Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft

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Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft
76 / 2014
Mitteilungen
der Winckelmann-Gesellschaft
Im Auftrag der Winckelmann-Gesellschaft
herausgegeben
von Eva Hofstetter und Markus Käfer
Zu diesem Heft
Die Winckelmann-Jubiläen 2017 (200. Geburtstag) und 2018 (150. Todestag) prägen die
Arbeit der Gesellschaft nachhaltig: Das Museum wird in den kommenden Jahren erweitert
und neu strukturiert, das Museumsgelände weiter erschlossen. In Zusammenarbeit mit Forschern aus anderen europäischen Ländern wird
der Bedeutung Winckelmanns in der Wissenschafts-, Kultur-, Kunst- und Bildungsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts in Europa
nachgespürt, Tagungen in Madrid und Warschau zeigen die ersten Ergebnisse, Tagungen in
Florenz und St. Petersburg werden folgen.
In ‚Schriften und Nachlass‘ werden auch teilweise die handschriftlichen Vorarbeiten Winckelmanns zu seinen später publizierten oder
geplanten Werken veröffentlicht. Karl August
Varnhagen von Ense war einer der ersten Leser dieser Notizen und Exzerpte, die sich zum
großen Teil in der Bibliothèque Nationale in
Paris befinden. Er formulierte bereits einen
Forschungskomplex der Stendaler Winckelmann-Edition: „... eine genaue Nachforschung
dazu gehörte, um zu sehn was davon in den
Druck übergegangen sein mag.“ Nikolaus Gatter gab Varnhagens Reisebericht neu heraus.
Inhaltsverzeichnis
Gründung des Winckelmann-Komitees.
Aus der Arbeit der Gesellschaft: S. Kielgas über
die „Preußische Gesandtschaft zu München“.
I. Pfeifer über Winckelmann und Potocki. Tagung
in Warschau Mai 2014. Jahreshauptversammlung
2013, 2014: Berichte des Kuratoriums, der Geschäftsführung und des Schatzmeisters. Mitgliederbewegung. Zum hundertsten Geburtstag von H.
Rokyta. Laudatio auf Prof. Dr. H. Wrede und Dr.
M. Urban. Ehrenmitgliedschaft von Prof. Dr. W.
Richter und Franz Rutzen. W. von Wangenheim zu
seiner Schenkung. Nachruf Prof. Dr. D. Rößler.
Blickpunkt Winckelmann-Museum:
Bericht des Vorstands M. Urban. B. Bäbler über
Vorsicht Lebensgefahr! Sirenen, Nixen, Meerjungfrauen. Autorreferat von A. Hillert über W. Turner,
Hero und Leander. B. Kruhöffer und E. Schwerin
über Ostereier zwischen Kult und Kunst. F. Leonhardt: Kinderprogamm in der Ausstellung „Ostereier zwischen Kult und Kunst“. Berichtigung zu L.
Balensiefen über Die Artemis von Pompeji.
Literaturberichte/Rezensionen: Winckelmann-Bibliographie. C. Kurbjuhn über J.J. Winckelmann,
Statuenbeschreibungen, Materialien zu „Geschichte der Kunst des Alterthums“, C.-F. Berghahn über
J.J. Winckelmann: Gedancken über die Nachahmung, hrsg. von M. Kunze.ders. über Anmerkungen. E.M. Moormann über J.J.Winckelmann,
SN IV 1–4. M. Knofler über A. Nesselrath, Der
Zeichner und sein Buch. Autorreferate: C. Kurb­
juhn, Kontur. Geschichte einer ästhetischen
Denkfigur. K.-W. Haupt, J.J. Winckelmann. W. v.
Wangenheim über Le Mythe grec allemand.
Beilage: Nikolaus Gatter, Karl August Varnhagen
als Leser Winckelmanns in Paris.
Gründung des internationalen Winckelmann-Komitees
Stendal am Vorabend der Jahreshauptversammlung am 5. Dezember 2014
Außergewöhnlich viele internationale Gäs­te haben sich auf Einladung des Präsidenten der Winckelmann-Gesellschaft, Professor Dr. Max Kunze, am 5. Dezember im Festsaal des Stendaler Rathauses zusammengefunden. Winckelmann-Forscher aus 15 Nationen gründeten hier das internationale Winckelmann-Komitee, das die Winckelmann-Jubiläen 2017 und 2018 vorbereiten wird.
Die Winckelmann-Ehrungen werden mit dem 300. Geburtstag im Dezember 2017 ihren Auftakt
nehmen und bis Ende 2018 andauern, in dem sich der 250. Todestag jährt. Der Ministerpräsident
von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff, hat die Schirmherrschaft über die Winckelmann-Jubiläen
übernommen. Als gemeinsame Arbeitsziele des Komitees wurden die Vorbereitung eines internationalen Winckelmann-Kongresses 2018, die gegenseitige Unterstützung aktueller Forschungen zu Winckelmann und die Schaffung einer gemeinsamen Webseite verabredet, die der Abstimmung der Termine
für Veranstaltungen und auch der Ankündigung von Publikationen, Ausstellungen und Forschungsprojekten dienen soll.
Nach der Begrüßung und Einführung durch den Präsidenten der Winckelmann-Gesellschaft Prof. Dr.
Max Kunze überbrachte die leitende Ministerialrätin Dr. Christine Blaschczok das Grußwort des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt. Anschließend begrüßte der Oberbürgermeister der Hansestadt
Stendal Klaus Schmotz die ca. 130 Gäste. Musikalisch umrahmt wurde der Festakt durch Prof. Dr. Andrzej Mokry (Institut für Musik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg). Die Mitglieder des
Winckelmann-Komitees berichteten anschließend über die Aktivitäten und Vorhaben in ihren Ländern:
In Dänemark ist eine Winckelmann-Wiedewelt-Ausstellung geplant in Kooperation mit der Kunstbibliothek. Zugleich soll der Wirkung Winckelmanns in den nordischen Ländern nachgegangen werden.
Aus England haben Dr. Katherine Celia Harloe, University of Reading, Prof. Dr. David Watkin, University of Cambridge und Prof. Dr. Ian Jenkins, British Museum, London ihre Mitarbeit in dem Komitee zugesagt. Prof. Alain Schnapp (Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne) hat seine Mitarbeit
vor allem hinsichtlich der Forschungen zur Archäologiegeschichte des 18. Jahrhunderts zugesagt. In Jerusalem (Bible Lands Museum) ist über einen Zweijahreszyklus eine Folge von Vorträgen zur Geschichte der archäologischen Disziplinen geplant. In Florenz ist eine Ausstellung „Winckelmann, Firenze e gli Etruschi“ vom 26. Juli 2016 bis 30. Januar 2017 im Archäologischen Museum geplant. Sie ist in drei Sektionen gegliedert: 1. Das Florenz Winckelmanns; 2. Die Etrusker Winckelmanns; 3. Der andere Winckelmann: Die toskanische Rezeption (Winckelmanns
„Déscription des Pierres gravées“, die zwölfbändige Ausgabe der Werke Winckelmanns von Carlo Fea [1830–1834]; die Zimelien der Columbaria: Das Florentiner Manuskript Winckelmanns).
Zudem bereitet Prof. Massimo Fanfani eine Sammlung der italienischen Sprichwörter Winckelmanns aus dem Nachlass vor. Prof. Stefano Ferrari arbeitet an den Schriften/Rezensionen der
Schweizer Freunde Winckelmanns. Am Deutschen Archäologischen Institut in Rom wird neben den traditionellen Winckelmann-Vorträgen eine Vortragsreihe über Winckelmann und die
Archäo­logiegeschichte organisiert werden. Im Gespräch ist zur Zeit ein virtuelles Museum „Winckelmann in Rom“, das als App in ausgewählten römischen Sammlungen abrufbar sein wird.
Desweiteren wird eine Ausstellung über Winckelmanns Monumenti antichi inediti geplant. Das
Liechtensteinische Landesmuseum kooperiert mit dem Winckelmann-Museum bei verschiedenen
Ausstellungsprojekten. Im Gespräch ist die Rezeption der Liechtensteiner Gemäldesammlung in
Wien des 18. Jahrhunderts, die Winckelmann besuchte. In den Niederlanden soll die Wirkung
Winckelmanns intensiv untersucht werden, vor allem sein Einfluss im ausgehenden 18. Jh. auf
die Ästhetik und die Architektur. Ein Schwerpunkt könnte der Winckelmann-Übersetzer und
Gründung des internationalen Winckelmann-Komitees
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Verleger Hendrik Jansen (1741–1812) sein. In Wien wird ein Forschungsprojekt mit einem Symposium vorbereitet, das die Beziehungen und den Einfluss Winckelmanns auf die Entwicklung
der Künste, insbesondere die Reisestipendiaten der Akademie der Künste untersuchen soll. Das
Muzeum Palac in Wilanow in Warschau beabsichtigt, den „polnischen Winckelmann“ Stanis­l­aw Kostka Potocki (1755–1821) in den Mittelpunkt zu stellen, seine Übersetzung und Fortführung der Geschichte der Kunst des Alterthums und seine Italien-Reisetagebücher herauszugeben. In
Kooperation mit der Winckelmann-Gesellschaft soll im nächsten Jahr der Protokollband der gemeinsamen Tagung im Mai 2014 in Warschau erscheinen. In St. Petersburg ist eine Tagung in
Vorbereitung, die im Oktober 2015 stattfinden soll und der Wirkung Winckelmanns in Russland
nachgehen wird. In Madrid ist eine internationale Tagung in Vorbereitung, die sich dem Zeitalter der Aufklärung widmet. Ein Schwerpunkt wird auch die Wirkung und Rezeption der Antike und der Künste in der „Neuen Welt“, besonders in Mexiko und Südamerika, bilden. Desweiteren ist eine spanische Übersetzung von Goethes Winckelmann-Essay geplant. In Usti nad Laben
werden die Forschungen zu Mengs im Mittelpunkt stehen. Der Einfluss Winckelmanns, vermittelt durch Mengs, auf die Entwicklung des Klassizismus in Tschechien und Europa soll näher untersucht werden. Das Getty Research Institute hat seine Mitwirkung zugesagt; eine Programmentwicklung findet zurzeit statt.
Im Vatikan sind in den verschiedenen Abteilungen der Kunstsammlungen und der Bibliothek
Winckelmann-Ausstellungen 2017/2018 geplant. Die Winckelmann-Ausgabe, die von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und der Winckelmann-Gesellschaft gemeinsam herausgegeben wird, soll im Wesentlichen 2018 abgeschlossen werden. Ferner wird sich die
Akademie an der Vorbereitung des internationalen Winckelmann-Kongresses 2018 beteiligen. An
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, an der Winckelmann studierte, werden Forschungen zu Winckelmann vorbereitet. Die Dresdner Skulpturen-Sammlung wird anlässlich der
Jubiläen ihre Antikensammlung 2018 neu präsentieren und die ‚Herkulanerinnen‘ Winckelmanns
in den Mittelpunkt stellen. In der Domäne von Erdmannsdorf in Wörlitz, die aus Eigenmitteln
zweier Münchner Sammler in den nächsten Jahren rekonstruiert wird, wird eine ständige Ausstellung zu Winckelmann und seiner Bedeutung für Wörlitz gemeinsam mit der Winckelmann-Gesellschaft gezeigt werden.
Bisherige Mitglieder des Komitees:
Dr. Margrete Floryan, Kopenhagen DK
Dr. Katherine Celia Harloe, Reading UK
Prof. Dr. David Watkin, Cambridge UK
Prof. Dr. Ian Jenkins, London UK
Prof. Dr. Alain Schnapp, Paris F
Batya Borowski, Jerusalem IL
Prof. Dr. Fabrizio Cambi, Trento I
Prof. Dr. Maria Fancelli, Florenz I
Maria Gazzetti, Rom I
Prof. Dr. Ortwin Dally, Rom I
Prof. Dr. Rainer Vollkommer, Vaduz FL
Prof. Dr. Eric Moormann, Amsterdam NL
Dr. Monika Knofler, Wien A
Prof. Dr. Dorota Folga-Januszewska, Warschau PL
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Prof. Dr. Konstantin Lapo-Danilevski, Petersburg R
Dr. Jorge Maier-Allende, Madrid E
Dr. Gabriela Brudzynska-Nemec, Usti nad Labem CZ
Prof. Dr. Thomas Gaehtgens, Los Angeles USA
Prof. Dr. Arnold Nesselrath, Vatikanstadt V
Prof. Dr. Elisabeth Décultot, Halle D
Prof. Dr. Wolfgang Holler, Weimar D
Sven Kielgas, München D
Dr. Kordelia Knoll, Dresden D
Prof. Dr. Claudius Geisler, Mainz D
Prof. Dr. Udo Sträter, Halle D
und das Kuratorium der Winckelmann-Gesellschaft
vertreten durch den Präsidenten Prof. Dr. Max Kunze, Stendal D
Gründung des internationalen Winckelmann-Komitees
Aus der Arbeit der Gesellschaft
Sven Kielgas über die Teegesellschaft zu Ehren Johann Joachim Winckelmanns in der „Preußischen Gesandtschaft zu München“ am 12. Oktober 2013
Die letztjährige Münchner Exkursion der Winckelmann-Gesellschaft war vornehmlich dem Thema der Antikenrezeption im Klassizismus verpflichtet – und davon hat die bayerische Hauptstadt
nicht zuletzt durch ihre Architekten Leo von Klenze, Karl von Fischer oder Friedrich von Gärtner schon im Stadtbild nun wahrlich reichlich zu bieten. Auch eine Menge originaler oder rekonstruierter Interieurs dieser Epoche gibt es hier, so in der Residenz, in Nymphenburg oder im Nationaltheater. Aber eine ebenso außergewöhnliche wie unerwartete Facette in diesem Reigen des
„goût grec“ stellt jedoch die Privatsammlung der Münchner Mitglieder Sven Kielgas und Falk
Morten Weber dar, denn sie trifft zwar die Blütezeit des Klassizismus mit ihrer Ausrichtung auf
die Epoche zwischen der Französischen Revolution und dem Wiener Kongreß sehr genau, nur
geo­graphisch liegt sie gewissermaßen weit entfernt: im damals wie heute weltanschaulich gefühlt
fremden Preußen. Die Konzeption der Sammlung – ein imaginäres prinzliches Privatinterieur aus
Potsdam oder Berlin wiedererstehen zu lassen – führte dann auch zu dem in Fachkreisen augenzwinkernd kolportierten Ehrentitel der „Preußischen Gesandtschaft zu München“.
Trotz dieser räumlichen, lebensartlichen und nicht zuletzt religiösen Distanz der Landsmannschaften war die verwandtschaftliche Nähe der königlichen Familien größer als uns heute bewußt
ist: Die preußische Prinzessin Marie wurde durch Heirat mit Maximilian II. Joseph bayerische
Königin, während sich Friedrich Wilhelm IV. von Preußen – auch „Butt“ genannt – die Bayerin Elisabeth Ludovika zur Gemahlin nahm. Beide Ehen waren übrigens von starkem Einfluß der
Monarchinnen auf die jeweilige Politik ihrer Länder geprägt; und während beider Dauer hatte
sich aus dem noblen Klassizismus das bürgerlichere
Biedermeier entwickelt.
Doch zurück zur „Preußischen Gesandtschaft“: Sie
liegt in Sichtweite der als Austragungsort des Oktoberfests weltberühmt gewordenen Theresienwiese, die, auch hier zeigt sich der Klassizismus in einer
seiner schönsten Blüten, von einer beeindruckenden
Schwanthaler-Skulptur der Bavaria mit dem Löwen als Wappentier, umrahmt von Klenzes archaisch anmutender Ruhmeshalle im dorischen Stil gekrönt wird. Ursprung dieses Volksfests war eben am
12. Oktober 1810 die Feier der Hochzeit der Therese
von Sachsen-Hildburghausen mit dem Kronzprinzen,
später als Ludwig I. von Bayern auf dem Thron, genau
an dieser Stelle. Die mehrtägigen Feierlichkeiten, deren Hauptattraktion ein Pferderennen darstellte, fielen schon deshalb recht prächtig aus, weil München seit
1722 keine Fürstenhochzeit mehr gesehen hatte. Als
Kuriosum sei zudem vermerkt, daß die Wiederholung
dieses Fests im Laufe der Jahre in den September verlegt Baumkuchen – Lieblingsdessert von Königin Luise von
Preußen
wurde, des bessren Wetters wegen. Damit der nun geFoto: Horst-B. Schilling
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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fundene Name des Oktoberfests aber dennoch seine Berechtigung behielt, wurde festgelegt, daß selbiges
stets auf den ersten Sonntag im Oktober (sic!) zu enden habe. Getreu dem bayrischen Wahlspruch:
„A bisserl woas geht imma!“.
Eines teilte Therese mit den Münchner Sammlern: die Freude an jenen „fashionablen“ Mahagoni-Möbeln, die sie sich aus Berlin liefern ließ, trotz deren preußischer Provenienz. Sie litt nämlich
erheblich unter der reichlich zugigen und unmodernen Residenz, die zu jener Zeit ja noch nicht
von Klenze komfortabel modernisiert sein konnte. Leider ist ihr Appartement nach 1945 zuguns­
ten der Rekonstruktion des früheren, barocken „Kaisersaals“ nicht wieder hergestellt worden,
trotz des die Kriegswirren nahezu unbeschädigt überstandenen Gesamtinventars von feinstem,
elegant-strengem Mobiliar, von Bronzen und Porzellanen, Gemälden und Skulpturen, das heute
nur in Auszügen in einem recht unpassenden Zwischengeschoß präsentiert wird. Gefallen hätte es
der Kronprinzessin jedenfalls sicher in der Schubertstraße.
Und so war die Teegesellschaft – übrigens fast auf den Tag genau 203 Jahre nach der besagten
„Royal Wedding“ – für die Mitglieder der Winckelmann-Gesellschaft auch den kulinarischen Genüssen der Zeit gewidmet – und den Vorlieben der Monarchen jener Epoche, wenn es ums Zuckerwerk ging. Von Falk Morten Weber nach historischen Rezepten zubereitet bezeugen sie beredt, wie noch heute aktuell der damalige Zeitgeschmack in Sachen Desserts war. So war der
Baumkuchen Salzwedeler Provenienz eine ausgesprochene Lieblingsspeise der Königin Luise, ja,
es wird sogar behauptet, diese zeit- und arbeitsaufwendige Köstlichkeit sei gar für sie erfunden
worden. Ihr Großonkel Friedrich II. war wiederum ganz erpicht auf die Zitronencreme, die angesichts der sündhaft teuren Südfrüchte auch in Sanssouci eine Extravaganz darstellte. Für die Erdbeeren Pavlova gibt es mehrere Zuschreibungen der aristokratischen Patronage; die wahrscheinlichste scheint hier diejenige zu sein, die die Zarentochter Maria Pavlovna hierfür verantwortlich macht. Als Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach verheiratete sie ihre beiden Töchter
nach Preußen: die ältere, Marie Luise, an den Prinzen Carl von Preußen (dritter Sohn von Friedrich Wilhelm II. und Königin Luise), die jüngere, Augusta, wiederum an dessen älteren Bruder,
der als Wilhelm I. preußischer König und erster deutscher Kaiser werden sollte. Doch auch die
Verbindungen zum Hause Bayern wurden in der Folge der Delikatessen zelebriert: mit jener legendären Bayerischen Creme, für die schon in der Zeit um 1800 mancher Hauptgang verschmäht
wurde. Und da die Bayern ihr Königreich schließlich den Franzosen, genauer gesagt: einem Korsen verdanken, gehört natürlich auch ein Pariser Modedessert „de l’époque“ auf die Menükarte:
die Profiteroles, die schon Marie Antoinette kannte und liebte. Bleiben
als Kontrapunkt noch die Mandelbiskuits, damals wie heute ein Beispiel jenes schnörkellos Guten, das dem preußischen Geist der Zeit eben idealtypisch entspricht.
Gereicht wurden hierzu natürlich die
passenden Getränke: Als Tee wurde die
„Prince of Wales“-Mischung des Londoner Hoflieferanten Fortnum & Mason serviert, der schon Kronprinzessin Victoria (mit Spitznamen „Vicky“,
Tochter der englischen Königin gleiPreußische Gesandtschaft in München
Foto: Horst-B. Schilling chen Namens und Gemahlin Kaiser
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Friedrichs III.) damit versorgte, gefolgt vom Kaffee der Firma Eilles, ihres Zeichens ehemals königlich-bayrischer „Fournisseur“ dieses exotischen Genusses. Mittelbar aus Frankreich stammt
auch das „Hochgewächs“ der Firma Kessler, die stolz darauf ist, den Titel der ältesten Sektkellerei Deutschlands unangefochten tragen zu dürfen. Georg Christian Kessler – für seine Verdienste
um die württembergische Industrie 1841 geadelt – war in der Tat eine interessante Figur: Als Geschäfts- (und wohl auch Liebes-) Gefährte der Witwe Cliquot-Ponsardin erlernt er die Geheimnisse der Flaschengärung des Champagner-Verfahrens, das er 1826 nach Deutschland importiert, nachdem ihn seine langjährige Vertraute für einen jüngeren Kellermeister verlassen hatte,
nicht ohne mit ihm auch geschäftlich im Streit auseinanderzugehen. Ein Gutes hatte es jedenfalls:
Man stelle sich nur die Trübsal des Lebens ohne die gelegentliche Ration dessen vor, das Wilhelm Busch in seiner „Frommen Helene“ später so treffend verewigen sollte: „Wie lieb und luftig
perlt die Blase der Witwe Klicko in dem Glase.“ Wenn es in diesem Falle nicht doch eher Kesslers
Hochgewächs war, das die Dame gefällig machen sollte.
Diese tour-de-force durch alle Formen klassizistisch-aufgeklärter Lebensart jener Goethe- und Napoleons-Jahre wurde von allen Gästen dann auch mit so freundlichem Lob bedacht, daß der Autor an dieser Stelle nochmals aufs herzlichste dafür danken möchte. Nicht ohne zu geloben, daß
es natürlich ein da capo gibt, wenn die „Preußische Gesandtschaft zu München“ wieder einmal
die große Ehre hat, die Winckelmann-Gesellschaft zu einem Tee begrüßen zu dürfen.
Ingo Pfeifer über „Johann Joachim Winckelmann und Stanislaw Kostka Potocki. Meister und
Schüler“, Exkursion und Tagung in Warschau 4.–10. Mai 2014
Bereits vor einigen Jahren hatten sich die ersten Kontakte der Winckelmann-Gesellschaft mit dem
Schlossmuseum in Wilanów in Warschau ergeben. Dieses barocke Schloss war von 1799 bis 1821
im Besitz des polnischen Adligen Stanislaw Kostka Potocki, der 1805 das Schloss als erstes öffentliches Museum in Polen öffnete. Potocki gab 1815 auch die erste polnische Übersetzung von Johann Joachim Winckelmanns „Geschichte der Kunst des Alterthums“ unter dem Titel „O sztuce u dawnych czyli Winkelman polski“ heraus. Potockis Übersetzung und seine Antikenbegeisterung gaben den Anlass zur Zusammenarbeit mit den polnischen Wissenschaftlern. Diese nahm ab
2012 immer konkretere Formen an. Inzwischen ist ein mehrjähriges gemeinsames Forschungsprojekt vorbereitet worden, in dem die Wirkung Winckelmanns in Polen untersucht werden soll. Mit
der Exkursion und der Tagung in Warschau erfolgte ein erster Schritt bei der Realisierung dieses
Projektes.
52 Mitglieder der Winckelmann-Gesellschaft reisten am 4. Mai 2014 nach Warschau. Eine Überraschung war für alle die starke klassizistische Prägung der Stadt. Diese erhielt die polnische
Hauptstadt besonders unter der Regierung des Königs Stanislaw August Poniatowski von 1764
bis 1797. Aber auch in den folgenden Jahren haben Architekten wie Aigner, Zug und Kammsetzer das Straßenbild vor allem entlang der nach Süden führenden Hauptstraße Nowy Swiat geprägt.
Wir begannen die Exkursion mit einem Besuch im Park Natolin im Süden von Warschau. Im
Zentrum des Landschaftsgartens steht der kleine, wohl proportionierte klassizistische Schlossbau. 1782 bis 1784 durch den aus Sachsen stammenden Architekten Simon Gottlieb Zug errichtet, war das Palais ab 1784 im Besitz von Izabella Lubomirska, deren Tochter Aleksandra die spätere Ehefrau von Stanislaw Kostka Potocki wurde. Den heutigen Name Natolin erhielt der Komplex nach der Geburt von Potockis Enkeltochter Natalia 1810. Ein weiterer wichtiger Architekt
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des polnischen Klassizismus, Chrystian Piotr
Aigner, überarbeitete die Innengestaltung des
Hauses 1807/1808. Mit dem Geld eines privaten College of Europe, einer internationalen
Wirtschaftsakademie, ist das Gebäude aufwändig, aber auch etwas zu stark restauriert worden. In dem weiten Landschaftsgarten mit seinen Staffagebauten sind hingegen, bedingt
durch restriktive Naturschutzgesetzgebungen,
viele Arbeiten unterblieben. So trifft man heute, mitten im Unterholz, auf den Nachbau
eines römischen Aquäduktes und einen schönen dorischen Tempel, der sein antikes Vorbild
in Paestum sofort verrät.
Am Nachmittag galt unser Interesse dem zukünftigen Tagungsort und Sitz unsres Partners
Jaques-Louis David, Reiterbildnis (Ausschnitt) Stanisław Kostka – dem Schloss Wilanów. Es wurde ab 1677 für
Potocki (1781)
König Johann III. Sobieski errichtet und zwischen 1720 und 1729 erweitert. Die Fassade ist
mit Reliefs verziert, welche mit Bezug auf die Dichtungen Vergils in verschlüsselter Symbolik den
Lauf der Zeit und die angestrebte Fortdauer der Dynastie Sobieski darstellen. Mehrfach wurden
das Schloss und die umgebende Gartenanlage im 18. und frühen 19. Jahrhundert erweitert. In einer ausführlichen Führung durch den Komplex konnten wir uns einen umfassenden Eindruck
von dem Haus machen, dessen Ausstattung Stanislaw Kostka Potocki um seine große Sammlung
antiker Vasen und Plastiken bereicherte. Diese hatte er auf mehreren Italienreisen zusammengetragen, von denen die Reise 1774–1775 seine „Grand Tour“ war. Bemerkenswert ist Potockis Initiative, sein Schloss als erstes öffentliches Museum in Polen zu öffnen und die Bestände dem polnischen Volk zu widmen. Diese Initiative war Teil der umfangreichen Bildungsanstrengungen, die
Potocki auch in seiner Eigenschaft als Minister für Bildung zwischen 1806 und 1818 unternahm.
Die Sammlung sollte sowohl zur ästhetischen Geschmacksbildung wie auch zur künstlerischen
Bildung beitragen.
Letzte Station am ersten Tag war die Schloss- und Parkanlage Łazienki – die königlichen Bäder,
gelegen an der großen nach Süden führenden Verbindungsstraße zwischen Warschau und Wilanów. Die lange Orangerie mit einer umfangreichen Aufstellung von antiken Plastiken und Gipsabgüssen beherbergt auch ein wunderschönes kleines Theater. In der Nähe des Schlosses befindet
sich noch ein Theater mit einem Proszenium aus antikisierenden Ruinen, die an die römischen
Tempelanlagen in Palmyra erinnern. Das Schloss selbst, das „Palais auf der Insel“ hatte seinen Ursprung in einer 1683–1690 erbauten Badegrotte. Seine heutige Form erhielt es durch Erweiterungen zwischen 1775 und 1795.
In den folgenden beiden Tagen wurde die Warschauer Altstadt besichtigt, die nach ihrer völligen Zerstörung im zweiten Weltkrieg in den 1970er Jahren wieder aufgebaut worden ist. Höhepunkt war ein Besuch im Warschauer Königsschloss mit der Besichtigung vor allem der Räume,
die für Stanislaw August Poniatowski klassizistisch umgestaltet wurden. Den Abschluss bildete ein
Gang durch die erst 2009 wieder eröffneten Kubicki-Arkaden und ein Blick auf das Schloss vom
Weichselufer aus auf die spätbarocke Ostfassade, die so gut wie unbekannt ist. Der Nachmittag
des 7. Mai war dem polnischen Komponisten Frederic Chopin gewidmet. Nach einem Besuch im
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Chopin-Museum, wo man sich mit modernsten multimedialen Mitteln mit dem Leben und
Schaffen Chopins vertraut machen konnte,
führte uns der Weg auf das Gelände der Warschauer Universität. Diese war 1811 auf Initiative Stanislaw Potockis gegründet worden.
Der klassizistische Bau des ersten Seminargebäudes entstand bald darauf. Auf dem Gelände der Universität lebte auch der junge Chopin von 1817 bis 1827, wo sein Vater als Lehrer
beschäftigt war. Prof. Jerzy Miziołek, Direktor
des Universitätsmuseums, machte uns nicht nur
mit der Geschichte der Universität bekannt,
sondern auch mit der wenig bekannten Etappe
im Leben Chopins. Zuletzt sahen wir den beeindruckenden Film über das Warschauer Leben des jungen Komponisten.
Im Rahmen des wissenschaftlichen Programms
fand am 8. und 9. Mai im Weißen Saal des
Schlosses Wilanów die gemeinsam mit dem
„Muzeum Pałaca Króla Jana III. w Wilanowie“
organisierte Tagung statt. Zur Eröffnung sprach Inschrift unter dem „Sonnen“-Fenster:
der Kulturattaché der deutschen Botschaft Die- QUOD VETUS URBS COLUIT / NUNC NOVA VILLA
ter Reinl ein Grußwort und würdigte die Zu- TENET
die Stadt [Rom] verehrte, besitzt nun die Neue Villa
sammenarbeit der beiden Institutionen als Teil (Was
[Wilanów])
des europäischen Verständigungsprozesses. Es
folgten zwei Tage angefüllt mit 23 wissenschaftlichen Referaten, darunter sieben von Mitgliedern
der Winckelmann-Gesellschaft. Alle Beiträge widmeten sich dem Bereich der Bildung und Ausbildung um 1800 sowie der Rolle der Kunst der Antike in diesem Rahmen.
Max Kunze stellte den derzeitigen Stand der Winckelmann-Forschung und die Erschließung seiner Werke vor. Dieses beispielhafte langjährige Vorhaben war besonders für die polnischen Kollegen von Interesse, die mit der Erschließung der Schriften Potockis erst am Anfang stehen. Christoph Helm widmete sich dem Thema Bildung und Ausbildung in Mitteldeutschland im 18.
Jahrhundert und stellte dabei vor allem die Rolle pietistischer und aufklärerischer säkularer Schulen vor, die antikes Gedankengut weiter vermittelten. Der Verfasser referierte über die Grand
Tour als aristokratisches Bildungsmodell in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und den langsamen Wandel dieses Modells nach 1800 zur touristischen Exkursion. Vor dem Hintergrund der
1815 erfolgten ersten Übersetzung Winckelmanns ins Polnische stellte Max Kunze weitere Übersetzungen der Werke Winckelmanns im 18. und 19. Jahrhundert vor. Hierbei ist zu bemerken,
dass mit der polnischen Übersetzung auch der Beginn der Entstehung einer polnischen archäologischen Wissenschaftssprache markiert wird, ein Thema, dem im Rahmen des gemeinsamen
Forschungsprogramms auch nachgegangen werden soll. Sascha Kansteiner sprach über eines der
wertvollsten antiken Denkmale Polens, eine von Potocki erworbene Hermesplastik sowie über
weitere Skulpturen aus dem Besitz des Antikensammlers. Dieter Metzler widmete sich der Veredelung des Barbaren-Skythismus um 1800. Damit sprach er über einen speziellen Teil polnischer
Adelskultur, in der versucht wurde, die Polen vom antiken Volk der Skythen und Sarmaten herzu-
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leiten und sich auf diese Weise eine eigene antike Vergangenheit zu schaffen. Zuletzt thematisierte Stephanie-Gerrit Bruer die Suche Jan Potockis, eines Cousins von Stanislaw Kostka, nach den
Anfängen der slawischen Mythologie. Diese Suche hatte ihn auch nach Mecklenburg geführt, wo
ihm findige Geschäftsleute gefälschte altslawische Götzenbilder verkauften.
Weitere Beiträge beschäftigten sich u.a. mit Potockis Entwürfen für ein Museum in Warschau (Jerzy Miziołek), mit seinen Gartengestaltungen (Marzanna Jagiełło, Wojciech Brzezowski) sowie seinen
Sammlungen (Michal Mencfel, Jacek Maj, Joanna Paprocka-Gajek, Jolanta Czerzniewska). Da die
Tagung zweisprachig war, wurden alle Beiträge simultan jeweils ins Polnische oder Deutsche übersetzt, so dass sich für die Zuhörer keine Verständnisprobleme ergaben. Die Publikation der Tagungsbeiträge als erste Publikation des gemeinsamen Forschungsprojektes ist für 2015 geplant.
Am Samstag, den 10. Mai besuchten wir das etwa 70 km südwestlich von Warschau gelegene
Schloss Nieborów und die nahe Gartenanlage Arkadia. Das Schloss enthielt neben seiner originalen Ausstattung aus dem 18. Jahrhundert zahlreiche antike Plastiken. Der nahegelegene Landschaftspark Arkadia ist der bedeutendste sentimentale Garten Polens. Im Zentrum steht der Dianen-Tempel, der als Sammelstätte antiker Plastiken entstanden war. Nachbildungen eines Aquäduktes und eines römischen Zirkus’ vervollständigten das antikisierende Programm des Gartens.
Einige Teilnehmer nutzen das Angebot, am Sonntag noch in das in Südwestpolen gelegene
Łancut zu reisen, um das dort gelegene Schloss der Familie Potocki mit seinen reichen Sammlungen, darunter auch Werke von Antonio Canova, zu besichtigen.
Jahreshauptversammlung der Winckelmann-Gesellschaft in Stendal vom 6. bis 8. Dezember
2013
Max Kunze: Bericht des Kuratoriums
Im vergangenen Jahresbericht konnte ich Ihnen die gerade gegründete Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Winckelmann-Jubiläen 2017/2018 vorstellen. Diese wird die nächsten fünf Jahre arbeiten, um Projekte und Veranstaltungen zu koordinieren und die Rekonstruktion des Winckelmann-Museums zu beraten. Diese Jubiläen stehen fortan im Focus unserer Arbeit, wobei uns
2013 durchaus ein guter Start gelang: Erste Pläne für die Rekonstruktion und sinnvoll-sparsame
Erweiterung des Winckelmann-Museums und die Erschließung des Museumsgeländes wurden
(kostenlos) von dem Berliner Architektenbüro Patzschke & Patzschke erarbeitet und zur Diskussion gestellt. Die Stadt Stendal, vertreten durch den Oberbürgermeister Herrn Schmotz, unserem
Kuratoriumsmitglied, hat bereits ein umfangreiches und kostenintensives Bauprogramm begonnen, das helfen wird, die Bausubstanz der Häuser zu sichern und die Museumsbereiche funktional, ökologisch und energetisch effizienter zu gestalten (darüber wird im Bericht über das Museum noch zu sprechen sein). In der Berliner Vertretung des Landes Sachsen-Anhalts konnten wir
mit einer bemerkenswerten und gut besuchten Eröffnungsveranstaltung auf diese Jubiläen hinweisen und zugleich die Stadt Stendal vorstellen. Zudem hat das Kuratorium mit einer nach Rom
in die Casa di Goethe verlegten Sommersitzung die Gründung eines gemeinsamen deutsch-italienischen Komitees, an dem mehrere italienische Partner beteiligt sind, realisiert und den ersten
Entwurf eines gemeinsames Arbeitsprogramms auf den Weg gebracht.
Zu diesen Jubiläumsinitiativen und damit auch zu meiner Berichterstattung über die Arbeit des
Kuratoriums gehören unsere Bemühungen, die europäische Bedeutung Winckelmanns in der
Wissenschafts-, Kultur-, Kunst- und Bildungsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts bis 2017
näher zu untersuchen und so neue Kontakte zu Kollegen und Freunden in verschiedenen euro-
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päischen Ländern aufzubauen. Ein verheißungsvoller und höchst ertragreicher Anfang war 2011
durch die von Jorge Maier-Allende initiierte Tagung zu „Winckelmann in Spanien“ in Madrid gemacht, deren umfangreichen zweisprachigen Protokollband Herr Maier-Allende persönlich vorstellt. Im Mai nächsten Jahres wird ein internationales Kolloquium in Warschau zusammen mit
dem Museum im Schloss Wilanów stattfinden. Gestern hatte ich die Ehre, anlässlich des Besuches
des Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts in Warschau ein Intentionsschreiben zu unterzeichnen, in dem es heißt: „Die Partner bekunden, dass sie am 6. Dezember 2013 die Zusammenarbeit
mit dem Ziel der Realisierung eines Projektes „Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) und
Stanisław Kostka Potocki (1755–1821), Meister und Schüler“ beginnen. Dieses beinhaltet Forschungen zu den Quellen der ästhetischen, sammlerischen und museologischen Konzeptionen sowie der Bildungskonzeptionen Johann Joachim Winckelmanns und Stanislaw Kostka Potockis sowie der Rezeption ihrer Ideen in Mitteleuropa, aber auch die Verbreitung der Forschungsergebnisse in geplanten Bildungsprogrammen. Der Zeitraum der Zusammenarbeit im Projekt ist bis
Ende 2016 terminiert. Facettenreiche Themen für Referate des Kolloquiums sind bereits angemeldet, interessante Besichtigungen und Exkursionen sind in Vorbereitung (Ingo Pfeifer). Anfang
Oktober fand bereits eine Vor-Konferenz statt, bei der Ingo Pfeifer, Eva Hofstetter und der Berichterstatter sprachen. Weitere Winckelmann-Kolloquien sind 2015 und 2016 in Florenz und St.
Petersburg geplant.
Im Berichtszeitraum 2012 fand in Grenoble ein interessantes Kolloquium zu „Stendhal – Stendal
–Winckelmann“ statt, eine Konferenz, deren Vorbereitung und Durchführung ganz in den Händen unseres Kuratoriumsmitgliedes Markus Käfer lag; ihm sei nicht nur dafür, sondern auch für
die Ausdauer gedankt, mit der er über Jahre dieses Projekt für uns verfolgte und schließlich realisieren konnte. Eine Besonderheit der Veranstaltung lag darin, dass die Partnerstadt von Grenoble,
die Stadt Stendal, in diese Veranstaltung eingebunden war; dafür ist dem OB Herrn Schmotz und
seinen städtischen Mitstreitern vielmals zu danken.
Eine zweite Veranstaltung führte uns auf den Spuren des bayrischen Klassizismus nach München. Ein vielseitiges Besichtigungsprogramm erwartete uns dort, von der Glyptothek und Antikensammlung bis hin zu den Pinakotheken und weiteren Sammlungen und architektonisch-städtischen Höhepunkten des bayrischen Klassizismus. Etwas Besonderes war die Einladung unserer
beiden Münchner Mitglieder Sven Kielgas und Falk Weber, die uns ihre „Preußische Gesandtschaft“ in München vorstellten: eine bezaubernde Sammlung von Kunstwerken und Werken des
Kunsthandwerks des preußischen Klassizismus. Beiden Mitgliedern ist auch die Initiative für diese Reise zu danken. Schön wäre es, wenn sich weitere Mitglieder an Vorbereitungen von interessanten Reisezielen in dieser oder ähnlicher Weise beteiligen könnten.
Ich erwähnte bereits die Eröffnungsveranstaltung zu den Winckelmann-Jubiläen in der Berliner
Vertretung des Landes Sachsen-Anhalts. Die Winckelmann-Freunde wurden von zwei Staatssekretären, Dr. Hoffmann vom Kulturministerium und Dr. Schneider begrüßt; letzterer lud gemeinsam mit uns zu einem Empfang ein. Unser Kuratoriumsmitglied Axel Rügler leitet seit Jahren die
Berliner Veranstaltungsreihe, bei dieser speziellen Veranstaltung wurde er von unserer Geschäftsführerin und den Mitarbeitern des Winckelmann-Museums sowie ‚Freiwilligen‘ wie Herrn Ottfried
Schlangstedt unterstützt. Weitere Vorträge, wie der von Jorge Maier-Allende zu König Karl III.
von Spanien und den Grabungen in den Vesuvstädten, und Buchvorstellungen, u. a. die unseres
Kuratoriumsmitgliedes Wolfgang von Wangenheim mit seiner neuen Publikation „Kampf um
Rom. Bilder und Texte zum Nachleben der Antike“, fanden in der Landesvertretung statt. An der
Textauswahl des gestrigen Abends zu den Sirenen war unserer Kuratoriumsmitglied Volker Riedel
neben Eva Hofstetter beteiligt.
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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Die „Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft“ erscheinen auch in diesem Jahr pünktlich zur
Jahreshauptversammlung. In ihnen wird lebendig und anschaulich über unsere Veranstaltungen
und Aktivitäten, über neue Winckelmann-Literatur und weitere Winckelmann-Themen berichtet. Verantwortlich dafür zeichnen unser Kuratoriumsmitglied Markus Käfer und Eva Hofstetter.
Fortschritte gibt es auch bei der historisch-kritischen Ausgabe der Schriften Winckelmanns: Nachdem Ende vorigen Jahres noch der 5. Teilband zu Winckelmanns „Geschichte der Kunst des Alterthums“ erscheinen konnte, der Winckelmanns Statuenbeschreibungen, Exzerptmaterialien
zur Kunstgeschichte und die zahlreichen zeitgenössischen Rezensionen enthält, konnten wir – als
Mitherausgeber der Ausgabe – den von Axel Rügler betreuten Textband von Winckelmanns Beschreibung der Gemmensammlung des Baron Philipp von Stosch vorlegen. Wir hoffen, dass im
nächsten Jahr zwei weitere Bände folgen, der umfangreiche Kommentarband zu den „Monumenti
antichi inediti“ und der erste Band von Winckelmanns kunsttheoretischen Schriften, die Dresdner Jahre beinhaltend. An diesen Ausgaben sind federführend als Herausgeber unsere Kuratoriumsmitglieder Adolf Borbein, Axel Rügler und der Berichterstatter beteiligt. Wir hoffen, dass alle
wesentlichen Bände der Schriften Winckelmanns bis zum Jahre 2017/2018 vorliegen.
Viel Zeit und Kraft haben die von der Winckelmann-Gesellschaft herausgegebenen Publikationen auch im abgelaufenen Berichtsjahr 2013 gekostet. Fortgeführt werden konnte unsere Reihe der „Stendaler Winckelmann-Forschungen“ mit der Arbeit von Martin Disselkamp, „’Nichts
ist, Rom, dir gleich‘ – Topographien und Gegenbilder aus dem mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa“.
Nachdem Anfang 2013 die zusammen mit dem „Census of Ancient Works known to the Renaissance“ (Berlin-Brandenburgische Akademie) und dem Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität (Berlin) wiederbelebte und im neuen Format erscheinende Reihe „Cyriacus. Studien zur Rezeption der Antike“ beschlossen war, erschien mit Band 3 eine interessante Publikation zu den römischen Kaisern auf Münzen in der Renaissance. Als Band 4 konnten wir nun das oben genannte Madrider Kolloquium zweisprachig vorlegen. Bereits erwähnt wurde das an Bildern reiche Buch
von Wolfgang von Wangenheim „Kampf um Rom“. Drei Museumskataloge konnten wir dieses Jahr
herausbringen: Den schönen Katalog zur Rekonstruktion ägyptischer, minoischer und griechischer
Schiffe, den Katalog zur Ausstellung „Vorsicht Lebensgefahr! Sirenen, Nixen, Meerjungfrauen in
der Kunst seit der Antike“ von Eva Hofstetter und Udo Reinhardt, beides Mitglieder unserer Gesellschaft, und schließlich den Katalog zu „Hero und Leander“ und einem noch weitgehend unbekannten Gemälde von William Turner, verfasst von unserem Mitglied Andreas Hillert.
Die (wie jedes Jahr) beachtliche Buch- und Katalogproduktion unserer Gesellschaft, meist in Zusammenarbeit mit dem Verlag Franz Rutzen, hat freilich auch einen Preis: Weniger die finanziellen Probleme und Risiken – die Bücher müssen verkauft werden, und da rechnen wir auch auf
Ihre Kaufbereitschaft – als vielmehr der hohe Preis zulasten unserer Arbeitsleistung. Unsere Publikationen werden alle, auch aus Kostengründen, durch Stephanie Bruer und den Berichterstatter
im Layout hergestellt und druckfertig in die Druckerei gegeben: Diese Herstellungsarbeiten sind,
neben der Redaktion, durchaus zeitintensiv und insofern problematisch, als sie die ‚Macher‘ außergewöhnlich belasten, besonders dann, wenn diese daneben noch andere hauptberufliche Funktionen haben wie dies bei unserer Geschäftsführerin der Fall ist. Das Kuratorium hat deshalb bereits in der letzten Sitzung in Rom beschlossen, bis zum nächsten Jahr die Struktur und die Aufgabenbereiche der Geschäftsführung neu zu organisieren, um eine Entlastung der hauptamtlichen
Museumsdirektorin zu erreichen.
