemeinsam den amerikanischen Markt dominiert.78 Die 2004 aus dem Medienkonzern Vivendi Universal Publishing (VUP) hervorgegangene Verlagsgruppe Éditis hingegen belegt derzeit mit einem von 717 Millionen Euro (2004) auf 755 Millionen Euro (2006) gestiegenen Jahresumsatz Listenrang 21 der weltweit größten Verlage.79 Hier wird die Dominanz von Hachette Livre, welches einen beinahe dreimal so hohen Jahresumsatz verzeichnet, deutlich erkennbar. Um dem unaufhaltbaren Konzentrationsprozess zumindest Grenzen zu setzen und eine konkurrenzlose Monopolstellung von Hachette Livre zu vermeiden, hat die Europäische Kommission im Jahr 2005 die Übernahme von Éditis durch Hachette verboten.80 71 Vgl. Rouet 2007, S. 28. Vgl. Barluet 2007, S. 16. 73 Vgl. Rouet 2007, S. 100. 74 Vgl. ebd., S. 104. 75 Vgl. Valette 2007, S. 8. Dies entspricht einem Fünftel der Einnahmen des fünftgrößten französischen Hypermarchés Système U, welche sich im gleichen Jahr auf 15,1 Milliarden Euro belaufen haben. Dieser Vergleich zeigt die eher geringe Bedeutung des herstellenden Buchhandels in Bezug auf die Gesamtwirtschaft Frankreichs auf. 76 Vgl. Rouet 2007, S. 43. 77 Vgl. Piault 2007. Diese Rangliste wurde erstmalig 2007 von der französischen Branchenzeitschrift Livres Hebdo in Zusammenarbeit mit Rüdiger Wischenbart, einem Experten für das internationale Lizenzgeschäft, erarbeitet. Sie vergleicht 45 Verlagsgruppen aus 15 verschiedenen Ländern miteinander. Aufnahmekriterium war hierbei ein Jahresumsatz der Verlage von mindestens 200 Millionen Euro im vorangegangenen Geschäftsjahr. 78 Vgl. Piault 2007, S. 3f. 79 Vgl. ebd., S. 5. 80 Vgl. Combet 2007, S. 31. 72 19 Zum Literaturbereich von Hachette Livre – Hachette Littérature genannt – gehören seit der Nachkriegszeit so renommierte Häuser wie Fayard und Grasset, gegründet 1855 und 1907, sowie Stock. Mit der Übernahme des Literaturverlages JC Lattès im Jahr 1981 hat eine zweite Expansionsphase begonnen. Im Jahr 1993 erwarb der Konzern zusätzlich eine Mehrheitsbeteiligung von 57,28 % am 1836 gegründeten Traditionsverlag Calmann-Lévy.81 Éditis vereint ebenfalls renommierte Publikums82 verlage wie Presses de la Cité oder Belfond unter seinem Dach. Dies macht die quantitativ hohe Präsenz der beiden Konzerne im Literaturbereich deutlich. Hachette Livre ist zudem international ausgerichtet und hat besonders in den letzten Jahren global expandiert. Mit der Übernahme der britischen Verlagsgruppe Hodder Headline im August 2004 – heute Hachette UK genannt – und der amerikanischen Time Warner Book Group im Februar 2006 – heute Hachette Book Group USA – ist der Konzern in Großbritannien, Australien und Neuseeland Marktführer im Bereich Belletristik und in den USA als fünfstärkste Kraft im Verlagswesen vertreten.83 Auch bekannte spanische Verlage wie Anaya, Salvat und Bruño gehören zur Verlagsgruppe. 63,3 % des Gesamtumsatzes werden somit „hors de l’Hexagone“84, also außerhalb Frankreichs, erwirtschaftet. Im Gegensatz hierzu konzentriert sich der Konzern Éditis vornehmlich auf den französischsprachigen Raum, indem er beinahe 30 Verlagshäuser in Frankreich und Belgien besitzt, von denen viele innerhalb der letzten zwei Jahre, also 2005 und 2006, angekauft worden sind.85 Mit einigem Abstand zu diesen beiden Marktführern folgen Verlagsgruppen mittlerer Größe, wie etwa La Martinière Groupe (Rang 38 weltweit) zu welcher seit 2004 Le Seuil, eines der größten Traditionshäuser der französischen Verlagsbranche, gehört.86 Weiter gibt es die unabhängige Verlagsgruppe Groupe Gallimard mit renommierten Verlagen wie Denoël oder Rocher (Rang 40 weltweit), die Groupe Flamma87 rion (Rang 43 weltweit) und die ebenfalls unabhängige Groupe Albin Michel. Die Mitglieder dieser so genannten „bande des quatre“88 erwirtschaften jeweils einen Jahresumsatz im Bereich zwischen 150 und 300 Millionen Euro89 und haben ihre Position, vergleichbar mit deutschen Konzernen wie Klett, Cornelsen, Langenscheidt oder Weltbild im Mittelfeld des internationalen Verlagswesens gefestigt. Im Gegensatz zum Konzern Hachette Livre, welcher seit 1993 zur französischen Unternehmensgruppe Lagardère Groupe gehört, und zu dem seit 2004 vom französischen Kapitalpartner Wendel Investissement finanzierten Éditis befinden sich die Verlage Gallimard und Albin Michel noch immer in Familienbesitz, steuern jedoch einem Generationenwechsel in der Führungsetage entgegen.90 Sie bilden eine Ausnahme im 81 Vgl. Combet 2007, S. 28. Vgl. ebd., S. 58. All diese genannten Verlage sind im Titelkorpus vertreten und werden in Kapitel III 2.4.2 zu den Lizenznehmern näher betrachtet. 83 Vgl. ebd., S. 46. 84 Piault 2007, S. 6. 85 Vgl. ebd., S. 4. 86 Vgl. Combet 2007, S. 29. Auch der deutsche Verlag Knesebeck gehört zur Martinière Groupe. 87 Vgl. ebd., S. 8. 88 Rouet 2007, S. 115. 89 Vgl. Combet 2007, S. 35. 90 Vgl. Piault 2007, S. 4–8 und vgl. Combet 2007, S. 28–30. 82 20 heutigen französischen Verlagswesen, welches seit 2000 eine erneute Welle der Konzentration erlebt. Bisherige Familienunternehmen werden an ausländische Unternehmen verkauft, wie beispielsweise Flammarion im Jahr 2003 an die italienische RCS Media Group.91 So wurden und werden die einst führenden Traditions- und Familienunternehmen des französischen Verlagswesens in eine mittlere Position gedrängt oder von Konzernen aufgekauft.92 93 Neben den vier „grands-moyens“ La Martinière, Gallimard, Flammarion und 94 Albin Michel, gibt es zudem so genannte „petits-moyens“ , von welchen der südfranzösische Verlag Actes Sud besonders nennenswert ist. Während viele dieser kleinen Mittelgroßen Teil einer Verlagsgruppe werden, hat Actes Sud selbst Verlage an sich geschlossen, wie zum Beispiel Éditions du Rouergue, Éditions Errance oder Éditions Thierry Magnier. Mit einem Jahresumsatz von 28,65 Millionen Euro, 350 Neuerscheinungen pro Jahr und 5400 Titeln im Gesamtkatalog hat sich dieses Haus in der französischen Verlagslandschaft einen Namen gemacht.95 Neben den beiden marktbeherrschenden Verlagsgruppen und den Häusern mittlerer Größe existieren auch viele Klein- und Kleinstverlage. Diese Kategorie besteht aus circa 300 bis 400 Unternehmen, welche eine mehr oder weniger unfreiwillige „choix de la solitude“96 getroffen haben. Sie wurden meist in den vergangenen 25 Jahren gegründet und sind im Gegensatz zur Mehrheit französischer Verlage nicht nur in Paris, sondern häufig in Südfrankreich angesiedelt. Sie gelten allgemein als besonders innovativ, denn diesen waghalsigen Büchernarren verdankt das ansonsten ziemlich steril gewordene, etablierte Verlagswesen jenseits des Rheins […] den notwendigen frischen Wind, der die drückende Schwüle erträglich macht, die die Großverlage bisweilen mit ihrer auf Masse 97 angelegten Produktion erzeugen. Die Ausmaße dieser individuellen Buchproduktion halten sich allerdings in Grenzen, da nahezu 30 % der kleinen Verlage weniger als zehn Titel im Jahr publizieren und beinahe 50 % von ihnen nicht mehr als 20.000 Euro im Jahr erwirtschaften.98 Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise Jacqueline Chambon in Nîmes sowie Encre Bleue in Villegly oder Verdier in Lagrasse.99 Häufig wird ihre finanzielle Existenz stark gefährdet, indem neu entdeckte und viel versprechende Autoren sofort von großen Verlagen abgeworben werden. Meist bleibt ihnen nur die Wahl zwischen dem Verbleib am unteren Ende der Wirtschaftskette oder der Eingliederung in eine größere Verlagsgruppe, um die nötigen finanziellen Mittel zur Expansion zur Verfügung zu 91 Vgl. Combet 2007, S. 30. Vgl. Rouet 2007, S. 115. 93 Ebd., S. 116. Es wird somit zwischen ‚großen Mittleren‘ und‚ kleinen Mittleren‘ unterschieden. 94 Ebd. 95 Vgl. o.V.: Verlagsportrait. Auf: Website des Verlages Actes Sud. URL: http://www.actes-sud.fr/ne/as. php [27.11.2007 / 02.04.2008]. 96 Rouet 2007, S. 317. 97 Grillo 1999, S. 98. 98 Vgl. Barluet 2007, S. 18. 99 Vgl. Combet 2007, S. 9. Auch diese Verlage sind alle im Titelkorpus vertreten. 92 21 100 haben. Zu dieser schwierigen Stellung kommt eine starke Benachteiligung durch den in Frankreich von den großen und mittleren Verlagen beherrschten Zwischenbuchhandel. Dessen Aufnahmekriterien erfüllen die kleinen Verlage aufgrund ihrer geringen Produktionsmenge häufig nicht, weshalb sich beinahe die Hälfte von ihnen selbst um Vertrieb und Auslieferung kümmern muss.101 2.2 Verbreitender Buchhandel 2.2.1 Zwischenbuchhandel Größere Verlage haben die Wahl, mit einem der insgesamt 213 Unternehmen, welche in Frankreich für den Vertrieb und die Auslieferung von Büchern zuständig sind, 102 zusammenzuarbeiten. Die Funktionsweise des französischen Zwischenbuchhandels unterscheidet sich hierbei von der des deutschen. Zunächst fungiert die ‚Diffusion‘ als Bindeglied zwischen Verleger und Buchhändler, indem sie zum einen Marketingaufgaben übernimmt, aber vor allem mittels Vertreterreisen in direktem Kontakt zum Bucheinzelhandel steht und diesem die Programmneuheiten präsentiert. Die so erzielten Verkaufsaufträge werden an die ‚Distribution‘ weitergeleitet, welche sowohl für die Lagerung, Auslieferung und Abrechnung der Bestellungen zuständig ist als auch spätere Remittenden der Buchhändler entgegennimmt.103 Es existieren keine unabhängigen Barsortimente, welche Bücher vieler verschiedener Verlage in eigenem Namen 104 und auf eigene Rechung unter ihrem Dach vereinen, sondern Verlage besitzen eigene zwischenbuchhändlerische Unternehmen, welche zum Teil auch die Produktion anderer Verlage gegen Gebühr vertreiben und ausliefern. Auf der Messe 2001 blickten deshalb „die französischen Verleger […] durchaus neidvoll auf das effiziente System des deutschen Zwischenbuchhandels.“105 Den beiden Marktführern Hachette Livre und Éditits gehören die ebenso marktbehrerrschenden Vertriebs- und Auslieferungsstrukturen Hachette Distribution und Interforum, während Gallimard mit Sodis, La Martinière-Le Seuil mit Volumen, Flammarion mit Union Distribution oder Albin Michel mit Dilisco eigenständige Unternehmen im Zwischenbuchhandel vorweisen können. Von Verlagsgruppen unabhängige oder kleine Verlage müssen hingegen über den Vertriebs- und Auslieferungsweg eines größeren Verlages versuchen, ihre Ware in den Buchhandlungen zu platzieren, wodurch sie in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten. 100 Vgl. Rouet 2007, S. 115. Vgl. ebd., S. 316 und vgl. Barluet 2007, S. 18. 102 Hierbei handelt es sich um so genannte ‚Diffuseurs‘ und ‚Distributeurs‘. Im Folgenden werden aufgrund der konträren deutschen Übersetzung die französischen Begriffe beibehalten, da die wörtliche Übersetzung zu Verwirrung führen würde. ‚Diffusion‘ – wörtlich übersetzt Verbreitung – steht demnach für den Vertrieb, wohingegen ‚Distribution‘ – wörtlich übersetzt Vertrieb – in Frankreich Auslieferung bedeutet. 103 Vgl. Combet 2007, S. 20f. 104 Vgl. Titel 2003, S. 49. 105 Klingsieck 2001b, S. 14. 101 22 Eine Ausnahme dieses Systems bildet erneut Actes Sud, welcher trotz seiner mittleren Größe über ein eigenes Vertreternetz verfügt, mithilfe dessen die Verlagsunabhängigkeit durch einen direkten und selbständigen Kontakt zu den Buchhändlern gewährleistet bleibt. Die anschließende Auslieferung erfolgt jedoch über Union Distribution des Verlages Flammarion.106 Um diesem in Frankreich herrschenden Vertriebs- und Auslieferungssystem entgegenzuwirken und die kleinen Verlage zu unterstützen, welche aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit erst gar nicht vertrieben und ausgeliefert werden, wurde mithilfe des Syndicat national de l’édition (SNE) und des Syndicat de la librairie française (SLF) eine Distributionsorganisation namens Calibre ins Leben gerufen. Sie hat sich 107 zum Ziel gesetzt, die Auslieferung kleinster Verlage zu bündeln und so die Verbreitung ihrer Bücher nicht mehr allein dem Engagement aufmerksamer Buchhändler und Bibliothekare zu überlassen.108 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Konzentrationsprozess im herstellenden Buchhandel sowohl horizontal als auch vertikal verläuft. Das horizontale Wachstum bezieht sich auf die genannten Vergrößerungen der vorherrschenden Unternehmen innerhalb der Verlagsbranche in Form von Übernahmen und Fusionen. Die vertikale Diversifikation besteht in der Ausweitung der Geschäftsaktivität auf eine weitere, nachgelagerte Branchensparte. Sie erstreckt sich neben dem Zwischenbuchhandel auch auf die Wirtschaftsstufe des Bucheinzelhandels. Ein vertikal ausgerichtetes Unternehmen ist somit auf allen Ebenen des Buchmarktes präsent. 2.2.2 Bucheinzelhandel Viele der Verlage verfügen so traditionellerweise auch über eine oder mehrere angeschlossene Buchhandlungen – ein Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert, bevor die beiden Sparten und Berufsfelder voneinander getrennt wurden.109 Es gibt beispielsweise die zu den Verlagen gehörenden Buchhandlungen Les librairies Hachette, Les librairies Flammarion oder Les librairies Gallimard, welche sich meist in verschiedenen Vierteln von Paris und in anderen Großstädten Frankreichs befinden.110 Der Einfluss eines Verlagskonzerns kann sich in Frankreich somit mithilfe eines angeschlossenen Zwischen- und Sortimentsbuchhandelnetzes über alle drei Sparten der Buchbranche erstrecken. Doch auch der Bucheinzelhandel, welcher nicht direkt an das Verlagswesen angeschlossen ist, befindet sich in einem sehr weit fortgeschrittenen Konzentrationsprozess. Er besteht zwar aus einem insgesamt dichten und vielseitigen Netz von 25.000 Verkaufsstellen111, doch nur noch 3000 davon erwirtschaften ihren Hauptumsatz mit Büchern und können somit als ‚professionelle‘ Buchhandlungen angesehen werden.112 106 Vgl. Combet 2007, S. 20. und S. 58f. Vgl. ebd., S. 21 und vgl. Barluet 2007, S. 66f. 108 Vgl. Combet 2007, S. 8. 109 Vgl. Chaumard 1998, S. 181. Frankreich ist zusammen mit Italien das einzige europäische Land, in welchem Verlage auch Anteile am verbreitenden Buchhandel halten. 110 Vgl. ebd., S. 181–190. 111 Vgl. Barluet 2007, S. 26. 112 Vgl. Wetzel 2007, S. 14. 107 23 Insgesamt variieren die verschiedenen Vertriebskanäle in Frankreich so sehr, dass man sie unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung und Bedeutung, ihrer Sortimentsbreite und -tiefe sowie ihres Umsatzes beim Auslieferer in verschiedene Kategorien einzuteilen pflegt. Die erste Kategorie besteht aus circa 190 so genannten Multimediakaufhäusern113, welche weit weniger als 50 % ihres Gesamtumsatzes mit Büchern, sondern vielmehr mit Hardware und Software, CDs, DVDs und Videos erwirtschaften, aber dennoch 114 mit 34 % Anteil auf dem Buchmarkt vertreten sind. Die beiden führenden Unternehmen sind hierbei Fnac sowie Virgin Megastore. Ersteres ist nicht nur unangefochtener Marktführer in Frankreich, sondern nimmt 115 als weltweit größte Buch- und Medienkette eine einzigartige Stellung ein. Seit der Eröffnung der ersten dreistöckigen Buchhandlung in Paris im Jahr 1953 zählt die Multimediakette heute 71 Filialen in Frankreich und 41 Filialen in acht verschiedenen Ländern der Welt, so dass mittlerweile gesagt werden kann: „toutes les villes de plus de 100.000 habitants possèdent leur Fnac“116. Hierbei reicht die Verkaufsfläche bis hin zu mehr als 2.000 qm im Falle der beiden Pariser Filialen, welche ein Sortiment von je 130.000 Titeln anbieten. In anderen französischen Großstädten ist eine Fläche von mehr als 500 qm und ein Sortiment von 50.000 Titeln Standard für eine Fnac-Filiale.117 Im Jahr 2005 wurden mit dem Verkauf von Büchern rund 507 Millionen Euro erwirtschaftet, was jedoch nur 19 % des 4,38 Milliarden hohen Gesamtumsatzes entspricht.118 5 % des Umsatzes entfallen dabei auf den hauseigenen Internethandel, welcher mit Besucherzahlen zwischen 5,3 und 7,1 Millionen die meistbesuchte E-Commerce Seite nach ebay darstellt.119 Zudem weitet die fnac ihr Filialnetz seit 2006 im 5-Filialen-pro-Jahr-Rhythmus auch auf die außerhalb der Stadtzentren gelegenen ‚banlieues‘ aus – mit dem Ziel, ein „fnac-Universum ohne 120 Grenzen“ zu erschaffen, welches von Ladengeschäften in den Innenstädten, über das Internet bis hin zu Filialen im Umland Frankreichs reichen soll. 113 Vgl. Combet 2007, S. 23. Vgl. Barluet 2007, S. 26. 115 Vgl. Piault 2006b. Sie steht noch vor den amerikanischen Marktführern Barnes & Noble und Borders. 116 Rouet 2007, S. 228. „Alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern besitzen ihre Fnac.“ [Übersetzung d. Verf.]. 117 Vgl. ebd., S. 224f. Im Vergleich hierzu liegt beispielsweise die durchschnittliche Verkaufsfläche der Thalia Holding GmbH bei 930 qm. Vgl. Emrich 2007, S. 115. 118 Vgl. Rouet 2007, S. 214 und S. 224. Im Vergleich hierzu erwirtschaftete die Thalia Holding GmbH im selben Jahr 332 Millionen Euro in Deutschland. Vgl. Emrich 2007, S. 115. 119 Vgl. o.V.: Rangliste der E-Commerce Seiten 2007. Auf: Website der Fedération du e-commerce et de la vente à distance. URL: http://www.fevad.com/index.php?option=com_content&task=view&id=290&Itemid=604 [27.04.2008]. Somit nimmt Fnac auch im Internetbuchhandel eine führende Rolle ein, welcher derzeit 4 % des verbreitenden Buchhandels in Frankreich ausmacht. Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a, S. 15. 120 Normand 2006a, S. 74. 114 24 Die Monopolstellung von Fnac wird besonders deutlich, wenn man ihren Konkurrenten Virgin Megastore näher betrachtet, welcher 1988 aus einem britischen 121 Musiklabel hervorgegangenen ist. Dieses Multimediakaufhaus folgt zwar in Firmenführung und Sortimentsaufteilung dem Branchenführer, hat im Jahr 2005 mit 123 Millionen Euro jedoch nur rund ein Viertel des Buchumsatzes der Fnac erwirtschaftet und liegt damit insgesamt auf dem dritten Rang aller Ketten, welche Bücher verkaufen. Virgin Megastore besitzt heute 35 ähnlich aufgebaute Filialen in ganz 122 Frankreich. Die Monopolstellung der Fnac ist somit vergleichbar mit der von Hachette Livre im herstellenden Buchhandel. Die zweite Kategorie wird durch eine außergewöhnliche, seit den 1980er Jahren andauernde Entwicklung des französischen Bucheinzelhandels gebildet: Verbrauchermärkte, welche Bücher in ihrem Sortiment führen. In Frankreich erfolgt hierbei eine größenabhängige Unterscheidung zwischen ‚Supermarchés‘ und ‚Hypermarchés‘.123 Die flächenmäßig kleineren Supermärkte beschränken ihr Buchangebot meist auf einige wenige, einheitlich bestückte Regale, ähnlich den in Deutschland durch Rack Jobber124 gefüllten Taschenbuch- und Bestseller-Regalen in Einkaufsmärkten. Hypermärkte stellen hingegen aufgrund der Eingliederung von riesigen Bücherregalen in ihre enormen Ladenflächen von mindestens 2.500 qm eine Besonderheit des französischen Bucheinzelhandels dar125 und haben bereits 25 % Anteil am Bucheinzelhandel inne.126 Zu den insgesamt rund 1.500 Hypermärkten127 Frankreichs gehören beispielsweise E. Leclerc, Carrefour, Auchan und Intermarché, welche sich vor allem in den „centres commerciaux de périphérie“128, also den am Stadtrand gelegenen Einkaufszentren befinden. Ihrem Konzept entsprechend, alle erdenklichen Produkten unter einem Dach zu vereinen, wird das Kulturgut Buch als gewöhnliche Handelsware angesehen und gehört zum festen Bestandteil des Sortiments. Die Ausmaße einer Buchabteilung innerhalb eines ‚Hypermarchés‘ entsprechen mit einer Fläche von mindestens 100 qm bis über 500 qm und einer Buchsortimentsbreite von durchschnittlich 5.000 bis hin zu 10.000 Titeln der Größe und dem Angebot einer eigenständigen Buchhandlung.129 121 Vgl. Chaumard 1998, S. 158. Vgl. Combet 2007, S. 22f. und vgl. Rouet 2007, S. 215. 123 Vgl. Rouet 2007, S. 267. 124 Unter einem Rack Jobber versteht man einen (Regal-)großhändler oder Hersteller, welcher Regalflächen anmietet und auf eigene Rechnung sortimentsergänzende Waren, in diesem Falle Bücher, verkauft. Ein Rackjobber übernimmt die Regalpflege und Zusammenstellung seines angebotenen Sortiments. 125 Vgl. o.V.: Hypermarché. Auf: Website des Institut National de la Statistique et des Études économique. URL: http://www.insee.fr/fr/ffc/chifcle_fiche.asp?ref_id=NATnon12313&tab_id=696 [01.03.2008 / 26.06.2008]. 126 Vgl. Barluet 2007, S. 26. 127 Vgl. Rouet 2007, S. 267. 128 Ebd., S. 228. 129 Vgl. ebd., S. 268f. Das Sortiment beinhaltet im Allgemeinen neben Bestsellern und Trivialliteratur aus dem Kriminal- und Erotikbereich auch literarisch anspruchsvolle klassische und zeitgenössische Literatur. Hinzu kommen Kinder- und Jugendbücher, Ratgeber sowie das in Frankreich sehr beliebte Genre Comic, im Französischen BD für ‚Bande dessinée‘ genannt. Vgl.Chaumard 1998, S. 164. 122 25 Obwohl der Umsatz mit Büchern nicht mehr als 1 % des Gesamtumsatzes eines Hypermarktes ausmacht, gehören einige von ihnen zu den führenden Akteuren im Bucheinzelhandel. E. Leclerc zum Beispiel war im Jahr 2005 mit einem Buchumsatz von 102 Mio. Euro fünftstärkste Kraft unter allen in Frankreich agierenden Ketten, welche Bücher in ihrem Sortiment führen.130 Die Verkaufsstrategie von E. Leclerc besteht seit 1995 darin, Bücher in so genannten ‚Espaces Culturels‘ anzubieten. Wo in anderen Hypermärkten Bücherregale in den normalen Verkaufsbereich integriert sind, erfolgt hier eine Ausgliederung in ein scheinbar eigenständiges Geschäft im Eingangsbereich des Marktes. Die Verkaufsfläche variiert dabei zwischen 400 und 131 500 qm, das Sortiment umfasst mindestens 20.000 Titel. Da in den mittlerweile 119 ‚Espaces Culturels‘ ein multimediales Sortiment geführt wird und die Ladengestaltung stark an Fnac erinnert, herrscht zwischen dem Hypermarkt und dem Multimediakaufhaus ein „bataille du livre“132. Die derzeitigen Aktivitäten der Fnac, ihr Filialnetz auch auf das Umland großer Städte auszuweiten und somit in den Bereich der riesigen Einkaufszentren einzudringen, verschärft diese Konkurrenz.133 Die dritte Kategorie besteht aus Kaufhäusern wie Galeries Lafayette oder Le Printemps, welche mit Karstadt oder Kaufhof vergleichbar sind, sowie aus Buchclubs wie Le Grand Livre du Mois und France Loisirs. Letzterer untersteht der DirectGroup Bertelsmann134 und konnte seinen Anteil am stationären Buchhandel mit der Übernahme der Librairies Privat, einer bis dahin größten unabhängigen Buchhandelsketten, im Jahr 2005 stark vergrößern. France Loisirs kommt nun auf einen Gesamtbuchumsatz von rund 364,2 Mio. Euro und liegt damit auf Platz zwei des französischen Filialnetzes.135 Was den mit Büchern erzielten Umsatz betrifft, ist France Loisirs der neue unmittelbare Konkurrent der Fnac und mit insgesamt 234 Verkaufsstellen bereits die am weitesten verbreitete Kette im Endkundenhandel. Ähnlich dem Duopol Hachette und Éditis im Verlagswesen hat sich somit das Duopol Fnac und France Loisirs im Bucheinzelhandel gebildet – in beiden Fällen jedoch mit großem Vorsprung des jeweiligen Marktführers. Die vierte Kategorie bilden die ‚reinen‘ Buchhandlungen mit Umsätzen zwischen 2 Millionen und weniger als 300.000 Euro jährlich.136 Im Gegensatz zu den bereits genannten, hauptsächlich buchfremden Akteuren ist hier das Buch Hauptverkaufsgut und macht den Hauptanteil des Sortiments aus. Laut Branchenschätzung trifft dieses Merkmal noch auf 3.000 Buchhandlungen zu137, bei anderen Branchenkennern ist 138 dagegen die Rede von nicht mehr als 500 Buchhandlungen. Diese befinden sich hauptsächlich in kleineren, von den Filialisten bisher außer Acht gelassenen Städten139 130 Vgl. Rouet 2007, S. 213–215. Vgl. ebd., S. 281. 132 Ebd., S. 233. 133 Vgl. Normand 2006a, S. 72. 134 Vgl. Piault 2006b, S. 8–16. 135 Vgl. o.V. 2005, S. 15. 136 Vgl. Wetzel 2007, S. 14. 137 Vgl. Barluet 2007, S. 26. 138 Vgl. Rouet 2007, S. 195f. 139 Vgl. Chaumard 1998, S. 191. 131 26 und werden aufgrund ihrer meist geringen Kaufkraft vom Verlagswesen und Zwischenbuchhandel stiefmütterlich behandelt. Doch ein harter Kern besteht in 250 alteingesessenen, in Paris oder anderen Metropolen ansässigen Buchhandlungen, welche das „cœur du premier niveau“140 dieses noch unabhängigen stationären Sortimentsbuchhandels bilden. Mit einem sowohl breiten als auch tiefen Sortiment von mindestens 30.000 bis 60.000 Titeln, mehr als 400 qm Verkaufsfläche, zahlreichen qualifizierten Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens einer Million 141 Euro behaupten sich diese „barons“ gegen die immer stärker werdende Konkurrenz an Medienkaufhäusern oder Hyper- und Supermärkten. Zu diesem vierten Vertriebsweg gehören ebenfalls die in Frankreich traditionell mit Büchern handelnden Zeit142 schriftenläden, die ‚Maisons de la Presse‘ , sowie auf bestimmte Genres und Themengebiete spezialisierte Buchhandlungen. Eine solche Spezialisierung kann zum Beispiel auf ausländische Literatur ausgerichtet sein.143 In Paris gibt es jedoch nur drei Buchhandlungen, welche sich auf deutsche Literatur spezialisiert haben: der Bücherladen in Montmartre, InfoBuch im Marais-Viertel und Marissal am Centre Pompidou.144 Aufgrund des stark fortgeschrittenen Konzentrationsprozesses im Endkundenhandel hat sich die Anzahl unabhängiger Buchhandlungen von einst mehr als 50 % auf 41 % verringert145 und die vor zehn Jahren gestellte Prognose erfüllt: „Ainsi toutes nouvelles ouverture d’une Fnac se traduit toujours à moyen terme par la fermeture de plusieurs librairies, en général les plus petites et les moins dynamiques“146. Und auch heute noch warnen Stimmen davor, dass „neue Formen der Konkurrenz und die verstärkte Konzentration auf allen Ebenen des Buchmarkts“147 die unabhängigen Buchhandlungen schwächen. Der Trend zeigt, dass die Gesamtzahl der Buchhandlungen kontinuierlich abnimmt, während die durchschnittliche Verkaufsfläche in der Branche steigt. „Fazit: Die kleinen Buchhandlungen gehen unter, die großen werden größer.“148 Um ihren Einfluss angesichts dieser wachsenden Macht zu stärken, schließen sich kleine Buchhandlungen in Vereinigungen zusammen. So beispielsweise in der Association des librairies indépendantes149, in welcher Logistik, Marketing und Branchenkommunikation der einzelnen Mitglieder zusammengelegt wird. Oder im 2002 ge- 140 Rouet 2007, S. 199. Ebd. 142 Vgl. Chaumard, S. 172–174. 143 Vgl. Rouet 2007, S. 202. 144 Vgl. o.V. 2001a, S. 15. 145 Vgl. Rouet 2007, S. 237. 146 Chaumard 1998, S. 213. „So führt jede Neueröffnung einer Fnac-Filiale mittelfristig zur Schließung mehrerer Buchhandlungen, im Allgemeinen der kleinsten und am wenigsten dynamischen.“ [Übersetzung d. Verf.]. 147 Antoine Gallimard, zitiert nach Wetzel 2007, S. 12. 148 Wetzel 2007, S. 14. 149 Vgl. Chaumard 1998, S. 199. 141 27 150 gründeten Syndicat de la librairie française (SLF), welches sich unter anderem für die Beibehaltung der Buchpreisbindung einsetzt. Ein weiterer Schritt zur Stärkung der unabhängigen Buchhandlungen von Seiten des Staates ist die geplante Einführung eines Gütezeichens mit dem Namen Label de la librairie indépendante de référence (LIR) nach dem Vorbild der französischen Programmkinos. Diese haben bereits ein Siegel, das ihnen nachweislich hilft, sich gegenüber Multiplex-Kinos zu behaupten. In diesem Sinne sollen künftig Buchhandlungen ausgezeichnet werden, welche bestimmte Voraussetzungen erfüllen und Qualitätsmerkmale aufweisen. Hierzu gehört unter anderem ein Buchumsatz von mindestens 75 %, ein Fokus auf literarische Bücher, eine fachlich fundierte Beratung, ein ausgewogenes Sortiment, welches auch selten verkaufte Werke beinhaltet, sowie überdurchschnittliches Engagement in 151 Form von kulturellen Veranstaltungen oder Autorenlesungen. Neben dem für den Kunden im Ladengeschäft sichtbaren Qualitätssiegel sollen die prämierten Buchhandlungen zudem mehr staatliche Subventionen und Steuerermäßigungen, beispielsweise in Form eines Mietzuschusses für das Ladengeschäft und einer Befreiung von der Gewerbesteuer, erhalten.152 Zudem ist eine finanzielle Unterstützung für die Entwicklung eines gemeinsamen Internetportals im Zuge des immer wichtiger werdenden E-Commerce geplant.153 Es gilt abzuwarten, ob diese aktuellen Bemühungen den Trend aufhalten oder zumindest verlangsamen und das derzeitige Missverhältnis zwischen kulturellem Anspruch an das Buch einerseits und seiner Rolle als wirtschaftliches Produkt innerhalb eines weit fortgeschrittenen Konzentrationsprozesses andererseits verändern können. 3 Buchproduktion Ein statistischer Überblick über die französische Buchproduktion gestaltet sich insgesamt schwieriger als ein solcher über die deutsche. Es gibt keine mit Buch und Buchhandel in Zahlen vergleichbare fortlaufende Analyse der französischen Buchproduktion, so dass die Daten verschiedenen Quellen entnommen werden müssen. Zu diesen gehören beispielsweise Analysen und Statistiken des nationalen Verlegerverbandes SNE oder des CNL in Form des Rapport Livre 2010. Die Ausgabe von Buch und Buchhandel in Zahlen aus dem Jahr 2007 wird für die deutschen Vergleichswerte herangezogen. Die folgenden Kapitel stellen die Entwicklung der französischen Buchproduktion mit Blick auf die Belletristik sowie das internationale Lizenzgeschäft dar, um eventuelle Zusammenhänge zum deutsch-französischen Literaturverhältnis sichtbar zu machen. 150 Vgl. Rouet 2007, S. 210. Diese Form des Zusammenschlusses von Buchhändlern hat in Frankreich eine lange Tradition. Der erste Buchhändlerkreis Cercle de la librairie wurde bereits 1847 zur Verteidigung des literarischen Eigentums gegründet. 151 Vgl. Wetzel 2007, S. 14. 152 Vgl. Barluet 2007, S. 30–32 und S. 57. 