Tradition und Moderne
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Tradition und Moderne
©PPVMEDIEN 2011 tasten workshop MIDI-Akkordeon und Begleitautomatik (1) Tradition & Moderne Der Workshop Diese Workshop-Serie soll Ihnen einen praxisorientierten Einstieg in die Kombination aus MIDI-Akkordeon und externer Begleit automatik geben. Als Beispiele dienen ein Roland V-Accordion und das Arranger-Modul BK-7m des Herstellers. Detlef Gödicke studierte Akkordeon in Trossingen, ist Musikalienhändler und leitet als Key boarder seit über 30 Jahren eine Gala-Band in Bremen. Für Roland ist er als V-AccordionSpezialist tätig, außer dem spielt er Akkor deon bei den Irish Bastards aus Hamburg. Zudem komponiert er, hat einen eigenen Musik verlag und bezeichnet sich selbst als Erfinder. 56 In dieser Ausgabe lernen Sie die historische Entwicklung von elektronischen und MIDI-Akkordeons sowie die sich ergebenden neuen Möglichkeiten kennen. Das Verständnis der Geschichte dient dabei als Basis für die folgenden Workshop-Teile. K eine Stimmzungen, kein Faltenbalg, aus heutiger Sicht putzige Sounds: Einige Leser werden sich vielleicht noch an das Hohner Electravox N erinnern. Dieses Akkordeon war voll elektronisch und hatte eine Balgvorrichtung, mit der man die Lautstärke des Instruments über das Öffnen des „Balgs“ geringfügig steuern konnte. 1977, als damals 17-Jähriger, kaufte ich ein solches Instrument. Es spielte sich im Prinzip wie ein Akkordeon, und was mir als revolutionär erschien, war die Mög lichkeit, mit der linken Hand auf den gewohnten Knöpfen elektronische Bass-Sounds zu erzeugen. So konnte ich in meiner damaligen 2-Mann-Combo den Bass live spielen, was ich in meiner Showband übrigens bis heute mache. Ende der 70er Jahre ging Hohner (ebenso wie zum Bei spiel Paolo Soprani und Elka) neue Wege und baute mit der Vox 2P auf Basis des Modells Atlantic IVN erstmals ein Akkordeon, das komplett mit Stimmzungen ausgestat tet war und zusätzlich eine Elektronik beinhaltete. So konnten die elektronischen Sounds dem Akkordeonklang beim Spielen zugemischt werden. Über ein separates Steuergerät wurde die Elek tronik mit Strom versorgt, außerdem konnten die Bereiche Diskant, Akkord und Bass separat in der Lautstär- ke geregelt werden. Ausgewählt wurden die Sounds über farbige Druckschalter auf dem Diskantverdeck. Die „Zwitter-Akkordeons“ der 80er Jahre Mit dem Modell Vox 4P gelang Hohner dann ein großer Wurf: Im separaten Steuerteil war erstmals eine Begleitautomatik integriert, und das Instrument wurde für viele Akkordeon-Alleinunterhalter zum State-of-the-Art-Instrument. Ich selbst erstand ein solches Instrument als junger Akkordeon-Student 1983. Auf den Sound-Geschmack gekommen, erwei terte ich mein Setup im Laufe der Zeit durch ein Keyboard, das ich rechts im 90-Grad-Winkel neben mein, auf einem Akkordeon-Ständer stehendes, Vox 4P positionierte und mir angewöhnte, mit der rechten Hand zwischen der Diskant-Tastatur des Akkordeons und der Tastatur des Keyboards zu wechseln. Die linke Hand blieb immer auf der Bass-Seite des Akkordeons. Bemerkenswert an den frühen technischen Lösungen für Akkordeonspieler war, dass man sie nur einstecken musste, und sie taten ihre Arbeit. Die Entwicklung des MIDI-Standards ermöglichte es, zwei MIDI-Geräte miteinander zu verbinden und eines der beiden über das andere quasi fernzusteuern. So schickte sich auch die Firma Hohner mit der Vox 5 an, ihre Akkordeonserie mit MIDI auszustatten. Pech nur, dass gewiefte Techniker mittlerweile eine kleine MIDI-Platinen-Erweiterung für die Vox 4P entwickelt hatten und so jeder Vox-4PSpieler mit ein wenig Lötkenntnis sein Instrument mit MIDI-Technik nachrüsten konnte. Ich erinnere mich noch daran, als ein Freund meine Vox 4P mit der neuen Platine bestückt hatte und ich mit einem 5-Pol-DIN-Kabel das Steuergerät und das neben mir tastenwelt 6/2011 ©PPVMEDIEN 2011 workshop tasten stehende Keyboard verband: Beim Drücken einer Diskanttaste am Akkordeon erzeugte das Keyboard auch einen Ton. Die sich bietende Aussicht auf die neuen Möglichkeiten war phänomenal. MIDI-Technik im Akkordeon nachrüsten Während sich die MIDI-Erweiterung bei den „Zwit ter“-Instrumenten einfach realisieren ließ, da ja elektronische Kontakte unter den Tasten und Knöpfen schon vorhanden waren, erwies sich die MIDINachrüstung reiner Natur-Akkordeons als erheblich aufwändiger. Beispielsweise muss für die Kontaktleisten (früher mechanisch, heute mit optischen oder magnetischen Sensoren), Platinen und Kabel erst Platz geschaffen werden. Einige Akkordeonhersteller boten und bieten für MIDI vorbereitete Instru mente an, die schon bei der Herstellung den für eine Nachrüstung benötigten Platz berücksichtigten. Wichtig