Zwei äußerst erfreuliche Ereignisse 2013 waren einmal die zweite große Schenkung von Wolfgang von Wangenheim (s. u. S. 23); zum anderen erreichte uns ein Brief unseres Mitgliedes Franz
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Rutzen mit einer Satzungsänderung seiner Stiftung. Herr Rutzen hat uns in der Vergangenheit
mit der Franz-und-Eva-Rutzen-Stiftung immer wieder Druckkostenzuschläge gewährt und ist
und war an der Gestaltung der Kataloge stets intensiv beteiligt. Der Brief lautet: „Liebe Mitglieder! Anlässlich meines 80. Geburtstags haben meine Frau und ich die Satzung unserer Stiftung
dahingehend geändert, dass nach unserem Tod 40 % unseres Stiftungsertrags (nach jetzigen Werten etwa 40.000 € p. a.) der Winckelmann-Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Zuwendung erfolgt unter der Bedingung, dass damit keine Verringerung oder Aufrechnung gegen Zuwendungen von dritter Seite erfolgen darf. Sie ist ausschließlich für Publikationen und für
die Bibliothek der Winckelmann-Gesellschaft gedacht. Für die Verwendung ist der Franz-undEva-Rutzen-Stiftung eine jährliche Abrechnung vorzulegen und der Nachweis zu erbringen, dass
die Förderung durch die Stiftung auf der Impressum-Seite der jeweiligen Publikationen vermerkt
wurde. Außerdem sollte die jährliche Zuwendung im Jahresbericht der Winckelmann-Gesellschaft
genannt werden. Mit den besten Grüßen und Wünschen für die Zukunft der Winckelmann-Gesellschaft gez. Eva und Franz Rutzen“
Stephanie-Gerrit Bruer: Bericht der Geschäftsführung 2013
Außergewöhnliches gibt es über die Erweiterung der Sammlungen der Winckelmann-Gesellschaft zu berichten: Dank der großzügigen Schenkung unseres Kuratoriumsmitgliedes Wolfgang von Wangenheim hat die Kunstsammlung der Winckelmann-Gesellschaft beachtlichen
Zuwachs erhalten: An erster Stelle ist hier ein Gemälde aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert
zu nennen, das Johann Joachim Winckelmann
nach dem Gemälde von Angelica Kauffmann
zeigt, das im Kunsthaus Zürich aufbewahrt
wird. Der Künstler des Gemäldes ist nicht bekannt. Herr von Wangenheim übergab uns
das Winckelmann-Porträt anlässlich der Eröffnungsveranstaltung zu den Winckelmann-Jubiläen in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts im September in Berlin. Zu der Schenkung gehören weiter vier großformatige und
8 kleinformatige Rom-Ansichten von Giuseppe Vasi. Letztere waren bereits im Romzimmer des Ausstellungs- und Begegnungszentrums zu sehen wie auch die kolorierten Radierungen von Bartolomeo Pinelli mit römischen Alltagsszenen, deren Anzahl um drei
weitere ergänzt auf 11 gestiegen ist. Dazu
kommen 6 kolorierte Radierungen, die Wandsegmente der Loggien Raffaels im Papstpalast wiedergeben, die von Giovanni Ottaviani
1774 nach Zeichnungen von Gaetano Savorelli und Pietro Camporesi gestochen wurden,
sowie zwei Radierungen von Giovanni Batti- Johann Joachim Winckelmann, nach Angelika Kauffmann, spätes
sta Piranesi und 11 Zeichnungen und Radie- 18. Jh.
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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rungen nach antiken Skulpturen (Apollon Sauroktonos, Ares Borghese, drei Faune, Antinous als Osiris, Antinous-Relief aus der Villa Albani). Einen Blick in den Statuenhof des Belvedere vermittelt
die um 1800 entstandene kolorierte Radierung von Vincenzo Feoli.
Sie passt vortrefflich in die Winckelmann-Ausstellung und hat wie
ein Teil der hier genannten Werke bereits Eingang in die ständige
Ausstellung gefunden. Die Aufzählung lässt sich fortsetzen, dies
sind nur die Highlights. Herrn von Wangenheim sei an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich für die großzügige Schenkung an die
Winckelmann-Gesellschaft gedankt!
Zu Dank verpflichtet sind wir auch unserem Kuratoriumsmitglied
Axel Rügler, der der Gesellschaft 10 Grafiken mit klassizistischen
Themen übereignete. Aus eigenen Mitteln erwarb das Museum zwei
Rom-Veduten von Luigi Rossini. Für den Ankauf des Olympia-Reliefs von Christa Sammler erhielten wir die testamentarisch verfügte
Spende von Herrn Jungmann in Höhe von 1.500 €.
Wie in den Vorjahren erfuhr auch die Bibliothek Bereicherung vor
allem durch Schenkungen und Tausch. Hervorzuheben sind hier die
Schenkungen von unserem Kuratoriumsmitglied Franz Rutzen, die
den Löwenanteil darstellen. Ihm möchten wir an dieser Stelle für die
stetige Förderung unserer Bibliothek danken! Weitere Schenkungen
erhielt die Bibliothek von Axel Rügler, Max Kunze sowie vom Literaturhilfswerk der Kaschade-Stiftung und Mitgliedern unserer Gesellschaft. Die Bibliothek konnte in diesem Jahr insgesamt 340 ZuLoggien Raffaels,
gänge verzeichnen, darunter für die Winckelmann-Forschung wichgezeichnet von Gaetano Savorelli und
tige Werke, darunter die französische Winckelmann-Ausgabe „HistoPietro Camporesi,
gestochen von Giovanni Ottaviani,
ire de l’art chez les anciennes“, Paris 1793/1794. Der dritte Band er1774
schien 1803. Erworben werden konnte auch die von Winckelmann
in seinen Werken mehrfach erwähnte Publikation über die „Mensa
Isiaca“, die Laurentius Pignorius 1605 kommentiert und herausgegeben hat. Bei unserer Ausgabe
handelt es sich um die zweite erweiterte Auflage von 1669/1670.
Zu Beginn des Jahres startete in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut die
Übertragung des Bibliotheksbestandes in das Bibliotheksprogramm Aleph500. Knapp 3.400 Bände wurden bereits von unserer Bibliothekarin eingegeben, die nun über das Bibliotheksprogramm
Zenon im Internet abrufbar sind.
Bis Ende August hatte Frau Agnes Kunze, die neben der Bibliothek auch das Ausstellungs- und
Begegnungscentrum des Senior-Campus betreut, die Unterstützung von Frau Conny Bromann,
die wir dank der Förderung von Lotto-Toto halbtags einstellen konnten. Nach dem Auslaufen der
Förderung hoffen wir sehr auf die Unterstützung unserer freiwilligen Helfer.
Dank gilt an dieser Stelle den Mitgliedern unserer Gesellschaft, die an der Gestaltung des Vorlesungsprogramms in Kooperation mit der Hochschule mitwirkten. Im Sommersemester waren dies
Prof. Max Kunze und Prof. Rainer Vollkommer und im Wintersemester 2013/2014 Prof. Sven
Hoffmann, Prof. Markus Bernauer, Prof. Bernard Andreae und Prof. Gunnar Berg.
2013 wird turnusgemäß wieder der Wilhelm Höpfner-Preis der Winckelmann-Gesellschaft vergeben, der Anfang des Jahres an den Kunsthochschulen ausgeschrieben war. Einsendeschluss war
der 30. April. Am 24. Mai tagte das Höpfner-Gremium unter Leitung von Herrn Dr. Sehrt. Auf
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Vincenzo Feoli, Blick in den Statuenhof des Belvedere, Radierung, um 1800
Vorschlag des Gremiums, den das Kuratorium bestätigte, wurde der diesjährige Preis an Ellen
Wagner vergeben. Eine kleine Ausstellung der Preisträgerin mit Arbeiten zum Thema „Ovids Metamorphosen“ ist noch bis zum 31. Januar im Kunstkabinett der Volksbank zu sehen, sie wurde
am Donnerstag in Anwesenheit der Künstlerin eröffnet.
Im letzten Jahr haben wir durch den verstärkten Versand unserer Post per E-Mail oder über BiberPost die Portokosten deutlich, d. h. um 2.400 € senken können. Zudem sind wir dazu übergegangen, Halbjahres- oder Vierteljahresprogramme zu drucken, was die Arbeit des Sekretariats erleichtert. Hier ist uns Ihre Meinung wichtig, ob dies Zuspruch findet oder doch häufigere Einladungen gewünscht werden. Ein leichter Rückgang der Besucherzahlen könnte darauf hindeuten,
dass kurzfristigere Einladungen frischer in Erinnerung sind. Er könnte allerdings auch durch die
monatelange Sperre der Strecke Berlin–Hannover nach der Flut oder durch die Beeinträchtigungen durch die Baumaßnahmen bedingt sein.
Leider hat es unmittelbar vor unserer Jahreshauptversammlung ein Problem mit unserem E-MailVersand bzw. unserer Erreichbarkeit auf diesem Weg und unserer Homepage gegeben. Diejenigen,
die uns ihre E-Mail-Adresse gegeben haben, wurden bereits informiert: Unsere Homepage wurde
entwendet! Die Berliner Firma Artemisium, die unsere Homepage betreute, bemüht sich mit ihren Anwälten darum, die Webseite zurückzubekommen. Erste Versuche, sie ohne Rechtsbeistand
zurückzuholen, sind, wie uns mitgeteilt wurde, gescheitert.
Wir haben unterdessen eine neue Webseite installiert, die Sie unter Winckelmann-Gesellschaft.
com abrufen können. Leider wird es noch etwas dauern, bis sie in allen Suchmaschinen erfasst ist.
Abschließend gilt es noch über die Mitgliederstatistik zu berichten: Unsere Gesellschaft hat derzeit 579 Mitglieder. 55 Mitglieder sind Korporativmitglieder. Die Mitgliederzahl ist gegenüber
dem vergangenen Geschäftsjahr erfreulicherweise leicht gestiegen. Eingetreten sind in diesem Jahr
23 Mitglieder, 7 Mitglieder sind verstorben, 12 Mitglieder sind ausgetreten.
An dieser Stelle möchte ich wieder Frau Wübbenhorst für ihre Unterstützung danken, die seit
Jahren die Einzahlung der Mitgliedsbeiträge überwacht und die notwendigen Zahlungserinnerungen versendet, die Einzugsermächtigungen für die Bank aufbereitet und schließlich die Spendenbescheinigungen ausschreibt.
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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Ebenso haben wir Herrn Lucaß zu danken, der wie jedes Jahr in Zusammenarbeit mit unserem Sekretariat das Mitgliederverzeichnis ständig aktualisiert. Das Mitgliederverzeichnis 2013 können Sie
über unser Sekretariat ausgedruckt erhalten oder digital in unserem Organisationsbüro bestellen. Abschließend möchte ich all denjenigen danken, die die Geschäftsführung unterstützt haben,
vor allem dem Präsidenten, Herrn Prof. Kunze, und natürlich meinen Mitarbeitern im Museum, ohne deren tatkräftige Unterstützung vieles nicht möglich gewesen wäre. Für die vorbildliche
Rechnungsführung danke ich Frau Kokot, für die Unterstützung im Sekretariat Frau Köpke und
für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Jahreshauptversammlung Herrn Schlangstedt.
Mitgliederbewegung 2013
Neue Mitglieder:
Frau Aslı Aymaz, Bochum
Frau Katharina Becker, Frankfurt
Frau Steffie Birnstiel, Gardelegen
Frau Heide Frenzel-Gropius, Berlin
Frau Birgit Glod, Stendal
Herr Prof. Dr. Wolfram Hergert, Aschersleben
Herr Dr. Michael Klein, Heidelberg
Frau Birgit Köpke, Stendal
Frau Helga Kraft, Schollene
Herr Dr. Paul Krull, Blievenstorf
Herr Jens Krumsieg, Stendal
Herr Hans-Werner Lauenroth, Hassel
Frau Elke Mählitz-Galler, Stendal
Frau Heidi Manthey, Oberkrämer
Herr Tobias Mühlenbruch, Marburg
Herr Ioannis Andreas Panteleon, Witten
Herr Florian Pehlke, Berlin
Frau Lucy Russel, Kingston upon Thames
(England)
Frau Dr. Kathrin Schade, Stendal
Frau Doris Schmelzer, Stendal
Herr Guido Siebert, Naumburg
Frau Corina Willkomm, Leipzig
Herr Magnus Urban, Stendal
Verstorbene Mitglieder:
Frau Dr. Edith Geiß, Berlin
Frau Dunja Zobel-Klein, Heidelberg
Herr Dr. Günther Thoms, Magdeburg
Frau Maria Schäfer, Heidelberg
Frau Dr. Elisabeth Rohde, Berlin
Frau Charlotte Schlieker, Stendal
Herr Dr. Wilfried Geominy, Bonn
Austritte: 12
Christoph Helm: Bericht des Schatzmeisters für das Geschäftsjahr 1. 12. 2012–30. 11. 2013
Der Schatzmeister der Winckelmann-Gesellschaft ist zufrieden, einen insgesamt ausgewogenen
Finanzbericht vorlegen zu können, der einerseits die optimistische Grundstimmung in der Winckelmann-Gesellschaft widerspiegelt und andererseits die Veränderungen der finanziellen Rahmenbedingungen nicht außer Acht lässt.
Lassen Sie mich bitte zusammenfassend am Anfang betonen: Die Gelder der Winckelmann-Gesellschaft wurden im Haushaltsjahr 2012–2013 satzungsgemäß verwendet. Im Einzelnen stellt
sich das Ergebnis wie folgt dar: Per Stichtag 30. 11. 2013 hatte die Winckelmann-Gesellschaft
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Einnahmen in Höhe von 107.206,08 € und Ausgaben in Höhe von 112.071,49 €, so dass sich
rein rechnerisch ein Fehlbetrag in Höhe von 4.865,41 € ergibt. Der Stand aller Konten zum 30.
11. 2013 betrug 131.559,45 €. Dagegen steht aber der auf 15 Jahre Laufzeit befristete Kredit bei
der Kaschade-Stiftung mit einem Restwert per ultimum von 18.000 €.
Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die strukturellen Veränderungen von Rahmenbedingungen
eingehen, die negative Auswirkungen auf die finanzielle Situation unserer Gesellschaft haben, wie
sie am Ausweis eines rechnerischen Fehlbedarfes für das abgelaufene Jahr deutlich werden.
Zum einen ist das Einwerben von Drittmitteln aus den Bereichen Stiftungen, Banken, Wirtschaft,
Wissenschafts- und Forschungsorganisationen deutlich schwieriger geworden, was unsere Arbeit
zusätzlich belastet. Durch die Restriktionen der öffentlichen Haushalte hat sich der Druck bei allen Kultureinrichtungen erhöht, auf Drittmittel angewiesen zu sein. Dies geschieht allerdings zu
einem Zeitpunkt, an dem durch die dauerhaft niedrige Zinssituation auszuschüttende Erträge bei
Stiftungen etc. geringer ausfallen. Zum anderen ist die Angebotspalette unseres Museums in den
vergangenen Jahren in erfreulicher Weise vielfältiger und größer geworden, was andererseits die
Notwendigkeit beinhaltet, etwaige finanzielle Risiken durch unsere Gesellschaft abzudecken. Um
nicht missverstanden zu werden: Ich bleibe bei meiner im Kern optimistischen Grundeinschätzung. Wir müssen aber die Entwicklung scharf im Auge behalten und benötigen Kreativität, Ideenreichtum und Einsatz von uns allen, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Im Einzelnen stellt sich die finanzielle Situation wie folgt dar: Die Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen belaufen sich auf 18.201,24 € und liegen in Höhe der Summe des Vorjahres. Hier möchte
ich nachdrücklich für den Vorschlag des Kuratoriums werben, eine Anpassung der Höhe der Mitgliedsbeiträge vorzusehen. Die jetzigen Beitragssätze resultieren aus Festsetzungen des Jahres 2000.
Inzwischen sind 13 Jahre ins Land gegangen, und die jeweiligen Inflationsraten haben zu einem realen Wertschwund geführt, der erheblich ist. Wir werden ja dazu heute in einem gesonderten Tagesordnungspunkt die Details beraten. Weiterhin sollten wir die Beitragsanpassung mit einer Statusprüfung dahingehend verbinden, ob die früher getroffene Einordnung noch dem aktuellen Status entspricht. Leider haben einige Mitglieder trotz Zahlungserinnerung noch nicht ihren Beitrag
entrichtet. An dieser Stelle bitte ich herzlich darum, der Gesellschaft eine Einzugsermächtigung zu
erteilen, soweit diese uns noch nicht vorliegt. Durch Zahlungserinnerungen ist es auf der einen Seite möglich, die Mitgliederbeiträge auf einem relativ aktuellen Stand zu halten. Auf der anderen Seite haben die Mahnaktionen aber auch zu Austritten von Mitgliedern geführt, die schon einige Jahre keinen Beitrag entrichtet und sich nun zur Aufgabe ihrer Mitgliedschaft entschieden haben. Lassen Sie mich bitte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass ich einen der Schwerpunkte
der weiteren Arbeit der Winckelmann-Gesellschaft in der Mitgliederwerbung sehe, wofür die Jugendarbeit im Museum und die wissenschaftlichen Kontakte unserer Mitglieder zum wissenschaftlichen Nachwuchs und den Studierenden der uns affinen Fakultäten gute Voraussetzungen bieten.
Hierzu bedarf es intensiver Kontakte und Bemühungen von uns allen mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit und die generationsübergreifende Weiterarbeit unserer Gesellschaft sicherzustellen.
Bei den Spenden können wir erfreulicherweise im Jahre 2013 einen Betrag von 4.991 € verzeichnen, wobei 2.721 € dem Kindermuseum zugute kamen. Trotz der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie der Tatsache, dass die Spendenbereitschaft von vielen Einrichtungen in Anspruch
genommen wird, ist dies eine erfreuliche Entwicklung. Auch in den kommenden Jahren bleibt
unsere Gesellschaft auf Spenden angewiesen, um die großen Aufgaben, die vor uns liegen, meistern zu können. Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle allen, die gespendet haben, verbunden
mit der Bitte an alle Mitglieder und Freunde, unsere Arbeit durch weitere Großzügigkeit in der
Zukunft zu unterstützen.
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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Eine weitere wichtige Einnahmequelle der Gesellschaft stellt darüber hinaus der Verkauf von Publikationen dar, der mit insgesamt 27.551,50 € im Jahr 2013 im Vergleich zu den Vorjahren relativ gut ist. Der am 5. Juli diesen Jahres leider verstorbene Paul Raabe hat in dem für die Bundesregierung edierten sogenannten Blaubuch der kulturellen Leuchttürme der neuen Länder der Bundesrepublik Deutschland darauf hingewiesen, dass sich die Ausstellungskataloge und sonstigen
Publikationen der Winckelmann-Gesellschaft durch hohe wissenschaftliche Qualität, Anschaulichkeit sowie bibliophilen Anspruch auszeichnen. Damit sind beste Voraussetzungen gegeben, die
Publikationstätigkeit unserer Gesellschaft zu einer soliden Finanzsäule weiter zu entwickeln und
auszubauen. Die Publikationen, gestatten Sie mir bitte diesen Hinweis in der Adventszeit, eignen
sich auch in vorzüglicher Weise als Geschenke zum Beispiel für den weihnachtlichen Gabentisch.
Einen mit 2.800,12 € recht hohen Haushaltsanteil stellen wiederum die Porto- und Versandkos­
ten dar. Eine gewisse finanzielle Entlastung könnte es bedeuten, hier jedenfalls teilweise auf EMail-Verkehr umzustellen, soweit E-Mail-Adressen der Mitglieder vorliegen.
Insgesamt aber, und dies ist ein erfreulicher Erfolg der Geschäftsführung, konnten die Geschäftsführungskosten um rund 7.500 € im Vergleich zum Jahr 2004 gesenkt werden und liegen jetzt
nur noch bei 9.648,20 €.
Durch vielfältige Bemühungen des Präsidenten und des Kuratoriums ist es gelungen, zusätzliche
Mittel Dritter zu akquirieren und für die Arbeit unserer Gesellschaft verfügbar zu machen. Die
Gesamtsumme der eingeworbenen Mittel beläuft sich auf circa 42.000 €, ohne die die erfolgreiche Arbeit unserer Gesellschaft und unseres Museums nicht möglich wäre. Wenn Sie aber die
Höhe des Vorjahres dagegen halten, die sich auf 106.000 € belief, dann wird die Dramatik der
Entwicklung deutlich, über die ich eingangs sprach.
Insgesamt bleibt es die feste Absicht des Kuratoriums, die finanzielle Situation der Gesellschaft,
die durch eine gewisse Fragilität charakterisiert ist, die die Finanzausstattung im Kulturbereich generell kennzeichnet, nachhaltig zu stabilisieren und durch festere Strukturen zu sichern. In diesem Zusammenhang nenne ich auch den in diesem Jahr verlängerten Kooperationsvertrag mit
der Hochschule Magdeburg-Stendal und die damit zusammenhängenden Aktivitäten zur Weiterführung des gemeinsamen Projektes Kinderuniversität im Jahre 2013, die zur Einwerbung von
12.000 € geführt haben.
Dass wir dieses Ziel gemeinsam im Kuratorium mit Optimismus vorantreiben, hängt mit dem Erfolgs- und Wachstumskurs zusammen, auf den die Gesellschaft und das Museum in den letzten
Jahren zurückblicken können. Gerade auch die Vorbereitungen auf die großen Jubiläen der Jahre
2017/2018 sollten wir als positive Herausforderung betrachten, die viel mehr Chancen als Risiken
beinhaltet und der wir uns mit Zuversicht widmen sollten. Lassen Sie uns also mutig an die kommenden Aufgaben herangehen!
Winckelmann-Ehrung am 7.12.2013, 10.00 Uhr, Winckelmann-Platz, Stendal
Winckelmann – il gran Stendalese
I. Wolfgang Eschker
Winckelmann
Ein ums andere Mal
wollte ich ihm die Rotbuchensträhne
aus der Stirn streichen.
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Bis er mir sagte: Nicht
alles muss freigelegt werden.
Wie barmherzig
ist in barbarischer Zeit
ein Rotbuchenzweig.1
Bis heute konnte das Rätsel
um den Tod Winckelmanns in Triest
nicht gänzlich gelöst werden.
Schwer zu verstehen in einer Zeit,
•
•
•
in der alles in den Fokus der Öffentlichkeit gezerrt wird,
in der Privates nicht mehr Privates sein darf,
in der ungelöste Rätsel als Niederlage verstanden werden
– und eben nicht als Barmherzigkeit
II. Triest im Juni 1768
„Als Winckelmann reich war, war er arm, wie nur Könige arm sein können. Vor Jahren hatte er den Glauben gewechselt und wie Cäsar den Rubikon überschritten. Wie Hannibal mit seinen Elephanten, so hatte er mit seinen Hoffnungen die Alpen überquert und war im Triumph in
Rom eingezogen. Er hatte mit Päpsten und Kardinälen gespeist und Bücher geschrieben, die ganz
Europa las. Er hatte Ruhm und Ehre und Einfluss gewonnen und war nun, auf dem Höhepunkt
seines Lebens, an seinem tiefsten Tiefpunkt angelangt.“2
Warum?
III. Winckelmanns Credo
war bekanntlich der Glaube an die Freundschaft. 3
– Sein Verhängnis, wie auch Goethe meint:
„Wenn bei sehr vielen Menschen, besonders aber bei Gelehrten, dasjenige, was sie leisten, als die
Hauptsache erscheint und der Charakter sich dabei wenig äußert, so tritt im Gegenteil bei Win­­ckelmann der Fall ein, dass alles dasjenige, was er hervorbringt, hauptsächlich deswegen merkwürdig und schätzenswert ist, weil sein Charakter sich immer dabei offenbart. […] Winckelmann
war durchaus eine Natur, die es redlich mit sich selbst und mit andern meinte; seine angeborne
Wahrheitsliebe entfaltete sich immer mehr und mehr, je selbständiger und unabhängiger er sich
fühlte, so dass er sich zuletzt die höfliche Nachsicht gegen Irrtümer, […], zum Verbrechen machte.“4
Was bleibt uns heute?
IV. Winckelmann, der Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaften,
„gilt als Beispiel [dafür], wie ein einfacher Bürger [und Handwerkssohn] mit Glück und Verstand
alle mit seiner niederen Herkunft verbundenen Schranken zu überwinden wusste.“5
Er kam, sah, und siegte.
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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Wolfgang Eschker
J.J. Winckelmann
Veni
auf Schusters Rappen
in den weiten Kreis
der Kunst.
Wie die Welt
in einer Schusterkugel:
einfach, edel, groß.
Und siegte,
selbst in Triest.6
Darin kann Winckelmann auch uns heute noch ein Vorbild sein.
V. „Wer sein Glück erkennt und nutzt, der ist es wert!“7
Vorgetragen haben Felix Stilzebach, Alexa Wipper und Annabell Ziekau aus der Klasse 7c des
Winckelmann-Gymnasiums in Stendal (entstanden im Ethik-Unterricht von Frau Dorlis Salomo).
Anmerkungen:
Wolfgang Eschker, Stunden, Tage, ohne Zeit, Blieskastel 2003 S. 44.
W. Eschker, Tod in Triest, Blieskastel 1999 S. 43–44.
3 Vgl. Klaus-W. Haupt, Die zwei Federn des Johann Winckelmann, Druckzone Cottbus 2012 S.
97.
4 J. W. Goethe, Winckelmann und sein Jahrhundert (http://www.textlog.de/41522.html).
5 K.-W. Haupt (wie Anm. 3) S. 7.
6 W. Eschker, Bilder aus der Alten Mark, Merzig 2008 S. 14.
7 Winckelmann 5.2.1758, Brief an Berendis.
1
2
Zum 100. Geburtstag von Hugo Rokyta (1912–1999)
Kulturwissenschaftler, Publizist, Denkmalpfleger in Prag, Universitätslehrer in Salzburg,
von 1978–1989 Mitglied des Vorstandes der Winckelmann-Gesellschaft und Träger der Winckelmann-Medaille der Stadt Stendhal 1978
In seiner Persönlichkeit, in seiner leidvollen Lebensgeschichte, mit seinen Forschungen und in seinem unbeirrbaren Bemühen um die Wahrung des kulturellen Erbes, mit seinem Wirken in der
Winckelmann-Gesellschaft war Rokyta ein Europäer, ein Humanist in den Zeiten des Kalten
Krieges, dem es trotz aller Widerstände immer wieder vergönnt war, die Früchte seiner Arbeit zu
erleben.
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Aus den Gedenkreden von
Dr. Erhard Koppensteiner (Salzburg): Hugo Rokyta zum Gedenken
(gehalten am 17. 10. in Weiden /Oberbayern, am 18. 10. in München, am 21. 11. 2012 in Salzburg
und am 7. 3. 2013 in Linz)
Hugo Rokyta wurde am 24. 11. 1912 in
Kamieńsk, nahe zur Grenze der einstigen österreichisch-ungarischen Monarchie, im heutigen
südlichen Mittel-Polen, westlich von Czenstochau, geboren. Rokyta verbrachte seine Kindheit und Jugend aber im doppelsprachigen
Brno/Brünn, der einstigen Landeshauptstadt
des österreichischen Kronlandes Mähren, die
er als seine eigentliche Heimatstadt ansah. „Ich
übersetze für mich weder von der einen noch in
die andere Sprache, ich denke in beiden Sprachen. Und ich verstehe auch Jiddisch und Wasserpollakisch“, sagte Rokyta, unter dem Hinweis, daß er sich mit Papst Wojtiła, den er seit
der Erzbischofszeit in Krakau kannte, auch
in letzterer Sprache unterhalten konnte, einer
Mischsprache aus polnischen, deutschen und
tschechischen Elementen, die im Osten Mährens verstanden wird.
Führte schon die Maturareise mit Freunden zu
den Adalbert Stifter-Gedenkstätten von Horní
Planá/Oberplan und Linz, so weitete die Zusammenschau der interdisziplinären Interessen
seinen europäischen Horizont später durch Studienreisen nach Wien und Studienaufenthalte an den Universitäten in Dresden, Breslau, Budapest und Paris, aber auch zu den – noch heute stattfindenden – Salzburger Hochschulwochen.
Seine eigentlichen Universitätsstudien absolvierte Rokyta 1931 bis 1938 in Prag, und zwar dreifach: an der Tschechischen Karlsuniversität studierte er Geschichte, Kunstgeschichte und Slawische Philologie, an der Deutschen Universität Germanistik und Volkskunde, sowie an der Hochschule für Politik und Diplomatie Kuriale Geschichte und Politikwissenschaften.
Aus dem Kreis der katholischen Jugendbewegung beider Völker in den böhmischen Ländern
kommend und von der ökumenischen Bewegung geprägt, wurde er mit 25 Jahren zugleich jüngster parlamentarischer Sekretär des Prager Abgeordnetenhauses. Er betreute 1937/1938 als Parlamentssekretär die in Regierungskoalition befindlichen Minister und Abgeordneten der „Deutschen Christlich-Sozialen Volkspartei“. Zu seiner politischen Karriere gehörte es, daß er im Sommer 1938 als Mitglied der tschechoslowakischen Delegation in Paris war, die den Franzosen und
der Welt die tschechoslowakische Politik gegenüber den Deutschen in Böhmen und zu Deutschland erklären wollte. Rokytas öffentliches Engagement gegen das NS-Regime auf nationaler und
internationaler Ebene, sein Eintreten für die Sorben führte in Hitlers „Protektorat Böhmen und
Mähren“ am 5. Mai 1939 zu seiner Verhaftung und Inhaftierung. Zugleich mit Mitgliedern der
abgesetzten Regierung, Abgeordneten, Beamten und einem Teil der akademischen Intelligenz des
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Landes, insgesamt 1000 Personen, kam Rokyta am 1. September für einige Wochen in das KZ
Dachau, bzw. danach in das KZ Buchenwald, wo er bis 1944 inhaftiert war. Eine weitere Ursache
dafür war seine Herausgeberschaft und Redaktionstätigkeit für die kulturpolitische Monatsschrift
„Abendland – Unabhängige deutsche europäische Stimmen für christliche Gesellschaftserneuerung“, die sich gegen die Diktatur im NS-Reich und für eine positive Völkerversöhnung im eigenen Land aussprach. Auf dringliches Verlangen des Internationalen Roten Kreuzes wurden Hugo
und seine Frau Brigitta Rokyta erstaunlicherweise 1944 aus der KZ-Haft entlassen, der Sohn Kliment kommt 1945 auf die Welt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war an eine politische Karriere nicht mehr zu denken. Von 1946 bis
zum kommunistischen Putsch 1948 bzw. zum Verbot und der Auflösung der Hochschule „Studium Catholicum“ im Jahre 1950 lehrte er schon als Dozent an deren verschiedenen Instituten.
Er promovierte 1952 mit der Dissertation „Die Katharinenlegende im Volksglauben“, einem bildungsgeschichtlichen Thema aus der spätmittelalterlichen Epoche von Kaiser Karl IV.
In der Zeit der schwierigen neuen staatlichen Lage fand Rokyta, betreut von seinen Lehrern Václav Vojtěch und Żdeněk Wirth, dem Leiter der tschechischen Denkmalpflege und begleitet von
der schützenden Hand des Dichters František Halas einen Arbeitsplatz als Lektor im staatlichen
Verlag Orbis 1948 bis 1953. Hier war er an der Herausgabe kunsttopographischer und volkskundlicher Werke beteiligt. Nach dem Tod von Halas, 1949, begannen ideologische Anfeindungen, Demütigungen und Herabsetzungen; sie standen bis über das Pensionierungsjahr 1981
hinaus an der Tagesordnung. Wie oft spürte er die Verfolgung durch Spitzel der kommunistischen
Staatspolizei zwischen 1949 und 1989 und wurde mit Verhören drangsaliert, anfangs grausam,
später in „feinerer“ Form.
Als in den Fünfzigerjahren im Zeichen des angetretenen kommunistischen Regimes zahlreiche
Denkmäler von europäischer Bedeutung bedroht waren (die Ereignisse von 1945, 1948, 1950,
1968 überstiegen im allgemeinen bis heute das Wissen im ‚Westen‘), wurde Rokyta unter Żdeněk
Wirth, der unangefochtenen Autorität im Fach der Denkmalpflege der Nachkriegszeit, in dessen Kreis berufen. Hier forderte Prof. Stech Rokyta auf: „Freund Rokyta, kümmern Sie sich um
die deutschen Denkmale in den tschechischen Ländern. Sie waren KZ-Häftling, Ihnen kann niemand widersprechen oder Böses unterstellen.“ Hugo Rokyta ist nun von 1955 bis 1981 mit der
Erfassung und Betreuung dieser Denkmäler betraut, um zu retten, was von den Stürmen der Enteignungswellen, der ‚Schlösser-Entleerung‘, den Sprengungen von Kirchen, Kapellen und ganzen
Schlössern und an der Kunstobjekt-Deportation (eisenbahnzugweise ins Ausland, danach nur
mehr waggonweise) noch zu retten war. Andererseits gab es – der Gerechtigkeit halber erwähnt
– auch zu dieser Zeit im Land eine Reihe von baulich und ausstattungsmäßig weitgehend intakten ‚Herzeige-Objekten‘, stets bestens gepflegt, ein Vorteil bis heute. Große Verdienste erwarb sich
Rokyta zum Beispiel um die Rekonstruktion des historischen Kerns der Stadt Eger und der von
den Russen und zuletzt von aufgehetzten Tschechen 1945 zu 90 % zerstörten deutschen Stadt
Fulnek.
Zugleich war es für Rokyta etwa ab 1951 möglich, eine schließlich 150 Publikationen umfassende
kunst- und kulturtopographische Edition der Denkmäler in den böhmischen Ländern zu leiten,
wenngleich es „Mähren und Schlesien“ staatsrechtlich und dem Namen nach nicht geben durfte. Die international beachtliche große Auflage von 4,5 Millionen Exemplaren und das trotz der
Zeitläufe hohe Niveau der Reihe ehrt bis heute die Tschechische Denkmalpflege. 1965 konnte in
Prag noch ein von Rokyta herausgegebener und eingeleiteter Band „Burgen und Schlösser in den
böhmischen Ländern“ auch in deutscher Übersetzung erscheinen. Hugo Rokytas wissenschaftliches Lebenswerk ist das Buch „Die böhmischen Länder. Handbuch der Denkmäler und Ge-
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denkstätten europäischer Kulturbeziehungen in den böhmischen Ländern“, erstmals erschienen
im Verlag St. Peter, Salzburg 1970. Der einstige Ordinarius für Kunstgeschichte, Hans Sedlmayr,
bezeichnete es als einen „geistesgeschichtlichen Dehio“. Die zahlreichen kulturhistorischen Arbeiten Hugo Rokytas erschienen in der Tschechoslowakei, in Ostdeutschland, in Westdeutschland
und später im geeinten Deutschland sowie traditionellerweise in Österreich.
Vorträge und Auslandsreisen wurden Rokyta in den Fünfziger- und zu Beginn der Sechzigerjahre
so gut wie unmöglich gemacht, desgleichen wurde ihm eine akademische Lehrtätigkeit sowie eine
Habilitation vor 1989 versagt. Allein den nächsthöheren akademischen Titel „Kandidat der historischen Wissenschaften“ (CSc.) durfte er führen. 1963 nahm Rokyta mit seinem Freund Eduard
Goldstücker, Germanist an der Karlsuniversität und tschechischer Reformer, im Schloß der Tschechoslowakischen Akademie, Liblice, an der internationalen Kafka-Konferenz teil, die bekanntlich
den „Prager Frühling“ einleitete. Rokyta hielt seinen Vortrag in der deutschen Sprache Kafkas, das
erste Mal, daß auf einer geisteswissenschaftlichen Konferenz im Lande von einem Tschechen offiziell deutsch gesprochen wurde. Die anwesenden Kommunisten verboten ihm weiter öffentlich
Deutsch zu sprechen. Auch später, 1987, wurde von einem sogenannten ‚katholischen Systemjournalisten‘ eines ‚christlichen‘ Verlages medial zwischengeschossen mit dem Aufruf: „Rokytas
Werk darf niemals gedruckt werden. Es ist unseriös. Ich wurde vor ihm gewarnt“.
Hugo Rokytas reiches Schaffen fand jedoch im Ausland schon bald gebührende Anerkennung
und er wurde zu Vortragsreisen an Universitäten und Institutionen in Graz, Salzburg, Frankfurt,
Jena, Halle, Rostock (Tagung über Realismus in der antiken Kunst, „Winckelmann in Böhmen“)
eingeladen. An der Salzburger Paris-Lodron-Universität erfolgte 1969 die Ernennung zum Honorarprofessor für Vergleichende Bildungslehre mit besonderer Berücksichtigung der böhmischmährischen Länder.
In den 90er Jahren galt Rokytas Interesse dem langgehegten Wunsch, daß sein Handbuch „Die
Böhmischen Länder“ neu bearbeitet und wesentlich erweitert wieder erscheinen möge. Eine
glückliche Fügung war die inzwischen erfolgte Gründung des Buchverlages „Vitalis“ durch den
kulturbeflissenen österreichischen Arzt Dr. Harald Salfellner in Prag, der das Werk 1997 in drei
Bänden: Prag, Böhmen, Mähren und Schlesien und mit dem Untertitel „Handbuch der Denkmäler und Gedenkstätten europäischer Kulturbeziehungen in den Böhmischen Ländern“ in einer
Auflage von 5000 Stück herausgab. Golo Manns Urteil über die drei Bände lautet: „Es ist das bei
weitem Reifste, Schönste, was es über den an sich so reichen Gegenstand gibt.“ Und der deutsche
Außenminister Hans-Dieter Genscher schrieb: „Hugo Rokytas Lebenswerk ist beispielhaft für die
Kraft des kulturellen Austausches als Fundament der Verständigung zwischen Völkern.“
Unter Rokytas Ordensauszeichnungen befinden sich: Österreichisches Ehrenkreuz 1. Klasse für
Wissenschaft und Kunst 1991, Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland 1992.
Für das langjährige humanitär-caritative Wirken erhielten Hugo Rokyta und seine Gattin Brigitta 1972 das Kommandeurkreuz des päpstlichen Gregoriusordens. Im eigenen Land erhielt Rokyta 1997 den Comenius-Orden der Tschechischen Republik und kurz vor seinem Lebensende
würdigte das Schulministerium seine kulturellen Tätigkeiten mit einer festlichen Ehrung. Ein krönendes Ereignis war die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Horní Planá/Oberplan im
Böhmerwald am 23. Oktober 1995. Hier feierte man im Jahr 2000 das vierzigjährige Bestehen der
Stifter-Gedenkstätte als Museum und Veranstaltungsstätte unter anderem mit einer Ausstellung, in
der die Verdienste Rokytas um die Errichtung in Text und Bildern gewürdigt wurden. Im Jahr 2014
zeigte das Museum bis Ende Dezember übrigens eine eigene Sonderausstellung „Hugo Rokyta“. Die
Herausgabe einer neu bearbeiteten und um das tschechisch-sprachige Schrifttum wesentlich erweiterten Bibliographie Rokytas wird in der Tschechischen Republik für 2015/ 2016 als Druck ange-
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kündigt, nachdem ein erstes Verzeichnis in der Gedenkschrift des Instituts für Kunstgeschichte der
Universität Salzburg für Hugo Rokyta „Das Wesen Österreichs ist nicht Zentrum, sondern Peripherie“ , Prag-Furth 2002 S. 352–370 erschienen war.
In der Dankrede anlässlich der Verleihung des Ehrenringes der Görres-Gesellschaft in Köln, 1997
[abgedruckt im Jahres- und Tagungsbericht der G.-G. 1997 S. 130–131] äußerte sich Rokyta über
seine denkmalpflegerische und kulturhistorisch-wissenschaftliche Arbeit so: „Lassen Sie mich sagen,
wie es zu jenen Ereignissen und mühseligen Versuchen gekommen ist. In der Zeit der schwersten
Bedrohung unserer physischen und geistigen Existenz hatten mir meine gütigen Lehrer und väterlichen Freunde den Auftrag erteilt, in der Sprache der Monumente, der Denkmäler und Gedenkstätten all das zu bewahren, was uns mit der Kultur und Zivilisation unserer Nachbarn verbindet
– über alle Irrwege hinweg als das Bleibende und darum Unzerstörbare. Und indem wir uns dieser Aufgabe hingeben, vergegenwärtigen wir uns, daß wir, eingedenk des Charismas und Glaubens, als Gebildete alles daran setzen müssen, daß dieser Stand seinem Auftrag gemäß seinen Platz
im Leben der Völker einnehmen kann, um uns vor der Inferiorität eines plebejischen Zeitalters zu
bewahren.“
Verleihung der Winckelmann-Medaille an Prof. Dr. Henning Wrede
Laudatio
Mit der Winckelmann-Medaille 2013 ehrt die Hansestadt Stendal auf Vorschlag des Kuratoriums
der Winckelmann-Gesellschaft Herrn Prof. Dr. Henning Wrede für seine archäologischen Forschungen sowie seine Studien auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte der Klassischen Archäologie.
Henning Wrede studierte von 1961–1968 Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Griechisch
an den Universitäten Frankfurt am Main und Göttingen. Sein Studium schloss er 1968 in Frankfurt
mit der Promotion zum Thema „Die spätantike Hermengalerie von Welschbillig. Untersuchung zur
Kunsttradition im 4. Jahrhundert n. Chr. und zur allgemeinen Bedeutung des antiken Hermenmals“ ab. 1969–1970 erhielt er das Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts.
Nach seiner Rückkehr von der Stipendiatenreise war er von 1971–1978 als Assistent und Privatdozent am Institut für Klassische Archäologie der Universität München tätig.
1974 habilitierte er sich an der Universität München mit dem Thema „Consecratio in formam
deorum: Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit“. Die Habilitationsschrift erschien 1981 als Buch im Zabern-Verlag. 1978 wurde Henning Wrede Professor und wissenschaftlicher Rat am Archäologischen Institut der Universität zu Köln. 1994 wurde er als Professor an
das Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität nach Berlin berufen. Ein Jahr darauf übernahm er bis zu seiner Pensionierung die Funktion des Geschäftsführenden Direktors des Winckelmann-Instituts. Dem Winckelmann-Institut blieb er auch nach seiner Pensionierung eng verbunden, etwa durch die Übernahme der Leitung eines DFG-Projektes des Sonderforschungsbereichs
„Transformationen der Antike“. Neben den Forschungen zur griechischen Bildhauerei, insbesondere zu den Parthenonskulpturen, zu griechischen Bildnissen und zur hellenistischen Genreplastik sowie zu griechischen und römischen Hermen gehören zu den Schwerpunkten seiner wissenschaftlichen Arbeit auch Untersuchungen zur römischen Kunst- und Sozialgeschichte, insbesondere zu den römischen Staatsmonumenten, zur römischen Sepulkralkunst sowie zur spätantiken
Kunst.
Sein besonderes Interesse galt jedoch der Wissenschaftsgeschichte der Klassischen Archäologie
und der Rezeption der Antike. Intensiv beschäftigte er sich mit der Entstehung der Archäologie
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und der Altertumswissenschaften, er untersuchte die Entwicklung der Archäologie vom 15. bis
zum 19. Jahrhundert, die Entstehung von Antikensammlungen und die Wirkungsgeschichte antiker Denkmäler. So publizierte er 1986 den „Codex Coburgensis: das erste systematische Archäologiebuch: Römische Antiken-Nachzeichnungen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts“.
Der Winckelmann-Gesellschaft, der er als Mitglied seit mehr als 20 Jahren angehört, ist er in seiner wissenschaftlichen Arbeit seit langem eng verbunden, auch durch zahlreiche kritische Rezensionen unserer Schriften. Seine Forschungen zu Antikensammlungen und Residenzausstattungen
publizierte er 2000 als Band 18 in der Reihe „Schriften der Winckelmann-Gesellschaft“ unter
dem Titel „Cunctorum splendor ab uno. Archäologie, Antikensammlung und antikisierende Ausstattungen in Nepotismus und Absolutismus“. Anlässlich des 300-jährigen Jubiläums des „Thesaurus Brandenburgicus“ übernahm Henning Wrede die wissenschaftliche Vorbereitung eines internationalen Kongresses der Winckelmann-Gesellschaft in Kooperation mit den Akademien der
Wissenschaft Berlin und Mainz, der 2001 in Blankensee und Stendal stattfand. Der imposante
Protokollband erschien 2006. Eine Fortsetzung fand die Veröffentlichung seiner Forschungen zur
antiquarischen Literatur, die für Winckelmann eine wichtige Materialquelle war, in seinem 2004
in der Reihe der Stendaler Winckelmann-Forschungen (Band 3) herausgegebenen Publikation
„Die Monumentalisierung der Antike um 1700“.
Mit der Winckelmann-Medaille würdigt die Hansestadt Stendal die wissenschaftlichen Verdienste
Prof. Dr. Henning Wredes um die Forschungen, die es heute erlauben, J.J. Winckelmanns Rolle
innerhalb der Entstehungsgeschichte der Archäologie und im Kontext seiner Vorgänger besser zu
verstehen.
Wolfgang von Wangenheim zu seiner Schenkung
Unter den Ansichten von Rom ist mir der Römische Karneval besonders lieb. Die Graphik hängt
im Winckelmann-Museum im Romzimmer neben den Blättern des Bartolomeo Pinelli, der zu
Anfang des 19. Jahrhunderts zeichnend und radierend das römische Volksleben dargestellt hat, resche Bauern, edle Räuber, Schaukeln und Kutschen voll schöner weiblicher Jugend. Besonders
gern zeichnete er den Karneval. Unser Blatt scheint jedoch nicht von seiner Hand zu sein; ihm
fehlt die Auflösung der Menge in schöne, überschaubare Gruppierungen. Hier dagegen wogt es
wild durcheinander. Das passt jedoch genau zur „Italienischen Reise“, dem Kehraus vom Februar
1788 unter dem Titel DAS RÖMISCHE KARNEVAL.
Goethe betont das „entsetzliche Gedränge“. Alle Rangordnung scheint aufgelöst; jedermann
nimmt teil. Hier ereignet sich des Volkes wahrer Himmel, viel toller als zu Ostern vor den Toren
von Frankfurt. Alle sind kostümiert, viele travestiert. Man kommt aus einem der Theater und
wird hinein gezogen in die wildeste Szenerie. Und diese verdichtet sich noch, wie auf dem Blatt
zu sehen, am Dienstag, am Abend des letzten Tages. Während es auf dem Corso dunkel wird, entflammen lauter kleine Kerzen, die „Moccoli“. Goethe schreibt:
„Die Balkone sind mit durchscheinenden Papierlaternen verziert, jeder hält seine Kerze zum Fens­
ter heraus, alle Gerüste sind erhellt, und es sieht sich gar artig in die Kutschen hinein, an deren
Decken oft kleine kristallne Armleuchter die Gesellschaft erhellen; indessen in einem anderen
Wagen die Damen mit bunten Kerzen in den Händen zur Betrachtung ihrer Schönheit gleichsam
einzuladen scheinen.
Die Bedienten bekleben den Rand des Kutschendeckels mit Kerzchen, offene Wagen mit bunten Papierlaternen zeigen sich, unter den Fußgängern erscheinen manche mit hohen Lichterpyra-
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miden auf den Köpfen, andere haben ihr Licht
auf zusammengebundene Rohre gesteckt und
erreichen mit einer solchen Rute oft die Höhe
von zwei, drei Stockwerken.
