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Abschaffung der Todesstrafe Praktische Hilfen Zitate von Gegnern der Todesstrafe ’Unwidersprochene’ Argumente gegen die Todesstrafe Argumentationskatalog zur Abschaffung der Todesstrafe Gnadengesuche Eingaben zur Abschaffung der Todesstrafe „Was Sie gegen die Todesstrafe tun können“ Aktionsvorschläge, Aufsatz- und Buchempfehlungen Einen Hinrichtungstermin erleben Materialien der ACAT Deutschland ACAT Deutschland · Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter e.V. · D59331 Lüdinghausen · Postfach 1114 Telefon 02591-7533 · Fax 02591-70527 · www.acat-deutschland.de · EMail: acat.eV@t-online Sparkasse Westmünsterland BLZ 40154530 · Konto 8664 Inhalt Seite Zitate von Gegnern der Todesstrafe 2 ’Unwidersprochene’ Argumente gegen die Todesstrafe 5 Argumentationskatalog zur Abschaffung der Todesstrafe 9 Gnadengesuche, Eingaben zur Abschaffung der Todesstrafe 16 „Was Sie gegen die Todesstrafe tun können“ Aktionsvorschläge, Aufsatz- und Buchempfehlungen 19 Einen Hinrichtungstermin erleben 23 Zitate von Gegnern der Todesstrafe (aus dem „Arbeitsbuch gegen die Todesstrafe“, amnesty international 1999) „Das Recht steht über Stimmungen, Volksmeinungen, Umfragen, Statistiken, es steht über Schlagzeilendemagogie und tagespolitischer Spekulation. Das 'gesunde' Volksempfinden hat sich in der Geschichte meistens als krank erwiesen." Heinrich Böll „Ein Staat, der Menschen dazu ermächtigt, andere Menschen kalten Blutes zu töten, untergräbt das Gebot der unbedingten Achtung vor dem menschlichen Leben. Die Todesstrafe erschüttert insofern die Geltungskraft des Tötungsverbots, die sie doch gerade schützen soll" Prof. Günter Stratenwerth „Die Todesstrafe, so wie sie angewandt wird, ist eine abscheuliche Schlächterei. Sie ist eine auferlegte Schmach für den Menschen und für den Körper des Menschen. Dieses Entzweischneiden, dieser entwurzelte lebende Kopf, das Blutspritzen, all dies rührt noch von einer barbarischen Zeit her, als man glaubte, das Volk durch entwürdigende Schauspiele beeindrucken zu können. Heute wird dieser unwürdige Tod verstohlen gehandhabt. Wo liegt also der Sinn der Hinrichtung?" Albert Camus „Die qualvolle, erniedrigende Angst, die dem Verurteilten monate- oder jahrelang auferlegt wird, ist eine schlimmere Strafe als der Tod und wurde dem Opfer nicht auferlegt." Albert Camus „In den USA fand eine Untersuchung statt. Dabei hat man bei 80% aller obduzierten Hingerichteten derartig gravierende Hirnschädigungen festgestellt, die, wären sie vorher dem Gericht bekannt gewesen, ein Todesurteil sicher ausgeschlossen hätten." Martin Buchhorn „Ihr wisst, dass es heißt: 'Auge um Auge, Zahn um Zahn'. Ich aber sage euch: Ihr sollt euch überhaupt nicht gegen das Böse wehren. Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch die linke hin." Mt. 5, 38-39 „Wer von euch noch nie gesündigt hat, werfe den ersten Stein". Joh. 8, 7 „Kernpunkt der Menschenrechte ist folgender Grundsatz: der Mensch, die Achtung vor dem menschlichen Wesen sind der Ursprung und Zweck des gesamten Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft. Sogar ein abscheuliches Verbrechen, das von einem Mörder begangen wird, befugt uns nicht, sein Beispiel nachzuahmen und unsererseits den wichtigsten Grundsatz der Menschenrechte zu missachten: die unumschränkte Achtung vor seiner Person, somit vor seinem Leben und in erster Linie vor seiner körperlichen Unversehrtheit. Es muss in diesem Zusammenhang zwangsläufig auch betont werden, dass alle demokratischen Länder hinsichtlich der Folter und der Todesstrafe dieselbe Haltung einnehmen sollten." R. Badinter, französischer Justizminister, 1985. 2 „Fehler aber können nirgendwo anders als in diesem Leben abgelegt werden, denn nach diesem Leben wird jedermann zuteil werden, was er sich in ihm erworben hat. Darum treibt uns die Liebe zum Menschengeschlechte, Fürsprache für die Schuldigen einzulegen, damit sie nicht durch die Todesstrafe in solcher Weise endigen, dass sie nach ihm noch eine endlose Strafe erleiden müssen... Aus eben diesem Grunde soll die Todesstrafe nicht angewandt werden, damit ein Verbrecher noch gebessert werden kann." Augustinus, Brief 89 „Wer eine Gerechtigkeit fordert, die tötet, wird von zwei Überzeugungen geleitet: der Überzeugung, dass es Menschen gibt, die absolut schuldig sind, d.h. Menschen, die für ihre Tat einzig und allein selbst verantwortlich sind; und von der Überzeugung, dass es eine Justiz gibt, die in ihrer sicheren Unfehlbarkeit sagen kann, dieser Mensch darf leben und jener muss sterben. Beide Behauptungen erscheinen mir gleichermaßen falsch. Gleichgültig, wie schrecklich und abscheulich die Taten auch sein mögen, es gibt keinen Menschen auf dieser Welt, der absolut schuldig wäre, für den wir jede Hoffnung aufgeben müssten. Gleichgültig, wie sorgfältig die Justiz vorgeht, wie vernünftig und sorgfältig die Männer und Frauen sind, die das Urteil sprechen: es sind Menschen, die das Urteil sprechen, und sie sind fehlbar." R. Badinter, französischer Justizminister 1981 „Sicherlich ist Mord - die Vernichtung des Lebens eines Mitmenschen - maßloses Unrecht, ist Schuld, deren Schwere sich nicht steigern lässt. Wer gemordet hat, den wird seine Schuld ein Leben lang begleiten. Aber ist die Tötung des Mörders die gebotene Sühne? Wird der Frevel der Vernichtung eines Lebens durch die Vernichtung eines weiteren Lebens gesühnt, die Heiligkeit des Lebens durch eine Verletzung in einem zweiten Fall wiederhergestellt?“ Hans-Jochen Vogel „Wie immer man den Staat versteht: die Todesstrafe steht ihm - auch in einem transzendentalen Verständnis - nicht eo ipso zu.“ Hans-Jochen Vogel „Ich betrachte die Todesstrafe als grausame und unmenschliche, unmoralische Einrichtung, die die moralischen und rechtlichen Grundlagen einer Gesellschaft unterminiert. Ein Staat, vertreten durch seine Beamten und Funktionäre, die wie alle Menschen verschiedenen Einflüssen, Verbindungen, Vorurteilen und egoistischen Beweggründen für ihr Verhalten unterworfen sind, nimmt sich das Recht zu einer furchtbaren, irreversiblen Handlung - nämlich menschliches Leben auszulöschen. So ein Staat kann keine Verbesserung der moralischen Atmosphäre in seinem Land erwarten. Ich weise zurück, dass die Todesstrafe irgendeinen maßgeblichen Abschreckungseffekt für potentielle Täter besitzt. Ich bin vielmehr überzeugt, dass das Gegenteil der Fall ist - nämlich, dass Gewalt und Grausamkeit nur wieder Gewalt und Grausamkeit bewirken. Ich lehne die Meinung ab, die Todesstrafe sei ein in der Praxis notwendiges oder zielführendes Mittel zur Verteidigung der Gesellschaft." Andrej Sacharow „Die Todesstrafe ist das bezeichnende und ewige Merkmal der Barbarei. Überall, wo die Todesstrafe angewendet wird, herrscht die Barbarei, überall, wo die Todesstrafe selten ist, herrscht die Zivilisation“ Victor Hugo 3 „Wenn man jemanden, der getötet hat, dafür tötet, so ist die Strafe unverhältnismäßig größer als das Verbrechen. Die Tötung auf Grund eines Urteilsspruches ist unverhältnismäßig schrecklicher als die von einem Räuber begangene. Derjenige, den Räuber töten, wird bei Nacht ermordet, im Walde, oder sonst auf irgendeine Weise; in jedem Falle hofft er noch bis zum letzten Augenblick auf Rettung. Aber hier ist einem die ganze letzte Hoffnung, mit der das Sterben zehnmal so leicht ist, mit Sicherheit genommen. Hier ist ein Urteilsspruch, und die ganze schreckliche Qual besteht in dem Bewusstsein, dass man mit Sicherheit dem Tode nicht entgehen kann, und eine schlimmere Qual als diese gibt es auf der Welt nicht. ... Wozu eine solche grässliche unnütze zwecklose Marter? ... Von dieser Qual und von diesem Schrecken hat auch Christus gesprochen. Nein, so darf man mit einem Menschen nicht verfahren!" F.M. Dostojewski: Der Idiot "Einer, der genießerisch seinen Morgenkaffee trinkt und in der Zeitung liest, dass 'der Gerechtigkeit Genüge' getan worden sei, würde