ist auch die Möglichkeit, mittels eines der Bass-Register die Bass-Seite für die Stimmzungen völlig abzuschalten, um beim Steuern einer Be gleitautomatik nicht auch noch die Stimmzungen der Bass-Seite zu hören. Bei Akkordeons, die nicht für einen MIDI-Einbau vorbereitet sind, muss in vielen Fällen ein Chor im Bass geopfert werden. Der Register-Schieber im Innenteil des Instruments wird dann festgesetzt, die Luftöffnungen für die Stimmzungen bleiben immer geschlossen, damit bei der Auswahl des entsprechen den Bass-Registers wirklich keine Stimmzunge mehr angesprochen werden kann. Ein deutliches Handicap für den Naturklang des Instruments. Klangerweiterung ist noch nicht alles Die MIDI-Technik im Akkordeon bietet nicht nur die Möglichkeit, das Instrument enorm um Klänge zu erweitern, ebenso bedeutsam ist daneben die Möglichkeit, angeschlossene Keyboards ferngesteuert mit Akkordinformationen zu versorgen und damit die Begleitautomatik zu steuern. Auch ich benutzte in meiner Vox-4P-Zeit nach der Midifizierung fast nur noch die Begleitautomatik der angeschlossenen Keyboards. Dieser Umstand bedeutete nach kurzer Zeit das Ende der in sich geschlossenen Zwitter-Akkordeons und deren beschränkter Begleitautomatik. Logisch, und nur eine Frage der Zeit, dass Keyboard-Hersteller auf die Idee kamen, Tastatur und das große Gehäuse einzusparen und Geräte auf den Markt zu bringen, die alle Merkmale der Keyboards aufwiesen (Sounds, Rhythmen, Begleitmuster in vielen Stilrich tungen), jedoch klein und handlich waren: die Geburtsstunde der MIDI-Arranger-Module. Ein modernes MIDI-Akkordeon weist mittlerweile viele Eigenschaften auf, von denen die Besitzer der 80er-Jahre-Instrumente nur träumen konnten: Balg dynamik, Anschlagdynamik, die Möglichkeit der Soundauswahl vom Akkordeon aus und MIDI-Funk. Dennoch sind traditionelle Akkordeonisten, die sich aus Neugier dem Thema MIDI zuwenden, oft mit der technischen Seite des Themas überfordert. Da müswww.tastenwelt.de sen Kanäle zugewiesen werden, und es kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen, ein externes Sound- oder Arranger-Modul so einzurichten, dass es genau das tut, was man sich vorstellt. Da wünschte man sich die Einfachheit der ersten Modelle zurück, bei denen man nur einstecken musste, und alles funktionierte. Wenngleich die Einfachheit der Inbetriebnahme natürlich mit begrenzten technischen Möglichkeiten einherging. Eine Sonderstellung nimmt inzwischen Rolands V-Accordion-Serie in Verbindung mit dem herstellereigenen Arranger-Modul BK-7m ein. In jedem VAccordion ist natürlich MIDI mit allen Möglichkeiten integriert. Dazu haben die Roland-Ingenieure beim BK-7m darauf geachtet, dass die Basis-Einstellungen für den MIDI-Betrieb auf einfachste Weise eingestellt werden können. Der MIDI-Wizard des Roland BK-7m Wie Sie ein V-Accordion oder ein midifiziertes akustisches Akkordeon zum Zusammenspiel mit dem BK-7m bewegen, ist eine Sache weniger Schritte. V-Accordion: • V-Accordion und BK-7m einschalten • Beide Geräte mit einem MIDI-Kabel verbinden (beim BK-7m die MIDI-in-Buchse benutzen) • Das Display des BK-7m zeigt „MIDI-Device connected“ • Auf das große Drehrad (Push) rechts oben drücken • Durch Drehen des Drehrads im Display den Eintrag „Accordion“ auswählen und das Drehrad (Push) drücken • Das Display schlägt „V-Accordion“ vor • Zweimal auf das Drehrad (Push) drücken – fertig. MIDI-Akkordeon • MIDI-Akkordeon und BK-7m einschalten • Beide Geräte mit einem MIDI-Kabel verbinden (beim BK-7m die MIDI-in-Buchse benutzen) • Das Display des BK-7m zeigt „MIDI-Device connected“ • Auf das große Drehrad (Push) rechts oben drücken • Durch Drehen des Drehrads im Display den Eintrag „Accordion“ auswählen und das Drehrad (Push) drücken • Durch Drehen des Drehrads den Eintrag „Others1“ auswählen • Auf das Drehrad (Push) drücken • Beim MIDI-Akkordeon eine Diskanttaste drücken, danach einen Akkordkopf, danach einen BassKnopf • Auf das Drehrad (Push) des BK-7m drücken, die Einstellungen werden gespeichert – fertig. Jetzt brauchen Sie nur noch einen Style (Rhythmus) auswählen, den Synchro-Start-Knopf drücken, V-Accordion oder MIDI-Akkordeon umschnallen, mit der linken Hand eine Bass/Akkord-Kombination drü cken (z.B. C-Bass/C-Dur-Akkord), und schon spielt die Begleitautomatik los. Was man beim Spielen mit Begleitautomatik noch wissen sollte und wie man sie praxisgerecht einsetzt, erfahren Sie in den tw nächsten Ausgaben dieser Workshop-Reihe. Autor Detlef Gödicke als 18-jähriger (1978) mit dem elektronischen Akkordeon Hohner Electravox N auf einer Schulabschlussparty. Dank MIDI-Wizard ist die Verbindung aus MIDI- oder V-Accordion und ArrangerModul BK-7m auch für technische Laien ein Spiel. 57