153 Vgl. o.V. 2007, S. 23 und vgl. Normand 2006b, S. 74f. 28 3.1 Gesamtproduktion Betrachtet man die Buchproduktion in Frankreich, so fällt eine stete Steigerung der Neuerscheinungen pro Jahr ins Auge. Das Thema Überproduktion ist demnach unter französischen Branchenteilnehmern vieldiskutiert, da sich seit Beginn der 1960er Jahre die jährliche Titelproduktion versechsfacht hat. Wurden vor fast 50 Jahren noch 6.000 Neuerscheinungen gezählt, so waren es laut Verlegerverband SNE im Jahr 2006 bereits 36.000. Die Höhe der Neuauflagen lag im selben Jahr bei 154 155 31.000. Diese „surproduction“ geht Hand in Hand mit einer stetig sinkenden Auflagenhöhe. Hier ist eine Minimierung von durchschnittlich 16.000 Exemplaren in den 1960er Jahren auf 8.950 im Jahr 2006 dokumentiert worden. Beide Entwicklungen treffen in gleichem Ausmaß auch auf die Neuauflagen zu.156 Die Überproduktion mit gleichzeitig sinkender Auflagenhöhe lässt sich unter anderem auf die heutigen Kaufgewohnheiten der Leser zurückführen. Da diese immer nach den neuesten und aktuellsten Büchern verlangen, verkürzt sich die durchschnittliche Umschlagsrate, also die ‚Lebensdauer‘ eines Titels in den Buchhandlungen stark. Dieser Trend fördert nicht nur die Überproduktion, sondern führt auch zur stetig wachsenden Vernichtung vermeintlich alter Buchbestände.157 Resümierend wird in einem Artikel mit dem bezeichnenden Titel Grenzenloser Bedarfsdruck festgestellt: „Auch in Frankreich wächst die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen kontinuierlich, werden die Lebenszyklen der einzelnen Titel immer kürzer und sind die durchschnittlichen Auflagen rückläufig.“158 52 % der Branchenteilnehmer sehen in der Buchpreisbindung einen weiteren Grund für die Überproduktion.159 Im Zuge dieser schnelllebigen Buchproduktion und -nachfrage sind zeitintensive und teuere Übersetzungsprojekte immer seltener von Interesse für die Verlage. Zudem führt die starke Konzentration im Endkundenhandel zu einer inhaltlich verflachenden Buchproduktion, im französischen Fachjargon „bestsellerisation“160 genannt. Diese Entwicklung schreitet bereits seit Jahren voran und erweckt den Eindruck, dass der französische Buchmarkt in zwei Teile von ganz unterschiedlicher Geschwindigkeit zerfällt. Auf der einen Seite: die Bücher für das breite Publikum, die schnell gekauft und genauso schnell vergessen werden; auf der anderen die an161 spruchsvolleren Titel, die Mühe haben, ihr Publikum zu finden. 154 Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a, S. 12. Im Vergleich hierzu betrug die deutsche Buchproduktion im Jahr 2006 81.177 Novitäten. Die Höhe der Neuauflagen lag im selben Jahr bei 13.539. Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. 2007, S. 57f. 155 Rouet 2007, S. 142. 156 Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a, S. 12. 157 Vgl. Combet 2007, S. 38f. 158 O.V. 2008, S. 20. 159 Vgl. o.V.: Brancheninformationen. Auf: Website der Frankfurter Buchmesse. URL: http://www.buchmesse.de/de/index.php?content=/de/brancheninformationen/buchmaerkte_weltw eit/europa/frankreich/13996/content.html [05.04.2008]. 160 Rouet 2007, S. 13. 161 Klingsieck 2004, S. 18. 29 Mit der stetigen Zunahme von Multimediakaufhäusern und Hypermärkten wachsen die Branchenteilnehmer, welche ihr Sortiment vornehmlich auf Bestseller auslegen 162 und die Herstellung solcher wird somit extrem profitabel. Für Lizenzausgaben aus dem Ausland bedeutet dies, dass sie neben Werken einheimischer Autoren wie Marc Levy, Eric-Emmanuel Schmitt oder Anna Gavalda und amerikanischer sowie englischer Bestsellerautoren wie Mary Higgins Clark, Dan Brown oder Ken Follett keinen 163 Platz finden. Die Kapazität für Literatur jenseits der Bestsellerlisten, zu welcher ausländische Literatur als Nischenliteratur gehört, geht im Zuge der Internationalisierung des Bestsellergeschäftes immer mehr verloren. Die deutsche Gegenwartsliteratur in Lizenzausgaben hat auf dem französischen Buchmarkt somit einen doppelt schweren Stand: zum einen konkurriert sie mit den internationalen Bestsellern, zum anderen muss sie sich das sowieso schon kleine Publikum mit der einheimischen anspruchsvollen Literatur teilen. Wie bereits dargelegt, wird das französische Verlagswesen durch eine große Anzahl von Verlagen charakterisiert, ihr Anteil an der Gesamtproduktion ist jedoch gering. Viele kleine Verlage publizieren im Schnitt nur zwei bis zwölf Titel im Jahr, während ganze 40 % der jährlichen Gesamtproduktion von den beiden Marktführern Hachette Livre und Éditis realisiert werden.164 Hachette Livre hat im Jahr 2005 6.446 Neuerscheinungen und Neuauflagen herausgebracht, Éditis 4.280. Die zehn größten Verlage Frankreichs, zu denen Hachette Livre und Éditis natürlich gehören, erwirtschaften insgesamt 75 % des Branchenumsatzes165, welcher 2005 bei 2,7 Milliarden Euro lag.166 Eine wichtige Besonderheit des französischen Buchmarkts hinsichtlich der Buchproduktion ist der so genannte ‚Rentrée littéraire‘, die Hauptphase der Herausgabe von Neuerscheinungen zwischen Ende August und Anfang November eines jeden Jahres. Dieser hat zur Folge, dass sich die Flut von jährlich 600 bis 700 neuen Titeln auf den Herbst konzentriert, in welchem nicht nur die unmittelbaren Branchenteilnehmer ganz im Bann des Buches stehen. In keinem anderen Land gibt es eine solche zeitlich definierte Aufregung rund um das Buch wie in Frankreich.167 Zudem steigt in dieser Phase des Jahres die Chance auf einen der begehrten Literaturpreise168, welche im Herbst verliehen werden und eine sowohl selektive als auch regulative Funktion innerhalb der herrschenden Überproduktion erfüllen. 162 Vgl. Rouet 2007, S. 277. Trotz der fortschreitenden Entwicklungen hin zu immer mehr internationalen Bestsellern betont der französische Literaturbetrieb gerne die eigene Produktion im Sinne einer ‚exception culturelle française‘. Vgl. Combet 2007, S. 54. 164 Vgl. Barluet 2007, S. 16. 165 Vgl. Combet 2007, S. 8 und S. 36. Hierbei handelt es sich um Hachette Livre, Éditis, L’Harmattan, Flammarion, Gallimard, Albin Michel, La Martinière-Le Seuil, Média-Participations, Bayard und Les Presses Universitaires de France. 166 Vgl. Valette 2007, S. 8. Im Vergleich hierzu erwirtschafteten hundert der knapp zweitausend Verlage in Deutschland circa 65 Prozent des Branchenumsatzes. 167 Vgl. Combet 2007, S. 26, S. 37 und S.55. 168 Vgl. hierzu Kapitel III 2.7 zum Erfolg der übersetzten Titel. 163 30 3.2 Belletristik Der Anteil der Belletristik an der Gesamtproduktion verringert sich stetig und lag 2006 bei 24 %.169 In Bezug auf den Gesamtumsatz spielte er 473 Millionen Euro ein, was 18 % desselben entsprach und lag damit an erster Stelle, vor den Warengruppen 170 Sachbuch und Ratgeber, Schulbuch oder Kinder- und Jugendbuch. 9 % Sozial- und Geisteswissenschaften 12 % Nachschlagewerke 6% Naturwissenschaften, Technik, Medizin, 8 % Comic Wirtschaft 5 % Sonstiges 2 % Atlanten, Karten 18 % Belletristik 11 % Kinder- und Jugendbuch 12 % Schulbuch 17 % Sachbuch, Ratgeber Abb. 1: Anteil am Gesamtumsatz nach Warengruppen 2006 Betrachtet man desweiteren die Entwicklung der einzelnen Warengruppenanteile am Gesamtumsatz zwischen 1990 und 2006, so zeigt sich, dass die Belletristik ihren Anteil steigern konnte, ebenso wie das Kinder- und Jugendbuch sowie Sachbücher und Ratgeber. An wirtschaftlicher Relevanz verloren haben hingegen Nachschlagewerke, Schulbücher und Geistes- und Sozialwissenschaften.171 Der allgemein herrschende Trend der Überproduktion mit gleichzeitig sinkender Auflagenhöhe trifft teilweise auch auf den Bereich der Belletristik zu. Hier ist die jährliche Titelproduktion von 9.800 im Jahr 1990 auf 13.000 im Jahr 2006 gestiegen. Die durchschnittliche Auflagenhöhe ist im gleichen Zeitraum von 12.500 auf 11.500 etwas gesunken, übertrifft jedoch noch immer die des Gesamtbuchmarktes.172 169 Vgl. Rouet 2007, S.151. Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a, S. 18f. und S. 44. Im Vergleich hierzu lag der Belletristikanteil an der Gesamtproduktion im selben Jahr bei 14,3 %. Er lag ebenfalls an erster Stelle der Warengruppen, vor Kinder- und Jugendliteratur und Schulbuch. Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. 2007, S. 58–61. 171 Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007a, S. 45. 172 Vgl. ebd., S. 51. 170 31 4 Internationales Lizenzgeschäft Wie bereits dargestellt, investiert der französische Staat mehr in die Verbreitung der 173 eigenen Literatur, als in die Aufnahme ausländischer. Hieraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der französische Buchmarkt allgemein sehr stark national ausgerichtet ist, da „der Bereich Rechte und Lizenzen – sowohl was den Verkauf als auch den Einkauf betrifft – eine Art Hallraum für die generelle Tendenz des Ver174 lagswesens ist.“ Die folgende Analyse der ausgewerteten Statistiken bezieht sich sowohl auf die allgemeine Buchproduktion als auch auf belletristische Titel im Speziellen. Angeführte Vergleichswerte des deutschen Lizenzgeschäftes und des deutschfranzösischen Lizenzhandels im Jahr 2000 sind aufgrund unterschiedlicher statistischer Erhebungsweisen nur als Tendenzen anzusehen. 4.1 Verkauf von Übersetzungslizenzen Der Verkauf von reinen Übersetzungslizenzen, also ohne die Vergabe von Verwertungsrechten bezüglich Taschenbuch-, Buchgemeinschafts- oder Sonderausgaben, macht 4 % des Gesamtumsatzes des französischen Buchmarktes aus.175 Im Jahr 2007 wurden insgesamt 6.578 französische Lizenzen ins Ausland verkauft. Dies bedeutet 176 einen Anstieg zu der in den Vorjahren auf rund 6.000 eingependelten Anzahl. 2.026 Titel der 6.578 Titel stammen aus dem Bereich Belletristik, welcher damit an erster Stelle vor Geisteswissenschaften und Kinder- und Jugendliteratur steht.177 Die Liste der Sprachen, in welche französische Werke übersetzt werden, wird von Spanisch (Spanien (663), Argentinien (76) und Mexiko (69)), Italienisch (652) und Portugiesisch (536) angeführt. Dies wird auf den gemeinsamen Ursprung der lateinischen Sprache und die geographische Nähe dieser Länder zurückgeführt, was die Verständigung untereinander erleichtert. Erst auf dem sechsten Platz, nach Koreanisch (463) und Englisch (England (224) und Amerika (193)) steht Deutsch mit 355 erworbenen Titeln.178 Hierbei ist Deutschland mit 320 Titeln vor der Schweiz (28) und Österreich (7)) zwar Haupthandelspartner im deutschen Sprachraum179, doch trotzdem wird das französisch-deutsche Übersetzungsverhältnis als angeschlagen angesehen: „Circonstance aggravante: la traduction franco-allemande est en panne.“180 173 Vgl. hierzu Kapitel II 1.2 zu den staatlichen Fördermaßnahmen. Mattern [online] 2007. 175 Vgl. Ministère de la Culture et de la Communication 2006, S. 140. 176 Vgl. Mattern [online] 2007. Im Vergleich hierzu wurden im Jahr 2006 insgesamt 8.828 deutsche Lizenzen ins Ausland verkauft, was ein beachtliches Plus von 18 % zum Vorjahr darstellt. Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. 2007, S. 78. 177 Vgl. Mattern 2007, S. 32. 178 Vgl. ebd.. Im Vergleich hierzu stand Französisch mit 461erworbenen Titeln auf dem fünften Platz der am häufigsten ins Deutsche übersetzten Sprachen im Jahr 2006. Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. 2007, S. 78–82. 179 Vgl. Syndicat National de l’Édition 2007b, S. 34. 180 O.V.: France – Allemagne. Les hauts et les bas d’un mariage de raison. Auf: Website von Le Point. URL: http://www.lepoint.fr/actualites-monde/les-hauts-et-les-bas-d-un-mariage-deraison/924/0/42949 [18.01.2007 / 21.05.2008]. „ Erschwerender Umstand: die französischdeutsche Übersetzung ist angeschlagen.“ [Übersetzung d. Verf.]. 174 32 Während in den 1960er Jahren noch 25 % der verkauften Lizenzen nach Deutsch181 land gingen, liegt der heutige Anteil nur noch bei 4,9 %. Gewachsen ist dagegen der Verkauf von Lizenzen nach Amerika und England. Aus der Sicht dieser Buchmärkte ist Frankreich der meistvertretene Lizenzverkäufer, Deutschland liegt auf dem dritten Platz, gleich hinter Frankreich und Spanien.182 Die französische Sprache steht weltweit nach dem Englischen auf Platz zwei der häufigsten Quellsprachen für Über183 setzungen. 4.2 Einkauf von Übersetzungslizenzen Der Anteil an eingekauften Übersetzungen an der jeweiligen Buchproduktion eines Landes ist sehr unterschiedlich. Während er auf den vergleichsweise kleinen Märkten, wie dem holländischen oder ungarischen, relativ hoch ist (20 bis 60 %), ist er auf den großen Buchmärkten wie Großbritannien und Amerika (unter 2 %) oder Frankreich (3 %) eher niedrig. Vor allem Deutschland, aber auch Spanien, nehmen mit ihrer großen Buchproduktion und einem dafür hohen Anteil an Übersetzungen eine gewisse Sonderstellung ein.184 Der Einkauf von Übersetzungslizenzen aus dem Ausland lag in Frankreich mit 1.100 Titeln im Jahr 2006 weit hinter dem Rechteverkauf und zeigte zudem eine abnehmende Tendenz zu den Vorjahren auf. Die französischen Verlage vergeben somit beinahe sechsmal so viele Übersetzungslizenzen, als sie erwerben. Belletristik macht hierbei mit 433 Titeln erneut den Großteil aus, gefolgt von Kinder- und Jugendliteratur mit 276 Titeln. Unter den Quellsprachen der Übersetzungen rangiert Englisch mit 794 abgeschlossenen Verträgen (Amerika (379) und England (366)) mit enormem Abstand vor Deutsch, welches mit nur 67 Titeln vertreten ist (Deutschland (65), Schweiz (1) und Österreich (1)). Hier ist somit ein Verhältnis von beinahe zwölf mal so vielen Lizenzen aus dem anglo-amerikanischen, als aus dem deutschsprachigen Raum gegeben und mehr als zwei Drittel der von Frankreich getätigten Akquisitionen kommen aus Amerika und England. Es folgen die Sprachen Italienisch (62), Spanisch (34), Niederländisch (25), Portugiesisch (15) und Chinesisch (13).185 Resümierend lässt sich festhalten, dass der französische Buchmarkt national ausgerichtet ist. Der eher geringe Übersetzungsanteil kommt zu 58 % aus dem Englischen, in Bezug auf Belletristik sogar zu 73,8 %.186 Das Verhältnis zwischen Frankreich und 181 Vgl. O.V.: France – Allemagne. Les hauts et les bas d’un mariage de raison. Auf: Website von Le Point. URL: http://www.lepoint.fr/actualites-monde/les-hauts-et-les-bas-d-un-mariage-deraison/924/0/42949 [18.01.2007 / 21.05.2008]. Im Vergleich hierzu gingen in Deutschland 5,2 % der verkauften Lizenzen nach Frankreich. Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. 2007, S.82. 182 Vgl. Weidermann [online] 2005. 183 Mattern [online] 2007. 184 Vgl. Lempp 2007, S. 206–208. Im Jahr 2003 lag der Anteil an Übersetzungen in Deutschland bei über 12 %, derzeit bei circa 7 %. 185 Vgl. Mattern 2007, S. 33. 186 Vgl. Piault 2006a, S. 17. Diese Dominanz erklärt sich unter anderem aus der Sprache. Englischsprachige Titel werden bevorzugt, da sie oder ihre Exposés im Original gelesen und besprochen werden können. Dies ist bei deutschen Werken und Exposés immer seltener der Fall. Das Problem 33 seinem Lizenzpartner Deutschland liegt im Bereich der Belletristik aufgrund von 320 verkauften zu 65 erworbenen Titeln bei fast 5:1. Dies entspricht in etwa dem allgemeinen Verhältnis zwischen Vergabe und Erwerb von Lizenzen in Frankreich, welches mit 6:1 ebenfalls sehr unausgeglichen ist. Die bis 2006 geltende Faustregel „ein erworbener Titel für fünf verkaufte“187, welche ein Jahr zuvor noch „ein erworbener Titel für vier verkaufte“188 hieß, hat sich also weiter verschärft. Die französische Buchproduktion verkauft sich somit besser, als die der meisten anderen europäischen Länder. Reaktionen hierauf bewegen sich zwischen Stolz auf den großen Erfolg im Ausland und der Hoffnung, dass die sinkende Zahl an Akquisitionen keine Ver189 schließung des Marktes gegenüber ausländischer Literatur bedeutet. Aus deutscher Sicht ist festzuhalten, dass Französisch als Zielsprache mit 5,1 % Anteil an den Lizenzvergaben im Jahr 2003 im Gegensatz zu einst 10,3 % im Jahr 1993 an Bedeutung verloren hat und Frankreich, ebenfalls im Zehn-Jahres-Vergleich, von Platz sechs auf Platz neun der wichtigsten Lizenzpartner gesunken ist.190 Zudem ist Deutschland trotz eines leichten Aufwärtstrends bei der Vergabe deutscher Lizenzen […] ins Ausland in puncto Literatur weiterhin ein Importland. Nach wie vor werden zum Beispiel bei den belletristischen Neuerscheinungen mehr als doppelt so viele Bücher aus anderen Sprachen ins Deutsche übersetzt wie Lizenzen deutscher Bücher für die Übersetzung ins Ausland vergeben. Dieses Ungleichgewicht resultiert nicht zuletzt aus der Vielfalt des 191 deutschen Buchmarkts, der für internationale Partner schwer zu überblicken ist. Mithilfe des zweiten Hauptteiles soll nun im Folgenden ein Überblick gegeben werden, welche Werke dennoch ihren Weg in den letzten Jahren aus dieser „Vielfalt“ nach Frankreich gefunden haben. der Sprachbarriere erschwert somit den Lizenzhandel zwischen Deutschland und Frankreich. Vgl. o.V. 2004, S. 21. 187 Ministère de la Culture et de la Communication 2006, S. 140. 188 Piault 2005, S. 84. 189 Vgl. Mattern 2007, S. 33. 190 O.V. 2004, S. 21. 191 O.V.: Profil. Auf Website von Litrix. German Literature Online. URL: http://www.litrix.de/ueberuns/profil/deindex.htm [01.06.2008]. 34 III Deutsche Gegenwartsliteratur in französischer Übersetzung von 2000 bis 2007 1 Erstellung des Titelkorpus Nachdem im ersten Teil ein Überblick über die staatlichen, strukturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des französischen Buchmarktes sowie über die Buchproduktion und den Lizenzhandel gegeben worden ist, soll nun im Folgenden das Augenmerk auf den direkten Literaturtransfer von Deutschland nach Frankreich innerhalb der letzten acht Jahre gelegt werden, denn: Betrachtet man Belletristik als Kondensat dessen, was eine Gesellschaft bewegt, als wichtigsten Schlüssel der Kultur, so erscheint es von hohem Interesse, was denn überhaupt in die Sprache des Nachbarlandes übersetzt und wie es auf dessen Buchmarkt präsentiert wird. 192 In einem ersten Schritt wird die Erstellung des Titelkorpus und die hierfür verwendeten Quellen und Suchkriterien näher erläutert, um anschließend kurz auf damit verbundene Erfassungsprobleme einzugehen und die Merkmale zu nennen, über welche gezielt Informationen gesammelt wurden.193 Im Anschluss daran folgt eine Analyse des Korpus nach den Kriterien Autoren, Themen, Verlage, Übersetzer, Aspekte des Literaturmarketings und Erfolg, um oben zitierte Fragestellungen zu beantworten einen Eindruck der übersetzten Literatur jenseits von Zahlen und Fakten zu erhalten. 1.1 Quellenlage Der Weg, eine umfassende Auflistung von übersetzten Titeln der letzten Jahre zu erhalten, führt über die Suche in einer oder mehreren Bibliographien. Besonders für den Zeitraum von circa 1950 bis 1980 lassen sich viele Quellen finden, welche speziell Auskunft zu Übersetzungen vom Deutschen ins Französische geben. So fungierte beispielsweise der Verein zur Förderung zwischenstaatlicher Beziehungen namens Inter Nationes zwischen 1948 und 1957 als Herausgeber einer bibliographischen Reihe zu Übersetzungen aus der deutschen Sprache194 und auch die Commission Belge de Bibliographie brachte eine reine Übersetzungsbibliographie im Rahmen der Reihe Bibliographia Belgica heraus, in welcher alle Übersetzungen deutscher, zeitgenössischer Literatur ins Französische von 1945 bis 1982 aufgeführt wurden.195 Schließlich ist die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation, kurz UNESCO, zu nennen, welche bis 2004 in regelmäßigem Abstand einen Katalog literarischer Übersetzungen mit dem Titel Programme Unesco de traductions d’oeuvres littéraires publizierte. Da die meisten dieser Bemühungen, über den Über192 Grillo 1999, S. 11f. Vgl. Anhang 1. 194 Vgl. Inter Nationes 1959. Intern Nationes fusionierte im Jahr 2001 mit dem Goethe-Institut. Vgl. o.V.: Geschichte. Auf: Website des Goethe-Institutes. URL: http://www.goethe.de/uun/ges/deindex.htm [08.08.2008]. 195 Vgl. Commission Belge de Bibliographie 1983. 193 35 setzungsfluss zwischen Deutschland und Frankreich Register zu führen, in den 1980er Jahren ein Ende gefunden haben und auch die UNESCO ihre bibliographische Arbeit kürzlich eingestellt hat, ist für den gegenwärtigen Zeitraum keine vergleichbare Bibliographie aller vom Deutschen ins Französische übersetzten Titel mehr vorhanden. Ein nächster Schritt der Quellensuche führt demnach zu allgemeinen Bibliographien aller in Frankreich erschienenen Titel. Die wichtigste nationalbibliographische Dienstleistung Frankreichs bietet hierbei die Bibliothèque national de France (BNF) 196 mit der Erstellung ihrer Bibliographie nationale française , dem Pendant zur Nationalbibliographie der Deutschen Nationalbibliothek. Sie basiert auf der im ‚Dépôt légal‘ geregelten Pflichtexemplarabgabe, nach welcher Verleger verpflichtet sind, drei beziehungsweise eine Ausgabe einer jeden Neuerscheinung an die Bibliothek abzugeben.197 Seit 2003 sind die Daten der französischen Nationalbibliographie ausschließlich online abrufbar. Aufgrund fehlender Eingrenzungsmöglichkeiten in der Suchmaske – die Suche kann ausschließlich auf fiktionale Romane im Allgemeinen eingeschränkt werden – führt die Abfrage der Onlineausgabe zu einer Auflistung aller in Frankreich erschienenen belletristischen Titel unabhängig von Originalsprache oder Ursprungsland und somit zu keinem für diese Arbeit brauchbaren Ergebnis. Versuche einer persönlichen Kontaktaufnahme zu Mitarbeitern der Bibliothek verliefen ebenfalls erfolglos, weshalb die Nationalbibliographie letztlich nicht für diese Arbeit genutzt werden konnte. Zudem gibt es in Frankreich die Bibliographie Électre des Buchhändlerverbandes Cercle de la Librairie. Seine Hauptziele, zu informieren und zu zentralisieren, erreicht der Verband als Herausgeber der Branchenzeitschrift Livres Hebdo sowie der genannten Bibliographie. Beinahe 900.000 Titel verzeichnend, wird diese hauptsächlich von Mitgliedern des französischen Buchhandels zur Bücherbestellung mithilfe des angegliederten Bestellsystems Électre-Transmission genutzt, der Zugang zu dieser Datenbank ist jedoch auch auf ebendiese beschränkt. Eine weitere Bibliographie besteht im so genannten Fichier Exhaustif du Livre (FEL), zur Verfügung gestellt vom Büchernetzwerk Dilicom, welche mehr als 900.000 Titel beinhaltet und über das gleichnamige Bestellsystem von Buchhandlungen genutzt werden kann. Da diese Datenquelle ebenfalls passwortgeschützt und somit ausschließlich für Mitglieder des französischen Buchhandels einsehbar ist, kann auch sie nicht genutzt werden, woraufhin die Suche nach alternativen Quellen zur Erstellung des Korpus in den Vordergrund tritt. Die Hauptquelle, auf welche sich das Korpus schließlich stützt, besteht in den Bibliothekskatalogen verschiedener Goethe-Institute in Frankreich und Kanada. Als Teil der größten „Organisation zur Vermittlung deutscher Sprache und Kultur“198 im Ausland verfügen Goethe-Institute über gut sortierte Mediatheken, die somit ergiebi196 Vgl. o.V.: Bibliographie nationale française. Auf: Website der Bibliothèque National de France. URL: http http://bibliographienationale.bnf.fr/ [06.04.2008]. 197 Vgl. o.V.: Dépôt Legal. Auf: Website der Bibliothèque National de France. URL: http://www.bnf.fr/pages/infopro/depotleg/dl-livr.htm#editeur [06.04.2008]. 198 Lentz 2000, S. 190. 36 ge Quellen für deutsche Literatur in Lizenzausgaben darstellen. Neben den auf Anfrage zugesandten Bestandslisten des Goethe-Institutes in Bordeaux und in Montréal bildet vor allem der vom Bestand her umfangsreichste Bibliothekskatalog des GoetheInstitutes in Paris199 die Grundlage des vorliegenden Titelkorpus. Dessen Onlineversion kann nach den Kriterien Gattung, Erscheinungsjahr und Sprache der in Frankreich erschienenen Werke abgefragt werden. Zudem geben online verfügbare Jahreslisten der bisher geförderten und der geplanten Übersetzungen Auskunft über 200 zukünftige Erscheinungen. Als weitere wichtige Quelle wird der Online-Katalog des Centre National du 201 Livre genutzt. Dieser ist öffentlich zugänglich und sowohl nach Originalsprache des Ursprungswerkes als auch nach Zielsprache und Erscheinungsjahr der Übersetzung durchsuchbar. Zusätzlich ist eine Einschränkung der Treffer durch die Eingabe des Dezimalcodes 830 für ‚Deutsche Literatur‘ möglich. Erhöht wird die bis hierhin erreichte Trefferquote mithilfe des Index Translationum202 der UNESCO, welcher eine Übersicht aller Übersetzungen von 2000 bis 2004 und eine Eingrenzung auf Original- und Zielsprache des Werkes sowie auf die Sachgruppe bietet. Für die folgenden Jahre 2005 bis 2008 gibt der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig203 Auskunft, welcher mithilfe interner Kriterien nach Originalsprache, Erscheinungsjahr und Sachgruppe abgefragt werden kann. Hierbei ist sogar eine Begrenzung auf Belletristik möglich. Als ergiebige Quelle erweist sich darüber hinaus die Buchabteilung der französischen Version des Online-Versandhauses amazon204, da eine detaillierte Suche nach deutscher Literatur in Frankreich mit genauer Zeiteinschränkung möglich ist. Eine abschließende Ergänzung des Titelkorpus kann mithilfe des Online205 Kataloges der Buchhandlung Librairie La Procure gewährleistet werden, welcher die Möglichkeit bietet, gezielt nach deutscher Literatur in Frankreich zu suchen. 199 Vgl. Erweiterte Suche. Auf: Website des Goethe-Institutes. URL: http://swb.bszbw.de/DB=2.308/ADVANCED_SEARCHFILTER?ADI_BIB=m+504120 [13.04.2008]. 200 Vgl. Geförderte Übersetzungen. Auf: Website des Goethe-Institutes. URL: http://www.goethe.de/ins/fr/lp/kue/lit/usf/gfu/deindex.htm [01.04.2008]. 201 Vgl. Catalogue en ligne. Auf : Website des Centre National du Livre. URL: http://cnl.bibli.fr/opac/index.php?lvl=index [01.04.2008]. 202 Vgl. Bibliographic research. Auf: Website der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization. URL: http://databases.unesco.org/xtrans/xtra-form.shtml?lg=0 [01.04.2008]. 203 Vgl. Online-Katalog. Auf: Website der Deutschen Nationalbibliothek. URL: http://opac-l.dnb.de:20080/IMPLAND=Y/SRT=YOP/LNG=DU/MAT=9001%2505BTKOSEVCZ%2505%25 06/DB=ext/ [13.04.2008]. 204 Vgl. Recherche détaillée. Auf: Website von amazon Frankreich. URL: http://www.amazon.fr/Recherche-d%C3%A9taill%C3%A9eLivres/b/ref=sv_b_0?ie=UTF8&node=125273011 [01.04.2008]. 205 Vgl. Recherche avancée. Auf: Website der Librairie La Procure. URL: http://www.laprocure.com/recherches/advancedSearch.aspx [07.04.2008]. 37 1.2 Erfassungsprobleme Bei der Suche und Abfrage der verschiedenen genannten Quellen ergeben sich Probleme betreffend der auswählbaren Suchkriterien oder der angezeigten Treffer. So ist es beispielsweise nicht möglich, in den Katalogen der Goethe-Institute, des Centre National du Livre, des Index Translationum und des Internet-Buchhändlers amazon speziell nach belletristischen Titeln zu suchen. Die Trefferlisten enthalten auch Werke aus den Gattungen Lyrik und Drama oder Kinder- und Jugendbücher sowie Anthologien, Essais und Biographien, welche erkannt und aussortiert werden müssen. Ähnliches gilt für den Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, in welchem die Sachgruppe Belletristik auch dramatische und lyrische Werke, und sogar Tonträger mit einschließt. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Tatsache, dass trotz der möglichen Eingrenzung auf den Untersuchungszeitraum 2000 bis 2007 nicht nur Neuerscheinungen, sondern auch Neuauflagen unter den Treffern zu finden sind. Diese, vor allem deutsche Klassiker, müssen ebenso selektiert werden, wie die dazugehörige Sekundärliteratur oder etwaige Anthologien. Die Eingabe ‚Deutsch‘ als Originalsprache hat zur Folge, dass auch Werke österreichischer und Schweizer Autoren in den Suchergebnissen zu finden sind, im Katalog des Centre National du Livre sogar aus anderen germanischen Ländern wie Norwegen, Schweden oder den Niederlanden. Die ungenaue Eingabemöglichkeit ‚Französisch als Sprache der Veröffentlichung oder des Originals‘ im Katalog der DNB Leipzig führt zu einer Auflistung von Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche, die von den Übertragungen aus dem Deutschen ins Französische getrennt werden müssen. Da im Onlinekatalog der Buchhandlung Librairie La Procure keine Einschränkung des zeitlichen Rahmens möglich ist, ist eine komplette Durchsicht aller aus dem Deutschen übertragenen Titel notwendig, um die Werke aus dem für diese Arbeit relevanten Zeitraum zu finden. Nach all diesen Ausführungen lässt sich festhalten, dass es sich bei dem hier zugrunde liegenden Titelkorpus nicht um eine exhaustive Sammlung deutscher Literatur in französischer Übersetzung handelt. Aufgrund aller miteinander kombinierten Sammelverfahren aus verschiedenen Quellen kann zwar ein umfangreiches Ergebnis erzielt werden, der Anspruch auf Vollständigkeit soll dennoch nicht erhoben werden. Bevor die bibliographische Erfassung von Übersetzungen nicht entscheidend verbessert beziehungsweise nach dem Vorbild vorhandener Übersetzungssammlungen aus den 1950er bis 1980er Jahren wieder aufgenommen wird, kann dieser Anspruch auch weiterhin nicht erfüllt werden. 