Griechische Geschichte

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Griechische Geschichte
Griechische Geschichte
Jan Bruners
Inhaltsverzeichnis
1 Minoisch-mykenisches Griechenland
1.1 Das minoische Kreta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Das mykenische Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
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2 Die Dunklen Jahrhunderte
2
3 Archaische Zeit
3.1 Allgemeine Geschichte . .
3.2 Sparta . . . . . . . . . .
3.3 Athen . . . . . . . . . .
3.4 Literatur, Kunst, Religion
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4 Das klassische Griechenland - 5. Jahrhundert
4.1 Die Perserkriege . . . . . . . . . . . .
4.2 Pentekontaetie . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Die Demokratie . . . . . . . .
4.3 Der Peleponnesische Krieg . . . . . . .
4.4 Die Westgriechen . . . . . . . . . . .
4.5 Geistiges Leben . . . . . . . . . . . .
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5 Das Klassische Griechenland - 4. Jahrhundert
5.1 Ereignisgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Politische und soziale Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Geistiges Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Minoisch-mykenisches Griechenland
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Die griechische Geschichte beginnt mit der minoischen Kultur auf Kreta. Sie umfaßt das Gebiet
von Mittelgriechenland, der Peleponnes und der umliegenden Inseln, die spätere Kolonisation
erstreckt sich auch auf Sizilien / Unteritalien, die Ägäis und Afrika.
1 Minoisch-mykenisches Griechenland
1.1 Das minoische Kreta
Die minoischen Kreter waren keine Griechen. Ihre Geschichte läßt sich relativ durch archäologische Funde, absolut durch Vergleich mit der besser belegten ägyptischen Geschichte datieren. Die
Palastbauten ab 2000 (und deren politisch-soziale Implikation) unterscheidet die Kreter vonm
anderen europäischen Kulturen und rückt sie in die Nähe altorientalischer Hochkulturen. Trotz
des regen Austausches z.B. mit Ägypten war Kreta sehr unkriegerisch. In den Plaästen war die
politische Zentralmacht konzentriert, Könige gab es offenbar nicht. Schließlich kam es zur Verschmelzung mit den mykenischen Griechen, die die kretische Schrift Linear A auf das Griechische
anwandten (Linear B).
1.2 Das mykenische Griechenland
Um 2000 kamen die Mykenen im Zuge einer allgemeinen indogermanischen Wanderung nach
Griechenland. Seit dem 2. Drittel des Jahrtausends spielten sie eine politisch bestimmende Rolle,
auch wegen der Verschmelzung mit der minoischen Zivilisation: Wirtschaftsform und Schrift
waren minoisch. Sprache und Architektur unterschieden sich dagegen stark von Kreta: 1650 bis
1450 gab es die Periode der Schachtgräber, vom 15. bis zum 13. Jahrhundert Kuppelgräber und
schließlich im 14. und 13. Jahrhundert befestigte Paläste. Die mykenische Zivilisation war nicht
in Punkten zentriert, sondern flächendeckend angelegt, auch auf Kreta und den Ägäisinseln. Der
mykenische Handel reichte bis Italien und Vorderasien. Statt einer starken Zentralmacht gab es
wohl mächtige Fürsten. Der König erfüllte hauptsächlich sakrale Funktionen, daneben gab es
militärische Führer und verschiedene Verwaltungsämter. Aus den Epen Homers kann man keine
unmittelbaren Schlüsse auf die mykenische Zeit ziehen. Das Kriegswesen spielte eine große Rolle
(der Streitwagen wurde bereits verwendet). Um 1200 kam der Untergang durch Eindringlinge
und Erdbeben. Das mykenische Gebiet wurde durch dorische Griechen neubesiedelt, die sich
teilweise mit der mykenischen Bevölkerung vermischten.
2 Die Dunklen Jahrhunderte
Bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts gab es einen starken Rückgang der Bevölkerung und einen
Verfall der Kultur (Handel, Politik und Schrift). Diese Zeit ist quellenmäßig kaum erschlossen.
Allerdings entstand in den dark ages das historische Griechentum mit vier Sprachgruppen:
3 Archaische Zeit
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<ul><li>Ionisch in Euböa und Attika (vordorisch)</li><li>Äolisch in Böotien und Thessalien
(vordorisch)</li><li>Dorisch / Nordwestgriechisch in Messenien, Sparta, Argos, Korinth, Kreta,
Arkanien, Ätolien</li><li>Arkado-Kyprisch in Arkadien und Kyprien (vordorisch)</li></ul>
Zwischen dem 11. und dem 9. Jahrhundert wurde während der Ionischen Wanderung die Ägäis
und die kleinasiatische Ostküste in Besitz genommen. Trotz der Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen gibt es genug kulturelle Gemeinsamkeiten, um von einem griechischen Volk zu
sprechen. In den Dunklen Jahrhunderten findet das Eisen allmählich Verwendung und Pferde
werden als Reittiere genutzt. Auf diese Zeit lassen sich eher Rückschlüsse durch die Ilias und die
Odyssee ziehen: offenbar stand ein König an der Spitze der Stammesgemeinschaft, der sich allerdings nur wenig vom Adel (den Mächtigen) abhob. Es galt ein ausgeprägter Ehrenkodex. Die
Stellung der Frau war relativ angesehen. Statt adeliger Einzelkämpfer gab es auch schon organisierte Heere. Handwerker und Händler waren eine verschwindend kleine Minderheit, die relativ
autarken Häuser (oikos) der Adeligen bildeten die einzige politische Instanz.