seinen Kaffee wieder von sich geben, erführe er auch nur die kleinste Einzelheit." Albert Camus „Die Strafe, die züchtigt, ohne zu verhüten, heißt in der Tat Rache. Sie ist beinahe eine mathematische Antwort der Gesellschaft an den Übertreter ihres Grundgesetzes. Diese Antwort ist so alt wie die Menschheit: sie nennt sich Vergeltung. Wer mir Leid zugefügt hat, soll leiden; wer mir ein Auge ausgestochen hat, soll ein Auge verlieren, wer getötet hat, soll sterben. Es handelt sich dabei um ein Gefühl, und zwar um ein ausnehmend heftiges, nicht um einen Grundsatz. Die Vergeltung gehört in den Bereich der Natur und des Triebes, nicht in den des Gesetzes. Das Gesetz kann seinem Wesen nach nicht den gleichen Regeln gehorchen, wie die Natur. Wenn der Mord in der Natur des Menschen liegt, ist das Gesetz nicht dazu da, diese Natur nachzuahmen. Es ist dazu da, sie zu verbessern. Die Vergeltung aber beschränkt sich darauf, eine bloße Regung der Natur zu bestätigen und ihr Rechtskraft zu verleihen. Wir alle haben diese Regung oft zu unserer Schande empfunden, wir kennen ihre Macht: sie stammt aus den Wäldern der Urzeit." Albert Camus "Wie der Staat seine Rechtsbrecher behandelt, kennzeichnet seinen Geist. Die Todesstrafe gehört zum autoritären Staat, zum Terrorstaat, zur Diktatur, gehört nicht zur freiheitlichen Demokratie." Thomas Dehler 4 ’Unwidersprochene’ Argumente gegen die Todesstrafe (aus dem „Arbeitsbuch gegen die Todesstrafe“, amnesty international 1999) 1 Unumschränktes Recht auf Leben Das zentrale Anliegen moderner rechtsstaatlicher Verfassungen ist es, den Schutz des menschlichen Lebens uneingeschränkt zu garantieren. Die Generalversammlung der UNO verkündet 1948 in Art. 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: "Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person." Die Todesstrafe fällt aus dem Register der übrigen Strafen: da sie irreversibel ist, lässt sie sich mit keiner ändern vergleichen; keine andere Strafe löscht die Persönlichkeit eines Täters vollständig aus und bestreitet somit grundsätzliche Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben. "Genau das hören wir von Regierungen immer wieder, dass sie nicht 'Menschen’ foltern und einsperren. Sie foltern und verfolgen 'Terroristen' oder 'Kommunisten' oder 'Konterrevolutionäre' oder 'CIA-Agenten'. Diese Regierungen werden nur ungern daran erinnert, dass die Menschenrechte sich gerade durch ihre Unveräußerlichkeit auszeichnen. Die Menschenrechte sind nicht vom Staat verliehene Anerkennungen für gutes Betragen, die bei schlechtem Benehmen wieder entzogen werden. Nur ist es schlicht schwierig, jemanden zu töten, den man als menschliches Wesen anerkennt, der offensichtlich dieses mit uns gemeinsam hat. Deshalb wird sowohl bei Folterungen als auch bei Hinrichtungen das Opfer oft unter einer Kapuze versteckt. Müsste man ihm in die Augen sehen, wäre man zu stark daran erinnert, dass es ein menschliches Wesen ist wie man selbst."1 (Larry Cox, stellvertretender Direktor von amnesty international, USA) 2 Justizirrtum wird zum Justizmord Bei keiner Strafe ist ein Justizirrtum auszuschließen. Ist eine Strafe aber irreparabel wie die Todesstrafe, lädt die Gesellschaft sich durch ein Fehlurteil eine Schuld auf, die sie nicht tragen kann. Die gerichtlichen Untersuchungsmethoden haben sich zwar im Laufe der Zeit ständig gebessert, doch ist es falsch zu glauben, die heutigen Urteile seien frei von Irrtümern. Es sind im Gegenteil bestens dokumentierte Justizirrtümer aus jüngerer Zeit bekannt. Als ein eindrückliches Beispiel für viele sei hier jenes von John Evans aufgeführt: John Evans wurde am 9. März 1950 in London hingerichtet. Er war wegen der Ermordung seiner Ehefrau und seines Babys zum Tode verurteilt worden. Hauptbelastungszeuge war der Nachbar und Expolizist Christie. Drei Jahre später fand die Polizei zufällig hinter Mauern und unter dem Fußboden Christies früherer Küche die Leichen von vier Frauen. Vor Gericht gab Christie dann auch den Mord an Evans Familie zu. Evans war damit posthum entlastet, aber ein skandalöses Verhalten der Justizbehörden verhinderte, dass er rehabilitiert wurde. Wohl selten schien ein Fall so klar zu sein; das Beweismaterial gegen Evans war erdrückend. Besonders bedenklich ist gerade, dass der Justizmord an Evans unvermeidlich war; auch heute müsste ein Gericht gleich entscheiden. In vielen Prozessen kommt dem Inhalt eines Geständnisses entscheidende Bedeutung zu. Doch ist gerade das Geständnis kein unbedingt zuverlässiges Beweismittel: falsche Geständnisse kommen vor und können einen Justizirrtum verursachen. 1 Rede, gehalten auf der Jahresversammlung der US-Sektion am 23. Juni 1984 in Chicago 5 Auch der Umstand, dass die den Gerichtsentscheid beeinflussenden Gutachten - wenn auch von Spezialisten erstellt - zum Teil von unterschiedlicher Qualität sind und erwiesenermaßen zu Fehlurteilen geführt haben, muss nachdenklich stimmen: Roosevelt Wilson, ein Schwarzer, 1937 in den USA der Vergewaltigung einer Weißen angeklagt, war den Geschworenen nur vier Minuten der Urteilsfindung wert - er verschied wenig später auf dem elektrischen Stuhl. Sein angebliches Opfer gab später zu, sich geirrt zu haben. Fehlurteile wiegen im Fall der Todesstrafe mindestens ebenso schwer wie ein Mord: sie sind nicht wiedergutzumachen. Schon nur um dieses nie ganz auszuschließenden Risikos willen, darf kein Gerichthof ermächtigt sein, ein Todesurteil zu verhängen. 3 Willkür der Todsstrafe "Die Todesstrafe ist ein Privileg der Armen." (Clinton Duffy, früherer Gefängnisdirektor von San Quentin, USA) Der soziale Status eines Täters spielt bei der Verhängung von Todesurteilen eine entscheidende Rolle. Bestes Beispiel hierfür liefert die USA: 40% aller Todeskandidaten in den USA waren Schwarze, die nur 10% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Oder: eine Untersuchung von Todesurteilen in Kalifornien ergab, dass von Arbeitern, die einen Mord begingen, 42% zum Tode verurteilt wurden, während die vergleichbare Zahl bei Beamten und Angestellten bei 5% lag. Oder: die Ermordung eines Weißen wird mit zehnmal (!) größerer Wahrscheinlichkeit mit dem Tod bestraft wie der Mord an einem Schwarzen, wie aus einer Studie über Todesurteile im Bundesstaat Florida hervorgeht. Das alles zeigt deutlich, dass Rassismus und Todesstrafe direkt zusammenspielen: Rassen- und Klassenvorurteile beeinflussen ein Gerichtsverfahren, indem sie stillschweigend in die Anklageformulierung einfließen. "Während meiner Zeit als Gouverneur habe ich gelernt, dass alle Todeskandidaten etwas gemeinsam haben: sie sind arm. Es gibt noch andere Gemeinsamkeiten - geringe Intelligenz, wenig oder gar keine Bildung, wenige Freunde, zerrüttete Familien - aber die Tatsache, dass sie kein Geld hatten, war einer der Hauptfaktoren bei ihrer Verurteilung zum Tod." (ehem. Gouverneur von Ohio, Disalle) "Wenn wir das Geld hätten, um einen prominenten Anwalt zu verpflichten, wäre Tim nie soweit gekommen. Die Verhandlung wäre aufgegeben worden, weil überhaupt keine genügenden Beweise vorhanden waren, um ihn zu verurteilen. Als sie zurückkamen mit dem Verdikt 'schuldig' bin ich beinahe ohnmächtig geworden. Ich ging in Stücke. Ich konnte nach dem Beweismaterial nicht glauben, dass sie ihn tatsächlich verurteilen und zurückkommen konnten mit der Todesstrafe." (Zel Hanson, Verlobte des TodeskandidatenTimothy Morris (30) im Tennessee State Prison) Die Todesstrafe dient also nachweisbar auch zur Stärkung des sozialen Gefälles, zur Aufrechterhaltung sozialer Ungerechtigkeit und der Vertiefung rassistischer Strukturen. Daneben verfolgt die Todesstrafe - besonders in jüngster Zeit - noch einen weiteren, nicht weniger willkürlichen Zweck: der Verfolgung politischer Gegnerschaft. Die Todesurteile, die über Oppositionelle im Iran, in der Türkei, in Südafrika verhängt werden, machen dies nur allzu deutlich. Mit solchen Überlegungen wird dann auch am besten ersichtlich, dass die Todesstrafe 6 genau jene Strafe ist, die nicht den eigentümlichen Sinn einer Strafe beinhaltet, nämlich den der Sühne. 