Nun wird es für einen jeden Pflicht, ein angezündetes Kerzchen in der Hand zu tragen,
und (…) ,Sia ammazzato chi non porta moccolo!‘ ,Ermordet werde, der kein Lichtstümpfchen trägt!‘ ruft einer dem anderen zu, indem
er ihm das Licht auszublasen sucht.“ Anfangs
klingt das bedrohlich, doch bald wird es zum
„Refrain aller Scherze, Neckereien und Komplimente. So hören wir spotten: ,Hingemetzelt
sei der Herr Abbate, der ein Liebesverhältnis
Römischer Karneval
hat!‘“ Oder – das geht auf Goethes Begleiterin:
„,Sia ammazzata la Signora Angelica, die angesehenste Malerin unserer Zeit!‘ […] Wie nun an beiden Enden des Corso sich bald das Getümmel
verliert, desto unbändiger häuft sich‘s nach der Mitte zu, und dort entsteht ein Gedränge, das alle
Begriffe übersteigt“.
Jahreshauptversammlung der Winckelmann-Gesellschaft in Stendal vom 5. bis 7. Dezember
2014
Max Kunze: Bericht des Kuratoriums
Wieder einmal stehen Neuwahlen an und ich habe über das letzte Geschäftsjahr zu berichten und
Ihnen zugleich die Arbeit des Kuratoriums der letzten Wahlperiode, also von 2011 bis 2014, in
Erinnerung zu rufen. Dieser Bericht sollte in gebotener Kürze ausfallen und ich bitte um Nachsicht, wenn vieles nur angerissen und manches gar nicht angesprochen werden kann.
Die Tätigkeit der Winckelmann-Gesellschaft trägt seit ihrer Gründung vor 74 Jahren satzungsgemäß drei wesentlichen Zielsetzungen Rechnung: 1) die Forschungen zu Winckelmann zu fördern, 2) die Winckelmann-Pflege in Stendal und über Stendal hinaus lebendig zu halten und somit auch das Winckelmann-Museum zu unterstützen, 3) ein interessantes Miteinander in unserer
Vereinigung zu organisieren, bei dem ein geistiger Austausch möglich und ein freundliches Zusammen-Agieren angestrebt wird. So jedenfalls haben wir unsere Gesellschaft in den letzten Dezennien zu führen versucht. Zur ersten Zielsetzung gehören die wissenschaftlichen Aktivitäten, die
wir zusammen mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz mit der Gesamtedition der Schriften und des Nachlasses Winckelmanns unternehmen; 12 Bände dieser Edition sind erschienen, im vergangenen Berichtszeitraum konnten drei Bände vorgelegt werden: der
5. Band zur Geschichte der Kunst des Alterthums, die Textbände zu den Monumenti antichi inediti
und die Description des Pierres gravées du feu Baron de Stosch. Ende 2014 wird der knapp 860 Seiten umfassende Kommentar zu den Monumenti antichi inediti hinzukommen. Zur zweiten Zielsetzung gehört auch die Verantwortung, die wir gegenüber dem eigenständig agierenden Museum
tragen, Verantwortung für Gedeihen und Wachsen des Hauses, der Ausstellungen und der Sammlungen. Für das Museum sind aber neue Akzente zu setzen: Es geht im Zuge der Vorbereitung der
Winckelmann-Jubiläen um die Rekonstruktion des Winckelmann-Museums, ein Bauprogramm,
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
das helfen soll, die Bausubstanz zu sichern und die Museumsbereiche funktional, ökologisch und
energetisch effizienter zu gestalten. Auch ist die Mitwirkung an den Konzeptionen der neuen Ausstellungen gefragt.
Doch zunächst zu unseren Kolloquien und Reisen, die uns im In- und Ausland zusammenführten
und uns als eine mit dem Erbe Winckelmanns verbundene Vereinigung in verschiedene europäische Länder führte und uns dort bekannt machte. Waren in der vorausgegangenen Wahlperiode
Istanbul, Kappadokien, Kopenhagen, Bozen, Rom, die Etruskerstädte der Toskana, Heidelberg,
Ludwigsburg, Berlin und Rostock Ziele unserer wissenschaftlichen Veranstaltungen und Reisen,
so sind in den letzten vier Jahren weitere Länder und Orte dazugekommen. Allerdings sind unsere
Aktivitäten nun bereits von der Idee getragen, neue Akzente zu setzen, uns näher mit der europäischen Wirkung Winckelmanns, der in der Tat eine europäische Größe war, zu beschäftigen, mit
dem Initiator einer neuen Kunst- und Gedankenwelt, der mit Gelehrten und Künstlern in vielen
europäischen Ländern durch Korrespondenzen vernetzt war.
Unter diesem Aspekt war ein besonderer wissenschaftlicher Höhepunkt das im Oktober 2011
veranstaltete internationale Kolloquium in Madrid in Zusammenarbeit mit der Real Academia
de la Historia, der Akademie der Schönen Künste San Fernando und dem Deutschen Archäologischen Institut, Abteilung Madrid, zum Thema: „Das Vermächtnis Johann Joachim Winckelmanns in Spanien“ mit 20 Referenten aus Spanien, Deutschland, Italien und den Niederlanden, darunter fünf unserer Kuratoriumsmitglieder. Federführend auf spanischer Seite war Dr. Jorge Maier-Allende von der Königlichen Akademie der Geschichte: Mit ihm zusammen konnten
wir inzwischen die Beiträge dieser hochinteressanten Tagung in Spanisch und Deutsch herausgeben und diesen Band Anfang des Jahres im Archäologischen Institut in Madrid auf einer öffentlichen Buchpräsentation vorstellen. Ein weiteres Ergebnis unserer Zusammenkunft in Madrid war
es, die von Diego Antonio Rejón de Silva (1754–1796), ein damals noch junger Kunstschriftsteller, 1784 in Madrid übersetzte, aber nicht gedruckte Kunstgeschichte Winckelmanns zu edieren
und 2014 in einer sehr schönen und ansprechenden Ausgabe erscheinen zu lassen. Die Tagung
gab aber auch Anstöße zu einer langfristigen Zusammenarbeit, für die sich Dr. Maier-Allende, inzwischen Mitglied unserer Gesellschaft und Kandidat für das nächste Kuratorium, einsetzt und
auf der konstituierenden Sitzung des Internationalen Komitees gestern Überlegungen vorgetragen hat; ich bin sicher, dass uns gemeinsame wissenschaftliche Initiativen bald wieder nach Spanien führen werden.
Mai 2014 fand ein internationales Kolloquium in Warschau gemeinsam mit dem Museum im
Schloss Wilanów statt, mit dem wir inzwischen ein langfristiges Kooperationsabkommen eingegangen sind, das umfängliche Forschungen zu den Quellen der ästhetischen, sammlerischen und
museologischen Konzeptionen sowie der Bildungskonzeptionen Winckelmanns und Potockis sowie der Rezeption ihrer Ideen in Mitteleuropa beinhaltet. Der Kongress im Mai konzentrierte
sich auf den Einfluss Winckelmanns und seiner Werke auf Kunst, Ästhetik und Architektur sowie Sammlungskultur und Archäologie in Polen um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert.
Im Mittelpunkt stand die Persönlichkeit des aus einer angesehenen adligen Familie stammende
Stanisław Kostka Potocki, seit 1797 Unterrichtsminister, dann Präsident der Erziehungsdirektion
und 1818 Senatspräsident und Mitbegründer der Warschauer Universität. Bereits 1805 machte er
seine Antikensammlung und seine Kunstsammlungen im Schloss Wilanów der Öffentlichkeit zugänglich. Aus seiner Feder stammt die 1815 freie polnische Übersetzung von Winckelmanns „Geschichte der Kunst des Alterthums“, die er zugleich erweiterte, die einen großen Einfluss in Polen
ausübte und die wir in einer Rückübersetzung ins Deutsche edieren wollen. Facettenreich waren
die 21 Vorträge des Kolloquiums von Wissenschaftlern aus Polen, Tschechien und Deutschland,
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davon vier Beiträge von den Kuratoriumsmitgliedern Dr. Bruer, Prof. Helm, Dr. Pfeifer und dem
Berichterstatter. Sehr interessant, vielseitig und sehenswert waren die vielen Besichtigungen und
Exkursionen. Unser Kuratoriumsmitglied Dr. Pfeifer hat sich besondere Verdienste bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung erworben.
Mai 2012 trafen wir uns in Wörlitz auf Einladung unseres Kuratoriumsmitgliedes Dr. Ingo Pfeifer von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Thematisiert wurden die archäologischen Entdeckungen am Vesuv, die wir in Stendal mit der Artemis aus Pompeji und dem Thema „Farbigkeit
in der griechischen Plastik“ behandelten. Die Rezeption der Entdeckungen von Herculaneum
und Pompeji war im Gartenreich Wörlitz in mehreren Ausstellungsabschnitten vielseitig präsent.
2013 fand in Grenoble ein interessantes Kolloquium zu „Stendhal – Winckelmann“ statt, eine
Konferenz, deren Vorbereitung und Durchführung ganz in den Händen unseres Kuratoriumsmitgliedes Dr. Markus Käfer lag. Eine Besonderheit dieser Veranstaltung lag darin, dass Grenoble
Stendals Partnerstadtstadt ist und diese Partnerschaft durch den Oberbürgermeister Herrn
Schmotz, ex officio Mitglied des Kuratoriums, und seinen städtischen Mitstreitern in Grenoble
belebt wurde.
Die Tagungen in Madrid, Grenoble und Wilanów gehören zu den die Jubiläen vorbereitenden
Aktivitäten, die darauf zielen, die europäische Bedeutung Winckelmanns in der Wissenschafts- ,
Kultur-, Kunst- und Bildungsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts bis 2018 näher zu untersuchen und so neue Kontakte zu Kollegen und Freunden in verschiedenen europäischen Ländern
aufzubauen. Hierum hat sich das Kuratorium seit 2011 kontinuierlich bemüht. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus den Kuratoriumsmitgliedern Prof. Adolf H. Borbein, Dr. Stephanie-Gerrit Bruer, Prof. Wolfgang Richter, Prof. Volker Riedel, Dr. Ralf-Torsten Speler, Prof. Christoph Helm
und dem Berichterstatter, ist im Laufe der Geschäftsjahre mehrmals in Stendal, aber auch in der
Casa di Goethe in Rom zusammengekommen, nicht nur um Ideen zu entwickeln, sondern auch,
mit potentiellen Partnern ein sinnvolles und nachhaltiges Programm auszugestalten. In Rom und
Florenz haben sich inzwischen Arbeitsgruppen zur Vorbereitung der Jubiläen gebildet; in diesem Zusammenhang konnte Frau Prof. Dr. Rita Svandrlik, Direktorin des Germanistischen Instituts der Universität Florenz, zur Mitarbeit in unserem Kuratorium gewonnen werden, was uns
zugleich eine wissenschaftliche Zusammenarbeit sichert, die wir seit vielen Jahren mit Frau Prof.
Maria Fancelli und seit zwei Jahren mit Prof. Cambi pflegen. Während einer Zusammenkunft in
Florenz im Juli dieses Jahres konnte der Berichterstatter an der Universität Florenz über die Winckelmann-Edition in einem Vortrag berichten. All diese Initiativen, besonders in Italien, haben
uns bewogen, die Gründung eines internationalen Komitees in Stendal anzustreben, zu dem wir
nun einladen durften.
Unter dem Vorzeichen der Jubiläen standen die in der Berliner Vertretung Sachsen-Anhalts beim
Bund 2013 begonnenen Veranstaltungen, die an Winckelmann und die mit seiner Biographie
verbundenen Städte der Altmark erinnern wollen, Veranstaltungen, die auf eine größere Berliner
Öffentlichkeit zielen. Die mit ca. 150 Gästen 2013 gut besuchte Eröffnungsveranstaltung war der
Winckelmann-Stadt Stendal gewidmet, gefolgt September 2014 mit einer ebenso interessanten
wie gut besuchten Vorstellung der Stadt Seehausen. Zum Programm gehörten Kurzvorträge, musikalische, künstlerische Darbietungen und gesellige Momente. Unsere Gesellschaft regelmäßig in
der Bundeshauptstadt vorzustellen, ist uns ein wichtiges Anliegen, das wir seit Jahren durch Fachvorträge zu erfüllen suchen. So haben wir auch das Erscheinen aller Bände unserer Edition zu
Winckelmanns „Geschichte der Kunst des Alterthums“ sowohl in Berlin wie auch in der Casa di
Goethe in Rom als Anlass genommen, auf unsere eigenen Winckelmann-Forschungen öffentlich
hinzuweisen. Die Vorbereitung beider Großveranstaltungen und der zahlreichen Vorträge lag in
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den Händen von Dr. Axel Rügler, unserem Kuratoriumsmitglied. Eine besondere Veranstaltung
in Berlin 2014 sei hier erwähnt: Peter Georgino, gerade eingetreten in unserer Gesellschaft, lud
uns zu einem Abend und Empfang in das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum Berlin-Adlers­
hof ein, seinem Arbeitsort. Das Thema lautete: „Was hat der Mars mit Archäologie zu tun“. Drei
profunde Vorträge hochrangiger Forscher und eine 3-D-Präsentation zur Marsforschung gaben
Auskunft über die aktuellen Forschungsergebnisse aus erster Hand.
Kunst-, kulturgeschichtliche und archäologische Reisen gehören traditionsgemäß zu den regelmäßigen Einladungen an die Mitglieder der Winckelmann-Gesellschaft. Im April 2011 luden wir
zu den neuen Ausgrabungen im antiken Lykien ein. Besucht wurden u. a. Rhodiapolis, wo wir
als Vertreter der Winckelmann-Gesellschaft archäologisch tätig waren, und weitere bekannte und
auch unbekannte Orte des antiken Lykiens. Eine weitere archäologische Exkursion organisierten
wir im Juni 2011 nach Bulgarien zu den bedeutenden archäologischen Stätten des antiken Thrakiens. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang an den zu früh verstorbenen Prof. Detlef Rössler, der zusammen mit unserem Mitglied Dr. Gerda von Bülow diese Reise vorbereitet und durchgeführt hatte, beide beste Kenner des antiken Bulgariens.
Im Oktober 2012 luden wir zu einer archäologischen Exkursion nach Israel ein, also zu wichtigen
antiken Städten und Museen im Heiligen Land. Das Jahr 2013 führte uns auf einer Reise zu den
Spuren des bayrischen Klassizismus nach München. Ein vielseitiges Besichtigungsprogramm erwartete uns dort, von der Glyptothek und Antikensammlung bis hin zu den Pinakotheken und
weiteren Sammlungen und architektonisch-städtischen Höhepunkten des bayrischen Klassizismus. Ein spezielles Erlebnis war der Besuch der „Preußischen Gesandtschaft“, begründet von
den Münchener Mitgliedern Sven Kielgas und Falk Weber, die uns ihre ausgewählten Schätze in
München vorstellten: Eine bezaubernde Sammlung von Kunstwerken, Werken der angewandten
Kunst und des Kunsthandwerks des preußischen Klassizismus. Beiden Mitgliedern ist auch die
Einladung für diese Reise zu danken. Im Oktober 2014 schließlich schlossen sich fünfzig Mitglieder unserer Gesellschaft der Einladung nach Sizilien an, wo wir unter fachkundiger Führung die
beeindruckenden archäologischen Stätten und Museen besuchten.
Spätestens hier ist unserer Geschäftsführerin, Frau Dr. Stephanie Bruer, zu danken: Die Organisation aller genannten Veranstaltungen und Reisen lag auf ihren Schultern und denen weiterer Mitarbeiter des Museums. Sie bürdete sich damit eine enorme Arbeit auf, ungewöhnlich für eine ehrenamtliche Tätigkeit.
Über ein anderes wichtiges Ereignis im Geschäftsjahr 2013 wurde bereits berichtet, nämlich die
Gründung eines neuen Ausstellungs- und Begegnungszentrums am Winckelmann-Museum. Dank einer Förderung durch die Hansestadt Stendal konnten schrittweise die baulichen Bedingungen für
das Museum und den Senior-Campus verbessert und damit die Möglichkeit geschaffen werden,
dieses Zentrum 2012 zu eröffnen. Voraus ging ein vom Kultusministerium des Landes SachsenAnhalt gefördertes zweijähriges Projekt „Lebenslanges Lernen vor dem Hintergrund des demographischen Wandels – neue Aufgaben für Hochschulen und Museen“. Für dieses hatten wir zusammen mit der Hochschule Magdeburg/Stendal die theoretischen Grundlagen in einem Modellprojekt für ein seniorengerechtes Museum erarbeitet. Für das Winckelmann-Museum ging es dabei vor allem um die Lösung grundsätzlicher Fragen seniorengerechter musealer und innovativer
Vermittlungsformen und um neue Wege der Vernetzung im urbanen und vor allem aber im ländlichen Raum. So konnten wir 2012 ein angegliedertes Ausstellungs- und Seniorenzentrum eröffnen: eine multifunktionale Begegnungsstätte, ein lebendiger und seitdem gut frequentierter Ort
für Senioren, Treffpunkt für kulturelle Weiterbildung, Kreativität und persönlichen Austausch.
Daneben ist ein „Mobiles Museum“ für Senioren begründet worden, das speziell auf die struktur-
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schwache Region der Altmark ausgerichtet ist wie das „Mobile Kinder-Museum“. Dieses Gesamtprojekt hat den Mitarbeitern viel Kraft gekostet, doch seine Lebendigkeit belohnt diese Anstrengung. Auch unsere Kuratoriumsmitglieder Dr. Axel Rügler, Prof. Christof Helm, Prof. Rainer
Vollkommer und der verstorbene Prof. Rößler haben uns tatkräftige wichtige Hilfen gegeben.
Wir sind dabei, die Winckelmann-Datenbank und damit die Ergebnisse unserer jahrelangen Forschungen im Internet frei zugänglich zu machen und sind dazu eine enge Kooperation mit dem
Census-Projekt der Humboldt-Universität zu Berlin und der Berlin-Brandenburgischen Akademie eingegangen; das Kulturministerium in Magdeburg unterstützte finanziell zunächst diese Arbeiten, die seit zwei Jahren aber ohne finanzielle Hilfen unter Leitung von Frau Dr. Katrin Schade
in Stendal mit Praktikantinnen durchgeführt werden. Inzwischen sind alle 1400 Denkmäler, die
in der „Geschichte der Kunst des Alterthums“ erwähnt sind, in dem Census-Projekt aufbereitet,
integriert und damit frei zugänglich gemacht.
Regelmäßig erschienen die „Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft“, die mit den Jahren ein
unverwechselbares Profil erhalten haben: Dort wird ebenso lebendig über unsere vielfältigen Veranstaltungen berichtet wie auch die neuste Winckelmann-Literatur in Berichten und Rezensionen
vorgestellt. Für die Entwicklung und Ausgestaltung dieser informativen Publikation danken wir
unserem Kuratoriumsmitglied Herr Dr. Markus Käfer und Frau Dr. Hofstetter sehr herzlich.
Seit 2011 sind vierzehn Ausstellungskataloge für das Museum erschienen, meist im Zusammenwirken mit dem Franz-Philipp-Rutzen-Verlag in Ruhpolding/Mainz, vertrieben auch durch den Harrassowitz-Verlag, Wiesbaden. Sie sind Markenzeichen für die Winckelmann-Gesellschaft geworden. Ich erinnere an dieser Stelle an die archäologischen Ausstellungen, die sie begleiteten: Die
Ausstellung der Artemis von Pompeji aus dem Nationalmuseum Neapel, die Ausstellung „Vom Nil
aus um die alte Welt“ und „Sirenen, Nixen, Meerjungfrauen in der Kunst seit der Antike“. Ein Novum stellen zwei gut ausgestattete Kataloge dar, die wir zusammen mit dem Liechtensteinischen
Landesmuseum in Vaduz, also mit unserem Kuratoriumsmitglied Prof. Rainer Vollkommer herausgegeben haben: „Ostereier zwischen Kult und Kunst“, ein Katalog, der eine Ausstellung von Leihgaben aus Vaduz in Stendal begleitete, und „Der Heilige Nikolaus. Leben und Wunder des Nikolaus von Myra“ nebst einem Kinderbuch, die beide für eine Ausstellung des Winckelmann-Museums in Liechtenstein herausgegeben wurden. Für all diese Kataloge danken wir auch Herrn Franz
Rutzen, unserem Kuratoriumsmitglied, sehr herzlich, der diese Bücher redaktionell und Layoutmäßig begleitete. Die Katalogreihe läuft gut, so dass wir aus Überschüssen auch in diesem Jahr
dem Winckelmann-Museum bei der Finanzierung von Ausstellungen helfen konnten.
Eine gute Resonanz haben auch die Stendaler Winckelmann-Forschungen, wie aus zahlreichen nationalen und internationalen Besprechungen einzelner Bände hervorgeht. Der zuletzt erschienene
10. Band trägt den Titel: „Nichts ist Rom, dir gleich“, verfasst von Martin Disselkamp; davor erschien der Band von Maria Wiggen zur Laokoon-Gruppe. Vier neue Bände unserer Reihe Cyriacus. Studien zur Rezeption der Antike liegen ebenfalls vor; darunter die hochinteressante Abhandlung von Arnold Nesselrath „Der Zeichner und sein Buch“, auf den sein Festvortrag auf unserer
Jahreshauptversammlung Bezug nahm und der Band „Vision einer Akademie“, der unsere Colloredo-Ausstellung begleitet. In den Schriften der Winckelmann-Gesellschaft konnten wie drei neue
Bände vorlegen, von denen der in Gedenken an unser verstorbenes Kuratoriumsmitglied Prof. Dr.
Jürgen Dummer erschienene Homer-Band hervorgehoben sei und der von Dr. Markus Käfer zu
Winckelmann und Stendhal herausgegebene 30. Band. Drei neue Titel erschienen auch in den
Akzidenzen. Flugblätter der Winckelmann-Gesellschaft. Dazu treten von uns herausgegebene Bücher
wie der von unserem Kuratoriumsmitglied Wolfgang von Wangenheim erschienene Band „Kampf
um Rom“ oder der Kongressband „…‘die Augen ein wenig zu öffnen‘. Der Blick auf die Antike
28
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
von der Renaissance bis heute“. Es sind im Berichtszeitraum von vier Jahren 32 Büchertitel, zumeist in eigener Produktion, eine Zahl, die sich mit manchem Kleinverlag messen kann und zugleich zu unserem Markenzeichen national und international geworden sind.
Die Winckelmann-Gesellschaft vergab in diesem Jahr zum siebenten Mal einen WinckelmannPreis für beste Leistungen in Latein und Geschichte an einen Abiturienten des WinckelmannGymnasiums. Stets verbunden ist diese feierliche Auszeichnung mit einer Romreise, ein Preis, der
in der Presse und Öffentlichkeit stets anerkennend gewürdigt wird.
Intensive Gespräche mit Abgeordneten aller Fraktionen des Magdeburger Landtags und dem Kultusministerium über die weitere finanzielle Förderung des Museums haben erfreulicherweise dazu
geführt, dass wir ab 2014 eine vierjährige Förderung durch das Kultusministerium erhalten und
damit für den Zeitraum bis 2017 eine gesicherte Finanzierungsgrundlage besitzen. Unser Kuratoriumsmitglied und Oberbürgermeister Klaus Schmotz wird trotz schwieriger Haushaltslage der
Stadt Stendal weiterhin bemüht sein, den Zuschuss für das Winckelmann-Museum zu sichern.
Aus Zeitgründen übergehe ich diesmal die Erwähnung von einzelnen Vorträgen und Beiträge unserer Kuratoriumsmitglieder, die sich seit 2011 zu Winckelmann und der Winckelmann-Rezeption äußerten, darüber Aufsätze verfassten oder Bücher schrieben. Sie alle haben dazu beigetragen, auch unsere Winckelmann-Gesellschaft im Wissenschaftsleben weltweit zu verankern. Zweimal im Jahr traf sich das Kuratorium zu Sitzungen, in Stendal, Wörlitz oder Rom. Ich will diese Darlegung nicht beenden, ohne den vielen Mitgliedern unserer Gesellschaft und den Mitarbeitern des Winckelmann-Museums zu danken, die ständig unsere Arbeit unterstützen oder sie überhaupt erst möglich machen. Besonderer Dank aber gilt den aus dem Kuratorium aus Altersgründen ausscheidenden Kuratoriumsmitgliedern, besonders unseren langjährigen Mitgliedern Prof.
Dr. Wolfgang Richter und Dr. Markus Käfer, die nachhaltig unsere Gesellschaft durch ihr Wirken
geprägt haben. Auch Dr. Martin Keller-Jaccard aus der Schweiz scheidet aus Altersgründen aus.
Interessante Veranstaltungen werden Sie auch 2015 erwarten. Mai 2015 werden wir Sie zu einer
kulturhistorischen Reise in die Baltischen Länder einladen können und im Oktober – das Datum
steht leider noch nicht definitiv fest – versammeln wir uns zu einem Kolloquium und zu Besichtigungen in St. Petersburg.
Das 2014 neu gewählte Kuratorium:
Präsident:
Prof. Dr. Max Kunze, Berlin/Stendal
Geschäftsführendes Kuratoriumsmitglied:
Dr. Stephanie-Gerrit Bruer, Stendal
Schatzmeister:
Herr Sven Kielgas, München
Vizepräsidenten:
Prof. Dr. Adolf Heinrich Borbein, Berlin
Prof. Dr. Christoph Helm, Wolfenbüttel
Dr. Ralf-Torsten Speler, Halle
Prof. Dr. Rainer Vollkommer, Vaduz
Mitglieder des Kuratoriums:
Dr. Erika Eschebach, Dresden
Herr Hans-Volker Feldmann, Otterndorf
Dr. Thomas Fröhlich, Rom
Dr. Monika Knofler, Wien
Dr. Jorge Maier Allende, Madrid
Prof. Dr. Eric Moormann, Amsterdam
Prof. Dr. Arnold Nesselrath, Rom
Dr. Ingo Pfeifer, Wörlitz
Prof. Dr. Volker Riedel, Berlin
Dr. Axel Rügler, Berlin/Stendal
Verleger Franz Philipp Rutzen, Ruhpolding
Prof. Dr. Rita Svandrlik, Florenz
Dr. Wolfgang von Wangenheim, Berlin
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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Stephanie-Gerrit Bruer: Bericht der Geschäftsführung für das Jahr 2014
Der Bericht des Präsidenten über die zurückliegende Wahlperiode hat deutlich gemacht, dass die
Aktivitäten unserer Gesellschaft erneut gewachsen sind. Die internationalen Kongresse in Madrid und Warschau, wie auch die Exkursionen, z.B. 2014 nach Sizilien, oder die Abendveranstaltungen in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts in Berlin zeugen von der erfolgreichen Arbeit
unserer Gesellschaft. Mit den Winckelmann-Jubiläen werden weitere interessante Aufgaben auf
uns zukommen.
Seit nunmehr 15 Jahren ist die Winckelmann-Gesellschaft Träger des Winckelmann-Museums.
Damit erweiterten sich zugleich auch die Aufgaben unserer Gesellschaft. Mitglieder unserer Gesellschaft haben aktiv an der Gestaltung des Museums mitgewirkt und es in seiner Arbeit vielfältig unterstützt. Sie förderten die Sammlungen der Gesellschaft und des Museums mit der Finanzierung von Ankäufen, unterstützten die Forschungsbibliothek und die Ausstellungen. Bedingt
durch die dauernden Finanzierungsprobleme waren innovative Gedanken gefragt: So eröffneten
wir 2006 das Kinder- und Erlebnismuseum und im Sommer 2012 folgte dann das Ausstellungsund Begegnungszentrum für Senioren in Kooperation mit der Hochschule Magdeburg/Stendal.
An dem Vorlesungsprogramm des Senior-Campus sind Mitglieder unserer Gesellschaft aktiv beteiligt.
Erstmals ist es gelungen, nach Jahres- oder Zweijahresprojektzuwendungen einen Vierjahresvertrag über die Förderung des Winckelmann-Museums mit dem Land Sachsen-Anhalt abzuschließen. Dies gibt uns im Hinblick auf die Jubiläen eine gewisse Planungssicherheit. Den Vertrag, der
ein Drittel der Personal- und Betriebskosten abdeckt, konnte Prof. Kunze am 28. Juli mit dem
Kultusminister in Stendal unterzeichnen. Vorausgegangen waren mühselige Verhandlungen, die
sich nahezu über die ganze zurückliegende Wahlperiode hinzogen. Unserem Präsidenten Prof.
Max Kunze gilt an dieser Stelle ein ganz besonders herzlicher Dank für seinen unermüdlichen
Einsatz in den Gesprächen mit den Politikern und im Ministerium, die schließlich diesen langfristigen Vertrag ermöglichten.
Doch werfen wir nun einen Blick auf das zurückliegende Geschäftsjahr: Unsere Sammlungen erhielten 2014 erneut Zuwachs. Zwei Ölgemälde mit antiker Landschaft von dem Leipziger Maler Prof. Hans Schulze (1904–1982) gelangten als Schenkung der Künstlerwitwe, vermittelt durch
unser Mitglied Herrn Hartmut Wittkowski, in die Sammlung der Winckelmann-Gesellschaft.
Das eine, „Trauer“, entstand 1981/1982, das
andere, „Flucht durch die Perspektive II“
1981. Beide sind auf Initiative und Kosten des
Ehepaars Wittkowski gerahmt. Mai und Juni
2005 zeigte das Winckelmann-Museum eine
Ausstellung unter dem Titel „Metamorphose
und Mythos“ mit Werken von Hans Schulze,
zu der auch ein kleiner Katalog u. a. mit Texten von Hartmut Wittkowski erschien.
Eine weitere Schenkung erhielt die Sammlung der Winckelmann-Gesellschaft in diesem Jahr von unserem Mitglied Dr. Stephan
Gottet aus Bremgarten bei Zürich, der im Anschluss an die John-Elsas-Ausstellung, die im
Hans Schulze, Flucht durch die Perspektive II, 1981
Sommer erstmals einen Teil seiner John-Elsas-
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Sammlung vorstellte, zwei Graphiken dieses
jüdischen Künstlers uns übereignete. Sie sind
mit Knittelversen unterschrieben. Das 1929
entstandene Blatt trägt den Vers „Farben imponieren die können Euch sicher verführen“ und
das andere Blatt „Und es sprach Stosch-Sarrasani als er ging zum Bier. Ich habe die Menschen kennen gelernt, jetzt lieb ich nur das
Tier.“ Dieses Blatt entstand 1934 in dem Jahr,
als der Inhaber des Zirkus Hans Stosch-Sarrasani starb.
Aus eigenen Mitteln erwarb das Museum das
Stichwerk von Giovanni Battista Falda (1643–
1678), „Li Giardini di Roma“, herausgegeben von Giovanni Giacomo de Rossi, o. J. (um
1685). Diese zweite Ausgabe der Folge prachtvoller Ansichten römischer Gärten war Livio Odescalchi gewidmet, einem Nepoten von
Papst Innocentio XI. Das Widmungsblatt zeigt
eine große Allegorie der Lupa Romana mit Romulus und Remus in einem Hesperidengarten-Capriccio. Die Tafeln geben Ansichten berühmter römischer Gartenanlagen u. a. der va- John Elsas, „Und es sprach Stosch-Sarrasani als er ging zum
Bier. Ich habe die Menschen kennen gelernt, jetzt lieb ich nur
tikanischen Gärten, des Palazzo Mattei oder
das Tier“, 1934
der Villa Pamphilia wieder und liefern für die
Topographie Roms im 17. Jh. interessante Erkenntnisse.
An dieser Stelle sei ein Rückblick auf die enorme Erweiterung unserer Sammlungen in den letzten Jahren gestattet: Die größte Bereicherung erfuhr unsere Sammlungen im Jahr 2013 durch die
Schenkung unseres Kuratoriumsmitgliedes Dr. Wolfgang von Wangenheim (s. o. S. 23). Stellvertretend sei hier noch einmal das Gemälde aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert erwähnt, das Johann Joachim Winckelmann nach dem Gemälde von Angelica Kauffmann zeigt. Es hat einen
festen Platz in der Winckelmann-Ausstellung gefunden, im Moment ist es aber in unserer aktuellen Sonderausstellung zu sehen. Wolfgang von Wangenheim verdanken wir auch das Porträt des
Winckelmann-Freundes Johannes Wiedewelt aus der Werkstatt von Peder Als, das seit 2012 ebenfalls in der ständigen Ausstellung zu sehen ist. Die anderen Grafiken seiner Schenkung, überwiegend Rom-Ansichten, Darstellungen antiker Skulpturen, Stichwerke und Abgüsse antiker Plas­
tik, sind unterdessen in die ständige Ausstellung eingeflossen oder haben ihren Platz in unserem
Ausstellungs- und Begegnungszentrum gefunden. Unser Mitglied, die Berliner Bildhauerin Chris­
ta Sammler, übergab uns ihren künstlerischen Nachlass, der in ihrem Atelier ebenfalls im Ausstellungs- und Begegnungszentrum zu sehen ist. Dazu kamen weitere Schenkungen von Mitgliedern,
die zu einer beträchtlichen Erweiterung unserer Sammlungen beitrugen.
Die von unseren Mitgliedern gestifteten Sammlungen werden in der Neukonzeption des Winckelmann-Museums anlässlich der Winckelmann-Jubiläen ihre Berücksichtigung finden. Die Pflege und Restaurierung unserer Sammlungen ist in den letzten Jahren dank der Unterstützung unserer Mitglieder kontinuierlich fortgeschritten. Wie in der Laudatio auf den diesjährigen Träger
der Winckelmann-Medaille erwähnt (s. S. 36–37), haben Herr Dr. Urban und seine Frau 2014
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
31
erneut die Restaurierung von drei Piranesi-Radierungen finanziert. Dank gilt hier auch Frau Dr.
Schade, die mit Unterstützung von Praktikanten unsere Sammlungen in die im Internet abrufbare
Datenbank „Museum digital“ eingibt. Insgesamt sind derzeit 2.800 Objekte in „Museum digital“
erfasst. Davon konnten 400 Objekte nicht freigeschaltet werden, d. h. sie sind nicht sichtbar, da
die Bildrechte bei der VG-Bild liegen. Dies betrifft in erster Linie die Grafik der Moderne. Diese
Einträge werden nach und nach mit Hilfe eines Stellvertreterbildes, das den Hinweis auf die Bildrechte enthält, freigeschaltet.
Auch die Bibliothek konnte wieder vor allem durch Schenkungen und Tausch bereichert werden.
Die Bibliothek verzeichnete in diesem Jahr insgesamt 280 Zugänge, darunter wieder für die Winckelmann-Forschung wichtige Werke, über die Sie sich in der Bibliographie und den Literaturberichten (s. S. 61) informieren können.
Hervorzuheben sind hier die Schenkungen von unserem Kuratoriumsmitglied Herrn Franz Rutzen. Ihm möchten wir an dieser Stelle sehr herzlich vor allem für die stetige Förderung unserer Bibliothek seit nunmehr einem Vierteljahrhundert danken. Umfangreiche Schenkungen erhielt die
Bibliothek darüber hinaus von unserem Kuratoriumsmitglied Prof. Rainer Vollkommer, von unserem Mitglied Prof. Henning Wrede sowie vom Literaturhilfswerk der Hans-Jürgen-und-Hermine-Kaschade-Stiftung und weiteren Freunden unserer Gesellschaft, u. a. Frau Dr. Urte Reyes
und Herrn Christian Bohne. Die Bücher werden zum Teil in die Bibliothek und zum Teil in unser Antiquariat einfließen.
Einige historische Ausgaben aus dem Bestand konnten zur Restaurierung an die Buchrestaurierungswerkstatt des Gleimhauses Halberstadt übergeben werden. Sie werden Anfang des neuen Jahres fertig sein. Im Dezember 2012 startete in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut die Übertragung des Bibliotheksbestandes in das Bibliotheksprogramm
Aleph500. 3367 Einträge sind bisher verzeichnet. Ca. 1300 Titel wurden von unserer wissenschaftlichen Bibliothekarin Frau Agnes Kunze in diesem Jahr neu eingegeben. Sie sind über das
Bibliotheksprogramm Zenon im Internet abrufbar. Durch eine Erweiterung des Stammbaums
mussten ca. 1000 Titel umsigniert werden. Frau Agnes Kunze sei an dieser Stelle für ihre engagierte Arbeit herzlich gedankt, wie auch Herrn Dr. Axel Rügler und dem Präsidenten, die die Forschungsbibliothek inhaltlich betreuen.
In Vorbereitung der Winckelmann-Jubiläen wurden in den letzten Jahren dankenswerterweise von
der Stadt wichtige Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Nach der Dachsanierung folgte 2013
eine komplette Sanierung der Fassade, im Zuge derer auch die Fenster ausgetauscht wurden. Leider
wurden wir von der Denkmalpflege in die Planung der Farbgestaltung nicht miteinbezogen und
konnten uns so erst nachträglich zu Wort melden. Die Winckelmann-Gesellschaft hatte daraufhin
eine Kommission gebildet, der Prof. Kunze, Dr. Speler, Dr. von Wangenheim und ich angehören.
Die Diskussion mit dem zuständigen Landesdenkmalamt in Halle, das eine monochrome Farbgebung des Fachwerkbaus anstrebt, gestaltete sich äußerst kontrovers. Trotz mehrmaliger zeitintensiver Verhandlungen sowohl in Halle als auch vor Ort in Stendal konnte bisher keine verbindliche
Einigung erzielt werden. Ein weiterer Vor-Ort-Termin ist für den 21. Januar 2015 geplant.
Zu den in unserem Berichtszeitraum hinzugekommenen Aufgaben gehört der 2012 gegründete
Senior-Campus, der unterdessen fester Bestandteil des Engagements unserer Gesellschaft in Stendal geworden ist. Dank gilt den Mitgliedern unserer Gesellschaft, die an der Gestaltung des interessanten Vorlesungsprogramms in Kooperation mit der Hochschule mitwirkten. Im zurückliegenden Geschäftsjahr waren dies unsere Mitglieder Prof. Gunnar Berg (2x), Prof. Dr. Klaus-Peter
Johne, Dr. Renate Johne, Prof. Dr. Eric Moormann, Prof. Dr. Wolfgang Richter, Prof. Dr. Sebas­
tian Neumeister und Dr. Gerda Sommer von Bülow.
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Giovanni Battista Falda, Li Giardini di Roma, um 1685: Widmungsblatt für Livio Odescalchi
Frau Kunze, die neben der Bibliothek auch den Senior-Campus betreut, organisiert nicht nur das
Vorlesungsprogramm, sondern koordiniert auch den Einsatz unserer freiwilligen Helfer, auf deren
Unterstützung wir auch gern in Zukunft zählen möchten.
Bereits seit 10 Jahren sind wir regelmäßig mit Vorträgen und Veranstaltungen in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts in Berlin vertreten. Diese Veranstaltungsreihe wird von unserem Kuratoriumsmitglied Dr. Axel Rügler betreut. 2014 sprachen dort Prof. Dr. Dr. Andreas Hillert, Dr. Kathrin Schade und Prof. Dr. Eric Moormann. In Vorbereitung der Jubiläumsjahre hat die Winckelmann-Gesellschaft eine Veranstaltungsreihe in der Landesvertretung initiiert, in deren Folge sich
die mit der Biographie Winckelmanns verbundenen Städte der Altmark und der Börde mit ihren charakteristischen kulturellen und wirtschaftlichen Besonderheiten in Berlin vorstellen. Ein
besonderes Erlebnis war am 18. September, nach der Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr
zu Stendal, in diesem Jahr der Abend, an dem sich die Stadt Seehausen als wichtigste und längste
Wirkungsstätte Winckelmanns in der Altmark (1743–1748) in Berlin präsentierte. Die Veranstaltung war mit etwa 150 Gästen wieder sehr gut besucht.
Im letzten Jahr haben wir durch den verstärkten Versand unserer Einladungen und Programme
per E-Mail oder über Biber-Post die Portokosten deutlich senken können. Seit zwei Jahren verschicken wir unsere Veranstaltungshinweise in neuer Form als Programm-Flyer. Die Erfahrungen
haben gezeigt, dass es günstiger ist, Programme für 2–3 Monate zu drucken. Dadurch können wir
Standardformate nutzen, deren Druck sehr viel preiswerter ist. Die deutliche Senkung der Portokosten im vergangenen Jahr haben wir halten können.
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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Unsere neue Webseite hat sich nun glücklicherweise etabliert, so dass Sie unter www.winckelmann-gesellschaft.com wieder alle aktuellen Veranstaltungen abrufen können. Erweitert wurde
die Homepage auch um zusätzliche Seiten wie die Winckelmann-Jubiläen und unseren Buchladen, in dem Sie online unsere Publikationen bestellen können. Rechtlich, durch Einschaltung unseres Anwaltes, haben wir nun durchsetzen können, dass die alte Internetadresse abgeschaltet ist.
Abschließend gilt es wie immer an dieser Stelle noch über die Mitgliederstatistik zu berichten:
Unsere Gesellschaft hat derzeit 575 Mitglieder. 46 Mitglieder sind Korporativmitglieder. Die Mitgliederzahl ist um 5 Mitglieder leicht gesunken. Eingetreten sind in diesem Jahr 17 Mitglieder, 7
Mitglieder sind verstorben. 15 Mitglieder sind ausgetreten.
An dieser Stelle möchte ich wieder Frau Wübbenhorst sehr herzlich für ihre Unterstützung danken, die seit Jahren die Einzahlung der Mitgliedsbeiträge überwacht und die notwendigen Zahlungserinnerungen versendet, die Einzugsermächtigungen für die Bank aufbereitet und schließlich die Spendenbescheinigungen ausschreibt. Durch die Umstellung auf Sepa und die Einrichtung eines neuen Computers mit aktualisiertem Buchungsprogramm im Herbst hat sich die Abbuchung der Mitgliedsbeiträge in diesem Jahr etwas verzögert.
Ebenso haben wir Herrn Lucaß herzlich zu danken, der wie in jedem Jahr in Zusammenarbeit
mit unserem Sekretariat das Mitgliederverzeichnis ständig aktualisiert. Das Mitgliederverzeichnis
2014 können Sie wie gewohnt über unser Sekretariat ausgedruckt erhalten oder die digitale Fassung in unserem Organisationsbüro bestellen.
Abschließend möchte ich wie immer an dieser Stelle all denjenigen sehr herzlich danken, die die
Geschäftsführung unterstützt haben, vor allem dem Präsidenten unserer Gesellschaft, Herrn Prof.
Max Kunze, und natürlich meinen Mitarbeitern im Museum, ohne deren tatkräftige Unterstützung vieles nicht möglich gewesen wäre. Für die vorbildliche Rechnungsführung möchte ich ganz
besonders unserem Mitglied Frau Kokot danken, die weit über ihren Zeitfond hinaus sich um die
finanziellen Belange unserer Gesellschaft kümmert. Herzlicher Dank gilt auch unserem Mitglied
Frau Köpke für die Unterstützung im Sekretariat, die die Anmeldungen koordiniert, die Hotelbuchungen überwacht und aktualisiert und für viele Mitglieder ein vertrauter Ansprechpartner
ist. Für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Jahreshauptversammlung
möchte ich Herrn Schlangstedt sehr herzlich danken.
Mitgliederbewegung 2014
Neue Mitglieder der Winckelmann-Gesellschaft
Herr Reinhardt Schild, Berlin
Frau Bettina Höft, Stendal
Herr Andreas Schlangstedt, Magdeburg
Frau Angelika Böhme, Berlin
Frau Dr. med. habil. Cornelia Hirsch, Leipzig
Frau Jutta Schulze, Leipzig
Herr Frank Ende, Osterburg
Frau Charlotte Ende, Osterburg
Frau Dr. Constanze Baum, Berlin
Herr Uwe Nuß, Glindenberg
Frau Martina Sziegoleit, Stendal
Herr Sven Jeschke, Havelberg
Frau Anna-Maria Knoll, Dresden
Herr Peter Georgino, Berlin
Frau Luisa Maria Schmidt, Berlin
Herr Pedro Galé, São Paulo, Brasilien
Frau Batya Borowski, Jerusalem, Israel
Austritte: 14
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Verstorbene Mitglieder
Frau Ursula Wendisch, Berlin
Herr Prof. Dr. Hans-Joachim Giersberg,
Potsdam
Frau Prof. Dr. Annalis Leibundgut-Mayer,
Wiesbaden
Herr Prof. Dr. Detlef Rössler, Berlin
Frau Dr. Inge-Maria Wittstock, Neustadt
Frau Barbara Schuboe, Wahlitz
Frau Christa Tittel, Göttingen
Christoph Helm: Bericht des Schatzmeisters für das Geschäftsjahr 1. 12. 2013–30. 11. 2014
Der Schatzmeister der Winckelmann-Gesellschaft ist zufrieden, Ihnen trotz der immer noch bestehenden Auswirkungen der Finanzkrise und der damit zusammenhängenden angespannten Situation der öffentlichen Haushalte einen insgesamt ausgewogenen Finanzbericht vorlegen zu können, der einerseits die optimistische Grundstimmung in der Winckelmann-Gesellschaft widerspiegelt und andererseits die Veränderungen der finanziellen Rahmenbedingungen nicht außer
Acht lässt.
Lassen Sie mich bitte zusammenfassend am Anfang betonen: Die Gelder der Winckelmann-Gesellschaft wurden im Haushaltsjahr 2013/2014 satzungsgemäß verwendet. Im Einzelnen stellt
sich das Ergebnis wie folgt dar: Per Stichtag 30. 11. 2014 hatte die Winckelmann-Gesellschaft
Einnahmen in Höhe von 175.297,34 € und Ausgaben in Höhe von 162.790,26 €, so dass sich
rein rechnerisch ein Überschuss in Höhe von 12.507,08 € ergibt. Der Stand aller Konten zum 30.
11. 2014 betrug 139.043,58 €. Dagegen steht aber der auf 15 Jahre Laufzeit befristete Kredit bei
der Kaschade-Stiftung mit einem Restwert per ultimo von 15.000 €. Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die strukturellen Veränderungen von Rahmenbedingungen eingehen, die negative Auswirkungen auf die finanzielle Situation unserer Gesellschaft haben, wie sie am Ausweis eines rechnerischen Fehlbedarfes unter Einbeziehung des Kredites für das abgelaufene Jahr deutlich werden.