3 Archaische Zeit
3.1 Allgemeine Geschichte
Im 8. Jahrhundert gab es ruckartige Veränderungen: Kunst, Schrift und Dichtung / Philosophie
nahmen einen Aufschwung, das Königtum wurde an vielen Stellen abgeschafft, die Küsten Süditaliens, Siziliens und des Schwarzen Meeres wurden besiedelt.
Es entstand die Polis, eine befestigte städtische Siedlung mit agrarischen Umfeld. Sie bildete die
oberste politische Einheit Griechenlands, darüber gab es nur ein Gefühl kultureller Zusammengehörigkeit. Die Polis war das Ergebnis der Bevölkerungskonzentration (Binnenkolonisation) und
der gemeinsamen Religion (Tempelbauten).
Die Beseitigung des Königtums verlief undramatisch: der Adel verteilte die Macht an seine Mitglieder und besetzte mehrere Ämter auf ein Jahr reihum. In Athen z.B. den Archon Eponymos,
den Basileus (für religiöse Opfer), den Polemarchos (Militär) und die sechs Thesmotheten (Justiz).
Der Rat, die Versammlung des Adels war die höchste Instanz. Es gab keine Verfassungen, NichtAdelige blieben ohne Einfluß. Neben der Polis gab es auch gentilizische Einheiten: die Phylen
(Stämme), Gené (Geschlechter) und Phratrien (Bruderschaften). Die unterste Einheit blieb das
oikos, das Haus eines Adeligen. Frauen standen dem Haus vor und konnten relativ selbständig
entscheiden.
Um 700 wurde diese soziale Ordnung durch ein starkes Bevölkerungswachstum bedroht. Durch
phönizische Händler hatte man Erfahrungen mit der Seefahrt gemacht und gründete Handelsniederlassungen an der nordsyrischen Küste und auf Ischia. Ab 750 entstanden dauerhafte Kolonien
mit Polis-Struktur. Die Stadtgründung erfolgte nach der Befragung des Orakels von Delphi durch
einen Adeligen (oikist) und hatte Appollon als Schutzgott. Zwar orientierten sich die Kolonien
an den Mutterstädten und pflegten enge Bindungen, sie waren aber vollkommen selbständig und
3 Archaische Zeit
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wurden teilweise auch mächtiger als ihre Mutterstädte. Gegründet wurden die neuen Städte vorzugsweise in Küstennähe. Zunächst ließen sich die Chalkidier in Unteritalien und Sizilien (später
auch im Norden der Ägäis) nieder, dann Korinther, Rhodier und Kreter. In Unteritalien siedelten
hauptsächlich Mittelgriechen (Achäer). Von Phokaia aus wurde Südfrankreich kolonisiert. Die
Kolonien hatten auch Auswirkungen auf andere Völker: die Etrusker übernahmen das griechische Alphabet und Kunstformen, die Kelten im Westen und die Skythen in Südrußland wurden
ebenfalls beeinflußt.
Trotz der Kolonisation kam es zur Krise: durch die Desintegration des Adels (Verarmung bzw.
Aufschwung einzelner Familien) wurde das Gleichheitsprinzip durchbrochen.. Die Bevölkerung
nahm weiter zu, die Bauern verarmten und die ungerechte Herrschaft einzelner Adeliger schuf
Unruhe. In dieser Situation wurde auch die soziale Position der Frau abgewertet. Wegen der
Landnot kam es zu Grenzkriegen zwischen den Poleis. Weil die Hopliten (nicht-adelige wohlhabende Bürger) im Kampf eine große Rolle spielten, erhielten sie auch politische Rechte. In den
meisten Poleis wurden die Unruhen durch einen angesehenen Schiedsrichter (aisymnetes) gütlich
beigelegt.
Ohne gütliche Einigung setzten sich Tyrannen durch (z.B. die Kypseliden in Korinth, 7./6. Jahrhundert). Trotz ihrer Erfolge (Peisistratos von Athen beruhigte die Bauern, Polykrates von Samos
paktierte mit Ägypten) waren sie nur ein Durchgangsstadium von maximal drei Generationen.
Die Tyrannen stammten aus dem Adel, stützten sich aber meist auf das Volk zur Machterhaltung.
Trotz der ungestörten Entwicklung Griechenlands gab es viele Beziehungen zum Orient, das phönizische Alphabet wurde übernommen und der geometrische Stil verdrängt. Auch politisch gab
es Kontakte: griechische Söldner kämpften in Ägypten, Polykrates von Samos schloß gegen Ende
des 6. Jahrhunderts eine Allianz mit Ägypten gegen die Perser. Vor allem zu den kleinasiatischen
Mächten der Lyder und Phryger gab es enge Verbindungen. Insgesamt blieb die griechische Kultur
aber eigenständig und unverwechselbar.