4 Sühne - Reue Jeder Mensch hat das Recht, eine Untat - und sei es die schlimmste - sühnen zu dürfen; den Versuch zu wagen, sie wiedergutzumachen. Um eine Tat zu sühnen, muss das Verbrechen zuerst bereut werden. Die Reue kann ein erster Schritt zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft sein. Die Todesstrafe jedoch schließt die Reue, und damit jede Möglichkeit einer Besserung völlig aus. 5 Schuld des Einzelnen - Schuld der Gesellschaft Die wenigsten Morde werden kalten Blutes und mit ruhiger Überlegung ausgeführt, sondern im Affekt. In einem solchen Zustand von psychischer Übererregung kann grundsätzlich jeder Mensch kommen. Indem man einen Mörder zum Tode verurteilt, schiebt man ihm die alleinige Schuld zu. Die Umstände und die Motive der Tat, sowie das Persönlichkeitsbild des Täters spielen keine Rolle. Eine Mitschuld der Gesellschaft (Erziehung, familiäre Verhältnisse, Arbeitsplatz, etc.) wird dadurch ausgeschlossen. In Wirklichkeit können aber gerade die sozialen Verhältnisse Auskunft über die Motive einer Tat und über die Person eines Täters geben. Indem man den Täter hinrichten lässt behandelt man den Menschen losgelöst von seinem sozialen Umfeld, schiebt ihm die alleinige Schuld zu und meint, das Verbrechen sei damit gesühnt. Der entschlossene Vollzug der Todesstrafe in den USA zeigt nicht nur den 'blutrünstigen Charakter der amerikanischen Gesellschaft’, wie ein Vertreter der American Civil Liberties Union erklärte, sondern die kriminellen Handlungen sind auch ein Indiz für das soziale Gefalle und das Maß an herrschender Ungerechtigkeit. Insofern hat jede Gesellschaft die Verbrecher, die sie verdient (und verurteilt). An diesem Zustand ändert die Todesstrafe nicht das geringste. (A. Schmidt, BAZ Magazin 12/84) 6 Der "Sündenbock" Oft engagieren sich völlig Unbeteiligte stark für die Vergeltung; sie wollen, dass ein Verbrecher hingerichtet wird. Heimlich findet eine Identifikation statt: die fremde Tat und Schuld wird insgeheim wie eine eigene Tat angesehen. Im Unbewussten nagt das Wissen, dass man das gleiche Verbrechen auch hätte begehen können, wenn man den eigenen Instinkten der Grausamkeit nachgegeben hätte. Diese verdrängten Neigungen, die immer wieder Schuldgefühle hervorrufen, können nun auf eine konkrete Person übertragen werden: den Täter. Nach möglicher Schuld oder Unschuld des Angeklagten wird oft nicht gefragt; als Sündenbock muss er für das Wohl der Gemeinschaft sterben, denn, indem er vernichtet wird, werden die andern im Moment von ihren Schuld- und Angstgefühlen befreit. Die früher üblichen öffentlichen Hinrichtungen waren immer auch ein Ventil für angestaute Schuldgefühle und ein momentaner Ausweg aus Zwängen, die man eigentlich als unerträglich empfand. Deshalb gaben sie oft Anlass zu eigentlichen Volksfesten: im alten Athen zum Beispiel wurden zwei arme, verlassene Menschen ein Jahr lang auf Staatskosten ernährt. Zum Sühnefest der Thargelien schmückte man die zwei, geißelte sie und führte sie durch die Stadt. Ihre Aufgabe war es, alle Sühne und Schuld auf sich zu nehmen. Dann wurden sie von einem Felsen gestürzt und verbrannt. Mit der Auflösung der Körper dieser Opfer, so glaubte man, sei alle Schuld der Bürger ausgelöscht. 7 Auch heute haften dem Ruf nach der Todesstrafe noch solche Triebregungen an, Schuld- und Angstgefühle, die abreagiert sein wollen. Dazu dient der ’Schuldige’, der 'Sündenbock'. 7 Die Schwierigkeit, Mord und Totschlag zu unterscheiden Die meisten Befürworter der Todesstrafe sind sich einig, dass diese nur für Mord in Betracht kommen könne. Der Begriff 'Mord' lässt sich aber nicht eindeutig vom 'Totschlag' abgrenzen. Nach deutschem Strafrecht ist ein Mörder, 'wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln, oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet'. (§ 211 StGB) Es wird immer wieder Grenzfälle geben, die sich nicht klar in die Begriffskategorien 'Mord’ oder 'Totschlag’ einordnen lassen. Die Forderung nach dem Tod eines Gewalttäters wird umso mehr lauter erhoben, je grässlicher die Tat war. Aber gerade solche Taten können wohl nur von seelisch kranken Menschen begangen werden. 8 Aspekte der Grausamkeit Nach allen Überlegungen gegen die Todesstrafe, darf die Frage nach der Hinrichtungsmethode nicht vergessen werden. Es muss bedenklich stimmen, dass es bisher scheinbar nicht möglich war, eine schmerzfreie Methode zu entwickeln, was angesichts des heutigen medizinischen Wissensstandes fast unverständlich ist. Zur Todesstrafe scheint also auch zu gehören, dass sie nebst ihrer absoluten Unmenschlichkeit eine Folterung darstellt, das heißt, dem Opfer absichtlich unnötige Schmerzen verursacht: Hängen, der elektrische Stuhl, die Gaskammer führen nicht unbedingt zum sofortigen Tod und fügen dem Todeskandidaten oft sehr qualvolle Schmerzen zu. Das verabreichen von intravenösen Todesspritzen, das jüngst als schmerzfreie Methode deklariert wurde, setzt voraus, dass das Opfer absolut stillhält und zudem über eine sehr dünne Fettschicht verfügt. Sie ist deshalb auf die wenigsten Todeskandidaten überhaupt anwendbar. So haben alle Hinrichtungsmethoden bis heute diesen Moment der Grausamkeit, der Folter, beibehalten. Als früherer Farmer und Pferdezüchter weiß ich, was es bedeutet, wenn ein verletztes Pferd erschossen werden muss. Heute ruft man den Tierarzt, der ihm eine Spritze gibt, und das Pferd schlaft ein - das ist alles. Ich habe selbst darüber nachgedacht, ob dies nicht auch unser Problem (mit der Todesstrafe) betrifft und ob wir uns nicht heute nach noch humaneren Methoden umschauen sollten - die einfache Spritze oder den Tranquilizer. Ronald Reagan, 1979 (In: Der Spiel, Nr. 14/1984) Nach dem Spritzen-Tod des Häftlings Brooks eröffnete die Nation einen neuen, amtlich inszenierten Todesreigen: Im April 1983 schnallten Vollzugsbeamte John Lewis Evans, 33, auf den elektrischen Stuhl. Es war die erste Hinrichtung in Alabama seit 1965. Zugleich war es, wie der Evans-Anwalt beobachtete, 'eine Verbrennung am lebendigen Leibe’. Dreimal schalteten die Exekutoren den 2000-Volt-Stromkreislauf ein. Evans sprühte Funken. Kleine Flamen züngelten wie ein Elmsfeuer um seinen Kopf, Rauch stieg an seinen Beinen empor. "Im Namen der Menschlichkeit" flehte der Verteidiger, "hört auf!" Nach mehr als 10 Minuten entsprachen die Beamten dem Wunsch. Der Delinquent war endlich tot. (ebenda) 8 ARGUMENTATIONSKATALOG zur Abschaffung der Todesstrafe (aus dem „Arbeitsbuch gegen die Todesstrafe“, amnesty international 1999) 1 Grundsätzliches zur Strafe Bevor man sich im Folgenden mit den Argumenten für und wider die Todesstrafe auseinandersetzt, ist es nicht ganz unnütz, sich vorweg einige Gedanken über Sinn und Zweck von Strafe im Allgemeinen zu machen. Fünf solcher Zwecke sollen hier aufgeführt werden: - dem Opfer Genugtuung verschaffen (im alten Brauch der Blutrache und im Gesetz der Vergeltung von Gleichem mit Gleichem zu finden); - ein Exempel für die Allgemeinheit zu statuieren; - den Delinquenten selbst einzuschüchtern; - Die Gesellschaft zu schützen und zu verhindern, dass der Delinquent von neuem Schaden anrichten kann; - eine Besserung der Verurteilten herbeizuführen (was heute als erstes Ziel des Strafvollzugs angesehen wird). Aber - und hier scheint Nietzsches Urteil nicht ganz unangemessen: "Es ist heute unmöglich, bestimmt zu sagen, warum eigentlich gestraft wird: alle Begriffe, in denen sich ein ganzer Prozess semiotisch zusammenfasst, entziehen sich der Definition; definierbar ist nur das, was keine Geschichte hat. Um wenigstens eine Vorstellung davon zu geben, wie unsicher, wie nachträglich, wie accidentiell 'der Sinn' der Strafe ist und wie ein und dieselbe Prozedur auf grundverschiedene Absichten hin benutzt, gedeutet, zurechtgemacht werden kann: so stehe hier das Schema, das