Zum einen ist das Einwerben von Drittmitteln aus den Bereichen Stiftungen, Banken, Wirtschaft,
Wissenschafts- und Forschungsorganisationen deutlich schwieriger geworden, was unsere Arbeit
zusätzlich belastet. Durch die Restriktionen der öffentlichen Haushalte hat sich der Druck bei allen Kultureinrichtungen erhöht, auf Drittmittel angewiesen zu sein. Dies geschieht allerdings zu
einem Zeitpunkt, an dem durch die dauerhaft niedrige Zinssituation auszuschüttende Erträge bei
Stiftungen etc. geringer ausfallen. Zum anderen ist die Angebotspalette unseres Museums in den
vergangenen Jahren in erfreulicher Weise vielfältiger und größer geworden, was andererseits die
Notwendigkeit beinhaltet, etwaige finanzielle Risiken durch unsere Gesellschaft abzudecken. Um
nicht missverstanden zu werden: Ich bleibe bei meiner im Kern optimistischen Grundeinschätzung. Wir müssen aber die Entwicklung scharf im Auge behalten und benötigen Kreativität, Ideenreichtum und Einsatz von uns allen, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Im Einzelnen stellt sich die finanzielle Situation wie folgt dar: Die Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen belaufen sich auf 14.311,24 €. Ich möchte daran erinnern, dass wir auf der Mitgliederversammlung hier vor einem Jahr eine Anpassung der Mitgliederbeiträge beschlossen haben, der ers­
ten nach 13 Jahren. Leider entrichten einige Mitglieder immer noch die alten Beiträge, der unnötigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand der Geschäftsführung verursacht. Da zeitgleich mit der
Anpassung der Mitgliederbeiträge auch die SEPA-Umstellung im Bankbereich erfolgte, bitte ich
herzlich darum, der Gesellschaft die entsprechenden jetzt gültigen Einzugsermächtigungen auszustellen, damit die aktuellen Mitgliederbeiträge abgerufen werden können.
Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
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Lassen Sie mich bitte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass ich einen der Schwerpunkte der weiteren Arbeit der Winckelmann-Gesellschaft in der Mitgliederwerbung sehe, wofür die Jugendarbeit im Museum und die wissenschaftlichen Kontakte unserer Mitglieder zum
wissenschaftlichen Nachwuchs und den Studierenden der uns affinen Fakultäten gute Voraussetzungen bieten. Hierzu bedarf es intensiver Kontakte und Bemühungen von uns allen mit dem
Ziel, die Zukunftsfähigkeit und die generationsübergreifende Weiterarbeit unserer Gesellschaft sicherzustellen.
Sehr erfreulich ist, dass wir bei den Spenden im Vergleich zum Vorjahr wieder einen Anstieg verzeichnen können. Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 10.608,00 €, wobei 3.665,00 € dem Kindermuseum zu Gute kamen. Wenn wir bedenken, dass die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nach
wie vor kritisch ist und die Spendenbereitschaft von vielen Einrichtungen in Anspruch genommen wird, ist diese Spendenhöhe bemerkenswert. Gleichwohl bleibt gerade auch unsere Gesellschaft in den kommenden Jahren auf Spenden angewiesen, um die großen Aufgaben, die vor uns
liegen, meistern zu können. Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle allen, die gespendet haben,
verbunden mit der Bitte an alle Mitglieder und Freunde, unsere Arbeit durch weitere Großzügigkeit in der Zukunft zu unterstützen.
Eine weitere wichtige Einnahmequelle der Gesellschaft stellt darüber hinaus der Verkauf von Publikationen dar, der mit insgesamt 36.903,68 € im Jahr 2014 im Vergleich zu den Vorjahren relativ gut ist. Der am 5. Juli 2013 leider verstorbene Paul Raabe hat in dem für die Bundesregierung
edierten sogenannten Blaubuch der kulturellen Leuchttürme der neuen Länder der Bundesrepublik Deutschland darauf hingewiesen, dass sich die Ausstellungskataloge und sonstigen Publikationen der Winckelmann-Gesellschaft durch hohe wissenschaftliche Qualität, Anschaulichkeit sowie bibliophilen Anspruch auszeichnen. Damit sind beste Voraussetzungen gegeben, die Publikationstätigkeit unserer Gesellschaft zu einer soliden Finanzsäule weiter zu entwickeln und auszubauen. Die Publikationen, gestatten Sie mir bitte diesen Hinweis in der Adventszeit, eignen sich
auch in vorzüglicher Weise als Geschenke zum Beispiel für den weihnachtlichen Gabentisch, wovon reichlich Gebrauch gemacht werden könnte.
Einen mit 2.791,93 € recht hohen Haushaltsanteil stellen wiederum die Porto- und Versandkos­
ten dar. Eine gewisse finanzielle Entlastung könnte es bedeuten, hier jedenfalls teilweise auf EMail-Verkehr umzustellen, soweit E-Mail-Adressen der Mitglieder vorliegen. Insgesamt aber,
und dies ist ein erfreulicher Erfolg der Geschäftsführung, konnten die Geschäftsführungskosten
um rund 5.693.46 € im Vergleich zum Jahr 2004 gesenkt werden und liegen jetzt nur noch bei
11.494,72 €.
Durch vielfältige Bemühungen des Präsidenten und des Kuratoriums ist es gelungen, zusätzliche
Mittel Dritter zu akquirieren und für die Arbeit unserer Gesellschaft verfügbar zu machen. Die
Gesamtsumme der eingeworbenen Mittel beläuft sich auf circa 38.750 €, ohne die die erfolgreiche Arbeit unserer Gesellschaft und unseres Museums nicht möglich wäre. Wenn Sie aber die
Höhe des Jahres 2012 dagegen halten, die sich auf 106.000 € belief, dann wird die Dramatik der
Entwicklung deutlich, über die ich eingangs sprach.
Insgesamt bleibt es die feste Absicht des Kuratoriums, die finanzielle Situation der Gesellschaft,
die durch eine gewisse Fragilität charakterisiert ist, die die Finanzausstattung im Kulturbereich generell kennzeichnet, nachhaltig zu stabilisieren und durch festere Strukturen zu sichern. In diesem Zusammenhang nenne ich auch den in diesem Jahr verlängerten Kooperationsvertrag mit
der Hochschule Magdeburg-Stendal und die damit zusammenhängenden Aktivitäten zur Weiterführung des gemeinsamen Projektes Kinderuniversität im Jahre 2014, die zur Einwerbung von
12.000 € geführt haben.
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Aus der Arbeit der Gesellschaft 2013–2014
Dass wir dieses Ziel gemeinsam im Kuratorium mit Optimismus vorantreiben, hängt mit dem
Erfolgs- und Wachstumskurs zusammen, auf den die Gesellschaft und das Museum in den letzten Jahren zurückblicken können. Gerade auch die Vorbereitung auf die großen Jubiläen der Jahre
2017/2018 sollten wir als positive Herausforderung betrachten, die viel mehr Chancen als Risiken
beinhaltet und der wir uns mit Zuversicht widmen sollten. Lassen Sie uns also mutig an die kommenden Aufgaben herangehen!
Verleihung der Winckelmann-Medaille an Dr. Manfred Urban
Laudatio
Die Stadt Stendal verleiht auf Vorschlag des Kuratoriums der Winckelmann-Gesellschaft die Winckelmann-Medaille 2014 an Herrn Dr. med. Manfred Urban. Vielen Stendalern ist Herr Dr. Urban vor allem als umsichtigen Arzt in seiner Praxis am Dom bekannt, den Mitgliedern der Winckelmann-Gesellschaft allerdings mehr als ein kenntnisreicher Kultur- und Kunstinteressierter. Seit er vor 33 Jahren nach Stendal zog, hat er intensiv das kulturelle Leben seiner Wahlheimatstadt Stendal sowohl in Anspruch genommen als auch, wann immer er gefragt wurde oder er
selbst einen Akzent setzen wollte, gefördert.
Von 1972–1977 studierte Manfred Urban Humanmedizin an der Universität Magdeburg. Schon
ein Jahr später erhielt er die Approbation, drei Jahre später wurde er promoviert und Abteilungsarzt in Stendal. 1983 legte er die Facharztprüfung für Innere Medizin ab und ließ sich 1990 als
Facharzt für Innere Medizin in Stendal nieder.
1998 trat er der Winckelmann-Gesellschaft bei und zeigte sich bald als engagiertes und ständig
hilfreiches Mitglied, das sich rasch mit vielen Ideen und Anregungen aktiv in das Leben der Winckelmann-Gesellschaft einbrachte, meist, soweit es sein Dienst zuließ, präsent bei den kunsthis­
torischen und archäologischen Studienreisen oder Kolloquien. Besonders lagen ihm die Sonderausstellungen und Veranstaltungen des Winckelmann-Museums am Herzen. Folgerichtig wurde
Dr. Urban 2005 in den Museumsvorstand berufen und zu dessen Vorsitzenden gewählt. Seit nunmehr zehn Jahren leitet er als Vorsitzender die regelmäßigen Sitzungen des Vorstandes und begleitet engagiert die Arbeit des Museums, das er mit Rat und Tat unterstützt. So hat sich das Museum
seit jenen Jahren kontinuierlich erweitert, 2006 zunächst durch das Kinder- und Erlebnismuseum
und 2012 schließlich durch das Ausstellungs- und Begegnungszentrum für Senioren.
In der Funktion als Vorsitzender des Museumsvorstandes berichtet er nicht nur jährlich den Mitgliedern der Winckelmann-Gesellschaft in der Mitgliederversammlung über die Aktivitäten und
die Ausstellungen und vielfältigen Veranstaltungen des Museums, sondern übernimmt auch oft
die Begrüßung oder Einführungen zu den Sonderausstellungen. Manche öffentlichen Konzerte,
die wir im Museumhof oder in den Ausstellungen durchführen konnten, gehen auf seine Empfehlungen und finanzielle Unterstützung zurück.
Sein besonderes Interesse gilt der älteren Graphik, insbesondere den Italienansichten der Winckelmann-Zeit, dem Stecher Giovanni Battista Piranesi und anderen Künstlern, die im Bestand
des Museums gut vertreten sind. Diese zu pflegen und zu erhalten, dazu hat er in der Vergangenheit mehrfach kostbare graphische Blätter aus dem Bestand des Winckelmann-Museums auf seine
Kosten restaurieren lassen. Allein in diesem Jahr waren es wieder vier gefährdete Graphiken. Oft
konnten auch kostbare Bücher und Stichwerke des 18. Jahrhunderts aus dem Rara-Bestand der
Stendaler Winckelmann-Forschungsbibliothek mit seiner finanziellen Hilfe restauriert werden.
Für die kontinuierlichen Verdienste um den Erhalt der Kunstwerke, der administrativen Mitwir-
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kung im Museumsvorstand und der für die Öffentlichkeit veranstalteten künstlerischen Darbietungen innerhalb des Museum hat das Kuratorium der Gesellschaft auf seiner Sommersitzung beschlossen, der Stadt Stendal vorzuschlagen, die Winckelmann-Medaille 2014 an Herrn Dr. Urban
zu verleihen. Die Hanse-(wie Winckelmann-) Stadt ehrt mit der Verleihung dieser Medaille sein
Engagement für seine Wahlheimat Stendal und die Winckelmann-Pflege.
Begründung für eine Ehrenmitgliedschaft von Prof. Dr. Wolfgang Richter
Zu den langjährigsten Mitgliedern unserer Gesellschaft gehört Professor Dr. Wolfgang Richter.
In der Gesellschaft ist er nunmehr seit einem halben Jahrhundert, die meiste Zeit höchst aktiv im
Vorstand bzw. Kuratorium der Winckelmann-Gesellschaft.
Die Stadt Rostock wurde für den bekennenden Anhaltiner frühzeitig Lebensmittelpunkt, nachdem er sein Studium, Klassische Philologie und Archäologie, an der dortigen Universität absolviert hatte, geprägt von Gottfried von Lücken, der damals in Rostock lehrte. Er ergänzte sein Studium durch die Fächer Papyrologie und Epigraphik bei dem Leipziger Gräzisten Franz Zimmermann. Diese breitgefächerte Vertiefung in die Antike erweiterte er in den Folgejahren durch seine Beschäftigung mit der Wissenschaftsgeschichte der Altertumskunde, die er bis heute ungebrochen fruchtbar umzusetzen weiß. Der mit der Universität Rostock verbundene Heinrich Schliemann, der 1883 die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock erhielt, geriet schnell in den Focus seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung, Aufsätze und eine Biographie über Schliemann erschienen. Nahezu gleichzeitig aber begann Wolfgang Richter, sich mit Person und Werk
Winckelmanns zu beschäftigen. Sie führte ihn folgerichtig bereits zu den Winckelmann-Jubiläen
1967/1968 zur Winckelmann-Gesellschaft, deren Mitglied er sogleich wurde und in deren Vorstand er wenig später gewählt wurde. Über Jahrzehnte reicht nunmehr seine aktive Mitgestaltung
und Profilierung der Gesellschaft, die ihm viel verdankt.
Nur Weniges kann hier genannt werden: Zahlreiche Vorträge auf den Tagungen und Kolloquien
der Gesellschaft, Veranstaltungen, die er seit Jahrzehnten besuchte oder mitprägte, Referate, die in
Erinnerung bleiben, etwa in Köpenick 1985, in Triest 1993 oder in Potsdam 2002 über Theodor
Fontanes Italienerlebnis. Dazu kommen Präsentationen im Winckelmann-Museum und jüngst
in unserem gemeinsam mit der Hochschule Magdeburg-Stendal veranstalteten Senior-Campus.
Als Kuratoriumsmitglied hat er mehrfach Mitgliederversammlungen geleitet oder wirkte mit Vorschlägen an der Programmgestaltung der Veranstaltungen mit. Das von ihm organisierte Kolloquium in Rostock 2008 ist uns in besonderer Erinnerung geblieben.
Für seine Mitarbeit in der Gesellschaft, im Kuratorium und für seine Verdienste um die Pflege des
Winckelmannschen Erbes verlieh ihm 1983 die Stadt Stendal die Winckelmann-Medaille. Auf
seine über Jahrzehnte währende vielfältige Tätigkeit und seine Verdienste um das geistig-kulturelle
Profil der Winckelmann-Gesellschaft schlägt das Kuratorium der Mitgliederversammlung am 6.
12. 2014 vor, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Richter zu ihrem Ehrenmitglied zu wählen, um ihm dafür ausdrücklich zu danken.
Begründung für eine Ehrenmitgliedschaft von Franz Philipp Rutzen
Vor 25 Jahren, in dem für Deutschland so geschichtsträchtigen Jahr der politischen Wende 1989,
nahm der Verleger und Inhaber des renommierten Verlages Philipp von Zabern in Mainz, Franz
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Philipp Rutzen, Kontakt zur Winckelmann-Gesellschaft und zum Winckelmann-Museum auf
und wurde ihr Mitglied. Er bot sofort seine Unterstützung an. Mit großzügigen Buchspenden,
Ausstellungskatalogen und Postkarten usw. stattete er den Museumshop aus; der Erlös ging an
die Winckelmann-Gesellschaft und half, das damals noch städtische Museum zu unterstützen
und neue Sonderausstellungen zu finanzieren. Dank seiner finanziellen Unterstützung entstanden 1993 erste gemeinsame Ausstellungskataloge. Daraus entwickelte sich eine bis heute anhaltende rege Produktion von Ausstellungskatalogen, die deutschlandweit und im Ausland vertrieben
werden. Allein in den vergangenen 10 Jahren erschienen knapp 30 Ausstellungskataloge der Winckelmann-Gesellschaft in seinem neuen Verlag Franz Philipp Rutzen, meist finanziell unterstützt
von der Franz-und-Eva-Rutzen-Stiftung. Er verlegte in dieser Zeit außerdem zwei neue Publikationsreihen der Winckelmann-Gesellschaft, die Stendaler Winckelmann-Forschungen, in der bisher
10 Bände erschienen sind, und die auf 6 Bände angewachsene Reihe Cyriacus-Studien zur Rezeption der Antike, die die Winckelmann-Gesellschaft gemeinsam mit anderen Partnern herausgibt.
Durch die Qualität – er ist für jede der erwähnten Publikationen nicht nur Ansprechpartner, sondern auch gründlicher Mitherausgeber und Redaktor – und die beachtliche Anzahl der Publikationen profitierte das internationale Ansehen der Winckelmann-Gesellschaft, die durch diese Bücher bekannt geworden ist. Ferner half er mit großzügigen Bücherspenden, von denen besonders
auch unsere Winckelmann-Forschungsbibliothek profitierte.
2004 ehrte ihn die Stadt Stendal für seine Verdienste mit der Winckelmann-Medaille. Franz Rutzen war es auch, der die historisch-kritische Winckelmann-Ausgabe, bei der die WinckelmannGesellschaft als Mitherausgeber fungiert, in das Verlagsprogramm des Zabern-Verlages aufnahm.
Unterdessen liegen 14 Bände der umfassenden Werkausgabe vor. Sie wird für die WinckelmannForschung Maßstäbe setzen.
Anlässlich seines 80. Geburtstages 2013 ließ das Ehepaar Rutzen die Satzung der Franz-und-EvaRutzen-Stiftung ändern und darin der Winckelmann-Gesellschaft nach ihrem Tod jährlich 40 %
des Stiftungsvermögens zugunsten von Publikationen der Gesellschaft und für die Bibliothek zukommen. Für all diese besonderen Verdienste um die Winckelmann-Gesellschaft schlägt das Kuratorium der Winckelmann-Gesellschaft der Mitgliederversammlung am 6. 12. 2014 vor, Herrn
Verleger Franz Philipp Rutzen zu ihrem Ehrenmitglied zu wählen.
Max Kunze: Wir trauern um Prof. Dr. Detlef Rößler
Mit Schmerz haben wir, das Kuratorium der Winckelmann-Gesellschaft, die allmählich sich andeutende, aber mit ihrem Eintreffen dennoch erschütternde Nachricht vom Tode Detlef Rößlers
vernommen. Der Tod hat uns und viele Mitglieder der Winckelmann-Gesellschaft in tiefe Trauer
versetzt. Wir sind bestürzt, dass unser langjähriger Freund, Kollege und Mitstreiter sich von den
Folgen seiner langen und schweren Krankheit nicht mehr erholen konnte. Es ist schwer zu fassen
– noch vor einem guten Jahr redigierte er mit uns an einem museumstheoretischen Handbuch für
unser Museum.
Wir, die älteren unter uns, kannten Detlef Rößler gut: Seit knapp 45 Jahren war er in unserer wissenschaftlichen Gesellschaft tätig. Uns ist er mit seinem kompetenten und doch stets bescheidenden Wesen schnell auch als Freund ans Herz gewachsen. Detlef Rößler gehörte zu den stets
aktiven Mitgliedern, die auch bereit waren, Verantwortung zu übernehmen, jemand, der übernommene Projekte oder Funktionen stets mit ganzer Person ausfüllte. Ein Mensch, der uns allen
viel Gutes tat, doch stets bescheiden im Hintergrund blieb. Wenn ich im Folgenden mit einigen
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Worten an Detlef Rößler erinnern werde, so
habe ich nicht sein Lebenswerk als Archäo­
loge und Hochschullehrer im Blick, sondern erinnere aus einem sehr eingeschränkten Gesichtskreis an sein Wirken in der
Winckelmann-Gesellschaft.
Die Winckelmann-Jubiläen 1967/68 brachten uns – noch Studenten – nach Stendal, 1968 wurden wir Mitglieder der Winckelmann-Gesellschaft. Aus dem Jahr 1972
stammte ein erster von Detlef Rößler publizierter Bericht über die Jahreshauptversammlung 1972 und die eröffnete Ausstellung in Stendal zur koptischen Kunst der
Byzantinischen Sammlung der Berliner Museen. Es gab kaum eine wissenschaftliche
Veranstaltung unserer Gesellschaft, an der
er in den 70er und 80er Jahren nicht teilnahm, den wissenschaftlichen Ertrag publizistisch resümierte, etwa sein sehr lebendiger Bericht über das Kolloquium in Berlin
1978 „Die kretisch-mykenische Kultur. Geschichtliche Stellung und Erforschung“, in dem er treffend die geographisch verzweigten Aktivitäten der Winckelmann-Gesellschaft hervorhob: „Wollte man alle die Orte, die im Laufe des letzten Dezenniums Gastgeber für Kolloquien und Arbeitstagungen der Winckelmann Gesellschaft
waren, in einer Landkarte verzeichnen, so ergäbe sich eine eindrucksvolle Übersicht über die verschiedensten kulturgeschichtlich und kunsthistorisch bedeutsamen Stätten der DDR. Die Hauptstadt Berlin freilich fehlte bislang in dieser Reihe.“
In Erinnerung ist vielen seine Begleitung auf den zahlreichen kultur- und kunstgeschichtlichen
und archäologischen Reisen – immer mit hilfreichen Erläuterungen für alle –, die die Gesellschaft seit mehr als 4 Dezennien veranstaltet hat, zunächst mehrmals durch Böhmen auf Winckelmanns Reiseweg (die Grenzen in Europa damals erlaubten nur diese erste Wegstrecke Winckelmans), dann in Italien, Griechenland, der Türkei, Österreich und der Schweiz. Noch vor drei Jahren führte uns eine archäologische Reise nach Bulgarien, die Detlef Rößler mit seinen guten Kontakten und seiner archäologischen Kenntnis, zusammen mit Gerda Sommer von Bülow, für uns
vorbereitete, organisierte und bei der er uns als vermittelnder Kenner des Landes begleitete. Den
zahlreichen Mitreisenden wird er noch lange durch seine erstaunliche Fachkenntnis und seine
warmherzige Art des Umgangs in Erinnerung bleiben.
Natürlich war er auch mit eigenen, anschließend publizierten Vorträgen an den wissenschaftlichen Konferenzen der Gesellschaft beteiligt. Sie dokumentieren eine erstaunliche Breite seines
Wissens und seiner profunden Kenntnisse. Beispielhaft nenne ich nur drei: Er sprach auf dem
Kolloquium zu „Karl Friedrich Schinkel und die Antike“ 1981 in Potsdam über „Die Skulpturen
am Berliner Schauspielhaus und ihre antiken Vorbilder“ und vermochte so den vielen Zuhörern
das gerade wiedererstandene Schauspielhaus näher zu bringen.
Seine vielseitige Kenntnisse und sein besonderes Interesse an der Wissenschaftsmethodologie
prägte stets sein Auftreten bei unseren wissenschaftlichen Veranstaltungen: Während einer von
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uns initiierten Konferenz zu „Archäologie und Museum“, ein Kolloquium im Pergamonmuseum
Berlin im Winter 1984, an dem – wie auch sonst bei den Kolloquien – westdeutsche und Westberliner Kollegen teilnahmen, war er ein reger Diskutant und seine vorgetragenen Argumente bereicherten die reiche Diskussion, etwa zu einen für das Museum weit zu fassenden Archäologiebegriff und der immer wieder zu hinterfragenden Präsentation der Kunstwerke zwischen historischem Kontext und ästhetischer Autonomie. Vertieft hat er diese und weitere methodische Rezeptionsfragen bewundernswert in zwei in unseren „Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft“
veröffentlichen kritischen, aber fundierten Rezensionen zu Hellmut Sichtermann, Römische
Kunst und ihre Nachwirkung (1980), und zum Band „Archäologie und Gesellschaft. Forschung
und öffentliches Interesse“, hrsg. von Bernard Andreae im Jahre 1981. Er hat so dazu beigetragen, die Diskussion, an der Teile unserer Mitglieder durch die Spaltung Deutschlands kaum oder
wenig teilhaben konnten, inhaltsreich zu verbreiten. Schließlich sei ein Kolloquium 2009 in Berlin erwähnt: „… die Augen ein wenig zu öffnen – Der Blick auf die antike Kunst von der Renaissance bis heute“, eine wissenschaftliche Veranstaltung und einen umfangreichen Kongreßband,
den er – zusammen mit Stephanie Bruer – vorbereitete, organsierte und publizierte.
Als die Gesellschaft seit 1983 durch eine etwas unprofessionelle Finanz- und Haushaltsführung
in Bedrängnis geriet, war er es, der viele Jahre ein von der Gesellschaft eingerichtetes Kontrollorgan leitete, um Schaden abzuwenden, selbst Hand anlegte und die Finanzen in Ordnung brachte,
eine ungewohnte Arbeit, die aber von seiner Überzeugung geprägt war, Verantwortung zu übernehmen und die Gesellschaft wieder in ruhige Fahrwasser zu führen. Diese acht Jahre hatten ihn
unentbehrlich für die Gesellschaft gemacht und sein Ansehen in unserer Gemeinschaft gestärkt.
So war es nur folgerichtig, dass er wenige Jahre später, nach der Wiedervereinigung, in das Kuratorium der Gesellschaft gewählt wurde, dem er bis zu seinem Tode angehörte. Er war hier ein stets
zuverlässiger und aktiver Mitstreiter und Kollege, für manche – wie für mich – zugleich ein steter
und verlässlicher Freund. Die Stadt Stendal ehrte ihn für seine Verdienste um die WinckelmannGesellschaft und für sein wissenschaftliches Wirken mit der Winckelmann-Medaille 2010.
Eine schmerzliche Wunde und das Wissen um den Verlust bleiben für uns alle.
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Blickpunkt Winckelmann-Museum
Ausstellungen und Öffentlichkeitsarbeit
Manfred Urban: Bericht des Vorstands des
Winckelmann-Museums für das Jahr 2013
Im vergangenen Jahr traf sich der Museumsvorstand wieder regelmäßig etwa alle zwei Monate und begleitete mit Rat und Tat die Arbeit des Museums. Zunächst die großen Ausstellungen dieses Jahres: Im Anschluss an die Ausstellung „Wo wahre Freiheit wohnt – Winckelmanns Rom“, die noch bis zum 7. April zu sehen war, zeigte das Museum vom 27. April bis
22. September die Ausstellung „Vom Nil aus um
die Alte Welt. Rekonstruktionen ägyptischer, minoischer und griechischer Schiffe“. Den Kontakt
zu Herrn Bormann, der die Schiffsmodelle nach Heinrich, Vogeler: Froschbraut, Radierung, 1899
archäologischen Quellen rekonstruierte und Teile des Katalogs verfasste, hat uns mein Mitstreiter im Museumsvorstand Prof. Rainer Vollkommer vermittelt. Mit durch Bauarbeiten bedingter
14-tägiger Verzögerung eröffneten wir am 20. Oktober die Ausstellung „Vorsicht Lebensgefahr! Sirenen in der Kunst seit der Antike“. Eine Einstimmung auf die Ausstellung gab es am 6. 12. 2013
mit dem literarischen Abend zum Sirenen-Thema. Die Verschiebung der Ausstellungseröffnung
war aufgrund der Baumaßnahmen notwendig (s. u.).
Heute Abend werden wir in den Galerie-Räumen die Ausstellung „Hero und Leander – Ein bemerkenswertes Gemälde von William Turner“ eröffnen. Noch vor dem 1. Advent begann unsere diesjährige Weihnachtsausstellung des Kinder- und Erlebnismuseums im Dachgeschoss. In unserem Ausstellungs- und Begegnungszentrum wurden in diesem Jahr folgende Ausstellungen gezeigt:
„Heinrich Vogeler und der Jugendstil – Traumwelten zwischen Märchen und Utopie“, es folgte im
Sommer „Ernst Barlach – Der Tote Tag“ und ab September „Ein Zeichner trifft seine Dichter –
Höpfner und die literarischen Humoresken bei Morgenstern, Ringelnatz und Krylow“. Zwischenzeitlich zeigten wir verteilt über das ganze Haus
eine Tafel-Ausstellung des Instituts für Geschichte der Otto von Guericke-Universität Magdeburg
mit dem Titel „Schattenrisse – Frauenleben zwischen Altmark und Unstruttal“. Unsere Schönheits-Ausstellung war in diesem Jahr als Wanderausstellung in der Partnerregion Stendals in Litauen, betreut von unseren Mitgliedern Prof. Kaschade und Otfried Schlangstedt.
Unser Angebot an Ausstellungen ist erneut gewachsen. Damit verbunden sind wie immer
auch zahlreiche Veranstaltungen. An dem reichen Programm zu den Sonderausstellungen beteiligten sich über den ex officio-Kreis hinaus
Ernst Barlach: Der Verletzte – Aus dem Zyklus „Der Tote Tag“ u.a. unsere Mitglieder Frau Dr. Hofstetter und
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Blickpunkt Museum 2013–2014
Frau Mählitz-Galler. Hervorzuheben sind an
dieser Stelle die vielfältigen Aktivitäten in unserem Ausstellungs- und Begegnungszentrum,
für das eine Reihe neuer Veranstaltungstypen
entwickelt wurde u. a. eine Museumsmatinee
über Essen und Trinken durch die Jahrhunderte
und eine Folge unter dem Aspekt „Vor dem
Vergessen bewahren ...“. Hier ist Frau Henning
und Frau Tieftrunk zu danken, die jeweils eine
Veranstaltung übernahmen und über persönliche Erlebnisse berichteten. Großen Zuspruch
fanden auch die Künstlergespräche mit Christa
Sammler, die in ihrem Atelier über interessante
Aspekte ihrer Arbeit sprach. Herzlicher Dank
gilt auch unserem Mitglied Frau Werner, die
zum Thema Jugendstil durch Stendal führte.
Großer Beliebtheit erfreut sich nach wie vor
die gemeinsam mit der FH Magdeburg / Stendal veranstaltete Kinderuniversität. Die Vorlesungen 2013 hielten Frau Agnes Kunze M.A., Wilhelm Höpfner, Das Nasobehm II
Prof. Kunze, Frau Dr. Bruer, Frau Dr. Hofstetter sowie Herr Leonhardt, der zudem für die Organisation der Unternehmung zuständig ist.
Dank gilt Frau Dr. Schade für ihre engagierte Arbeit am Bestand. Insgesamt wurden ca. 1200
Objekte im Portal „Museum digital“ erfasst.
Um die vielfältigen Aktivitäten des Kindermuseums weiter zu fördern, haben das Museum und
der Museumsvorstand auf Anregung zweier Hamburger Mitglieder zu einer Spendenaktion aufgerufen, um einen Mini-Job zur Unterstützung der zahlreichen Veranstaltungen im Kindermuseum
finanzieren zu können. An der gelungenen Spendenaktion haben sich zahlreiche Mitglieder beteiligt. Ihnen sei dafür sehr herzlich gedankt. Wir wären natürlich sehr dankbar, wenn wir auch zukünftig mit der Hilfe der Mitglieder unserer Gesellschaft rechnen dürften!
In den letzten Jahren konnten grundlegende Baumaßnahmen realisiert werden. Der Hansestadt
Stendal und ihrem Oberbürgermeister gilt hier unser besonderer Dank. Diese Sanierungsmaßnahmen sind zugleich ein wichtiger Schritt in Hinblick auf die Vorbereitung der Winckelmann-Jubiläen. In den letzten 8 Jahren wurden ca. 250.000 € Fördermittel für die Unterhaltung der Gebäude eingesetzt. So konnten die Elektroinstallation, die Not- und Rettungswegbeleuchtung und das
Dach erneuert werden. Oktober 2013 wurden die 37 maroden Fenster des Hauptgebäudes komplett
ausgewechselt. Damit verbunden waren auch Arbeiten an der Fenstersicherung der Alarmanlage,
denn jeden Abend musste die Anlage wieder funktionieren. Es folgten dann Trockenbau- und Malerarbeiten. Für den Museumsbetrieb stellte dies eine außergewöhnliche Belastung dar, zumal diese
Maßnahmen in kürzester Zeit durchgeführt werden mussten. Die Mitarbeiter des Museums haben
hier viel geleistet, denn solche Bauarbeiten stellen naturgemäß enorme Anforderungen an Sicherheit, Bewachung und Aufsicht, denn an vielen Stellen musste zur gleichen Zeit gearbeitet werden,
um den normalen Ausstellungsbetrieb so schnell wie möglich wieder aufnehmen zu können. In Kürze wird auch die Gestaltung der Fassade in Absprache mit der Denkmalpflege in Halle abgeschlossen sein. Der Oberbürgermeister hat bereits angekündigt, dass auch die Umstellung der Heizung auf
Stadtgas und eine Erneuerung der Brandwarnanlage in Kürze realisiert werden sollen.
Blickpunkt Museum 2013–2014
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Insgesamt kann das Museum im letzten Jahr eine positive Bilanz ziehen, auch wenn die Besucherzahlen nach dem Rekord im letzten Jahr auf 11457 etwas zurückgegangen sind. Dies betrifft vor
allem den Anteil der Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Die speziell auf junge Besucher
zugeschnittene Ausstellung „Schön – Geheimnisse der Schönheit damals und heute“ erfreute sich
2012 unter dieser Altersgruppe besonderen Zuspruchs. Im zurückliegenden Geschäftsjahr fanden
im Museum 101 Veranstaltungen, Vorträge und Sonderführungen für Erwachsene statt. Dazu
kommen noch zahlreiche gebuchte Führungen und Veranstaltungen. Dies sind deutlich mehr als
im Vorjahr. Im Kinder- und Erlebnismuseum fanden 324 Veranstaltungen statt.
Dank gilt den freiwilligen Helfern im Aufsichtsdienst in den Sonderausstellungen, im SeniorCampus und im Kindermuseum: Frau Hennig, Frau Henning, Frau Klawitter, Frau Rautenberg,
Frau Schmelzer und Frau Tieftrunk sowie Frau Glod. Gern werden wir auch künftig auf ihre Unterstützung zählen. Besonders danken wir Frau Birnstil für ihren freiwilligen Einsatz beim Ausstellungsaufbau, den sie über ihre reguläre Arbeitszeit im Aufsichts- und Kassendienst hinaus leis­
tet, wie auch Herrn Schlangstedt, der unsere Arbeit insbesondere bei der Vorbereitung der Jahreshauptversammlung jedes Jahr unterstützt.
Last but not least danke ich dem Team des Winckelmann-Museums um Frau Dr. Bruer für die
engagierte Arbeit und die gute Zusammenarbeit und meinen Kollegen im Museumsvorstand für
ihre ehrenamtliche Arbeit und die vielen Anregungen.
Balbina Bäbler über Vorsicht Lebensgefahr! Sirenen, Nixen, Meerjungfrauen in der Kunst seit
der Antike. Katalog einer Ausstellung im Winckelmann-Museum vom 20. Oktober 2013 bis
19. Januar 2014, hrsg. von Max Kunze, Ruhpolding und Mainz: Franz Philipp Rutzen, Harrassowitz, 2013
Konzept und Katalog: Eva Hofstetter unter
Mitwirkung von Andreas Hillert, Udo Reinhardt, Michael Schneider; Gestaltung: Winckelmann-Gesellschaft
Dieser reich illustrierte und informative Katalog, der wie die Ausstellung von der besten
Kennerin des Themas konzipiert wurde (vgl.
E. Hofstetter, Sirenen im archaischen und klassischen Griechenland, Würzburg 1990), bietet zunächst eine Einführung mit einem Überblick über mythische Mischwesen in Literatur und Kunst in der Antike (S. 11–18) und
die Bedeutung der Sirenen in der späteren europäischen Kulturtradition (S. 19–26: U. Reinhardt). Es gab in der griechischen Kultur zahlreiche männliche und weibliche Mischwesen;
auch Sirenen konnten in der Frühzeit gelegentlich männlich sein – weibliche erwiesen sich
aber offensichtlich geeigneter für die zunehmende Dämonisierung im Christentum. Vermutlich stammen sie usprünglich aus der ori-
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Blickpunkt Museum 2013–2014
entalischen Tradition; ihre prominenteste Rolle haben sie in der Odyssee (12,40–57. 166–200),
wo aber eigentlich erstaunlich wenig zu den Sirenen selbst gesagt wird. Erst späte römische Mythographen weisen ihnen gelegentlich Mütter oder Väter (meist eine Muse und einen Flussgott)
zu. (Ein kleiner Kritikpunkt zu diesem Abschnitt: Es wäre m. E. übersichtlicher gewesen, die Stellenangaben gleich bei den Übersetzungen antiker Quellen anzuführen; auch wird nicht klar, von
wem die Übersetzungen stammen.)
Der zweite Abschnitt (S. 19–26) zeigt die o. erwähnte Dämonisierung im Mittelalter, die aus den
Sirenen zunehmend Symbole niederer Lust macht (so etwa an Kapitellen von Kreuzgängen oder
Portalreliefs an Kirchentüren), gegen die der Dulder Odysseus immun zu sein hat. Noch beliebter
als die „Vogelsirenen“ waren zu dieser Zeit die ebenso verführerischen „Fischsirenen“ (Nereiden),
die über den mittelfranzösischen Melusine-Roman (14. Jh.; dazu auch Kat. 5.21 S. 99–100) den
Weg nach Nordeuropa fanden.
Eine poetische Wiederentdeckung der gefährlichen Meerbewohnerinnen erfolgte in der Renaissance im Zuge der großen Entdeckungen: So wurde u. a. nach Entwürfen von Francesco Primaticcio ein (heute zerstörter, aber in Stichen erhaltener) gigantischer Zyklus von 48 Bildern zur
Odyssee im neuen Schloss von Fontainebleau geschaffen (1547–1570). Einen erneuten Aufschwung des Interesses für mythische Mischwesen brachte das Fin-de-siècle; faszinierend ist die
betonte Ambivalenz der Sirene in der Kunst des europäischen Symbolismus, die je nach Intention
und Stimmung des Künstlers unheilvolle Femme Fatale, aber auch Symbol künstlerischer Inspiration sein konnte.
Der folgende Katalog ist in 6 Teile gegliedert, deren erster (S. 27–42) dem Abenteuer des Odysseus gewidmet ist. Wohnten die Sirenen bei Homer noch in einer unlokalisierbaren Märchengegend, so werden sie später zwischen Neapel, Sorrent und Kalabrien angesiedelt. Die homerische
Geschichte wird mit Beispielen in verschiedenen Medien illustriert: schwarzfigurigen Vasen, dem
Abdruck einer Gemme aus der von Winckelmann beschriebenen Sammlung des Barons Philipp
von Stosch, Stichen einer etruskischen Aschenurne bzw. eines römischen Sarkophagdeckels aus
Tafelwerken des Antonio Gori (1737) und Lorenz Beger (1703), bei denen man nebenbei auch
noch viele interessante Informationen über diese Antiquare erhält. Unter dem Einfluss des homerischen Mythos schuf übrigens Clemens von Brentano 1800 die „Loreley“ am Rhein für ein Phänomen, das bislang im lokalen Dialekt nur der summende („lureln“) Fels („Ley“) gewesen war (S.
39–42). In diesem Zusammenhang ist auch die Zusammenstellung der antiken und modernen
Etymologisierungsversuche (S. 54) interessant, die vom semitischen „šir“ (Gesang), den griech.
Verben „syrizein“ (pfeifen) oder „seirian“ (glänzen, leuchten) bis zu Plutarchs Deutung „thei’ eirein“ (göttliche Wahrheiten künden, mor. 745F) reichen.
Der zweite Teil ist den menschenköpfigen Vögeln im Orient, in Griechenland und Rom (S. 44–
52) gewidmet und nicht zuletzt deshalb interessant, weil Homer das Aussehen der Sirenen nicht
beschreibt. An „orientalischer Verwandtschaft“ ist der auf einen Göttinnen-Flügel eines ägyptischen Holzsarkophags der 21. Dynastie (1075–945 v. Chr.) gemalte Ba-Vogel, der die menschliche Seele verkörpert, zu sehen, sowie der Abguss einer Sirenenattasche eines Bronzekessels in
Olympia aus dem späten 8. Jh. v. Chr., notabene ein Männerkopf mit Vogelkörper (S. 45–47).
Aus dem griech.-röm. Kulturkreis stammen u. a. eine korinthische Deckelpyxis, auf der die typische Reihung von Mischwesen, Raubtieren und friedlichen Tieren dargestellt ist, wie sie auf
zahlreichen korinthischen, attischen und ostgriechischen Vasen von ca. 700 bis 540 v. Chr. zu sehen ist (S. 47– 51). Daran sowie an einer etruskischen Oinochoe vom Ende des 6. Jh. v. Chr. und
einem römischen archaistischen Henkel einer Bronzekanne (1. Jh. n. Chr.) lässt sich besonders
deutlich die griechische Vorliebe für anthropomorphe Formen erkennen, die mythische Mischwe-
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sen orientalischer Herkunft zunehmend „vermenschlichte“: So sind die frühsten Sirenen auf
schwarzfigurigen Vasen noch Vögel mit Frauenköpfen, doch der „Frauenanteil“ wird zunehmend
größer, die Sirenen richten sich auf, und im 5. Jh. v. Chr. reicht der Frauenkörper bis zur Leistenlinie. (Hier sei ein kleines Corrigendum zu S. 52 angebracht: Das fischschwänzige Meerwesen Ketos ist griech. ein Neutrum; der Plural müsste also nicht Ketoi, sondern Ketē lauten.)
Teil 3, „Sirenen und verwandte Wesen“ (S. 54–64) zeigt die Mischwesen in einer ganz neuen Rolle, etwa in dem kleinen Terrakotta-Relief (H 12,7cm; 350–300 v. Chr.), das auch auf dem vorderen Umschlag des Katalogs abgebildet ist, das eine hübsche Sirene mit einem kleinen nackten Jungen im Arm zeigt, den sie vermutlich ins Jenseits trägt. In der gleichen Funktion dürften die schönen Sirenen mit den puppenartigen, langgewandeten Figürchen in den Armen auf dem fälschlicherweise so genannten „Harpyienmonument“ aus dem lykischen Xanthos (480/470 v. Chr.) dargestellt sein (S. 58–60).
Von dieser mehr positiven Konnotation her ist es naheliegend, dass die Sirenen im 4. Jh. v. Chr.,
nun als zierliche Mädchen, die nur noch durch ihre Vogelfüße, einen Vogelschwanz und große
Flügel als Sirenen zu erkennen sind, als kleine Giebelfiguren unzähliger griechischer Grabstelen
die Totenklage übernehmen, wobei sie sich mit der einen Hand die Brust schlagen, mit der anderen die Haare raufen. Auch sonst werden sie nun bisweilen einfach als Musikantinnen dargestellt
(„Sirenenklänge: Musik und Totenklage“, S. 66–76).
Den beiden umfangreichen letzten Teilen, „Böse und gute Sirenen: Wiedergeburt in der Neuzeit“
(S. 78–100) und „Sirenen in der modernen Kunst“ (S. 102–112) kann ich hier nicht gerecht werden; angesichts der Fülle unterschiedlichster und oft verblüffender Antworten moderner Künstler
auf die Herausforderung „Sirene“ kann dem Leser nur ans Herz gelegt werden, diese spannenden
Entdeckungen selbst zu machen. Faszinierend ist m. E. dabei, wie sehr Sirenen und verwandte
Wesen offenbar bis in die Moderne die individuelle Befindlichkeit der Künstler ansprechen konnten: So stehen sie oft für Prostituierte (hässlich alternd bei Arnold Böcklin, 1875, S. 82–83), als
erstaunlich muskulöse Nacktmodelle bei Otto Greiner, 1896 (S. 83–84), deren Todesdrohung die
Übertragung der Syphilis ist, ein Motiv, das in der Regel aus dem Repertoire verschwand, sobald
der Künstler glücklich verheiratet war (!). Spielerisch-spöttisch sind hingegen die Ende 19. / Anfang 20. Jh. entstandenen Graphiken von Hans Thoma, von dessen Sirenen E. Hofstetter zu Recht
schreibt, sie wirkten wie „’späte Mädchen‘ auf der verzweifelten Suche nach einem Mann.“ (S. 86).
Einen Ausweg boten Sirenen für Willi Sitte, der Mitte der 50er-Jahre in der DDR keine öffentlichen
Aufträge bekam, und der mythische und biblische Motive in besonderer Weise vermischte, etwa in
einer Art Jüngstem Gericht, in dem die guten von den bösen Sirenen geschieden werden (S. 97–99).
Bemerkenswert sind die zahlreichen Keramikarbeiten (Vasen, Dosen, kleine Skulpturen) der 1929
in Leipzig geborenen Heidi Manthey, deren vermeintliche Lieblichkeit oft erst auf den zweiten Blick
entlarvt wird.
Schließlich fehlt nicht ein Ausblick auf die 1799 von dem schottischen Naturwissenschaftler John
Robinson als Musikinstrument (!) erfundene moderne Alarmsirene (S. 95–96) und auf die real
exisierenden „Sirenen“, die Manatis (Seekühe, S. 94–95), deren Laute offenbar an Sirenengesänge
erinnern, bei deren Aussehen man sich aber nicht wundert, dass Christoph Kolumbus 1493 enttäuscht in seinem Schiffstagebuch vermerkte, sie seien bei weitem nicht so schön wie auf den Gemälden.
Der Katalog macht auch für Leser, die die Ausstellung im letzten Winter in Stendal nicht besuchen konnten, ein originelles Konzept nachvollziehbar, das Entwicklung, Vorstellung und Rezeption der geheimnisvollen Mischwesen von der Antike bis in Kunst und Literatur der Gegenwart
beleuchtet und die Leser auf eine hochinteressante „Zeitreise“ mitnimmt.
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Blickpunkt Museum 2013–2014
Autorreferat von Andreas Hillert über William Turner, Hero und Leander. Ein unbekanntes Meisterwerk und andere Bilder des
unsterblichen Liebespaares, Stendal 2013.
Zur Ausstellung im Winckelmann Museum
Stendal.
Die vom 7.12.2013 bis zum 18.3.2014 in
Stendal gezeigte Ausstellung Hero und Leander. Ein bemerkenswertes Gemälde von William
Turner war ihrerseits bemerkenswert, ästhetisch
und vor allem auch als Experiment. Ausstellungen, in denen dem Publikum als gesichert
geltende Wissensbestände ansprechend präsentiert werden, gab und gibt es viele. Präsentationen, in denen offene Fragen im Mittelpunkt
stehen, zumal wenn etablierte Deutungen und
die Deutungshoheit institutionalisierter Experten hinterfragt werden, sind rar. Dem in hellenistischer Zeit entstandenen Mythos zur Folge
durchschwimmt Leander des Nachts den Hellespont, um zu seiner Geliebten, der Aphrodite-Priesterin Hero zu gelangen. Eines Nachts
bricht ein Sturm aus, Heros Lampe, die ihm den Weg weisen sollte, erlischt, Leander ertrinkt. Als
Hero am kommenden Morgen die Leiche des Geliebten erblickt, stürzt sie sich von ihrem Turm
herab zu ihm in den Tod.