1.3 Auswahlkriterien und Titelmerkmale Die Abfrage der jeweiligen Quellen nach den bereits genannten und im Anhang ausführlich dargestellten Suchkriterien ergibt eine Gesamttrefferzahl von 3229 Titeln. Die so ermittelten Autoren werden mithilfe diverser Literaturlexika oder Onlineportale wie perlentaucher nach dem Kriterium ‚Herkunft‘ geprüft, um die Titel aller 38 deutschstämmigen oder in Deutschland lebenden sowie auf Deutsch schreibenden Autoren aus der Gesamttrefferzahl auszuwählen. Anschließend können mithilfe der deutschen und französischen Version von amazon die jeweiligen Erstausgaben beider Länder ermittelt und miteinander verglichen werden. Hierbei besteht die Schwierigkeit im Auffinden des deutschen Originaltitels im Falle einer gänzlich anderen Titelgebung im Französischen, wofür ein Vergleich der Inhaltsangaben notwendig ist. Anschließend wird der Inhalt der Werke auf die Zugehörigkeit zur Gattung Epik und zu den Groß- und Kurzformen Roman, Kurzgeschichte oder Novelle geprüft. Für die auf diese Weise ausgewählten Titel werden anschließend Informationen zu den folgenden Merkmalen gesammelt: • • • • • • • • • • • • • Name des Autors Geburtsjahr und -ort des Autors Erscheinungsjahr der deutschen und der französischen Erstausgabe Name des deutschen und des französischen Verlages Verlagsgruppenzugehörigkeit und Standort Name des Übersetzers und mögliche Auszeichnung Gattung und Untergattung des Titels Themenschwerpunkt und Inhaltsangabe Mögliche Gründe für die Übersetzung Deutsche und französische Titelgebung Deutsche und französische Covergestaltung Reihenzugehörigkeit innerhalb des französischen Verlages Persönliche Affinität des Autors zu Frankreich All diese Merkmale können mithilfe der Internetauftritte der beteiligten Verlage, der von den Branchenzeitschriften zur Verfügung gestellten Preisträger- und Bestsellerlisten, der deutschen und französischen Ausgabe des Internetportals amazon sowie des Literaturportals perlentaucher herausgefunden werden. Anhand dieser gesammelten Informationen sollen die in Kapitel I.2 bereits erläuterten Fragestellungen und Ziele dieser Arbeit näher beleuchtet werden. 2 Statistische Analyse des Titelkorpus 2.1 Titel Nach der Recherche von insgesamt 3229 Werken und der anschließenden Auswahl aller für diese Arbeit relevanten Titel liegt dieser Untersuchung schließlich ein Gesamtkorpus von 187 Übersetzungen aus dem Deutschen ins Französische zugrunde, welche im Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2007 auf dem französischen Buchmarkt veröffentlicht worden sind.206 206 Aus Dokumentationsgründen sind die im Untersuchungszeitraum erschienenen Übersetzungen in Anhang 2 aufgeführt. Für eine bessere Übersichtlichkeit handelt es sich dabei um eine gekürzte Fassung des Titelkorpus, die Vollversion liegt der Arbeit in Form einer CD-ROM bei. 39 Alle im Folgenden dargestellten statistischen Auswertungen und Ergebnisse beziehen sich somit auf diese Gesamttitelanzahl von 187, welche innerhalb der vorliegenden Arbeit für 100 % steht. Sie erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. 2.1.1 Titelanzahl pro Jahr Die Gesamttitelzahl verteilt sich wie folgt auf die einzelnen acht Jahre des Untersuchungszeitraumes: Im Jahr 2000 können zehn Übersetzungen vom Deutschen ins Französische gezählt werden, was die niedrigste Titelanzahl im gesamten Beobachtungszeitraum darstellt. Einen enormen Anstieg weist hingegen das folgende Jahr auf. Bedingt durch den Auftritt Deutschlands auf der Pariser Buchmesse wird 2001 mit 35 Titeln die größte Menge an Übersetzungen innerhalb eines Jahres erreicht. Entgegen der Wünsche und Prognosen, „die Aufmerksamkeit auf das deutschsprachige Buch [zu lenken und] dem Literaturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland neue Impulse“207 zu geben, sind es in den Jahren 2002 und 2003 zunächst nur noch je 19 und 20 Titel. Ein deutlicher Aufschwung lässt sich jedoch 2004 feststellen, in welchem 27 Titel vom Deutschen ins Französische übersetzt worden sind. Eine mögliche Erklärung findet sich in der Geschichte der Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich. Im Rahmen des 40. Jahrestages des Elysée-Vertrags am 22. Januar 2003 wurde eine Reform der institutionellen Zusammenarbeit beschlossen, welche eine Vielzahl von binationalen Treffen und gemeinsamen Aktionen im kulturellen Bereich nach sich zog. Diese über das Jahr 2003 verteilten Bemühungen „verliehen den deutsch-französischen Beziehungen wieder neuen Schwung“208, was sich auch in der Anzahl der Übersetzungen des nächsten Jahres niederschlägt. Aufgrund des zeitlichen Abstandes, welcher zwischen der Planung und dem tatsächlichen Erscheinungstermin eines Buches liegt, könnte die höhere Übersetzungsquote im Jahr 2004 somit auf diese Ereignisse zurückgeführt werden. Ähnlich den Jahren nach der Buchmesse in Paris weisen auch die darauf folgenden Jahre 2005 und 2006 mit 23 beziehungsweise 24 Titeln wieder eine leicht rückläufige Tendenz auf, sie liegen jedoch immer noch im Jahresdurchschnitt, welcher sich auf 23,4 Titel pro Jahr beläuft. Im letzten Jahr des Untersuchungszeitraumes ist erneut ein Höhepunkt mit 29 Übersetzungen verzeichnet worden. Die möglichen Gründe für diesen Anstieg sollen im Laufe dieser Arbeit gefunden werden. Ein Ausblick auf das laufende Jahr 2008 zeigt, dass ein weiterer Anstieg von aus dem Deutschen ins Französische übertragenen Titeln zu erkennen ist. In den ersten acht Monaten des Jahres können bereits 24 publizierte Übersetzungen gezählt werden und weitere acht sind bis Ende des Jahres geplant. Eine Hochrechnung auf das ganze Jahr ergibt somit eine Gesamtanzahl von 32 Titeln, welche einen erneuten Höhepunkt im Lizenzgeschäft zwischen Deutschland und Frankreich darstellt und beinahe an die Anzahl des Rekordjahres 2001 heranreicht. 207 O.V.: Auswahlbibliographien. Auf: Website des Instituts für Auslandsbeziehungen. URL: http://cms.ifa.de/publikationen/auswahlbibliografien/bilateral0/frankfreich/ [24.04.2008]. 208 Hurtz 2005, S. 7. 40 Die sich hieraus ergebende Grafik stellt anschaulich dar, dass das 2001 gestellte Ziel, den literarischen Austausch zwischen Deutschland und Frankreich neu anzukurbeln, auf lange Sicht erreicht worden ist. Nach einem kurzzeitigen Einbruch nach dem Messejahr hat sich die Anzahl der ins Französische übertragenen Titel von 2000 bis 2007 sichtlich gesteigert, was sich 2008 sicher fortführen wird. 40 30 Durchschnitt Titelanzahl pro Jahr Trendlinie 20 10 20 08 vr stl . 20 07 20 06 20 05 20 04 20 03 20 02 20 01 20 00 0 Abb.2: Anzahl der übersetzten Titel pro Jahr 2.2 Autoren Neben der Titelanzahl ist es auch von Interesse, welche Autoren sich hinter den Werken verbergen. Hierbei sollen die folgenden Fragestellungen beantwortet werden: Wieviele Autoren wurden in den letzten sieben Jahren übersetzt und welche von ihnen besonders häufig? Wie erklärt sich die Anzahl an Übersetzungen pro Autor und welche Hintergrundinformationen gibt es zu den einzelnen Schriftstellern? Wieviel Einfluss haben Faktoren wie zum Beispiel das Schriftsteller-Debüt, die lange Schriftsteller-Karriere, das Alter oder ein eventueller Migrationshintergrund? Und: Was hat es mit dem Schlagwort ‚Neue Lesbarkeit‘ auf sich? 2.2.1 Titelanzahl pro Autor Hinsichtlich der Urheberschaft haben insgesamt 114 verschiedene Autoren und Autorinnen209 die 187 Titel des Korpus verfasst. Von 67 der 114 Autoren (58,8 %) wurde ausschließlich ein Werk übertragen, während 47 (41,2 %) mit mindestens zwei oder mehr Werken im Titelkorpus, und somit auf dem französischen Buchmarkt, vertreten sind. Innerhalb dieser Mehrfachübersetzungen wurden von 32 Auto209 Aus Gründen der Verständlichkeit wird im Folgenden die maskuline Form für beide Geschlechter gebraucht. 41 ren zwei Werke, von zehn Autoren drei Werke, von drei Autoren vier Werke und von je einer Autorin sechs beziehungsweise acht Werke übersetzt. Zu den Spitzenreitern unter den deutschen Gegenwartsautoren zählen Galsan Tschinag, Helmut Krausser und Bernhard Schlink mit jeweils vier Übertragungen in den letzten sieben Jahren, Stefanie Zweig mit sechs und Charlotte Link mit acht übersetzten Werken. 2.2.2 Gründe für Titelanzahl pro Autor Als Erklärung für die einmalige Übertragung lassen sich verschiedene Gründe finden: Bei 20, also knapp einem Drittel der Autoren, welche einmal im Korpus vorkommen, handelt es sich um Debütanten auf dem deutschen und folglich auch auf dem französischen Buchmarkt. So finden sich im Korpus die Erstlingswerke vor allem der jüngeren Autorengeneration210 wie Benjamin Lebert, Robert Löhr, Tilmann Rammstedt, Jana Scheerer oder Leonnie Swann, von welchen meist noch kein Folgewerk existiert. Häufig beginnt die Präsenz auf dem französischen Buchmarkt also mit der Ersterscheinung des Autors auf dem deutschen Buchmarkt. Es gibt jedoch auch Autoren, deren in Deutschland erfolgreiches Erstlingswerk nicht ins Französische übersetzt wurde. So ist Wladimir Kaminers Russendisko oder Ildikó von Kürthys Mondscheintarif nicht auf Französisch erhältlich. Ein weiterer Grund für das einmalige Erscheinen ergibt sich unter anderem aus der zeitlichen Einschränkung des Titelkorpus. Einige dieser hier nur einmalig erfassten Schriftsteller können zwar bereits auf eine oder mehrere Übersetzungen zurückblicken, so etwa Siegfried Lenz mit Deutschstunde, Sten Nadolny mit Die Entdeckung der Langsamkeit und Netzkarte oder Bernhard Schlink mit Der Vorleser. Die zu ihrer Zeit sehr erfolgreichen Titel liegen jedoch (teilweise weit) außerhalb des Untersuchungszeitraumes. Oft ist das im Korpus erfasste einzelne Werk aber auch gleichzeitig das Bekannteste des Autors, so Regenroman von Karen Duve oder Pigafetta von Felicitas Hoppe, und der Anlass der Übertragung liegt demnach in der herausragenden und einmaligen Bedeutung innerhalb des Schaffens des Autors begründet. In diesem Fall sind weitere Übersetzungen im Laufe der nächsten Jahre nicht auszuschließen. Innerhalb der Gruppe von Zweifachübersetzungen ergibt sich die folgende Verteilung: Eine Übersetzung von zwei Titeln erreichten 32 Autoren, darunter namhafte Größen wie Günter Grass, Ingrid Noll, W.G. Sebald oder Martin Walser. Bei diesen Autoren ist gewiss, dass sich die Titelanzahl aus der zeitlichen Eingrenzung des Korpus ergibt und es sich somit ausschließlich um die Aktuellsten ihrer Werke handelt. Im Falle Grass’ beispielsweise sind es die Titel Im Krebsgang und Beim Häuten der Zwiebel, im Falle Walsers Ein springender Brunnen und Tod eines Kritikers. 210 Im Folgenden wird zwischen der ‚alten‘ und ‚jungen‘ Autorengeneration unterschieden. Diese Titulierung hat sich im Fachjargon mangels besserer Formulierung durchgesetzt und ist nicht wertend gemeint. Die Grenze zwischen den Generationen besteht hierbei im Geburtsjahr 1960. Dies entspricht auch der ungefähren Mitte zwischen dem Geburtsdatum des ältesten und des jüngsten im Korpus erfassten Autors. Das außerliterarische Kriterium des Alters ist jedoch keineswegs Garant für literarische Zusammenhänge. Vgl. Mansbrügge 2005, S. 14–17. 42 Dies ist nur bei drei Autoren mit einer kürzeren Schaffenszeit der Fall. Hier waren lediglich Sibylle Berg, Gila Lustiger und Zafer Şenocak bereits vor 2000 mit Übersetzungen eines oder mehrerer Werke in Frankreich vertreten. Alle anderen jüngeren Autoren wurden erst seit dem Jahr des Untersuchungsbeginns ins Französische übersetzt und es kommt bei 13 von ihnen zu zwei Übersetzungen, da zunächst der in Deutschland gefeierte Debütroman und anschließend ein Folgewerk übersetzt wurden. Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel Judith Hermann mit Sommerhaus, später und Nichts als Gespenster, Juli Zeh mit Adler und Engel und Spieltrieb oder John von Düffel mit Vom Wasser und Houwelandt. Genau entgegengesetzt verlief es im Falle Daniel Kehlmann. Hier brachte erst das zweite übersetzte Werk die Aufmerksamkeit, als der Bestseller Die Vermessung der Welt drei Jahre nach dem weniger beachteten Titel Ich und Kaminski auch in Frankreich zum Verkaufserfolg wurde. Rechnet man die einmalig übersetzten Debütanten mit den zweimalig Übertragenen zusammen, so kommt man auf insgesamt 33 Debütromane innerhalb des Titelkorpus, was einen Anteil von 17,6 % am Gesamtkonvolut ergibt. Eine weitere wichtige Rolle für die Anzahl an Übersetzungen spielt das Alter des Autors. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Präsenz der älteren und der jüngeren Autoren im Korpus sehr ausgeglichen ist. Insgesamt sind 62 der 114 Autoren (54 %) vor 1960 geboren, während 52 (46 %) der jungen Generation zuzurechnen sind. Was die Menge der Übersetzungen anbelangt, lässt sich jedoch ein direkter Bezug zwischen zunehmendem Alter und einer steigenden Übersetzungsrate erkennen. In den Kategorien ‚Ein Werk pro Autor‘ und ‚Zwei Werke pro Autor‘ ist die Anzahl älterer und jüngerer Autoren noch nahezu ausgeglichen. In den Bereichen ‚Drei beziehungsweise vier Werke pro Autor‘ dominiert hingegen ganz deutlich die ältere Generation mit Vertretern wie Wilhelm Genazino oder Christoph Hein. Auch Stefanie Zweig, die Autorin von insgesamt sechs Übersetzungen im Untersuchungszeitraum, gehört der älteren Generation an. Eine Ausnahme bezüglich des Alters und der Titelanzahl bildet Charlotte Link als relativ junge Autorin, welche mit acht übersetzten Titeln an der Spitze des Übersetzungskonvoluts steht. Eine genaue Analyse der deutschen Autoren zeigt, dass häufig eine persönliche Beziehung zu Frankreich besteht. Zehn der Autoren leben westlich des Rheins, hauptsächlich in Paris, wie etwa Jakob Arjouni, Michael Kleeberg, Gila Lustiger oder die in beiden Sprachen schreibende Anne Weber. Ein langjähriger Aufenthalt in Frankreich lässt sich ebenso bei Günter Grass feststellen, in dessen Pariser Jahren (1956–1960) das Manuskript zur Blechtrommel entstand, während Katharina von Bülow zunächst 20 Jahre im Traditionsverlag Gallimard und später 15 Jahre beim Fernsehsender France Culture arbeitete. Auch Thea Dorn setzt sich als Moderatorin der Talkshow Paris-Berlin des Kultursenders ARTE beruflich mit Frankreich und dessen Beziehung zu Deutschland auseinander und Leonie Swann, eine unter Pseudonym schreibende Berlinerin, verbringt regelmäßig längere Zeit westlich des Rheins. So auch Zafer Şenocak, der als ‚Writer in residence‘ regelmäßig an französischen Universitäten unterrichtet. In dieser persönlichen Affinität zu Frankreich liegt also eine weitere Erklärung für die Übersetzung jener Autoren begründet. 43 In vielen Fällen der bisher übertragenen Autoren ist davon auszugehen, dass künftig noch weitere Werke von ihnen auf Französisch publiziert werden. So ist zum Beispiel Ildikó von Kürthys aktuellstes Werk Blaue Wunder im März 2008 in Frankreich erschienen, während die Lizenzen zu Juli Zehs neuestem Werk Schilf und Christoph Heins In seiner frühen Kindheit ein Garten bereits verkauft wurden. Handelt es sich um renommierte Autoren wie Günter Grass oder Bernhard Schlink, so ist ihren im Laufe des Jahres 2008 erscheinenden Büchern Die Box und Das Wochenende bereits jetzt eine Übersetzung ins Französische sicher. Doch auch Lizenzneulinge haben oder werden im Jahr 2008 den französischen Markt aufgrund ihres in Deutschland erreichten Erfolges betreten. So etwa die Krimi-Newcomerin Andrea Maria Schenkel mit Tannöd im Januar 2008, die Bestsellerautoren Frank Schätzing mit Der Schwarm im April und Ilija Trojanow mit Der Weltensammler im August 2008, die diesjährigen Gewinner des Deutschen Buchpreises Julia Franck mit Die Mittagsfrau und des Adelbert-Chamisso-Preises Saša Stanišić mit Wie der Soldat das Grammofon repariert sowie die Neuentdeckung Kevin Vennemann mit Nahe Jedenew im Herbst 2008.211 2.2.3 Migrationshintergrund Gemäß der Eingrenzung des Forschungsgegenstandes wurde auch die so genannte Migrationsliteratur – heute als interkulturelle oder Chamisso-Literatur bekannt – in das Korpus aufgenommen, „die mittlerweile in allen großen deutschen Verlagshäusern ihre Ansprechpartner hat“212. Sie wird von Menschen mit Migrationshintergrund verfasst, zu welchen laut statistischem Bundesamt alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutsch213 land geborenen Elternteil zählen. Die Anzahl der Schriftsteller im Korpus, auf welche eines dieser Kriterien zutrifft, beläuft sich auf 14, was einem Gesamtanteil von 8,6 % entspricht. In allen Fällen schreiben die jeweiligen Autoren auf Deutsch, wodurch sie zu Repräsentanten der deutschen Gegenwartsliteratur werden. Elf dieser 14 Autoren zählen zur Gruppe von im Ausland Geborenen und später nach Deutschland Zugewanderten, was aus unterschiedlichsten Motivationen erfolgte. Als Kind einer russischen Mutter und eines deutschen Vaters kam beispielsweise Irina Liebmann im Alter von zwei Jahren nach Deutschland. Ebenfalls im Kindesalter und mit zwei ausländischen Elternteilen emigrierten Feridun Zaimoğlu und Zafer Şenocak aus der Türkei, Maxim Biller als Kind russisch-jüdischer Eltern aus Tschechien sowie Marica Bodrožić aus Kroatien. Sie alle kamen im Alter zwischen ein und zehn Jahren, also relativ früh, mit der deutschen Sprache in Kontakt. Viele der anderen Autoren hingegen lernten erst als Erwachsene Deutsch. So flüchtete der in der 211 Vgl. o.V.: Prix et distinctions. Auf: Website de Goethe-Institutes. URL: http://www.goethe.de/ins/fr/bor/prj/lit/pre/fr3565775.htm [08.08.2008]. 212 Haase [online] 2006. 213 Statistisches Bundesamt Deutschland 2007, S. 6. 44 ehemaligen Sowjetunion geborene Wladimir Kaminer mit 23 als jüdischer Emigrant aus seinem Land und auch die Rumäniendeutsche Herta Müller verließ ihre Heimat aus politischen Gründen im Alter von 34 Jahren. Um in Deutschland zu studieren, wanderten die Japanerin Yōko Tawada, der aus der Mongolei stammende Galsan Tschinag sowie der iranische Schriftsteller SAÏD und die in Bulgarien geborene Katharina von Bülow im Erwachsenenalter aus. All diese Autoren kamen somit aus familiären, politischen, wirtschaftlichen oder studentischen Gründen, und erlernten die deutsche Sprache in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens. In Deutschland geboren und zweisprachig aufgezogen wurde Zsuzsa Bánk als Tochter ungarischer Flüchtlinge, und auch Ildikó von Kürthy und Sherko Fatah gehören zur Gruppe in Deutschland Geborener, bei welchen sich der Migrationshintergrund aus dem Migrationsstatus der Eltern ergibt. Als Sohn eines kurdischen Vaters und einer deutschen Mutter wuchs Sherko Fatah ebenfalls zweisprachig auf. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt der Autor Alexander Ikonnikow dar. Obwohl er in Russland geboren ist und immer dort gelebt hat, schreibt der ehemalige Student der Germanistik alle seine Werke auf Deutsch. Hinsichtlich des Alters zeigt sich, dass die junge Generation bei den Autoren mit Migrationshintergrund mit einem Verhältnis von neun zu fünf fast doppelt so zahlreich vertreten ist als die ältere. Bis auf Irina Liebmann kamen alle vor 1960 Geborenen zum Zweck eines Studiums nach Deutschland, während die junge Generation teils mit der großen Immigrationswelle in den 1960er Jahren bereits als Kinder mit ihren Familien zuwanderten, teils im Laufe der Umbruchjahre 1989/90 als junge Erwachsene ins Land kamen. Drei der jüngeren Autoren wurden in Deutschland geboren und abgesehen von dem in die Mongolei zurückgekehrten Galsan Tschinag leben alle Autoren mit Migrationshintergrund noch heute in Deutschland, vornehmlich in Berlin. Ihnen ist die außergewöhnliche Beherrschung der deutschen Sprache gemein und „die Feststellung, die deutsche Gegenwartsliteratur verdanke einige ihrer wichtigsten und gültigsten Leistungen den Migranten, ist ohne Frage zutreffend.“214 2.2.4 Generationswechsel und die ‚Neue Lesbarkeit‘ Wie bereits gezeigt, spielt das Alter der Autoren eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Anzahl der Übersetzungen und somit auf ihre rein quantitative Präsenz auf dem französischen Buchmarkt. Während die Gesamtmenge junger und alter Autoren im Korpus relativ ausgeglichen ist, steigt die Menge an übertragenen Werken mit zunehmenden Lebensjahren. Doch hat das Alter eine ähnlich positive Auswirkung auf die Relevanz und Wahrnehmung der älteren Autoren durch die französische Leserschaft, oder ist die junge Generation der neue Vertreter und Sympathieträger deutscher Gegenwartsliteratur im Ausland? Die allgemeine Diskussion um einen Autorengenerationswechsel wird besonders seit Ende der 1980er Jahre geführt und viele Schriftsteller, Kritiker, Publizisten oder Kulturwissenschaftler verkündeten regelmäßig den Aufbruch einer neuen Generation. So kam es zu (künstlichen) Etiketten wie Fräuleinwunder, Popliteratur, Berlin214 Haase [online] 2006. 45 Roman oder Generation Golf, mit welchen die jungen Autoren von der alten Riege 215 abgegrenzt werden sollten. Immer wieder hieß es, „die alte Autorenprominenz“ mit Vertretern wie Günter Grass, Martin Walser oder Botho Strauß werde von der „dritte[n] Nachkriegsgeneration“216 abgelöst, welche innerhalb dieser Untersuchung als ‚junge Generation‘ bezeichnet wird. Auch gegenüber dem Ausland wurde ein Generationswechsel propagiert, als Deutschland im Jahr der französischen Buchmesse 2001 die Gelegenheit nutzen wollte, das Augenmerk auf den Autorennachwuchs zu lenken und der deutschen Gegenwartsliteratur zu einem neuen Image zu verhelfen. Ein Blick in das Titelkorpus zeigt, dass 13 der insgesamt 37 nach Paris eingeladenen deutschen Belletristik-Autoren im Sinne der Arbeitsdefinition der jungen Generation angehören (35,1 %) und der Anteil der Werke, welche im Messejahr 2001 von jungen Autoren erschienen sind, beläuft sich auf 37,1 %. Somit wurden dem französischen Publikum einige junge Schriftsteller, die zuvor in Frankreich unbekannt waren, durch Übersetzungen neu vorgestellt. Unter den Autoren, die nach Paris kamen, waren aber auch noch immer sehr viele, die in Frankreich bereits eine eigene Leserschaft hatten, wie etwa Volker Braun oder Christoph Hein.217 Allgemein gilt es hierbei zu bedenken, dass es eher problematisch ist, bei Literatur in Generationenabfolgen zu denken, da sich Generationen in der Literatur- und Kulturgeschichte nicht wirklich gegenseitig ablösen, sondern neben- und miteinander existieren.218 So wurden die renommierten deutschen Autoren mit ihrem in Frankreich bekanntesten Vertreter Günter Grass ebenso freudig wie die neuen und wilden Generationen auf dem ‚Salon du Livre‘ erwartet: On se réjouit de cette fête de la littérature allemande, car l’invité d’honneur est le prix Nobel Günter Grass […]. Mais, au-delà du fastueux Grass, ce Salon du livre sera aussi l’occasion de découvrir d’autres très grands écrivains […]. Il y a aussi les nouvelles et 219 turbulentes générations […]. Setzt man also die vielfachen Prognosen eines Generationswechsels in Bezug zum Lizenzgeschäft zu Beginn dieses Jahrhunderts, so erfüllen sich diese zunächst nicht vollständig. Bezüglich ihrer Anzahl übersetzter Titel ist hier die ältere Generation noch federführend. Allerdings lässt sich im Laufe der folgenden, untersuchten Jahre ein Wechsel der Wahrnehmung deutscher Literatur im Ausland bezüglich Sprache, Stil und Inhalt erkennen, was der jungen Generation zuzuschreiben ist: 215 Anz [online] 2003. Ebd. 217 Vgl. Klingsieck 2001b, S. 12. 218 Vgl. Anz [online] 2003. 219 O.V.: L’heure allemande. Auf: Website von Le Point. URL: http://www.lepoint.fr/actualiteslitterature/l-heure-allemande/1038/0/68854 [16.03.2001 / 04.07.2008]. „Wir freuen uns auf dieses Fest der deutschen Literatur, denn der Ehrengast ist der Nobelpreisträger Günter Grass […]. Aber, über den prunkvollen Grass hinaus, wird diese Buchmesse auch Gelegenheit bieten, andere sehr bedeutende Autoren zu entdecken […]. Es gibt auch die neuen und wilden Generationen […].“ [Übersetzung d. Verf.]. 216 46 Auch wenn Günter Grass, Martin Walser und […] Botho Strauß im Ausland als Repräsentanten deutscher Literatur betrachtet werden, so haben ihnen unter literarischen Ge220 sichtspunkten jüngere Autoren den Rang abgelaufen. 221 Diese literarischen Gesichtspunkte werden mit dem Schlagwort „Neue Lesbarkeit“ zusammengefasst, welches Einzug in den deutschen und ausländischen Diskurs gehalten hat. Es ist als Gegenbild zum sich hartnäckig haltenden „Klischee der ernsten 222 Werke“ konzipiert, welches sich in der Vergangenheit vor allem aus der häufig politisch motivierten Themenwahl, aus dem Versuch einer geschichtlichen Vergangenheitsbewältigung und der „Angst, zu unterhaltsam zu schreiben und damit dem Anspruch von hoher Literatur nicht zu genügen“223, ergeben hat. Dass diese Schreibweise der Vergangenheit angehört, wird ebenfalls seit der Pariser Messe 2001 gegenüber internationalen Buchmärkten kommuniziert: Deutsche Literatur stand für ernste, unsinnliche Bücher und war im Ausland bislang schwer vermittelbar. Heute schreiben junge Autoren mit überraschend frischem Ton 224 über das Leben. Sie werden mit diesem Klischee endgültig aufräumen. Der Generationswechsel hat sich somit nicht auf quantitativer, sondern vielmehr auf inhaltlicher Ebene vollzogen. Ob sich diese Propagierung einer neuen, leichten und gut lesbaren deutschen Literatur beweisen lässt, soll die folgende Analyse der Gattungen, Untergattungen sowie der häufigsten Themenschwerpunkte der im Korpus vertretenen Werke zeigen. 2.3 Gattungen, Untergattungen und thematische Schwerpunkte Zur Bestimmung der Gattungszugehörigkeit der einzelnen Werke sind unter anderem explizite Nennungen im Titel oder Untertitel dienlich. So lauten Titel: Schmerznovelle, Der Kommunist vom Montmartre und andere Geschichten, Eine tuwinische Geschichte und andere Erzählungen, oder Untertitel: Mann ohne Makel. Stachelmanns erster Fall, Mit Blindheit geschlagen. Stachelmanns zweiter Fall. Am häufigsten werden Gattung und Untergattung jedoch als Zusatz auf dem Cover, meist in der Nähe des Verlagsnamens, abgedruckt, wie etwa: Eine Novelle, 4 Liebesgeschichten oder Kriminalroman. Auch Eigenkreationen wie Manhattan-Roman, Roman eines Vaters oder Ein Schafskrimi sind hier möglich. Für die restlichen Werke bieten sekundäre Hinweise in den Inhaltsangaben eine weitere Orientierungshilfe. 220 Kraft [online] 2003. Vgl. o.V.: La littérature. Auf: Website von Tatsachen über Deutschland. URL: http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de/fr/la-culture-et-les-medias/main-content-09/lalitterature.html [15.05.2008] und vgl. Taberner [online] 2002. 222 Glaubitz [online] 2001. 223 Nießen [online] o.J. 224 Glaubitz [online] 2001. 221 47 Unterscheidet man zwischen den epischen Gattungen Roman, Erzählung, Kurzgeschichte und Novelle und fasst die drei Letzteren zusammen, so ergibt sich die folgende Aufteilung: während 153 (81,8 %) der Werke Romane sind, handelt es sich bei 34 (18,2 %) um Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen. 81,8 % Romane Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen 18,2 % Abb. 3: Gattungszugehörigkeit Für die Zuteilung eines Titels zu einer Untergattung ist zu beachten, dass diese nur aufgrund sekundärer Kriterien erfolgen konnte und nicht ausgeschlossen werden soll, dass ein Werk auch mehrere Untergattungen miteinander verbinden kann. Das Gleiche gilt für die inhaltlichen Aspekte – auch hier war nur der thematische Schwerpunkt eines Werkes ausschlaggebend. Jedem Werk wurden demnach eine Hauptuntergattung und eine Hauptthematik zugeordnet. Zur Typologisierung wurden maßgeblich Inhaltsangaben und Rezensionen genutzt oder Hinweise in Unter- und Reihentiteln sowie in Paratexten gesucht. Zudem orientiert sich die folgende 225 Einteilung an der Typologisierung von Stephanie Grillo und des Online-Buch226 händlers amazon. Somit ergeben sich auf der Untergattung-Ebene die Kategorien: • • • • • Roman allgemein Familien- oder Generationenroman Kriminalroman Historischer Roman Frauenroman sowie auf der Inhaltsebene die Themenschwerpunkte: • • • • • 225 226 Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen Probleme Deutsche Geschichte Deutsche Gegenwart Internationales Vgl. Grillo 1999, S. 107. Vgl. Kategorie Bücher – Nach Themen. Auf: Website von amazon Deutschland. URL: http://www.amazon.de/Themen-Romane-Erz%C3%A4hlungenB%C3%83%C2%BCcher/s/ref=sr_nr_n_14?ie=UTF8&rs=287643&bbn=287979&rnid=287643 &rh=n%3A186606%2Cn%3A117%2Cn%3A287643%2Cn%3A287979 [05.06.2008]. 48 Außerdem werden mögliche „Schreibtechniken beziehungsweise Erzählstrategien 227 […] wie autobiographisch grundiertes“ oder humoristisches Erzählen beachtet sowie inhaltliche Bezüge zu Frankreich gesucht. 