download: "Sonderlesungen zu den Vigilien an den Eigenfesten in

Transcription

download: "Sonderlesungen zu den Vigilien an den Eigenfesten in
SONDERLESUNGEN
ZU DEN VIGILIEN
IN HEIIGENKREUZ
Beinhaltet jene und nur jene Sonderlesungen
zu den Vigilien der Hochfeste, Feste und Memorien,
die sich nicht in den allgemeinen Lektionaren finden
1. Auflage: Heiligenkreuz 2007
2. veränderte Auflage: Heiligenkreuz 2008
2
Sonderlesungen zu den
_________________________________________________________________
Dieses Lektionar „SONDERLESUNGEN ZU DEN VIGILIEN IN HEILIGENKREUZ“ enthält alle jene Lesungen zu den Vigilien für Heiligenkreuz, die sich
nicht in den allgemeinen Lektionaren finden.
Es wurde auf Grundlage der bisher verwendeten Sonderlesungen von P. Karl
Wallner OCist zusammengestellt, von Kandidat Georg Thurn korrigiert und von
Fr. Pio Suchentrunk gebunden.
Ut in omnibus glorificetur Deus & Beata Maria Virgo
1. Auflage: Heiligenkreuz, 20. Mai 2006
2. Auflage: Heiligenkreuz, 23. Okt. 2007
Vigilien in Heiligenkreuz
3
4
Sonderlesungen zu den
12. Jänner
HL. AELRED VON RIEVAULX
ZWEITE LESUNG
Aelred von Rievaulx († 1167),
Aus dem Traktat „Über die Gottesliebe“
Herr Jesus, welch große Freude liegt in deiner Liebe, welch große Ruhe verbindet
sich mit der Freude, welch große Sorglosigkeit mit der Ruhe! Wer dich liebt, irrt
sich nicht in seiner Wahl, denn es gibt nichts Besseres als dich; auch in seiner
Hoffnung täuscht er sich nicht, denn nichts wird mit mehr Gewinn geliebt. Man
braucht nicht zu fürchten, das Maß zu überschreiten, weil in der Liebe zu dir kein
Maß vorgeschrieben ist.
Man braucht nicht zu fürchten, dass der Tod eine irdische Freundschaft zerstört,
denn das Leben stirbt nicht. In der Liebe zu dir gibt es keine Furcht vor einem
Ärgernis, denn es gibt überhaupt keine Liebe, wenn man sich nicht gerade nach
ihr sehnt. Der Argwohn spielt keine Rolle, denn du urteilst nach dem Zeugnis des
Gewissens. Hierin besteht die Freude, weil die Furcht ausgeschlossen ist. Hierin
liegt die Ruhe, weil der Zorn verstummt. Hierin besteht die Sorglosigkeit, weil
die Welt ausgeschaltet wird.
Meine Seele, wenn du dies vernimmst, sollst du wie ein weggeworfenes Gefäß
sein: du sollst dich ganz von dir lösen und in Gott übergehen und so nicht mehr
für dich leben wollen, noch für dich sterben, sondern für ihn, der für dich gestorben und auferstanden ist. Wer wird mir die Gnade schenken, von diesem Kelch
des Heiles trunken gemacht, von diesem Staunen des Geistes durchströmt und
von dieser lieblichen Müdigkeit überfallen zu werden, damit ich niemals das suche, was mein ist, sondern was Jesus Christus gehört, da ich doch meinen Herrn
und Gott aus meinem ganzen Herzen, aus meiner ganzen Seele und mit all meiner
Kraft liebe und da ich meinen Nächsten liebe wie mich selbst. Ich will nicht suchen, was mir, sondern was meinem Nächsten nützt.
O Wort, das die Erfüllung bringt, o Wort der Liebe, der höchsten Vollkommenheit und der süßen Wonne! O Wort, das zusammenfasst und abkürzt, in dem das
ganze Gesetz und die Propheten bestehen.
Vigilien in Heiligenkreuz
5
Wer aber besitzt diese Liebe? Das erklärt die Wahrheit mit den Worten: „Wer
meine Gebote hat und sie hält, liebt mich.“ Wer die Gebote Gottes im Gedächtnis
hat und sie in seinem Leben hält, wer sie in seinen Gesprächen beachtet und in
seinem Verhalten bewahrt, wer sie beim Zuhören besitzt und beim Tun einhält
oder wer sie bei seinem Tun besitzt und sie beharrlich beobachtet, der ist es, der
Gott liebt. Im Werk also erweist sich die Liebe, dann spricht man ihren Namen
nicht ohne Frucht aus.
RESPONSORIUM
R: Die Liebe ist langmütig; die Liebe ist gütig. Sie prahlt nicht und bläht sich
nicht auf. * Die Liebe hört niemals auf.
V: Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt. * Die Liebe hört
niemals auf.