Das als erste Fassung zu „Hero und Leander“ von William Turner (1775–1852) vorgestellte Gemälde wurde in der Ausstellung mit anderen Darstellungen des antiken Mythos, ergänzt durch
zeitgenössische Stiche nach Werken Turners, einem Foto der 1837 in London ausgestellten gro­
ßen Fassung sowie diversen Skizzen und Reproduktionen zu und nach diesem Bild in drei Räumen präsentiert. Anhand eines Abgleichs mit antiken und nachantiken Texten wurde deutlich,
dass Turner, entgegen dem programmatischen Titel des Londoner Bildes („The parting of Hero
and Leander – from the Greek of Musaeus“), von Ovid und nicht von Musaios ausging und zudem Christofer Marlow gelesen hat. Während die zentrale, Lampe und Fackel hochhaltende Rückenfigur auf dem Londoner Bild einen halbwüchsigen Amor meint, ist die nämliche Figur auf
dem – wenn, dann um 1828, von Turner geschaffenen – in Stendal gezeigten Bild eine flügellose
Frau: die, wie bei Ovid geschildert, von ihrer Amme begleitete Hero. William Turner war hochgradig an der Antike interessiert, wobei er primär von antiken Texten ausging und weniger, im
Sinne Winkelmanns, antike Plastiken rezipierte. Gleichzeitig zitiert er im Hero und Leander-Bild
antike Architektur, von der Athener Akropolis bis zum Mausoleum des Hadrian in Rom. In dieser
Vielschichtigkeit geht William Turner weit über den von der Antike bis in die Postmoderne praktizierten bildnerischen Umgang mit Heros und Leanders Schicksal hinaus.
Aber ist das in Stendal gezeigte Gemälde, das durch diverse Pentimenti, also während des Malprozesses entstandene Korrekturen, als Original ausgewiesen ist, deshalb nun zwangsläufig ein Werk
von William Turner? Eben diese Frage hat die Besucher der Ausstellung vermutlich am intensivsten beschäftigt. Die Einschätzungen schwankten zwischen: „Absolut sicher, wer hätte ein solch
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komplexes, grandios hingeworfenes Bild sonst malen können“ bis zum Gegenteil: „Meine Freundin malt auch, da hat man ein Gefühl für so etwas. Solche kleinen Sachen wie da auf dem Bild,
die hätte Turner nie gemalt.“ Dabei wurde deutlich, dass ein unvoreingenommener Umgang mit
Meisterwerken per se unmöglich ist und die Gefahr besteht, etwa ein Bild wie das in Stendal gezeigte, nicht mit anderen Werken des betreffenden Künstlers zu vergleichen, sondern dass das
spontane ‚Bauchgefühl‘, das der jeweilige Betrachter – Laie wie Experte – diesbezüglich hat, ausschlaggebend wird und später kaum noch relativiert werden kann. Die Ausstellung in Stendal gab
Gelegenheit dazu, solchen Phänomenen auf den Grund zu gehen und dabei u.a. die Frage zu stellen, ob William Turner tatsächlich ein existenzialistisch-farbtrunkener, postmoderner Prä-Impressionist war oder aber – auch wenn dies ehemals wie heute nicht dem Geschmack bzw. dem Impetus eines breiten Publikums bzw. von Turner-Experten entspricht – ein sich intensiv wie eigenwillig mit antiken Themen auseinandersetzender Intellektueller.
Turners Hero und Leander-Bild von 1837 wurde bereits bei dessen erster Präsentation von Kritikern zerrissen. Dass der Titel „... from the Greek of Musaeus“ falsch ist und die Motive auf Ovid
zurückgehen, hatte seinerzeit kein Kritiker und hat bis heute kein Turner-Experte bemerkt. Die
Besucher der kleinen, von Stephanie Bruer charmant inszenierten Ausstellung in Stendal konnten
dies mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen und gleichzeitig ihre eigenen Vorstellungen vom
epochalen Künstler William Turner erweitern.
Barbara Kruhöffer über Ostereier zwischen Kult und Kunst. Aus der Sammlung Adulf Peter
Goop. Katalog einer Ausstellung im Winckelmann-Museum vom 22. März bis 9. Juni 2014,
hrsg. von Rainer Vollkommer und Max Kunze, Verlag Franz Philipp Rutzen, Ruhpolding,
Mainz 2014. 212 S. mit 260 Farbabb.
Ein Buch, das dazu verlockt, es immer wieder in die Hand zu nehmen und darin auf
Entdeckungsreise zu gehen! Die hervorragenden Fotos aller 236 in der Ausstellung gezeigten Eier geben einen großartigen Einblick
in die Sammlung von Peter Adulf Goop und
die Ausstellung, deren Schwerpunkt deutlich
auf Kunst-Eiern liegt. Unübersehbar und eindrucksvoll ist die Liebe des Sammlers zu den
Eiern aus Russland, die in dieser Anzahl und
Qualität selten zu sehen sind.
Im einleitenden Artikel über das Leben des
Sammlers wird von Rainer Vollkommer, Direktor des Liechtensteinischen Landesmuseums, dargelegt, wie durch den Kontakt zu russischen Soldaten im Jahr 1945 die besondere
Beziehung zu den Ostereiern aus Russland entstand. Er berichtet im Weiteren über den erstaunlichen Werdeganges Goops vom Kind aus
armen Verhältnissen zum bedeutenden Kunstmäzen Liechtensteins. Geboren wurde Adulf
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Blickpunkt Museum 2013–2014
Peter Goop am 23.2.1921, sein Todesdatum, der 9.3.2011, wird im Aufsatz nicht
erwähnt.
Der zweite Artikel trägt den Titel: „Ein
wunderbares Ei – Über die Herkunft unseres Ostereiglaubens“, von Matthias Weglage. Obwohl der Titel einen deutlichen Anklang an die Eigenveröffentlichung von A.
P. Goop zeigt, wird diese im Artikel nicht
erwähnt. (Das Ei, welch ein wunderbares
Ding: Ostereier, Schmuckeier – ein Schauund Lesebuch / Adulf P. Goop, 1989). Leider liegt in diesem Artikel der Schwachpunkt des Buches. Der Autor leitet den Ostereierbrauch (von Glauben sollte man in
diesem Zusammenhang nicht sprechen!)
von Opfergaben an den germanischen Gott
Donar/Thor ab, die diesem „offenbar“ dargebracht wurden, die ursprüngliche rote
Farbe für die Ostereier wird damit begrünDionysos mit Ei, Terrakottabüste aus Böotien
det, dass Donar rothaarig vorgestellt wurde. Die Formulierung „aus Thor, der die
Schlange besiegt, wurde Christus der Todesbezwinger“ – ist entweder ungeschickt formuliert oder
zeugt von einem völligen Unverständnis der geschichtlichen Zusammenhänge und des christlichen Glaubens. Der Autor kommt von Donar auf abergläubische Einzelbräuche mit Eiern, bevor er dann einige christliche Aspekte anführt. Hier hätte man sich einen Autor gewünscht, der
sich besser mit theologischen Zusammenhängen auskennt.
Der dritte Aufsatz von Eva Hofstetter hat den Titel: „Eier vor dem Osterei – Ein Streifzug durch
die Antike“. Die Autorin zeigt auf, wie verbreitet das Ei in den Kosmogonien der Völker war. Sowohl die Entstehung der Welt, als auch die Geburt der Götter aus dem Ei lassen sich für Ägypten,
bei den Griechen und Römern und in Syrien nachweisen. Auch andere Zusammenhänge, in denen das Ei in der Antike auftaucht, werden von der Autorin vorgestellt: das Ei als Weihgabe, im
Totenkult und als Grabbeigabe. Der Artikel endet mit Hinweisen auf wichtige Zitate aus der Zeit
des frühen Christentums, in denen das Ei als Zeichen der Hoffnung auf neues Leben durch die
Auferstehung Jesu verstanden wird. Eindrucksvolle Bilder von archäologischen Funden unterstreichen den interessanten, hervorragenden Text.
Der Hauptteil des Buches bildet nun den eigentlichen Katalog zu der Ausstellung von Eiern aus
der Sammlung Goop. Er ist geografisch gegliedert, jedem Land ist eine Einleitung mit der Darstellung zum Osterfest und zu Osterbräuchen voran gestellt. Zu Beginn steht Liechtenstein, die
Heimat von Goop und der Sitz der Sammlung. Diese erste Aufzählung von Bräuchen stammt
vom Sammler selbst (Brauchtum in Liechtenstein, 1986) und ist besonders ausführlich. Er setzt
sie in engen Zusammenhang zum christlichen Osterfest, so haben sie Gültigkeit auch für die anderen Kapitel, ein guter Beginn des Katalogteiles!
Es werden dann einige verzierte Eier der Fürstinnen Gina und Marie von und zu Liechtenstein
abgebildet, die zeigen, dass es A. P. Goop gelang, seine Liebe zu den Ostereiern bis ins Fürstenhaus zu tragen.
Blickpunkt Museum 2013–2014
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Es folgen nun die anderen Länder, aus denen Eier in der Ausstellung zu sehen sind. Bei
den gründlich und ausführlich recherchierten Darstellungen von Passions- und Osterbräuchen zu jeder Region (im Wesentlichen
von Eva Hofstetter) gibt es logischerweise Wiederholungen und Mehrfachnennungen. Aber
es lohnt sich, die Texte dennoch aufmerksam
zu lesen, denn man entdeckt oft Interessantes,
das auch für andere Länder zutrifft. Zum Beispiel wird das Eieraufschlagen mit unterschiedlichen Bezeichnungen (tütschen, picken, duppen u.v.a.) für sehr viele Länder genannt. Heute ist es in der Regel zum Kinderspiel geworden, aber in Rumänien und Griechenland ist
der ursprüngliche Sinn noch deutlich erkennbar. So heißt es in der Einleitung zu Griechenland von der Auferstehungsmesse: „Um Mitternacht wird der Psalm der Auferstehung Jesu
Christi verkündet, die Glocken werden laut
und feierlich geläutet, Feuerwerke und Raketen werden in die Luft geschossen, die GläuKartonei aus Griechenland, 1987
bigen küssen sich und schlagen die roten Eier
gegeneinander mit dem Spruch ‚Christos Anesti‘, d. h. ‚Jesus ist auferstanden‘, und ‚Alithos Anesti‘ d. h. ‚Er ist wahrhaftig auferstanden.‘ Das
Zerbrechen der Eierschale symbolisiert also das Zerbrechen der Todesmacht, das Aufbrechen des
Grabes. (Ich habe diesen Brauch selbst 2004 in Athen erlebt!)
Es wird deutlich gemacht, dass in vielen Ländern Rot die vorherrschende Farbe für die Ostereier ist. Die Erklärung findet sich bei Bulgarien und Griechenland: Die Farbe Rot steht für Liebe
und für das Blut Jesu, das für die Menschen am Karfreitag vergossen wurde. Es darf ergänzt werden, dass Rot auch die Königswürde symbolisiert, der Sinngehalt von Passion und Ostern ist also
durch die Farbe deutlich gemacht.
Die Kapitelbezeichnung nach Ländern wird nur einmal durchbrochen: Die Sorben, eine anerkannte Minderheit in Deutschland, die in der Nieder- und Oberlausitz lebt, hat ein eigenes Kapitel bekommen. Dorothea Tschöke, eine sorbische Eiermalerin, beschreibt sachkundig in Wort
und Bild die typischen Eierschmucktechniken der Sorben (Wachsreserve-, Bossier-, Kratz- und
Ätztechnik). Sie zeigt das benötigte Werkzeug und veranschaulicht das Entstehen eines vielfarbigen Batik-Eies mit Bildern der einzelnen Schritte. Die Lausitz ist eine Hochburg der Eierschmucktechniken in Deutschland, eine andere Besonderheit, die „beschriebenen“ Eier aus Hessen, fehlen leider in der Ausstellung.
Es ist sicher kein Zufall, dass die Eier aus Osteuropa besonders aufwändig und prächtig gestaltet sind: „Ostern ist wie in allen christlich-orthodoxen Ländern das höchste Fest im Jahr“, heißt
es im Artikel über Bulgarien. So gehören die abgebildeten Batik-Eier aus Rumänien zu dem
Schönsten, was Volkskünstler geschaffen haben. In der Ukraine gibt es ebenfalls ganz wunderbare Batik-Eier, mit bewundernswerten feinen Mustern, die hier auf bemalten Holzeiern zu sehen sind.
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Blickpunkt Museum 2013–2014
Besonders herauszuheben ist der Artikel über Russland. Man wünscht sich, an einer Osternacht
in der russisch-orthodoxen Kirche teilzunehmen zu können! Im Mittelpunkt des Artikels stehen
dann die Ostergeschenke am Zarenhof. Die Entwicklung ging von bemalten Hühner-Eiern zu Eiern aus den unterschiedlichsten Materialien, die im Laufe der Zeit immer kostbarer wurden und
in den unübertroffenen Fabergé-Eiern gipfeln. Der Katalog bildet wunderschöne kostbare Eier ab,
sie begründen die außerordentliche Stellung, die die Sammlung Goop einnimmt. Kostbare Materialien, aufwändige Herstellung und Muster: Cloisonné-Eier aus Silber und z.T. vergoldet. Anhand der Stempel lassen sich einige Eier den Werkmeistern zuordnen. Diese Kunstwerke lassen
das Herz jeden Eiersammlers und jeden Liebhabers kostbarer Raritäten höher schlagen. Auch hier
sind die Exponate in erstklassigen Abbildungen (z. T. mehrere pro Ei) präsentiert und detailliert
beschrieben. Zwei schöne Beispiele von Ikonen-Eiern in traditioneller Lackmalerei runden das
Bild ab. Neben diesen Kostbarkeiten gibt es in Russland auch volkstümlich bemalte Eier. Fraglich
erscheint mir aber, das „Globus-Ei“ unter Russland einzuordnen. Holz-Eier in der Art der Matrjoschkas (Ei im Ei) sind auch in anderen Ländern bekannt. Meiner Meinung nach kommt das
abgebildete „Globus-Ei“ mit seinen fünf Holzeiern, den aufgemalten Landkarten und Segelschiffen und dem Hinweis auf Ferdinand Magellan aus einem der westlichen Seefahrerländer; das erklärt dann auch die lateinischen Buchstaben der Beschriftung.
Auch aus asiatischen Ländern (Thailand, Bali, China) zeigt die Ausstellung kunstvoll verzierte
Eier, die der Katalog in eindrucksvollen Bildern wiedergibt. Der Schmuck steht ganz in der Tradition ihrer Länder; aus China werden ebenfalls Cloissonné-Eier gezeigt. Das Vorkommen geschmückter Eier in diesen Ländern, in denen Ostern ja keine Rolle spielt, unterstreicht, dass das
Ei zu den ganz alten Symbolen gehört, das im außerchristlichen Bereich eine Bedeutung behalten
hat.
Bedauerlicherweise haben die Kuratoren der Ausstellung bei der Auswahl traditioneller, volkskundlicher Ostereier auf Spitzen-Exponate verzichtet. Sie sind aber in der Sammlung Goop reichlich vertreten, wie ein Blick in das Buch von Adulf Peter Goop, speziell das Kapitel: Traditionelle
Ostereier-Landschaften, S. 94–104 zeigt.
Bei einigen wenigen Zuordnungen sind Fehler unterlaufen, die sich in der Ausstellung aber leicht
beheben lassen: Die unter den Nummern 239–243 abgebildeten Eier kommen nicht aus Japan,
sondern auch aus China (s.V. Newall, An Egg at Easter, Farbtafel XXIV; Ernst Polak, Bunte Eier
aus aller Welt, Abb. 74–78). Das unter der Abb. 248 abgebildete Krippen-Ei stammt aus Ayacucho in Peru. Es ist aus dem Speckstein „Piedra de Huamanga“ gefertigt.
Der umfangreiche und schöne Katalog zeigt auf, dass Eier weltweit zu den ältesten Symbolen
für Entstehung des Lebens und der Fruchtbarkeit gehören und dass das frühe Christentum diesen Sinngehalt für die Verdeutlichung von Christi Auferstehung übernimmt. Je tiefer die Feier des
Osterfestes in einem Land (vor allem in Osteuropa) verwurzelt ist, umso reicher ist dort die Ostereier-Tradition. Die christlichen und weltlichen Osterbräuche der einzelnen Länder sind gründlich recherchiert und ausführlich beschrieben. Darüber hinaus – und hier liegt der Schwerpunkt
in der Auswahl der abgebildeten Kunstwerke – wird deutlich und anschaulich gezeigt, wie sehr
sich Künstler von der Eiform zu schier unerschöpflicher Kreativität in vielfältigem Material anregen lassen.
Ein wunderbar anzuschauender und immer wieder mit Gewinn zu lesender Katalog. Man
wünscht sich einen zweiten Band mit weiteren Eiern der Sammlung von Adulf Peter Goop!
Blickpunkt Museum 2013–2014
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Erhard Schwerin über Ostereier zwischen Kult und Kunst – Aus der Sammlung Adulf Peter
Goop, Katalog einer Ausstellung des Liechtensteinischen Landesmuseums im WinckelmannMuseum Stendal, hrsg. von Max Kunze und Rainer Vollkommer. Verlag Franz Philipp Rutzen,
Ruhpolding und Mainz 2014, 212 S., 260 Farbabb.
Tamara Wassiljewna Kudrijawzewa, Kustodin der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg, sagte
über Adulf Peter Goop: „Sein Beruf ist Rechtsberater, seine Leidenschaft das Sammeln […]“.1 Die
Sammlung des Kunstfreundes und Kunstförderers, Mäzens und Sammlers aus dem Fürstentum
Liechtenstein „ […] übertrifft viele europäische und amerikanische Privatsammlungen von Ostereiern sowohl quantitativ als auch qualitativ […]“2 .
Als Anregung für den regionalen Trachtenverein Liechtenstein entschloss sich A. P. Goop als Geschichtsinteressierter um 1982, selbst eine kleine Sammlung von traditionellen Ostereiern anzulegen.3 1985 kam das erste kostbare Osterei aus dem Zarenreich hinzu.4 Heute bilden die russischen Ostereier, neben den bemalten Eiern von Künstlern, Kulturschaffenden und prominenten
Persönlichkeiten aus Liechtenstein, das eigentliche Herzstück seiner Sammlung.
Bereits „1989 gab Adulf Peter Goop das Buch ‚Das Ei, welch ein wunderbares Ding‘ heraus, in
dem verschiedene Autoren über die Geschichte, Symbolik, Verzierung und Bräuche verschiedener Völker im Zusammenhang mit Ostereiern schrieben.“5 Fürstin Gina von und zu Liechtenstein stellte im Geleitwort zu Recht fest: „Der vorliegende Band dürfte in seiner Art einmalig
sein sowohl bezüglich der verschiedenartigsten Eier und Ostereier, die darin abgebildet sind, wie
auch wegen der vielfältigen Artikel zum Thema Ei. […] Diese Publikation bedeutet eine wertvolle
Hilfe und einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Tradition des Ostereier-Verzierens.“6 Goop
selbst konstatierte: „Nun ist die Sammlung so weit, dass sie ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt und auch öffentlich ausgestellt werden kann, […].“7
Seinem Anliegen entsprechend, die Sammlung der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, folgte 1998 mit „Kostbare Ostereier aus dem Zarenreich: Aus der Sammlung Adulf Peter Goop“ eine weitere umfassende Publikation. Dazu bemerkte er: „Die heute übliche Beschriftung mit Künstlernamen, Lebensdaten und Bildtitel genügt nicht. Ich habe hierauf in diesem
Werk besondere Rücksicht genommen und von erstklassigen Experten verfasste Texte, Begriffserklärungen und Kurzbiographien der Künstler usw. aufgenommen, die dem Laien möglichst verständliche Erklärungen geben und die auch für den Sammler sowie die Fachwelt von besonderem
Wert sind.“8
Der Sammler übergab seine wertvolle Kollektion am 09. Juni 2010 als Schenkung an das
Land Liechtenstein. „Die Schenkung umfasst
neben einer Fülle hervorragender Gemälde […]
eine Sammlung von rund zweitausendfünfhundert Ostereiern aus Liechtenstein, aus Russland, aus der Welt.“9 .
Ganz im Sinne Goops präsentierte das Liechtensteinische Landesmuseum in einer Sonderausstellung im Jahre 2011 ausgewählte kostbare Ostereier aus Liechtenstein und dem Zarenreich der Öffentlichkeit. Der dazu erschienene Katalog „Das Osterei – Liebespfand und
Ein Ei aus dem Zarenreich, 19. Jahrhundert
Kunstobjekt“ schließt sich in Art und Inhalt
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Blickpunkt Museum 2013–2014
nahtlos den vorangegangenen Publikationen von Goop an. Im Resümee wird festgestellt: „Die
Schenkung Adulf Peter Goop ist ein wahrer Schatz und bietet viel Potential für einmalige Sonderausstellungen und Publikationen.“10 „So lag es nahe, diese bedeutende Kollektion von Ostereiern
aus der ganzen Welt neu und umfassender für Sonderausstellungen in anderen Museen in Europa zusammenzustellen, sie in einem größeren Katalog zu veröffentlichen.“11 Dieser Aufgabe nahm
sich das Liechtensteinische Landesmuseum in Kooperation mit der Winckelmann-Gesellschaft
Stendal an. Es wurde eine Sonderausstellung mit einem Katalog, welche zuerst im WinckelmannMuseum Stendal vom 22. März bis zum 9. Juni 2014 gezeigt wurde, erarbeitet.
Der aufwändig gestaltete großformatige Katalog (DIN A 4) mit 212 Seiten folgt in der Präsentation ganz den oben genannten Traditionen Goops. Er spiegelt in eindrucksvoller Art und Weise die Sonderausstellung wider, wobei der Katalog in den textlichen Ausführungen, entsprechend
den oben genannten Goopschen Prinzipien, erwartungsgemäß wesentlich tiefgreifender und umfassender in die Thematik „Ei“ eindringt. Mit der Ausstellung und dem Katalog wird erstmals die
Spannweite der Goop-Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.12 Den Schwerpunkt in
diesem Katalog bilden die verzierten Eier der Welt mit ihrem umfassenden Spektrum des Brauchtums. Er schließt damit eine breite Lücke in den Publikationen zur Goop-Sammlung.
Acht Autoren um Eva Hofstetter verfassten fach- und sachkundig die einzelnen Beiträge. Im ers­
ten Teil der Einführung wird „Die Ostereiersammlung von Adulf Peter Goop“ mit Eckdaten zu
seiner Vita und Ereignissen, die zur Entstehung der Sammlung führten, vorgestellt. Im zweiten
Teil, „Ein wunderbares Ei“, berichtet Matthias Weglage „Über die Herkunft unseres Ostereiglaubens“. Dabei versucht er, einen Bogen von den „uralten Frühlingsbräuchen“, den Göttersagen um
Thor, den verschiedenen tief im Volk verwurzelten heidnischen Vorstellungen und Bräuchen bis
hin zum Ei als Sinnbild für die Christen zu schlagen. Der dritte Teil, „Eier vor dem Osterei“, bietet „Ein(en) Streifzug durch die Antike“. Dieses bis dato viel zu wenig beachtete und behandelte
Thema stellt eine neue und beachtliche Bereicherung bei den bisherigen zusammenfassenden Publikationen über Forschungsergebnisse zum Thema Ei sowie bei den bisher erschienenen Ausstellungskatalogen generell dar.
Nach der Einführung schließt sich der umfassende Katalogteil an. Er folgt einer logischen, sich
schnell erschließenden Gliederung. In Großregionen13 aufgeteilt, werden die einzelnen Länder und
Völkerschaften, die in enger kultureller Verbindung miteinander stehen, nacheinander sys­tematisch
abgehandelt. Ausgehend von religiösen, meist christlichen Ansätzen, werden entsprechend der jeweiligen Quellenlage die einzelnen Themen zu Ostern und dem Osterbrauchtum ausgewogen auf zwei
bis sieben Seiten Text dargelegt. Eine thematische Untergliederung erleichtert den schnellen übersichtlichen Zugang zu den diversen Informationen. Dabei wird der Bogen z.B. von den kirchlichen
Bräuchen in der Osterliturgie, Osterkerze, Speisenweihe bis hin zum allgemeinen Brauchtum rund
ums Ei gespannt. Mit viel Sorgfalt wird darauf geachtet, dass einerseits die Bräuche der einzelnen
Länder untereinander vergleichbar bleiben14 und somit die Unterschiede sichtbar werden und andererseits auch stetig neue Informationen übermittelt werden. Dieses trifft besonders auf die Osterliturgie, Ostereier und Spiele als immer wiederkehrende Elemente zu. Abgeschlossen wird jeder Abschnitt mit einem Literaturverzeichnis, das dem interessierten Leser jederzeit ermöglicht, weiterführende Studien zu dem betreffenden Land und der jeweiligen Thematik zu betreiben.
Nach dem Ländertext folgt der Katalog für das jeweilige Land mit den dazu ausgestellten Exponaten. Von den für die Sonderausstellung ausgewählten 23615 Eiern werden in dem Katalog 227 mit
Bild, Inventarnummer, Katalogangaben und weiterführenden Informationen zum konkreten Ei16
sowie regional spezifische Besonderheiten, die im Text nicht erwähnt wurden, vorgestellt. Auch
hier befinden sich oft zusätzliche Literaturhinweise. Beim Text über die Sorben, der mehr erzähle-
Blickpunkt Museum 2013–2014
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risch verfasst wurde, fehlen Literaturhinweise
jedoch gänzlich. Verweise auf andere Beiträge
finden sich lediglich bei „Eierspiele“. Der vereinzelt unklare Ausdruck erschwert dem Laien
das Verstehen.17
Eine Besonderheit in Ungarn und im serbokroatischen Raum sind die „beschlagenen“
Eier. Hier wird die einfachere Technik des „Benagelns“18 von dem wesentlich aufwändigeren
„Beschlagen“19 unterschieden.
Bei dem Themenkomplex zu Russland bilden die „Ostergeschenke am Zarenhof“ den
Schwerpunkt in den Ausführungen. Obwohl
Russland zahlreiche kulturelle Zentren und
ethnische Volksgruppen besitzt, was aus der
russischen Volkskunst problemlos ersichtlich
ist, werden „nur“ die religiösen roten Ostereier im Text erwähnt. In der Goop-Sammlung
scheinen die traditionellen Eier mit den regionalen Ornamenten der Volkskunst gänzlich zu
fehlen, was sich dementsprechend im Katalog
Mit Hufeisen verziertes Ei aus Ungarn, 1988
widerspiegelt. Ähnlich verhält es sich bei der
Ukraine. Die vorgestellten Ostereier entsprechen in keiner Weise der regionalen Vielfalt der ukrainischen Pysanky.
Das Osterfest mit seinen Traditionen gehört in Griechenland zu den wichtigsten Feiertagen. „Je
nach Region sind diese mit zahlreichen unterschiedlichen Sitten und Gebräuche(n) verbunden.“20
Leider wird auf diese Unterschiede nicht weiter eingegangen.
Wesentlich schwieriger ist die Quellen- und Objektlage in den außereuropäischen Gebieten. So
werden heute z.B. auf Bali Eier, vorrangig für Touristen, in zwei verschiedenen Malstilen21 verziert. Auf dem nordamerikanischen Kontinent sind ein traditioneller Eierkult und Verzieren nicht
nachweisbar. Erst mit den europäischen Einwanderungen wurden die jeweiligen religiösen Vorstellungen und Volksbräuche mit in die „Neue Welt“ genommen und bis heute in Traditionsvereinen gepflegt.22
Der Katalog reflektiert die Osterliturgie und das Brauchtum um Ostern sowie das Osterei in seiner Komplexität. Die Texte der einzelnen Beiträge enthalten eine Fülle von Informationen, die nicht
nur dem Laien verständlich sind, sondern auch Fachleuten die verschiedenen Aspekte näher bringen. Wünschenswert wäre eine Bezugnahme zum Objektkatalogteil gewesen. So hätten die traditionellen Merkmale der Eiergestaltung besser bzw. konkreter herausgestellt werden können. Der Objektkatalogteil spiegelt die Goopsche Ausrichtung der Sammlung unter dem Aspekt der Kunst und
des Kunsthandwerks wider. Die regionalen Besonderheiten und die darauf fußenden typischen traditionellen Ornamente finden wenig Berücksichtigung. Ähnlich verhält es sich mit der Symbolik der
Farben, Motive und Muster. Trotz der eben erwähnten Lücken ist der Katalog in seiner Gesamtheit
ein umfassendes Werk. Die klare Gliederung nach Großregionen, der Vergleich verschiedener Länder und Bräuche sowie die zahlreichen Literaturhinweise machen den Katalog „Ostereier zwischen
Kult und Kunst“ zu einer gelungenen Publikation, die bei keinem Sammler und Interessierten, der
sich mit dem Osterbrauchtum und dem Osterei beschäftigt, fehlen sollte.
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Blickpunkt Museum 2013–2014
1 Kostbare Ostereier aus dem Zarenreich: Aus der Sammlung Adulf Peter Goop, Vaduz / […] – München 1998 S. 14.
2 Ebenda S. 14.
3 Das Ei, welch ein wunderbares Ding: Ostereier, Schmuckeier – Ein Schau- und Lesebuch, hrsg. von Adulf P. Goop, Bern,
Stuttgart 1989 S. 15.
4 Kostbare Ostereier (wie Anm. 1) S. 316.
5 Ebenda S. 16.
6 Das Ei, welch ein wunderbares Ding (wie Anm. 3) S. 5.
7 Ebenda S. 21.
8 Kostbare Ostereier (wie Anm. 1) S. 322.
9 Norbert W. Hasler, Nicole Ohneberg, Das Osterei – Liebespfand und Kunstobjekt, Österliche Kostbarkeiten aus Liechtenstein und dem Zarenreich – Aus der Sammlung Adulf Peter Goop, Liechtensteinisches Landesmuseum, Vaduz 2011 S. 5.
10 Ebenda S. 17.
11 Ostereier zwischen Kult und Kunst – Aus der Sammlung Adulf Peter Goop, hrsg. von Rainer Vollkommer, Max Kunze,
Ruhpolding und Mainz 2014 S. 7.
12 Ebenda S. 11–12.
13 Die Großregionen sind: Mitteleuropa, Osteuropa, Nordeuropa, Westeuropa, Südeuropa, Asien und Afrika sowie Amerika. In
der Sonderausstellung wurden diese farblich voneinander abgehoben dargestellt.
14 Zahlreiche Verweise wie z.B „s. o. S. 76“ oder „vgl. S. 45, 51, 61“ erleichtern die Erschließung und den Vergleich.
15 Ostereier zwischen Kult und Kunst, rückwärtiger Klappentext.
16 Zum Teil mit umfangreichen Zusatzinformationen zu analogen Stücken, Künstlern, Material, Manufakturen usw.
17 Ostereier zwischen Kult und Kunst S. 72: 1. Zu der Wachsreservetechnik „sagt man auch ‚Eier schreiben‘“, und das heiße
Wachs wird „mit dem Federkiel, der Schreibfeder oder der Stecknadel“ aufgetragen. Das „Eier schreiben“ ist keine typisch
sorbische Bezeichnung, sondern wird nur gelegentlich verwendet. Auch findet die „Schreibfeder“ bei der Wachsbatik nur bei
einigen wenigen „Eiermalern“ gelegentlich Anwendung und ist daher nicht als typisch sorbisch einzustufen. Anders ist es bei
den Hessen. Hier spricht man traditionell von „Eier schreiben“ oder „beschriebenen“ Eiern, da das heiße flüssige Wachs mit der
Schreibfeder aufgetragen wird. Ähnlich verhält es sich in den slawischen Gebieten, wo mit einem Wachsschreibgerät, Malhorn
oder Maltrichter (stužka, chisita, kistka u.a.) gearbeitet wird. – 2. Als die bekanntesten sorbischen Motive werden die „Wolfzähne und das Sonnenrad“ genannt. Im nächsten Satz wird von „Dreiecke(n)“ gesprochen, die für „Gottvater, Sohn und Heiliger
Geist oder für Feuer, Wasser und Luft, aber auch für die Familie (Vater, Mutter und Kind) oder Himmel, Erde und Hölle“ stehen. Es wird nicht erwähnt, dass die Dreiecke als „Wolfzähne“ bezeichnet werden und diese für die „Dreifaltigkeit“ Gottvater,
Sohn und Heiliger Geist oder für Feuer, Wasser und Luft usw. stehen können. – 3. Die als „Ätzbatik“ bezeichnete Vorgehensweise ist eine neuere Arbeitsmethode und wird nur gelegentlich von einigen wenigen sorbischen Eierkünstlern angewandt. – 4.
Bei der Bossiertechnik auf S. 73 heißt es „Dieses schwarze Wachs sieht besonders schön auf einem roten Ei aus (Abb. 73).“
Das Bild zeigt 5 Eier, und in der Bildunterschrift steht „Ostereier, verziert in Bossiertechnik“. Keines der Eier ist rot und mit
schwarzem Wachs verziert. Der Bildverweis wäre an einer anderen Stelle im Text durchaus passender.
18 Ebenda S. 92–94 Abb. 100 und 101 (Kat.-Nr. 7.4 und 7.5).
19 Ebenda S. 106–107 Abb. 115 bis 118 (Kat.-Nr. 10.1, 10.2, 10.3 und 10.4).
20 Ebenda S. 162.
21 Klungkung, als Hauptstadt eines früheren Kleinfürstentumes, war politisch, kulturell und künstlerisch ein Zentrum. Nach
ihr wurde der traditionelle Malstil benannt. Die traditionell festgelegten Motive folgen einer festen Ikonographie; siehe a. a. O.
S. 185, Abb. 211 und 213 (Kat.-Nr. 26.2 und 26.4). In Ubud entwickelte sich nach 1930 eine neue Malergeneration. Ihre neue
naturalistische Malweise mit Szenen aus dem täglichen Leben stellt eine Mischung von Realismus und Formalismus dar; siehe a.
a. O. S. 185, Abb. 210, 212 und 214 (Kat.-Nr. 26.1, 26.3 und 26.5).
22 Zahlreiche von den entsprechenden Volksgruppen in den USA herausgegebenen Publikationen beschäftigen sich mit deren
jeweiligen regionalen Bräuchen, so z.B. auch mit dem Osterbrauchtum der Ukrainer, bei den Rumänen und den Sorben.
Falko Leonhardt: Kinderprogamm in der Ausstellung Ostereier zwischen Kult und Kunst
Ein besonderes Highlight auch für das Kinder- und Erlebnismuseum war in diesem Jahr die OstereierAusstellung. Familien und Einzelbesucher nicht mitgezählt, konnte die Museumspädagogik in nicht
einmal einem Monat mit Führungen, Workshops und Veranstaltungen in der Ausstellung fast 500 Besucher zählen! Kindergartengruppen und Schulklassen wurden in den Galerieräumen des Museums
empfangen und erhielten zunächst eine kleine Einführung in das Thema. Erstaunen und Belustigung
riefen dabei insbesondere die für uns oftmals seltsamen Osterbräuche in anderen Ländern hervor.
Gemeinsam gingen die Gruppen dann in die Ausstellung, um sich die Ostereier aus aller Welt anzuschauen. Passend zum Thema wurde diese Führung durch eine Ostereier-Suche aufgelockert.
Blickpunkt Museum 2013–2014
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Aus einer großen Amphore konnte sich jedes Kind mit
einer Angel ein Plastik-Ei angeln, auf dem wiederum ein
kleines Bild von einem Osterei aus der Ausstellung abgebildet war. Aufgabe der Kinder war es dann, dieses Osterei in der Ausstellung zu
suchen und auf einer großen Weltkarte zu markieren,
aus welchem Land es kam. So
entstand für die Kinder auf
spielerische Art und Weise ein
anschauliches Bild davon, wo
überall es diesen Brauch gibt.
Mit Spiel und Spaß ging es im Anschluss weiter. An mehreren Tischen konnte in den Galerieräumen nach Herzenslust gepuzzelt oder Memory gespielt werden. Ein Hingucker war dabei ein Riesenpuzzle eines ausgeblasenen Schwaneneis mit der farbenfrohen Darstellung von Schloss Vaduz.
Große Anziehung übte auch das ‚Sabrodter Wackelei‘ aus, ein Spiel, bei dem von zwei Kindern
gemeinsam ein Ei durch ein Labyrinth geführt werden muss. Wer wollte, konnte zu guter Letzt
selbst ein Osterei gestalten und nach Lust und Laune bemalen.
Einen wahren Besucheransturm erlebte
schließlich die große Ostereier-Suche am
19. April. Bei strahlend schönem Wetter fanden fast 70 Kinder, Eltern und
Großeltern den Weg ins Museum. Erstere waren kaum zu halten und schafften
es in nicht einmal 10 Minuten, alle Ostereier zu finden, die der Osterhase bzw.
fleißige Museumsmitarbeiter auf dem
Gelände versteckt hatten. Das war jedoch noch nicht alles. Auch eine buntdekorierte und mit Schlössern gesicherte
Transportkiste galt es zu öffnen bzw. zu
knacken. Doch dazu mussten die Kinder
erst einmal die Schlüssel finden und verschiedene Aufgaben lösen: Gemeinsam
musste ein großes Bild ausgemalt werden, Luftballons zum Platzen gebracht
und Bilder im Labyrinth gesucht werden. Doch auch diese Aufgaben lösten
die Kinder in Rekordzeit und gemeinsam
öffneten sie die Kiste, in der in Form von
Schokoosterhasen eine weitere Überraschung auf sie wartete.
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Blickpunkt Museum 2013–2014
Manfred Urban: Bericht des Museumsvorstandes des Winckelmann-Museums für das Jahr
2014
Wie immer möchte ich an dieser Stelle über die Arbeit des Museumsvorstandes und wichtige Ereignisse in der Museumsarbeit berichten, obgleich diese nicht der Entlastung durch die Mitgliederversammlung bedarf. 2014 hat sich der Museumsvorstand wieder regelmäßig zu seinen Sitzungen getroffen und begleitete mit Rat und Tat die Arbeit des Museums. Die Anträge auf Förderung der Vorbereitung der zentralen Winckelmann-Ausstellung des Landes Sachsen-Anhalt und
der vorbereitenden Baumaßnahmen wurden fristgemäß gestellt. Ein Problem stellen jedoch der
dafür zu erbringende Eigenanteil bzw. die einzuwerbenden Mittel dar. Wir hoffen hier sehr auf
die ökonomische Kompetenz einiger Mitglieder, die wichtige Ratschläge geben können.
Rückblickend auf 2014 sei hier zunächst an die großen Ausstellungen des Winckelmann-Museums 2014 erinnert. Nach einer kurzen, aus ökonomischen Gründen bedingten Winterpause, zeigten wir im Anschluss an die Ausstellung „Vorsicht Lebensgefahr! – Sirenen in der Kunst
seit der Antike“, die noch bis zum 19. Januar zu sehen war, vom 22. März bis 9. Juni die Ausstellung „Ostereier zwischen Kult und Kunst. Aus der Sammlung Adulf Peter Goop“ in Kooperation mit dem Liechtensteinischen Landesmuseum. Dank gilt hier Herrn Prof. Vollkommer, der die
Idee zu dieser Ausstellung hatte und nicht nur die Leihgaben stellte, sondern auch die Ausstattung
der Ausstellung finanzierte, die nun als Wanderausstellung zur Verfügung steht. Sie wurde in Anwesenheit des Liechtensteinischen Botschafters eröffnet. Auf diese Ausstellung folgte am 14. Juni
die Exposition „Mein ganzes Leben war ein Fehler, da wurd ich Maler und Erzähler. John Elsas
(1851–1935), seine Collagen, Aquarelle und Knittelverse“. Die Graphiken des jüdischen Künstlers John Elsas, der sich erst im Alter von 74 Jahren der Kunst widmete, stammen aus der Sammlung unseres Mitgliedes Dr. Stephan Gottet, Bremgarten/Schweiz. Die Ausstellung, die bis zum 7.
September im Winckelmann-Museum zu sehen war, konzipierten Jutta und Prof. Dr. Max Kunze.
Am 22. September eröffneten wir die Ausstellung „Vision einer Akademie – Winckelmann und
die Aktzeichnungen aus den Salzburger Klebebänden des Hieronymus Colloredo“ in Kooperation mit der Universität Salzburg. Die Ausstellung wurde initiiert von Frau Dr. Juffinger, die 2012
den Festvortrag zur Jahreshauptversammlung über die „Antiken-Faszination – Salzburgs Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo und seine „Malerakademie – Klebebände von 1772“ hielt. In den
Galerie-Räumen ist eine Präsentation von Fotografien des israelischen Künstlers Ariel Bar Lev zu
sehen. Am 1. Advent öffnete die Weihnachtsausstellung des Kinder- und Erlebnismuseums im
Dachgeschoss, die von einem Veranstaltungsprogramm in der Adventszeit begleitet wird.
In unserem Ausstellungs- und Begegnungszentrum wurden in diesem Jahr folgende Ausstellungen
gezeigt: „Die Altmark im 19. Jahrhundert – Stadtansichten und Herrenhäuser in Lithographien
von Friedrich E. Meyerheim und Alexander F. Duncker“ vom 2.3.–31.8. und ab 7.9. „Walter
Wilhelm (1898–1970). Zwischen Figürlichkeit und Abstraktion. Aquarelle – Zeichnungen – Gemälde“. Diese Ausstellung ist noch bis zum 8. März 2015 zu besuchen. Begleitet wurden die Ausstellungen von einem interessanten und vielseitigen Veranstaltungsprogramm, das sich von Vorträgen über Lesungen, Filme, Erlebnisberichte, Diskussionen bis zum Autogenen Training erstreckte. Zweimal war in diesem Jahr auch der offene Lesekreis zu Gast. Viel Zuspruch fand erneut die Folge „Vor dem Vergessen bewahren ...“. Hier ist Herrn Klaus Hornickel und Frau Renate Watty-Heider sehr herzlich zu danken, die jeweils eine Veranstaltung übernahmen und über
persönliche Erlebnisse berichteten. Großes Interesse finden wie bereits in den letzten Jahren die
Künstlergespräche mit Christa Sammler, die in ihrem Atelier über interessante Aspekte ihrer Arbeit sprach. An dem reichen Programm zu den Sonderausstellungen beteiligten sich die Mitarbei-
Blickpunkt Museum 2013–2014
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ter des Museums und unsere Mitglieder Jutta Kunze, Gudrun Walinda, Dr. Hofstetter, Dr. Wolfgang von Wangenheim sowie Herr Dr. Peter Labuhn, der zwei mythologische Themenbereiche seiner Exlibrissammlung vorstellte. Wir werden im nächsten Jahr die umfangreiche
Sammlung Dr. Peter Labuhn durch die Ausstellung zum
Paris-Urteil weiter kennenlernen.
Wie in jedem Jahr beteiligte sich auch das Museum wieder an der Stendaler Kulturnacht, diesmal mit einem Troja-Abend. Unsere Nikolaus-Ausstellung, die wir Ihnen
im Dezember 2012 in unserem Ausstellungs- und Begegnungszentrum präsentierten, ging in diesem Jahr an das
Liechtensteinische Landesmuseum. Sie wurde dort im
Oktober eröffnet. Neben dem Ausstellungskatalog wurde
dazu auch ein Kinderbuch herausgegeben, das Jutta Kunze geschrieben hat.
Auf Wanderung ist auch die von uns betreute Fischteller-Ausstellung, die wir in Stendal unter dem Titel „Die
Griechen und das Meer – Fischteller aus der Sammlung
Florence Gottet“ zeigten. Sie wurde Anfang September in
Aktzeichnung aus der Salzburger Sammlung
Graz eröffnet und ist dort noch bis Februar zu sehen.
Über die vielfältigen Aktivitäten des Kinder- und Erlebnismuseums, die ich hier noch nicht erwähnt habe, wird Herr Leonhardt im Anschluss an meinen Vortrag kurz berichten. Ihm sei für
seine Arbeit im Kindermuseum und für die Organisation der Kinderuni herzlich gedankt. Zu
danken ist auch Frau Walinda, die mehrfach im Rahmen ihrer freiwilligen Tätigkeit Führungen
und Veranstaltungen im Kindermuseum und im Mobilen Museum übernahm.
Das Museum kann auch in diesem Jahr wieder eine positive Bilanz ziehen: Die Besucherzahlen
sind nach dem leichten Rückgang im letzten Jahr wieder auf 12.779 gestiegen. Insgesamt fanden im Museum im zurückliegenden Geschäftsjahr 400 Veranstaltungen, Vorträge und Sonderführungen statt. Enthalten sind in dieser Zahl 32 Veranstaltungen des Ausstellungs- und Begegnungszentrums für Senioren, 11 Senior-Campus-Vorlesungen und 316 Veranstaltungen im Kinder- und Erlebnismuseum.
Unser Dank gilt an dieser Stelle unseren freiwilligen Helfern im Aufsichtsdienst vor allem in unserem
Senior-Campus, den Frau Agnes Kunze organisiert, die auch die zahlreichen Veranstaltungen im Senior-Campus koordiniert. Für ihren Einsatz im Aufsichtsdienst seien hier stellvertretend genannt unsere Mitglieder Frau Hennig, Frau Henning, Frau Klawitter, Frau Rautenberg, Frau Schmelzer und
Frau Tieftrunk sowie Frau Glod. Gern werden wir auch künftig auf ihre Unterstützung zählen. Last
but not least möchte ich dem Team des Winckelmann-Museums um Frau Dr. Bruer für die engagierte Arbeit und die gute Zusammenarbeit sehr herzlich danken und natürlich auch meinen Kollegen im
Museumsvorstand für ihre ehrenamtliche Arbeit und die vielen Anregungen.
Falko Leonhardt: Bericht Kinder- und Erlebnismuseum Stendal, Jahresbericht 2014
Mit der Einrichtung des Kinder- und Erlebnismuseums und der Idee, Kinder mit auf eine Zeitreise zu den Ägyptern, Griechen und Römern zu nehmen, ist es uns auch im achten Jahr seines Be-
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Blickpunkt Museum 2013–2014
stehens gelungen, Kinder und Jugendliche für die Antike und das Winckelmann-Museum zu interessieren und zu begeistern. Im gesamten Bereich Kindermuseum, Pädagogik und Mobiles Museum konnten 2014 316 Führungen und Veranstaltungen, mit insgesamt 7218 Teilnehmern abgerechnet werden. Damit konnten wir die Zahlen zum Vorjahr um gut 700 Besucher steigern!