sich mit selbst auf Grund eines verhältnismäßig kleinen und zufälligen Materials ergeben hat. Strafe als Unschädlichmachen, als Verhinderung weiteren Schädigens. Strafe als Bezahlung des Schadens an den Geschädigten, in irgendeiner Form (auch in der einer Affekt-Compensation). Strafe als Isolierung einer Gleichgewichts-Störung, um ein Weitergreifen der Störung zu verhüten. Strafe als Furchteinflössen vor denen, welche die Strafe bestimmen und exekutieren. Strafe als eine Art Ausgleich für die Vorteile, welche der Verbrecher bis dahin genossen hat (zum Beispiel, wenn er als Bergwerkssklave nutzbar gemacht wird). Strafe als Ausscheidung eines entartenden Elementes (unter Umständen eines ganzen Zweigs, wie nach chinesischem Recht: somit als Mittel zur Reinerhaltung der Rasse oder zur Festhaltung eines sozialen Typus). Strafe als Fest, nämlich als Vergewaltigung und Verhöhnung eines endlich niedergeworfenen Feindes. Strafe als ein Gedächtnismachen, sei es für den, der die Strafe erleidet - die so genannte 'Besserung', sei es für die Zeugen der Exekution. Strafe als Zahlung eines Honorars, Ausbeutungen seitens der Macht, welche den Übeltäter vor den Ausschweifungen der Rache schützt. Strafe als Kompromiss mit dem Naturzustand der Rache, sofern letzterer durch mächtige Geschlechter noch aufrechterhalten und als Privilegium in Anspruch genommen wird. Strafe als Kriegserklärung und Kriegsmaßregel gegen einen Feind des Friedens, des Gesetzes, der Ordnung, der Obrigkeit, den man als gefährlich für das Gemeinwesen, als vertragsbrüchig in Hinsicht auf dessen Voraussetzungen, als einen Empörer, Verräter und Friedensbrecher bekämpft, mit Mitteln, wie sie eben der Krieg an die Hand gibt. " (Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral. 1887. Abhandl. 2, Aph. 13) 9 2 Abschreckung PRO Die Todesstrafe wirkt abschreckend. Unter Androhung der Todesstrafe überlegt sich mancher Täter seine Tat zweimal. KONTRA Keine wissenschaftliche Untersuchung und keine Statistik konnten bisher einen kausalen Zusammenhang Abschaffung der Todesstrafe - Rückgang der Kriminalität nachweisen. Im 18. Jh. wurde in England sogar Taschendiebstahl mit dem Tod durch den Strang bestraft. Während der öffentlichen Hinrichtungen von Taschendieben benutzen immer wieder "Berufskollegen" die günstigen Gelegenheiten im Gedränge, um die Taschen der Schaulustigen zu leeren. Drastischer kann man die Unwirksamkeit der Abschreckung nicht belegen. Würde die staatliche Todesdrohung wirklich greifen, hätte man mit ihr längst das gesamte Verbrechen ausgerottet. Der Affekttäter ist zum Zeitpunkt der Tat sowieso unfähig, mögliche Folgen zu bedenken, und wer vorsätzlich handelt, rechnet fest damit, dass man gerade ihn nicht schnappt. Seelisch kranke Täter kann die besondere Aufmerksamkeit, die dem Insassen der Todeszelle zuteil wird, direkt faszinieren und erst recht zur Tat antreiben. Nirgendwo auf der Welt hat nach der Abschaffung der Todesstrafe die Kriminalität zugenommen. Ursachen für kriminelles Verhalten sind in den komplexen seelischen und gesellschaftlichen Bedingungen des menschlichen Daseins zu suchen. Es ist naiv zu glauben, diese Problematik sei mit dem Dampfhammer der Todesstrafe zu lösen. "Als ob ich an die Konsequenz gedacht hätte. Das ist, wie wenn die Leute denken, die Todesstrafe sei ein Abschreckungsmittel gegen Verbrechen. Sie ist es nicht, denn ich habe nicht einmal daran gedacht, dass ich erwischt werden könnte. Wenn ich daran gedacht hätte, dass ich erwischt werden könnte, nachdem ich gerade elf Jahre im Gefängnis war und erst 28 Tage draußen, hätte ich den Raub gleich gelassen. Niemand raubt oder stiehlt und denkt dabei, er könnte gefasst werden. Sie tun es, weil sie glauben, sie würden nicht gefasst." (Richard Harris, 33, Todeskandidat im Tennessee State Prison, USA - in Weltwoche Magazin Nr. 45/1982) 3 Vergeltung PRO "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Gerechtigkeit heißt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. KONTRA Wer sich schon aufs Alte Testament beziehen will, sollte das 6. Gebot, das ebendort steht, nicht übersehen: Du sollst nicht töten. (2. Moses 20) Die klassische Metapher 'Auge um Auge ...' besticht auf Anhieb durch ihre selbstverständliche 10 2 Logik. Viele Menschen sehen in der Vergeltung eine Art Naturrecht. Je unschuldiger das Opfer ist, desto legitimer erscheint das spontane Rachebedürfnis. Wenn schon die Gesellschaft die persönliche Rache allenfalls im Film zulässt ("Ein Mann sieht rot"), dann soll wenigstens die Justiz den primitiven Rachedurst löschen - so ist man dabei und hält bequem seine Weste weiß. Heimzahlen ist Trumpf - Tatumstände und Persönlichkeitsbild des Täters können ungeachtet bleiben. Das Strafrecht im modernen Rechtsstaat ist längst dem Einfluss des "gesunden Volksempfindens" entzogen und bewertet auch Tötungsdelikte differenziert. Der Verzicht auf die Todesstrafe gehört - wie die Ideen von Gleichberechtigung und Toleranz - in die Reihe der wenigen ganz großen Errungenschaften der Menschheit: statt ihn leichtfertig wieder aufs Spiel zu setzen, sollte man ihm überall zum Durchbruch verhelfen. Die Todesstrafe hat in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geistes keine Zukunft. Das Verbrechen wird durch die Hinrichtung des Täters weder gemindert noch ungeschehen gemacht. Der einzige Zweck einer Hinrichtung liegt in der Befriedigung moralisch nicht zu rechtfertigender Rachebedürfnisse. Will der Staat einer Straftat moralisch überlegen sein, darf er sie auch unter dem Deckmantel eines Gesetzes nicht nachvollziehen. 4 Schutz der Gesellschaft PRO "Wer die Rübe ab hat, bringt keinen mehr um." Wer potentiell dazu veranlagt ist, Menschenleben zu vernichten, muss aus der Gesellschaft eliminiert werden. Die sicherste Eliminierung ist der Tod. KONTRA Die Meinung ’wer einmal tötet, tötet immer wieder’ lässt sich statistisch nicht belegen. Ist eine Gesellschaft von Gewaltkriminalität bedroht, ist die Todesstrafe nur eine Pseudoschutzmaßnahme gegen Gewaltstrukturen, die tiefer angesiedelt sind. Ohne Zweifel muss die Gesellschaft vor gefährlichen Menschen geschützt werden. Die Inhaftierung von Gemeingefährlichen ist heut technisch weitgehend lösbar. Anderseits gesteht der humane Staat dem Delinquenten auch ein Recht auf Besserung und Wiedereingliederung zu. Die Rückfallquote nach langjährigen Haftstrafen ist ja auch sehr niedrig. Mit einem kleinen Restrisiko muss die Gesellschaft leben, auch wenn es im Einzelfall von Sensationspresse und Straßenmeinung zum Popanz aufgebläht wird. Der Staat anerkennt das Recht auf Leben und verlangt die Respektierung dieses Grundsatzes von allen seinen Bürgern: es steht ihm daher nicht zu, ihn zur Befriedigung irgendwelcher Sicherheitsbedürfnisse zu verletzen. 2 Stellt man die Metapher in den Kontext des Alten Testaments zurück, erkennt man ihre ursprüngliche Bedeutung: nicht Rache prinzipiell wird damit gefordert, sondern Beschränkung derselben und Eindämmung einer unendlichen Vergeltungsspirale. Die archaischen Strukturen, denen die Formel entstammt, kann denn auch kaum mehr Gültigkeit für uns haben, selbst das jüdische Volk, das sich auf das AT bezieht, beruft sich darin nicht auf die besagte Stelle, sondern auf das 6. Gebot – Du sollst nicht töten –. 