15. Jänner
HLL. MAURUS UND PLACIDUS
ZWEITE LESUNG
Gregor der Große († 604),
Aus den Dialogen über das Leben und die Wunder der italischen Väter
Eines Tages, während der ehrwürdige Benedikt sich in seiner Zelle aufhielt, ging
der junge Placidus an den See, um Wasser zu holen. Er ließ das Gefäß unvorsichtig ins Wasser hinabgleiten und fiel dabei selbst in den See. Sogleich ergriff ihn
eine Welle und trieb ihn vom Ufer weg. Der Mann Gottes erkannte dies in seiner
Zelle, ließ sofort den Maurus rufen und sagte zu ihm: „Bruder Maurus, lauf! Der
Knabe, der zum Wasser ging, ist in den See gefallen, und das Wasser trägt ihn
schon weit hinein.“ Maurus bat um den Segen, eilte auf Befehl des Abtes davon
und lief zu der Stelle, wohin die Wellen den Knaben schon mitgerissen hatten; er
lief über das Wasser, wobei es ihm vorkam, als gehe er noch auf festem Boden,
ergriff den Knaben bei den Haaren und kehrte sofort wieder zurück. Als er wieder
festen Boden unter seinen Füßen hatte, kam er zu sich und blickte zurück; da
merkte er, dass er über das Wasser geeilt war. Er wunderte sich und erschrak über
den Vorfall. Er kehrte zum Abt zurück und erzählte, was geschehen war. Der ehrwürdige Benedikt schrieb das Wunder nicht seinem Verdienst zu, sondern dem
Gehorsam des Maurus. Maurus dagegen meinte, es sei allein auf Befehl Bene-
6
Sonderlesungen zu den
dikts geschehen, er sei sich einer solchen Wunderkraft nicht bewusst. Den freundschaftlichen Streit, der nun entstand, weil beide demütig waren, entschied schließlich der gerettete Knabe, als er sagte: „Als ich aus dem Wasser gezogen wurde,
sah ich über meinem Kopf den Mantel des Abtes und meinte, dass er selber mich
aus dem Wasser ziehe.“
RESPONSORIUM
R: Als Placidus in den See gefallen war, sprang Maurus hinzu und eilte in der
Kraft Gottes über das Wasser. * Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht
löschen.
V: Die höchste Stufe der Demut ist der Gehorsam ohne Zögern. Er zeichnet die
aus, denen die Liebe zu Christus über alles geht. * Auch mächtige Wasser können
die Liebe nicht löschen.
22. Jänner
SEL. LADISLAUS BATTHYÁNY-STRATTMANN
ZWEITE LESUNG
Dr. Ladislaus Batthyány-Strattmann († 1931),
Aus dem Buch „Öffne deine Augen und sieh!“ für seine Patienten
Willst du ein Mittel kennen lernen, mit dessen Hilfe du beim guten Gott alles erreichen kannst? Dieses Mittel ist das Gebet. Durch das Gebet gewinnst du Anteil
an der Allmacht Gottes. Jesus versichert uns: „Amen, amen, ich sage euch ... alles, worum ihr meinen Vater in meinem Namen bittet, das gebe ich euch“ (vgl.
Joh 14,13). Schon dieses Wort „Vater“ zeigt, dass du dich mit kindlichem Vertrauen und Liebe ihm zuwenden musst.
Wir alle ohne Ausnahme brauchen unbedingt das Gebet. Der Erlöser selbst offenbart: Bittet, und es wird euch gegeben“ (Lk 11,9). Das ist nicht nur ein Rat, sondern sein Gebot! Wer nicht bittet, der wird auch nicht erhalten. Darüber sagt der
heilige Augustinus: Gott, der Herr, wünscht und will, dass wir Gnade erlangen. Er
gibt seine Gnade aber nur denen, die darum bitten. Einige antworten manchmal
darauf: Gott weiß doch, was ich brauche. Auf diesen Einwand antworte ich: Auch
der Vater weiß, was sein Kind braucht, was ihm Freude bereitet. Er erwartet doch,
Vigilien in Heiligenkreuz
7
dass es darum bittet. Dadurch wird sich das Kind nämlich dessen bewusst, von
wem es die Gaben erhalten hat und wem es dafür Dank sagen muss.
Haben wir einen größeren Wohltäter als Gott? Ihm haben wir all unser körperliches und geistiges Wohl zu verdanken. Zögern wir also nicht, uns ihm ganz anzuvertrauen, ihn darum zu bitten und ihm dafür jeden Tag ehrlichen Dank zu sagen.
Andere wenden ein: Oft habe ich gebetet, doch bekam ich das Erbetene nicht.
Gibt denn der Vater jeder Bitte seiner Kinder nach? Doch nur denen, die ihrem
Wohle dienen! Gott ist unendlich weise, seine wunderbaren Fügungen und Wege
sind unerforschlich (vgl. Röm 11,33). Deshalb dürfen wir ihm ruhig die Entscheidung übergeben, welche von unseren Bitten unserem Wohl dienen, sodass er sie
uns gibt.