2.3.1 Roman allgemein 61 der insgesamt 153 Romane können keiner speziellen Untergattung zugeordnet werden und werden folglich unter dem Sammelbegriff ‚Roman allgemein‘ geführt. Eine Untergliederung in einzelne Themenschwerpunkte ist jedoch möglich. So behandeln 17 dieser 61 Romane das Themengebiet ‚Probleme‘, worunter zum Beispiel Titel über (Kindes-)Missbrauch, Krankheit, Tod oder (Selbst-)Mord fallen. Der Missbrauch von Kindern wird etwa in Hausaufgaben von Jakob Arjouni, in Jupiter von Thomas Jonigk und in Der stille Herr Genardy von Petra Hammesfahr thematisiert, die Psyche von Kindern, ihre Andersartigkeit oder Erkrankung in der Geschichte vom alten Kind von Jenny Erpenbeck oder in Der Ameisenfeind von Stephan Valentin. Aber auch über sozialkritische Themen wie die heutige Konsumgesellschaft, die Massenkultur, den unaufhaltbaren Fortschritt und das persönliche Scheitern daran wird geschrieben, so zum Beispiel von Helmut Krausser in Fette Welt oder von Christoph Meckel in Ein unbekannter Mensch. Letzteres ist sowohl autobiographisch geprägt als auch mit Bezug zu Frankreich, da Meckel über seinen französischen Nachbarn Mathieu, einen Lavendelbauer im Hinterland der Drôme, berichtet. Macht, Gewalt und Drogen hingegen regieren in Juli Zehs Werken Spieltrieb und Adler und Engel und mit den Themenkomplexen Erinnerung und Tod beschäftigt sich beispielsweise Nina Jäckle in Noll. Um internationale Themen geht es in 15 Romanen, ganze 13 davon haben einen autobiographischen Bezug. Die türkischstämmigen Autoren Feridun Zaimoğlu und Zaver Şenocak behandeln beispielsweise in ihren Werken Abschaum. Die wahre Geschichte von Ertan Ongun beziehungsweise Gefährliche Verwandtschaft die Einwandererthematik sowie damit verbundene interkulturelle Probleme wie Gewalt, Drogen und Rassismus im deutsch-türkischen Alltag. In Onkelchen schreibt Fatah Sherko über den Irak der 1990er Jahre, in Im Grenzland über das Grenzgebiet zwischen der Türkei, dem Iran und dem Irak. Herta Müller thematisiert in Heute wär ich mir lieber nicht begegnet ihr Heimatland Rumänien zu Zeiten Ceausescus, während verschiedene Werke Galsan Tschinags (Dojnaa, Das Ende des Liedes oder Die graue Erde) vom Leben in der Mongolei handeln. Ebenfalls autobiographisch geprägt ist Yōko Tawadas Protagonistin in Das nackte Auge. In diesem Werk über eine Frau, die vor dem in ihrem Land herrschenden Kommunismus flieht, kann zudem ein Bezug zu Frankreich festgestellt werden, da die Geschichte streckenweise in Paris spielt und von Sprachunterschieden und Catherine Deneuve-Filmen handelt. Elf Romane thematisieren die ‚deutsche Geschichte‘, welche wiederum in die Hauptphasen ‚Drittes Reich‘, ‚Nachkriegszeit‘‚ ‚DDR‘ und ‚nach 1989‘ unterteilt wird. Die Handlung zweier Titel spielt vor dem Hintergrund des Dritten Reiches, so bei Adolf Schröder (Das Kartenspiel) und bei Martin Walser (Ein springender Brun227 Meynier-Heydenreich 2004, S. 38. 49 nen). Ein Werk handelt von der Nachkriegszeit, nämlich W.G. Sebalds Austerlitz, wobei es ebenfalls Rückblicke in die Zeit des Zweiten Weltkrieges enthält. Fünf Titel spielen in der DDR, darunter Das Provisorium von Wolfgang Hilbig, Herr Lehmann von Sven Regener, Alles, alles Liebe! von Barbara Honigmann, Von allem Anfang an von Christoph Hein und Die Schattenboxerin von Inka Parei. Christoph Heins Willenbrock, Peter Schneiders Eduards Heimkehr und Angela Krauß’ Die Überfliegerin stellen die drei Werke dar, welche die Zeit Deutschlands nach 1989 behandeln. Im Themenschwerpunkt ‚Deutsche Geschichte‘ lässt sich zudem häufig ein autobiographischer Bezug erkennen. Martin Walser beschreibt beispielsweise seine eigene Kindheit am Bodensee zu Zeiten des Nationalsozialismus, der in Berlin geborene und 2007 dort verstorbene Wolfgang Hilbig sein Schriftstellerleben zwischen Ost und West. Ebenfalls autobiographisch geprägt, aber den Themenschwerpunkt mit einer humoristischen Schreibweise kombinierend, lässt Sven Regener in Herr Lehmann einen Bremer das Kreuzberg der 1980er Jahre erleben. Über ‚Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen‘ geht es in 14 Romanen. Bis auf Wilhelm Genazinos ironische Überlegungen zum Thema Liebe, so zum Beispiel in Die Liebesblödigkeit, spielen alle Titel in der unmittelbaren Gegenwart und behaften das Thema eher mit Problemen als mit Humor. So handeln Botho Strauß’ Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich und Dieter Wellershoffs Der Liebeswunsch von Betrug und scheiternden Beziehungen, ebenso wie Katharina Hackers Die Habenichtse, deren Protagonisten vor dem Hintergrund der Terroranschläge 2001 ein karriereorientiertes, emotionsloses Leben führen. Ebenfalls ohne HappyEnd ist Der irdische Amor von Hans-Ulrich Treichel, während das Paar in Christoph Peters Stadt Land Fluß mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird und daran zerbricht. Vier Werke behandeln schwerpunktmäßig Themen der ‚deutschen Gegenwart‘. So lässt Andreas Maier seine beiden Werke Wäldchestag und Klausen im dörflichen Milieu spielen und parodiert Engstirnigkeit, Heuchlerei und Tratsch der Bewohner, während Martin Walser und Daniel Kehlmann mit ihren Werken Tod eines Kritikers und Ich und Kaminski Satiren auf den Literatur- beziehungsweise den Kunstbetrieb in Deutschland geschrieben haben. Die hitzige Debatte, welche Walser im Jahr 2002 mit seinem Buch auslöste, wurde auch in Frankreich wahrgenommen und aufmerksam verfolgt. All diesen vier Titeln ist eine ironisch-satirische Schreibweise gemein. 2.3.2 Familienroman 33 der 153 Romane können dem Familienroman zugeordnet werden, welches damit die insgesamt größte Untergattung darstellt. „Als Familienroman bezeichnet man in der Literaturwissenschaft Romane, in denen Entwicklungen, Ereignisse und Konflikte in einer Familie gestaltet sind – wobei der Romanautor die Familiengeschichte oft 228 über einen längeren Zeitraum hinweg darstellt.“ Eine inhaltliche Analyse des laut 228 O.V.: Familienroman. Auf: Meyers Lexikon Online. URL: http://www.buecherwiki.de/index.php/BuecherWiki/Familienroman [20.06.2008]. 50 229 Literaturkritik „derzeit erfolgreichsten und populärsten Literaturmodells“ zeigt, dass 18 der Familiengeschichten die ‚deutsche Geschichte‘ widerspiegeln, neun in einem ‚internationalen Kontext‘ und sechs in der ‚deutschen Gegenwart‘ spielen. Anders als in der Einteilung ‚Roman allgemein‘, wo eine Untergliederung der Thematik ‚Deutsche Geschichte‘ in die vier verschiedenen Hauptphasen möglich war, umspannen die Werke der Untergattung ‚Familienroman‘ meist mehrere Jahrzehnte und somit mehrere Generationen. Die Bezeichnung ‚Generationenroman‘ ist deshalb auch häufig anzufinden und soll hier synonym verwendet werden. Besonders nennenswerte Beispiele innerhalb der 18 Familienromane, welche die deutsche Vergangenheit vom Ersten Weltkrieg bis zum 20. Jahrhundert umspannen, sind John von Düffels Werke Houwelandt und Vom Wasser über vergangene Familiendynastien. Meistens stellen die Protagonisten der Generationenromane rückblickend Nachforschungen über ihre Familiengeschichte an. So lässt Kathrin Schmidt in Die Gunnar-Lennefsen-Expedition Enkelin und Urgroßmutter gemeinsam die Familiensaga rekonstruieren. Die Suche nach dem Vater oder dem verlorenen Bruder ist ebenfalls häufiges Motiv, etwa in Die Heimkehr von Bernhard Schlink sowie in Hans-Ulrich Treichels Menschenflug. Dieser Titel handelt, wie viele andere der Gegenwartsliteratur auch, vom Vertriebenenschicksal einer deutschen Familie nach dem Zweiten Weltkrieg, ebenso wie Christoph Heins Landnahme über die Ausweisung einer Familie aus Polen und ihrer Flucht in eine sächsische Kleinstadt. Die wohl bekannteste Geschichte dreier Generationen vor dem Hintergrund der geschichtlichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts findet sich in Charlotte Links Sturmzeit-Trilogie (Sturmzeit, Wilde Lupinen und Die Stunde der Erben), in welcher pro Band je eine Generation vorgestellt wird. Noch häufiger als im Bereich ‚Roman allgemein‘ schreiben die Autoren im Familienroman aus autobiographischer Sichtweise. So trägt etwa Reinhard Jirgl in seinem Roman Die Unvollendeten zusammen, was ihm Mutter, Großmutter, Großtante und Urgroßmutter über die Vertreibung der Familie aus dem Sudetenland erzählt haben und rekonstruiert so die Familiengeschichte bis in die Gegenwart hinein. Ebenso basiert Stephan Wackwitz’ Ein unsichtbares Land auf einer wahren Begebenheit der eigenen Familie, dessen Großvater 1939 in Kriegsgefangenschaft geraten war, wo ihm seine Kamera abgenommen wurde. „Diese Kamera, [welche 1993 wieder in den Familienbesitz übergegangen ist,] bildet – im wahrsten Sinne des Wortes – den Auslöser für Enkel Wackwitz, seiner verschlungenen 230 Familiengeschichte nachzuspüren.“ Ebenfalls biographisch begründet sind die Erinnerungen Uwe Timms an seinen Bruder (Am Beispiel meines Bruders), dessen Dienst und Tod als SS-Soldat das Leben der Familie und des Autors nachhaltig geprägt haben. Und schließlich ist Günter Grass’ Werk Beim Häuten der Zwiebel zu nennen, welches von der Kindheit und Jugend des Schriftstellers im Dritten Reich bis zum Erscheinungsjahr seines Debütromans Die Blechtrommel im Jahr 1959 reicht. Obwohl nur einen Bruchteil des 500 Seiten dicken Buches ausmachend, führte das Geständnis des Autors über seine Zeit in der Waffen-SS zu einer hitzigen Diskussion und bestimmte auch in Frankreich lange Zeit die Berichterstattung der Feuil229 230 März 2008, S. 55. Nettersheim [online] o.J. 51 letons bezüglich des bekanntesten deutschen Gegenwartsautoren. All die genannten Werke haben gemein, anhand imaginierter oder biographisch geprägter Familiengeschichten Zeugnis über die deutsche Geschichte abzulegen, und dies meist mehrere Generationen umfassend. Das Gleiche trifft auf die neun Titel im Bereich ‚Internationales‘ zu. Hierzu gehören vor allem die Werke Stefanie Zweigs, in welchen die Lebensgeschichten verschiedener von Deutschland nach Afrika emigrierter Familien erzählt werden (Nirgendwo in Afrika, Es begann damals in Afrika oder …doch die Träume blieben in Afrika). Auch hier zeigt ein Blick auf das Leben der Autorin die stark biographisch bedingte Themenwahl, da Stefanie Zweig selbst ihre Kindheit nach der Flucht der jüdischen Familie 1938 in Kenia verbracht hat. Auch Gila Lustigers Familienroman So sind wir ist ein Beispiel für die Verbindung zweier Kulturen, indem es das Leben einer jüdischen Familie zwischen Deutschland und Israel zeigt und Zsuzsa Bánk erzählt in Der Schwimmer von einer Frau, welche nach dem Ungarischen Volksaufstand 1956 nach Westdeutschland flieht und dafür ihren Mann und ihre zwei Kinder in Ungarn zurücklässt. Unter den sechs Familienromanen, die in der ‚deutschen Gegenwart‘ spielen, findet sich Jana Scheerers Geschichte einer Durchschnittsfamilie in Berlin (Mein Vater, sein Schwein und ich), die von Doris Dörrie geschriebene Sinnsuche einer Familie im Buddhismus (Was machen wir jetzt?) sowie Hanns-Josef Ortheils Roman eines Vaters über sein Familienleben mit zwei Kindern (Lo und Lu). Ähnlich den vier Romanen zur deutschen Gegenwart in der Kategorie ‚Roman allgemein‘ sticht auch bei den Familienromanen der häufig humorvolle, ironische Schreibstil ins Auge. 2.3.3 Kriminalroman Mit insgesamt 29 Titeln liegt der Kriminalroman fast gleichauf mit dem Familienroman, was der französischen Vorliebe für diese Untergattung entspricht. In Frankreich ist der ‚Roman policier‘ – kurz ‚Policier‘ oder ‚Polar‘ genannt – seit langem ei231 nes der beliebtesten Romangenres , wohingegen der Krimimarkt in Deutschland erst seit ein paar Jahren einen Aufschwung erlebt und von einer „neuen Gesellschaftsfähigkeit des Genres“232 die Rede ist. „Kriminalroman gilt [dabei] als Oberbegriff für zwei seiner idealtypischen Ausprägungen, dem Detektivroman und dem Thriller, 233 wobei es zu Überschneidungen kommen kann.“ Auch psychologische Spannungsromane werden zur Kriminalliteratur gezählt. Aufgrund ihrer Gemeinsamkeit, „auf 234 Spannung orientierte erzählende Literatur“ zu sein, werden die verschiedenen Varianten zu einer Untergattung zusammengefasst. Bei 24 der 30 Titel handelt es sich somit um Kriminalromane, die restlichen fünf Titel teilen sich in zwei Thriller und drei psychologische Spannungsromane. 231 Vgl. Centre National du Livre 2007, S. 20. Deurer [online] o.J. 233 Bierwirth 2000, S. 262. 234 Ebd., S. 263. 232 52 Zehn der 29 Kriminalromane spielen in der ‚deutschen Gegenwart‘, zum Beispiel Ingrid Nolls Rabenbrüder oder Röslein rot. Auch Mirjam Pressler, bekannt als Kinder- und Jugendbuchautorin, hat mit Rosengift ein Krimidebüt im Stile Patricia Highsmiths vorgelegt, in welchem die Protagonistin als erfolgreiche Kriminalautorin einen Roman im Roman verfasst. Ebenfalls mit der englischen Krimiikone Highsmith verglichen wird Hans Werner Kettenbach, der mit Glatteis vertreten ist. Im Gegensatz zur Gewohnheit, deutsche Kriminalautoren an ihren internationalen Kollegen zu messen, gibt es heute einen starken Trend der Regionalisierung, indem Autoren wie Friedrich Ani, Georg Klein, Thea Dorn oder Zafer Şenocak die Handlung ihrer Geschichten in typische Großstädte oder Regionen verlegen. So spielt Anis German Angst in München und Kleins Detektivgeschichte Barbar Rosa, Dorns Die Hirnkönigin oder Şenocaks Der Erottomane in Berlin, welches Franzosen besonders 235 fasziniert. Das aktuellste Beispiel für diesen neuen Trend ist Andrea Maria Schenkel, die mit dem Überraschungsbestseller und Regionalkrimi Tannöd im Januar 2008 erstmals den französischen Markt betreten hat. Internationalität spielt in sieben Kriminalromanen deutscher Autoren eine Rolle. So löst Jan Costin Wagners Kommissar Kimmo Joentaa aus Eismond seine Fälle in Finnland, während Hans Werner Kettenbachs Werke Minnie oder Ein Fall von Geringfügigkeit in den Vereinigten Staaten und Davids Rache im Georgien der 1990er Jahre zu Zeiten des Bürgerkrieges spielen. In Jakob Arjounis Kismet. Ein KayankayaRoman wird der deutsch-türkische Kommissar Kayankaya mit Problemen wie Unmoral und Rassimus sowie der Mafia in Frankfurt konfrontiert. Ein Bezug zu Frankreich hingegen lässt sich bei Bernhard Schlink in Die gordische Schleife und bei Undine Gruenter in Das Versteck des Minotaurus feststellen. Die beiden anfangs erwähnten Thriller können ebenfalls zum Themenschwerpunkt ‚Internationales‘ gezählt werden, da sie quer durch Europa führen. Es handelt sich um die von Philipp Vandenberg geschriebenen Titel Das fünfte Evangelium und Das vergessene Pergament. Häufig mit Dan Brown verglichen, nimmt der Autor den Leser in Ersterem mit auf die Suche nach einem Evangeliums-Pergament in verschiedene Länder der Welt, darunter auch Frankreich, und in Zweiterem auf die Jagd nach einem geheimen Schriftstück durch die größten Kirchen Europas im 15. Jahrhundert. Auch alle drei psychologischen Spannungsromane von Charlotte Link verbinden die typischen Genreelemente immer mit einem internationalen Hintergrund. So befinden sich die deutschen Protagonisten in Der fremde Gast und in Die Täuschung in Südfrankreich und in Am Ende des Schweigens in England. Über die Autorin heißt es, entgegen des Trends zu Vergleichen mit angelsächsischen Schriftstellern: „Charlotte Link s’est imposée en France comme une reine du suspense psychologique qui n’a rien à envier 236 à ses consœurs britanniques“ . 235 236 Vgl. Bary 2004, S. 99. O.V.: Illusions mortelles de Charlotte Link. Auf: Website von amazon Frankreich. URL: http://www.amazon.fr/Illusions-mortelles-Charlotte-Link/dp/2258065844 [03.06.2008]. „Charlotte Link hat sich in Frankreich als Königin der psychologischen Spannung durchgesetzt, die ihren britischen Kolleginnen in nichts nachsteht.“ [Übersetzung d. Verf.]. 53 Sieben der Kriminalromane können dem Themengebiet ‚Deutsche Geschichte‘ zugeordnet werden, wobei sich die Ermittler selbst meist in der Gegenwart befinden, der zu lösende Fall jedoch untrennbar mit einer der in Kapitel III 2.3.1 genannten geschichtlichen Hauptphasen verbunden ist. Das Dritte Reich ist in zwei Romanen Hintergrund des Kriminalfalles, so beispielsweise in Christian von Ditfurths Mann ohne Makel. Stachelmanns erster Fall, in welchem ein Hamburger Historiker und Spezialist für die Nazizeit unfreiwillig zum Ermittler wird. Auch je zwei Titel sind mit der Nachkriegszeit und der DDR verbunden, zum Beispiel Christian von Ditfurths Mit Blindheit geschlagen. Stachelmanns zweiter Fall über ehemalige StasiSpitzel und Fluchthelfer. Besonders diese Stachelmann-Reihe des „deutschen Mankell“, die „zum Besten [gehört], was die deutsche Krimilandschaft derzeit zu bieten 237 hat“ , stellt die genannte Verbindung von Kriminal- und Zeitgeschichte dar. Als weiteres Beispiel ist Doris Gercke und ihr Roman Weinschröter, du musst hängen über den ersten Fall der aus der ZDF-Krimiserie bekannten Ermittlerin Bella Block zu nennen. Einer der insgesamt sieben Kriminalromane zur deutschen Geschichte schließt die Zeit nach 1989 in seine Handlung ein, denn die Aufklärung des Falles in Bernhard Schlinks Selbs Mord ist eng mit der deutschen Nachwendezeit verbunden. 2.3.4 Historischer Roman Der historische Roman steht mit insgesamt 18 Titeln an vierter Stelle der korpusinternen Untergattungen. Als Romantypus, dessen Handlung in einer vergangenen Zeit spielt, kann ein historischer Roman von fiktiven Personen, die in einer bestimmten Epoche leben, oder von tatsächlichen historischen Persönlichkeiten, Ereignissen 238 und Lebensverhältnissen handeln. Im letzteren Fall werden geschichtliche Begebenheiten „narrativ in fiktionaler Konstruktion dargestellt“ und ausgeschmückt, woraus sich ein „Spannungsverhältnis von narrativer Fiktion und (wissenschaftlich) be239 glaubigter geschichtlicher Überlieferung“ ergibt. Diese Art der erzählenden Prosa 240 ist in Frankreich allgemein besonders beliebt und stellt in Deutschland die Unter241 gattung dar, welches hauptsächlich von deutschen Autoren dominiert wird. Inhaltlich gesehen herrscht der Schwerpunkt ‚Internationales‘ vor, da 17 der 18 Titel von Personen und Ereignissen aus fremden Ländern handeln. Vor allem die Geschichte Italiens ist von Interesse. Unter den sechs Titeln sind beispielsweise Peter Prange mit seinem Werk Die Principessa und Helmut Krausser mit Melodien. Oder Nachträge zum quecksilbernen Zeitalter zu finden. Aber auch die Geschichte Frankreichs findet Eingang in drei historische Romane, so etwa bei Peter Prange in Die Philosophin über das Paris am Vorabend der Französischen Revolution und eine Frau im Kreis um Diderot und Rousseau sowie bei Lea Singer in Die Zunge über 237 O.V.: Mit Blindheit geschlagen von Christian von Ditfurth. Auf: Website von Christian von Ditfurth. URL: http://www.cditfurth.de/schattenbuch.htm [23.06.2008]. 238 Vgl. Eggert 2000, S. 53–55. 239 Ebd., S. 53. 240 Vgl. Metz, Petra: Telefonat am 26.11.2007, Ansprechpartnerin für Frankreich der Stiftung Genshagen, Genshagen. 241 Vgl. o.V. 2006b, S. 6. 54 einen französischen Adeligen im 18. Jahrhundert, welcher über einen außergewöhnlichen Geschmackssinn verfügt. Vier der Romane spielen in weiteren europäischen Ländern wie Österreich im 18. Jahrhundert (Robert Löhr, Der Schachautomat), England zur viktorianischen Epoche (Peter Prange, Miss Emily Paxton) oder Holland zu Zeiten Rembrandts (Jörg Kastner, Die Farbe Blau). Durch ganz Europa führen vier historische Romane, darunter zwei, die im Mittelalter spielen, nämlich Peter Berlings fünfter und letzter Teil seines Grals-Zyklus Der Kelim der Prinzessin, von welchem bereits die vorherigen Bände ins Französische übersetzt wurden, und Die Ketzerin. Auch in Felicitas Hoppes Pigafetta über den gleichnamigen italienischen Weltumsegler im 16. Jahrhundert und in Marc Buhls Rashida oder Der Lauf zu den Quellen des Nils über Mensen Ernst, ein norwegisches Laufwunder aus dem 18. Jahrhundert, der zum schnellsten Läufer Europas wird, ist die Handlung länderübergreifend gestaltet. Einer der historischen Romane handelt schwerpunktmäßig von der ‚deutschen Geschichte‘ beziehungsweise von deutschen historischen Persönlichkeiten. In Die Vermessung der Welt zeigt Daniel Kehlmann die beiden Wissenschaftler Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, ihre je eigentümliche Arbeitsweise und gemeinsame Korrespondenz am Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts. Dabei reichert er historische Fakten mit viel Fiktion und Humor an. Mithilfe einer experimentellen Poetik, wie zum Beispiel einer fast durchgehend indirekten Rede, entsteht ein ironischer Schreibstil, der im historischen Roman eine Ausnahme bildet. Betrachtet man die inhaltlichen Motive in dieser Untergattung etwas näher, so fällt auf, dass sich nicht selten inhaltliche Parallelen oder Variationen zu ehemaligen Bestsellern wie Das Parfum von Patrick Süskind (vgl. Lea Singer, Die Zunge) oder Die Entdeckung der Langsamkeit von Sten Nadolny (vgl. Marc Buhl, Rashida oder Der Lauf zu den Quellen des Nils) finden. 2.3.5 Frauenroman Zwölf der 153 Romane können der Untergattung Frauenroman im Sinne einer Lite242 ratur von Frauen und/oder über Frauen und/oder für Frauen zugeordnet werden. Häufig wird diesem Bereich eine gewisse Trivialität zugeschrieben, was sich mit der meist humorvollen Behandlung der Hauptthematik ‚Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen‘ erklären könnte. Diese herrscht auch innerhalb des Korpus mit elf Titeln vor und teilt sich in eine eher nachdenklich-melancholische und eine humorvolltriviale Schreibweise auf. Zu Ersterer zählen Elke Naters (Lügen), Elke Schmitter (Leichte Verfehlungen und Frau Sartoris), Sibylle Berg (Amerika) oder Gila Lustiger (Aus einer schönen Welt), Zweitere wird von für diese Untergattung typischen Autorinnen wie Ildikó von Kürthy (Freizeichen und Herzsprung), Claudia Schreiber (Emmas Glück) oder Gaby Hauptmann (Eine Handvoll Männlichkeit) vertreten. 242 Vgl. Stephan 1997, S. 625. Keines dieser Kriterien soll jedoch als vollkommen verbindlich aufgefasst werden. 55 Ein Frauenroman kann dem Themenkomplex ‚Probleme‘ zugeordnet werden. Hierbei handelt es sich um Heike Geißlers Werk Rosa, in welchem eine junge Frau vor ihrem Leben zuerst nach Berlin und später nach New York flüchtet und dabei ihr ungewolltes Kind in Leipzig zurücklässt. 2.3.6 Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen Innerhalb der 34 Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen dominiert das Thema ‚Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen‘, welches in 16 Werken mit meist melancholisch-nachdenklichem Blick geschildert wird. Judith Hermann, Zsuzsa Bánk, Jenny Erpenbeck und Tilman Rammstedt sind typische Vertreter dieser Art des Erzählens, welche mit dem Schlagwort ‚Tristesse Royale‘ „als zeitgemäßer Ausdruck der 243 Melancholie“ bezeichnet wird und als Teil der ‚Neuen Lesbarkeit‘ angesehen werden kann. In Bernhard Schlinks Liebesfluchten stehen die Geschichten über Liebe und Beziehungen immer auch in einem direkten Bezug zur deutschen Geschichte, sei es das Dritte Reich oder die DDR. Sie bildet jedoch nur den Hintergrund der Handlungen und kann somit nicht als Hauptthematik des Buches angesehen werden. In neun Werken geht es um ‚internationale Themen‘, welche beinahe alle aus autobiographischer Sicht von Autoren mit Migrationshintergrund geschrieben worden sind. Als Beispiele für die Schilderung der Zeitgeschichte und des Alltagslebens ihrer Heimat sind hier die Erzählbände Eine tuwinische Geschichte und andere Erzählungen von Galsan Tschinag und Tito ist tot von Marica Bodrožić zu nennen. Auch Wladimir Kaminers Erzählungen in Die Reise nach Trulala und Militärmusik sowie Alexander Ikonnikows Taiga Blues handeln von der Vergangenheit und Gegenwart des Heimatlandes, jedoch auf sehr ironisch-witzige Weise. Yōko Tawada hingegen legt in Talisman das Augenmerk besonders auf die Sprach- und Kulturunterschiede zwischen Deutschland und Japan. Und während Barbara Honigmann aus eigener Erfahrung das jüdische Leben in Straßburg beschreibt, verarbeitet Ingo Schulze in seinem Debüt 33 Augenblicke des Glücks. Aus den abenteuerlichen Aufzeichnungen der Deutschen in Piter eigene Erlebnisse und Eindrücke aus Sankt Petersburg. Beinahe gleichauf ist die Kategorie ‚Probleme‘ mit acht Werken. In vier Erzählbänden und vier Novellen werden hier Themen wie Alter, Abschied, Tod oder psychische Erkrankung und sexuelle Obsession variiert. So handelt beispielsweise Helmut Kraussers Schmerznovelle von Persönlichkeitsspaltung und Michael Kleebergs Novelle Barfuß kann als Beispiel für ein autobiographisch geprägtes Buch mit Frankreichbezug genannt werden, in welchem der Autor seine eigenen Erfahrungen als ehemaliger Leiter einer Pariser Werbeagentur mit fiktiven Problemen verbindet, welche den Protagonisten aus einem scheinbar perfekt geordneten Leben werfen. Ein Werk ist der Thematik ‚Deutsche Geschichte‘ zuzuordnen. In Günter Grass’ Novelle Im Krebsgang geht es um den Untergang des Flüchtlingsschiffes Wilhelm Gustloff im Jahr 1945 und die Darstellung der Deutschen als Opfer im Krieg. 243 Blamberger 2006, S. 202. 56 2.3.7 Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich innerhalb der 187 Titel des Gesamtkorpus bei 153 um Romane und bei 34 um Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen handelt. Innerhalb der Gattung Roman wiederum zeigt eine Einteilung in Untergattungen, dass die Kategorien Roman allgemein mit 61, Familienroman mit 33, Kriminalroman mit 29, Historischer Roman mit 18 und Frauenroman mit 12 Titeln vertreten sind. Roman allgemein Familienroman Kriminalroman Historischer Roman Frauenroman 0 10 20 30 40 50 60 70 Abb. 4: Untergattungen Betrachtet man diese Verteilung innerhalb des Titelkorpus, so bestätigt sich der aktuelle Eindruck einer Literaturkritikerin: Schaut man sich in Buchhandlungen und Verlagsprospekten um, sieht es tatsächlich so aus, als bestünde die Hälfte der Gegenwartsliteratur aus Familienepen und Familiengeschichten. Als nähmen Erzähler und Helden bevorzugt die Rolle des Nachfahren ein, 244 der Zeugnis ablegt vom Schicksal der Vorfahren. In der jüngsten deutschen Gegenwartsliteratur scheint der Erzählfluss über Generationen wieder in Gang gekommen zu sein, wobei es sich einerseits um imaginäre Reisen in die Vergangenheit handelt, andererseits aber auch häufig ein autobiographischer Hintergrund zu erkennen ist beziehungsweise die eigene Familiengeschichte im Roman verarbeitet wird. Betrachtet man den hohen Übersetzungsanteil, so scheint diese Art des Erzählens auch in Frankreich auf reges Interesse zu stoßen. Der Kriminalroman ist ebenfalls von großer Bedeutung, die noch neue ‚Gesellschaftsfähigkeit‘ der Untergattung in Deutschland schlägt sich auch in den Übersetzungszahlen nieder. Mehr als die Hälfte der Titel wurde erst innerhalb der letzten drei Jahre übersetzt und der stark ausgeprägte französische Krimimarkt könnte in Zukunft noch mehr deutsche Kriminalromane aufnehmen. Im Hinblick auf die aktuelle Beliebtheit des historischen Romans in Frankreich ist auch in diesem Segment auf eine Steigerung der Übersetzungen zu hoffen, wohingegen beim Frauenroman keine Anzeichen für eine Zunahme der Übertragung ins Französische vorhanden sind. 244 März 2008, S. 55. 57 Auf der Inhaltsebene lässt sich die folgende Verteilung festhalten: 62 Titel haben den Themenschwerpunkt ‚Internationales‘, 41 ‚Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen‘, 38 ‚Deutsche Geschichte‘‚ 26 ‚Probleme‘ und 20 ‚Deutsche Gegenwart‘. Internationales Liebe und Beziehungen Deutsche Geschichte Probleme Deutsche Gegenwart 0 10 20 30 40 50 60 70 Abb. 5: Themenschwerpunkte Diese Aufschlüsselung zeigt, dass Werke, welche von internationalen Themen und Schauplätzen sowie interkulturellen Begebenheiten bestimmt sind, besonders gerne ins Französische übersetzt werden. Bei sehr vielen dieser Übersetzungen lassen sich, vor allem bei Autoren mit Migrationshintergrund, autobiographische Bezüge feststellen. So schreiben Autoren wie Zsuzsa Bánk, Galsan Tschinag, Feridun Zaimoğlu oder Wladimir Kaminer über internationale Themen aus einer von mindestens zwei Kulturräumen geprägten Sichtweise. Ihre bevorzugten Gattungen sind hierbei Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen. Ebenfalls häufig übersetzt werden Bücher, welche einen direkten Bezug zu Frankreich aufweisen, sei es Schauplätze, Persönlichkeiten oder Ereignisse betreffend. Hier ist vor allem die Untergattung des historischen Romans relevant, aber auch Romane und Erzählungen im Allgemeinen. Ein bedeutender Teil der deutschen Gegenwartsliteratur ist somit sowohl im Hinblick auf die Autoren als auch auf die Themenwahl sehr international gefärbt. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Komplexe ‚Deutsche Geschichte‘ und ‚Deutsche Gegenwart‘ nicht zu den von Franzosen favorisierten Themengebieten zu gehören. Fasst man sie jedoch zusammen, so ergibt sich die beinahe ebenso große Anzahl von 58 Übersetzungen, welche von typisch deutschen Themen handeln. Es kann somit festgestellt werden, dass das Interesse Frankreichs an Deutschland und der deutschen Geschichte noch immer sehr groß ist und viele der Übersetzungen aufgrund ihres dezidiert deutschen Inhaltes und der Blickweise eines deutschen Autors zustande gekommen sind. Das aktuelle Beispiel des Weltbestsellers Die Wohlgesinnten des französischen Schriftstellers amerikanischer Herkunft Jonathan Littell zeigt jedoch auch, dass der Erfolg solcher Bücher wohl eher vom Thema, als von der Herkunft des Autors abhängig ist. In Bezug auf die einzelnen Untergattungen spielt die Thematik der ‚Deutschen Geschichte‘ besonders in den Familienromanen die führende Rolle, während die ‚Deutsche Gegenwart‘ am Häufigsten in Frauen- und Kriminalromanen behandelt wird. Hierbei wird vor allem eine Besinnung auf die 58 eigene Stärke sichtbar, wenn es heißt, „dass deutsche Autoren mit deutschen Themen 245 bestens gegen internationale Konkurrenz bestehen können.“ Trotz des immer noch regen Interesses an der deutschen Geschichte von Seiten Frankreichs wird stets die thematische Vielfältigkeit der heimischen Gegenwartsliteratur betont, denn „auch andere literarische Nicht-Nazi-Bücher aus Deutschland sind 246 international begehrt.