11 5 Terrorismus als Sonderfall PRO Terroristen greifen den Staat und die menschliche Gemeinschaft an den Wurzeln an. Sie halten ihre Taten für grundsätzlich berechtigt und würden nie Reue bekunden. Nur die Tötung eines inhaftierten Häftlings kann Freipressungen und das daraus folgende Gewaltkarussell stoppen. KONTRA Die Todesstrafe hält Terroristen nicht von ihrer Tat ab: als Überzeugungstäter setzen sie ihr Leben immer aufs Spiel, denn mit nichts anderem lässt sich die angebliche Brutalität der bekämpften staatlichen Ordnung schöner beweisen. Die Reue ist nicht die Bedingung schlechthin, von der Gesellschaft rehabilitiert zu werden. Zwischen der Gefangennahme und der Vollstreckung des Urteils verstreicht mindestens ein Jahr. Diese Zeit stünde den Terroristen für Gegenanschläge zur Verfügung. Nur Standgerichte können absolute Sicherheit garantieren, aber diese sind mit Rechtsstaatlichkeit niemals zu vereinbaren. Terroristische Angriffe werden oft erst durch die panische Reaktion von Staat und Öffentlichkeit zur Bedrohung. Nach der Freipressung von deutschen Terroristen im Fall Lorenz kam die Meinung auf, dass inhaftierte Terroristen eine ständige Gefahr darstellten, die allein durch die Tötung der Häftlinge zu beseitigen sei. Diese These wird schon dadurch widerlegt, dass unterdessen Dutzende von europäischen Terroristen seit vielen Jahren in Haft gehalten werden, ohne dass weitere Freipressungen gelungen wären. Allerdings bereiten Terroristen der Gesellschaft erhebliche Unannehmlichkeiten; aber auch die Tatsache, dass Terroristen nach Verbüßung ihrer Strafe erneut im Milieu untergetaucht sind, darf nicht den Vorwand liefern, den übergeordneten Rechtsgrundsatz der Unantastbarkeit des Lebens zu opfern. "Wenn man argumentieren würde, dass ein Verbrecher nicht wegen der Grausamkeit seiner Tat, sondern wegen der politischen Motivation der Tat hingerichtet werden soll (d. h. andere Verbrecher, die gleich grausame Taten aus privaten Motiven ausführen, könnten nicht hingerichtet werden,) wäre das gleichbedeutend, wie den Täter vielmehr wegen seiner politischen Meinung als wegen seiner Tat zu bestrafen." (Douwe Korff, Max-Planck-Institut, Freiburg) 6 Verwirkung PRO Wer tötet, hat sein eigenes Leben verwirkt. Wieso soll das Leben des Täters höher geschätzt werden als jenes des Opfers? KONTRA Das Recht auf Leben ist an keine Bedingung gebunden. Das Leben des Opfers wird durch die Hinrichtung des Täters weder aufgewertet, noch zurückgegeben. Nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus dürfte eigentlich kein Mensch mehr Anderen das Recht auf Leben absprechen. Mit der Vollstreckung der Todesstrafe maßt sich der Mensch eine 12 Quasi-Schöpfer-Rolle an. Nach modernem Verständnis ist der Staat keineswegs eine göttliche Einrichtung, sondern ein sehr menschlicher Versuch, das Zusammenleben von Menschen zu regeln. Der Staat kann irren und hat selber viele Schwächen. Wer Leben als unwert beurteilt und anderen Menschen - selbst wenn es Verbrecher sind - menschliche Qualitäten abspricht, begibt sich in gefährliche Nähe zu faschistischem Gedankengut. Außerdem stützt sich keine rechtsstaatliche Gesetzgebung auf den Verwirkungsgedanken: wer stiehlt, hat sein Recht auf Eigentum nicht grundsätzlich verwirkt! 7 Kosten einer lebenslangen Haft PRO Schwerverbrecher können als Staatpensionäre auf Kosten der Steuerzahler ein sorgenfreies Leben führen. Sie werden quasi mit unseren Steuergeldern durchgefüttert. KONTRA "Die gegenwärtigen Kosten einer Hinrichtung, die Kosten für den maximalen Sicherheitsapparat, die Zeit, bis zur Vollstreckung des Urteils, zusammen mit Anteil an der Besoldung der Sonderbeamten für die Verwaltung dieser besonderen Aufgabe übersteigen die Kosten für einen lebenslänglich Verurteilten". 3 (Richard McGae, ehemaliger Gefängnisverwalter, Kalifornien Abgesehen davon, dass eine langjährige Haftstrafe von ungeheurer Tragweite für einen Menschen ist: die humane Gesellschaft ist eine Solidargemeinschaft, die auch die Mittel zur Behandlung von Verbrechern bereitzustellen hat. Finanzielle Erwägungen - wenn sie zudem noch von niederen Motiven wie Missgunst und Rachesucht provoziert werden - und der Rechtsgrundsatz von der Unantastbarkeit des Lebens können ganz gewiss nicht auf derselben Ebene liegen. 8 Die öffentliche Meinung PRO Eine Demokratie muss auf den Volkswillen Rücksicht nehmen; in den meisten Staaten spricht sich eine Mehrheit für die Todesstrafe aus. "Vergeltung ist ein instinktiver Teil menschlicher Natur, und diesen Instinkt in der Anwendung des Strafrechts zu kanalisieren, dient dem wichtigen Zweck, die Ordnung einer Gesellschaft zu fördern." 4 (Oberste US-Richter - Stewart, Powell, Stevens - 1976) KONTRA Die öffentliche Meinung ist immer gefährlich, insofern 'Meinung' nicht Wissen heißt. Besagter menschlicher Instinkt kann nicht in Abrede gestellt werden. Er kann aber niemals Entscheidungsgrundlage für eine Institution wie die Justiz sein: der Richter fällt sein Urteil nicht instinktiv, sondern nüchtern und emotionslos. 3 in: Brown, Statement on Capital Punishment. 1963 S. 5. 4 in: der Spiegel Nr. 14/1984. 13 Der moderne Rechtsstaat ist eine Demokratie, aber mit gutem Grund keine totale. Das alte Athen hat mit seinen von der Strasse diktierten Volksbeschlüssen den eigenen Untergang eingeleitet. Heute sind Macht und Verantwortung vom Souverän an gewählte Vertreter delegiert. Sie sind ihrem Sachverstand und ihrem Gewissen und nicht Volkes Stimme verpflichtet. Die Öffentlichkeit urteilt umso radikaler, je oberflächlicher sie informiert ist. Jedes Land lässt seine Beziehungen zum Ausland von Diplomaten und nicht vom Biertisch aus regeln. In diesem Zusammenhang ist die Bereitschaft von Politikern, sich vor der Entscheidung in wichtigen Gewissensfragen in demoskopische Umfragen und Vernehmlassungen zu drücken, problematisch. Noch aber befürwortet die große Mehrheit der Fachleute - Kriminologen, Strafrechtler, Soziologen, Psychologen, Richter und Staatsanwälte - die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. Ob die Todesstrafe in der Verfassung eines Landes festgeschrieben wird, ist eine Frage der politischen und ethischen Kultur. 9 Lebenslang versus Todesstrafe PRO Niemand kann als Außenstehender behaupten, die Todesstrafe sei grausamer als eine lebenslange Haft. Ein Leben in unabsehbarer Unfreiheit ist kein Leben mehr. KONTRA Der entscheidende Unterschied zwischen Todesstrafe und lebenslanger Haft ist, dass die Todesstrafe das Leben unwiederbringlich macht - jede Form von Leben. Es gibt keine allgemeingültige Formel dafür, was 'Leben’ ist - es lässt sich somit auch nicht an die Bedingung der Freiheit knüpfen. Es ist tatsächlich von einem Außenstehenden nicht nachzuvollziehen, was es heißt, bis zu seinem natürlichen Tod eingesperrt zu bleiben. Aber lebenslange Haft muss immer die Möglichkeit einer Entlassung in sich bergen. Auch der Europarat hält fest, dass lebenslange Haft ohne Hoffnung auf Entlassung unmenschlich sei, dass es immer Mittel geben müsse, um jemanden zu entlassen, ansonsten die Strafe den Zweck verfehle. 10 Ausnahme Krieg PRO Während des 2. Weltkrieges wurde in der Schweiz mit der Vollstreckung von Todesurteilen Abwehrbereitschaft gegenüber dem Ausland signalisiert und die Moral von Truppen und Volk gestärkt. KONTRA Es ist im Gegenteil ein Zeichen moralischer Stärke, wenn ein Staat es sich auch im Kriegsfall leisten kann, rechtsstaatliche Grundsätze beizubehalten Die Hinrichtung eines Verräters ist fraglos eine populäre Sache, der psychologische Effekte nicht abgesprochen werden können. Der Abschreckungseffekt dürfte allerdings noch geringer als in Friedenszeiten sein. Da fast immer kurzer Prozess gemacht werden muss und weil politische 14 Überlegungen und öffentliche Meinung drücken, erhöht sich die Gefahr von Fehlurteilen. Nach dem Krieg sind deshalb zu Recht unter Beschuss geraten die Urteile gegen den Schweizer Ernst S. und gegen den USDeserteur Eddy Slovik. Beide Hinrichtungen waren für die Sicherheit des Staates völlig bedeutungslos und hätten in Friedenszeiten von keinem Gericht veranlasst werden können. Die Exekution eines gefassten Verräters im Krieg ist das Töten eines Entwaffneten, eine Notwehrsituation ist nicht mehr gegeben. Der angerichtete Schaden lässt sich wie bei allen anderen Verbrechen durch die Hinrichtung weder verhindern noch wiedergutmachen. 15 Wie man Gnadengesuche stellt und um die Abschaffung der Todesstrafe bittet (aus dem „Arbeitsbuch gegen die Todesstrafe“, amnesty international 1999) Man muss zwei Arten von Forderungen unterscheiden: 1. Briefe mit der Bitte um Begnadigung, die in aller Regel an das Staatsoberhaupt gesandt werden. 