3.2 Sparta
Sparta, neben Athen die wichtigste Macht Griechenlands, wich in vielen Punkten von den o.g.
generalisierenden Merkmalen ab. Die vollberechtigten Mitglieder des spartanischen Staates, die
Spartiaten, lebten ab dem 14. Lebensjahr gemeinsam in Zeltgemeinschaften (Syskenien) und wurden vom Staat erzogen. Sie waren in drei Phylen aufgeteilt, die einzige Organisationseinheit des
Heeres. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe war an den Besitz eines Landgutes zur Zahlung der
Syskenienbeiträge gebunden. Durch Verarmung, Mord an einem Spartiaten oder Feigheit vor dem
Feind sanken Spartiaten zu Spartanern, freien, aber politisch rechtlosen Bürgern ab. Die strengen
Regeln führten zu einer ständigen Abnahme der Spartiaten und letztlich zur Schwächung des
Staates. Gegenmaßnahmen wurden viel zu spät ergriffen.
Im Gebiet um Sparta lebten die Periöken („Herumwohner“), die mit den Spartanern (nicht mit
den Spartiaten) gleichgestellt waren. Sie mußten Heeresdienste leisten und konnten an den Olympischen Spielen teilnehmen. Die Heloten („Gefangene“) dagegen waren Eigentum des spartani-
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schen Staates und einer bestimmten Familie. Anders als Sklaven lebten sie meist nicht in den
Haushalten der Spartaner, sondern mußten Abgaben zahlen und sorgten so für den Unterhalt
der mit militärischen Übungen beschäftigten Spartiaten. Periöken und Heloten gehörten zur unterworfenen vordorischen Bevölkerung. Nach der Lösung des Landproblems durch die Unterwerfung Messeniens zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert gab es zwei Gruppen von Heloten:
lakonische Heloten auf spartanischem Gebiet wurden besser behandelt, mußten einen festen Betrag abliefern und durften teilweise an Kriegen teilnehmen. Messenische Heloten wurden ständig
kontrolliert, mußten die Hälfte ihrer Ernte abgeben und durften keine Waffen besitzen.
Seit dem 6. Jahrhundert lebte Sparta in ständiger Furcht vor einem messenischen Helotenaufstand und konzentrierte sich ganz auf das Kriegswesen. Die Kultur wurde vernachlässigt, Frauen
bewirtschafteten die Landgüter und beherrschten die Heloten, denen jedes Jahr formell der Krieg
erklärt wurde.
Die spartanische Verfassung, die sich auf einen angeblichen Orakelspruch Delphis bezog, sah ein
Doppelkönigtum vor, mit je einem König aus dem Haus der Agiaden und Euryponiden. Die
Könige galten als Träger eines Charismas, von ihnen hing das Heil des Staates ab. Ihre Amtsführung wurde durch fünf vom Volk gewählte Ephoren kontrolliert. Sie wurden von der Appella,
der Versammlung aller Spartiaten, aus ihrer Mitte gewählt und durften das Amt nur einmal für
ein Jahr bekleiden. Auch die übrigen Ämter wurden von der Versammlung besetzt, sie entschied
über Krieg und Frieden und wählte den kriegführenden König (seit 505). Bei den übrigen Entscheidungen war die Gerusia, der Ältestenrat (früher Adelsrat) ausschlaggebend. Ihre Mitglieder
(Geronten) wurden aufgrund ihrer Erfahrung auf Lebenszeit gewählt. Sie berieten die Könige,
leiteten und organisierten die Appella und sprachen bei schweren Verbrechen Recht. Cicero und
Polybios zogen Parallelen zwischen dem spartanischen und dem römischen System: die Könige
entsprachen den Konsuln, die Ephoren den Zensoren und die Gerusia dem Senat.
Im 6. Jahrhundert begann Sparta auch, Bündnisse mit Nachbarn abzuschließen, Ende des 6.
Jahrhunderts gründete es den Peleponnesischen Bund.
3.3 Athen
Wie Sparta betrieb Athen kaum Kolonisation, weil es ein großes Territorium zur Verfügung hatte:
in den Dunklen Jahrhunderten schloß sich ganz Attika zur athenischen Polis zusammen, die in
vier gentilizische Phylen aufgeteilt war, in denen der Adel dominierte. Im 7. Jahrhundert gab es
einen ersten, gescheiterten Tyrannis-Versuch durch Kylon. Am Ende dieses Jahrhunderts entstand
durch die Verschuldung der Bauern und die Willkürherrschaft des Adels eine fast vorrevolutionäre
Situation.
Daraufhin wurde Solon zum Archonten mit umfassenden Vollmachten gewählt. Seine Solonische
Reform (594/3) sah die Entschuldung der Bauern und eine Verfassungsreform vor. Das adelige Machtmonopol endete, die Einteilung wurde nach Vermögen in Pentakosiomedimneu (500
Scheffler), Hippeis (300), Zeugiten (200) und Theten (unter 200) vorgenommen. Die beiden
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ersten Klassen konnten im Kriegsfall ein Pferd finanzieren (Ritter), die dritte eine Infanterieausrüstung. Statt der Aristokratie herrschte nun das timokratische Prinzip. Die Ekklesia (Volksversammlung) entschied alle wichtigen Fragen und wählte die Archonten (Staatsbeamte), deren
Ämter an ein Mindestvermögen geknüpft waren. Der Rat der 400 (Boulé), der von der Ekklesia
aus den oberen drei Klassen gewählt wurde, leitete die Volksversammlung und bereitete ihre Sitzungen vor. Bei ihm lag auch das Initiativrecht für die Ekklesia. Der Areopag (vorher Adelsrat)
wurde in eine Versammlung der ehemaligen Archonten umgewandelt. Er war vor der Reform das
mächtigste Staatsorgan und die Exekutive gewesen, seine Funktionen wurden größtenteils vom
Rat der 400 übernommen. Außerdem wird wird die Popularklage eingeführt: jeder Bürger kann
gegen begangenes Unrecht vorgehen.