Ausschlaggebend dafür war u. a. der Erfolg der Ostereierausstellung: Führungen, Workshops und
Familiennachmittage, die wir für diese Ausstellung anboten, wurden von insgesamt 480 Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen besucht. Beachtenswert ist dabei, dass dies – bedingt durch das
Thema der Ausstellung – in einem Zeitraum von lediglich vier Wochen geschah.
Besonders beliebt waren und sind schließlich unsere sogenannten ‚Großereignisse‘, die im Rahmen der Familiennachmittage stattfinden. Zur Ostereiersuche im April stürmten knapp 70 kleine
und große Besucher das Museum, um sich auf die Suche nach dem Goldenen Ei zu machen. An
der Museumsnacht im Sommer, bei der die Kinder auch bei uns übernachten dürfen, nahmen 28
Kinder teil. Und für unsere traditionelle Halloween-Veranstaltung reichte ein Artikel im StendalMagazin, dass diese mit fast 50 Besuchern schon zwei Wochen vor dem Termin ausgebucht war.
Mit fast 150 Besuchern war zudem auch unser Sommerferienprogramm, in dessen Rahmen wöchentlich ein Familiennachmittag stattfindet, ein voller Erfolg.
Wichtige Standbeine des Museums waren und sind weiterhin auch das Mobile Museum und die
Kinder-Uni Stendal. Das Mobile Museum hat sich, wie auch in den vorangegangenen Jahren, als
Angebot für Kinder- und Jugendfreizeit- und Bildungseinrichtungen bewährt. Es ist speziell auf
strukturschwache Regionen wie die Altmark ausgerichtet und erfreut sich weiterhin großer Nachfrage – in der Altmark und darüber hinaus. 2014 fanden 43 Veranstaltungen mit 1211 Teilnehmern statt. Auch hier konnten wir uns zum Vorjahr um gut 400 Besucher steigern!
Großer Beliebtheit erfreut sich auch weiterhin die gemeinsam mit der Hochschule Magdeburg/
Stendal veranstaltete Kinder-Uni. Insgesamt fanden 2014 12 Veranstaltungen der Kinder-Uni
statt, sieben Vorlesungen mit archäologischen und kunsthistorischen Themen wurden dabei von
Mitgliedern der Winckelmann-Gesellschaft bestritten. Dies waren Frau Agnes Kunze M. A., Prof.
Kunze, Frau Dr. des. Mählitz-Galler, Frau Dr. Bruer (2x), Frau Dr. Schade und der Verf., der zudem die Unternehmung organisatorisch in den Händen hat. Insgesamt besuchten 865 Kinder
und 156 Erwachsene im Jahre 2014 die Kinder-Uni. Zu diesen Zahlen kommen schließlich noch
die Besucher, die ohne Betreuung oder Führung das Museum besuchten. Im Laufe des Jahres
wurden 382 Einzelbesucher und 883 Besucher mit einer Familienkarte gezählt. Insgesamt haben
also knapp 8500 Kinder, Jugendliche und Erwachsene das Kinder- und Erlebnismuseum in Jahre
2014 erlebt. Abschließend zu den Zahlen sei gesagt, dass allein die Veranstaltung „Unter dem Vulkan“ von Schulklassen, Kindergärten und anderen Gruppen in diesem Jahr fast 70 mal gebucht
wurde. Dies zeigt, dass das Kinder- und Erlebnismuseum in all den Jahren seines Bestehens nichts
von seiner Faszination und Anziehungskraft verloren hat.
All dies, die hohe Anzahl an Veranstaltungen und Führungen, die hervorragende pädagogische
Betreuung und eine vielseitige und große Angebotspalette, war und ist uns schließlich u. a. durch
die finanzielle Unterstützung von Mitgliedern der Winckelmann-Gesellschaft möglich! All denjenigen, die uns auch in diesem Jahr mit einer finanziellen Spende unterstützt haben, möchte ich
deshalb herzlich danken. Stellvertretend seien Herr Hornickel und seine Stiftung mit 300 €, Frau
Stenger mit 500 €, Prof. Hoffmann mit 300 €, die Familie Herzog mit 275 €, Herr Ulrich von
Heinz mit 500 €, Herr Siebert mit 200 € und Frau Walinda mit 1000 € genannt.
Mit ihrer Hilfe war und ist es uns u. a. möglich, seit 2012 im Museum ein Freiwilliges Soziales
Jahr Kultur (FSJ Kultur) anzubieten. Die FSJ-lerInnen werden dabei wesentlich in der alltäglichen Arbeit des Museums eingesetzt und helfen z. B. bei der Erarbeitung von neuen Themen
Blickpunkt Museum 2013–2014
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und Angeboten oder führen eigenständig verschiedenste Veranstaltungen und Programme aus unserem Angebot durch. Unsere aktuelle FSJ-lerin Luisa Wels kam zu unserer großen Bestürzung bei
einem Autounfall ums Leben, auch ein großer Verlust für das Kindermuseum! Wir sind in diesem
und im nächsten Jahr deshalb bezwungen, verstärkt auf Honorarkräfte zurückzugreifen. Hier sei
stellvertretend Frau Bärbel Müller genannt, die seit dem Ende ihrer regulären Arbeit für das Museum 2012 mit Hilfe der Spenden weiterhin regelmäßig Kindergeburtstage oder Führungen übernehmen kann und so dem Museum als beliebte und engagierte Mitarbeiterin erhalten bleibt.
Damit wir diese hervorragenden Ergebnisse halten oder sogar steigern können, würden wir uns
freuen, wenn Sie uns weiterhin mit einer Spende unterstützen könnten! Dies ist umso dringlicher,
als auch das Kindermuseum in Vorbereitung auf die Winckelmann-Jubiläen 2017/2018 vor großen Veränderungen steht und neben der alltäglichen Arbeit neue Aufgaben auf uns warten. Diesbezüglich möchte ich noch einmal Frau Walinda danken, die uns mit ihrem großen Erfahrungsschatz bei den anstehenden Aufgaben mit Rat und Tat zur Seite steht.
Berichtigung: In Heft 75/2013 fielen versehentlich die Anmerkungen weg, die Herausgeber bitten um Entschuldigung!
In ihrem Beitrag über „Die Artemis von Pompeji und die Entdeckung der Farbigkeit griechischer
Plastik“. Katalog einer Ausstellung im Winckelmann-Museum vom 2. Dezember 2011 bis 18.
März 2012, hrsg. von Max Kunze, Ruhpolding, Mainz 2011 96 S. mit 80 Farb- und Schwarzweißabb. (S. 23–29) wollte Lilian Balensiefen in Fußnoten auf folgende Publikationen verweisen:
In der Besprechung des Katalogbeitrags von Oliver Primavesi zu „Das Lächeln der Artemis. Winckelmanns Entdeckung der Farbigkeit griechischer Skulptur“, zitierte sie Ursula Mandel, On the
Qualities of the „Colour“ White in Antiquity, in: Vinzenz Brinkmann (Hrsg.), Circumlitio. The
Polychromy of Antique and Mediaeval Sculpture. Johann-David-Passavant-Colloquium, Frankfurt am Main 2008 (2010) S. 306 mit Anm. 21, um darauf hinzuweisen, dass gegen die alte Auffassung vom sog. „Winckelmannschen Weiß“ in der griechischen Skulptur bereits von U. Mandel
gut begründete, mit Aussagen Winckelmanns argumentierende Kritik vorgebracht worden ist.
Da die 2. Auflage der „Geschichte der Kunst des Altertums“ Winckelmanns für Primavesis These
wichtig ist, hat sie verwiesen auf den inzwischen erschienenen grundlegenden Beitrag: Axel Rügler, Friedrich Justus Riedels 2. Auflage und die Übersetzung durch François-Vincent Toussaint, in:
Johann Joachim Winckelmann, Statuenbeschreibungen, Materialien zur „Geschichte der Kunst
des Alterthums, Rezensionen“, hrsg. von Adolf H. Borbein und Max Kunze (Johann Joachim
Winckelmann, Schriften und Nachlass Band 4,5) Mainz 2012 S. 204–218.
In der Besprechung des Katalogbeitrags „Alte Gewänder in neuem Look. Beobachtungen zur den
Farben der pompejanischen Artemis“ von Vinzenz Brinkmann, Ulrike Koch-Brinkmann und
Heinrich Piening hat die Rezensentin Vorbehalte gegenüber der vorgeschlagenen kunstgeschichtlichen Einordnung der pompejanischen Statue vorgebracht unter Berufung auf: Wolfgang Wohlmayr, Studien zur Idealplastik der Vesuvstädte, Buchloe 1989 S. 71 mit weiterer Lit.
In ihrer Auseinandersetzung mit der These vom „neuen Look“ erwähnte sie ernstzunehmende Argumente, die gegen diese These bereits vorgebracht worden sind, und verwies dabei auf: Bernhard Schmaltz, Peplos und Chiton. Frühe griechische Tracht und ihre Darstellungskonventionen,
JdI 113, 1998 S. 1–30 sowie auf: Ursula Mandel, Bildordnung versus Gewandlogik in der archaischen Vasenmalerei und Skulptur (im Druck für den Kolloquiumsband zu Ehren von Hanna Philipp). Dafür, dass sie das Druckmanuskript lesen durfte, dankt sie Ursula Mandel.
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Blickpunkt Museum 2013–2014
Literaturberichte
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der beiden Jahrhundertwenden, in: B., B., Die Sprengkraft der Miniatur. Zur Kurzprosa Robert
Wal­sers, Kafkas, Musils, mit einer antithetischen Eröffnung zu Thomas Mann, Hildesheim [u. a.]
2013 S. 38–60.
Brudzyńska-Němec, Gabriela, Die Schönheit reden. Überlegungen nach Anton Raphael Mengs
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Gotthold Ephraim Lessings „Laokoon“ zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und ästhetischer
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Literaturberichte 2013–2014
61
... modifizierte Präsentation der Ausstellung „Pompeji – Nola – Herculaneum. Katastrophen am
Vesuv“ (9. 12. 2011 bis zum 26. 8. 2012 in Halle) im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle],
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Roettgen, Steffi, Vom „Aggregat der Zufälligkeiten“ zum „organischen Ganzen“. Kunstgeschichtliche Entwürfe zwischen Winckelmann und Rumohr, in: Johann Heinrich Meyer – Kunst und Wissen im klassischen Weimar, hrsg. von Alexander Rosenbaum [u. a.], Göttingen 2013 S. 119–139.
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der Antike, Bd. 4 / Antiquaria Hispanica, Bd. 26, Real Academia de la Historia Madrid):
Bernauer, Markus, „Aber es fehlt ihnen das Natürliche und die Nachahmung der Alten …“ Deutsche Frühklassizisten über Literatur und Kunst in Spanien / „Pero les falta lo natural y la imitación de los mayores ...“ Los primeros clasicistas alemanes y la literatura y el arte en Espana, S.
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Borbein, Adolf H., Die historisch-kritische Ausgabe Winckelmanns. Stand und Perspektive /
La Edición histórico-critica de Winckelmann, su estado y perspectiva, S. 295–300/300–304.
Ciardiello, Rosaria, Winckelmann und die Rezeption der herkulanischen und pompejanischen
Entdeckungen in der europäischen Kunst / Winckelmann y la recepción de los descubrimientos de Pompeya y Herculano en el arte europeo, S. 71–85/85–88.
Elvira Barba, Miguel Ángel, Winckelmann, Mengs y las Colecciones Escultóricas de Azara /
Winckelmann, Mengs und die Skulpturensammlung von Azara, S. 121–136/137–148.
Fancelli, Maria, Wozu eigentlich eine neue (italienische) Ausgabe der Briefe Winckelmanns? / Es
necesaria una nueva edición (en italiano) de las cartas de Winckelmann?, S. 289–292/292–294.
Hofstetter, Eva, Die beiden „Raphaele“ – Raphael Mengs und andere Künstler für Kinder in
der deutschen Jugendliteratur vom 19. bis ins 21. Jh. / Los dos „Rafaeles“ – Rafael Mengs y
otros artistas para niños en la literatura juvenil alemana de los siglos XIX al XXI (en consideración a los artistas españoles), S. 273–283/284–287.
Kunze, Max, Forschungen zu Winckelmann – Projekte der Winckelmann-Gesellschaft / Investigaciónes sobre Winckelmann: nuevos proyectos de la Winckelmann-Gesellschaft, S. 305–
310/310–314.
Maier Allende, Jorge, La huella de Winckelmann en España / Die Winckelmann-Rezeption
im Spanien des 18. Jahrhunderts, S. 21–36/37–46.
Martinez, Alejandro, Fortuna de las obras de Winckelmann en España: La traducción de la
Historia del Arte de la Antigüedad de Diego Antonio Rejón de Silva / Das Schicksal der Werke
Winckelmanns in Spanien: Die Übersetzung der Geschichte der Kunst des Alterthums durch Diego Antonio Rejón de Silva, S. 47–55/55–60.
Mas, Salvador, Winckelmann y la Recepción del legado clásico en la España de los siglos XVI–
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des klassischen Vermächtnisses im Spanien des 16.–18. Jahrhunderts. Mit einem Anhang über
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Moormann, Eric M., Zur Aufnahme von Funden aus den Bourbonengrabungen in Herkulaneum und Pompeji in Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums / Sobre los hallazgos
de las excavaciones de los Borbones en Herculano y Pompeya en la Historia del Arte Antiguo
de Winckelmann, S. 61–66/67–70.
64
Literaturberichte 2013–2014
Negrete Plano, Almudena, Die Apostel des Guten Geschmacks in Madrid: Mengs’ Gipsabgusssammlung in der Real Academia de Bellas Artes de San Fernanodo / „Los apóstoles del
buen gusto“ de Mengs en Madrid: la colección de vaciados de escultura del pintor en la Real
Academia de Bellas Artes de San Fernando, S. 149–160/161–165.
Neumeister, Sebastian, Mit den Augen Winckelmanns im Königlichen Schloss zu Madrid. Ein
Brief von Anton Raphael Mengs / Con los ojos de Winckelmann en el Palacio Real de Madrid. Una carta de Anton Rafael Mengs, S. 167–174/175–179.
Riedel, Volker, Huarte – Montiano – Coello. Spanische Einflüsse auf das Werk Gotthold
Ephraim Lessings / Huarte – Montiano – Coello: Influencias españolas en la obra de Gotthold
Ephraim Lessing, S. 253–260/261–264.
Rügler, Axel, Die Ildefonso-Gruppe in Winckelmanns Monumenti antichiti inedititi / El grupo
de San Ildefonso según Winckelmann, S. 193–202/202–206.
Sanchez, Jorge Garcia, Los Españoles y la Antigüedad en la Roma de Winckelmann / Die Spanier und die Antike im Rom Winckelmanns, S. 89–107/108–120.
Schmitz, Brigitte, Abbild /Leitbild – Die Ildefonso-Gruppe in der deutschen Kunst / Reproducción / Modelo del Grupo de San Ildefonso en el arte alemán, S. 207–215/216–221.
Speler, Ralf-Torsten, Die Künstlerischen Beziehungen zwischen dem Bourbonischen Königreich Neapel und dem Aufgeklärten Fürstentum Anhalt-Dessau im 18. Jahrhundert / Las relaciones artisticas entre el Reino de los Borbones de Nápoles y el „Principado Ilustrado“ de Anhalt-Dessau en el siglo XVIII, S. 181–186/187–192.
Charlotte Kurbjuhn über Johann Joachim Winckelmann, Statuenbeschreibungen, Materialien
zu „Geschichte der Kunst des Alterthums“, Rezensionen, hrsg. von Adolf H. Borbein, Max
Kunze, bearbeitet von Lilian Balensiefen, Eva Hofstetter, Max Kunze, Manfred Wenzel. Mit
Beiträgen von Balbina Bäbler, Adolf H. Borbein, Klaus-Peter Goethert and Axel Rügler (Johann Joachim Winckelmann. Schriften und Nachlaß, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, dem Deutschen Archäologischen Institut und der WinckelmannGesellschaft, Bd. IV,5), Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2012, 488 S., in: Zeitschrift für Germanistik 24, 1 (2014) S. 155–157
Der vorliegende fünfte Teilband zu Winckelmanns Geschichte der Kunst des Althertums [GK] versammelt die Vorarbeiten sowie Materialien zur Entstehung des Werkes und zur Wirkung von dessen erster und zweiter Ausgabe. Damit ergänzt er den Textband (IV,1), der die erste und die zweite, postume Ausgabe (Dresden 1764 bzw. Wien 1776) parallel abdruckt, den zugehörigen Katalog
der Denkmaler (IV,2), den Allgemeinen Kommentar (IV,3) sowie Winckelmanns Anmerkungen
zur Geschichte der Kunst des Alterthums (IV,4) und schließt damit die Edition der GK im Rahmen der Ausgabe der Schriften und des Nachlasses ab. Der Leser hält mit diesen fünf Bänden ein
Kompendium dessen in Händen, was Arbeit an einer Geschichte der Kunst des Alterthums im 18.
Jahrhundert hieß.
In chronologischer Folge finden sich die Entwürfe von Winckelmanns Beschreibungen der Statuen im Belvedere-Hof des Vatikan, die als „Keimzelle“ seiner „Kunstgeschichte“ gelten können
(Vorwort, S. VII), ergänzt durch die jeweiligen Druckfassungen und die zugehörigen Notizen und
Exzerpte, die Winckelmann antiken Schriftstellern wie auch zeitgenössischer Fachliteratur entnahm. Beigegeben sind diesen Materialien Textfragmente aus dem Florentiner Nachlassheft, die
zur Erweiterung einer verlorenen frühen Fassung der GK bestimmt waren und als einzige erhal-
Literaturberichte 2013–2014
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tene Manuskripte zu Winckelmanns Hauptwerk Aufschluss über die Werkgenese gewähren.
Die mühsam von Detail zu Detail schreitenden Entwürfe zu den Statuenbeschreibungen
verdeutlichen Winckelmanns Arbeit an der
Sprache in unablässiger Rückversicherung in
der Betrachtung – die Druckfassungen präsentieren die hieraus resultierende schlackenlose, um die Erfassung des Schönen bemühte
Sprache. „Es ist klar, daß das Eigentliche, worum es Winckelmann in der Apollobeschreibung zu tun ist, von jedem verstanden wird,
der deutsche Sprache zu lesen versteht. Es ist
ebenso klar, daß sie in Einzelnem nicht oder
nicht mehr verständlich ist. Schon darum ist
ein Kommentar vielleicht nützlich.“1 Die Feststellung Hans Zellers aus dem Jahre 1955 gilt
knapp 60 Jahre später umso mehr, insbesondere für Winckelmanns Exzerpte und Notizen.
Der vorliegende Kommentar leistet hier Mustergültiges. Er ist ebenso fundiert wie präzise und zugänglich, so dass die Ausgabe ausdrücklich
auch Studierenden empfohlen sei.
Die Ausgabe macht die Entwicklungsprozesse von Winckelmanns Stilistik samt ihren konzeptuellen Implikationen nachvollziehbar und verortet sie historisch. Insbesondere im Zusammenhang mit den exakten Querverweisen auf den Katalog der Denkmäler [KD] und die dortigen
Kommentare erhält der Leser neben Informationen über die Objekte, ihre Provenienz und Deutungsgeschichte zugleich jeweils präzise Bibliographien mit Konkordanzen zu relevanten Studien und Editionen.2 Sprachhistorische Bedeutungsnuancen werden durch Referenzen aus dem
Adelung’schen und dem Deutschen Wörterbuch, aber auch aus Langens Wortschatz des deutschen Pietismus (z. B. für die „Entzückung“, S. 384) erschlossen. Zeller bemerkte über Winckelmanns Apoll-Beschreibung, es gebe „wenige Texte deutscher Prosa von solcher Bedeutung bei so
geringem Umfang [...]. In der Geschichte der deutschen Sprache und des deutschen Stils gehört
der Apollo-Beschreibung ein Kapitel wie in der Kunstgeschichtsschreibung und der Beschreibung
von Kunstwerken.“3 Ursprung und Entstehung nicht nur dieses Kapitels werden hier anschaulich.
Um ein ästhetikhistorisches Verständnis von Sprache und Stil von Winckelmanns Beschreibungen
zu gewinnen, bleibt die exemplarisch auf die Apollo-Beschreibungen bezogene Arbeit von Zeller
grundlegend. Die aktuelle Edition bietet zudem Aufschlüsse über die Genese von Winckelmanns
Systematik und die Entwicklung seines Sprachsensoriums im Verhältnis zu seinen fortschreitenden Einsichten an verschiedenen Statuen (neben Torso und Apoll u. a. am Laokoon und der „Sogenannten Cleopatra“) sowie in allen Detailfragen und deren wissenschaftshistorischer Verortung.
Einen besonderen Gewinn bedeutet es, dass nun aus dem Nachlass Winckelmanns Collectanea
ad Historiam Artis [C.] überschriebene Exzerpte ediert sind und damit eine zentrale Quelle seiner
GK der Forschung erschlossen wird. Die C. haben in der jüngeren Winckelmann-Forschung verstärkt Interesse gefunden,4 werden aber hier erstmals als Konvolut veröffentlicht. Der Kommentar
hebt die Sorgfalt der Einträge, den Aufbau der Spaltenanordnung samt Nachträgen sowie Win-
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Literaturberichte 2013–2014
ckelmanns sachliche Systematik für eine leichte Nutzbarkeit der Exzerpte hervor. Zahlreiche „Abhakungen“ Winckelmanns bezeugen die Verwendung für die Anmerkungen über die Baukunst
der Alten (1762), die GK und deren zweite Auflage (S. 445–450). Die C. unterteilen sich in eine
kleinere Sammlung von diversen, offenbar als besonders relevant erachteten Exzerpten und eine
zweite, umfangreichere Sammlung, die sich auf wenige Textquellen stützt und eine „thematischsachliche Systematisierung der Einträge“ (S. 448) aufweist, mit Hauptaugenmerk auf der griechischen Antike. Die Auswahl reicht von Realien über Denkmal-Typen und geographische Besonderheiten bis hin zu besonders zahlreichen Zeugnissen zu den historischen Bedingungen u. a. der
griechisch besiedelten Regionen unter römischer Herrschaft, zum kulturellen Wert der Künste bei
den Griechen sowie zu deren „genuine[n] Wesenseigenschaften“ (S. 450). Auch findet sich in den
C. eine Vielzahl von Exzerpten zur Architektur, die in der GK keine systematische Darstellung gefunden hat. Die vorliegende Edition eröffnet der Forschung mit alledem neue Perspektiven auf
die Ausbildung von Konzept und Systematik der GK.
Flankiert werden die genannten Materialien im vorliegenden Band durch die Abhandlungen De ratione delineandi und De nominibus veterum Sculptorum, denen jeweils Übersetzung und Kommentar beigegeben sind. Der zweite Teil des Bandes widmet sich der Editionsgeschichte der postumen
Ausgabe der GK durch E. J. Riedel (1776); Rezensionen und Ankündigungstexte beider Auflagen
der GK sowie der zugehörigen Anmerkungen Winckelmanns sind hier versammelt.
Das Allgemeine Register, zugleich ein Kompendium Winckelmann’scher Leitbegriffe, erschließt
hilfreich die Materialfülle und regt mit Einträgen wie „Zwerg-Action“ zur erneuten Lektüre an.
Zudem verfügt der Band über ein Allgemeines Register zu den Rezensionen, das die Filiationen antiquarischer Argumentationen zugänglich macht. Register der Antiken nach Standorten zu Winckelmanns Zeiten sowie nach heutigen Museums- und Aufstellungsorten skizzieren (wie im KD)
eine historische Landkarte der Kunstbewegungen und ,Migrationen‘ von Antiken. Implizit wird
sichtbar, wie der „gute Geschmack, welcher [...] sich angefangen zuerst unter dem griechischen
Himmel zu bilden“ und sich „mehr und mehr durch die Welt ausbreitet“,5 mit einer Völkerwanderung antiker Statuen im Wechselverhältnis steht, das der Verschiebung des europäischen Mächtegefüges ebenso folgt wie den Gesetzen des Kunstmarktes. Eine Auflistung der bereits in der GK
erfassten Objekte mit Verweisen zum KD und ein Register der erwähnten Stellen antiker Autoren
runden die Hilfsmittel zur systematischen Erschließung des Textes ab. Der Leser kann die Edition
mittlerweile als ein mythologisches und ikonographisches Lexikon nutzen, das zugleich den Wissensstand des 18. Jahrhunderts sowie die archäologischen Erkenntnisse der Gegenwart dokumentiert und eine Prosopographic antiker wie neuzeitlicher Künstler und Autoren zur Kunst birgt.
Der Leser betrachtet den vorzüglich gegliederten Band mit Bewunderung für die Leistung der
Gesamtausgabe, gerade angesichts der zahllosen Verknüpfungen zu anderen Teilbänden. Fremdsprachige Exzerpte werden benutzerfreundlich auf der gegenüberliegenden Seite übersetzt und
teilweise zugleich kommentiert, z. B. ein Exzerpt aus Strabons Geographika: „Eratosthenes ist einerseits nicht so leicht fertigzumachen, dass man behaupten könnte, er habe nicht einmal Athen
gesehen – [...].“ Winckelmann überschrieb dies mit den Worten: „Romam Antiquitatis studioso
abire oportet.“ („Für einen Altertumsforscher gehört es sich, nach Rom zu gehen“). Die Erläuterung dazu lautet: „Da Eratosthenes auch historiographische Schriften verfasst hat, kann er als ,Altertumsgelehrter‘ gelten. Deshalb ist es wahrscheinlich[ ], dass Winckelmann die modernen Altertumswissenschaftler meint, von denen zu erwarten sei, dass sie – wie er selbst – nach Rom gehen,
so wie von den griech. Gelehrten erwartet wurde, dass sie Athen. gesehen haben.“ (S. 146)
Der vorliegende Band dokumentiert eindrucksvoll, was es auch für die Kunstliteratur bedeutet,
dass Winckelmann diesem Motto getreu die antiken Kunstwerke in Rom in Augenschein nahm.
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1 Hans Zeller, Winckelmann Beschreibung des Apollo im Belvedere, Zürich 1955 S. 45.
2 Vgl. neben Zeller Hanna Koch, Johann Joachim Winckelmann. Sprache und Kunstwerk, Berlin 1957; J. J. Winckelmann,
Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe, hrsg. von Walther Rehm, Berlin 1968; J. J. W., Das Florentiner Winckelmann-Manuskript, hrsg. und komm. von Max Kunze, Florenz 1994; Susanne Kochs, Untersuchungen zu Winckelrnanns Studien der antiken griechischen Literatur, Ruhpolding 2005. – 3 Zeller (wie Anm. 1) S. 5.
4 Vgl. Élisabeth Décultot, Untersuchungen zu Winckelmanns Exzerptheften: ein Beitrag zur Genealogie der Kunstgeschichte
im 18. Jahrhundert, Ruhpolding 2004. Weitere Literatur im vorliegenden Band, S. 450.
5 J. J. Winckelmann, Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. In:
Kleine Schriften (wie Anm. 2) S. 29.
Cord-Friedrich Berghahn über Johann Joachim Winckelmann: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. Sendschreiben. Erläuterung, hrsg. von Max Kunze, Stuttgart 2013, 248 S., kart., Abb.; in: Germanisch-romanische
Monatsschrift Neue Folge Bd. 64 (2014) S. 107–108.
Die Gedancken über die Nachahmung der
Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst sind das Fanal des europäischen
Klassizismus. In seiner Erstlingsschrift, entstanden als Befreiungsschlag nach Jahren des
intensiven antiquarischen Studiums, arbeitet Johann Joachim Winckelmann (1717–
1768) die Einzigartigkeit und Vorbildlichkeit
der antiken griechischen Kunst heraus und
begründet so ihre zentrale Stellung für das
Europa des 18. Jahrhunderts. Dabei zeichnet er in den Griechen das Bild einer antiken Humanität, in dem die politische Verfasstheit, das Klima und die Schönheit einen
idealischen Moment in der Geschichte der
Menschheit schufen. Aus diesem historisch
einzigartigen Ideal nun resultiert für Winckelmann die normative Rolle der griechischen
Kunst, für die er ein glänzendes Paradox findet: „Der eintzige Weg für uns groß, ja, wenn
es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist
die Nachahmung der Alten, [...] sonderlich
der Griechen“ (S. 10). Von den Gedancken
über die Nachahmung, dieser Inkunabel des
europäischen Philhellenismus, sollten in den
kommenden zwei Generationen immer neue
ästhetische Debatten angestoßen werden; sie „sind für das 18. Jahrhundert der eigentlich markante Ausgangspunkt in der Diskussion um das Klassische und Schöne in der Kunst“.1
Aus diesen Gründen spielen die Gedancken über die Nachahmung auch im gegenwärtigen literatur-, kultur- und kunstwissenschaftlichen Lehrbetrieb eine wichtige Rolle. Mit der hier angezeigten Neuedition des Textes durch Max Kunze ist für diese Zwecke ein hervorragendes Instrument geschaffen, das die Bedürfnisse der Adepten wie auch die der Kenner befriedigt. Der Band
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Literaturberichte 2013–2014
ersetzt die seit 1969 immer wieder aufgelegte verdienstvolle Edition der Gedancken von Ludwig
Uhlig (Reclams Universal-Bibliothek 8338). Wo dieser einen stilistisch und orthographisch geglätteten Text bietet, der sich eklektisch auf Lesarten der ersten und der zweiten Auflage stützt,
präsentiert Kunze eine historisch-kritische Edition, die auf die erste Auflage zurückgeht, die 1755
in nur wenigen Exemplaren bei Christian Heinrich Hagenmüller erschien. Ein Jahr später brachte
Winckelmann dann bei seinem neuen Verleger Georg Conrad Walther die zweite Auflage der Gedancken heraus, vermehrt um das Sendschreiben über die Gedanken Von der Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst, die Nachricht von einer Mumie in dem Königlichen Cabinet der Alterthümer in Dreßden und die Erläuterung der Gedanken von der Nachahmung
der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst; und Beantwortung des Sendschreibens
über die Gedanken.
Mit Ausnahme der – durch ihre couleur locale reizvolle und durch ihre virtuose Beweisführung
bei der Datierung einer Mumie wissenschaftsgeschichtlich interessante – Mumienschrift, die Kunze (wie zuvor schon Uhlig) unterschlägt, bringt die Neuedition der Gedancken diese Folge von
Schriften. Schon die unterschiedliche Schreibung der Titel signalisiert dabei das Maß an orthographischer Varianz zwischen der ersten und der zweiten Auflage. Kunzes Edition bewahrt dies
dankenswerterweise, indem die Gedancken über die Nachahmung konsequent der ers­ten Auflage folgen, während Sendschreiben und Erläuterung logischerweise auf ihren Erstdruck in der zweiten Auflage von 1756 zurückgehen.2 Damit wird das Prozesshafte und Dialogische von Winckelmanns Schreibart deutlich, das auch für seine weiteren Werke charakteristisch ist. Diese dynamische, auf Widerspruch, Polemik und Korrektur reagierende Schreibart ist durch die Ausgaben
des 19. Jahrhunderts weitgehend aus dem Blick geraten; sie wiederzuentdecken ist eines der Ziele
der historisch-kritischen Ausgabe von Winckelmanns Schriften und Nachlaß.3
Der vorliegende Band gehört in diesen Zusammenhang, richtet sich aber an eine breite Leserschaft. Damit stellt sich Kunzes Edition der 2012 von Friedrich Vollhardt vorgelegten historischkritischen „Studienausgabe“ von Lessings Laokoon (RUB 18865) würdig an die Seite. Mit ihrem
umsichtig edierten Text ist sie geeignet, Studierende in die Sprach- und Schreibusancen der Aufklärung zu führen, und dank ihres umfangreichen und kundigen Kommentars (S. 169–222) erschließt sie dem Interessierten das dichte Geflecht von Argumenten aus dem Kontext der Querelle des anciens et des modernes, in dem sich Winckelmanns Argumente bewegen. Auch das paratextuelle Material der Gedancken über die Nachahmung kommt dabei nicht zu kurz; vor allem
die drei von Adam Friedrich Oeser gestochenen Vignetten, die wichtige Bausteine des Textes sind,
werden auf den S. 167–168 erklärt und kommentiert. Mit dem vorliegenden preisgünstigen Band
hat der Reclam-Verlag eine vorzügliche Ausgabe eines Schlüsseltextes der europäischen Aufklärung vorgelegt, der Studierende und Interessierte einlädt, die klassizistischen Debatten um das
Schöne kennenzulernen.
1Norbert Miller, Helmut Pfotenhauer, Winckelmann, Mengs, Heinse, in: Frühklassizismus. Position und Opposition: Winckelmann, Mengs, Heinse (Bibliothek der Kunstliteratur 2), hrsg. von Helmut Pfotenhauer, Norbert Miller, Markus Bernauer,
Frankfurt/Main 1995 S. 325–338, hier S. 326.
2
Gleichwohl seien hier einige wenige Unklarheiten angemerkt, die bei einer Neuauflage des Reclam-Bandes der Gedancken geklärt
werden sollten; die von mir konsultierte Erstausgabe im Besitz der Stadtbibliothek Braunschweig – Signatur: Brosch. I. 16.126, eine
von dreien, die in Deutschland noch nachweisbar sind – weicht auf den S. 26 und 33 in der Textgliederung von der Ausgabe Kunzes
ab. Ähnliches lässt sich an wenigen Stellen auch an den Texten des Sendschreibens und der Erläuterung 1756 beobachten, wenn man den
Reclam-Band mit dem Digitalisat der Bayrischen Staatsbibliothek vergleicht. Bei einer zweiten Auflage wäre auch die Beigabe eines Registers
wünschenswert. [Das von Herrn Kunze erstellte Register wurde vom Verlag nicht übernommen, Anm. der Hrsg.]
3
Vgl. dazu meine Besprechung der historisch-kritischen Ausgabe der Geschichte der Kunst des Alterthums in: Germanisch-romanische Monatsschrift 60 (2010) S. 372–374, und die Besprechung der Bde. IV,4 und IV,5 in: ebd. Bd. 64 (2014) S. 105–107
[s.u.].
Literaturberichte 2013–2014
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Cord-Friedrich Berghahn über Johann Joachim Winckelmann, Schriften und Nachlaß Bd.
IV,4: Anmerkungen über die Geschichte der
Kunst des Alterthums, Dresden 1767, Texte
und Kommentar, hrsg. von Adolf H. Borbein,
Max Kunze, bearbeitet von Eva Hofstetter,
Max Kunze, Brice Maucolin und Axel Rügler, Mainz, Philipp von Zabern 2008, XXVI +
280 S., geb., Abb.
Schriften und Nachlaß Bd. IV,5: Statuenbeschreibungen, Materialien zur „Geschichte der Kunst des Alterthums“, Rezensionen,
bearbeitet von Lilian Balensiefen, Eva Hofstetter, Max Kunze und Manfred Wenzel. Mit
Beiträgen von Balbina Bäbler, Adolf H. Borbein, Klaus-Peter Goethert und Axel Rügler.
Mainz, Philipp von Zabern 2012, XX + 488
S., geb., Abb., in: Germanisch-romanische
Monatsschrift Neue Folge Bd. 64 (2014) S.
105–107.
Mit den hier angezeigten Teilbänden IV,4 und IV,5 ist die monumentale Edition von Johann Joa­
chim Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums (GKA) und ihrer Satellitentexte im Rahmen der historisch-kritischen Ausgabe abgeschlossen. Der erste Teilband brachte 2002 die Auflagen
der GKA von 1764 und 1776; ihm folgten 2006 als Bd. IV,2 der Katalog der antiken Denkmäler, die
in der GKA erwähnt werden, und 2007 als Bd. IV,3 der Allgemeine Kommentar der GKA (vgl. meine ausführliche Rezension dieser drei Teilbände in: GRM Neue Folge 60 [2010] S. 372–374).
Schon diese drei Bände haben nicht nur eine philologisch sichere Basis für die weitere Erforschung
dieses zentralen Textes der europäischen Aufklärung geschaffen, sie haben zugleich die Entstellungen
der GKA seit der zweiten Auflage von 1776 revidiert. Durch sie wurde erkennbar, was Winckelmann mit diesem Text leisten wollte und wie intensiv er an ihm auch nach dem ersten Druck unablässig weitergearbeitet hat. Die in Band IV,4 vorgelegte historisch-kritische Edition der Anmerkungen
über die Geschichte der Kunst des Alterthums unterstreicht das Prozesshafte dieses Riesenwerks. Winckelmann hat nach 1764 Korrekturen, Erweiterungen und Präzisierungen am Text vorgenommen,
die in eine zweite, gründlich überarbeitete Auflage der GKA einfließen sollten. Diese konnte jedoch,
bedingt durch den Erfolg der französischen Ausgabe der GKA und die Querelen mit seinem Verleger Walther, zu Lebzeiten Winckelmanns nicht mehr erscheinen. Umso stärker fühlte dieser die
Notwendigkeit, die GKA mit einer eigenen Publikation zu ergänzen, den Anmerkungen über die Geschichte der Kunst des Alterthums. Sie erschienen 1767 bei Walther in Dresden.
Die Anmerkungen unterscheiden sich nicht nur im Umfang von der GKA, sondern auch durch
ihren Stil. Es ist ein schlanker Band, dessen entspannt-elegante Schreibart die Erleichterung seines Autors nach dem Erscheinen der GKA spüren lässt. Das Buch ist Essay, Polemik und Reiseführer für den klassizistischen Rom-Reisenden (mit einem topographisch geordneten Verzeichnis der Kunstwerke). Winckelmann wollte dieses Buch also nicht nur als Ergänzung der GKA verstanden wissen, sondern als Publikation sui iuris (vgl. IV,4, S. VIII). Das hat die weitere Publikationsgeschichte der GKA verhindert. In deren zweite Ausgabe (Wien 1776) hat der Herausge-
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Literaturberichte 2013–2014
ber Friedrich Justus Riedel bereits große Teile der Anmerkungen übernommen, und die Herausgeber der ersten Winckelmann-Ausgabe (1808–1820) Carl Ludwig Fernow, Heinrich Meier und
Johann Schulze haben im Zeichen klassizistischer Weimarischer Kunstpolitik in ihre Edition der
GKA dann fast die gesamten Anmerkungen integriert. Diese Editionspolitik, die der romantischen
Gegenwart die Aktualität des Klassischen verdeutlichen sollte, hat aus Winckelmanns Kunstgeschichte einen Hybrid gemacht, den erst die Edition der GKA in Band IV,1 der historisch-kritischen Ausgabe im Hinblick auf die ursprüngliche Textgestalt korrigiert hat.
Die in Band IV,4 der Ausgabe von Winckelmanns Schriften und Nachlaß edierten Anmerkungen
über die Geschichte der Kunst des Alterthums ermöglichen nun die unverstellte Begegnung mit diesem reizvollen Text voller scharfer Urteile, witziger Wendungen und persönlicher Stellungnahmen. Die Herausgeber haben den Text um den Abdruck des sog. Pariser Manuskripts ergänzt, das
vom gedruckten Buch in einigen Details abweicht. Damit können Interessierte Winckelmanns
Erschließung, Deutung und Aktualisierung der Antike an einem besonders konzisen Text verfolgen, der durch seine Supplementarität zugleich auf die differenzierten Schreibarten der europäischen Aufklärung verweist. Ein umfangreicher bebilderter Kommentar dokumentiert die von
Winckelmann diskutierten Kunstwerke, die dank einem hier vorgelegten Register zu ihren aktuellen Standorten auch heute leicht aufgesucht werden können.
Der die Edition der GKA abschließende Teilband IV,5 bringt neben Winckelmanns – teilweise lateinischen – Vorarbeiten und Statuenbeschreibungen aus dem sog. Florentiner Nachlass auch wichtige Materialien zur Aufnahme der GKA in der gelehrten und eleganten Welt. Die auf den Seiten
219–375 abgedruckten Rezensionen aus den Jahren 1764 bis 1789 stammen u. a. von Chr. F. Weiße, C. G. Heyne, J. H. Merck und K. Ph. Moritz. Die Lektüre dieser teilweise sehr ausführlichen
Texte führt die Kontroversen über Winckelmanns Kunstgeschichte wie unter einem Brennglas zusammen; hier wird deutlich, wie anschlussfähig Winckelmanns Überlegungen zur Historisierung der
Kunst für den Sturm und Drang und den Klassizismus gleichermaßen waren und wie sehr sich so
unterschiedliche Denker wie Heyne, Merck oder Moritz an seinem Blick auf die Griechen und an
seiner visuellen Schreibart abgearbeitet haben; zugleich lässt sich beobachten, wie die aufklärerischen
Historiker den Impuls der GKA für die moderne Historiographie adaptierten. Darüber hinaus bietet
der Band Materialien zur zweiten Auflage der GKA (u. a. zu Riedels Vorwort und der französischen
Übersetzung der GKA durch François-Vincent Toussaint). Diese heterogenen und für das Verständnis der GKA doch so wichtigen Materialien werden abschließend ausführlich und z. T. mit Abbildungen kommentiert. Der großformatige und schön gedruckte Band überzeugt – wie die gesamte
Edition – durch seine anspruchsvolle Ausstattung und seinen gemäßigten Preis.
Mit dem Teilband IV,5 findet die historisch-kritische Ausgabe der GKA ihren triumphalen Abschluss. Damit liegt dieser kapitale Text der europäischen Aufklärung fast 250 Jahre nach seinem
ersten Erscheinen endlich in einer editorisch gesicherten und so kundig wie ausgiebig kommentierten Fassung vor, die keine Wünsche offen lässt. Die Basis für neue wissenschaftliche Blicke auf
den Klassizismus ist damit geschaffen.
Eric M. Moormann über Johann Joachim Winckelmann, Schriften und Nachlaß, hrsg. von
Adolf H. Borbein, Thomas Gaethgens, Johannes Irmscher (†), Max Kunze Bd. IV,1–3, Mainz
2002, 2006, 2007 (Bulletin Antieke Beschaving 84, 2009 S. 240–242).
Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) remains hot, as becomes clear from an incessant
stream of publications about this pioneer of ancient history of art in the last decades. The study of
Literaturberichte 2013–2014
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his works can still produce fascinating results
and remains relevant for modern interpretations
of antique monuments (cf. my review of some
publications in BABesch 81, 2006, 246–248).
But these original books are often not easily accessible, both in re and in the sense of understandig, as many of his observations are strangely formulated and in many senses outdated. The
series of editions of his published works and inedita, fostered by the Winckelmann-Gesellschaft
in his birth place Stendal in Germany solves
many of these problems. It has a very high standard of quality and is now a large end on its way
to completion. The three imposing volumes under review are together 16 cm thick and display in all their richness Winckelmann’s main –
and I think master – work, the famous Geschichte der Kunst des Alterthums in which his ideas on
the development of Greek art came together. As
in the other six volumes at hand, first the text is
given according to the first edition, which is followed by a commentary. Here however, the editors
also print the second edition, worked on by the author from 1765 onwards, but only posthumously edited at Vienna. The new text edition is very welcome, since most available prints reproduce abbreviated and/or re-spelled texts, mostly based on the 1764 edition, but on the second edition, like
the well-known Vienna edition of 1934, reprinted several times until recently, which is also true for
all translations, from Winckelmann’s own time onwards. A new English translation by Harry Francis Mallgrave and edited by Alex Potts (Los Angeles) could already be based on the new scientific edition. The differences between 1764 and 1776 are big, not only because of the additions to the
double-so-large 1776 version, but also thanks to the new insights originated from the evolution of
Winckelmann’s own development. In their preface the editors make clear that the genesis of the latter version, edited by Friedrich Julius Riedel, cannot be reconstructed, since Winckelmann’s and Riedel’s manuscripts are lost. Remarkably, for almost two centuries German scholars have discussed the
edition of a scientific version, but discarded it, for Winckelmann would no longer be read and was
hopelessly out of date. The contacts between BRD and DDR scholars in the international Winckelmann-Gesellschaft created an opportunity to launch the edition project in 1988.
As to the two commentary volumes, the editors have done everything to help the modern reader. Volume 4.2 is dedicated to the ‚Denkmäler‘, as Winckelmann already called the architectural monuments and objects, that are referred to and discussed in the Geschichte der Kunst des Alterthums. [...] There is a rigid, Winckelmann-like classification into the chronological periods (Egyptian/Egyptianising, Oriental, Etrusco-Italic, Greco-Roman) [...] According to A. Borbein this articulation corresponds to the ‚übliche Klassifikation antiker Denkmäler‘ and, indeed, one finds
this framework in repertories, museum catalogues and the like from German origin. The classification is made after modern insights, i.e. not following Winckelmann’s own dating. This means
that we can consult the catalogue as a sort of modern history of art, in which the ‚ideal‘ statues are classed from archaic to Roman. However, there are other classifications as well. The first
section has gods, [...] in which figures seen as such in the guise of Apollo from Villa Negroni in
72
Literaturberichte 2013–2014
Kansas City, that evidently lacks in the portrait section, where we, nowadays, would
have put it. Among the mythical themes Laocoon takes a place of pride (pp. 222–224 cat.
486). All Denkmäler seen by Winckelmann either in real or in engravings have an illustration, mostly of good quality despite the small
format, so that it is easy to ascertain Winckelmann’s text with the piece, having it immediately at hand. Each item contains referen­
ces to other works of Winckelmann and, possibly, an explanation of Winckelmann’s changing insights. The modern comment stands in
Winckelmann’s tradition, when its authors do
not bother about original and copy (or whatever Roman pieces after a great sculptor), so
that many Roman objects are labelled ‚Kopie‘,
‚Umbildung‘ and the like of Praxiteles, Lysippos etc. I observe this without blaming them
for that! These books are not there to make
modern statements about Greek and Roman
art as such, but to illustrate an old reference
text. And I can only say that they are more than sufficient. Detailed use of the works will deliver
mistakes and omissions, but that is not the aim of this brief review. Borbein is right in concluding
that Winckelmann had an enormous knowledge of basing his research on ancient text, as some
scholars have argued. Winckelmann was a real ‚Augenmensch‘, working on the monuments themselves.