2. Briefe an Politiker wie z.B. Minister, Abgeordnete usw. mit der Aufforderung, die Todesstrafe auf gesetzlichem Wege abzuschaffen. 1. Bitte um Begnadigung Die Begnadigung ist ein Akt der Milde, d.h. die Begnadigung steht am Ende des juristischen Verfahrens. Der Gnadenakt kann also frühestens dann vollzogen werden, wenn ein Todesurteil verhängt wurde, in vielen Ländern aber auch erst, wenn alle Instanzen durchlaufen wurden und es keine weitere Möglichkeit mehr auf dem juristischen Wege gibt. Der Zeitraum zwischen Urteilsverkündung und Hinrichtung reicht von wenigen Stunden, z.B. Iran und China, über wenige Tage und Monate, z.B. UDSSR, Nigeria, Pakistan, bis zu Jahren oder Jahrzehnten, z.B. USA, Japan und Saudi Arabien. AI erfährt von anstehenden Hinrichtungen manchmal nur sehr kurzfristig. Daraus ergeben sich zwei Formen von Möglichkeiten zu appellieren: a) Telegramme b) Briefe Telegramme können, wegen der Kosten und von ihrer Form her, sehr kurz sein. Sie enthalten nur die verkürzte Telegrammadresse mit Anrede (President oder His/Her Excellency), einen Kurztext, Name als Unterschrift. Sie können beim Postamt oder auch per Tel. aufgegeben werden. Die Kosten richten sich nach Entfernung und Land. Was ist bei der Bitte um Begnadigung zu beachten? 1. Adresse richtig und vollständig angeben (Titel nicht vergessen!). Absender und Datum angeben. Auf die richtige Anrede achten. 2. Alle Einzelheiten des Falles, soweit bekannt, erwähnen (Name, Datum, Ort der Verurteilung, Name des Gerichtes). 3. Um eine Umwandlung des Urteils ersuchen. Jedoch keine Vorschläge machen, in welche Strafe das Urteil umgewandelt werden soll ! 4. Als Privatperson (auch in einer besonderen Berufseigenschaft) schreiben oder im Namen 16 von amnesty. Wird im Namen von ai geschrieben, auf jeden Fall darauf hinweisen, dass ai die Todesstrafe weltweit und für alle Fälle ablehnt. 5. Gründe / Argumente gegen die Todesstrafe schreiben. 6. Es gibt internationale Richtlinien, Pakte und Abkommen, z.B. die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, d i e zu erwähnen sind. 7. In einer sehr höflichen Form schreiben, in Englisch oder Deutsch. Es ist besser, gutes Deutsch als schlechtes Englisch zu schreiben. Nicht in einer Sprache schreiben mit fremden Schriftzeichen, z.B. Chinesisch, Arabisch, Hindi. Nachstehend einige Telegrammvorschläge für Gnadengesuche 1. ohne Bezug auf amnesty President (Name), Stadt, Land. Respectfully urge clemency (hier Namen des Gefangenen schreiben). (Name des Absenders) 2. mit Bezug auf amnesty His/Her Excellency (Name) Titel und Adresse Respectfully urge commute death sentence imposed (Datum des Todesurteils) on (Name des Gefangenen). Amnesty International opposes death penalty in all cases. (Name des Absenders, Gruppennummer und Sektion) oder As member Amnesty International respectfully urge commute death sentence (Name des Gefangenen) whose appeal rejected (Name des Gerichtshofes und Datum). Amnesty International opposes death penalty in all cases on grounds right to life and freedom from cruel inhuman or degrading punishment. Sincerely. (Name des Absenders) 2. Briefe mit der Bitte um Abschaffung der Todesstrafe Anstehende Hinrichtungen können auch (aber nicht nur) zum Anlass genommen werden, an Minister und Abgeordnete zu schreiben, um für eine Abschaffung der Todesstrafe auf Gesetzesebene zu bitten. Es gelten im Prinzip die gleichen Richtlinien wie für die Bitte um Begnadigung. Man sollte hier neben den allgemeinen Argumenten gegen die Todesstrafe auf die speziellen Umstände, unter denen die Todesstrafe in dem entsprechenden Land verhängt / vollstreckt wird, eingehen. Hier einige allgemeine Argumente gegen die Todesstrafe, die angeführt werden können: a) Die Todesstrafe ist eine endgültige Strafe, Fehlurteile können nicht ausgeschlossen werden. (Aber keine unhöfliche Kritik am Justizsystem üben!) b) Die Vollstreckung der Todesstrafe hat eine verrohende Wirkung auf alle, die damit befasst sind. c) Hinrichtungen sind ein Akt der Gewalt, und Gewalt erzeugt häufig wiederum Gewalt. 17 d) Eine abschreckende Wirkung der Todesstrafe, gleich für welches Delikt auch immer, ist nie bewiesen worden. e) Die Todesstrafe lässt den vielfach akzeptierten Strafgrundsatz, den Straftäter zu rehabilitieren, nicht zu. f) In Ländern, die die Todesstrafe ausgeweitet haben, sollte darauf hingewiesen werden, dass eine Ausweitung dem allgemeinen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe zuwiderläuft. Die Briefe sollten sehr sachlich geschrieben, unser Anliegen deutlich gemacht werden. Musterbrief (wenn der Fall das Begnadigungsstadium noch nicht erreicht hat) His/Her Excellency (Name) Titel Adresse Your Excellency, As a member of Amnesty International I am writing to Your Excellency concerning the case of (Name des Gefangenen), sentenced to death by (Name des Gerichts) on (Datum des Todesurteils). I understand that this case (may be / is currently) the subject of judicial appeals. I am writing to Your Excellency now to urge respectfully, should judicial appeals be exhausted and the case come up before Your Excellency for review, that Your Excellency exercise clemency. As a worldwide human rights organization Amnesty International opposes the death penalty in all cases on the grounds that it is a violation of the right to life and the right not to be subjected to cruel, inhuman or degrading treatment or punishment as proclaimed in the Universal Declaration of Human Rights. Amnesty International works for an end to executions and the abolition of the death penalty throughout the world. Yours sincerely 18 „Was Sie gegen die Todesstrafe tun können“ Gabriela Enderli, 2000 Informieren Sie sich über die Todesstrafe und ihre Durchführung in den USA. Lesen Sie Bücher, Zeitungsartikel und/oder sehen Sie sich eine Homepage an: Bücher: Zur Aktualität der Todesstrafe Berlin Verlag Arno Spitz GmbH 1997. ISBN 3-87061-671-7 Ein Mensch weniger. Ein Lesebuch gegen die Todesstrafe 1989. Amnesty International. Deutsche Sektion. ISBN 3-89290-018-3 Die Hinrichtungsindustrie. Die Todesstrafe in den USA, ein Gruppenbild mit Mördern Stephen Trombley. Verlag Rowohlt. ISBN 3-498-06507-6 The Green Mile Stephen King Der vollständige Roman, 3. Aufl. Sept. 1998. Verlag Bastei-Lübbe. ISBN 3-404-13958-5 Dead Man Walking Sister Helen Prejean. CSJ.1993 Among the Lowest of the Dead David von Drehle The Death Penalty - An Historical and Theological Survey James Mc Givern. The Machinery of Death Amnesty International Punishment in Search of Crime Ian Gray, Avon. 1989 Adams vs. Texas Randall Dale Adams In Spite of Innocence Michael Radelet et al. Frontiers of Justice Biddle Publishing. 1997 Live from Death Row Mumi Abu - Jamal May God Have Mercy John C. Tucker The Death Penalty in America Hugo Bedau Capital Punishment in America Raymond Paternoster. 1991. ISBN 0-669-21409-4 The Death Penalty - Abolition in Europe published by The Council of Europe, Strasbourg (1998) (Seat of the European Court of Human Rights) ISBN 92-781-3875-5 The Chamber John Grisham. Island Books. ISBN 0-440-22060-2 The Execution Protocol. Inside America's Capital Punishment Industry Stephen Trombley, Hardcover edition 1992 @Crown Publishers Inc., New York The Green Mile - The Complete Serial Novel - A Novel in Six Parts Stephen King. Plume Book, ISBN 0-452-27890-2 19 Magazine und Zeitungsartikel: Wettlauf mit dem Henker www.ZEIT.de/archiv/1999/23/199923.protess.html Der Herr im Haus des Todes Carroll Pickett war 15 Jahre Gefängnispfarrer in Huntsville. Stern Heft Nr. 33, 1998 Gang über die letzte Meile Stern Heft, 1998 Death Row Ein Magazin zum Thema Todesstrafe (erscheint alle zwei Monate). Herausgeberin: Petra E. Richter Die SPIEGEL - Jahreschronik 99 enthält einen Bericht des Rechtsanwalts Steffen Ufer über die Hinrichtung der Brüder LaGrand in Arizona Dokumentationen und Berichte: Die Todesstrafe im geschichtlichen Überblick Zusammengestellt von Anja Kämpfer - Bezug: LIFESPARK, Basel Todesstrafe missachtet Menschenrecht Unterrichtseinheit mit OH-Folien und Abbildungen aus der Reihe "Politik betrifft uns", 1994 Todesstrafe in den USA Amnesty International 1989, ISBN 3-596-24289-4 Wenn der Staat tötet. Todesstrafe contra Menschenrecht Ein Bericht von Amnesty International. 