Kurz nach Solons Amtszeit kam es erneut zu Unruhen und zur Tyrannis des Peisistratos. Mit
Geld, Söldnern und vielfältigen Beziehungen errang er die Macht, besetzte die Ämter mit seinen Gefolgsleuten und befriedigte die Bauern durch großzügige Landverteilung. Soweit möglich,
beteiligte er den Adel an seiner Herrschaft, sorgte aber gleichzeitig dafür, daß dieser immer schwächer wurde, um eine Rückkehr zur Aristokratie zu verhindern. Nach seinem Tod und dem seiner
Söhne Hippias und Hipparchos kam Kleisthenes an die Macht, der 507 die Kleisthenische Reform durchführte: die alten Phylen wurden aufgelöst, an ihre Stelle trat eine Dreiteilung Attikas
in Stadt, Küste und Binnenland mit je zehn Trittyen. Je eine Trittys aus einem Gebiet bildete mit
zwei anderen eine neue Phyle. Diese Neuorganisation des Volkes löste alte Bindungen und Loyalitäten vollständig auf. Statt seines (eventuell adeligen) Vatersnamens sollte jeder den Namen seines
Dorfes tragen. Der Rat der 400 wurde zum Rat der 500 (je 50 Mitglieder pro Phyle) und bildete
die Regierung. Jede Prythanie (Vertretung einer Phyle) führte die Geschäfte ungefähr einen Monat
lang. Auch das Heer wurde entsprechend der neuen Ordnung in 10 Phylenregimenter aufgeteilt,
die unter dem Befehl von 10 Strategen standen. Neben den Strategen, die von jeder Phyle einzln
gewählt wurden, gab es 9 Archonten, die die Ekklesia wählte: den Archon Eponymos, nach dem
das Jahr bezeichnet wurde, den Archon Basileus für den Staatskult, den Archon Polemarchos als
Oberbefehlshaber und sechs Thesmotheten für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
3.4 Literatur, Kunst, Religion
Die neue, aus dem phönizischen entlehnte Schrift bestand aus vier Gruppen. Als Grundlage der
gesellschaftlichen und religiösen Maßstäbe galten die homerischen Epen, die in archaischer Zit
fixiert worden waren. Neben der offiziellen Adelsreligion gab es auch Volkskulte (Mysterien). Um
700 entstand die nächste große Dichtung des Böoters Hesiod. Auch die olympischen Spiele (776
) und andere sportliche oder künstlerische Wettkämpfe wurden in dieser Zeit initiiert.
4 Das klassische Griechenland - 5. Jahrhundert
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4 Das klassische Griechenland - 5. Jahrhundert
4.1 Die Perserkriege
Zu Beginn des 5. Jahrhunderts kam es zum Zusammenstoß Griechenlands mit Persien, dem größten und letzten der altorientalischen Weltreiche, den Perserkriegen (500 - 478).
500 brach unter Führung Aristogaras’, des Tyrannen von Milet, ein Aufstand der kleinasiatischen
Griechenstädte (Ionischer Aufstand) aus, der von Athen und Eretreia mit Schiffen unterstützt
wird. Dareios I. konnte Milet 494 zerstören und die persische Herrschaft über die kleinasiatische
Küste befestigen.
Der Erste Perserzug auf das griechische Festland 492 führte zur Wiedererrichtung der thrakischen
Satrapie und zur Abhängigkeit Makedoniens vom persischen Reich. 491 forderte Dareios I. die
Unterwerfung auch der übrigen der griechischen Städte. Während die meisten Städte dazu bereit
waren, widersetzten sich Athen und Sparta den persischen Ansprüchen und töteten die Gesandten,
es kam zum Krieg.
490 siegten die Athener unter Miltiades d. J. bei Marathon gegen die Perser, die sich zunächst
zurückzogen. 483, nach dem Tod Miltiades’ setzte Themistokles den Bau einer athenischen Flotte
- wahrscheinlich gegen Persien gerichtet - durch.
Xerxes, der Sohn des Dareios (gest. 486), nahm die Pläne einer Eroberung Griechenlands wieder auf und schickte 481 erneut Gesandte an die griechischen Städte (außer Athen und Sparta),
um ihre Unterwerfung zu fordern. Die antipersischen Städte (Athen, die Peleponnes außer Argos, Chalkis, Eretreia, Aigina und einige Mittelgriechen) gründeten deshalb im selben Jahr den
Hellenenbund unter Führung Spartas.
Mit dem Zweiten Perserzug hatte Xerxes zunächst Erfolg: sein Landheer verwüstete 480 Phokis
und Attika, Athen wird niedergebrannt. Im September 480 besiegte Athens Flotte nach der Einnahme Athens durch das persische Heer die feindlichen Schiffe bei Salamis. Im folgenden Jahr
wurde Attika erneut verwüstet, bis 479 die vereinigten Heere des Hellenenbundes bei Plaitaiai in
Böotien in einer mehrwöchigen Schlacht schließlich siegten. In der Nähe der Insel Mykale wurde
die persische Restflotte vernichtet.