“ Themen wie ‚Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen‘ kommen nicht nur im meist humorvollen Frauenroman häufig vor, sondern auch in Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen sowie im Roman, wo sie ebenfalls nicht selten in einer witzig-ironischen Schreibweise dargestellt werden. Bemerkenswert scheint hierbei, dass entgegen des allgemeinen (Vor-)Urteils, der französische Buchmarkt bediene den Bereich ‚Erotische Literatur‘ ausgiebiger als andere Länder, keine der Übersetzungen dieser Untergattung eindeutig zugewiesen werden kann. Im Gegenteil – Werke wie Esra von Maxim Biller, Liebeserklärung von Michael Lentz oder Meere von Alban Nikolai Herbst, welche in den letzten Jahren aufgrund ihres sexuellen Inhaltes für Aufruhr gesorgt haben, wurden überhaupt nicht ins Französische 247 übersetzt. Den inhaltlichen Schwerpunkt ‚Probleme‘, zu dem die literarische Verarbeitung von Themen wie Depression, (Kindes-)missbrauch, Inzest, Krankheit oder Tod gehören, findet man vorwiegend im Bereich ‚Roman allgemein‘ und in Erzählungen, Kurzgeschichten und Novellen. Hinsichtlich dieser breiten Vielfalt an Untergattungen und Themen kann sich dem Fazit angeschlossen werden: Die Bücherwelt ist voller hoffnungsvoller Signale. Und es verkaufen sich eben nicht nur Romane mit Nazithematik, nur Krimis, […] nur Deutschlandbücher. Nein, alles 248 stimmt. Die Welt will alles lesen. In Bezug auf den Anspruch der ‚Neuen Lesbarkeit‘ lässt sich festhalten, dass dieser trotz der noch immer beliebten Themenwahl der literarischen Vergangenheitsbewältigung, nun aus der Sicht der dritten Nachkriegsgeneration, tatsächlich von den jungen Autoren eingehalten wird. So beschreiben manche Schriftsteller, darunter Sven Regener, einen Teil der deutschen Geschichte aus einer humorvollen Sichtweise, Internationales wird von Autoren wie Wladimir Kaminer oder Alexander Ikonnikow mit Humor behandelt und besonders über die deutsche Gegenwart gibt es zahlreiche Werke mit Satire und Ironie, wie beispielsweise von Wilhelm Genazino, Daniel Kehlmann oder Andreas Maier. Dass Humor auch im Bereich des Kriminalromans zu weltweitem Erfolg führen kann, hat Leonie Swanns Schafskrimi bewiesen, während Autoren wie Judith Hermann, Jenny Erpenbeck oder Zsuzsa Bánk trotz eines melancholisch-nachdenklichen Grundtenus durch eine neuartige, leichte Art des Er249 zählens bestechen, welche als „Sound einer neuen Generation“ bezeichnet wurde. Die deutsche Gegenwartsliteratur hat somit tatsächlich einen Wandel vollzogen, welcher sich positiv auf ihre Verkaufbarkeit ins Ausland auswirkt. 245 O.V.: Mit Blindheit geschlagen von Christian von Ditfurth. Auf: Website von Christian von Ditfurth. URL: http://www.cditfurth.de/blindbuch.htm [24.06.2008]. 246 Weidermann [online] 2005. 247 Vgl. Kämmerlings [online] 2003. 248 Weidermann [online] 2005. 249 Karasek 2006. 59 2.4 Verlage Da im Titelkorpus nur Erstausgaben berücksichtigt wurden, handelt es sich bei den Angaben zu den Herausgebern um die Originalverlage. Hieraus werden die aktuellsten Trends der Zusammenarbeit zwischen französischen und deutschen Verlagen ersichtlich. Dabei ist beispielsweise von Interesse, wie viele und welche Verlage am Lizenzgeschäft zwischen Deutschland und Frankreich beteiligt sind, wo sie ihren Sitz haben, wie viele zu einer Verlagsgruppe gehören oder ob sie feste Kooperationen untereinander und mit einzelnen Autoren gebildet haben. 2.4.1 Lizenzgeber 250 Die 187 Titel des Korpus entfallen auf insgesamt 52 Verlage. Somit hat jeder Verlag im Untersuchungszeitraum durchschnittlich 3,6 deutsche Erstausgaben herausgebracht, welche später ins Französische übersetzt worden sind. Die einzelnen Lizenzvergaben verteilen sich wie folgt: Die Mehrzahl von 40 Verlagen hat nur zwischen einer und fünf Lizenzen nach Frankreich verkauft, was einer Gesamtanzahl von 72 Titeln in sieben Jahren entspricht. Die restlichen zwölf Verlage haben dagegen zusammen 115 Titel, also 61,5 % des Gesamtkonvoluts, herausgebracht. Unter ihnen sind der Berlin-Verlag mit acht Lizenzausgaben, Rowohlt mit zehn, Carl Hanser mit 13, Diogenes und Kie251 252 penheuer & Witsch mit jeweils 14 und Suhrkamp mit 18 verkauften Titeln die Spitzenreiter unter den lizenzgebenden Verlagen. Betrachtet man die einzelnen Verlagshäuser auf eine mögliche Zughörigkeit zu einer Verlagsgruppe, so zeigt sich, dass 31 von 52, also knapp 60 %, zu insgesamt 13 verschiedenen Verlagsgruppen gehören. Mit acht Verlagen am häufigsten vertreten ist Random House Bertelsmann, gefolgt vom Medienkonzern Bonnier mit fünf und der Georg von Holtzbrinck GmbH mit vier untergeordneten Häusern. Zu den Gruppen Droemer Knaur, Suhrkamp sowie Eulenspiegel zählen je zwei der am Lizenzgeschäft mit Frankreich beteiligten Verlage. Mit jeweils einem Verlag sind die Gruppen Lübbe, C.H. Beck, Klett, Ganske, die DuMont Buchverlage, die F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH und die Niederösterreichische Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft am Titelkorpus beteiligt. Die restlichen 21 Verlage sind unabhängig von Verlagsgruppen, zu ihnen zählen Häuser wie A1, Alexander Fest, Ammann, Aufbau, Babel, Konkursbuch Claudia Gehrke, Droschl, Steidl oder Das Wunderhorn. Diese kleineren Verlagshäuser sind meist mit nur einem bis höchstens drei Werken im Titelkorpus vertreten. Renommiert und mit sieben, zwölf beziehungsweise 13 Werken häufiger vertreten sind da250 Da sich die Erstellung des Titelkorpus nach der Herkunft der Autoren, und nicht nach dem Standort des herausgebenden Verlages gerichtet hat, wurden auch schweizerische und österreichische Verlagshäuser in die Sammlung aufgenommen. 251 Dieser Verlag ist dafür bekannt, am erfolgreichsten neue und junge Autoren auf den Markt zu bringen. Vgl. Mansbrügge 2005, S. 16. 252 Dies entspricht der Spitzenposition des Verlages im allgemeinen Lizenzgschäft. Mit seiner starken Backlist und 400 Abschlüssen pro Jahr führt Suhrkamp die Riege der deutschen Lizenzgeber auch insgesamt an. Vgl. Cronau 2007, S. 23. 60 gegen die unabhängigen Häuser Eichborn, Carl Hanser und Diogenes. Als für das Lizenzgeschäft bedeutende Verlage ohne Verlagsgruppenzugehörigkeit bilden sie jedoch eine Ausnahme im Lizenzhandel zwischen Deutschland und Frankreich. 1. 2. 3. 4. 5. Verlag Verlagsgrup Verlagsgruppe Verk. Lizen Lizen zen Suhrkamp Diogenes Kiepenheuer & Witsch Carl Hanser Rowohlt Berlin-Verlag Suhrkamp VG – Georg v. Holtzbrinck GmbH – Georg v. Holtzbrinck GmbH Random House Bertelsmann 18 Je 14 13 10 8 Abb. 6: Top 5 der lizenzgebenden Verlage 2.4.2 Lizenznehmer Als Lizenznehmer deutscher Werke traten insgesamt 47 französische Verlage in Erscheinung. Die Anzahl der lizenzgebenden und -nehmenden Instanzen ist somit nahezu ausgeglichen. Durchschnittlich wurden vier Titel pro Verlag erworben, was ebenfalls der Statistik auf der Lizenzgeberseite entspricht. Auch die Analyse der einzelnen Verlage und ihres Lizenzerwerbes ähnelt der der Lizenznehmer. Während bei einer Zuordnung von einer bis fünf Lizenzen pro Verlag ebenfalls die Mehrheit von 35 Verlagen insgesamt nur 65 Titel in sieben Jahren eingekauft hat, entfallen 122 Titel auf die übrigen zwölf Verlage. Zu den führenden französischen Verlagen, welche zwischen 2000 und 2007 die meisten Übersetzungsrechte an Werken deutschsprachiger Autoren erworben haben, gehören Albin Michel und Rocher mit jeweils neun gekauften Lizenzen, Seuil und Gallimard mit jeweils zehn, Actes Sud und Métailié mit je zwölf, Christian Bourgois mit 13 und, mit einigem Abstand, Jacqueline Chambon mit 17 erworbenen Titeln. In Frankreich verteilen sich 24, also fast genau die Hälfte der insgesamt 47 am Lizenzgeschäft beteiligten Verlage auf acht verschiedene Verlagsgruppen. Diese im Vergleich zu Deutschland geringere Anzahl weist auf eine bereits weiter fortgeschrittene Konzentration des französischen Verlagswesens hin. Das in Kapitel II. 2.1 aufgezeigte Machtverhältnis von Hachette Livre und Éditis setzt sich in Bezug auf das Lizenzgeschäft mit Werken deutscher Autoren aber nicht fort. Mit sieben Verlagen, nämlich Calmann-Lévy, Grasset, JC Lattès, Pauvert, Stock, Fayard und Hachette Littératures, 253 vereint die Gruppe Hachette zwar die meisten Häuser unter ihrem Dach , doch hinsichtlich der gemeinsam erworbenen Lizenzausgaben teilt sie sich Platz zwei mit der unabhängigen Verlagsgruppe Gallimard. Zu dieser gehören zwar nur drei Verlage (Gallimard, Denoël und Rocher), sie hat aber, ebenso wie Hachette, 24 Titel ins 253 Diese sind anhand ihres Internetauftrittes nicht als der Verlagsgruppe Hachette zugehörige Verlage zu erkennen. Es soll dem Leser augenscheinlich die Unabhängigkeit von einem Konzern suggeriert werden. 61 Französische übersetzen lassen. Den ersten Platz mit den meisten erworbenen Lizenztiteln belegt die Verlagsgruppe Actes Sud, welche somit nicht nur in der französischen Verlagslandschaft, sondern auch im Lizenzhandel mit Deutschland eine bemerkenswerte Ausnahmeposition einnimmt. Gemeinsam mit ihrem Département Jacqueline Chambon kommt Actes Sud auf 29 gekaufte Lizenzen in sieben Jahren. Die zweitgrößte französische Verlagsgruppe Éditis ist mit vier Verlagen und insgesamt 17 Titeln hingegen nur viertwichtigster Lizenzpartner, gefolgt von der Groupe La Martinière mit zwei Verlagen und zwölf Übersetzungen, der Groupe Flammarion mit zwei Häusern und vier Titeln sowie der Groupe Libella mit zwei Verlagen und drei übersetzten Werken. Die, wie Gallimard, unabhängige Verlagsgruppe Albin Michel hat neun deutsche Titel in Frankreich herausgegeben. Unter den 47 französischen Verlagen gehören dennoch 23, also ganze 49 %, keiner Verlagsgruppe zu, was ein Hinweis darauf ist, dass im Hinblick auf das Lizenzgeschäft mit Deutschland auch kleinere, gruppenunabhängige Verlage eine wichtige Rolle spielen. Hierbei sind besonders Christian Bourgois Éditeur mit 13 und Métailié mit zwölf erworbenen Lizenzen bedeutende Geschäftspartner deutscher Verlage. Was den Einkauf deutscher Lizenzen betrifft, treten, ähnlich wie in Deutschland, Kleinund Kleinstverlage nur ein bis höchstens fünfmal in Erscheinung. Zu ihnen gehören Häuser wie L’Esprit des Péninsules, Payot et Rivages, Verdier, Autrement, Encre Bleue, L’Archipel, Le temps qu’il fait, Le Serpent à plumes oder Quidam Éditeur. Häufig sind sie auch nach ihren Gründern benannt, wie im Falle der Éditions Liana Levi, Florent Massot, Sabine Wespieser Éditeur und Laurence Teper. Letzterer wurde erst 2003 gegründet und wird wohl aufgrund seines Schwerpunktes auf europäische Literatur künftig noch häufiger Lizenzen deutscher Werke kaufen. 1. 2. 3. 4. 5. Verlag Jacqueline Chambon Christian Bourgois Actes Sud Métailié Seuil Gallimard Albin Michel Rocher Verlagsgrup Verlagsgruppe Actes Sud – Actes Sud – Groupe la Martinière Groupe Gallimard – Groupe Gallimard Verk. Lizen Lizen zen 17 13 Je 12 Je 10 Je 9 Abb. 7: Top 5 der lizenznehmenden Verlage Die Verlage, welche deutsche Titel publizieren, verteilen sich geographisch gesehen auf wenige Städte Frankreichs, genauer gesagt auf sechs. Vier haben ihren Sitz in Südfrankreich, darunter Actes Sud in Arles, Jacqueline Chambon in Nîmes sowie Encre Bleue in Villegly bei Toulouse. Nur ein Verlag, Le temps qu’il fait, liegt in Westfrankreich, nördlich von Bordeaux. Alle anderen 42 Verlage befinden sich in der französischen Hauptstadt Paris. Diese starke Konzentration des Verlagswesens auf 62 Paris ist, unabhängig vom Titelkorpus, eine weitere Besonderheit des französischen 254 Buchmarktes und wird branchenintern mit dem Begriff „parisianisme“ bezeichnet. 2.4.3 Zusammenarbeit mit anderen Verlagen und Autoren Den 52 Lizenzgebern stehen 47 Lizenznehmer gegenüber, welche zwischen 2000 und 2007 die Rechte an 187 zeitgenössischen Titeln von Deutschland nach Frankreich transferiert haben. Die Analyse dieser Vertragspartner hat ergeben, dass es selten eine feste Verlagskooperation gibt, sondern dass sich die Zusammenarbeit vielmehr auf mehrere verschiedene Verlage verteilt. Immer den gleichen französischen Lizenzpartner haben eher kleine Verlage wie Babel, Jung&Jung oder Wunderlich, welche mit meist zwei Titeln im Korpus vertreten sind. Eine Ausnahme bildet hierbei der LangenMüller Verlag, welcher sechs Lizenzen an immer den gleichen Verlag, nämlich Rocher, verkauft hat. Die am Lizenzgeschäft besonders häufig beteiligten Verlage wie Diogenes, Hanser, Rowohlt, Suhrkamp oder Kiepenheuer & Witsch verfügen hingegen über viele verschiedene Lizenzpartner. Ein ähnliches Bild ergibt sich, betrachtet man die Zusammenarbeit der Verlage aus französischer Sicht. Nur kleine Verlage mit meist zwei Übersetzungen wie City Éditions oder Quidam arbeiten fest mit einem Verlag zusammen, während die quantitativ bedeutenderen Verlage des Lizenzgeschäftes wie Actes Sud, Christian Bourgois, Albin Michel, Seuil, Gallimard, Métailié oder Jacqueline Chambon bei vielen unterschiedlichen Verlagen Lizenzen einkaufen. Als Ausnahmen sind Denoël, Rocher und Presses de la Cité zu nennen, da bei ihnen trotz einer hohen Anzahl an Übersetzungen eine gewisse Kontinuität der Geschäftspartner zu erkennen ist. Dennoch kann festgehalten werden, dass sich die Zusammenarbeit zwischen lizenzgebenden und lizenznehmenden Verlagen in den meisten Fällen immer aufs Neue ergibt. Anders verhält es sich in Bezug auf die Zusammenarbeit der Verlage mit den Verfassern der Werke. Von den insgesamt 47 Autoren mit mehr als einem übersetzten Werk haben 34 mit immer demselben deutschen Verlag zusammengearbeitet. So haben sich in über 70 % der Fälle feste Verlags-Autoren-Paare gebildet, die Verlage binden ihre Hausautoren fest an sich. Carl Hanser brachte beispielsweise alle später ins Französische übertragenen Werke von Wilhelm Genazino, Undine Gruenter, Elke Heidenreich und Botho Strauss heraus, während Suhrkamp mit ebenso renommierten Autoren wie Christoph Hein, Andreas Maier, Hans-Ulrich Treichel und Martin Walser zusammenarbeitete. Jakob Arjouni, Doris Dörrie, Ingrid Noll und Bernhard Schlink haben ihren Herausgeber im größten rein belletristischen Verlag Diogenes gefunden und bei S. Fischer sind die Werke der Autorinnen Judith Hermann und Zsuzsa Bánk erschienen. Eine jahrzehntelange Zusammenarbeit verbindet auch Günter Grass mit dem Steidl Verlag, und Charlotte Links Werke sind alle von einem Verlag, nämlich Blanvalet, publiziert worden. Bei nur 13 der 47 Autoren erschienen die ins Französische übersetzten Originaltitel bei unterschiedlichen Verlagen. 254 Rouet 2007, S. 102. Diese geographische Konzentration nimmt jedoch seit den 1970er Jahren langsam ab. Während im Jahr 1970 ganze 75 % aller Verlage in Paris und der Pariser Region angesiedelt waren, waren es 2005 nur noch 59 %. 63 Abschließend lässt sich festhalten, dass trotz des in Frankreich bereits weit fortgeschrittenen Konzentrationsprozesses noch immer eine Vielzahl an Verlagen am Lizenzgeschäft beteiligt ist. Das Machtduopol von Hachette Livre und Éditis setzt sich in Bezug auf den Einkauf von Lizenzausgaben nicht fort, vielmehr stehen mit Jacqueline Chambon, Christian Bourgois oder Actes Sud kleine bis mittelgroße Verlag an der Spitze der Lizenzeinkäufer. In Bezug auf die Kooperation zwischen den Verlagen untereinander lässt sich eine Vielzahl an wechselnden Geschäftsverbindungen erkennen, wohingegen die Zusammenarbeit mit den Autoren der zu übersetzenden Werke von einer gewissen Kontinuität geprägt ist. 2.5 Übersetzer „Sie sind die Parias des Verlagswesens, […] geringgeschätzt, und wenn nicht totgeschwiegen, öfter gescholten als gepriesen: literarische Niemande in der Grauzone des 255 Betriebs.“ Dieses vernichtende Urteil über den Stand der literarischen Übersetzer kann auch heute noch, mehr als zehn Jahre nach seiner Aussprache, als zutreffend angesehen werden und dies, obwohl es „fast eine Platitüde [ist] festzuhalten, dass ohne die Tätigkeit des Übersetzens jede zeitgenössische Gesellschaft funktionsunfähig 256 würde“ . Trotz einiger in Frankreich seit 1992 festgehaltener Regelungen zwischen Übersetzern, vereinigt in der Association des traducteurs littéraires de France (ATLF), und Verlagen bezüglich literarischer Übersetzungen ist sowohl die rechtliche als auch 257 die finanzielle Situation der Übersetzer bedenklich. Da die Bezahlung seit Jahren stagniert und ein einheitlicher Normvertrag fehlt, hat das CNL im Rahmen des Rapport Livre 2010 eine Reihe von Maßnahmen zum Ausgleich der rechtlichen Stellung von Übersetzern gegenüber den Verlagen geplant, unter ihnen die Anregung eines 258 Dialoges zwischen den Verbänden der beiden Parteien. Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie viele Übersetzer an der Übertragung deutscher Belletristik beteiligt waren, welche dabei in ihrem Beruf herausragen und wie sie mit den Autoren und Verlagen zusammenarbeiten. 2.5.1 Titelanzahl pro Übersetzer In Bezug auf das Korpus können insgesamt 78 Übersetzer gezählt werden, welche an der Übertragung der 187 Titel beteiligt waren. Detailliert betrachtet entfällt je ein Werk auf 39 Übersetzer, zwei Werke auf 15, drei Werke auf neun, vier Werke auf sechs, fünf Werke auf drei und sechs Werke auf einen Übersetzer. Die fünf Spitzenreiter teilen sich wie folgt auf: sieben Übertragungen wurden von zwei Übersetzern erreicht (Claude Porcell und Anne Weber), eine Übersetzerin ist mit acht (Nicole Casanova), eine mit zehn Übersetzungen vertreten (Jean-Marie Argelès) und ein Übersetzer hat insgesamt 14 Titel ins Französische übertragen (Olivier Mannoni). 13 Übertragungen entstanden in Zusammenarbeit zweier Übersetzer. 255 Grillo 1999, S. 102. Ebd., S. 101. 257 Vgl. Barluet 2007, S. 24f. 258 Vgl ebd., S. 75. 256 64 Eine Besonderheit besteht darin, dass sechs der Übersetzer nicht in Frankreich, sondern in Deutschland geboren sind. Entgegen des Normalfalles, dass meist Franzosen deutsche Literatur in ihre Muttersprache transferieren, gibt es einige wenige Deutsche, die die französische Sprache in all ihren Nuancen beherrschen, so dass sie einer literarischen Übersetzung fähig sind. Meist arbeiten sie dennoch mit einem französischen Übersetzer zusammen. Zu den wenigen, ohne Übersetzungspartner Arbeitenden gehört Anne Weber, welche sowohl Autorin wie auch Literaturübersetzerin ist und seit 25 Jahren in Frankreich lebt. Sie ist zudem die einzige Übersetzerin deutscher Herkunft, welche mit mehr als einem übersetzten Titel im Korpus vertreten ist und mit insgesamt sieben Übersetzungen sogar zu den fünf Spitzenreitern gehört. Außerdem hervorzuheben ist Jacqueline Chambon, die Gründerin des gleichnamigen Kleinverlages. Sie ist im Korpus mit drei Übersetzungen für ihr eigenes Haus vertreten. Beim Spitzenreiter des Übersetzungskonvoluts mit insgesamt 14 Titeln handelt es sich um Olivier Mannoni, einen der renommiertesten Literaturübersetzer 259 mit Deutsch als Quell- und Französisch als Zielsprache. Der wohl erfolgreichste literarische Übersetzer deutscher Gegenwartsliteratur ins Französische ist Bernard Lortholary, welcher sowohl Bernhard Schlinks Der Vorleser als auch Patrick Süskinds Das Parfum übertragen hat und dafür mehrfach ausgezeichnet wurde. Zuletzt ist besonders auf Nicole Bary hinzuweisen, welche sich seit Jahren mithilfe ihrer Pariser Buchhandlung Le Roi des Aulnes, ihres Förderkreises Les Amis du Roi des Aulnes sowie ihrer Jahreszeitschrift LITTERall für die Bekanntmachung deutscher Autoren 260 in Frankreich einsetzt. Als Wertschätzung der literarischen Übersetzung kann die Verleihung eines Übersetzerpreises angesehen werden. Hierbei ist für diese Arbeit der André-Gide-Preis für deutsch-französische Literaturübersetzungen von Interesse, welcher seit 1998 alle zwei Jahre von der DVA-Stiftung verliehen wird. Der Preis zeichnet die Übersetzungen jeweils eines Werkes aus dem Deutschen und aus dem Französischen aus. Für ihre hervorragende Leistung wurden auf französischer Seite die im Korpus vertrete261 262 263 nen Übersetzer Claire de Oliveira , Bernard Banoun und Barbara Fontaine prämiert. Dieser niedrige Anteil von 3,8 % aller im Titelkorpus vertretenen Übersetzer und das Fehlen eines weiteren, vergleichbaren Preises für Literaturübersetzungen aus dem Deutschen ins Französische zeigt jedoch die geringe Beachtung dieser so wichtigen Transferleistung. Dem möchte die DVA Stiftung als Tochtergesellschaft der Ro264 bert Bosch Stiftung mit ihrer Übersetzungsförderung entgegenwirken. 259 Vgl. Übersetzungsverzeichnis. Auf: Website des Übersetzercolloquiums. URL: http://www.uebersetzercolloquium.de/uebersetzerverzeichnis.html [01.07.2008]. 260 Vgl. Lance 2000, S. 87. 261 Vgl. Mursa 1999, S. 6. 262 Vgl. Mursa 2000, S. 6. 263 Vgl. o.V.: André Gide Preis 2008. Auf: Website der Robert Bosch Stiftung. URL: http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/19890.asp [22.08.2008]. 264 Vgl. o.V. 2006a, S. 5. 65 2.5.2 Zusammenarbeit mit Autoren und Verlagen Die folgende Betrachtung geht der Frage nach, ob Übersetzer ihre Titel eher nach dem Autor oder nach dem Verlagsprogramm wählen. Ist also eine feste, sich wiederholende Zusammenarbeit der beiden Literaturvermittler gang und gäbe, oder sind Übersetzer vielmehr an einen bestimmten Verlag gebunden und übernehmen somit immer unterschiedliche Autoren? Von den insgesamt 38 Autoren, welche mit mindestens zwei Titeln am Korpus beteiligt sind, wurden die Werke von 24 Autoren von einem einzigen Übersetzer ins Französische gebracht, 23 Autoren von verschiedenen Übersetzern. Der Anteil von festen Autor-Übersetzer-Paaren und stets wechselnden Autor-Übersetzer-Kombinationen ist somit nahezu ausgeglichen, wobei bei Zweiteren häufig ein Übersetzer zumindest zwei oder mehr Titel übertragen hat und deshalb auch hier eine gewisse Beständigkeit feststellbar ist. Als Beispiel für ein kontinuierliches Autor-Übersetzer-Paar sind Wilhelm Genazino und Anne Weber, Judith Hermann und Dominique Autrand oder Wladimir Kaminer und Jeanne Etoré-Lortholary zu nennen, während Jean-Marie Argelès alle acht Werke von Stefanie Zweig und Claude Porcell die von Günter Grass und Michael Krüger übertragen hat. Im Gegensatz zu dieser Kontinuität stehen Autoren wie Martin Walser, Elke Heidenreich, Ildikó von Kürthy oder Daniel Kehlmann, deren beide Werke innerhalb des Titelkorpus von zwei verschiedenen Übersetzern bearbeitet wurden. Mit drei Werken und drei verschiedenen Übersetzern ist beispielsweise Jakob Arjouni im Korpus vertreten, während Helmut Kraussers vier Werke sogar von vier unterschiedlichen Übersetzern übertragen worden sind. Die bereits erwähnte Kontinuität trotz wechselnder Übersetzer kann beispielsweise bei Hans-Werner Kettenbach und Hanns-Josef Ortheil festgestellt werden, von deren jeweils drei Werken zwei durch Olivier Mannoni beziehungsweise durch Claude Porcell übersetzt worden sind. Charlotte Links acht Titel sind auf insgesamt vier Übersetzer verteilt. Trotz des quantitativen Gleichstandes zwischen einer Übertragung durch immer denselben oder durch immer wechselnde Übersetzer überwiegt so der Eindruck einer festen Zuordnung zwischen bestimmten Autoren und ihren Übersetzern, da auch im Falle des Wechsels manche Übersetzer mehr als einmal für einen Autor tätig werden. Weiterhin kann festgestellt werden, dass die Übersetzer überwiegend Autoren sowohl der jüngeren als auch der älteren Generation übertragen und somit unterschiedliche Schreibstile ins Französische umsetzen. Odile Demange hat zum Beispiel gleichzeitig Benjamin Lebert und Siegfried Lenz übersetzt, Nicole Casanova sowohl Daniel Kehlmann oder John von Düffel als auch Hans Christoph Buch und Peter Schneider. Das Spektrum von Olivier Mannoni reicht sogar von Gaby Hauptmann, über Zsuzsa Bánk und Fatah Sherko, bis hin zu Bernhard Schlink, Hans Werner Kettenbach und Botho Strauß. Dies zeigt, dass die häufig erwähnte ‚Neue Lesbarkeit‘ mit ihrem leichten, humorvollen Schreibstil der jüngeren Autorengeneration von denselben Übersetzern bearbeitet wird, die auch die Werke der älteren Autoren übertragen haben. Einerseits wird hierbei die große Bandbreite der Übersetzungsleistung deutlich, welche 66 von trivialer Unterhaltungsliteratur bis hin zu anspruchsvoller Belletristik reichen kann. Andererseits stellt sich dabei jedoch die Frage, ob es dem jeweiligen Übersetzer überhaupt möglich ist, zwischen so unterschiedlichen Schreibstilen zu wechseln und diese adäquat und in all ihren Nuancen in seine Muttersprache zu übertragen, oder ob die Feinheiten des jeweiligen Autors in der Übersetzung verloren gehen. Abgesehen von dieser Mischung aus Jung und Alt gibt es aber auch Übersetzer, welche ausschließlich Vertreter der jüngeren oder der älteren Generation übersetzen. Zu Ersteren gehört Françoise Toraille mit Autoren wie Andreas Maier, Elke Naters, Georg M. Oswald und Feridun Zaimoğlu. Zu Zweiteren werden Nicole Bary, welche SAΪD übersetzt und die Stimme von Christoph Hein ist, oder Claude Porcell mit Günter Grass, Michael Krüger und Hanns-Josef Ortheil als Quellen seiner Übersetzungen gezählt. Hier kann eine Art Spezialisierung auf einen bestimmten Schreibund somit auch Übersetzungsstil vermutet werden. Die Gegenprobe all dieser Betrachtungen geht von den Verlagen, nicht von den Autoren, aus und belegt die Annahme, dass „die weitaus meisten Übersetzer im Bereich der Belletristik überwiegend mit einem oder höchstens zwei Verlagen zusam265 men“ arbeiten. Ganze 29 von den 39 mehrfach vertretenen Übersetzern haben mit nur ein bis zwei Verlagen kooperiert. Eine solche sichtbare Kontinuität der Zusammenarbeit besteht etwa bei Jean-Marie Argelès, von deren zehn Übersetzungen neun bei Rocher erschienen sind. 14 der Übersetzer, darunter Nicole Bary oder Claude Porcell, haben ihre Übersetzungen immer für den gleichen Verlag angefertigt. Seltener ergibt sich eine Zusammenarbeit von Auftrag zu Auftrag neu, meist bei einer insgesamt hohen Übersetzungsmenge wie im Falle Nicole Casanovas, deren acht Übertragungen sich auf drei verschiedene Verlage aufteilen oder beim Spitzenreiter Olivier Mannoni, der seine 14 Titel im Auftrag von sechs verschiedenen Verlagen übersetzt hat. Allgemein gilt also, dass sowohl eine gewisse Beständigkeit der Übersetzer gegenüber festen Autoren zu erkennen ist als auch gegenüber einem oder zwei Verlagen. Entgegen der Annahme, dass in Zeiten eines schnelllebigen und unpersönlichen Verlags- und Übersetzungsgeschäftes ein häufiger Wechsel zwischen Autoren und Übersetzern sowie zwischen Übersetzern und Verlagen herrscht, haben deutsche Gegenwartsautoren somit häufig nur eine französische Stimme und Übersetzer arbeiten meistens mit nur einem oder höchstens zwei Verlagen zusammen. 2.5.3 Zeitabstand zwischen deutscher und französischer Erstausgabe Die systematische Auswertung des Zeitraumes, der zwischen dem Erscheinen der deutschen Originalausgaben und den französischen Übersetzungen liegt, hat ergeben, dass die Mehrzahl von 73,3 % der französischen Erstausgaben mit einer zeitlichen Differenz von höchstens drei Jahren erscheinen. Sieben der insgesamt 187 Bücher, also 3,7 % des Gesamtkonvoluts, wurden noch im selben Jahr der deutschen Erscheinung in Frankreich herausgegeben, wobei keine Unterschiede zu den übrigen Titeln, wie eine immer gleiche Verlagskooperation oder 265 Grillo 1999, S. 106. 67 ein immer gleicher und besonders schnell arbeitender Übersetzer, zu erkennen sind. 32 Übersetzungen erschienen mit einem Abstand von einem Jahr und 56 nach zwei Jahren. Somit beträgt bei 95 Titeln beziehungsweise 50,8 % der Abstand zwischen deutscher und französischer Erstausgabe weniger als oder genau zwei Jahre. 42 Übersetzungen erschienen drei Jahre nach der deutschen Originalausgabe, vier Jahre liegen zwischen 17 Titeln und ihrer Übersetzung, fünf Jahre sind es bei sechs Titeln. Bei 18 Titeln liegt ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren zwischen dem Erscheinen der deutschen und der französischen Erstausgabe, bei 15 Titeln zehn oder mehr Jahre. Gründe für diese langen Zeiträume können beispielsweise die (Neu-)Entdeckung älterer Werke des Autors aufgrund eines aktuellen Erfolges, die Übersetzung mehrerer Werke in ‚einem Schwung‘ oder der Tod des Autors sein. So wurde im Falle des aktuellsten Werkes Alles, alles Liebe! von Barbara Honigmann aus dem Jahr 2000 ein Jahr später nicht nur dieses, sondern gleichzeitig auch zwei ältere Werke von 1991 und 1998 ins Französische übertragen. Auch bei Bernhard Schlink ließ der französische Lizenznehmer Gamillard im Zuge der Übersetzung des aktuellen Werkes Liebesfluchten die dreizehn Jahre zurückliegende Erscheinung Die gordische Schleife gleich mitübersetzen und beide wurden 2001 herausgebracht. Stefanie Zweigs internationaler Bestseller Nirgendwo in Afrika von 1995 ist erst seit 2002 auf dem französischen Buchmarkt erhältlich, woraufhin auch alle anderen Werke der Autorin eine Übertragung erfahren haben. Bei Charlotte Links Sturmzeit (1989) und Wilde Lupinen (1992) vergingen dreizehn beziehungsweise zehn Jahre, bevor der erste und zweite Teil gleichzeitig bei Éditions JC Lattès erschien. Obwohl diese beiden Autorinnen auf dem deutschen Buchmarkt schon seit den 1990er Jahren präsent waren, traten sie in Frankreich also erst ein Jahrzehnt später in Erscheinung. Mittlerweile ist Stefanie Zweig mit sechs Titeln die zweithäufigst und Charlotte Link mit acht Titeln die meistübersetzte Autorin des Titelkorpus. Die, wenn auch zeitverzögerte, Übersetzung des ersten Bestsellers hat bei beiden somit die Übertragung aller anderen Werke nach sich gezogen. Im Falle W.G. Sebalds wurde Schwindel. Gefühle aus dem Jahr 1990 elf Jahre später, in seinem Todesjahr 2001, auf Französisch herausgebracht. Ein noch größerer Zeitraum liegt zwischen der deutschen und französischen Erstveröffentlichung von Doris Gerckes Weinschröter, du mußt hängen, da das Werk erst nach 16 Jahren ins Französische übersetzt wurde. Die Lizenzen für alle drei im Korpus aufgeführten Werke von Hans Werner Kettenbach sind sogar erst mit elf, 21 und 25 Jahren Zeitverzögerung von Christian Bourgois Éditeur erworben worden. Die Chronologie des Gesamtwerkes eines Autors ist folglich beim Erscheinen in Frankreich nicht mehr unbedingt gegeben und die Gründe für eine Übersetzung sind vielfältig. In der Hälfte aller Fälle wird das aktuellste Werk eines Autors mit einem Abstand von meist ein bis zwei Jahren ins Französische übertragen, in der Mehrheit von 73,3 % der Titel kommt es spätestens nach drei Jahren zur Übersetzung. Es gibt jedoch auch Sonderfälle, in welchen ältere Werke erst nach Jahrzehnten übersetzt oder im Zuge eines aktuellen Werkes überhaupt erst entdeckt werden. Außerdem kann es zu mehreren Übersetzungen neuer und alter Titel eines Autors gleichzeitig kommen, da der lizenznehmende Verlag die Herausgabe bündelt. 