1989, ISBN 3-596-24294-0 Homepages: Death Penalty News and Updates: www.smu.edu/~deathpen CUADP: www.cuadp.orq Death Penalty Information Center: www.essential.org/dpic Amnesty International: www.amnesty.org/ailib/intcam/dp Equal Justice USA: www.iqc.org/qzixote/ej CADP: www.abolition-now.com/TCADP NCADP: www.ncadp.org Lifespark: www.geocities.com/EnchantedForest/Glade/3216/index.html ACAT Schweiz: www.acat.ch Amnesty International Deutschland: www.amnesty.de/berichte/topics/dp/index.html European Coalition Against the Death Penalty: www.ecadp.org Informationen zum Thema Todesstrafe: n.ethz.ch/student/raua/hr.html Todesstrafe.de: www.todesstrafe.de/ Todesstrafe USA: Todesstrafe-usa.de Anti-Todesstrafe-Homepage Österreich: members.tripod.de/menschenrechte Fotos und Links: members.tripod.de/ECADP 20 Machen Sie sich sichtbar: Tragen Sie die Botschaft auf einem Pin oder einem T-Shirt, auf einem Kleber am Auto oder in Ihrem Büro. So machen Sie das Thema sichtbar. Informieren Sie sich, und studieren Sie das Thema, damit Sie überzeugende Argumente haben, wenn Sie jemand fragt, warum die Todesstrafe keine Lösung ist. Bitten Sie Ihren Pfarrer, das Thema auf der Kanzel anzusprechen Fast jede religiöse Gruppe oder Kirche ist gegen die Todesstrafe. Bitten Sie Ihren Pfarrer, das Thema in der Kirche anzusprechen oder öffentlich zu diskutieren. Eröffnen Sie den Dialog über die Möglichkeiten, die Ihre Kirche hat, um Alternativen zur Todesstrafe zu entwickeln. Laden Sie Sprecher/innen ein, die über das Thema Auskunft geben Berücksichtigen Sie Sprecher/innen zur Inhaftierung Unschuldiger und geistig Behinderter. Familien von Mordopfern, Überlebende der Todeszellen und andere Experten können von TCADP oder CUADP vermittelt werden. Treten Sie einer Gruppe bei, die sich gegen die Todesstrafe einsetzt Texas Coalition to Abolish the Death Penalty: e-mail: TCADP(5)adelante.com Austin: 512-494-8498 Dallas: 214-768-3284 Houston: 713-529-3826 LIFESPARK PO BOX-4002 Basel/Switzerland, e-mail: [email protected] Initiative gegen die Todesstrafe: Wir wenden uns grundsätzlich und ausnahmslos gegen die Todesstrafe und setzen uns für deren Abschaffung ein. Grundlage ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Als Initiative gegen die Todesstrafe haben wir uns im August 1997 in Bonn gegründet. Am 11. und 12. September 1999 fand in Bad Hersfeld die Gründungsversammlung des Vereins "Initiative gegen die Todesstrafe" e.V. statt. Der Verein beantragt die Gemeinnützigkeit. Der Sitz des Vereins ist Hamburg. Unsere Arbeitsschwerpunkte: Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzen: lifespark (Schweiz), Italien Coalition to Abolish the Death Penalty(ltalien), Texas Coalition to Abolish the Death Penalty(Texas), National Coalition to Abolish the Death Penalty(USA), Gemeinschaft Sankt Ägidius, amnesty international, The Bannister Foundation (Großbritannien), European Coalition to Abolish the Death Penalty (im Aufbau europaweit). Durch monatlichen Rundbrief informieren wir die Mitglieder über die Todesstrafe. Zu jeder geplanten Hinrichtung schreiben wir Appelle an Gouverneure und Begnadigungsausschüsse. Sensibilisierung Jugendlicher für das Thema Todesstrafe: dazu gehört, dass wir Diskussionsrunden in Schulen 21 organisieren, Briefkontakte zu Todestraktinsassen übernehmen oder vermitteln, menschenunwürdige Zustände in den Gefängnissen öffentlich machen. Vermittlung von kompetenten und vertrauenswürdigen Anwälten Deutsche im Todestrakt in den USA Frauen, die zum Tode verurteilt wurden Zusammenarbeit mit deutschen Politikern, damit wir gemeinsam dem Ziel der Abschaffung der Todesstrafe näher kommen. Unser Team: Vorstand: Dr. Stefanie Locher-Beland, Achter de Schuen 22, D 25436 Moorrege Tel.04122/810130, [email protected] Marianne Zimmer, Lessingstr. 59, D 83024 Rosenheim Kassenwart: Karl H.Rodenberg, Kolberger Str.5, D 31675 Bückeburg Protokoll: Silke Freibauer, Straße des Friedens 1, D 17268 Templin Machen Sie bei der “Moratorium Now!“-Kampagne mit: Quixote Center P.O.Box 5206, Hyattsville, MD 20752 Tel: 301-699-0042 Fax: 301-864-2182 e-mail: [email protected] Schreiben Sie einem Todessträfling Schreiben Sie einen Brief oder eine Karte. Informationen erhalten Sie bei den oben aufgeführten Organisationen. Texas Coalition Against the Death Penalty PO Box 70214, Houston, TX 77270 Tel.: 713-529-3826 Homepage: www.abolition-now.com/TCADP Click here! eGroups.com Home Page: www.egroups.com/group/todesstrafe-nein www.egroups.com. – Gruppenkommunikation leicht gemacht 22 E-mail: [email protected] EINEN HINRICHTUNGSTERMIN ERLEBEN Übersetzung eines französischen Artikels zum Thema "Todesstrafe" aus dem COURRIER DE L'ACAT N° 137, Gerti Klotz, Bremen Dominique Mâlon, ein Mitglied der ACAT-Frankreich, die regelmäßig mit dem zum Tode verurteilten Texaner Sam Hawkins korrespondiert, war zu ihm gefahren, um mit ihm die leidvolle Wartezeit zu teilen, die dem Moment der Hinrichtung vorausgeht. Dienstag, 9. Februar 1993, 8 Uhr 15. Ich weiß nicht mehr, wie das Wetter war. Mir war kalt und ich war übernächtig. Dieser Tag würde lang werden und ich musste mein mir gegebenes Versprechen halten, nämlich Sam den Halt und Trost zu geben, den er brauchte, um den mühseligen Ablauf seines 6. Hinrichtungstermins zu bestehen. 15 Jahre in der Todeszelle. Der Hinrichtungstermin ist nun endgültig für eine Minute nach Mitternacht heute Nacht festgesetzt ... Ich sitze im Wartezimmer des Gefängnisses. Der Mut, die Würde und die Weisheit, die Sam in den letzten Tagen bewiesen hat, helfen mir, den Stress zu Überwinden. Ich gehe ganz aufrecht zu dem Platz, den man mir zugewiesen hat, verfolgt von den teilnehmenden Blicken einiger anderer Besucher, die wissen, warum ich gekommen bin. Da kommt Sam. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen betritt er den Verschlag. Der Wächter verschließt ihn und zieht die Handschellen durch eine kleine Klappe heraus. Jetzt kann Sam sich setzen und wir sind uns gegenüber, eine dichte Trennwand aus Drahtglas zwischen uns. Wir lächeln und sehen uns eindringlich an, um uns zu versichern, dass jeder seine Hoffnung lebendig hält und die Situation im Griff hat. Wir gestehen uns, dass wir kaum geschlafen haben. Am Vortag gegen 12 Uhr 30 war er in die Überwachungszelle verlegt worden, nachdem man ihm alles abgenommen hatte, was er besitzt: “Die Wärter kamen jede Viertelstunde, um alles zu notieren, was ich machte, ob ich nun trank, aß, die Toilette benutzte oder ob ich schlief. So ging es die ganze Nacht. Am 9. Februar um 2 Uhr 45 morgens weckte man mich zum Frühstück. Ich habe wenig gegessen. Die Wächter schauten zu und notierten alles, was ich aß“. Wieder einmal liegt das Leben von Sam in den Händen des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten. Bereits am 12. Dezember 1988 hatte er die Reise zu dem 'Haus des Todes' gemacht. Ein Aufschub war l Stunde und 20 Minuten vor der festgesetzten Frist erfolgt. Wir sind müde, angespannt, wie zerschlagen, aber immer voll Hoffnung und bereit, die dunklen Stunden durchzustehen, da wir wissen, dass die Entscheidung des Gerichtes erst spät bekannt werden wird. Wir haben den festen Willen, stark zu bleiben und es ist uns bewusst, dass jede einzelne Sekunde erkämpft werden muss und der Druck noch anwachsen wird. Einige Mitglieder seiner Familie sind gekommen. Sie haben Sam seit Jahren nicht gesehen. Ich lausche den bewegenden Worten, die er zu seinen Kindern spricht, die erst kürzlich zu ihm zurückgefunden haben. Er sagt ihnen, dass er in wenigen Stunden sterben muss; er baut auf sie, dass sie sich richtig verhalten werden, dass sie gut und anständig sein und die anderen lieben werden und dem Hass keinen Platz in ihrem Herzen einräumen werden. Den ganzen Tag über spricht er voll Weisheit und Liebe. Aber bisweilen überschattet ein unendliches Leid sein Gesicht. Die Wand aus Glas ist bedrückender denn je und ich fühle mich außerstande, ihn zu trösten. Der körperliche Kontakt wird niemals gestattet, nicht einmal in den letzten Augenblicken. Um 15 Uhr, viel früher als vorgesehen, kommen die Wärter und holen ihn, um ihn die grauenhafte Reise zum alten Gefängnis "The Walls" machen zu lassen; dorthin, wo in Huntsville die Hinrichtungen stattfinden. “Wenn ich in das Haus des Todes fahre, bin ich an Händen und Füßen gefesselt. Der Gefängnisdirektor und ein anderer Mann befinden sich "schwer bewaffnet an der Spitze des Konvois. Die Wärter in dem gleichen Wagen haben die gleichen Waffen.