4.2 Pentekontaetie
Zwischen den Perserkriegen (Schlacht von Plaitaiai 479) und dem Peleponnesischen Krieg (ab
431) lagen 50 Jahre, die sogenannte Pentekontaetie (pentekontae = 50, etos = Jahr), ein Begriff des
Historikers Thukydides. Dieser Zeitraum war geprägt vom Aufstieg Athens als führende Macht
des Seebundes, dem Dualismus Athen - Sparta bzw. Athen - Persien, dem Durchbruch der Demokratie und der kulturellen Blüte Athens.Während der Peleponnesische Bund nach dem Erfolg
von Plaitaiai den Krieg mit Persien beendet hatte, bildete Athen 477 den Ersten Attisch-Delischen
Seebund und setzte die Kämpfe fort. 465 konnten die Perser durch die Flotte des Seebundes unter Kimon, dem Sohn des Militades, am Eurymedon in einer Land- und Seeschlacht endgültig
4 Das klassische Griechenland - 5. Jahrhundert
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aus Griechenland vertrieben werden. Nach einem weiteren großen Erfolg der Griechen (und einem schweren Rückschlag bei der Ägyptischen Expedition) bei Salamis auf Zypern wurde 449
der Friede des Kallias geschlossen: Persien mußte die Freiheit der kleinasiatischen Griechenstädte
anerkennen und durfte seine Flotte nicht in der Ägäis stationieren.Parallel zu den Kämpfen mit
Persien kam es auch zu militärischen Auseinandersetzungen mit dem Peleponnesischen Bund,
nachdem Sparta 462 athenische Unterstützung gegen einen Helotenaufstand, der 464 nach einem Erdbeben ausgebrochen war, schroff zurückgewiesen hatte. 451 wurde ein Waffenstillstand,
446 schließlich ein Friede auf 30 Jahre geschlossen. Athen verzichtete auf seinen Einfluß in Mittelgriechenland, Sparta erkannte Athens Seemachtstellung an.
Als Hegemon des Seebundes erlangte Athen eine Sparta ebenbürtige Stellung. Die Bündnispartner (Inseln und Städte der Ägäis) waren verpflichtet, entweder Schiffe für die athenische Flotte zu
stellen oder in die Bundeskasse auf Delos einzuzahlen. 479/78 wurde Athen gegen spartanischen
Einspruch befestigt, 460 begann der Bau der „langen Mauern“, die Athen mit dem Piräus verbanden. Nach dem Wegfall der persischen Bedrohung wurde aus dem Bündnis die attische Herrschaft
(arche) in der Ägäis, der athenische Demos gab Bundesgesetze und setzte Tribute fest. Abtrünnige
Städte wurden zur Rückkehr in den Bund gezwungen.
Seit 483 Themistokles herrschte in Athen als Volksführer (demagogos). Er ließ die Verfassung
ändern: die Archonten wurden erlost (dadurch sank ihr politisches Gewicht), politische Gegner
durch das Scherbengericht verbannt. 470 wurde Themistokles selbst ostrakisiert, ihm folgte Kimon als Führer des Adels. Trotz formaler Volksherrschaft blieb der Adel bei allen Unternehmungen die treibende Kraft. 462 führten die Reformen des Ephialtes zum endgültigen Durchbruch
zur Demokratie: der Areopag verlor seine letzten Privilegien und das Volk machte von seinen
Rechten vollen Gebrauch. Seit der Verbannung des Thukydides (443), eines Führers der Opposition, herrschte Perikles unangefochten bis zu seinem Tod 429. Im Perikleischen Zeitalter begann
auch die kulturelle und politische Blüte Athens.
4.2.1 Die Demokratie
Die Volksversammlung (ekklesia) war das zentrale Organ: jeder erwachsene männliche Bürger
(ungefähr 6000) hatte Rede-, Antrags- und Stimmrecht. Durch die kurzen Versammlungen (bis
zum Mittag) war es fast allen Bürgern möglich, an den mindestens 40 Sitzungen pro Jahr teilzunehmen. Das Volk bildete auch das Gericht (heliaia), aufgeteilt in mehrere Gerichtshöfe (dikasterien). Ab 457 gab es Diäten für die Arbeit als Richter. Es wurde ohne Beratung oder Verhandlung
abgestimmt. Der Rat der 500 (aus je 50 Mitgliedern pro Phyle) arbeitete die Beschlußvorlagen
für die Volksversammlung aus, ebenfalls ab 457 mit Diäten ausgestattet. Die politische Initiative
lag beim Rat oder bei Privatpersonen (Demagogen).
Als Exekutive dienten die Beamten: Archonten wurden erlost, Strategen (jeweils 10) und Finanzbeamte gewählt. Mehrfache Amtsübernahme war nur den Strategen erlaubt, daher war es ein
zentrales politisches Amt (z.B. für Perikles). Jeder Anwärter wurde geprüft (dokimasia) und mußte einen Rechenschaftsbericht (euthynai) ablegen. Initiative und Entscheidung waren politisch
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getrennt: Privatpersonen und Beamte konnten Vorschläge machen, die Volksversammlung und
die Gerichte entscheiden.