68 2.6 Aspekte des Literaturmarketings Im Zuge der Untersuchung deutscher Literatur auf dem französischen Buchmarkt sollen auch vier verschiedene Aspekte näher betrachtet werden, welche Auskunft über die folgenden Fragen geben: Ähneln die französischen Ausgaben deutscher Werke der in Frankreich typischen Buchgestaltung, welche sich durch Schlichtheit, helle Farben und Banderolen auszeichnet, oder heben sie sich optisch von ihr ab? Inwieweit ist die deutsche Herkunft den französischen Covern und Titeln zu entnehmen? Oder: Verfolgen die französischen Verlage eigene, landesspezifische Vermarktungsstrategien mithilfe der Cover- und Titelgestaltung? Hierfür werden zunächst die Buchumschläge und später die Buchtitel – beides Aspekte des Literaturmarketings, welche informativ, rezeptionssteuernd und verkaufsfördernd wirken – der deutschen und französischen Ausgaben auf Ähnlichkeiten und Unterschiede hin miteinander verglichen und schließlich herausgearbeitet, wie häufig sich direkte Hinweise auf die Quellsprache und den Übersetzer sowie auf eine eventuelle Reihenzugehörigkeit des Werkes finden lassen. 2.6.1 Covergestaltung Bei 20 der 187 Titel konnte entweder das deutsche oder das französische Cover der Erstausgabe nicht ermittelt werden. Die restlichen 167 Werke und ihre jeweiligen Übersetzungen wurden hinsichtlich ihrer Umschlaggestaltung miteinander verglichen, woraus sich die folgenden Erkenntnisse ergeben: Nur zehn deutsche Cover und ihr französisches Pendant sind exakt gleich gestaltet. Die französischen Lizenznehmer haben in diesen Fällen die Bildrechte am deutschen Einband erworben. Hierzu gehören beispielsweise Sommerhaus, später von 266 Judith Hermann (Abb. 8) , Im Krebsgang von Günter Grass (Abb. 9), dessen Bild vom Autor selbst gezeichnet wurde oder Miss Emily Paxton von Peter Prange (Abb. 10), dessen französische Version nur durch den Verlagsnamen vom Original unterschieden werden kann, da auch der deutsche Titel übernommen worden ist. 20 der Werke haben eine ähnliche Covergestaltung. Hierzu zählt die Verwendung des gleichen Bildes, nur mit einem anderen Ausschnitt oder mit einem Zusatz, was zum Beispiel bei Stefanie Zweigs Es begann damals in Afrika (Abb. 11) oder Claudia Schreibers Emmas Glück (Abb. 12) der Fall ist. Auch Einbände, welche über die gleiche Motiv-Idee verfügen, diese jedoch anders umgesetzt worden ist, gehören zu dieser Gruppe. So liegt zum Beispiel den Covern von Jenny Erpenbecks Geschichte vom alten Kind zwar die gleiche Idee zugrunde, auf der deutschen Ausgabe ist jedoch ein Kindergesicht und auf dem französischen ein Frauengesicht zu sehen (Abb. 13). Die Mehrzahl von insgesamt 137 französischen Covern unterscheidet sich gänzlich vom deutschen Original, was vermutlich auf Sprach- und Rechtsbarrieren zurückzuführen ist, da die Bildrechte beim deutschen Verlag eingeholt werden müssten oder 267 dieser das Exklusivrecht selbst nicht besitzt. Doch auch die Verfolgung eigener 266 267 Die im Folgenden betrachteten Cover sind in Anhang 3 abgebildet. Vgl. Fetzer, Günther: Persönliches Gespräch am 01.02.2008, Gründer und Leiter von AIO Buch und Bücher, München und Lehrbeauftragter der Buchwissenschaft, Erlangen. 69 Vermarktungsstrategien von Seiten der französischen Verlage kann ein Grund für die Wahl einer anderen Einbandgestaltung sein. Hierbei reicht das Spektrum von nur unterschiedlich gewählten Motiven neutraler Art (Abb. 14), bis hin zu sehr viel extremeren, auffälligeren oder bestimmte Assoziationen weckenden Covern der französischen Ausgaben. Vor allem die Gestaltung in den Bereichen Erotik und Deutsche Geschichte sticht ins Auge. In zehn Fällen zeigt das französische Cover sehr viel mehr Nacktheit, ist reißerischer oder extremer gestaltet als die deutsche Vorlage (Abb. 15 und Abb. 16), während es dem Cover in sechs Fällen direkt zu entnehmen ist, dass es sich um ein Buch über die deutsche Geschichte beziehungsweise einen Autor deutscher Herkunft handelt. Besonders deutlich hat dies der Verlag Seuil auf dem Cover von Sven Regeners Herr Lehmann kommuniziert. Nicht nur der deutsche Originaltitel wurde beibehalten, dieser steht auch vor dem flächendeckenden Hintergrund der deutschen Nationalfarben (Abb. 17). Als Beispiel für ein französisches Cover, auf welchem ein direkter Bezug zum geschichtlichen Inhalt hergestellt wird, ist Bernhard Schlinks Die Heimkehr, auf welchem ein Schwarz-Weiß- Foto eines, passend zum Titel, heimkehrenden Soldaten zu sehen ist (Abb. 18). Das Bild der deutschen Erstausgabe ist dagegen ohne erkennbaren Zusammenhang zum Inhalt gewählt. Als weiteres Beispiel ist Uwe Timms Am Beispiel meines Bruders zu nennen (Abb. 19). Die deutsche und die französische Ausgabe des Buches ähneln sich zwar, unterscheiden sich jedoch in einem entscheidenden Merkmal. Der Hintergrund der französischen Übersetzung ist, wie die deutsche Ausgabe, weiß gehalten und die Schrift ebenso rot, doch über ihr sind schwarze Männerstiefel eines Soldaten abgebildet, was eindeutig auf den geschichtlichen Inhalt des Buches Bezug nimmt und beim Leser Assoziationen zu Armee und Krieg auslöst. Diese Verknüpfungen von Bild, Inhalt des Werkes und Assoziationen des Lesers sind jedoch noch schlicht gehalten, vergleicht man diese mit der amerikanischen und englischen Gestaltung des wundervoll sanft und staunend-fassungslos geschriebenen Buchs […] [über] die Geschichte seines längst verstorbenen Bruders, der bei der SS gewesen war: Stahlhelm mit SS-Runen in Großaufnahme, während die englische Ausgabe ein etwas zurückhaltende268 res Kriegsbild zeigt (Abb.20). Der größte Gegensatz zwischen deutscher und französischer Gestaltung liegt bei Christian von Ditfurths Kriminalroman Mann ohne Makel. Stachelmanns erster Fall vor (Abb. 21). Während das deutsche Cover ein neutrales Bild eines Eingangstores zeigt, wird auf dem französischen Titelblatt eine Hand von einem Dartpfeil durchbohrt, auf welchem das Hakenkreuz abgebildet ist und von einer NSDAP-Aufschrift umrandet wird. Eine solche, in Deutschland verbotene, Darstellung der geschichtlichen Thematik des Buches bildet jedoch auch in Frankreich eine Ausnahme. Die 269 Strategie „Nazi sells“ wird somit, im Gegensatz zu anderen Ländern, von französischen Verlagen nur in Maßen verfolgt, auch wenn sich gezeigt hat, dass manche Verlage mithilfe von eindeutigen Bildern auf den deutschen Inhalt und Urheber aufmerksam machen möchten. 268 269 Weidermann [online] 2005. Ebd. 70 Im Allgemeinen dominiert in Frankreich eine helle und schlicht gehaltene Umschlaggestaltung. Die Cover sind häufig ohne Bild, aber mit einer roten Banderole versehen, welche zum Beispiel den Gewinn eines Literaturpreises anzeigt. Die Qualitätsstandards der Bücher sind hoch, obwohl sogar Neuerscheinungen nicht fest ge270 bunden sind, sondern eine „Kultur des Paperbacks“ vorherrscht. Hierin besteht eine weitere Besonderheit des französischen Buchmarktes und gleichzeitig ein fundamentaler Unterschied zur deutschen Hardcover-Produktion. In Bezug auf die klassisch französische Buchgestaltung mit Banderole gilt für die Übersetzungen nicht dasselbe, was zum Beispiel in Amerika beobachtet werden kann: Auch wenn in wenigen Monaten die Bücher von Robert Löhr, Leonie Swann und Daniel Kehlmann auf den Ladentischen amerikanischer Kaufhäuser liegen, wird äußerlich kaum mehr erkennbar sein, dass junge Deutsche sie geschrieben haben. Viel zu breit wird die Binde mit der Aufschrift „The International Bestseller“ über der Autorenzeile 271 kleben. In Frankreich tragen hingegen nur acht der 187 Titel des Korpus eine Banderole, und diese sind, der französischen Gewohnheit entsprechend, meist rot gestaltet. Auf den aktuellen Erfolg des Werkes weist ausschließlich eine dieser Banderolen hin, wenn es über Claudia Schreibers Buch Emmas Glück heißt: „Le livre phénomène qui 272 a déjà fait rire et pleurer des centaines de milliers de lecteurs“ (Abb. 12). Vier der restlichen sieben Banderolen enthalten dagegen einen Hinweis auf einen vorherigen Welterfolg, nämlich bei Stefanie Zweig: „Par l’auteur d’Une enfance africaine“ (Abb. 11) und bei Charlotte Link: „Après Le temps des orages“ (Abb. 22). Auf Heike Geißlers Roman Rosa wird mit einem Zitat der Welt auf den Frauenroman und seine 273 Zielgruppe hingewiesen: „Ce monologue enragé s’adresse aux femmes“ (Abb. 22), während zwei Werke von Jenny Erpenbeck und John von Düffel, beide bei Albin Michel erschienen, das für Frankreich typische weiße Cover mit schlichtem schwarzen Rahmen und Schriftzug sowie eine halbseitige Banderole in schwarz-weiß mit dem Namen des Autors und seinem Porträt aufweisen (Abb. 23). Dies zeigt, dass nur sehr wenige Übersetzungen über eine Banderole verfügen und diese auf unterschiedliche Weise gestaltet ist. Die klassische Variante der roten Banderole auf einem weißen Cover und ohne Bild ist bei keinem der 187 Übersetzungen von den französischen Verlagen verwendet worden, sie scheint für französische Autoren und ihre Werke reserviert zu sein. Einen weißen oder beigen Hintergrund weisen nur 26 der 167 der Titel auf, welche sich somit in das die französische Buchproduktion prägende Bild der hellen Buchgestaltung einfügen. Als besonders charakteristische Beispiele können hier die beiden französischen Ausgaben der Werke Menschenflug von HansUlrich Treichel und Die Fehler des Kopisten von Botho Strauß genannt werden (Abb. 24). 270 Fetzer 2008. Hierbei handelt es sich um so genannte quality paperbacks, welche sich meist durch ein großes Buchformat und eine hohe Qualität auszeichnen. Vgl. Rautenberg 2003c, S. 386. 271 Araghi 2006a, S. 132. 272 „Das Buchphänomen, welches bereits hunderttausende Leser zum Lachen und Weinen gebracht hat.“ [Übersetzung d. Verf.]. 273 «Dieser wütende Monolog richtet sich an Frauen.“ [Übersetzung d. Verf.]. 71 Die insgesamt geringe Anzahl der Titel, welche der typisch französischen Buchgestaltung entsprechen, zeigt, dass sich die meisten der Übersetzungen zwar rein optisch von der Mehrheit der französischen Titel unterscheiden, die Zugehörigkeit zu Deutschland als Herkunftsland ist hieraus für den Leser allerdings nicht ersichtlich. Diese Assoziation erfolgt in nur sechs Fällen, was einen verschwindend geringen Anteil von 3,2 % am Gesamtkonvolut ausmacht. Deutschland als Herkunftsland scheint somit in der Vermarktungsstrategie der französischen Verlage keine entscheidende Rolle – und wenn überhaupt in Bezug auf die deutsche Geschichte – zu spielen. Dies sollte sich ändern, bedenkt man, dass das Cover laut einer Studie des Centre National du Livre auf Platz eins der genannten Kaufgründe von französischen Lesern steht, 274 noch vor der Empfehlung des Buches durch einen Freund oder einer Rezension und somit eine gute Werbefläche für die deutsche Gegenwartsliteratur und ihre Erfolge bieten würde. 2.6.2 Titelgebung Ein weiterer Aspekt, welcher Auskunft über die Herkunft des Buches und des Autors geben könnte, ist der Titel. Dieser hat eine wichtige kommunikative Aufgabe und schlägt eine Brücke zum potentiellen Leser, denn „neben dem Buchumschlag soll der Titel eines Buches, als komprimierter Kleintext, Interesse beim Käufer hervorrufen und ihn dazu verleiten, das Buch in die Hand zu nehmen und eingehender zu be275 trachten.“ Es stellt sich somit die Frage, inwieweit der Originaltitel der betreffenden Werke bei der Erstellung der französischen Übersetzung Berücksichtigung findet und ob bestimmte (deutsche) Reizwörter in den Titeln ausgemacht werden können, die von Verlagen bei Übersetzungen aus dem Deutschen als besonders zugkräftig 276 erachtet werden. Die 187 Titel wurden hierfür in verschiedene Gruppen eingeteilt. Zur Ersten zählen alle wörtlichen Übersetzungen, also alle vom französischen Verlag unverändert übernommenen deutschen Titel. Dieses Kriterium trifft auf 94 Werke zu. Bei fünf davon handelt es sich um die Übernahme eines deutschen Eigennamens und bei 86 um die wörtliche Übersetzung des deutschen Titels ins Französische. In drei Fällen wurde sogar die deutsche Variante des Titels unübersetzt übernommen (Amerika, Herr Lehmann und Barbar Rosa, statt Amérique, Monsieur Lehmann und Barbare Rosa), in einem Fall das Wortspiel des deutschen Titels auch im Französischen beibehalten (Der Erottomane beziehungsweise L’erottoman als Kombination aus Erotik, Ottomane und Osmane). Dem Originaltitel nahezu gleich oder ähnlich sind 56 der französischen Titel. Sie sind entweder leicht verändert oder der Unterschied liegt in der Unübersetzbarkeit mancher deutscher Worte und Wortspiele begründet. So ist beispielsweise der französische Titel Les Arpenteurs du monde mit Die Vermesser der Welt zu übersetzen, aus Ein springender Brunnen wurde Une source vive und der Titel Schwindel. Gefühle wurde auf Vertiges gekürzt. Nur sinngemäß zu übersetzen waren Titel wie Hampels Fluchten, Wäldchestag oder Selbs Mord. Bei all diesen Titeln ist aber zumindest die 274 Centre National du Livre 2007, S. 19 und vgl. Rochegonde [online] 2003. Grillo 1999, S. 126. 276 Vgl. ebd., S. 157f. 275 72 Grundaussage beibehalten worden. So zeigt auch die französische Titelgebung der Werke Nirgendwo in Afrika und Irgendwo in Deutschland eine ähnliche Einheitlichkeit auf, da in Une enfance africaine und Une jeunesse allemande ebenfalls der Fortsetzungscharakter und die Thematik der Werke deutlich wird. Entgegen der Meinung, „für Adressaten eines anderen Kulturkreises seien zusätzliche Köder und Informationen erwünscht oder notwendig, um ihnen die Einschätzung fremder Au277 toren und Texte zu erleichtern“ , wurde keinem der französischen Titel ein erklärender Untertitel hinzugefügt. Im Gegenteil hierzu wurden diese eher weggelassen. So ist zum Beispiel Katharina von Bülows Herrenhaus. Splitter einer fernen Kindheit nur mit Le manoir übersetzt worden. Nur 37 französische Ausgaben tragen hingegen einen komplett anderen Titel als das deutsche Original. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass eine wörtliche Übersetzung des deutschen Titels nicht möglich gewesen sein könnte, da dieser auf dem französischen Buchmarkt schon vergeben war. In dieser Gruppe ist festzuhalten, dass die französische Titelgebung häufig einen größeren Bezug zum Inhalt des Buches aufweist, genauso wie es bei der Covergestaltung der Fall ist. Häufig kommen zudem in der französischen Version Orts- oder Eigennamen vor, die im deutschen Titel nicht auftauchen. So zum Beispiel bei Ingrid Noll Die Rosenzüchterin und Les roses de Guernesey, Peter Prange Die Philosophin und Sophie la libertine oder Maxim Biller Die Tochter und 24 heures dans la vie de Mordechaї Wind. Englische Einsprengsel aus deutschen Titeln werden hingegen selten übernommen. So wurde zum Beispiel Glennkill mit Qui a tué Glenn?, German Angst mit Droit du sang oder Taiga Blues mit Dernières nouvelles du bourbier übersetzt. Dies entspricht den allgemeinen Bemühungen, die französische Sprache von Anglizismen und englischen Ein278 flüssen weitgehend frei zu halten. Untersucht man die Titelgebungen hinsichtlich deutscher Merkmale, so fällt auf, dass nur in acht Titeln deutsche (Schlag-)wörter vorkommen. Es handelt sich dabei entweder um Eigennamen (Un homme irréprochable. La première enquête criminelle de Stachelmann, Herr Lehmann), Städte- und Ländernamen (Terminus Berlin, Chute libre à Berlin oder Amerika) oder Nationalitätenbezeichnungen (33 moments de bonheur. Extraordinaires aventures des Allemands à Piter, Une jeunesse allemande). Doch nur in einem dieser acht Fälle hat der französische Verlag sich den Deutschlandbezug im Titel (Chute libre à Berlin) unabhängig vom Originaltitel (Eduards Heimkehr) gewählt, alle anderen sind entweder wortwörtlich übernommen oder an die deutsche Version angelehnt worden. Keinem einzigen der 187 französischen Ausgaben wurde ein Untertitel hinzugefügt, welcher den deutschen Inhalt oder die Herkunft des Werkes hervorheben würde, wie es zum Beispiel bei der amerikanischen Ausgabe von Uwe Timms Am Beispiel meines Bruders der Fall ist, welche mit A Life and Death in the SS untertitelt wurde. 277 278 Grillo 1999, S. 129. Vgl. hierzu das seit 1975 existierende und 1992 modernisierte Gesetz „Toubon“ zum Schutz der französischen Sprache. Es beinhaltet ein Verbot der Nutzung ausländischer Begriffe, vor allem von Anglizismen, wenn ein französisches Äquivalent existiert. Diese Regelung gilt besonders für die Arbeits- und Medienwelt und zeigt die Entschlossenheit des Staates, den „bon usage“ der französischen Sprache auch mit Gesetzen zu regeln und etwaige Verstöße strafrechtlich zu verfolgen. 73 Auch bei der Titelgebung bestätigt sich somit der Eindruck, dass es nicht zur Vermarktungsstrategie deutscher Literatur in Frankreich gehört, diese anhand äußerlicher Merkmale wie Cover- und Titelgestaltung kenntlich zu machen. Mit Ausnahme von 4,3 % des Gesamtkonvoluts, bei denen es sich hauptsächlich um Bücher mit Bezug zur deutschen Geschichte handelt, scheinen französische Verlage der Kennzeichnung des deutschen Ursprungs im Titel übersetzter Werke keine allzu große Anziehungskraft auf ihre Leser zuzuschreiben. Die Mehrzahl von 150 französischen Titeln wurde entweder wortwörtlich, sinngemäß oder mit einer ähnlichen Grundaussage übersetzt und unterscheidet sich somit nur marginal von den deutschen Vorlagen beziehungsweise der deutschen Vermarktungsstrategie. 2.6.3 Hinweis auf Übersetzung und Reihenzugehörigkeit Etwas gebräuchlicher ist es hingegen, dem Titel einen Hinweis auf die Quellsprache der Übersetzung hinzuzufügen und den dazugehörigen Übersetzer namentlich zu nennen. Dem Leser wird die Herkunft des Autors und Werkes ebenfalls gut ersichtlich, wenn das Buch zu einer Reihe gehört, welche ausdrücklich ausländische oder sogar ausschließlich deutsche Werke in sich vereint und deren Layout im optimalen Fall auch einheitlich gestaltet ist. Zehn der französischen Übersetzungen konnten aufgrund einer fehlenden Coverabbildung nicht näher untersucht werden. Die Untersuchung der restlichen 177 Ausgaben auf diesen dritten und vierten Marketingaspekt hin hat ergeben, dass 112 französische Werke (63,6 %) weder einen Hinweis auf die Ausgangssprache oder auf den Übersetzer, noch eine Reihenzugehörigkeit aufweisen. Dieser hohe Anteil an Übersetzungen, welche äußerlich nicht als solche identifiziert werden können, ist überraschend, bedenkt man, dass „seit der Neufassung des Normvertrages zwischen Übersetzern und Verlagen im Jahre 1992 […] die Nennung des Übersetzernamens 279 auf der Titelseite jedes übersetzten Buches vorgeschrieben [ist].“ Ähnlich der allgemein ungewissen rechtlichen Stellung der Übersetzer scheint diese Regelung allerdings für die Verlage nicht bindend zu sein. Die restlichen Titel teilen sich auf in 33, welche über eine Nennung der Quellsprache und des Übersetzers verfügen, 14 mit einer Nennung der Ausgangssprache, des Übersetzers und der Reihe, und 17 mit einer explizit genannten Reihenzugehörigkeit, jedoch ohne Angabe der Ursprungssprache und des Übersetzers. Ein Werk bildet eine Ausnahme, da auf seinem Cover zwar die Quellsprache in sehr großer Schrift und auch die Reihe angegeben werden, der Name des Übersetzers fehlt jedoch. In 47 Fällen wird also darauf hingewiesen, dass es sich um ein deutsches Werk handelt, welches ins Französische übertragen worden ist, in 46 Fällen mit der namentlichen Angabe des Übersetzers. Dies steht unter der Titelangabe, entweder in Kombination mit einer Gattungsbezeichnung: Roman/Récit/Nouvelle traduit de l’allemand par oder schlicht Traduit de l’allemand par. Der Name der Reihe ist meistens im linken oder rechten unteren Eck des Covers, häufig beim Verlagsnamen, zu finden. 279 Grillo 1999, S. 102. 74 Obwohl es auf nur 31 Covern vermerkt ist, gehört dennoch die Mehrzahl von 179 Werken einer Reihe an. Diese verteilen sich auf 56 verschiedene Reihen von 47 verschiedenen Verlagen. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um allgemeine Sammelplätze für ausländische Literatur unter Namen wie Littérature étrangère (Belfond, Fayard, Christian Bourgois, usw.), Romans étrangers (JC Lattès), Premiers romans étrangers (NiL) oder Les grandes traductions (Albin Michel). Etwas spezifischer sind die Reihen Europe et un (L’Esprit des Péninsules) oder Made in Europe (Quidam) und ausschließlich auf deutschsprachige Literatur begrenzt sind die drei Reihen Lettres allemandes (Actes Sud), Bibliothèque allemande (Métailié) und Der Doppelgänger280 (Verdier). Diesen drei Verlagen ist eine starke Ausrichtung auf deutsche Literatur und der Wunsch, diese in Frankreich bekannter zu machen, gemein. Während die zwölf Titel der Reihe bei Actes Sud unterschiedlich gestaltet sind und der Reihentitel auch nicht auf dem Buchumschlag genannt wird, weisen die zwölf Cover bei Métailié und die vier Cover bei Verdier sowohl eine einheitliche Gestaltung als auch den Reihennamen auf. Bei Métailié ist stets ein halbseitiges Foto oder Bild in schwarz-weiß oder Farbe auf weißem Hintergrund zu sehen, die Reihenbezeichnung steht hochkant am linken Bildrand entlang geschrieben (Abb. 25). Bei Verdier ist der Umschlag stets ganz in orange gehalten, das Verlagslogo und der Reihentitel stehen am unteren Ende der Buchseite (Abb. 26). Auch wenn der Reihentitel nicht explizit auf dem Cover zu sehen ist, wird die Reihenzugehörigkeit eines Titels häufig mithilfe eines einheitlichen und ausgefallenen 281 Layouts dargestellt. Hier ist vor allem die Reihe Métro von Jacqueline Chambon zu nennen. Als Département des Verlages Actes Sud ist Jacqueline Chambon auf ausländische, und hierbei besonders auf deutsche Literatur spezialisiert. Die übersetzten Werke fallen dem Leser anhand ihrer einheitlich grasgrün gehaltenen Covergestaltung und einer lila Schreibschrift ins Auge, welche sich deutlich von der klassischen französischen Buchgestaltung abhebt (Abb. 27). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mehrheit der Übersetzungen nicht als solche gekennzeichnet werden, da sowohl die Nennung der Quellsprache wie auch des Übersetzers fehlt. Bei nur 26,6 % ist eine solche Nennung gegeben, während bei 17,5 % der Reihentitel auf dem Cover vermerkt ist. Aus diesem wird jedoch häufig nur ersichtlich, dass es sich um ein Werk ausländischer Herkunft handelt, nicht aber, um welches Land genau. Dies ist nur bei drei Verlagsreihen gegeben, welche sich ausdrücklich auf deutschsprachige Literatur beziehen. Diese drei Verlage verfolgen somit das Ziel, explizit auf die deutsche Herkunft des Werkes aufmerksam zu ma280 Der Verlag wählte diesen Namen aufgrund seiner Mehrdeutigkeit: Zum einen ist die Übersetzung als Doppelgänger des Originalwerkes gemeint, zum anderen soll auf das in der deutschen Literatur beliebte Thema des Doppelgängers angespielt werden. Außerdem verkörpert der Begriff die Idee eines vielfältigen Deutschlands. Vgl. o.V.: Der Doppelgänger. Auf: Website des Verlages Verdier. URL: http://www.editions-verdier.fr/v3/collection-littetrang-all.html [30.06.3008]. 281 Die Namenswahl basiert auf der Assoziation des französischen U-Bahn-Systems mit der Vorstellung, dass die Bücher der Reihe überall und von jedem gelesen werden können. Zudem steht der Begriff für eine Welt, die in Bewegung ist, ebenso wie es die Autoren der verlegten Werke sind. Vgl. o.V.: Verlagsportrait Éditions Jacqueline Chambon. Auf: Website des Verlages Actes Sud. URL: http://www.actes-sud.fr/ne/chambon.php [27.06.2008]. 75 chen, sehen diese als zugkräftiges Verkaufsargument an und wollen damit aktiv zu ihrer Verbreitung in Frankreich beitragen. Die restlichen 44 Verlage hingegen belassen es bei einer Reihenzuordnung von ausländischer Literatur im Allgemeinen oder legen keinen Wert auf die explizite Kennzeichnung der Herkunft ihrer übersetzten Werke. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als das die Buchbranche im Bereich Belletristik insgesamt als eher marketingscheu oder sogar marketingabweisend eingeschätzt wird: Pour [la littérature générale], je pense que le marketing n’existe pas. L’édition est un métier de joueur. On publie des livres parce qu’on les aime, en espérant qu’ils vont marcher. On fait des projections, on interroge les libraires pour ajuster les tirages, c’est 282 tout. Dies ergibt sich aus den oppositionellen Zielen von künstlerischer Kreativität der 283 Literatur und wirtschaftlicher Rentabilität des Marketings sowie aus dem Unterschied zwischen der Vorstellung des genialen ‚homme des lettres‘ und des kühl kalku284 lierenden Marktforschers. 2.7 Erfolg Als wesentliche Bestandteile des Literaturbetriebes, an welchen der Erfolg eines Titels gemessen werden kann, werden im Folgenden Literaturpreise und Bestsellerlisten herangezogen. Die Betrachtung dieser beiden Aspekte bezieht sich sowohl auf den deutschen als auch den französischen Buchmarkt und ist als exemplarische Untersuchung anzusehen. Weitere Erfolgsmerkmale wie eine hohe Auflagenzahl, verschiedene Ausgabenformen oder häufige Rezensionen können innerhalb dieser Arbeit leider nicht berücksichtigt werden. Im Vordergrund steht die Frage, ob und inwieweit sich die Verleihung von Literaturpreisen und die Platzierung in Bestsellerlisten auf die Verbreitung von Literatur deutscher Herkunft in Frankreich auswirken. 2.7.1 Deutsche Preisträger in französischer Übersetzung Ein Blick auf die Preisträger einiger wichtiger deutscher Literaturauszeichnungen soll zeigen, ob diese in Frankreich wahrgenommen werden und inwieweit der in Deutschland erzielte Erfolg die Chancen auf eine Übersetzung ins Französische erhöht. Hierfür wurden die Preisträger des renommierten Georg-Büchner-Preises, des Deutschen Bücherpreises und seiner beiden Nachfolger – des Deutschen Buchpreises und des Preises der Leipziger Buchmesse – sowie des aspekte Literaturpreises für Debütromane und des Adelbert von Chamisso Preises für Autoren mit Migrationshintergrund mit den Autoren im Titelkorpus verglichen. 282 Assouline [online] 2006. „Ich denke, dass Marketing für die Belletristik nicht existiert. Das Verlagswesen ist ein Gewerbe von Spielern. Man publiziert Bücher, weil man sie mag, in der Hoffnung, dass sie sich verkaufen werden. Man stellt Prognosen, man befragt Buchhändler, um die Auflagenhöhe anzupassen. Das ist alles.“ [Übersetzung d. Verf.]. 283 Vgl. Ferrand 2006, S. 5. 284 Vgl. Hugueny 2006, S. 58. 76 Im Titelkorpus lassen sich zwei Preisträger des seit 1923 verliehenen Georg285 Büchner-Preises finden. Wolfgang Hilbig wurde genau zwei Jahre nach seiner Ehrung 2002 ins Französische übersetzt und Wilhelm Genazino war zwar bereits vor der Auszeichnung auf Französisch erhältlich, sie steigerte aber seine große Bedeutung auf dem internationalen Markt. Dagegen hat kein Sieger der letzten vier Jahre, darunter Brigitte Kronauer, Oskar Pastior oder Martin Mosebach, eine Übertragung ins Französische erfahren, auch nicht über den für diese Arbeit abgegrenzten Untersuchungszeitraum hinaus. Der in Deutschland bedeutendste und in Frankreich als ‚Prix Büchner‘ eigentlich sehr bekannte Literaturpreis stellt aufgrund dieser geringen Rate an übersetzten Preisträgern keinerlei Garantie für die Beachtung durch französische Verlage dar. Der Deutsche Bücherpreis wurde zwar nur über den kurzen Zeitraum von 2002 bis 2004 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehen, fällt damit jedoch genau in den Untersuchungszeitraum. Juli Zeh wurde 2002 in der Sparte ‚Erfolgreiches Debüt‘ für Adler und Engel geehrt, welches zwei Jahre später auch auf dem französischen Buchmarkt erschien. Bereits ein Jahr nach der Auszeichnung wurde Zsuzsa Bánks Debütroman Der Schwimmer 2003 ins Französische übertragen. Yadé Karas gekürtes Debüt Selam Berlin erfuhr hingegen keine Übertragung. In der Kategorie ‚Deutsche Belletristik‘ wurde die Siegerin von 2002, Ulla Hahn, noch nie ins Französische übersetzt, während das 2003 prämierte Werk Das blaue Kleid von Doris Dörrie drei Jahre nach der Ehrung auf Französisch erhältlich war. Die seitdem gekürten Autoren finden sich nicht im Titelkorpus wieder. Trotz seiner kurzen Dauer hatte der Deutsche Bücherpreis demnach teilweise Einfluss auf den internationalen Erfolg seiner Preisträger. Dies trifft in noch höherem Maße auf seine zwei Nachfolger, den Deutschen 286 287 Buchpreis und den Preis der Leipziger Buchmesse , zu. Beide wurden erstmals 2005 vergeben und trotz ihrer erst kurzen Laufzeit ist bereits eine relativ hohe Übersetzungsquote der ausgezeichneten Titel zu erkennen. Der erste Träger des Deutschen Buchpreises, Arno Geiger (Es geht uns gut), wurde bereits im April 2008 von Gallimard übersetzt. Flammarion ist derzeit mit der Planung einer Herausgabe des prämierten Werkes Die Mittagsfrau von Julia Franck beschäftigt, während Bourgois die Übersetzung von Katharina Hackers Die Habenichtse voraussichtlich im Sep288 tember 2008 publizieren wird. Ein Blick auf die Longlists von 2005 und 2006 zeigt, dass auch die Werke einiger Nominierter und späterer Finalisten bereits auf Französisch erhältlich sind, so beispielsweise Hans-Ulrich Treichels Menschenflug, Wilhelm Genazinos Die Liebesblödigkeit, Gila Lustigers So sind wir oder Daniel Kehlmanns Die Vermessung der Welt. Es scheinen somit nicht nur die endgültigen 285 Vgl. o.V.: Preisträger des Georg-Büchner-Preises. Auf: Website der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. URL: http://www.deutscheakademie.de/preise_buechner.html [12.08.2008]. 