Volume 4.3 is a line-by-line commentary, in which the user finds explanations about the references Winckelmann makes to previous or simultaneous research and gives comparanda of reasoning in his own works. Important are the analyses of key words (e.g. Einfalt, Geschmack, erhaben, Gelehrsamkeit, Stand etc.; Denkmal lacks!) in Winckelmann’s work that illustrate his working process and his evaluation from a critical reader and author of common place books to an independent scholar (E. Décultot, Untersuchungen zu Winckelmanns Exzerptheften, Ruhpolding
2003; cf. my review quoted). The ‚Allgemeines Register‘ is of eminent importance and quality,
since the reader can look for these words and immediately spot them in the way of an index locorum, whereas all other names and sources are also listed. The explanations of linguistic oddities,
phrasing and word significances will be illuminating for German and non-German readers alike.
As to Winckelmann’s opinions, the commentary tries to give his sources and reasoning as well as
the later developments in so far they rely on the Stendal-born scholar. Researchers of Baroque and
Enlightenment will be grateful for the full references to scientific and literary works Winckelmann
quotes in an abbreviated form in his footnotes. As they are, their meaning is often difficult to understand.
Winckelmann also was an archeologist recording discoveries in Rome that still are useful. So we
can put on the test the work under review by linking it to a description of the find of granite columns under Palazzo Valentini at Rome, on the spot where the Temple of Divus Traianus would
have been located according to Amanda Claridge (JRA 20, 2007, 54–94). Her quotation from
Literaturberichte 2013–2014
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the 1776 edition (p. 64, note 48; Winckelmann 1776, 829; here vol. 4.1, p. 793) has
no counterpart in the 1764 version, since he
speaks about 1765. In volume 4.2, p. 114 cat.
220 the reader can find the inventory number of the column brought to Villa Albani and
some notes on the Forum of Trajan, whereas in
vol. 4.3, p. 485 he finds an explanation about
the modern setting. The comment does not
enter into the typography discussed by Claridge in her contribution, but she could have
had profit from this work, avoiding too much
cumbersome searching after the old references.
In sum, we have a precious set of volumes that
disclose Winckelmann’s masterly pioneering
work on antique art. It contains innumerable
data for archeologists, art historians, historians
of mentality and history of research. And let us
hope that this huge bulk of text will stimulate
further research on archeology in the 18th century.
Eric M. Moormann über Johann Joachim Winckelmann, Anmerkungen über die Geschichte der Kunst des Alterthums, hrsg. von Adolf H. Borbein, Max Kunze, bearbeitet von Eva Hofstetter, Max Kunze, Brice Maucolin, Axel Rügler, Schriften und Nachlaß, Bd. IV,4, Mainz 2008
(Bulletin Antieke Beschaving 84, 2009 S. 242).
The Anmerkungen were conceived as supplementary volume to the Geschichte der Kunst des Alterthums from 1764. As early as 1766 Winckelmann hoped to compile a second German edition of
this master work, when he had heard about the plans of a new French translation. Since his publisher Walter still had many copies of the 1764 book in stock, this would not succeed during his
lifetime. Therefore, the Anmerkungen forms a publication of its own, when put next to the Geschichte of 1764. This book as well as a set of notes in one of Winckelmann’s manuscripts at Pa­
ris contains many passages that would be inserted in the 1776 edition printed at Vienna. Win­
ckelmann argues in the ‚Vorrede‘ that a lot of errors had been made by him and other ‚Scribenten‘ alike and these originate from false observations, misinterpretations of texts and stupidity or
short-sightedness. The reader gets a sort of thinned version of the original book, with the same articulation and questions posed, often in reference to works discussed before in the opus magnum.
That inevitably does not produce a very fascinating reading, but when compared to the 1764 edition, there are many new and important judgements. The editors record in the comment which
of these supplementary remarks returns in the 1776 edition, but it would have been easier for the
reader to understand these changes, if these parts of the text were printed in another type. Now,
one needs to have the excellent simultaneous 1764 and 1776 editions at hand, edited in the same
series as vols. 4.1–3. That handling of these volumes simultaneously also pertains the commentary: the editors do not repeat data and add only, if there are novelties. In some cases it is unclear
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Literaturberichte 2013–2014
why a new remark featuring in these Anmerkungen did not show up in the final work in which, as
we know, Winckelmann probably did not have a final say due to his sudden death in 1768.
Like in the previous volumes of the series, the commentary is extremely informative and rich of
data hard to find elsewhere. Especially the identification of the monuments must have been difficult. Almost all pieces described here and not in the Geschichte are illustrated except for post-antique works of art. One addition comes from my own work. When Winckelmann speaks about
‚zwo Begräbnisurnen, von denen die eine in dem Garten der Farnesina stehet‘ (p. 85), he describes the large Dionysian sarcophagus that is now in the Allard Pierson Museum at Amsterdam
and formerly at Hever Castle (p. 213; see E. M. Moormann, Ancient Sculpture in the Allard Pierson Museum Amsterdam, 2000, 161–164 cat. 221). This volume is not Winckelmann’s most attractive work, when read independently, but it clearly illustrates Winckelmann’s ongoing personal
development and research.
Zu Alice A. Donohue über Johann Joachim Winckelmann, Geschichte der Kunst des Alterthums, Katalog der Denkmäler, hrsg. von Adolf H. Borbein, Thomas Gaethgens, Johannes
Irmscher (+), Max Kunze, Schriften und Nachlaß Bd. IV,2, Mainz 2006; Anmerkungen über
die Geschichte der Kunst des Alterthums, hrsg. von Adolf H. Borbein, Max Kunze, Schriften
und Nachlaß, Bd. IV,4, Mainz 2008 (Bryn Mawr Classical Review 2009.09.13 S. 240–242),
siehe:
http://bmcr.brynmawr.edu/2009/2009-09-13.html
Monika Knofler über Arnold Nesselrath, Der Zeichner und sein Buch. Die Darstellung der antiken Architektur im 15. und 16. Jahrhundert, Verlag Franz Philipp Rutzen, Ruhpolding 2014,
223 S.
Entstanden aus einer Vortragsreihe in der Bibliothèque nationale de France im Rahmen der von
Jean-Marc Terrasse und Thierry Grillet veranstalteten Leopold-Delisle-Vorträge im Frühjahr 2002
stellt Arnold Nesselrath mit dieser Publikation eine Zusammenfassung und Aktualisierung seiner
30jährigen Forschungstätigkeit vor. Durch die beeindruckende Materialkenntnis und die langjährige Erfahrung des Autors als Direktor des Census of Antique Art and Architecture Known in the Renaissance, als Direktor der Abteilung für byzantinische, mittelalterliche und moderne Kunst an
den vatikanischen Museen und als Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin spricht dieser
Band nicht nur ein ausgewähltes Fachpublikum an, sondern gibt durch den von ihm gewählten
„spielerischen und anekdotischen Ansatz“ einem interessierten breiteren Publikum eine Einführung in dieses spannende Forschungsgebiet. Den Ausgangspunkt bildet dabei immer das Material:
Zeichnungsbücher, einzelne Zeichnungen, Kopien, Druckgrafiken und Quellen, ein Ansatz, der
heute leider oft vernachlässigt wird. Dank der Unterstützung der Franz und Eva Rutzen-Stiftung
ermöglicht und erleichtert eine großzügigste Bebilderung dem Leser das Verständnis des Textes
und das Nachvollziehen der dargelegten Thesen. Die Beibehaltung der Gliederung in die vier Abschnitte der einzelnen Vorträge und die sich dadurch ergebenden Wiederholungen und Querreferenzen tragen zum Verständnis und zur Vertiefung bei.
Im ersten Beitrag, dem „Zeichnen nach der Antike“, werden die verschiedenen Funktionen und Typologien vorgestellt: Reiseskizzenbücher, Souvenir-Kopien, Studien von heute verschollenen Gebäuden und Kopien, bei denen zwischen Reinzeichnungen von Bauaufnahmen, Ausarbeitungen,
Literaturberichte 2013–2014
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Kopien anderer Künstler und Reproduktionen
älterer Vorlagen unterschieden wird. Eine besondere Stellung haben die von Künstlern oder
Sammlern zusammengestellten Alben. Es wird
dabei ein Einblick gegeben, in welcher Art und
Weise Architekten und Antiquare ihr Material
gesammelt und verwendet haben.
Architekturzeichnungsbücher der Renaissance
stehen im Spannungsfeld zwischen der sich auf
die Antike beziehenden Buchmalerei und den
neuen Medien der Vervielfältigung: des Buchdrucks und den druckgrafischen Techniken des
Holzschnitts und des Kupferstichs. Da die Verfasser nach heutigem Sprachgebrauch fachübergreifend tätig waren, beschränken sich diese nicht nur auf Bauten und ihre Details. Die
Zeichnung war und ist das bevorzugte Medium der Erforschung und Sichtbarmachung der
Wirklichkeit. Schon Leon Battista Alberti betonte 1435/1436 in De Pictura das Primat der
Zeichnung und deren ästhetischen Eigenwert.
Auch für Leonardo da Vinci war die Zeichnung das eigenständigste Mittel der Erkenntnis und wurde zur wichtigsten Methode der wissenschaftlichen Entdeckung der Welt und deren Strukturerkenntnisse. Die Tatsache, dass ein Großteil der Künstler des 15. und 16. Jahrhunderts sowohl als Maler als auch als Bildhauer und als Architekt tätig war, relativiert den von Seiten der Kunsttheorie geführten Paragone-Streit.
Die heute meist aufgelösten Zeichnungsbände spielten besonders in den Familien- bzw. Werkstattbetrieben eine bedeutende Rolle und haben bis heute einen unveränderten Stellenwert im
künstlerischen Schaffensprozess. Als Beispiel wird die Nachlassabhandlung des Florentiner Goldschmieds Maso Finiguerra angeführt, bei der die hinterlassenen 14 Zeichnungsbücher erst 12 Jahre nach seinem Tod, 1480, nicht seinem Sohn, einem Schuster, sondern seinem Neffen, einem
Maler, übergeben wurden. In der Folge sollten diese immer demjenigen aus der Familie überlassen
werden, der als Goldschmied oder Maler tätig war.
Das zweite Kapitel „Das 15. Jahrhundert und Francesio di Giorgio Martini“ widmet sich vor allem
der Bebilderung von Architekturtraktaten. Dabei wird eingehend auf die Gleichzeitigkeit der beiden Methoden der Architekturzeichnung, der Orthogonalprojektion und der Perspektive eingegangen. Die erste bekannte Unterscheidung der beiden Darstellungsarten findet sich in der Epistola Raffaels an Papst Leo X. aus der Zeit um 1517 bis 1519, in der dieser zwischen der Methode des Malers und der des Architekten unterscheidet. Aus dem Vergleich der Zeichnungen wird
klar herausgearbeitet, dass die Konventionen und Traditionen für Architekturzeichnungen nördlich und südlich der Alpen jedoch die gleichen waren. Mischformen beider Techniken waren,
wie Zeichnungen des Meisters A1 oder die Zeichnung eines Sakramentshauses2 belegen, ebenfalls in beiden Gebieten bekannt. Eine reziproke Vermittlerrolle konnte wiederum Albrecht Dürer
gespiel­t haben, wie seine Zeichnung eines korinthisches Kapitells3 zeigt, die wahrscheinlich um
1508 während oder nach seinem Venedig-Aufenthalt entstanden ist. Arnold Nesselrath weist dabei auf eine mögliche Nähe zu Fra Giocondo und dessen 1511 erschiene Vitruv-Ausgabe hin.
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Literaturberichte 2013–2014
Von besonderem Interesse sind die neuen Ergebnisse zu Francesco di Giorgio Martini, einem der
bedeutendsten Architekturtheoretiker der Renaissance, dessen Zeichnungen vor allem durch Kopien überliefert sind. Neben dem Codicetto in der Bibliothek des Vatikan, Illustrationen auf den
Rändern seiner Vitruv-Übersetzung in der Bibliotheca Laurenziana in Florenz, dem Taccuino dei
Viaggi in den Uffizien und dem Addendum des Codex Saluzzianos in Turin wird vor allem auf das
sich im Privatbesitz befindende Album eingegangen. Dieses kann als Projekt eines illustrierten Architekturtraktates angesehen werden und stellt eine Zusammenstellung von Material aus verschiedenen Phasen seines Lebens dar. Für Francesco di Giorgio stellte die einzige Lösung zur Rettung
antiker Ruinen deren Wiedergabe in Zeichnungen dar. Neben frühen eigenen Originalen werden
auch Quellen älterer Autoren und Kopien verwendet. Letztere sind durch den schlechten Zustand
des Papiers erkenntlich, da diese, um die nötige Transparenz für das Anfertigen von Pausen zu erhalten, mit Öl getränkt und dadurch anfälliger für Tintenfraß wurden. Auf Grund des Todes von
Francesco di Giorgio 1501 blieb dieses wahrscheinlich für den Druck gedachte Werk unvollendet.
Es wird eine Datierung um 1484 oder nach 1491 vorgeschlagen.
Im dritten Beitrag „Raffael und das 16. Jahrhundert“ werden als Einführung in die Thematik die
Hauptwerke der auf Architekturzeichenbüchern basierenden Antikenrezeptionen der Buchmalerei
vorgestellt. Ergänzend zum ersten Kapitel wird nochmals auf zwei Meisterwerke unter den Architekturzeichnungsbüchern, den Codex Barberini4 des Giulio da Sangallo und den Codex Coner5 des
Bernardo della Volpaia näher eingegangen.
Das Interesse Raffaels und die Beschäftigung mit antiken Bauten werden in seiner Florentiner
Zeit im Kreise um Baccio d’Agnolo nachgewiesen. So befinden sich Zeichnungen von ihm im Codex Escurialensis6, einem Zeichnungsbuch, welches in Florenz nach 1506 zusammengestellt wurde. Raffael wiederum verwendete eine Ansicht des Nerva-Forums aus diesem Codex in seiner Madonna Esterhazy7. Wieder in Rom beauftragte ihn Papst Leo X. mit der graphischen Rekonstruktion des antiken Rom. Neben eigenen Bauaufnahmen, von denen nur sehr wenige erhalten sind,
wurde er bei diesem umfassenden Projekt von seinem Stellvertreter Giovanni da Udine, seinem
Meisterschüler Giulio Romano und einer Anzahl an Zeichnern und Kopisten unterstützt. Als visuelles Porträt der Raffael-Werkstatt kann der Codex Fossombrone8 verstanden werden. Bei seinem
Tod waren lediglich Bauaufnahmen einer der 14 Regionen, in die Rom seit der Antike unterteilt
wurde, fertig gestellt. Dass Raffael selbst Antike gesammelt hatte, belegt die Zeichnung einer ionischen Basis von Giulio Romano im Codex Resta. Die hier angeführten Maßangaben9 sind nördlich der Alpen bereits auf gotischen Baurissen10 in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bekannt.
Dass dieses Vorlagenmaterial damals noch zugänglich war, ist durch die Kopien des Meisters C
der Albertina und des Anonymus Mantovanus A belegt. Für dem letzteren zugeschriebenen Codex Cholmondeley, der sich bis in das 17. Jahrhundert in der königlichen Bibliothek in Paris nachweisen lässt und der sich heute im Privatbesitz befindet, wird hier erstmals eine Identifikation der
Widmungsträgerin vorgeschlagen. Die Titelseite dieses, auch durch sein Format herausragenden
Bandes, ziert die Imprese der Medici, der Stumpf eines abgeschnittenen Lorbeerbaumes, aus dem
ein neues Reis mit neuen Früchten entspringt. An diesem ist, als Symbol der Architektur, ein Lineal oder die Messlatte eines Fußmaßes mit einem reich dekorierten Zirkel zusammengebunden.
Der Bezug auf die Familie der Medici und die Empfehlung der Architektur kann entweder mit
der Hochzeit von Caterina de’Medici mit Heinrich II. 1533 oder der Geburt ihres ersten Sohnes
Franz 1543 in Verbindung gebracht werden. Den Auftraggeber vermutet Arnold Nesselrath im
Kreis der italienischen Künstler von Fontainebleau. In diesem Zusammenhang wird auf die für
weitere Forschungen unumgängliche Notwendigkeit von fotografischen Neuaufnahmen des eben-
Literaturberichte 2013–2014
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falls dem Anonymus Mantovanus A zugeschriebenen Codex Destailleur B in der Eremitage in St.
Petersburg hingewiesen.
Das abschließende Kapitel „Publizieren und Sammeln“ gibt einen umfassenden Überblick über
den Beginn der Publikationen der Traktate-Literatur, insbesondere deren Bebilderung durch
Holzschnitte und Kupferstiche. So konnte der von Antonio Lafreri in Rom betriebene Bildverlag durch eine Schar anonymer Künstler und dem Erwerb von älteren Kupferplatten, Druckprivilegien und Publikationsrechten Anfang der 1570er-Jahre in dem von ihm angebotenen
Speculum Romanae Magnificentiae auf spezielle Kundenwünsche eingehen. Durch die wachsende Nachfrage nach Abbildungen antiker Architektur kam es zu einer vermehrten Produktion
von Alben, in denen sowohl Zeichnungen, teilweise aus aufgelösten Codices und beschnitten,
als auch Druckgrafiken verwendet wurden. Die von Architekten oder Sammlern angelegten Alben spiegeln jedoch deren persönliche Interessen und nehmen nicht auf den historischen Kontext Bezug. Dass es auch heute noch zur Zerstörung von Zeichnungsbüchern kommt, zeigt die
1990 erfolgte Auflösung des Codex Cartacceo des Cassiano Dal Pozzo und des Verkaufs der Einzelblätter.
1 Albertina Wien, Synthetische Bauaufnahme und Rekonstruktion aus Aufriss und Schnitt des Sybillentempels in Tivoli, inv.
Egger 281 r, Nesselrath S. 89 Abb. 122.
2 Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien, HZ 16.838, Johann Josef Böker, Architektur der Gotik/Gothic Architecture, Bestandskatalog der weltgrößten Sammlung an gotischen Baurissen des Kupferstichkabinetts der Akademie
der bildenden Künste Wien, Salzburg 2005 S. 122–123.
3 London, British Library, Add. 5229, fol. 153 v, Nesselrath S. 144. – 4 Vatikanstadt, Bibliotheca Apostolica Vaticana, s. Nesselrath S. 119.
5 London, Sir John Soane’s Museum, s. Nesselrath S. 119. – 6 Burg von La Calahorra, s. Nesselrath S. 124.
7 Budapest, Sepmüvézeti Museum, Nesselrath S. 124. – 8 Fossombrone, Bibliotheca Civica Passionei, Nesselrath 127.
9 Palermo, Bibliotheca Comunale, Codex Resta, fol. 1, Nesselrath S. 131.
10 Augsburger Domostchor, Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien, HZ 16.846, Kopie aus dem Ende
des 15. Jahrhunderts nach einem Original um 1355, Böker (wie Anm. 2) S. 134–136.
Autorreferat: Charlotte Kurbjuhn, Kontur. Geschichte einer ästhetischen Denkfigur, Berlin/
Boston, Walter de Gruyter 2014, 792 S. (= Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 81 [315]).
Den ästhetischen Kategorien „Umriss“ und „Kontur“ kommt innerhalb ästhetischer und erkenntnistheoretischer Diskussionen zentrale Bedeutung zu. Bereits in antiken Wahrnehmungstheorien entfaltet ‚Umrissenheit‘ wirkmächtige Relevanz im Vergleich menschlicher Wahrnehmung
mit Siegelabdrücken in Wachs (typosis en psyche) und dem Konzept (mnemotheoretischer) „Spuren“. Eine zweite Basis neuzeitlicher Konturkonzepte findet sich in der Naturalis Historia Plinius’ d. Ä. mit Äußerungen zum Ursprung der Kunst, zum Wettstreit von Apelles und Protogenes
um die ‚subtilste‘ linea und zu Parrhasios als Meister in lineis extremis. Anhand zahlloser Deutungen dieser Textpassagen im Spiegel jeweils zeitgenössischer ästhetischer Paradigmen ließe sich
ein Diagramm kunsttheoretischer Entwicklungslinien erstellen. Durch das mittelalterliche Konzept des deus incircumscriptus wird die Legitimation des Künstlers nach dem Vorbild des deus
artifex ermöglicht; die Verbindung von circumscriptio und göttlichem logos etabliert die Kopplung von Zeichnerischem und Ratio. Diese verfestigt sich in den italienischen disegno-Konzepten, welche die Basis für Parallelisierungen von graphischem Umriss und plastischem Kontur als
Trägern des geistigen Gehaltes legen. Franciscus Junius, von Winckelmann ausgiebig rezipiert, leistet einen hocheklektizistischen Transfer von wahrnehmungstheoretischen antiken Konzepten auf
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Literaturberichte 2013–2014
die Kunsttheorie, der eine paradox sensualistische Fundierung idealistischer Ästhetik bedingt; seine Theoreme zur bildenden Kunst
entstammen fast gänzlich Quellen zur Rhetorik/Poetik. Besonders wirkmächtig für die
deutschsprachige Kunsttheorie werden die
französischen Debatten um den Primat von
dessin oder coloris im 17. Jh. Das Konzept
der prinzipiell ideellen Verfasstheit des dessin
(u. a. bei Félibien) wirkte u. a. auf Winckelmanns Kontur-Verständnis. Den Grundstein
deutschsprachiger Kunstliteratur legen jedoch
frühe Übertragungen von Kunsttraktaten (Rivius’ Vitruv- und Alberti-Übersetzungen): Am
Beispiel der Umriss-Terminologie, die über
die inventio ins Zentrum der Produktionsästhetik führt, zeigen sich eigenständige Ansätze in interpretierenden Alternativübersetzungen. Stärker noch präsentiert die Teutsche
Academie Joachim von Sandrarts die Arbeit an
der Sprache als Arbeit am ästhetischen Konzept. In Winckelmanns Kunstanschauung erscheint der „Kontur“ als konzeptueller Mittelpunkt und ästhetische Kardinal-Kategorie; in ihm manifestiert sich die Synthesis von
Ideal und schönster Natur. Der Kontur fungiert gleichsam als „Graphem“ (M. Käfer): Im Anschmiegen der „Empfindung“ an den sichtbaren Kontur umfasst der Betrachter den geistigen
Kontur des künstlerischen Konzepts. Ermöglicht der Kontur einen schnellen ‚Totaleindruck‘,
gibt er gleichzeitig die Möglichkeit zu sukzessiv-reflexivem Nachvollzug der Form und dauerhafter Einprägung. Durch symmetria ermöglicht selbst ein fragmentierter Kontur (imaginäre)
Rekonstruktionen. Indem er Einheit in der Mannigfaltigkeit gewährleistet, macht er die Schönheit des Ganzen fassbar und damit erhaben (sic) und erweitert in dieser Empfindung den Geist
des Betrachters. Die innere Bewegtheit des ‚unbezeichneten‘ Kontur, der zwischen Potentialität
und Evidenz changiert, wird, bei Favorisierung einer nicht ganz geglätteten Oberfläche, durch
Meereswellen-Metaphorik verbildlicht: Die geistige Form liegt unter dem elusiv-fluiden Kontur verborgen, bannt den Blick und lässt ihn zum bildenden Reflexionsmedium des geistigen
Konzepts werden, anstatt ihn an einer glatten Oberfläche auf die Welt der Erscheinungen zurückzuwerfen. Zugleich ist die absolute Präzision strenggraphischer Umrisse, die Winckelmann
als historisches Phänomen rechtfertigt, symptomatisch für empiristische Diskurse seiner Zeit,
mit denen die Umrissmode nicht nur der Reproduktionsgraphik in Wechselwirkungen steht.
Für Winckelmann ist der Kontur Ausdrucksträger der Seelenbewegung und dient als soziokultureller Index; bestimmte metaphorische Bereiche kennzeichnen den ontologisch-ideellen Status des Dargestellten. Die Konturen des „Torso“ (‚Hercules‘) fungieren als Denk-Figur, wenn
sie dessen Taten ‚schauen‘ lassen und eine Entrückung an deren Schauplätze initiieren. Ferner
bildet der Kontur, als Kristallisationsmedium eines Analogiedenkens der universal-idealschönen
Form (von jugendlich-männlichen Körpern wie auch von Vasen und Henkeln), eine allgemeine
Literaturberichte 2013–2014
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kultur-/stilgeschichtliche ‚Figur‘ – auch der Literatur; an einer imaginierten Überblendung aller synchronen Epochen-Figuren ließen sich diachrone stilhistorische Entwicklungsgesetze ablesen. Der Kontur bietet damit Klassifizierungsmuster für eine analoge Geschichte neuzeitlicher
Kunst. Zuletzt erscheint er in der literarischen Schlussvignette der Geschichte der Kunst als ‚Begriff‘ von Winckelmanns Methode, verbildlicht den kunstliterarischen Anspruch der Geschichte
als Werk und fungiert zugleich als Allegorie der Archäologie.
C. L. von Hagedorns Betrachtungen über die Mahlerey (1762) favorisieren den duftig-verschwommenen (Farb-)Verlauf von Umrissen und übertragen den Terminus sfumato/„Verblasenes“ auf
skulpturale Gestaltung. Signifikant sind die epochalen Umschlagsmomente von szientifischer
Akribie zu ästhetischer ‚Verklärung‘ und Aufwertung der Empfindung. Erkenntnistheoretisch und
anthropologisch akzentuiert erscheinen in Sulzers Ästhetik Umrisse als Mittler zwischen den Vermögen von Empfinden und Erkennen – dem konstitutiven Dualismus seines Denkens. Im Rahmen seiner Vollkommenheitsästhetik fungieren Umrisse, deren Sprachcharakter er betont, als wesentliches Element „klarer“ und „deutlicher“ Darstellung. Bei Lavater kommt Schattenrissen aufgrund ihrer anthropologisch-ästhetischen Verdichtungsleistung und als unmittelbar-nonverbale „Natursprache“ zentraler Stellenwert zu; seine Physiognomischen Fragmente sollen „Buchstaben
dieses göttlichen Alphabeths […] leserlich vorzeichnen“. Epochentypische Sehnsucht nach sinnlicher Transzendenzerfahrung manifestiert sich hier an Umrissen. Im Rahmen einer Aufwertung
des Tastsinns begegnet der Kontur bei Herder in den Entwürfen zur Plastik; ihm wird es aufgebürdet, Dissoziations- und Zersetzungsängste des Individuums zu kompensieren. Zudem erscheinen ‚Umrisse‘ als literaturtheoretische Metapher für poetische Plastizität, poetische Unmittelbarkeit und poetisch-monadologische Theodizee mittels ästhetischer Erkenntnis. In Heinses Roman
Ardinghello und in seinen italienischen Reisenotizen präsentieren sich Konturen keineswegs als
scharfe Trennlinie von Klassizismus und Antiklassizismus, sondern als irisierende Spiegelachsen:
Heinse arbeitet sich in akribischem Konturen-Nachvollzug am klassizistischen Erbe ab, wobei dies
häufig Urteile revidieren lässt – auch zugunsten einer Bestätigung Winckelmanns. Zudem erscheinen ethnographische und topographische Akzentuierungen: Kulturlandschaft als physiognomisch
ausdeutbare, beseelte Konturlandschaft.
Intensive Auseinandersetzung mit Winckelmann bezeugt das Kontur-Konzept Fernows im Kontext der Debatten um das Charakteristische mit einem komplexen Modell aus einem „Schema
der Gestalt“ und einem „Schema der Schönheit“, die sich als „idealische Schönheit“ „jedem Karakter“ erst anschmiegen müssen. Der Betrachter bedarf eines „fisiognomische[n] Gefühl[s]“,
das „im Totaleindruk der Gestalt“ den „ganzen […] Menschen“ erfasst. Die umfassendste Linear-Ästhetik findet sich in den Schriften Karl Philipp Moritz’. Prägnant sind Moritz’ autonomieästhetisches Konzept des Schönen als ‚in sich selbst Vollendetes‘ und das Ideal einer amimetischen Beschreibung des Schönen, das eine dennoch identische abstrakte „Spur auf dem Grunde der Einbildungskraft“ generiert. Transformationen säkularisierter Signaturenlehre verbinden
sich mit den skizzierten antiken wahrnehmungstheoretischen Theoremen (die auch in der „Poetischen Mahlerey“ der Aufklärungspoetik wirkungsästhetisch diskutiert worden waren); Moritz
entfaltet seine Linearästhetik in eigenen literarischen Texten, während die Umrissillustrationen
Carstens’ zu Moritz’ Götterlehre nach geschnittenen Steinen dem „Grenzenlosen und Unbeschränkten“ mythischer Urzeit die absolute Bestimmtheit und zugleich Petrifizierung der Phantasie gegenüberstellen.
Goethe spart die Termini ‚Kontur‘ und ‚Umriss‘ weitgehend aus, kunstpolitischen Strategien
und der Bedeutung Winckelmanns für seine Kunstanschauung scheinbar widersprechend, aber
innere Spannungen seiner Ästhetik aufzeigend: die Grenze, an der klassizistische Präferenzen
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Literaturberichte 2013–2014
und Goethes Interesse an Farbenlehre aufeinanderstoßen. Umrissdarstellungen stehen zwischen
den Prinzipien von Natur- und Kunstanschauung, zwischen klassizistisch-sistierendem Formwillen und dem für Goethe existentiellen morphologisch-lebendigen Gestalt-Zusammenhang.
Stilisierungstendenzen frühromantischer Umriss-Euphorie wirken als prekäres Erkenntnismedium eigener sentimentalischer Zeitgenossenschaft, wie der Abbruch des Achilleis-Projektes
zeigt. Erst spät findet sich eine explizite Parallelisierung der eigenen literarischen Poiesis mit der
Blick-Konditionierung des Kunstbetrachters. Produktionsästhetisch theoretisiert hat dies Humboldt in seiner Studie über Goethes Herrmann und Dorothea bereits 20 Jahre zuvor, sowohl hinsichtlich der Plastizität der Charaktere als auch für Stilistik, Handlungsdarstellung und „Totaleindruck“, und zwar im Kontext einer universalen Bildungsmission – müsse doch Literatur
an den „innern Formen des Charakters“ arbeiten, „jetzt, wo die äussern der Umstände und der
Gewohnheit mit so furchtbarer Gewalt einen allgemeinen Umsturz drohen.“ Humboldts Umrissreflexionen erscheinen als seismographische Notate epochaler Erschütterungen.
Während sich in A. W. Schlegels Vorlesungen ein Schwanken zwischen Klassik und Romantik zeigt,
erweist er sich in seiner Besprechung der Flaxmanschen Umrisse als theoretischer Vorreiter romantischer Umriss-Euphorien. Er greift Hemsterhuis’ wahrnehmungspsychologische Theoreme
von der Geschwindigkeit der Umrisswahrnehmung und dem darin realisierten Maximum an
Ideen auf; Umrisse werden als poetische ‚Hieroglyphen‘ gedeutet, die an die Einbildungskraft appellieren. Dies wird in den Gemäldebeschreibungen Friedrich Schlegels aus Paris frühromantisch forciert. Ihm gelten umrissbetonte Gestalten besonders frühitalienischer Malerei ebenfalls als Hieroglyphen, die zu religiös motivierter Kunstandacht dienen. Signifikant sind nationalistische Akzente seiner späteren Überarbeitungen: Konsequent verwandelt Schlegel jeden ‚Contour‘ in einen
‚Umriss‘.
Bezeichnenderweise erfahren gegenständliche Umrisse oder Konturen (anders als Arabesken)
in der romantischen Literatur kaum poetologisch-programmatische Ausgestaltung; sie erscheinen erst im Modus umfassender Ironisierung des epigonal-sentimentalischen Umrissstils in
E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Artushof. 1850 präsentieren sich die Umrisse von Künstlern
wie Cornelius und Overbeck in August Kestners Römischen Studien bereits atavistisch, wenn gattungstheoretisch die Kopplung strenger Umrisse an die hohe Idee propagiert und das Wesen
nazarenischer Malerei beschworen wird. Bereits 1854/1855 fungieren in Kellers „Desillusionierungsroman“ (E. Osterkamp) Der Grüne Heinrich Umrissphänomene als Reflexionsmedien für
künstlerisches Epigonalitätsbewusstsein und den Medienwechsel, mit dem sich Innovationsund Reflexionspotentiale zur Literatur verschieben. Damit verlieren auch Umrisse ihren Status
als (kunst)literarisches Reflexionsmedium. Reproduktionsgraphische Neuerungen bedingen mit
malerischeren Effekten andere Blick-Konditionierungen und Reflexionsprozesse; das restaurative Klima generiert ein anderes Subjektgefühl als die Epochenschwelle um 1800. Für Realismus, Naturalismus, Impressionismus kann Umrissenheit kaum als gemäße Reflexionsfigur erscheinen. In Fontanes „Zeitroman“ Der Stechlin fungiert umrissbetonte Malerei schließlich als
Symbol für rettungslosen Reaktionismus. Rilke hingegen entwickelt an Rodins Plastik im Zeichen der Sprach- und Erkenntniskritik der Moderne eine existenziell aufgeladene Transformation des Winckelmannschen Kontur-Konzepts. Er überträgt plastische Konturen in Schriften und
Vorträgen zu Rodin in typographische und akustische Konturen und entwickelt eine von innen
her Gedichte organisierende Poetik der „Figur“, bevor die Konturen der klassischen Kunst in
formalen Stilpluralismen zersplittern wie die Fassung bisheriger Weltordnung in den Katastrophen des 20. Jhs.
Literaturberichte 2013–2014
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Sabine Panzram über Max Kunze / Jorge Maier Allende (Hrsg.), El legado de Johann Joachim
Winckelmann en España – Das Vermächtnis von Johann Joachim Winckelmann in Spanien.
Internationaler Kongress Madrid 2011, Wiesbaden, Verlag Franz Philipp Rutzen 2013, 314 S.
(Cyriacus. Studien zur Rezeption der Antike 4 / Antiquaria Hispania 26).
Selbst vor Königen hatte er keinen Respekt:
Winckelmann, der die neapolitanische „Geheimniskrämerei“ infolge der Entdeckung und
Ausgrabung von Herculaneum und Pompeji nicht verstand, es als sinnlos und schikanös
empfand, dass wichtige Funde und neue Erkenntnisse der Wissenschaft und der interessierten Öffentlichkeit vorenthalten wurden,
polemisierte gegen den „Entdecker“ Alcubierre, der von Altertümern so viel wie der Mond
von Krebsen verstehe, kritisierte die Wahl der
Grabungsplätze und schimpfte ob der Langsamkeit. Die strenge Geheimhaltung von Seiten der spanischen Krone begünstigte seinen
Verdacht, dass es etwas zu verbergen gebe, und
ließ den Eindruck sinnloser, zufälliger Raubgräberei entstehen. Mit seinem „Sendschreiben von den herculanischen Entdeckungen“
(1762), das in Paris übersetzt und 1764 veröffentlicht wurde, missachtete er das von Carlos III. verordnete Publikationsverbot. Der
Hof, an dem die sensationellen Funde als besonderes Verdienst des Königs, als Bestätigung
des „buon regno“, galten und die prachtvollen
Bände „Antichità di Ercolano“ die Ausgrabungen als Ergänzung der militärischen Erfolge des Königs feierten, sprach von französischer Infamie und einer Intrige, zeigte sich aber im Endeffekt
von Winckelmanns verbaler Aggressivität und seiner polemischen Schärfe sowie ob des von ihm
provozierten diplomatischen Eklats wenig tangiert bis belustigt.
Die grundverschiedenen Einstellungen gegenüber der antiken Hinterlassenschaft, die dieser Auseinandersetzung zwischen Winckelmann und dem neapolitanischen Hof zugrunde liegen, sind
bekannt: Der deutsche Kunsthistoriker und Archäologe ging wie selbstverständlich davon aus,
dass diese allen zugänglich sein und jeder Interessierte sie ausführlich studieren und publizieren dürfen müsste, während der spanische König sie als persönliches Anliegen und eine „affaire
d’État“ sah; insofern musste ihre Kommunikation misslingen. Nicht bekannt sind dagegen der
Widerhall und der Einfluss, die das Werk Winckelmanns in Spanien hatte. Diese Tatsache nahmen das Gabinete de Antigüedades de la Real Academia de la Historia, die Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, die Abteilung Madrid des Deutschen Archäologischen Institutes und
die Winckelmann-Gesellschaft Stendal zum Anlass, im Herbst des Jahres 2011 eine Tagung zu
veranstalten. Nun liegt das Ergebnis der Spurensuche von Archäologen und Kunsthistorikern, Hispanisten und Historikern auch in gedruckter Form vor, und zwar in einer zweisprachigen Fassung, so dass der deutschen wie der spanischen Seite ein Einblick in das „interessante kulturelle
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Beziehungsgeflecht zwischen Spanien, Italien und dem restlichen Europa im 18. Jahrhundert“ (S.
19) problemlos möglich ist.
Zudem erschien dieser Rahmen geeignet, einen Überblick zum einen über die Projekte der Winckelmann-Gesellschaft in Stendal zu geben, unter denen nicht zuletzt die seit 1942 fortlaufend
betriebene Bibliographie, die seit Anfang der 1990er Jahre digital im Internet fortgesetzt wird (im
Rahmen des sog. Dyabola-Projekts) sowie der Bestand an deutscher und internationaler Fachliteratur vor Ort, Erwähnung verdienen. Zum einen stellte Maria Fancelli eine neue italienische Ausgabe der Briefe Winckelmanns vor („Lettere di J.J. Winckelmann. Edizione italiana integrale“),
die zwar auf die kommentierte kritische vierbändige Gesamtausgabe des Germanisten Walther
Rehm (1952–1957) rekurriert und z.B. die „relazioni antiquarie“ in seiner Nachfolge ebenfalls als
funktional-strukturelle Bestandteile des epistolographischen Diskurses sieht, aber auch darüber
hinausgeht: durch neue Briefe, die erstmals vorgelegt werden, eine neue Edition und erweiterte
Bibliographie und einen Kommentar, der archäologische und kunstgeschichtliche Aspekte ebenso wie die Biographien der jeweils miteinander Korrespondierenden thematisiert. Und zum anderen präsentierte Adolf H. Borbein den Stand und die Perspektive der historisch-kritischen Ausgabe Winckelmanns, die im Zuge des Interesses zu verorten sei, das in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mit der Rezeptionsforschung neu aufkam, der es nicht zuvörderst um die objektive Richtigkeit der in den Texten enthaltenen Aussagen, sondern deren historischen Zeugniswert
und ihre Weiterwirkung ging (S. 296). Verantwortlich für die „Edition Johann Joachim Winckelmann, Schriften und Nachlass“ zeichnen die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und die Winckelmann-Gesellschaft; die Grundlage bilden die Erstdrucke. Neben der
Kommentierung beeindruckt das Vorhaben vor allem auch durch die bildliche Dokumentation,
werden doch erstmals alle von Winckelmann behandelten Antiken in Fotos bzw. in Stichen abgebildet sein – und nicht zuletzt durch seine mediale Präsentation, denn es soll schließlich im Internet frei verfügbar sein.
Die anderen Beiträge thematisieren sowohl allgemein die „Aufnahme von Funden aus den Bourbonengrabungen in Herculaneum und Pompeji in Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums“ (Eric M. Moormann, S. 61–70), als auch deren Rezeption in der europäischen Kunst
(Rosaria Ciardiello, S. 71–88), gehen auf die Bedeutung des Malers Anton Raphael Mengs für
die Verbreitung von Winckelmann ein (Miguel Ángel Elvira Barba, S. 121–148; Almudena Negrete Plano, S. 149–165), setzen sich mit der Ildefonso-Gruppe (Axel Rügler, S. 193–206; Brigitte Schmitz, S. 207–221) oder beispielsweise den „Spanischen Einflüssen auf das Werk Gotthold Ephraim Lessings“ (Volker Riedel, S. 253–264) auseinander. Der erkenntnisleitenden Frage,
inwieweit das Werk Winckelmanns in Spanien Spuren hinterlassen hat, stellen sich explizit jedoch
lediglich Jorge Maier Allende und Salvador Mas mit ihren Beiträgen zur Winckelmann-Rezeption
im Spanien des 16. bis 18. Jahrhunderts (S. 21–46 bzw. 223–251) und die Antworten, die sie geben, sind diametral entgegengesetzt: Maier Allende zufolge ist es zwar richtig, dass Winckelmann
in Rom nur wenige Spanier persönlich kennenlernte – so den Jesuiten und Maler Antonio Ponz,
den Generalagenten und Prokurator des Königs, José Nicolás de Azara, oder den Generalprior des
Ordens von San Agustín, Francisco Javier Vázquez Jurado –, aber sein enger Freund Mengs habe
sich zweimal am spanischen Hof aufgehalten, und zwar von 1761 bis 1769 und von 1774 bis
1777 und somit die Verbreitung seiner Werke befördert. Auch seien seine Werke – insbesondere
die Geschichte der Kunst des Alterthums – in französischen und italienischen Übersetzungen sowohl
in der Königlichen Bibliothek wie auch in der der Königlichen Akademie der Schönen Künste
von San Fernando und in der Bibliothek des Ersten Staatssekretariats sowie in wichtigen Privatbibliotheken vorhanden gewesen. Zudem sei er von einem der bekanntesten spanischen Intellek-
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tuellen, Gaspar Melchor de Jovellanos, in dessen „Lobrede auf die schönen Künste“ (Elogio de las
Bellas Artes) im Jahre 1780 vor der Königlichen Akademie zitiert worden (in der ersten uns bekannten spanischen Fassung von Antonio Capmany). Salvador Mas negiert diese Tatsachen nicht;
sicher werde Jovellanos Kenntnis von dem Werke Winckelmanns gehabt haben, doch sei die entscheidende Frage schließlich die, warum er nicht zur Verbreitung seiner Vorstellungen und Schriften beigetragen habe. Winckelmann habe der spanischen Kultur keine große Wertschätzung entgegengebracht, sogar den Barock vollkommen ignoriert, eine Einstellung, die vermutlich die Konsequenz seiner politischen Gesinnung sei. Solle man sich also nun über die Tatsache freuen, dass
es trotzdem eine Übersetzung Winckelmanns gäbe oder ernsthaft die Frage stellen, warum nur
eine einzige existiere? Die deutsche wie spanische Fachwelt kann sich zweifelsohne freuen, dass
mit diesem Tagungsband erstmals ein Versuch vorliegt, Winkelmanns direkte wie indirekte Wirkungsmacht in Spanien darzulegen – wie diese zu bewerten ist, darüber wird sicher noch trefflich
und in Winckelmann’scher Manier polemisch zu streiten sein.
Autorreferat: Klaus-Werner Haupt, Johann Joachim Winckelmann, Begründer der klassischen
Archäologie und modernen Kunstwissenschaften, Weimarer Verlagsgesellschaft/Verlagshaus Römerweg Wiesbaden 2014, 279 Seiten, 80 teils farbige Abb.
Am 6. Dezember 1805 berichtete der Weimarer Bibliothekssekretär Christian August Vulpius
an den Bremer Arzt Nikolaus Meyer, der Erbprinz Karl Friedrich habe der Fürstlich freien Zeichenschule Winckelmanns Porträt geschenkt. Am 3. September 1809 wurde im Fürstenhaus
(heute Hochschule für Musik Franz Liszt) die erste ständige Gemäldeausstellung eröffnet. Als
größtes Bildnis beeindruckte das von Anton von Maron geschaffene Porträt Johann Joachim
Winckelmanns (1767/68). Es zeigt den Altertumsforscher in Gelehrtenpose: mit turbanartiger
Kopfbedeckung und pelzgefüttertem Mantel, vor sich das Antinous-Relief aus der Villa Albani.
Nach mehrfachem Ortswechsel gelangte das Bildnis in die Goethegalerie des Schlossmuseums
Weimar.
2009/10 warb vor dem Stadtschloss ein großes Poster für die Sammlungen des Museums. Da
meine letzte Exkursion mit Schülern nach Weimar bevorstand, suchte ich ein allgemein verständliches Sachbuch über Winckelmann – den Wegbereiter der Weimarer Klassik. Fehlanzeige. Nach
Eintritt in den Vorruhestand machte ich mich selbst an die Arbeit. Nach umfangreichen Recherchen, dem Studium seiner Schriften und Reisen zu seinen Wirkungsstätten entstand im Selbstverlag Die zwei Federn des Johann Winckelmann (2012). Das kleine Buch zeigt, wie es dem Stendaler
Schustersohn „mit Glück und Verstand“ gelang, alle mit seiner niederen Herkunft verbundenen
Standesgrenzen zu überwinden.
Die Weimarer Verlagsgesellschaft wurde auf mein Manuskript aufmerksam und wollte mein ursprüngliches Vorhaben unterstützen, Winckelmanns Vorleistungen für die Weimarer Klassik zu
würdigen. Weitere zwei Jahre vergingen, während derer ich den „Winckelmannschen Faden“ weiterspinnen konnte. Ich reiste erneut nach Rom und an den Golf von Neapel. In Gotha fand ich
neben all den Kostbarkeiten des Herzogs Ernst II. auch die Marmorbüsten von Mengs und Winckelmann, in Weimar recherchierte ich zur Antikenbegeisterung am Hofe Carl Augusts. Die Herzoginmutter Anna Amalia verstand Winckelmanns Forderung nach sinnlicher Begegnung als Voraussetzung für den Genuss von Kunst. „Die Wärme seines Tons, die Markigkeit und sentenzenhafte Kürze seiner Sätze, die Leichtigkeit und Beweglichkeit seines Stils, die den Prunkschmuck
gelehrter Zitate vermied“, machten Winckelmann zum Begleiter der gebildeten Gesellschaft.
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Nicht zuletzt die ihr 1782 von ihrem Schatullier Berendis hinterlassenen Briefe Winckelmanns beflügelten Anna Amalias Italiensehnsucht.
Christoph Martin Wieland kam als Prinzenerzieher in das „unendlich kleines Rom“ genannte Weimar. Er kritisierte die „überspannte
Griechenverehrung“ seiner Zeitgenossen. Johann Gottfried Herder forderte dazu auf, „mit
Winckelmanns Würde, Geist und Eifer“ nach
Vorbildlichem zu streben. 1786/88 wollte Johann Wolfgang von Goethe in Italien seinen
„heißen Durst nach wahrer Kunst“ stillen. Seine an den Weimarer Freundeskreis gerichteten Briefe schildern, wie er sich am „Winckelmannischen Faden“ zurechtfand. Inzwischen
hatte Friedrich Schiller sein Gedicht Die Götter Griechenlands (1788) verfasst. Die geliebten Schwestern Lengefeld legten es so aus, dass
Goethe bei seinem Besuch in Rudolstadt nicht
daran vorbeikam.