Die unmittelbare Beteiligung der Bürger bildete das zentrale Element der athenischen Demokratie. Es gab keine Zwischeninstanzen oder Parteien, Politik mußte deshalb für jeden durchschaubar
sein. Eine höhere Beteiligung des einzelnen Bürgers ist nicht vorstellbar, jeder Berechtigte mußte
auch Aufgaben wahrnehmen. Frauen hatten in Athen weniger Rechte als im übrigen Griechenland, Metöken (freie Ausländer) und Sklaven waren politisch rechtlos. Trotz einiger Einschränkungen (nicht alle Bürger stimmberechtigt, Führungspersonen haben großen Einfluß) gab es in
Athen doch eindeutig eine Demokratie. Sie erreichte den höchsten Grad der Partizipation in der
Menschheitsgeschichte. Außerhalb Athens konnte sie sich nur durch athenische Unterstützung
etablieren.
4.3 Der Peleponnesische Krieg
Trotz des Friedensschlusses von 446 begann 431 der Peleponnesische Krieg wegen des athenischen
Ausgreifens in Griechenland : Corcyra suchte und erhielt 433 die Unterstützug Athens gegen Korinth, ein Mitglied des Peleponnesischen Bundes. Wegen des folgenden peleponnesischen Drucks
verhängte Athen eine Handelssperre gegen die peleponnesische Stadt Megara (megarische Psephisma).
Im Archidamischen Krieg (431 - 421), benannt nach dem spartanischen König Archidamos, spielte Athen seine Überlegenheit zur See aus und plünderte die peleponnesische Küste. Ansonsten
konnte Perikles seine defensive Politik durchsetzen: Attika wurde evakuiert, die Bevölkerung hinter die Langen Mauern zurückgezogen. Während das peleponnesische Heer unter Archidamos
Attika verwüstete, brach in Athen eine Seuche aus. Nachdem Perikles 429 an der Krankheit gestorben war, verfolgte der adelige Populist Kleon eine aggressivere Strategie. Der Krieg endete nach
wechselnden Erfolgen 421 mit dem Frieden des Nikias (athenischer Verhandlungsführer) auf 50
Jahre.
Der Friede fand nicht überall Zustimmung: Korinth und Böotien forderten die endgültige Niederlage Athens, in Athen plädierte Alkibiades, der Neffe des Perikles, für eine extrem expansionistische Politik. 415 begann Athen die Sizilische Expedition zur Unterstützung der Stadt Segesta
gegen den spartanischen Verbündeten Syrakus. Alkibiades floh auf der Überfahrt wegen eines
Religionsprozesses nach Sparta und riet den Spartanern, sich in Sizilien zu engagieren. 413 wurde das athenische Heer von den Syrakusanern (unterstützt vom spartanischen Offizier Gylippos)
vernichtet.
Es folgte der Dekeleische Krieg (413 - 404): ebenfalls auf den Rat des Alkibiades setzte sich
Sparta in der attischen Stadt Dekeleia fest und verwüstete Attika. Ab 412 begann parallel dazu der
Ionische Krieg zur See, bei dem Sparta von Persien unterstützt wurde. 405 siegte Sparta endgültig
bei Aigospotamoi zur See, Athen wurde zu Land und zu Wasser eingeschlossen. 404 zog der
spartanische Befehlshaber Lysander in Athen ein, die Langen Mauern wurden geschleift, Athen
mußte ein Bündnis mit Sparta schließen.
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Durch den Peleponnesischen Krieg wurden zwei Oligarchien in Athen eingerichtet: 411 unter
dem zurückgekehrten Alkibiades und nach Ende des Krieges durch Sparta (Rat der 30). Um
400 konnte Athen nach Lysanders Entmachtung in Sparta zu einer demokratischen Regierungsform zurückkehren. Die Städte des Seebundes unterlagen ebenfalls kurzzeitig der spartanischen
Kontrolle. Die wichtigste Konsequenz des Krieges war allerdings die gestärkte Position Persiens
nach dem Zusammenbruch des attischen Seereiches und die erneute Hegemonie über die kleinasiatischen Griechenstädte. Sparta selbst konnte das Machtvakuum physisch und politisch nicht
ausfüllen. Damit war das Ergebnis der Perserkriege praktisch rückgängig gemacht.
4.4 Die Westgriechen
Zwischen den griechischen Städten Unteritaliens gab es häufig Rivalitäten, politisch herrschten
bis ins 5. Jahrhundert Oligarchien, von den Phytagoreern ideologisch gestützt. Auf Sizilien waren
Tyrannen großen Stils maßgeblich. Sie stützten sich auf Söldnerheere und verfügten frei über die
Bevölkerungen. Trotz dieser Machtpolitik waren sie keine Könige.
Kleandros und Hippokrates von Gela erweiterten ihr Territorium durch Annexionen, ihr Nachfolger Gelon (ab 490) gewann Syrakus und setzte seinen Bruder Hieron als Statthalter in Gela ein.
Seine Söldner erhielten Brügerrechte. Neben Gelon gab es Anaxilaos von Rhegion / Messana und
Theron von Akragas. Sie riefen die Karthager gegen den mächtigen Tyrannen zu Hilfe, wurden
aber vernichtend geschlagen. Gelon wurde 481 sogar die Führung des Hellenenbundes angetragen. 478 wurde Hieron sein Nachfolger, 474 besiegte er die Etrusker. Nach seinem Tod 466 blieb
sein Bruder Thrasybulos nur kurz an der Macht. Damit endete die Tyrannis auf Sizilien, Verfassungen setzten sich durch, aber alte Rivalitäten flammten auf. Außer der Sizilischen Expedition
Athens gab es kaum äußre Einmischungen.