286 Vgl. o.V.: Preisträger des Deutschen Buchpreises. Auf: Website des Büros Deutscher Buchpreis. URL: http://www.deutscher-buchpreis.de/de/177061[12.08.2008]. 287 Vgl. o.V.: Preisträger des Preises der Leipziger Buchmesse. Auf: Website der Leipziger Messe GmbH. URL: http://www.preis-der-leipziger-buchmesse.de/index.shtml [1308.2008]. 288 Vgl. o.V.: Geplante Übersetzungen. Auf: Website des Goethe-Institutes. URL: http://www.goethe.de/INS/fr/lp/kue/lit/gpu/deindex.htm [22.08.2008]. 77 Sieger von dem Preis zu profitieren, sondern auch die Nominierten. Dem Deutschen Buchpreis wird deshalb bereits drei Jahre nach seiner Entstehung „eine gewisse 289 Strahlkraft“ bescheinigt. Betrachtet man den Preis der Leipziger Buchmesse genauer, so zeigt sich, dass die erste Gewinnerin, Terézia Mora, bis heute nicht ins Französische übersetzt wurde. Trotz der im selben Jahr gestellten Erfolgsprognose, von achtzehn ausländischen Ver290 lagen gekauft worden zu sein , taucht ihr Werk Alle Tage weder im Korpus noch auf den Listen künftig geplanter Übersetzungen auf. Das Gleiche gilt für ihr Debütwerk Seltsame Materie aus dem Jahr 1999. Die Übersetzung von Der Weltensammler des 2006 gekürten Iljia Trojanows erschien hingegen im August 2008 und der Erzählband Handy des Preisträgers Ingo Schulze von 2007 wird höchstwahrscheinlich noch übersetzt, betrachtet man die bisher hohe Übersetzungsquote dieses bedeutenden deutschen Autors. Ob Clemens Meyer, der Gewinner des Jahres 2008, auf Französisch erscheinen wird, ist noch nicht bekannt. Der bisherige Einfluss der beiden neu erdachten Buchpreise auf die Übersetzungswahrscheinlichkeit eines Preisträgers ist trotz der noch sehr kurzen Dauer bemerkenswert. Von Seiten der Literaturkritik wird ihnen zugesprochen, dass es „im Literaturbetrieb schon lange keine Innovation mehr gegeben haben [dürfte], die so 291 erfolgreich war.“ Ob sich der unter anderem auf diese beiden neuen Buchpreise 292 zurückzuführende „erfreuliche Boom der deutschen Literatur“ auch weiter auf ihren Erfolg im Ausland auswirken wird, ist abzuwarten. Es ist jedoch ein von den Stiftern angestrebtes Ziel, „über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für 293 deutschsprachige Autoren, das Lesen und das Leitmedium Buch“ und somit die Übertragung deutschsprachiger Literatur in andere Sprachen zu fördern. Vor allem im Falle des Deutschen Buchpreises erfüllt sich dies bereits drei Jahre nach seiner ersten Verleihung und der allgemeinen Einschätzung nach weckt er das Interesse im Ausland: „Le Prix du livre allemand éveille en outre un plus fort intérêt pour la litté294 rature allemande, ici comme à l’étranger.“ Die Robert Bosch Stiftung zeichnet seit 1985 deutsch schreibende Autoren nicht 295 deutscher Muttersprache mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis aus. Fünf der 14 im Titelkorpus vertretenen Autoren mit Migrationshintergrund haben den Chamisso-Preis bereits erhalten, darunter finden sich zum Beispiel Feridun Zaimoğlu, Zsuzsa Bánk, Marica Bodrožić oder Yōko Tawada. Die beiden Gewinner Ilija Trojanow und Saša Stanišić wurden erstmals im Jahr 2008 übersetzt. Auch manche Träger des För289 Cronau 2007, S. 23. Vgl. Weidermann [online] 2005. 291 Jana Hensel, zitiert nach Hage [online] 2003. 292 Hage [online] 2003. 293 O.V.: Der deutsche Buchpreis. Preisträger. Auf: Website des Deutschen Buchpreises. URL: http://deutscher-buchpreis.de/de/176864 [15.07.2008]. 294 O.V.: Allemagne. Faits et réalités. Auf: Website von Tatsachen über Deutschland. URL: http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de/fr/la-culture-et-les-medias/main-content-09/lalitterature.html [15.05.2008]. „Der Deutsche Buchpreis weckt unter anderem ein stärkeres Interesse an der deutschen Literatur, hier ebenso wie im Ausland.“ [Übersetzung d. Verf.]. 295 Vgl. o.V.: Preisträger des Adelbert-von-Chamisso-Preises. Auf: Website der Robert Bosch Stiftung. URL: http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/14196.asp [13.08.2008]. 290 78 derpreises der Stiftung haben eine Übertragung ins Französische erfahren, darunter Zafer Şenocak. Alle anderen seit 1985 mit dem Chamissopreis gekürten Autoren wurden trotz ihrer Auszeichnung nicht übersetzt, zum Beispiel Yadé Kara oder Terézia Mora. Die geringe Anzahl von rund einem Fünftel aller Preisträger, deren Lizenzen nach Frankreich verkauft werden konnten, zeigt, dass die internationale Bedeutung des Adelbert-von-Chamisso-Preises eher gering einzuschätzen ist. Dennoch dokumentiert der Preis, „dass Literatur und Sprache der Verständigung zwischen den 296 Kulturen dient – in Deutschland, in Europa und darüber hinaus“ . Eine andauernde Erfolgsgeschichte kann hingegen der vom ZDF-Kulturmagazin aspekte297 im Jahr 1979 erstmals verliehene Literaturpreis für das beste deutschsprachige Prosadebüt aufweisen. Von 1995 bis 2003 wurden all seine Preisträger durchgehend ins Französische übersetzt. Sie sind, angefangen bei Ingo Schulze bis hin zu Zsuzsa Bánk, ausnahmslos im Titelkorpus zu finden. Zuvor wurden vereinzelt Autoren gekürt, welche ebenfalls im Konvolut vertreten sind, so etwa Hanns-Josef Ortheil, Irina Liebmann oder Barbara Honigmann. Warum die Wahrscheinlichkeit, als Träger dieses Preises auch in den Genuss einer Übersetzung ins Französische zu kommen, seit 2003/2004 abgenommen hat, lässt sich nicht feststellen. Auch wenn ein Preis in Deutschland keine Garantie für den Erfolg in Frankreich darstellt, so ist seine Wirkung auf die Entscheidung französischer Verlage, die Lizenz eines deutschen Werkes zu erwerben, dennoch nicht zu unterschätzen. Besonders der Einfluss des erst drei Jahre alten Deutschen Buchpreises ist nennenswert. Aktuelle Beispiele wie Arno Geigers Erfolgswerk Es geht uns gut zeigen dies, denn „ausländische Verlage hatten den Autor schon länger beobachtet, und der Preis war das Signal, 298 zu kaufen.“ 2.7.2 Deutsche Titel als Träger französischer Preise Weiter stellt sich die Frage, ob deutsche Titel auch in Frankreich ausgezeichnet werden. Westlich des Rheins spielen Literaturauszeichnungen eine sehr wichtige Rolle im Literaturbetrieb und ihre Vielfalt von circa 1500 verschiedenen Preisen macht 299 eine weitere Besonderheit des französischen Buchmarktes aus. Der mit Abstand renommierteste unter ihnen ist der Prix Goncourt, welcher von der gleichnamigen, 1900 gegründeten Académie Goncourt verliehen wird und mit symbolischen 10 Euro dotiert ist. Hierin besteht ein entscheidender Unterschied zu der Verleihung von Literaturpreisen in Deutschland. Während diese mit hohen Preisgeldern verbunden sind, besteht der Wert der französischen Pendants in ihrem enormen Prestige und den garantiert höheren Umsatzzahlen eines prämierten Werkes. Weitere bedeutende Preise sind der Prix Renaudot, der Prix Femina, der Prix Médicis und der Grand Prix du Roman de l’Académie Française. Der alljährliche Trubel um die Verleihung dieser 296 O.V.: Preisträger des Adelbert-von-Chamisso-Preises. Auf: Website der Robert Bosch Stiftung. URL: http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/14196.asp [13.08.2008]. 297 Vgl. Preisträger des aspekte Literaturpreises. Auf: Website des Fernsehsenders ZDF. URL: http://aspekte.zdf.de/ZDFde/inhalt/9/0,1872,3973449,00.html?dr=1 298 Weidermann [online] 2005. 299 Vgl. Labes 2008. 79 wichtigsten französischen Buchpreise bestimmt einmal im Jahr die Branchenkommunikation, lockt die Leser in die Buchhandlungen und spaltet das Land in Befür300 worter und Gegner des Spektakels. Besonders in den 1970er bis 1990er Jahren wurde kritisiert, dass immer die drei gleichen Verlage die begehrten Preise erhalten, 301 welche deshalb als „Triumvirat Galligrasseuil“ bezeichnet wurden. Heute gehören auch mittelgroße Verlage wie Albin Michel und Actes Sud zu den Preisträgern, wie zum Beispiel des Prix Goncourt. Dies ist die Folge einer lange geforderten Reformie302 rung des Preissystems. Gleicht man jedoch die Preisträger der letzten acht Jahre mit den Autoren des Titelkorpus ab, so zeigt sich, dass keiner unter ihnen mit einem der genannten Preise ausgezeichnet wurde. Es gibt aber auch französische Auszeichnungen, welche ausschließlich an ausländische Autoren vergeben werden, darunter der Prix Femina Étranger und der Prix Médicis étranger. Des Weiteren wird der Prix du Meilleur livre étranger und der bestdotierte Preis für übersetzte Literatur, der Prix Laure Bataillon, an Autoren aus aller Welt verliehen. Ein Blick auf die Preisträger dieser Auszeichnungen zeigt, dass deutsche Autoren auch hier nur sehr selten oder überhaupt nicht in den Genuss einer französischen Auszeichnung kommen. Weder der Prix Femina Étranger noch der Prix du Meilleur livre étranger wurde seit der jeweiligen Erstverleihung 1985 bezie303 hungsweise 1950 an einen deutschen Autor vergeben. Der Prix Médicis étranger ging seit seiner Gründung im Jahr 1970 zumindest zweimal an die Verfasser deutscher Werke – 1994 an Robert Schneider für Schlafes Bruder und 1996 an Michael Krüger für Himmelfarb. Für den aktuellen Zeitraum des Titelkonvoluts von 2000 bis 2007 kann jedoch keiner der Autoren unter den Preisträgern gefunden werden. Den Prix Laure Bataillon erhielten insgesamt drei deutsche Autoren, sie liegen aber ebenfalls außerhalb des Untersuchungszeitraumes. Es handelt sich dabei um Hartmut Lange für Das Konzert im Jahr 1989, Bernhard Schlink für Der Vorleser 1997 und W.G. Sebald für Die Ausgewanderten 1999. Mit dem Wissen, dass in Frankreich die Verleihung eines Literaturpreises mithilfe von Branchendiskussionen, Rezensionen und Buchbinden auf dem Cover ausgiebig kommuniziert wird und maßgeblich über den Verkaufserfolg eines Buches entscheidet, ist es folglich von Nachteil, dass die Werke deutscher Autoren kaum oder überhaupt nicht von Jurymitgliedern wahrgenommen und ausgezeichnet werden. Zudem trägt dies zur Unwirtschaftlichkeit deutscher Übersetzungswerke bei, da sie nicht von 304 der verkaufsfördernden Wirkung eines „sacré label“ , also eines fast heiligen Gütesiegels, als welches ein Literaturpreis in Frankreich angesehen wird, profitieren können. Auffallend ist, dass sich die geringe Anzahl deutscher Preisträger auf die 1990er Jahre beschränkt und seitdem kein deutsches Werk mehr ausgezeichnet wurde. 300 Vgl. Aïssaoui / De Montety [online] 2007. Grillo 1999, S. 149. Gemeint sind die Verlage Gallimard, Grasset und Le Seuil. 303 Aïssaoui / De Montety [online] 2007. 303 Die prämierten Autoren sind häufig englischer, amerikanischer und spanischer Herkunft. Doch auch türkische, ungarische, kolumbianische, tschechische oder indische Autoren sind unter den Preisträgern vertreten. 304 Andreucci 2006, S. 72. 301 80 2.7.3 Deutsche Bestseller in französischer Übersetzung Um herauszufinden, ob sich ein in Deutschland erzielter Erfolg auch auf die Übersetzungswahrscheinlichkeit des Werkes auswirkt, wurden desweiteren die Top 10 der deutschen Jahresbestsellerlisten 2000 bis 2007 im Bereich Hardcover Belletristik, herausgegeben vom Branchenblatt buchreport, näher betrachtet. In den ersten fünf Jahreslisten fällt auf, dass sich jeweils nur ein deutscher Autor unter den zehn Erstplatzierten befindet. Im Jahr 2000 handelt es sich um Bernhard Schlink mit Liebesfluchten auf Platz fünf, 2001 um Charlotte Link mit Die Rosenzüchterin auf Platz neun und 2002 um Günter Grass mit Im Krebsgang auf Platz eins. 2003 schaffte es Ildikó von Kürthy mit Freizeichen auf Platz zehn und 2004 Frank Schätzing mit Der Schwarm auf Platz zwei. Bis auf das von Ildikó von 305 Kürthy sind all diese Werke im Korpus zu finden. Im Falle Günter Grass’ erfolgte die Übersetzung sogar noch im selben Jahr, bei Bernhard Schlink ein Jahr, bei Charlotte Link drei und bei Frank Schätzing vier Jahre nach der Erscheinung der deutschen Erstausgabe und der Platzierung in den Jahresbestsellerlisten. Diese wurden ansonsten von ausländischen Bestseller-Autoren wie Joanne K. Rowling, Henning Mankell, John Grisham, Donna Leon oder Paulo Coelho dominiert. Ein Wandel der Verhältnisse kann ab dem Jahrgang 2005 festgestellt werden. Zunächst sind zwei deutsche Autoren vertreten: noch einmal Frank Schätzing auf Platz sechs sowie erstmals Daniel Kehlmann mit Die Vermessung der Welt auf Platz sieben. Unter den zehn Erstplatzierten des Jahres 2006 befinden sich bereits vier deutsche Werke, nämlich Die Vermessung der Welt – mittlerweile auf Platz eins geklettert – gefolgt von Tommy Jauds Resturlaub und Leonie Swanns Glennkill auf den Rängen zwei und drei sowie Ildikó von Kürthys Höhenrausch auf Platz zehn. Ein Blick auf die letzte Liste des Jahres 2007 beweist: „Die deutschsprachige Gegenwartsliteratur feiert Hochkonjunktur; viel versprechende erste Werke stehen regelmäßig auf der Tagesordnung von Verlagskonferenzen und endlich auch wieder in den Best306 sellerlisten.“ Insgesamt sieben Werke deutscher Autoren dominieren nun die Top 10 der Jahresliste. Der erfolgreichste unter ihnen ist Daniel Kehlmann, welcher auch 2007, diesmal auf Platz sieben, unter den Bestsellern zu finden ist. Die KrimiNewcomerin Andrea Maria Schenkel ist mit Tannöd (Platz drei) und Kalteis (Platz zehn) gleich zweimal vertreten, Tommy Jaud mit Millionär (Platz fünf) und Julia 307 Franck mit Die Mittagsfrau (Platz sechs). Der Trend geht jedoch nicht nur zu mehr deutschsprachiger Literatur in den Jahresbestsellerlisten – auch die Übertragung ins Französische geht derzeit schneller vonstatten. Während Kehlmann zwei Jahre nach seinem Erfolg in Deutschland auch in Frankreich erhältlich war, handelt es sich bei Leonnie Swann, Andrea Maria Schenkel und Julia Franck um nur mehr ein Jahr Zeitunterschied zwischen deutscher und französischer Erstausgabe. 305 Ildikó von Kürthy ist dennoch mit drei anderen Werken im Korpus vertreten. O.V.: Veranstaltungsreihen im LCB. Auf: Website des Literarischen Colloquiums Berlin. URL: http://www.lcb.de/ueberuns/reihen/ [19.06.2008]. 307 Zwei der Werke stammen von Cornelia Funke. Als Autorin von Kinder- und Jugendliteratur fällt sie jedoch aus der Betrachtung heraus. 306 81 Bis auf die Werke von Kürthy und Jaud sind somit alle in Deutschland erfolgreichen Titel auch im Korpus vertreten oder, wie im Falle mancher Werke der letzten beiden Jahrgänge, ihre Übersetzung ist bereits für 2008 geplant. Somit ist eine direkte Verbindung zwischen dem Erfolg in der deutschen Jahresbestsellerliste hin zu einem Verkauf der Übersetzungslizenz nach Frankreich zu erkennen. Die positive Entwicklung im eigenen Land hat folglich auch Auswirkungen auf den internationalen Erfolg. 2.7.4 Deutsche Titel als französische Bestseller Auf französischer Seite wurden die Top 100 der Jahresbestsellerlisten 2000 bis 2007 im Bereich Romane, herausgegeben vom französischen Branchenblatt Livres Hebdo308, näher betrachtet, um den Erfolg deutscher Übersetzungen auf dem französischen Buchmarkt zu messen. Hierbei ist von Interesse, inwieweit die Übersetzungen an den Erfolg ihrer Originaltitel anknüpfen können oder ob es sogar ein Werk gibt, welches in Frankreich erfolgreicher ist als es zuvor in Deutschland war. Die Auswertung hat ergeben, dass zwischen 2000 und 2006 kein übersetztes Werk zum Bestseller in Frankreich geworden ist, da kein deutscher Autor in den ersten 309 sieben Jahresbestsellerlisten zu finden ist. Die französischen Listen werden, neben einigen englischen und amerikanischen Bestsellerautoren, deutlich von einheimischen Autoren dominiert. Während sich die Dominanz deutscher Autoren in der deutschen Jahresliste erst in den letzten drei Jahren entwickelt hat, ist dies in Frankreich somit keine Ausnahme, sondern die Regel. Erst im Jahr 2007 ist ein deutscher Autor unter den französischen Bestsellern: Daniel Kehlmann liegt mit Die Vermessung der Welt mit 28.500 verkauften Exemplaren auf Rang 86 der französischen Jahresbestsellerliste. Damit übertrifft er den sonst erfolgreichen Günter Grass, von welchem weder das 2002 auf Französisch erhältliche Werk Im Krebsgang, noch das 2007 in Frankreich herausgegebene Beim Häuten der Zwiebel zum Verkaufserfolg wurde. Die Übersetzungen können somit, bis auf eine Ausnahme, nicht an den Erfolg ihrer Originaltitel anknüpfen und es gibt kein Werk, welches in Frankreich erfolgreicher ist, als es zuvor in Deutschland war. Dies könnte am sehr hohen Anteil nationaler Schriftsteller in den französischen Jahresbestsellerlisten und an der Dominanz anglo-amerikanischer Autoren im internationalen Lizenzgeschäft liegen. Dennoch hat die Ausnahme, welche Daniel Kehlmann darstellt, eine große Bedeutung für das deutsch-französische Lizenzgeschäft. 308 Die Bestsellerlisten von Livres Hebdo werden mithilfe des Forschungsinstitutes Ipsos nach reellen Verkaufszahlen errechnet, welche in allen Formen des Bucheinzelhandels, also in Buchhandlungen ebenso wie in Multimedia- oder Hypermärkten, automatisch an der Kasse registriert werden. Hierbei reicht die Spanne der Top 100 von mehr als 20.000 bis hin zu über 300.000 verkauften Exemplaren. Der Export in frankophone Länder wird dabei nicht in die Berechnung miteinbezogen. 309 Es ist auch kein deutschsprachiger Autor in den Listen zu finden. 82 2.7.5 Allgemeiner Erfolg des Lizenzhandels Nach dem im Jahr 2001 erzielten Erfolg deutschsprachiger Literatur in Frankreich hofften viele Verleger auf eine möglichst lang anhaltende Wirkungsdauer des Aufschwungs. Diese optimistische Sicht wurde von den französischen Kollegen jedoch skeptisch aufgenommen, welche trotz der als anders und unbeschwert empfundenen Literatur ihrer Nachbarn keine höheren Umsätze mit jungen deutschen Autoren er310 warteten und weiter auf einen „neuen Süskind“ hofften: Zum Glück gibt es immer wieder mal eine Lokomotive. Vor einigen Jahren war das Patrick Süskind. Er hat die französischen Leser durch sein Thema und seinen flotten 311 Stil total überrascht. So jemand bräuchten wir auch jetzt wieder. Und auch Bernhard Schlinks Welterfolg Der Vorleser wurde als Maßstab an die neuen Werke aus Deutschland angesetzt. Seit 2007, elf Jahre nach Süskinds Parfüm und genau zehn Jahre nach Schlinks Vorleser, ist nun mit der Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann erneut ein deutsches Werk auf Französisch erhältlich, welches viele internationalen Rekorde 312 bricht. Mittlerweile in mehr als 15 Länder verkauft und in 40 Sprachen übersetzt, gehört es bereits zu einem der erfolgreichsten deutschen Romane der Nachkriegs313 zeit und reiht sich in die Liste der Werke ein, welche in Frankreich Erfolg haben. Hierbei fällt auf, dass dies in den letzten 30 Jahren immer im Zehn-Jahres-Turnus gelang. Doch auch andere Autoren wie Leonie Swann, Elke Schmitter oder Robert Löhr, alle im Titelkorpus vertreten, können internationale Erfolge verbuchen. Glennkill wurde in 15 Länder verkauft, Frau Sartoris ist mit 24 Lizenzen eines der meistübersetzten deutschen Bücher der letzten Jahre und die Rechte für den Schachautomat 314 gingen mittlerweile 22 mal ins Ausland. All diese Erfolge lassen Zeitungen wie den Spiegel oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine sehr positive Bilanz über den deutschen Lizenzverkauf ziehen: An wohl keinem Ort der deutschen Bücherbranche herrscht […] so gute Laune wie in den Verlagsabteilungen für Auslandslizenzen. Die Verleger, Agenten, Scouts, Autoren, Lizenzabteilungsleiter sind sich einig: Die Erfolge von heute wären vor zehn Jahren 315 noch nicht denkbar gewesen. Dieses allgemeine Fazit bezieht auch das Lizenzgeschäft zwischen Deutschland und Frankreich mit ein, auf welches es in gleichem Maße zutrifft. So lässt sich abschließend festhalten, dass derzeit „beinahe jedes renommierte deutsche Verlagshaus […] beeindruckende Erfolgsgeschichten zu erzählen [hat]. Mit deutschen Autoren, so 316 scheint es, geht es im Ausland bergauf.“ 310 Glaubitz [online] 2001. Jacqueline Chambon, zitiert nach Glaubitz [online] 2001. 312 Vgl. Araghi 2006a, S. 130. 313 Vgl. Weidermann [online] 2005. 314 Vgl. ebd. und vgl. Araghi 2006a, S. 130. 315 Weidermann [online] 2005. 316 Araghi 2006a, S. 130. 311 83 IV Resümee Zum Abschluss dieser Arbeit soll ein Resümee gezogen werden, welche Gründe für die vor 2001 geringe Zahl an Übersetzungen aus dem Deutschen ins Französische verantwortlich waren und welche für den derzeitigen Aufwärtstrend im Lizenzhandel zwischen Deutschland und Frankreich gesorgt haben. Abschließend werden Vorschläge genannt, welche auch künftig für einen hohen Anteil deutscher Gegenwartsliteratur in Lizenzausgaben auf dem französischen Buchmarkt sorgen könnten. 1 Gründe für die geringe Zahl an Übersetzungen vor 2001 Zunächst ist festzuhalten, dass zwischen dem Messeauftritt in Paris 2001 und der letzten Ernennung Deutschlands zum Ehrengast des ‚Salon du Livre‘ im Jahr 1989 zwölf Jahre liegen. Dieser relativ große Zeitabstand zeigt, wie lange der Literaturaustausch zwischen den beiden Ländern nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stand und stellt einen Grund dar, wie es zu der Klage über die unzureichende Beachtung der deutschen Buchproduktion kommen konnte. Des Weiteren ist der französische Buchmarkt traditionellerweise stark national ausgerichtet, was mit dem großen Kulturstolz der Franzosen, der vorherrschenden Vorstellung des Buches als ‚exception culturelle‘ und des Schriftstellers als ‚homme des lettres‘ zusammenhängt. Obwohl das Buch in Frankreich an erster Stelle aller kulturellen Güter steht, ist der Einfluss ausländischer Literatur im Allgemeinen sehr beschränkt, da die Konzentration auf der eigenen Nationalliteratur liegt. Dies spiegelt sich in den Statistiken zur Buchproduktion und zum Lizenzver- und -einkauf wieder: 53.500 der 67.000 jährlichen Neuerscheinungen und Neuauflagen stammen aus eigener Produktion, während das Verhältnis zwischen verkauften und eingekauften Lizenzen bei 6:1 liegt. Das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland liegt im Bereich der Belletristik bei 320 verkauften zu 65 erworbenen Titeln. Auch der große Einfluss des französischen Staates auf die Kulturpolitik und somit auf das literarische Leben westlich des Rheins zeigt das vorrangige Interesse, die eigene Literatur in die Welt zu tragen. Zahlreiche Förderprogramme haben zum Ziel, französische Autoren im Ausland bekannt zu machen, während die Aufnahme ausländischer Autoren in geringerem Maße unterstützt wird. Der trotz der gesetzlich verankerten Preisbindung bereits weit fortgeschrittene Konzentrationsprozess in allen Sparten der Buchbranche verschärft diese Situation. Er zwingt zu mehr Wirtschaftlichkeit aller Teilnehmer und erschwert somit die Gewährleistung einer editorischen und buchhändlerischen Vielfalt. Dies bedeutet, dass Nischenliteratur, wie es deutsche Gegenwartsliteratur in Übersetzung ist, einen schweren Stand hat und teuere, zeitaufwendige Übersetzungsprojekte mit meist sehr 317 niedrigen Auflagenhöhen für viele Verlage wirtschaftlich untragbar sind. Zudem stehen ihre niedrigen Verkaufszahlen im Gegensatz zur immer stärker werdenden Be317 „Es bleibt aber dennoch festzuhalten, dass […] die durchschnittliche Auflage deutschsprachiger Bücher, die ins Französische übersetzt wurden, bescheiden ist.“ Lance 2000, S. 86. 84 deutung von Bestsellern, welche besonders durch die Konzentration im verbreitenden Buchhandel mit den für Frankreich typischen Multimediakaufhäusern und Hypermärkten verursacht wird. Auf einem Markt, welcher von Überproduktion, niedrigen Durchschnittsauflagen, kurzen Produktlebenszyklen und einer Bestsellerisation geprägt ist, sinkt der Einfluss ausländischer Literatur aufgrund ihrer geringen Rentabilität immer mehr. So traf die Einschätzung aus dem Jahr 2001 von Dominique Autrand, der Verantwortlichen für deutsche Übersetzungen bei Albin Michel, auf viele Verlage zu: Wir haben die beiden Autoren Judith Hermann und John von Düffel im Programm. Beide sind hervorragende Schriftsteller, ich fürchte jedoch, dass wir ihre Romane ebenso wenig verkaufen werden wie die von Thomas Brussig, obwohl es sich um wirklich 318 anspruchsvolle Literatur handelt. Zudem ist die Dominanz anglo-amerikanischer Literatur im internationalen Lizenzgeschäft zu nennen. Mehr als zwei Drittel der von Frankreich getätigten Akquisitionen kommen aus Amerika und England – „als Vorhut einer globalisierten Buchwelt ist […] ein weiträumiger englischsprachiger Markt entstanden, der selbst pro319 duziert, was er nachfragt.“ Die deutsche Gegenwartsliteratur sieht sich somit einer übermächtigen Konkurrenz ausgesetzt. Ihr Image als kopflastige, humorlose und schwer lesbare Literatur hilft darüber hinaus nicht, sich positiv von den marktbeherrschenden Titeln abzusetzen. 2001 wurde deshalb erstmals versucht, die neue Leichtigkeit der deutschen Nachwuchsautoren auch in Frankreich publik und „die lebendige, freche, häufig auch komische Tonart mancher Werke von Romanautoren der jüngeren Generationen bekannt zu 320 machen.“ Bezüglich der Themenwahl bestand die Einschätzung, dass französische Leser immer weniger Interesse an dezidiert deutschen Themen, vor allem zur Geschichte Deutschlands, zeigen. Jacqueline Chambon beispielsweise äußerte sich 2001: „So 321 groß wie vor 25 Jahren ist das Interesse an Deutschland nicht mehr“ und andere Branchenkenner erkannten ein zunehmendes Desinteresse zwischen den beiden Ländern: „Beide Gesellschaften nähern sich von ihrer sozialen und ökonomischen Ausrichtung her einander an: Sie banalisieren sich füreinander. Das ist keine gute Vor322 aussetzung, um Neugier zu erzeugen.“ In den deutsch-französischen Beziehungen 323 herrschten allgemeine Orientierungslosigkeit und Ermüdung. Marketingmaßnahmen von Seiten der französischen Verlage, die dieser Tendenz beispielsweise in Form einer auf die deutsche Herkunft hinweisenden Titelgebung, Covergestaltung oder Reihenzugehörigkeit entgegenwirken hätten können, wurden vernachlässigt. Die allgemeine Geringschätzung der Übersetzungsleistung zeigt ebenfalls, dass kein Wert auf die Betonung des Ursprungs dieser Werke gelegt wurde. 318 Glaubitz [online] 2001. Lenz 2004, S. 43. 320 Lance 2000, S. 87. 321 Glaubitz [online] 2001. 322 Lothar Baier, zitiert nach Grillo 1999, S. 180. 323 Vgl. Lance 2000, S. 86. 319 85 Auch der geringe Einfluss deutscher Literaturpreise auf die Entscheidungen französischer Verlage einerseits und die mangelnde Beachtung deutscher Werke bei der Verleihung französischer Auszeichnungen andererseits spiegelten die zunehmende Bedeutungslosigkeit deutscher Gegenwartsliteratur für den französischen Buchmarkt wieder. Die Präsenz in den Bestsellerlisten hielt sich, sowohl auf deutscher wie auf französischer Seite, ebenfalls in Grenzen. Durchschlagende Erfolge wurden, abgesehen vom langfristigen Erfolg eines Günter Grass, nur zweimal, nämlich 1986 von Patrick Süskind und 1997 von Bernhard Schlink, erreicht. Das Fehlen eines erneuten deutschen Erfolges und das Warten darauf bestimmte seitdem das deutsch-französische Literaturverhältnis. Ein weiterer Grund für die schwierige Stellung deutscher Gegenwartsliteratur in Lizenzausgaben auf dem französischen Buchmarkt ist in den immer geringeren Deutschkenntnissen von französischen Lektoren und Literaturkritikern zu finden. Zwischen der sehr vielfältigen deutschen Buchproduktion und ihrer Übertragung ins Französische steht eine Sprachbarriere, welche zur Folge hat, dass englischsprachige Titel bevorzugt und deutsche Titel oder Exposés immer seltener im Original gelesen 324 und besprochen werden konnten. Und auch das Interesse der französischen Presse galt überwiegend englischer und amerikanischer Literatur oder in den wenigen Besprechungen der Zeitungsfeuilletons wurde der Fokus noch immer auf die ältere Autorengeneration gelegt: „Die [a]lten [Literaturkritiker] halten an den traditionellen und bewährten Autoren fest, die Jungen interessieren sich für Amerika und China. Deutschland und die Deutschen kennen sie nicht – das ist zu nah und doch so 325 fern.“ 2 Gründe für den Anstieg an Übersetzungen nach 2001 Nicht in all den bisher genannten Punkten, die die Verbreitung deutscher Literatur in Frankreich erschweren, hat sich in den letzten sieben Jahren etwas verändert. Dennoch lassen sich genügend positive Entwicklungen feststellen, um sagen zu können, dass deutsche Gegenwartsliteratur in französischer Übersetzung wieder an Bedeutung gewonnen hat. Die Initialzündung dieser Entwicklungen besteht im Messeauftritt Deutschlands auf dem ‚Salon du Livre‘ 2001. Neben einem neuen Besucherrekord war auch „die Nachfrage bei der Buchhandlung des deutschen Gemeinschaftsstandes […] so groß, dass zahlreiche Titel schon nach den ersten Tagen vergriffen waren und per Luft326 fracht Nachschub geordert werden musste.