Das im Frühjahr 2014 erschienene Sachbuch
Johann Winckelmann spannt den Bogen vom
Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Ende der
Goethezeit.
(Weitere Informationen unter: www.sachsen-anhalt-lese.de)
Wolfgang von Wangenheim über Le Mythe grec allemand. Histoire d’une affinité élective [Der
deutsche Griechenmythos. Geschichte einer Wahlverwandtschaft]. Préface [Vorwort] de Michel
Espagne, Rennes 2013, 403 S.
Der Althistoriker Anthony Andurand untersucht in seiner Habilitationsschrift unter dem Titel Le
Mythe grec allemand die wechselvolle Geschichte einer – so der Untertitel – Wahlverwandtschaft,
nämlich der zwischen dem antiken Griechenland und seinen neueren deutschsprachigen Erforschern. Dabei handelt es sich um eine Hypothese, welche eine weite Strecke, für Andurand einen der deutschen „Sonderwege“ zurückgelegt hat, beginnend um 1800 und endend 1945. In die
Welt gebracht wurde sie von Gräzisten.
Deutschland gelte, schreibt der Autor eingangs, als „patrie“, als Vaterland der „Altertumswissenschaft“ (S. 13). In der Tat hat die Internationale der Altphilologen und Archäologen im vorvorigen Jahrhundert die Beherrschung des Deutschen für eine Vorstufe zu jener der klassischen Alten
Sprachen gehalten, da etliche Meilensteine dieser Wissenschaft auf Deutsch verfasst worden sind.
Darüber hinaus aber schien das Altgriechische deutschsprachigen Erforschern noch eine ganz besondere Bedeutung anzubieten. Konnten Italiener und Franzosen sich auf das in ihrer Sprache
aufgehobene Latein beziehen, so suchten Deutsche, sobald sie die Sprache Homers und Pindars
beherrschten, eine Verbindung zu ihrer Muttersprache herzustellen, die – wie in Goethes Roman
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– als „Wahlverwandtschaft“ fungieren sollte.
Das Interesse der Deutschen am Griechischen
hat Winckelmann als erster geweckt; darum
beginnt mit ihm auch das Buch. Und zwar,
vom Thema her, mit der Frage: War sein Griechenland ein deutsches, „une Grèce allemande?“ Andurand sagt: Mitnichten! Denn „in seiner Sprachgestalt wie in seinem Wirken auf die
Zeitgenossen ist das Winckelmannsche Projekt
europäisch“; dieses habe erst im 19. Jahrhundert eine „bestimmte Geschichtsschreibung“
verkürzt „aufs Nationale“. (41)
Zur Erinnerung: Vor den griechischen Tempeln von Paestum lässt der Abbate sich Salomon Gessners „Idyllen“ vortragen und lobt
daraufhin brieflich des Verfassers poetisches
Deutsch. Für seine eigene Arbeit, die „Geschichte“, suche er zur Zeit eine ähnlich ausdrucksvolle Sprache, wohl wissend, „was
Schreiben vor ein schweres Werck ist“ (Brief
382) Und er, der bereits ein Buch auf Französisch verfasst hat und eines auf Italienisch vorlegen wird, er wählt hier, in Rom, das Deutsche, nicht zuletzt in der Absicht, „um den
Ausländern zu zeigen, was man vermögend ist
zu thun“ (Brief 215). Franzosen, Engländern,
Italienern will er es zeigen! Nicht um sie zu übertrumpfen, sondern um, als Deutscher, kraftvoll mitzureden. Wenn er doch einmal auftrumpft im Schatten von Sankt Peter, dann mit seiner
Kompetenz im Griechischen. Von dieser Sprache aus, von der Literatur her hatte er den ersten
Zugang gefunden zu der mit ihr verbundenen bildenden Kunst.
Für Andurand beginnt der „Mythos“ mit Wilhelm von Humboldt, der in einem Brief an Goethe Homer und Sophokles uns Deutschen für „gleichsam verwandt“ hält, der späterhin das Griechische insgesamt, sprachlich und geistig, propagiert als „Modell“ fürs gehobene Deutsche. Ihm
folgend entsteht das deutsche altsprachliche Gymnasium, entwickeln sich Archäologie und Altphilologie im 19. Jahrhundert zu führenden Fächern an deutschsprachigen Universitäten; dabei artikuliert sich das Nationale anfangs als wachsender Bürgerstolz gegenüber dem Klassizismus
der Fürstenhöfe. Der Bonner Archäologe Otto Jahn etwa sah bei seiner Rektoratsrede 1859 eine
„große Mission des menschlichen Geistes“ am Werke, wo weder „Rasse“ zähle noch „Volk“ (136).
Die Wiederentdeckung der griechischen Literatur habe in Italien begonnen, sei in Frankreich wesentlich erweitert, in den Niederlanden und England vertieft worden, worauf sie im deutsch-sprachigen Raum ihre volle gegenwärtige Bedeutung erlangt habe.
Das wurde formuliert zwölf Jahre vor der Einigung der Staaten und Städte des Deutschen Bundes
zu einem einheitlichen Deutschen Reich. Andurand sieht hier einen der Wendepunkte: Begonnen hatte die „Griechensehnsucht“ als Suche nach dem, was der Gegenwart fehlte, nämlich nach
Ruhm und Glanz und nationaler Größe. Archäologie fungierte als Trostfach mit Nachrichten aus
besserer Zeit. Nun aber erlaubte die Einigung den vergnügten Blick hoch von den Zinnen des
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Machtgebildes Deutsches Reich auf seine – vermeintlich – wegweisenden Vorläufer. Wichtiger,
bedeutsamer als die Geschichte der rivalisierenden Stadt-Staaten schien nunmehr das Alexan­
derreich, in dem jene aufgegangen waren. Gegen den vehementen Einspruch von Nietzsche und
Burckhardt wurde der Mythos gedeutet als Siegestrophäe. Den liberalen Otto Jahn verdrängte der
junkerliche Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff.
Der wiederum musste erleben, dass 1918 Preußens Gloria mit Kaiser und Reich verging, wodurch leider kein Anknüpfen an das Prinzip Demokratie angesagt war, sondern nur an die frühere
„Sehnsucht“. Konservative Historiker verwiesen erneut auf die historische Niederlage der griechischen Stadtstaaten bei Cheroneia gegen die Despoten Philipp und Alexander, kehrten jedoch deren Bedeutung für die Gegenwart einfach in ihr Gegenteil. Als eigentlicher Sieger sollte von nun
an das rhetorische Genie des Atheners Demosthenes gelten, und damit die von ihm verteidigte
Sprache, Literatur und Kunst. An ihnen sollte der deutsche Gymnasiast seinen beschädigten Nationalstolz aufrichten zu einem: Nun erst recht!
Der letzte Abschnitt gilt dem Verhältnis von Philologie und Faschismus, der dann ins historische Aus führte. Ihre größte Dichte und Prägnanz gewinnt die Darstellung in der Konfrontation zweier Gräzisten, die führend waren in ihrem Fach (über beide war noch in den fünfziger Jahren im Feuilleton viel zu lesen). Der eine, Werner Jaeger, hatte in den Dreißigern eine monumentale Neubesinnung entworfen unter dem Titel Paideia, was auf Griechisch „Erziehung“ heißt und
den Versuch darstellt, aus dem Werk des Philosophen Platon, insbesondere aus dessen Schrift Der
Staat, ein Fundament staatsbürgerlicher Gesinnung und kultureller Orientierung zu entwickeln.
Dem hat der Hamburger Bruno Snell ab 1935, mit größerer Reichweite nach 1945, entschieden
widersprochen: Jaegers ganzes System sei geprägt – hier bedarf es keiner Übersetzung – von „inconsistance“, sowohl „théorique“ als auch „historique.“ (330) Den Deutschen mit ihrem lädierten
Nationalstolz sei damit „ein abstraktes und unerreichbares Griechenland“ zurechtgezimmert worden, eine „projection d’un humanisme en mal de totalité et d’héroisme“, der „Entwurf eines Humanismus auf der verzweifelten Suche nach Ganzheit und Heldentum“ (340). Bei Jaeger verdämmert das Nationale in seinem eigenen, abstrakten Ideal. Snell entsorgt es als Weg ins Nirgendwo,
in die Irre.
Am Ende stellt der Autor die von ihm ausführlich vorgetragene Partikulargeschichte dann doch
als Ganze in Frage. Was ist denn dran, was kann überhaupt dran sein an einem Mythos? Dazu erinnert er an eine wissenschaftliche Untersuchung, die Epoche gemacht hat, an das Buch eines
französischen Mediaevisten, den deutscher Rassismus 1944 zu Tode brachte, an Marc Bloch und
sein 1924 erschienenes, auch in Deutschland rezipiertes Buch von den „Rois thaumaturges“, den
französischen Königen als „Wunderheilern“; auf sie stützte sich nicht nur das Wohl des Ganzen,
sondern auch die Gesundheit des Einzelnen. Seinen Gang durch die Geschichte schließt Bloch
mit dem Satz: „Warum nur glaubte man an das Heilungswunder? Man hielt einfach fest an der
Idee, da müsse ein Wunder sein.“ Bloch dient Andurand zu einem Analogie-Schluss: „Einem solchen Optimismus gab sich auch die deutsche Wissenschaft hin, über anderthalb Jahrhunderte.
Die Deutschen waren so wenig Griechen, wie Fürsten durch Handauflegen ein Geschwür wegzaubern konnten. Und doch hat in dieser ganzen Zeit die Altertumswissenschaft gedacht, behauptet, bewiesen, Deutschland sei, auf die eine oder die andere Weise, ein neues Hellas.“ (372)
So der furiose Schluss eines bewegenden, in seiner Detailfreude bisweilen auch ermüdenden
Buches. Etwas freilich fehlt der Darstellung, und das ist mehr als ein Detail. Die Lücke klafft so
eklatant, dass der Rezensent hier auf absichtliche Vermeidung schließen muss, begründet durch
eine emotionale Sperre des Autors. Wie kann man ein ganzes Kapitel über „Winckelmann und
die Feier der griechischen Schönheit“ schreiben ohne einen einzigen Verweis auf die damit ver-
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bundene Erotik? Das Wort „Eros“ kommt im ganzen Buch nicht vor – wie im Neuen Testament.
Die Rede ist vom altgriechischen „Schönheitskult“, von der „Freiheit der Sitten“ (217), von der
„beauté hellénique“, deren Inbegriff die „beauté athénienne“ sei (219). Doch jenes „Schöne“,
welches die Griechen so sehr und so freizügig „liebten“ – es bleibt völlig unbezeichnet. Wo Winckelmann blühendes Leben ahnte, sieht Andurand nur schönen Stein. Und den nur aus größter
Ferne, entrückt in die Abstraktion. Unter Altertumswissenschaftlern, unter Gymnasiasten und ihren Lehrern waren nicht wenige motiviert von der hier verschwiegenen, der ausgesparten Konkretion. Die wäre doch eines Gedankens wert gewesen! Und käme er daher auf Taubenfüßen, etwa
in der katholisch-barocken Formulierung eines Voltaire: als Liebe, welche man die „sokratische“
nennt, „l‘amour nommé socratique“.
Johann Joachim Winckelmann, Historia de las artes entre los antiguos. Obra traducida del
alemán al francés y de este al castellano en 1784 e ilustrado con algunas notas por Diego Antonio Rejón de Silva [Das Werk: Geschichte der Kunst des Alterthums aus dem Deutschen ins
Französische und daraus ins Kastilische 1784 übersetzt, erläutert von Diego Antonio Rejón de
Silva], hrsg. von Alejandro Martínez Pérez, Madrid 2014.
Am 16. Januar 2014 wurde in der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid, die
bis heute nur als Manuskript existierende spanische Übersetzung (1784) der Geschichte der Kunst
des Alterthums präsentiert. Der Übersetzer und Kommentator des Winckelmannschen Werkes,
Diego Antonio Rejón de Silva, bediente sich einer französischen Übersetzung, was der geringste
Grund war, das Manuskript nicht zu veröffentlichen, das seit 1797 im Bibliotheksarchiv der Real
Academia de Bellas Artes de San Fernando (Madrid) schlummerte:
Vgl. hierzu den Beitrag des Herausgebers Alejandro Martínez Pérez: Fortuna de las obras de Winckelmann en España: La traducción de la Historia del Arte de la Antigüedad de Diego Antonio Rejón de Silva / Das Schicksal der Werke Winckelmanns in
Spanien: Die Übersetzung der Geschichte der Kunst des Altertums durch Diego Antonio Rejón de Silva, in: El legado de Johann
Joachim Winckelmann en España / Das Vermächtnis von Johann Joachim Winckelmann in Spanien. Akten des internationalen
Kongresses, Madrid 20.–21. Oktober 2011, hrsg. von Max Kunze und Jorge Maier Allende, Stendal 2014 S. 47–55/55–60.
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Literaturberichte 2013–2014
Nikolaus Gatter: Karl August Varnhagen von Ense als Leser Winckelmanns in Paris
Als Karl August Varnhagen (1785–1858) im Sommer 1810 in österreichischer Uniform – als
Adjutant seines Regimentsobersten Wilhelm von Bentheim – nach Paris reiste, war längst nicht
ausgemacht, welchem Lebensentwurf er folgen wollte. Von Kind auf zum Arztberuf vorbereitet, besaß er ein medizinisches Doktordiplom. Mit zwölf Jahren schrieb er lateinische Aufsätze;
sein diskontinuierliches Studium weckte auch die Liebe zur griechischen Philologie. Mit seinen
Dichtergenossen vom „Nordsternbund“ (seit 1804) hatte er einen Kollektivroman veröffentlicht,
mehrere Anthologien sowie – mit Adelbert von Chamisso, den er in Paris als August Wilhelm
Schlegels Sekretär wiedertraf –, drei Musenalmanache. Als Freiwilliger im österreichischen Heer
hatte Varnhagen 1809 die Schlacht von Wagram mitgemacht; seine Diplomatenkarriere, die mit
dem Wiener Kongress begann und 1819 vor den Karlsbader Beschlüssen ein jähes Ende nahm,
Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft 76/2014: Beilage
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war noch nicht abzusehen, ebensowenig sein späterer Ruhm als Biograph, Kritiker, Herausgeber
und Sammler.
Den Aufenthalt in der Hauptstadt des napoleonischen Weltreichs schildert Varnhagen im
Reisebericht Paris, 1810. Als Arbeitsprobe übermittelten ihn Berliner Freunde Augustin
Ferdinand von der Goltz, von dem er sich eine Anstellung erhoffte. Der damalige preußische
Außenminister nahm – wie es angesichts bedenklicher Polemik gegen Napoleon geraten schien
– die Blätter unter Verschluss und rückte sie nie mehr heraus. Wichtige Passagen, darunter auch
eine Audienz bei Napoleon, die Varnhagen Jahrzehnte später in seinen Denkwürdigkeiten schilderte, wurden vielleicht schon damals vernichtet; sie fehlen im Manuskript, das Varnhagen erst
1834 von Goltz’ Nachfahren zurückbekam. Es findet sich in der Varnhagensammlung in Krakau
und wurde 2013 als Broschüre der Kölner Varnhagen-Gesellschaft e. V. ediert (zu Varnhagens
Nachlass vgl. den Aufsatz des Verfassers in Italien in Preußen – Preußen in Italien, Schriften der
Winckelmann-Gesellschaft Bd. XXV, hrsg. von Max Kunze, Stendhal 2006 S. 236–247).
Obwohl 1810 in Paris nicht mehr „Studirenszeit“ für ihn war (Denkwürdigkeiten des eignen
Lebens, Leipzig 1871 Bd. 3, S. 97) wie für seine Freunde Immanuel Bekker und Ludwig Uhland,
besuchte Varnhagen neben verschiedenen Kunstdenkmälern und -sammlungen die Kaiserliche
Bibliothek. Auf Johann Joachim Winckelmanns dort verwahrten handschriftlichen Nachlass
machte ihn sein Hamburger Landsmann Karl Sieveking aufmerksam. In den Denkwürdigkeiten
erwähnt Varnhagen außerdem (S. 99), wie sich der spätere Kultusminister Altenstein 1815 in
den Verhandlungen zum zweiten Pariser Frieden mit Tauschvorschlägen vergebens bemüht habe,
diesen und andere Schätze für Berlin zu erlangen.
Varnhagen stellte sich beim Exzerpieren die Frage, ob die Texte Winckelmanns schon irgendwo gedruckt seien. Doch erst Band 12 der Sämtlichen Werke (hrsg. von Joseph Eiselein,
Donaueschingen 1829 S. XLII) brachte die zwei kleineren Fragmente. Hingegen war
Winckelmanns Betrachtung über Xenophon in französischer Übersetzung bereits erschienen (Magasin Encyclopédique I, Paris 1809 S. 74–78). Das deutsche Original kam, nachdem
Varnhagens verschollenes Manuskript bei Niederschrift seiner Denkwürdigkeiten nicht zur
Verfügung stand, erst durch die Biographie von Carl Justi ans Licht (Winckelmann, sein Leben,
seine Werke und seine Zeitgenossen, Bd. 1, Leipzig 1866 S. 508–510).
Paris, 1810 entstand im westfälischen Burgsteinfurt, wo sich Varnhagen im Winter 1810/1811
am Stammsitz der Grafen von Bentheim-Steinfurt aufhielt. „Mein Buch über Paris zirkulirt noch
in Berlin“, schrieb er am 5. November seiner Schwester Rosa Maria Varnhagen in Hamburg
und unterstrich mit dieser Wortwahl die öffentliche Destination des Textes. Dorothea Schlegel,
die von ihrer in Paris lebenden Schwester Henriette davon gehört hatte, erbat ihn für eine von
Friedrich Schlegel in Wien gegründete neue Zeitschrift; „das geht aber nicht an“, teilte Varnhagen
seiner Verlobten mit (24.1.1812, Briefwechsel zwischen Varnhagen und Rahel, Bd. 2, Leipzig 1874
S. 231). Nicht nur, weil das Paar die restaurativ-katholische Tendenz des bewunderten Schlegel
ablehnte, sondern vor allem, weil Varnhagen mit Paris, 1810 die von Schlegel geschilderte Reise
nach Frankreich von 1802 einer Revision unterzieht. Dieser Aufsatz im ersten Jahrgang von
Europa. Eine Zeitschrift (1803) war noch vor dem Reichsdeputationshauptschluss entstanden,
als eine preußische Niederlage noch undenkbar schien. Zehn Jahre später ging es darum, das
deutsch-französische Verhältnis im Hinblick auf die europaweite Diktatur Napoleons neu zu
bewerten. Beide Berichte entstanden im Bewusstsein der Unumkehrbarkeit der Französischen
Revolution, deren Lehren für Kultur, Bildung und Staatsverfassung im rückständigen
Deutschland noch zu ziehen waren. Varnhagen selbst nahm ein Vierteljahrhundert später in den
Denkwürdigkeiten manches Diktum von 1810 zurück, wie das über Jacques-Louis David. Doch in
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Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft 76/2014: Beilage
seinen ästhetischen Auffassungen wich Varnhagen, der sich beispielsweise mit warmen Worten für
Schillers Lied von der Glocke aussprach, mitunter von Schlegels Urteilen erheblich ab.
Nicht so in der Bewertung Winckelmanns, den Schlegel zusammen mit Klopstock und Lessing
als Stilvorbild empfohlen hatte. Sein „Enthusiasmus für das Alterthum und die Kunst“, die er
„in einem unsterblichen Werke dargestellt, als eine gewaltige Masse erhabner Bildung mitten in
die Verderbtheit und Armseeligkeit der literarischen Welt hingestellt“ habe, wird in der Europa
von 1803 gewürdigt (Heft 1, S. 43): „Seine Geschichte, philosophischer als noch keine war, weil
sie in klarer Einfalt ist, was jede Geschichte seyn sollte, Naturgeschichte, Physik, die den innern
Organismus der Bildung entwickelt, ist eben deswegen als unbewußte Poesie, er selbst aber gewissermaßen als ein Vorgänger Goethe’s zu betrachten.“ Varnhagen konkretisierte und politisierte
in seinem Reisebericht dieses Urteil, wenn er Winckelmann der militärischen und kulturellen
Dominanz des napoleonischen Frankreich entgegenhielt, als Beispiel für „eine wahre Eroberung,
die nicht verwüstend, sondern anbauend und bildend uns ein neues, kaum besuchtes Feld angeeignet hat“, nämlich die Bildungswelt des klassischen Altertums.
Varnhagen kam noch öfter auf Winckelmann zurück. Im April 1835 rezensierte er für die
von ihm mitgegründeten Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik (Nr. 80, Sp. 655–656) den
biographischen Essay von Adolf Krech und widmete dem „trefflichen Aufsatze“ freundliches
Lob (Erinnerungen an Winckelmann, Berlin 1835, s.u. S. 7–8). Der Kunsthistoriker Wilhelm
Dorow entlieh sich, wohl durch Varnhagens Vermittlung, für eine projektierte Fortsetzung seiner Facsimile-Lithographien ein Winckelmann-Autograph über den Apollo von Belvedere von
Gustav Parthey, dessen Begleitschreiben vom 12.12.1844 in Varnhagens Sammlung gelangte. Im
Sommer 1849 kam der französische Autor und Übersetzer Charles Galusky nach Berlin, der in
der Revue des deux mondes (Bd. 21, 1848 S. 849–878) über Varnhagens Lehrer Friedrich August
Wolf geschrieben hatte. „Hrn Galusky, der mich in litterarischen Sachen um Rath fragt. Er will
über Winckelmann und über Chamisso schreiben“, notierte Varnhagen am 9. Juli 1849. Offenbar
wurde nichts daraus; 1887 gab Galusky die Antiquités Grecques von Georg Friedrich Schoemann
und darin dessen Rede über Winckelmann französisch heraus. Varnhagens Tagesblätter aus seinem
letzten Lebensjahrzehnt geben viele Hinweise auf erneuerte Winckelmann-Lektüre, parallel zu
griechischen und römischen Autoren, bis hin zu einer Verteidigung Winckelmanns gegen Lessings
Polemik (9.2.1855, vgl. Tagebücher, Bd. XI, Hamburg 1869 S. 435).
XVIII.
Ein Schaz, der es nicht sowohl für die Franzosen ist, als für uns wäre, befindet sich auf
der kaiserlichen Bibliothek, den ich nicht ohne die innigste Verehrung und Andacht in
meinen Händen hatte: es sind etwa sechzehn Bände handschriftlicher Kollektaneen von
Winkelmann, die von Rom hieher gebracht worden sind. Eine wunderliche Heimlichkeit
ergreift einen, wenn man so mit den Augen über den geheimen Gängen weilt, die
der theure Mann angelegt hat, um sein lautres Erz zu Tage zu fördern, gleichsam den
Hausrath betrachtet, mit dem er gelebt, den er gewählt und gestellt hat mit eigener
Hand, und wenn seine Werke ohne Vergleich schäzbarer sind, als diese Zubereitungen,
in dem Maße schäzbarer, als seine eigene Bildung besonnen, und sein Wollen tüchtig und kräftig ist, so bleibt doch der Anblick und der Genuß dieser handschriftlichen
Sammlungen um so viel rührender und vertrauter, als überhaupt der Mensch mehr ist
als sein Talent, und wir uns, zumal bei einem solchen Menschen, lieber mit dem innersten Gemüt befreundet und in Liebe vereinigt sehn wollen, als in einem höhern Kreise
Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft 76/2014: Beilage
3
durch Geist und Wirken mit dem verbunden, was er geleistet hat. Diese Sammlungen
machen um so mehr Anspruch auf unsre verwandtschaftliche Liebe, als sie eigentlich
über diese hinaus wenig bedeutend sind, und überall nichts von Sachen sondern eigentlich nur von dem Manne uns das handschriftliche Bild anregt, und auch da noch
für öffentliche Mittheilung fast gar keine Ausbeute zu finden wäre. Die meisten dieser
Bände bestehn aus weitläuftigen Auszügen aus gedruckten allbekannten Büchern, ohne
Zusammenstellung nach dem Stoff, aus der allgemeinen Welthistorie, aus Memoiren, ja
sogar aus einer gewöhnlichen englischen Sprachlehre, wobei man wahrhaftig sich der
wehmütigen Klage nicht erwehren kann, daß der große Mann sich die gewöhnlichsten
Bücher, statt mit Geld, mit seinem kostbaren Fleiße, gleichsam dem Blute des Gelehrten
hat festhalten müssen! Mitunter kommen auch wohl Bemerkungen und Berichtigungen,
in kräftigen, höchst ergözlichen Ausdrücken, wie wir dieselben auch aus seinen Briefen
kennen. Einige Bände enthalten vorzüglich Griechisches, Noten zur Anthologie, kleine
Register, einige damals unedirte Epigramme u. dgl. alles in der angenehmen, deutlichen und freundlichen griechischen Schrift, von der er in den Briefen sagt, der Kardinal
Passionni sei ganz darein verliebt, und die an seiner glücklichen Berufung nach Rom
so großen Antheil hatte. Die Auszüge sind immer in der Sprache des Buchs, woraus sie
genommen, griechisch, lateinisch, deutsch, französisch, englisch und italienisch. Ein
anderer Band, vielleicht der an eigenem Werthe bedeutendste enthält ein kurzes, doch
oft mit wenigen kräftigen Zügen beurtheilendes Verzeichniß aller Alterthümer, besonders Statuen, die in Rom, in den verschiedenen Museen, Villen u.s.w. zerstreut sind. Am
merkwürdigsten unter allen für diejenigen, denen Winkelmanns innere Arbeit, Wahl
und Stellung des Einzelnen in seiner Geschichte der Kunst des Alterthums zu erforschen Vergnügen machen dürfte, ist ein Band, der gleichsam das erste Konzept dazu
enthält, mit unzählichen Abänderungen und Herumwerfungen; so ist z.B. mehrmals zu
der Beschreibung des Apollon von Belvedere angesezt, und die endliche erfolgte und
gedruckte ist wahrscheinlich von allen diesen Anfängen verschieden. Für das Studium
der Sprache, des Stils und der schriftstellerischen Komposizion überhaupt könnte man
keine belehrendere Vergleichung anstellen, sie könnte auch dürftige Menschen in
Erstaunen sezen, wie sehr die Begeisterung des wirklichen Enddarstellens über solche
verarbeitende Entwürfe und Proben erhaben ist, die der göttliche Geist gleichsam wie
eine menschliche Hülle unter feuriger Entwickelung ablegt. Einige andre Auszüge sind
noch zu bestimmten Zwecken unter allerlei Rubriken angelegt, und man müßte leicht
die Stellen in den Werken finden, wo sie verarbeitet worden. Angefangene Briefe, kleine
Aufsäze, Bemerkungen füllen andre Blätter, doch daß nicht immer ganz leicht zu unterscheiden ist, ob sie ganz sein eigen sind, und eine genaue Nachforschung dazu gehörte,
um zu sehn was davon in den Druck übergegangen sein mag. Auf die Gefahr hin, etwa
schon Gedrucktes zu geben, weil weder jezt noch damals Gelegenheit zum Nachsuchen
war, will ich doch hier zwei kleinere Fragmente, und einen größern Aufsaz mittheilen,
die ich aus diesen Handschriften abgeschrieben habe, und die Ihr gewiß, so wenig es ist,
mit Liebe zu dem treflichen Manne lesen werdet an den kein Deutscher denken kann,
ohne sich erhoben zu fühlen und bereichert durch die neue Eroberung, die durch ihn
unsrer Wissenschaft zu Theil geworden ist, eine wahre Eroberung, die nicht verwüstend,
sondern anbauend und bildend uns ein neues, kaum besuchtes Feld angeeignet hat, ein
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Bestreben, dem in vieler Rücksicht Goethe’s Gestaltung der Farbenlehre zu vergleichen
ist, so sehr auch Methode und Gegenstand abweichen. – Übrigens ist doch keineswegs
wahrscheinlich, daß die folgenden Fragmente schon irgendwo gedruckt vorkämen; sie
stehn getrennt aufgezeichnet, aber in innerm Zusammenhang.
______________
„Ich habe in dem Versuch der Historie der Kunst lieber wie Herodotos, als wie Thukydides verfahren wollen; jener fängt an von den Zeiten, da die Griechen anfingen groß zu werden, und hört
auf mit der Erniedrigung ihrer Feinde; dieser fängt an von den Zeiten, da die Griechen anfingen
u[n]glücklich zu werden.“
—
„Es ist schwer kurz zu schreiben, auch nicht eines jeden Werk, denn man kann in einer völligen
Art zu schreiben nicht so leichte beim Worte genommen werden. Aber unsere Zeit erfordert die
Kürze sonderlich wegen der Menge der Schriften. Derjenige, der an jemand schrieb, ich hatte
nicht Zeit, diesen Brief kürzer zu machen, erkannte was die kurze Schreibart erfordert.“
—
„Xenofon schreibt wie die Musen würden gesprochen haben nach dem Urtheil der Alten. Die
schöne Natur mit allen ihren Reizungen herrschet durch und durch in seinen Schriften. Er hat
dieselbe wie sein Lehrer (Sokrates) vollkommen gekannt: er ist mit ihr umgegangen wie sie es verlangt; sie will nicht entblößet, aber auch nicht mit Schmuck überladen sein. Sie hatte ihn liebenswürdig gebildet.1 Er war überaus schön in seiner Jugend, in seinem Gesichte zeigte sich wie in seinen Schriften ein sanftes und stilles Wesen. Isokrates, der Redner, der sein Talent zur Geschichte
sahe, munterte ihn auf, es zu zeigen2. Er ist der einzige unter den Alten in seiner Art, und ist dem
Herodot, dem er gefolget ist, nicht vollkommen gleich, welches man auch aus dem Anfange ihrer
beider Geschichten urtheilen kann3. Herodot fängt also an: ‚Herodot von Halikarnaß hat seine
Geschichte zu schreiben unternommen, damit theils nicht die Sachen, welche geschehen sind,
durch die Länge der Zeit sich aus der Welt verlieren, theils damit ruhmwürdigen und außerordentlichen Thaten der Griechen sowohl als anderer Völker ihr verdienter Ruhm nicht entzogen
werde.‘ Xenofon hingegen fängt die Geschichte von dem persischen Feldzug, der ihm so viel
Ehre, wie die Geschichte selbst machet, mit eben der edlen Einfalt an, mit der er sie beschließet.
‚Darius und Parysatis hatten zween Prinzen‘, so lautet der Anfang, ‚der ältere Artaxerxes, der jüngere Cyrus. Darius ließ sie, da er krank wurde, und sein Ende merkte, vor sich kommen.‘ Man
fühlet den Unterschied; hier spricht gleichsam die unschuldige Jugend, dort ein männliches Alter.
Ein Scribent, der bei Entwerfung einer Geschichte noch mehr Absichten, als die Wahrheit hat,
könnte glauben, sein Werk würde mit dergleichen Eingang gar keinen Anfang zu haben scheinen.
Die Lehrer der Redekunst unter den Griechen fanden diesen Anfang vollkommen schön, und
stellten denselben in verschiedenen Fällen als ein Muster vor4. Man suchte ihn nachzuahmen5,
aber vielleicht mit noch wenigerm Beifall, als mit einem gekünstelten und weitgesuchten Eingang
geschehn sein würde. Die nackten Grazien würden dem Meister mehr Mühe zu schildern kosten, als die Gemahlin des Jupiters mit aller ihrer Pracht. Ein prächtiger Aufzug vom Cagliari
wird leichter als eine Diana im Bade von Albano nachzuahmen sein. Die Natur ist schwerer zu
erreichen, als die Kunst, ut sibi quivis Speret idem sudet multum, frustraque laborat Ausus idem.
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Thukydides hat vor gut befunden vor Erzählung der Geschichte des peloponnesischen Krieges,
welchen er erlebet, in die ältere Geschichte von Griechenland zurückzugehen. Cäsar, der dem
Xenofon, wie es scheinet, als seinem Muster gefolget ist, tritt nicht wie derselbe mit dem ersten
Worte in die Geschichte des gallischen Krieges, welchen er selbst geführet. Aber an beiden Orten
war eine vorläufige Nachricht nöthig; ein Anfang ohne Eingang würde hier mangelhaft gewesen
sein, und man würde vielleicht geurtheilet haben, wie Aristoteles von des Gorgias Lobrede auf die
Eleenser, welche sich anfing: ‚Elis ist eine glückliche Stadt‘6. Er sagt, in dergleichen Rede auf solche Art anzufangen heiße überhin gefahren, kahl und nachläßig. Xenofon macht es wie Homer:
in medias res Non secus ac notos auditorem rapit Horat. art. poet. 148. 149. In seiner Geschichte
von Erziehung des Cyrus hingegen macht er den Anfang mit einem vorläufigen Unterricht, und
wenn man an diesem Ort die Art des Ausdrucks mit dem Herodot vergleicht, so wird man den
Unterschied sehr merklich finden. Gleich zu Anfang des Persischen Feldzuges redet er von dem
Feldherrn der Griechen, dem Spartaner Klearchos: ‚Clearch, sagt er, war ein Lacedämonier, und
hatte entweichen müssen. Cyrus bekam eine Hochachtung vor ihm, sobald er ihn kennen lernete, und gab ihm tausend Darikos: er nahm das Geld, und warb Völker damit an.‘ Findet man
hier nicht die erleuchtete und reine Kürze, die Cicero allen Reizungen in einer Geschichte vorziehet?7 Nihil est in historia pura et illustri brevitate dulcius. Diodor sagt eben dieses8. Man halte
seinen Bericht gegen den vorigen: ‚Da Cyrus sahe, daß Clearch ein Mann von Mut und fertiger
Entschließung war, gab er ihm Geld und Befehl so viel fremde Völker als möglich davor zu werben, er glaubte ihn geschickt zu finden seine Unternehmungen ausführen zu helfen.‘ Ich glaube
man wird fühlen, in welcher von beiden Erzählungen mehr edle Größe des Ausdrucks herrschet.
Eben diesen Klearch läßt Xenofon eine Rede halten an seine Völker, die sich we[i]gerten weiter
zu gehn, da sie merkten, daß sie wider den König in Persien fechten sollten, wozu sie sich nicht
hatten anwerben lassen. Man sehe, wie der Geschichtschreiber sich immer gleich bleibt: ‚Lieben
Soldaten‘, redet sie Klearch an, ‚wundert euch nicht, daß mir die gegenwärtigen Umstände
nahe gehen. Cyrus hat mit mir eine Verbindung geschlossen, er hat mich, da ich aus meinem
Vaterlande entwichen, mit vieler Ehrenbezeigung aufgenommen, und hat mir tausend Daricos gegeben, welche ich genommen, nicht aber in meinen Nuzen verbraucht, oder sie sonst üppig verschwendet, sondern ich habe sie auf euch verwandt.‘ Diejenigen welche die Natur mehr in ihren
großen und erhabenen als kleinen und niedrigen Hervorbringungen verehren – non omnes arbusta
juvant, humilesque myricae – wollten vielleicht in einer Rede mehr Feuer als in einer Erzählung
haben. Livius und Tacitus würden sie mehr rühren. Mich däucht aber sie würden an diesem Ort
und in diesen Umständen wie Klearch mit einer heftigen Rede getadelt zu werden verdienen. Das
Heer war aufsäzig, ihr Feldherr konnte es allein mit Gelassenheit besänftigen. Die Rede, welche
Cäsar dem Ariovistus halten läßt, ist frech, so wenig sich auch der Ausdruck über die vorgehende Erzählung erhebt. – 1Diog. Laert. L. II. Sect. 48. p. 109. Chio Epist. 3. in Coll. Epist. Aldin.
graec. – 2Photii bibl. cod. CCLX. – 3Dionys. Halic. ep. ad Pom. §. 4. Idem censur. prisc. script.
cap. III. §. 2. – 4Aristid. art. orat. L. II. §. 16. – 5Lucian. de hist. scrib. – 6Aristot. Rhet. L. III. c.
14. – 7Cic. de orat. – 8Diod. Sic. L. XLIV. c. 13. –“
Quelle: Karl August Varnhagen von Ense: Paris, 1810, Kapitel XVIII S. 52–57. Sammlung Varnhagen, Kasten [258], Biblioteka
Jagiellońska, Kraków. – Schreibungen wie „Winkelmann“, „Passionni“, „z“ statt „tz“ und „notos“ statt „notas“ wurden nicht
korrigiert, der Text ist zeichengetreu wiedergegeben bis auf folgende Ausnahmen: Einleitende Bemerkungen Varnhagens sind
im Manuskript mit vertikalem Längsstrich, alle Anfangszeilen der exzerpierten Absätze jeweils mit einem, bei Zitaten im Zitat
mit zwei öffnenden Anführungszeichen versehen (hier in einfachen Anführungszeichen). Fußnotenreferenzen bei Winckelmann
übernahm Varnhagen originalgetreu mit Strichen, hier sind sie mit Ziffern dargestellt; irrtümlich fehlende Buchstaben wurden
in eckigen Klammern ergänzt.
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K.A. Varnhagen von Ense über Erinnerungen an Winckelmann. Abhandlung von A. Krech.
Berlin, 1835, in: K.A. Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften Bd. 2,
Mannheim 1837 S. 461–464:
Wenn bisweilen bändereiche Schriften in unsern Anzeigen ohne Nachtheil für die
Wissenschaften übergangen werden dürfen, so haben wir dagegen um ihrer Bedeutung
willen auch öfters kleine Schriften hervorzuheben, deren Erscheinungsweise die allgemeine Aufmerksamkeit sonst wenig in Anspruch zu nehmen pflegt. Dies ist der Fall
bei dem trefflichen Aufsatze, dessen wir hier gedenken. Als Einladungsschrift zu einer
Schulprüfung, – unter welcher Gestalt im Preußischen oft die ausgezeichnetsten und
werthvollsten Abhandlungen erscheinen, oder vielmehr verborgen bleiben – wird uns
hier eine frische und lebhafte Schilderung Winckelmann’s dargeboten, in welcher einige
Züge wo nicht völlig neu, doch mit besonderer Kraft gezeichnet sind. Was einen solchen
Heros unserer Bildung und Litteratur auf würdige Weise bespricht, darf uns nicht gleichgültig sein, es gehört nicht uns allein mehr an, sondern der ganzen kunstgelehrten Welt,
die unsern großen Landsmann sich angeeignet hat. Nach der meisterhaften Darstellung
durch Goethe, der sorgsamen Herausgabe der Werke durch J. Schulze und Meyer, der
Briefe durch Förster, und manchem guten Worte von Gurlitt, Morgenstern und Andern,
ist die Betrachtung Winckelmann’s und seiner Schriften und Wirksamkeit noch keineswegs abgeschlossen, sondern eigentlich erst gründlich angeregt, und wir freuen uns,
hier einen schätzbaren Beitrag dazu mitgetheilt zu sehen. Der Herr Verfasser giebt durch
denselben ein schönes Zeugniß geistvoller und eindringender Beschäftigung mit einem
so werthvollen Gegenstande. Vier besondere Karakterbezüge desselben sind es, welche
er diesmal hauptsächlich hervorhebt und seinen Abschnitten als Überschriften setzt.
Sie heißen: Religion, Unabhängigkeit, Darstellung, Reiselust. Dem Herrn Verfasser sind
Goethe’s Ansichten und Aussprüche wohlbekannt und in hohem Werthe: es ist kein geringes Lob für die seinigen, daß sie neben so Großem und Vollendeten ein selbstständiges
Verdienst gar wohl behaupten können. Von besonderer Wichtigkeit für die Einsicht in
Winckelmann’s Karakter erscheint uns vorzüglich der erste Abschnitt, wo die Meinung
Goethe’s, daß in Winckelmann das Heidnische eingeboren gewesen, bestritten und dafür
die Nachweisung versucht wird, er sei im Herzen immerdar ein protestantischer Christ
geblieben. Die Gründe und Zeugnisse hiefür sind allerdings triftig, und die Vorliebe
Winckelmann’s für protestantische Lieder bleibt ein merkwürdiger und rührender Zug
in ihm. Ob indeß die kindliche Gewöhnung an eine bestimmte Kirchenform, besonders
wenn diese selbst so mannigfache Denkweisen in und neben sich gedeihen läßt, wie damals die protestantische, einen wahren Glauben an deren dogmatischen Inhalt nothwendig voraussetze, darüber dürfte uns wenigstens einiger Zweifel bleiben. Uebrigens meint
der Herr Verfasser nicht, durch seine Deutung ein Lob für Winckelmann einzutauschen,
sondern nur den Tadel, dem derselbe auch so nicht entgehen kann, aus andrer Richtung
herzuleiten. In den nachfolgenden Abschnitten ist gleicherweise viel Eigengeschautes
und glücklich Zusammengestelltes, und das Ganze auch vortrefflich geschrieben, welches
einer Schrift über Winckelmann, der selber den größten Werth auf gut Schreiben legte
und dasselbe für „das schwerste Menschenwerk“ erklärte, nur ein Merkmal mehr giebt,
daß sie ihres Gegenstandes würdig sei. Zu bemerken bleibt noch, daß diese Abhandlung
Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft 76/2014: Beilage
7
zugleich die hundertjährige Feier des Tages bezeichnet, an welchem Winckelmann als
Schüler in das Köllnische Gymnasium zu Berlin aufgenommen worden; diese Aufnahme
geschah am 18. März 1735.
[Die hier von K.A. Varnhagen von Ense rezensierte Schrift ist aufrufbar unter:
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10050213_00005.html]
[Die Frgte. Winckelmanns aus „Gedanken über die Kunst“, Bibliothèque Nationale, Fonds Allemand vol. 60, abgedruckt in:
J. J. Winckelmann, Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe, hrsg. von Walther Rehm, mit einem Geleitwort von Max Kunze
und einer Einleitung von Hellmut Sichtermann, 2. Auflage Berlin, New York 2006 S. 147, erscheinen demnächst in: Schriften
und Nachlass Bd. VIII 2, hrsg. von Adolf A. Borbein, Max Kunze, Mainz 2016. – Das Frgt. „Über Xenophon“, Bibliothèque
Nationale, Fonds Allemand, vol. 71, 75–78, abgedruckt in: ders., Kleine Schriften, Berlin, New York 2006 S. 13–16, erscheint
demnächst in: Schriften und Nachlaß Bd. VIII, hrsg. von Adolf A. Borbein, Max Kunze, Mainz 2015. – Zu W.s Notizen in
den Kunstsammlungen Roms s. Ville e Palazzi di Roma, Antiken in den römischen Sammlungen, bearbeitet von Sascha Kansteiner, Brigitte Kuhn-Forte, Max Kunze, Schriften und Nachlaß Bd. 5,1, Mainz 2003. – Zu W.s verschiedenen Fassungen der
Beschreibung des Apoll vom Belvedere s. J. J. Winckelmann, Statuenbeschreibungen, Materialien zu „Geschichte der Kunst
des Alterthums“, Rezensionen, hrsg. von Adolf H. Borbein, Max Kunze, bearbeitet von Lilian Balensiefen, Eva Hofstetter, Max
Kunze, Manfred Wenzel. Mit Beiträgen von Balbina Bäbler, Adolf H. Borbein, Klaus-Peter Goethert and Axel Rügler, Schriften
und Nachlaß Bd. IV 5, Mainz 2012 S. 3–15. – Zu W.s Exzerpten allgemein s. Élisabeth Décultot, Untersuchungen zu Winckelmanns Exzerptheften, ein Beitrag zur Genealogie der Kunstgeschichte im 18. Jahrhundert, aus dem Französischen übersetzt
von René Mathias Hofter, Wolfgang von Wangenheim, Ruhpolding, Stendal 2004]
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Nachgelesen
In memoriam Nikolaus Himmelmann (31. 1. 1929–19. 12. 2013)
Winckelmanns Hermeneutik
„[…] Schon diese wenigen Beispiele lassen Winckelmanns Hermeneutik so einfach – und zugleich so
verblüffend richtig erscheinen, daß man bis heute nicht nach ihren Voraussetzungen gefragt hat. Auch
Winckelmann selbst gibt übrigens für sein Verfahren, Deutungen aus der antiken mythologischen
Dichtung zu gewinnen, keine zwingende Begründung. Seine Voraussetzung ist vielmehr wie ein Axiom
vorgetragen. Von den beiden kurz angedeuteten Argumenten ist das eine mehr äußerlicher Art, nämlich,
daß die von Pausanias beschriebenen Denkmäler durchweg Gegenstände der griechischen Mythologie
darstellten. Aufschlußreicher ist der andere mehr theoretische Gesichtspunkt, der seiner Wichtigkeit wegen
auch als erster eingeführt wird. Winckelmann verweist nämlich auf den bekannten Satz des Simonides,
daß die Malerei eine stumme Poesie sei. Deshalb müsse der bildende Künstler sich als Dichter zeigen und
seine Gegenstände aus der Mythologie wählen. […]
Indem er alle Werke als Kunstwerke, gleichsam als verkörperte Poesien ansah, mußte ihm entgehen,
daß die monumentalen Gattungen der griechischen Zeit, vor allem das monumentale Relief, keinen
illustrativen Charakter besitzen. Es handelt sich vielmehr um echte Denkmäler im strengen Sinn, die in
erster Linie nicht freie Kunstwerke sind, sondern im Dienste bürgerlich-religiöser Repräsentation stehen.
[…]
Die archäologische Hermeneutik ist keine Angelegenheit zeitlosen Finderglücks, sondern hat ihre eigene,
methodisch bedingte Entwicklung: ein Prozeß, der noch lange nicht abgeschlossen werden kann. Wir
tun gut daran, uns von Zeit zu Zeit zu erinnern, daß es Johann Winckelmann war, der diesen Prozeß
überhaupt erst in Gang gebracht hat. Auch auf diesem Felde erweist er sich als der echte Gründerheros, der
ἥρως κτίστης unserer Wissenschaft.“
Aus: Nikolaus Himmelmann, Winckelmanns Hermeutik, Mainz 1971 (= Abhandlungen der Geistes- und
Sozialwissenschaftlichen Klasse / Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz Jg. 1971, Nr.
12).
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