4.5 Geistiges Leben
Während der Lyriker Pindar von Theben noch der archaischen Tradition und den aristokratischen
Lebensformen verbunden war, stellte Simonides von Keos den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt. Neben der Änderung der Blickweise wurden auch neue Kunstformen entwickelt, wie die
attische Tragödie (erhalten von Aischylos, Sophokles und Euripides) und die attischen Komödien
des Aristophanes (Thema war die athenische Tagespolitik.
Die ersten erhaltenen Geschichtswerke stammen von Herodot von Halikarnassos (über die Perserkriege) und Thukydides von Athen (über den Peleponnesischen Krieg). Die Sophistik, eine
neue Denkströmung erhob den Menschen zum Maß aller Dinge (Protagaras von Abdera). Dem
Philosophen Sokrates kam es dagegen vor allem auf die Ehrlichkeit der sittlichen Erkenntnis und
Lebensfürhung an, er wurde 399 zum Tode verurteilt. Die großen Tempelbauten des 5. Jahrhunderts (Akropolis, Zeustempel von Olympia) dienten auch zur Herrschatfsrepräsentation und
-legitimation. Die Individualisierung führte auch zum Auftauchen der ersten Porträtplastiken.
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5 Das Klassische Griechenland - 4. Jahrhundert
Während das 5. Jahrhundert relativ einheitlich verlief - Perserkriege, Attischer Seebund, athenische
Demokratie, Dualismus Athen - Sparta, Peleponnesischer Krieg, Niederlage Athens - wirkt das 4.
Jahrhundert bis zum Alexanderzug wirr und regellos. Statt diesen Zeitraum im Vergleich zum 5.
Jahrhundert oder zum Helenismus zu sehen, sollte man ihn für sich betrachten.
5.1 Ereignisgeschichte
Nach Spartas Sieg wurde eine noch drückendere Herrschaft über die Griechenstädte errichtet:
Zehnmännerherrschaften (Dekarchien) und Besatzungen unter einem spartanischen Kommandanten (Harmosten). In Athen selbst wurde allerdings die Rückkehr zur Demokratie unter Thrasybulos von Sparta toleriert. Auch in den anderen Städten beendete man nach Lysanders politischem Rücktritt bald das aufwendige Dekarchiesystem. Zwischen Sparta und Persien kam es
zum Krieg um die kleinasiatischen Griechenstädte. 395 bildete sich eine von Persien unterstützte Allianz aus Korinth, Theben, Argos und Athen gegen Sparta, die zum Korinthischen Krieg
führte. 386 wurde vom persischen Großkönig ein Königsfriede verkündet, Athen wurde wieder
selbständig, Sparta blieb führende griechische Macht. Sparta machte sich auch zum Wächter der
Autonomieklausel des Friedens, die Machtballungen untersagte. 379 verjagte Theben die spartanische Besatzung und erneuerte den Böotischen Bund. 377 bildete Athen den Zweiten Attischen
Seebund unter Einschluß Thebens, die Kompetenz Athens wurde vertraglich eingeschränkt. Theben trat kurz darauf aus dem Seebund aus und verfolgte unter Pelopidas und Epaminondas eine
eigene Machtpolitik. 371 scheiterte der Versuch eines Allgemeinen Friedens (koine eirene) an den
thebanischen Ansprüchen. Im sleben Jahr besiegte Theben unter Epaminondas ds spartanische
Heer bei Leuktra in Böotien. 350 Spartaner (von 700) starben, die Macht Spartas war praktisch
vernichtet. 369 konnte Böotien das helotisierte Messenien befreien. Athen war durch Thebens
Bestrebungen beunruhigt und straffte den Seebund. Bei einem Sieg Thebens 362 bei Mantineia
starb Epaminondas. Durch seinen Tod war es mit der thebanischen Hegemonie vorbei. 357 führte
ein Aufstand im Seebund (Bundesgenossenkrieg) zum Verlust der athenischen Macht. Damit war
die Zeit der Machtbildungen in Griechenland vorbei.
In Makedonien war 359 Philipp II. an die Macht gekommen. Vor ihm gab es nur eine lockere
Oberhoheit des Königs über die makedonischen Fürsten und häufige Thronwirren. Das politische System entsprach dem Griechenlands zur Königszeit: ein nur wenig über den starken Adel
(Hetairoi) erhobener König und eine freie Bauernschaft (Pezhetairoi). Das Königsgeschlecht der
Argeaden wurde als griechisch anerkannt, die makedonische Bevölkerung dagegen nicht. Philipp
machte zunächst die Fürstentümer zu festen Bestandteilen des Reiches, was wegen der athenischen
Hegemonie im Süden ein langsamer und schwieriger Prozeß war. In Athen gab es zwei Parteien:
die Gegner Makedoniens unter Demosthenes und die Befürworter einer makedonischen Vorherrschaft unter Isokrates und Aischines.
In Nordgriechenland beschritt Philipp den Weg der Annexion: 357 eroberte er Amphipolis, 356
Poteidaia, 354 Methone, 348 Olynth. Thrakien wurde bis 342 nach und nach eingegliedert.