“ Sam ist jetzt in den Händen der Henker. Am 7. Januar, gegen 1 Uhr nachts, hat man ihn aus seiner Zelle geholt und nach dem mehr als 850 km entfernten Lubbock gebracht; dorthin, wo er vor 15 Jahren zum Tod verurteilt worden war. 23 “Der Sheriff hat zu mir gesagt, dass dies meine Letzte Reise wäre und dass ich am10 Februar hingerichtet würde. Der Hauptmann hat gelacht und ,mich gefragt, wir lange ich schon hier wäre. Ich habe widerwillig gesagt ’15 Jahre’ … Ihr Wunsch, mich sterben zu sehen, hat mir die Fassung geraubt. Nach unserer Ankunft war ich im Gerichtssaal und erfuhr den Hinrichtungstermin. Gleich darauf brachte man mich nach Ellis1 zurück.“Sam ist stark, er glaubt an Gott, ja er lebt sogar in Gott; aber er ist auch Realist und weiß, dass der Termin ernst zu nehmen ist. Er ist bereit zu sterben. Ich bin auch bereit, trotz meines Schmerzes über den schrecklichen Verlust, mit dem zu rechnen ist. Wir denken, dass der Tod sicher nicht so bitter ist wie das Leben tagaus tagein in der Todeszelle, dessen er so überdrüssig ist. Aber der Hinrichtungsritus ist eine derartige Folter, dass der stärkste Mensch auf der Welt ihm nicht entgegentreten kann, ohne vor Furcht wie gelähmt zu sein.“ Ich begleite die Familie in das "Gästehaus" zurück, wo man außer einer Übernachtungsmöglichkeit eine Atmosphäre des Trostes und der Hilfe findet, die unter diesen Umständen kostbar ist. Sam durchläuft jetzt die Stationen des Sterberitus: “Sie haben mir gesagt, dass ich duschen soll, ich habe es getan. Sie haben mir ein Hemd und eine blaue Hose gegeben. Ich habe mich geweigert, zu essen. Sie haben meine Fingerabdrücke genommen. Ich war in einer Zelle, die ungefähr 1,50 x 2,70 m groß war. Zwei Wärter, die vor der Zelle saßen, beobachteten mich ohne Unterlass. Es gab keine wie auch immer geartete Intimsphäre, und wenn ich die Toilette benutzte, schauten sie zu, sogar wenn ich mir den Hintern abwischte. Die Wärter sagten mir, wo und wann ich begraben würde. Von diesem Augenblick an habe ich nur noch auf einen Aufschub gehofft, während der Gefängnisseelsorger mir erklärte, wie ich sterben würde. Der Direktor des Gefängnisses erschien und besprach in einem gebieterischen Ton die gleiche Sache mit mir wie vor vier Jahren. Er forderte mich auf, “mitzuarbeiten“, damit ich einen leichten Tod hätte, denn wenn ich Widerstand leistete, würde ich mehr leiden. Er sagte mir, dass man mich auf einen Tisch legen, mit acht Gurten festschnallen und dann die Nadeln in meine Venen einführen würde. Dann würden Lösungen eingespritzt, bis ich tot wäre. Erführte noch aus, dass man mir erlauben würde, einige letzte Worte zu äußern.“ Sam ist allein, zwei Straßen weit von uns entfernt. Wir sprechen von ihm, dem wunderbaren Mann, den die Familie erst heute entdeckt hat und von der echten Liebe, die von ihm ausstrahlt. Wir sprechen von den vergangenen Ereignissen, die ihn in Todeszelle gebracht haben. Wir lesen die Zeitungen, die ihn als ein Ungeheuer schildern und die alle mildernden Umstände nicht zur Sprache bringen, die erklären würden, wie es dazu gekommen ist. Es läutet. Der Seelsorger für die Todeskandidaten stellt sich vor und möchte mit dreien von uns sprechen, die der Hinrichtung beiwohnen werden. Er berichtet, dass Sam zum letzten Mal geduscht und seine letzte Mahlzeit eingenommen hat; dass man ihn darüber aufgeklärt habe, wie man ihn hinrichten werde und dass man seine Kooperation erwarten würde. Dann nimmt er einen Block Papier zur Hand und beginnt, die Überwachungszelle aufzuzeichnen, in der Sam eingeschlossen ist und die genau gegenüber von dem Hinrichtungsraum liegt. Er skizziert dann bis ins kleinste Detail, wie Sam am Tisch festgeschnallt sein wird und erklärt uns, wie man ihn töten wird. "Manche sterben leicht, andere wieder schwer" hat er kurz zuvor zu Sam gesagt, als er ihn aufforderte, bei seiner Ermordung "mitzuspielen". Er vervollständigt die Skizze, indem er den Platz aufzeichnet, wo wir uns aufhalten werden hinter den Gitterstäben; in der 2. Reihe die Vollstrecker und in der 3. die Presse. Keine Glasscheibe mehr ... Fast nichts wird uns mehr trennen, aber er sagt uns, dass die Entfernung zwischen dem Tisch und den Gitterstäben jeglichen körperlichen Kontakt unmöglich macht. "Das Klappen der Tür, das Sie hören werden, bedeutet den Beginn der Hinrichtung." Er muss uns noch die letzten Wünsche von Sam übermitteln und die Einzelheiten seiner Beerdigung mitteilen, "Er wird morgen früh um 8 Uhr 30 am Gefängnisfriedhof beigesetzt." Wir werden um 23 Uhr 15 im “Haus des Todes“ erwartet. Wir sitzen in der Nähe des Telefons. Das Sprechen fällt uns schwer. Mit jeder Sekunde, die vergeht, verstärkt sich der Druck, wird die Qual größer. Ich kann nicht glauben, dass Sam heute Nacht sterben wird. Warum soll man so einen Mann töten? Er hat nichts mehr mit dem geistig Kranken gemein, der er vor 16 Jahren einmal war. Sein Tod und unser Leid wird für die Familien der Opfer keinerlei Trost bedeuten; dadurch wird die Welt nicht sicherer und es wird keinen anderen kranken Menschen davon abhalten, eine ähnliche Tat zu begehen. 24 21 Uhr 55. Das Telefon läutet. Die Spannung ist unbeschreiblich. Wir sind wie gelähmt. Sam spricht: "Das Oberste Gericht hat einen Aufschub gewährt … Ich liebe Euch.“ Weinend umarmen wir uns. Die Freude ist genau so intensiv wie der noch vor wenigen Sekunden herrschende Druck. Wir wissen nicht, was die Zukunft für uns bereithält, aber einige Augenblicke lang ist unser Glück frei von Furcht. Sam wird in die Todeszelle zurückgebracht . Er ist erschöpft : "Dies war eine grausame und leidvolle Erfahrung … Es handelt sich um eine Folter, um einen intensiven und starken Stress, eine große geistige und körperliche Anspannung. Wir waren einem Druck ausgesetzt, der alle Grenzen überschreitet. Für die, die an das Paradies und an die Hölle glauben – und wir glauben, dass es einen besseren Ort gibt , den Gott denen, die er liebt, bereitet - , so wie Dominique und ich, wir kennen bereits die Hölle“. Am Dienstag dem 16. Februar, eine Woche nach dieser harten Prüfung, hat mir die Gefängnisverwaltung endlich gestattet, Sam zu besuchen. Am gleichen Tag bin ich nach Frankreich zurückgekehrt. Das schreckliche Warten geht weiter ... Jeden Augenblick kann es wieder ein Fax oder einen Telefonanruf geben. Was wird er beinhalten? Einen 7. Hinrichtungstermin? Eine erneute Gerichtssitzung? Wir warten ... “Begreifen Sie, was mit Ihnen geschehen wird? Haben Sie Fragen? Was wünschen Sie sich als Henkersmahlzeit? Möchten Sie ein paar Worte vor Ihrem Tod sprechen? Was soll mit Ihrer Leiche geschehen? Wer soll Sie beerben? Wer soll bei Ihrer Hinrichtung dabei sein? Wissen Sie, was wir von Ihnen erwarten? Fühlen Sie sich wohl? Wenn nicht, was können wir für Sie tun? Wenn Sie keinen Aufschub erhalten, mit wem wollen Sie dann telefonieren? Haben Sie Wünsche bezüglich der Farbe der Kleidung, die Sie bei Ihrem Tod tragen möchten?“ Dies sind die Fragen, auf die alle zum Tod Verurteilten in ihren letzten Stunden antworten müssen. 25