“ Dies zeigt, dass das französische Publikum nach einer langen Pause wieder neugierig auf die deutsche Buchproduktion war. Ein Blick auf die aus dem Titelkorpus ersichtliche jährliche Anzahl an Übersetzungen zeigt, dass sich dieses neu geweckte Interesse bis heute gehalten hat, da in den letzten Jahren eine sichtbar steigende Tendenz zu verzeichnen ist. Diese setzt sich auch im 324 Vgl. o.V. 2004, S. 21. Jacqueline Chambon, zitiert nach Glaubitz [online] 2001. 326 O.V. 2001a, S. 15. 325 86 327 laufenden Jahr 2008 deutlich fort. Das Ziel beider Länder, nach der Messe nicht wieder hinter das erreichte Niveau zu fallen, konnte somit erreicht und der durch die Messe entstandene Aufschwung langfristig genutzt werden. Trotz der nationalen Einstellung der Franzosen in Bezug auf ihre Autoren und ihre Literatur steigt die Anzahl an Exemplaren fremdsprachiger Literatur im Land. Diese sind zwar meistens anglo-amerikanischer Herkunft, der allgemein wachsende Einfluss ausländischer Literatur zeigt sich aber auch in Bezug auf die deutsche Literatur. So wächst der deutsche Lizenzverkauf kontinuierlich: „2006 konnten sich die Verlage 328 im gesamten Lizenzgeschäft über ein sattes Plus von 18 Prozent freuen“ und „auch im Zehn-Jahres-Vergleich zeigt die Kurve beim Lizenzhandel kontinuierlich nach 329 oben.“ Dieser allgemeine Trend stimmt folglich mit der aufsteigenden Trendlinie der deutsch-französischen Literaturbeziehung im Speziellen überein. Was den Konzentrationsprozess betrifft, so hat die Analyse der am Lizenzgeschäft beteiligten Verlage überraschenderweise gezeigt, dass noch immer ein breites Spektrum an lizenznehmenden Verlagen existiert. Das Machtduopol von Hachette Livre und Éditis setzt sich in Bezug auf das Lizenzgeschäft mit Werken deutscher Autoren nicht fort, vielmehr stehen mit Actes Sud, Jacqueline Chambon, Christian Bourgois und Métailié ein mittelgroßer Verlag, sein Département und zwei kleine Verlage an der Spitze der Lizenzeinkäufer. Insgesamt sind viele verschiedene Verlage am Lizenzgeschäft mit Deutschland beteiligt, wovon die Hälfte keiner Verlagsgruppe angehört. Ob diese Situation auch künftig bestehen wird, hängt unter anderem vom weiteren Verlauf der Diskussion um das Buchpreisbindungsgesetz ab. Um ein vielfältiges Netz an Verlagen und Buchhandlungen zu gewährleisten, dessen die deutsche Literatur als Nischenliteratur beziehungsweise als Literatur mit niedriger Auflagenhöhe und geringer Rentabilität besonders bedarf, wird versucht, die Buchpreisbindung zu halten und weitere Maßnahmen gegen den fortschreitenden Konzentrationsprozess, wie etwa die Labelisierung unabhängiger Buchhandlungen, zu treffen. Auch den Distributionsschwierigkeiten kleinerer Verlage, welche aus dem französischen System des Zwischenbuchhandels entstehen, soll entgegengewirkt werden, um so die Verbreitung von Nischenliteratur zu verbessern. Zudem hat die Korpusauswertung ergeben, dass sich der Zeitaufwand bei der Herausgabe von Übersetzungen in Grenzen hält. Bei der Mehrzahl von 73,3 % betrug die Dauer des Übersetzungsprojektes weniger als drei Jahre, bei der Hälfte aller Titel lagen sogar höchstens zwei Jahre zwischen der deutschen und der französischen Erstausgabe. Vor allem bei den Titeln, welche auf den deutschen Jahresbestsellerlisten stehen, lässt sich eine rasche Übertragung ins Französische erkennen. Meist liegt nur mehr ein Jahr Zeitunterschied zwischen ihrer deutschen und französischen Ausgabe. Dies bedeutet, dass sich die Rentabilität von Übersetzungen erhöht und sie auch im immer schnelllebigeren Buchgeschäft Bestand haben können. Weiter helfen einige staatliche Subventionen für Verlage, welche Übersetzungen ausländischer Literatur in ihr Programm aufnehmen, die Belastung und die Kosten zu minimieren. 327 Vgl. hierzu Abb. 2 in Kapitel III 2.1.1 zur Titelanzahl pro Jahr. Cronau 2007, S. 20f. 329 Ebd., S. 22. 328 87 Zur Dominanz englischer und amerikanischer Autoren im internationalen Lizenzgeschäft lässt sich sagen, dass der 2001 erzielte Aufschwung langfristig Spuren in Deutschland und bei den deutschen Autoren hinterlassen hat, denn „die wiedergewonnene Wertschätzung für die eigene Sprache und den eigenen kulturellen und sozialen Erfahrungsraum bleibt konstant, ungeachtet der großen Erfolge amerikani330 scher Autoren.“ Dies beweist das neue Image der deutschen Literatur, welches sich mittlerweile weltweit durchgesetzt hat. „Viele Jahre galt deutsche Gegenwartsliteratur im Ausland als zu schwer, zu sperrig und zu langweilig. Doch jetzt trifft eine jüngere Autorenge331 neration den internationalen Zeitgeist.“ Zu ihr gehören viele auf der Messe 2001 erstmals vorgestellten jungen Autoren wie Ingo Schulze, Thomas Brussig oder Judith Hermann bis hin zu Neuentdeckungen wie Andrea Maria Schenkel, Katharina Hacker oder Julia Franck – um nur einige wenige zu nennen. Seit dem Messeauftritt mit seinem Ziel, „Frankreich zu zeigen, dass deutsche Literatur auch frisch und unbe332 schwert sein kann“ , finden immer mehr deutsche Autoren ihren Weg auf den französischen Buchmarkt und stehen für eine neue Generation, welche international gefragt und erfolgreich ist. Waren es in den 1980er und 1990er Jahren nur zwei deutsche Schriftsteller, die von sich Reden machten, so ist es heute eine Vielzahl an jungen Autoren. Diese zunehmende Bekanntheit und das veränderte Image schlägt sich auch in den Auflagenhöhen nieder, welche ebenfalls eine steigende Tendenz 333 aufweisen. Neben renommierten Autoren wie Günter Grass, Christoph Hein, Bernhard Schlink oder Helmut Krausser – die letzten Beiden sind sogar unter den Top 5 der übersetzten Autoren zu finden – wächst die Bedeutung der jungen Generation kontinuierlich an: Aber nun hinterlassen Schriftsteller wie Arno Geiger und Frank Schätzing oder Fräulein-Wunder-Autorinnen wie Juli Zeh und Judith Hermann deutliche Spuren auf dem Weltbuchmarkt. Sie haben die altgedienten Repräsentanten deutscher Gegenwartslitera334 tur […] zurzeit abgehängt. Inhaltlich gesehen ist die ‚Neue Lesbarkeit‘ nicht mehr nur ein Schlagwort, sondern Programm. Die Auswertung der Untergattungen und Themenschwerpunkte hat gezeigt, dass der Anspruch auf eine neue, leichte und humorvolle deutsche Literatur tatsächlich von den jungen Autoren eingehalten wird und sich in einer Vielzahl von Themen und Schreibweisen widerspiegelt. Die 2001 propagierte neue, gut lesbare deutsche Literatur lässt sich also mithilfe des Korpus belegen. Die zu Beginn dieser Arbeit genannten negativen Schlagzeilen spiegeln somit nicht den aktuellen Stand des deutsch-französischen Literaturverhältnisses wieder. Vielmehr trägt die Mehrzahl aktueller Artikel zur deutschen Gegenwartsliteratur und ihrer internationalen Präsenz 330 Kraft [online] 2003. Araghi 2006a, S. 130. 332 O.V. 2001a, S. 15. 333 Vgl. o.V.: La littérature. Auf: Website von Tatsachen über Deutschland. URL: http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de/fr/la-culture-et-les-medias/main-content-09/lalitterature.html [05.05.2008]. 334 Araghi 2006a, S. 131. 331 88 sehr positive Überschriften wie Neue deutsche Literatur. Die Geschichten des Erfolgs335, Lust auf deutsche Leichtigkeit336, Hoffen auf den Heimvorteil337 oder Attrak- tiv für andere338. 339 Die Einschätzung, Frankreich zeige nicht mehr so viel Interesse an typisch deutschen Themen, ist ebenfalls nicht mehr aktuell. Die Korpusauswertung hat ergeben, dass die Themenkomplexe ‚Deutsche Geschichte‘ und ‚Deutsche Gegenwart‘ in mehr als 30 % der übersetzten Werken vorkommen. Die literarische Vergangenheitsbewältigung ist also, nun allerdings aus einer aufgelockerten Sicht der dritten Nachkriegsgeneration, noch immer eine beliebte Themenwahl und das Interesse an Deutschland und der deutschen Geschichte ist von Seiten Frankreichs noch immer sehr groß. Viele der Übersetzungen sind somit aufgrund ihres typisch deutschen Inhaltes und der Blickweise eines deutschen Autors zustande gekommen. Gleichzeitig ist jedoch auch die thematische Vielfalt der heimischen Gegenwartsliteratur zu betonen, denn „die deutsche Gegenwartsliteratur macht mobil. Sie besticht durch die Vielfalt ihrer Themen, Motive und Sujets und nicht zuletzt durch 340 ihre erzählerische Bandbreite.“ Internationale Schauplätze oder interkulturelle Themen, wie sie bei einigen der Spitzenreiter unter den übersetzten Autoren wie beispielsweise Charlotte Link, Stefanie Zweig oder Galsan Tschinag zu finden sind, sind ebenfalls sehr beliebt und häufig lässt sich in den übersetzten Werken ein direkter Bezug zu Frankreich feststellen. Auch dank der Autoren mit Migrationshintergrund, welche meist autobiographisch und aus einer von mindestens zwei Kulturräumen geprägten Sicht schreiben, weitet sich das Spektrum der Themen aus. Dies passt zu 341 dem in Frankreich ebenfalls wichtigen Einfluss von Migrantenliteratur, erhöht die internationalen Verkaufschancen deutscher Gegenwartsliteratur und vertreibt alte 342 Vorurteile der Franzosen über ein verschlossenes Deutschland. Bezüglich der sich im Rahmen haltenden Marketingmaßnahmen französischer Verlage lässt sich leider keine positive Entwicklung erkennen. Der Vergleich von Titelgebung, Covergestaltung und Reihenzugehörigkeit hat gezeigt, dass Deutschland als Herkunftsland noch immer keine entscheidende Rolle in der Vermarktungsstrategie der französischen Verlage spielt. Auch die Werstschätzung der Übersetzungsleistung hält sich in Grenzen, da trotz einer Regelung im Normvertrag zwischen Übersetzern und Verlagen ganze 63,6 % der im Korpus vertretenen Titel keinen Hinweis auf die Ursprungssprache oder den Übersetzer aufweisen. Es bleibt deshalb nur zu wünschen, dass die Übersetzungsleistung und das Herkunftsland künftig besser publik gemacht werden, so wie es bisher bei drei Verlagen der Fall ist und im Rapport 335 Weidermann [online] 2005. Araghi 2006a. 337 O.V. 2006b. 338 Cronau 2007. 339 An dieser Stelle muss jedoch angemerkt werden, dass die Branchenpresse keineswegs als Gradmesser für objektive Trends gilt, sondern lediglich ein Eindruck von der allgemeinen Branchendiskussion gegeben werden soll. 340 Haase[online] 2006. 341 Vgl. Boccador 2001, S. 10. 342 Vgl. Bary 2004, S. 100. 336 89 Livre 2010 besprochen wurde. Dennoch ist allgemein gesehen eine Entwicklung im Bereich des Literaturmarketings zu erkennen, da französische Verlage immer häufiger das Internet als Marketinginstrument nutzen: „Heureuesement ou pas, Internet est en train de changer la donne. Le marketing nouveau arrive par le Web, de facto bran343 ché.“ Mithilfe von Online-Autorenporträts und Bibliographien, am Besten auf Französisch verfasst, könnte beispielsweise künftig mehr Aufmerksamkeit auf die deutschen Autoren gelenkt werden. Hierbei wäre eine verstärkte Zusammenarbeit und ein Austausch von Marketingmaterialien zwischen deutschem Lizenzgeber und französischem Lizenznehmer hilfreich. Eine erfreuliche Tendenz zeigen hingegen die deutschen Literaturpreise und Jahresbestsellerlisten auf. Vor allem der seit 2005 verliehene Deutsche Buchpreis verzeichnet bereits jetzt eine relativ hohe Übersetzungsquote der ausgezeichneten Titel. Das Interesse an seinen Gewinnern wächst im Ausland und beeinflusst die Entscheidungen der potentiellen Lizenznehmer. Die deutschen Jahresbestsellerlisten weisen, ebenfalls seit 2005, einen sichtlichen Anstieg an nationalen Autoren auf. Der so gemessene Erfolg in Deutschland hat Auswirkungen auf die Übersetzungswahrscheinlichkeit der jeweiligen Titel, da eine direkte Verbindung zwischen einer Platzierung in der deutschen Jahresbestsellerliste hin zu einem Verkauf der Übersetzungslizenz nach Frankreich zu erkennen ist. Dieser neue Erfolg im Ausland besteht zwar nicht in der Verleihung französischer Literaturpreise oder im Erreichen der französischen Jahresbestsellerlisten, sondern er zeigt sich in den steigenden Lizenzverkäufen. Für die deutsche Literaturlandschaft bedeutet dies, dass heimische Verlage immer weniger Lizenzen aus dem Ausland kaufen und „zunehmend Vertrauen in 344 Protagonisten mit Heimvorteil“ setzen. „Statt aufgeregt den nächsten Dan Brown zu suchen, promoten Random House & Co. international ihre eigenen hausgemach345 ten Toptitel und sind damit durchaus erfolgreich.“ Programmgeschäftsführer großer deutscher Verlage sprechen sich für die eigenen Autoren aus und betonen dabei „den Faktor Qualität […], der eine immer wichtigere Rolle spielt: Gesucht (und gekauft) werden nicht austauschbare Titel – und Autoren mit eigener ‚Stimme‘– vor346 rangig in der literarischen Unterhaltung.“ Diesem Anspruch genügt derzeit wohl niemand besser als Daniel Kehlmann. Er reiht sich hinter Patrick Süskind und Bernhard Schlink ein und knüpft an deren Siegeszug in Frankreich an. Und auch Judith Hermann, Ingo Schulze oder Leonnie Swann können beträchtliche Erfolge verzeichnen. Hierbei wird besonders deren 347 Nachhaltigkeit betont , denn „Befürchtungen, dass es sich [beim Erfolg deutscher Werke im Ausland] um eine Eintagsfliege handeln könnte, haben sich nicht bewahr348 heitet.“ Die geforderte Einzigartigkeit der Stimme eines Autors wird in Frankreich 343 Ferrand 2006, S. 5. „Erfreulich oder nicht, das Internet ist dabei, die Situation zu verändern. Das neue Marketing kommt über das Web, also in einer modernen Form.“ [Übersetzung d. Verf.]. 344 O.V. 2006b, S. 6. 345 Sieg 2007, S. 28. 346 Eck, zitiert nach Sieg 2007, S. 28. 347 Vgl. Araghi 2006a, S. 130. 348 Sieg 2007, S. 27. 90 durch einen meist festen Übersetzer garantiert, denn häufig haben deutsche Gegenwartsautoren nur einen französischen Übersetzer, wodurch die Besonderheit der Schreibweise beständig wiedergegeben wird. Auch in Bezug auf die Sprachbarriere zwischen deutschen und französischen Branchenteilnehmern vollzieht sich ein Wandel, da ein Trend zur immer häufigeren Zusammenarbeit deutscher Autoren und Lektoren mit Literaturagenten zu erkennen 349 ist. Diese fungieren entweder als (Sprach-)Mittler zwischen Urheber und Verlag auf deutscher Seite oder zwischen deutschem und ausländischem Verlag auf internationa350 ler Ebene. Und auch französische Verlage, in welchen traditionellerweise der Verlagsleiter gerne selbst die Akquise neuer, junger Autoren übernimmt, beginnen lang351 sam, die Hilfe eines Beraters in Anspruch zu nehmen. Hierbei handelt es sich um in Deutschland lebende Scouts, deren Aufgabe es ist, den deutschen Buchmarkt zu beobachten und den französischen Verlagen Lizenzeinkäufe vorzuschlagen. Sowohl die bisher vorherrschende traditionelle Arbeitsweise des direkten Kontaktes zwischen Autor und Verlag als auch die zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer wird heute immer häufiger durch Vermittler unterstützt. So kommt es zu einer Mischung aus alter und neuer Arbeitsweise im Lizenzgeschäft, weshalb vor allem im Bereich des 352 353 Lizenzeinkaufes von einem „mosaïque de pratiques“ die Rede ist. Neben dieser Unterstützung gibt es zudem die Förderaktivitäten des GoetheInstitutes in Bordeaux. Neben der in allen Goethe-Instituten angebotenen Übersetzungsförderung bietet dieses Institut ein zweimal jährlich erscheinendes Bulletin für Verleger und Übersetzer, in welchem circa 50 Werke der deutschen Buchproduktion besonders hervorgehoben werden, die für eine Übersetzung ins Französische interes354 sant sein könnten. Zudem gibt es einen Newsletter, welcher über aktuelle Tenden355 zen des deutschen Buchmarktes informiert und in der Sparte „Auteurs à découvrir“ bisher noch unübersetzte deutsche Autoren vorstellt. Jahreslisten der bereits geplanten Übersetzungsprojekte ergänzen dieses umfassende, auf Französisch verfasste Angebot. So können sich französische Branchenteilnehmer einen Überblick über die 356 deutsche Literaturlandschaft verschaffen und leichter neue Lizenzeinkäufe tätigen. 349 Vgl. o.V. 2001b, S. 193 und vgl. o.V. 2006b, S. 6 und vgl. Sieg 2007, S. 26. Vgl. Jagnow 2005, S. 56. 351 Vgl. Rose 2001, S. 7. 352 Mattern [online] 2007. 353 Die Frage, ob sich in Bezug auf die Rezensionen der französischen Presse ebenfalls ein Wandel vollzogen hat, würde sich für eine weitere umfassende Untersuchung anbieten. 354 Vgl. o.V.: Courrier Littérature allemande. Auf: Website des Goethe-Instituts. URL: http://www.goethe.de/ins/fr/bor/prj/lit/frindex.htm [14.08.2008]. 355 O.V.: Auteurs à découvrir. Auf : Website des Goethe-Instituts. URL: http://www.goethe.de/ins/fr/bor/prj/lit/aad/frindex.htm [14.08.2008]. 356 Vgl. o.V.: Auteurs allemands à paraître 2008 / 2009. Auf : Website des Goethe Instituts. URL: http://www.goethe.de/ins/fr/lp/kue/lit/gpu/frindex.htm [14.08.2008]. 350 91 3 Vorschläge für eine künftig hohe Anzahl an Übersetzungen Weitere Initiativen zur internationalen Vermittlung deutscher Gegenwartsliteratur sind bisher leider nicht auf den französischen Buchmarkt ausgelegt. So stellt das seit 2003 von der Bundeskulturstiftung finanzierte Projekt Litrix.de Probeübersetzungen deutscher Titel als Anreiz für lizenznehmende Verlage in den Sprachen Deutsch, 357 Englisch, Arabisch, Chinesisch und Portugiesisch ins Netz und das zweimal im Jahr herausgegebene Journal über deutsche Gegenwartsliteratur New Books in German bietet Rezensionen aktueller Werke und Dossiers zu aktuellen Tendenzen für amerikanische, englische, spanische und seit Kurzem italienische Verleger. Zudem wird die 2007 neu ins Leben gerufene Internetplattform für internationale Literatur namens Spirograf bisher ausschließlich auf Deutsch und Englisch verfasst. Eine Übersetzung dieser drei Onlineportale ins Französische wäre deshalb erstrebenswert und hilfreich 358 für das Lizenzgeschäft zwischen Deutschland und Frankreich. Vor allem das neue Konzept der Informationsdienstleistung von Spirograf, welches so genannte ‚Essentials‘, also kompakte Gutachten über Autor, Inhalt, Sprache, Marktsituation, Übersetzbarkeit, Vergleichstitel und das Marketing rund um ein Buch zur Verfügung stellt 359 und ein weltweites Forum für Branchenteilnehmer bietet , könnte dem deutschfranzösischen Literaturaustausch zu mehr Übersetzungen verhelfen. So würden sowohl eine innovative Auswahl der zu übersetzenden Titel wie auch eine originelle Präsentation derselben zu einem gesteigerten Interesse der französischen Verlage führen. Es sollten also einerseits die vorhandenen Strukturen der Kulturvermittler speziell auf den französischen Buchmarkt ausgerichtet und die Zusammenarbeit mit Mediatoren der deutschen Literatur verstärkt werden. Die Bereitschaft hierfür ist von 360 Seiten der deutschen Verleger und Kulturinstitute gegeben. Andererseits sollten von Seiten der Verlage auch eigene Wege der Literaturvermittlung gegangen werden, um auf Übersetzungstitel aufmerksam zu machen. Das Internet stellt dabei das beste Medium für einen internationalen Austausch dar, ein gut strukturierter, informativer und benutzerfreundlicher Internetauftritt ist deshalb unverzichtbar für den Lizenzhandel. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass es in den letzten sieben Jahren zu einer insgesamt positiven Entwicklung des deutsch-französischen Literaturaustausches gekommen ist. Der Lizenzhandel zwischen Deutschland und Frankreich hat langfristig neue Impulse erfahren und die Beachtung der deutschen Buchproduktion durch Frankreich ist, nicht zuletzt dank eines frischen Windes im eigenen Land, wieder gestiegen. Ob sich diese Erfolgsgeschichte fortsetzen und die deutsche Gegenwartsliteratur auch künftig häufiger in Lizenzausgaben auf dem französischen Buchmarkt erscheinen wird, zeigt jedoch die Zukunft, denn 361 „der Weltmarkt des Buches ist rätselhaft, spannend und undurchschaubar.“ 357 Vgl. o.V. 2004, S. 21. Dieser Vorschlag beruht darauf, dass Exposés und Verkaufsinformationen leichter in der eigenen Sprache zu verstehen sind und somit ihre Rezeptionsfrequenz erhöht werden könnte. 359 Vgl. Spirograf 2007, S. 1f. 360 Vgl. o.V. 2004, S. 21. 361 Weidermann [online] 2005. 358 92 V Quellen- und Literaturverzeichnis 1 Primärquellen 1.1 Titelkorpus Kurzversion in Anhang 1 Vollversion auf CD-ROM 1.2 Gedruckte Quellen BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS E.V. (HRSG.): Buch und Buchhandel in Zahlen 2007. Frankfurt a. M. 2007. BUCHREPORT (HRSG.): Jahresbestseller. Hardcover Belletristik 2000. In: Buchreport express (2000) H. 51/52, S. 18–20. – Jahresbestseller. Hardcover Belletristik 2001. 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Zum Beispiel Judith Hermanns Prosa. In: Lützeler, Paul Michael / Schindler, Stephan K. (Hrsg.): GegenwartsLiteratur. (Ein germanistisches Jahrbuch 5). Tübingen 2006, S. 186– 206. 95 BOCCADOR, SABINE: La jeune littérature allemande et française. In: France Édition (Hrsg.): La lettre. Lettre d’information mensuelle de France Édition. Spécial Salon du Livre. Paris 2001, S. 8–10. CASASSUS, BARBARA: France’s single book price under threat. In: The Bookseller (2008), S. 20. CERISIER, ALBAN / CHARTIER, ROGER U.A.: Où va le livre? Édition 2002. Paris 2002. CHAUMARD, FABIEN: Le commerce du livre en France entre économie et culture (Fondements de la géographie culturelle). Paris / Montréal 1998. COMBET, CLAUDE: Le livre aujourd’hui. Les défis de l’édition (Les essentiels Milan). Toulouse 2007. COMMISSION BELGE DE BIBLIOGRAPHIE (HRSG.): Littérature contemporaine de langue allemande. Traductions françaises des oeuvres parues entre 1945 et 1982. Brüssel 1983. CRONAU, SABINE: Attraktiv für andere. 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Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 9: Cover von Günter Grass: Im Krebsgang. Steidl Verlag 2002 und En crabe. Éditions du Seuil 2002. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 10: Cover von Peter Prange: Miss Emily Paxton. Droemer 2005 und Miss Emily Paxton. Éditions du Rocher 2007. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 11: Cover von Stefanie Zweig: Es begann damals in Afrika. Buchverlag LangenMüller 2004 und Filles de l’Afrique. Éditions du Rocher 2005. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 12: Cover von Claudia Schreiber: Emmas Glück. Reclam Verlag 2003 und Les amis d’Emma. NiL Éditions 2005. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 13: Cover von Jenny Erpenbeck: Geschichte vom alten Kind. Eichborn Verlag 1999 und L’enfant sans âge. Éditions Albin Michel 2002. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 14: Cover von Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt. Rowohlt Verlag 2005 und Les arpenteurs du monde. Actes Sud 2007. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. 102 Abb. 15: Cover von Michael Kumpfmüller: Hampels Fluchten. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2000 und Fugue en lit mineur. Éditions Denoël 2003. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 16: Cover von Zafer Şenocak: Der Erottomane. Babel Verlag 1998 und L’Erottoman. L’Esprit des Péninsules 2001. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 17: Cover von Sven Regener: Herr Lehmann. Eichborn Verlag 2001 und Herr Lehmann. Éditions du Seuil 2004. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 18: Cover von Bernhard Schlink: Die Heimkehr. Diogenes Verlag 2006 und Le retour. Éditions Gallimard 2007. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 19: Cover von Uwe Timm: Am Beispiel meines Bruders. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2003 und A l’exemple de mon frère. Éditions Albin Michel 2005. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 20: Cover von Uwe Timm: In my brother’s shadow. A life and death in the SS. Farrar, Straus and Giroux 2005 und In my brother’s shadow. Bloomsbury Publishing PLC 2005. Quellen: www.amazon.com und www.amazon.co.uk [09.07.2008]. Abb. 21: Cover von Christian von Ditfurth: Mann ohne Makel. Stachelmanns erster Fall. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2002 und Un homme irréprochable. La première enquête criminelle de Stachelmann. Éditions Jacqueline Chambon 2006. Quellen: www.amazon.de und www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 22: Cover von Charlotte Link: Les lupins sauvages. Éditions JC Lattès 2002 und von Heike Geißler: Rosa. Éditions Albin Michel 2006. Quelle: www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 23: Cover von Jenny Erpenbeck: Bagatelles. Éditions Albin Michel 2004 und von John von Düffel: De l’eau. Éditions Albin Michel 2001. Quelle: www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 24: Cover von Hans-Ulrich Treichel: Vol humain. Éditions Gallimard 2005 und von Botho Strauß: Les erreurs du copiste. Éditions Gallimard 2001. Quelle: www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 25: Cover von Sherko Fatah: Petit oncle. Éditions Métailié 2006, von SAÏD: Paysages d’une mère lointaine. Éditions Métailié 2003 und von Christoph Hein: Dès le tout début. Éditions Métailié 2002. Reihe: Bibliothèque allemande. Quelle: www.amazon.fr [09.07.2008]. 103 Abb. 26: Cover von Thomas Jonigk: Quarante jours. Éditions Verdier 2007, von Thomas Jonigk: Jupiter. Éditions Verdier 2004 und von Yōko Tawada: Narrateurs sans âmes. Éditions Verdier 2001. Reihe: Der Doppelgänger. Quelle: www.amazon.fr [09.07.2008]. Abb. 27: Cover von Keto von Waberer: L’ennemi dans le blanc des yeux. Éditions Jacqueline Chambon 2005, von Hanns-Josef Ortheil: Lo et Lu. Roman d’un père. Éditions Jacqueline Chambon 2005 und von Sybille Berg: Amerika. Éditions Jacqueline Chambon 2005. Reihe: Métro. Quelle: www.amazon.fr [09.07.2008]. 104 VII Abkürzungsverzeichnis ATLF Association des traducteurs littéraires de France (Vereinigung französischer Literaturübersetzer) BIEF Bureau International de l’Édition Française (Internationales Büro des französischen Verlagswesens) BNF Bibliothèque National de France (Französische Nationalbibliothek) CNL Centre National du Livre (Nationales Buchzentrum) DLL Direction du Livre et de la Lecture (Direction Buch und Lesen) DNB Deutsche Nationalbibliothek FEL Fichier Exhaustif du Livre (Vollständiges Bücherverzeichnis) FEVAD Fédération du e-commerce et de la vente à distance (Verband des E-Commerce und Versandverkaufs) GfK Gesellschaft für Konsum- und Marktforschung INSEE Institut National de la Statistique et des Études (Nationalinstitut für Statistik und Forschung) LIR Label de la librairie indépendante de référence (Gütesiegel der unabhängigen Referenzbuchhandlung) SLF Syndicat de la Librairie Française (Französischer Buchhändlerverband) SNE Syndicat National de l’Édition (Nationaler Verlegerverband) UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation (Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen) 105 VIII Anhang 1 Quellen, Suchkriterien und Probleme Quelle OnlineOnline- Katalog des GoetheGoethe- Institutes in Paris Erweiterte Suche → Bibliothekauswahl Goethe-Institut Paris und Signatur 830 für Deutsche Literatur und * Trunkatur für mögliche Suchkriterien Abweichung und Erscheinungsjahr >=2000 oder 2000−2008 und Sprache Französisch Ergebnis 192 Treffer Auch Sekundärliteratur in Ergebnissen Problem Keine Suche nach Belletristik beziehungsweise Sachgruppen möglich Quelle OnlineOnline- Katalog des Centre National du Livre Livre Recherche mulit-critères → Langue originale Allemand und Ajouter Langue de publication Français und Ajouter Année d’édition = Suchkriterien 2000, 2001, 2002, 2003,... und Indexation décimale 830 für Deutsche Literatur Ergebnis Unterschiedliche Trefferzahl pro Jahr (insgesamt 66 Treffer) Auch Lyrik, Theater, Anthologien, Kinder- und Jugendliteratur, Problem Klassiker sowie österreichische, schweizerische, norwegische, niederländische und schwedische Autoren in Ergebnissen Quelle Suchkriterien Ergebnis Problem Quelle Suchkriterien Ergebnis Problem Index translationum Original Language German und Target Language French und Country France und Period from year 2000 to year 2004 und Subject Litterature 1316 Treffer Auch Kinder- und Jugendliteratur, Klassiker, österreichische und schweizerische Autoren in Ergebnissen Abfrage nur bis 2004 möglich OnlineOnline- Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig Codierte Angaben und fre für Französisch als Sprache der Veröffentlichung oder des Originals → Eingrenzen und Erscheinungsjahr 2005–2008 → Eingrenzen und Sachgruppe 830 für Deutsche Literatur → Eingrenzen und Sachgruppe B für Belletristik 321 Treffer Auch Drama, Lyrik, Tonträger und Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche in Ergebnissen 106 Quelle Suchkriterien Ergebnis Problem Amazon Frankreich Frankreic h Recherche détaillée → Rechercher dans les titres français und Sujet Littérature allemande und Date de parution Après l’année 1999 und Trier les résultats par Date de parution 955 Treffer Auch Klassiker, Lyrik, Drama, Essais, Anthologien, Biographien, Kinder- und Jugendliteratur sowie österreichische, schweizerische, niederländische und französische Autoren in Ergebnissen Quelle OnlineOnline- Katalog der Librairie La Procure Suchkriterien Recherche avancée → Livres und Famille P-620 Littérature und Sous Famille Romans français et étrangers und Sous-sous Famille Littérature allemande Ergebnis Problem 379 Treffer Auch Klassiker, österreichische und schweizerische Autoren in Ergebnissen Keine Jahreseinschränkung möglich 107 3 Ergänzende Abbildungen Abb. 8 Abb. 9 112 Abb. 10 Abb. 11 113 Abb. 12 Abb. 13 114 Abb. 14 Abb. 15 115 Abb. 16 Abb. 17 116 Abb. 18 Abb. 19 117 Abb. 20 Abb. 21 118 Abb. 22 Abb. 23 119 Abb. 24 Abb. 25 120 Abb. 26 Abb. 27 121