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353 besiegte er die Phoker und übernahm den Schutz des Orakels von Delphi. Die Thessaler
wählten ihn zum Oberhaupt. 340 rückten die makedonischen Truppen bis zum Bosporus, worauf
sich 339 eine griechische Koalition gegen Philipp bildete. Mit seinem Sieg 338 bei Chaironeia
endete Griechenlands Rolle als politisch maßgeblich handelndes Subjekt der Geschichte. Theben
wurde besetzt, der Seebund wurde aufgelöst (Athen selbst blieb frei), alle anderen Staaten außer
Sparta wurden politisch angeschlossen. Der Korinthische Bund von 337 schonte das griechische
Selbstwertgefühl: Philipp hate im Bundesrat der Städte keine Stimme, sondern war formal nur
Feldherr des Bundes. 336 begann Philipp im Auftrag des Bundes den Krieg gegen Persien, starb
aber im selben Jahr.
Die Westgriechen blieben zunächst unbeeinflußt. Auf Sizilien war der Konflikt Syrakus - Karthago entscheidend. Die Karthager waren zur Hilfe im Streit zwischen sizilianischen Städten gerufen
worden und weit auf der Insel vorgedrungen. 406 wurde Dionysios in Syrakus zum Strategen
gewählt, später errichtetet er eine der erfolgreichsten Tyranneien. Er konnte Karthago von der
Insel vertreiben, die syrakusanische Herrschaft über Sizilien wiedererrichten und sogar über Unteritalien und die Adriaküste ausdehnen. Nach seinem Tod 367 zerfiel das Reich. Wegen der
anhaltenden Kämpfe riefen die Syrakusaner 344 Timoleon von Korinth zur Hilfe, dem es gelang,
Karthago erneut zu vertreiben, die Tyrannen abzusetzen und einen verfassungsmäßigen Bund der
sizilianischen Städte zu errichten, der allerdings nicht von Dauer war.
In Unteritalien und am Schwarzen Meer drangen die einheimischen Stämme langsam gegen die
griechischen Städte vor.
5.2 Politische und soziale Charakteristika
Im 4. Jahrhundert gab es zehn Versuche einer koine eirene, die am Hegemoniebestrebungen der
einzelnen Mächte scheiterten. Deren Grundlagen (Bündnisse und Vormachtstellungen) waren
über ganz Griechenland verbreitet: neben der traditionellen Symmachie unter Führung einer
Macht (Peleponnesischer Bund, Böotien und Chalkidike) gab es auch gleichberechtigte Bünde
(Arkadischer, Achäischer und Ätolischer Bund). Auch die Zusammenlegung von Städten (Synoikismos) war üblich. Der Korinthische Bund Philipps verband die Konstruktion Symmachie mit
der koine eirene.
Im 4. Jahrhundert lebte auch die Monarchie (Makedonien, Sparta, Zypern) und die Tyrannis
(Dionysios von Syrakus, Timophanes von Korinth, Onomarchos von Phokis, Iason von Pherai,
Hermias von Atarneus, Klearch von Herakleia) wieder auf. Es war die Zeit der bedeutenden Persönlichkeiten, die Entwicklungen maßgeblich bestimmten: im Peleponnesischen Krieg Alkibiades
und Lysander, Timoleon auf Sizilien, Epaminondas in Theben.
Die Frage der Staatsform blieb umstritten und war häufig nur eine Frage der Energie ihrer Anhänger, die sich immer erbitterter bekämpften. In Korinth (392) und Argos (370) kam es deshalb
zu Massenmorden an über 1000 Menschen. Wegen der relativen Überbevölkerung gab es erneut
soziale Spannungen, ein weiterer Grund für Philipps Krieg gegen Persien.
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In Athen selbst gab es kaum Spannungen, das Tätigkeitsfeld der Vollbürger erweiterte sich um
Handel und Reederei. Anders als im 5. Jahrhundert trennten sich die Tätigkeiten von Feldherrn
und Poltikern, obwohl es noch keine Berufspolitiker oder Parteien gab. Die Demokratie wurde
weiter ausgestaltet und stärker reguliert. Die Ekklesia übertrug Teile ihrer Kompetenz an Gerichte
und gesetzgebende Beamte (Nomotheten). Insgesamt kann man nicht von einer Krise der Polis
im 4. Jahrhundert sprechen, wohl aber von einem Verlust der außenpolitischen und militärischen
Bedeutung.
Persien war im 4. Jahrhundert stark geschwächt durch die ständigen Auflösungstendenzen des
Großreichs. Artaxerxes III. Ochos gelang die Rückgewinnung Ägyptens und 356 die Unterdrückung der Satrapenaufstände, aber die relativ eigenständige Politik einzelner Reichsteile blieb
bestehen. Durch Einwanderer und Söldner kam es im Orient zu immer stärkererem griechischen
Einfluß.
5.3 Geistiges Leben
Im 5. Jahrhundert hatten Dichtung und Geschichtsschreibung neue Höhepunkte erlebt, nun folgten Philosophie und Rhetorik. Platon lehrte von 385 bis 348/7 in Athen, Aristoteles - Erzieher
Alexanders bis 340 - war ebenfalls sehr einflußreich. Die Geschichtsschreibung wurde um die
Atthiden (athenische Lokalgeschichte) erweitert. Erst gegen Ende des Jahrhunderts schrieb Meander seine Komödien, bis dahin wurden hauptsächlich die klassischen Stücke des 5. Jahrhunderts
verwandt.
Insgesamt kam es im 4. Jahrhundert zu einem grundlegenden Wandel, einer Entwicklung über
die Polis hinaus, auch wenn sie bis weit in die römische Kaiserzeit ein bestimmendes Element
blieb.