Bete mit Ausdauer! Wir haben nämlich kein Versprechen darüber, dass unser Gebet gleich erhört wird. Denk an die heilige Monika! Sie betete viele Jahre hindurch, damit sich der Geist ihres Sohnes dem Licht der Wahrheit öffne, und ihr
Flehen wurde erhört. Ihr Sohn wurde der große heilige Augustinus. Bete mit vollem Vertrauen! Zum Gebet ist unser Herz leider nicht groß genug. Wir wissen
doch: In einen kleinen Krug passt nur wenig Wasser, in einen großen Krug aber
mehr. Unser Herz wird - mit einem Gleichnis gesagt - durch Vertrauen und Hoffnung geweitet, damit viel Gnade hineinströmt. Misstrauen und Hoffnungslosigkeit mindern den Umfang unseres Herzens und schränken das Maß der einfließenden Gnaden ein. Bete das „Vater unser“. Denk oft über die einzelnen Worte
und Bitten nach. Unter deinen Bitten sollen immer die Herrlichkeit Gottes und
das Heil deiner Seele am wichtigsten sein.
Wenn du seit langem nicht gut gebetet hast, fang an! Das Gebet ist besonders in
der Zeit der Versuchung wichtig. Wer seine Waffen im Kampf nicht benützt, wird
besiegt. Im geistlichen Kampf ist aber das Gebet unsere beste Waffe, die uns nie
im Stich lässt.
Bete am Morgen, wenn du aufstehst. Neben der Pflege und Sorge für deinen Körper ist es wichtig, dass du auch deinen Schöpfer und Vater nicht vergisst. Du
brauchst ja den ganzen Tag seinen Segen. Genauso wichtig ist das Abendgebet.
Sage Gott Dank für alles, was du erhalten hast, und entfache in deinem Geist eine
tiefe Reue. Wie ein Magnet zieht das Gebet den väterlichen Segen Gottes auf dich
und auf alle Not leidenden Menschen.
RESPONSORIUM:
8
Sonderlesungen zu den
R: In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder
des einen Leibes. Seid dankbar! * Denn ihr alle seid eins geworden in Christus
Jesus.
V: Singt dem Herrn ein neues Lied! Sein Lob erschalle in der Gemeinde der
Frommen. * Denn ihr alle seid eins geworden in Christus Jesus.
26. Jänner
HLL. VÄTER ROBERT, ALBERICH UND STEPHAN
ERSTE LESUNG
Aus dem Brief an die Philipper
(Phil 1,27-2, 18)
Vor allem: Lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht. Ob
ich komme und euch sehe oder ob ich fern bin, ich möchte hören, dass ihr in dem
einen Geist feststeht, einmütig für den Glauben an das Evangelium kämpft und
euch in keinem Fall von euren Gegnern einschüchtern lasst. Das wird für sie ein
Zeichen dafür sein, dass sie verloren sind und ihr gerettet werdet, ein Zeichen, das
von Gott kommt. Denn euch wurde die Gnade zuteil, für Christus da zu sein, also
nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch seinetwegen zu leiden. Denn ihr habt
den gleichen Kampf zu bestehen, den ihr früher an mir gesehen habt und von dem
ihr auch jetzt hört.
Wenn es also Ermahnung in Christus gibt, Zuspruch aus Liebe, eine Gemeinschaft des Geistes, herzliche Zuneigung und Erbarmen, dann macht meine Freude
dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden,
einmütig und einträchtig, dass ihr nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei tut.
Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte
nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen. Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht:
„Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war
das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum
Tod am Kreuz. - Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter
Vigilien in Heiligenkreuz
9
der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus
Christus ist der Herr - zur Ehre Gottes, des Vaters!“
Darum, liebe Brüder - ihr wart ja immer gehorsam, nicht nur in meiner Gegenwart, sondern noch viel mehr jetzt in meiner Abwesenheit: Müht euch mit Furcht
und Zittern um euer Heil! Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus. Tut alles ohne Murren und
Bedenken, damit ihr rein und ohne Tadel seid, Kinder Gottes ohne Makel mitten
in einer verdorbenen und verwirrten Generation, unter der ihr als Lichter in der
Welt leuchtet. Haltet fest am Wort des Lebens, mir zum Ruhm für den Tag Christi, damit ich nicht vergeblich gelaufen bin oder mich umsonst abgemüht habe.
Wenn auch mein Leben dargebracht wird zusammen mit dem Opfer und Gottesdienst eures Glaubens, freue ich mich dennoch, und ich freue mich mit euch allen.
Ebenso sollt auch ihr euch freuen; freut euch mit mir!
RESPONSORIUM
R: Dies ist das Erbe der heiligen Väter: Seid eines Sinnes, einander in Liebe verbunden! * Seid so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht!
V: In Demut schätze einer den anderen höher als sich selbst. * Seid so gesinnt,
wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht!
ZWEITE LESUNG
Stephan Harding († 1134),
Vorwort und 1. Kapitel der „Charta Charitatis“
Bevor die Zisterzienserabteien zu blühen begannen, haben Herr Stephan und seine Brüder verordnet, dass in keiner Weise in irgend eines Bischofs Diözese Abteien gegründet werden, bevor dieser das Dekret, das zwischen Cîteaux und den
daraus hervorgehenden Klöstern verfasst worden ist, anerkannt und bestätigt hat.
So soll Ärgernis erregenden Schwierigkeiten ausgewichen werden. Um einem
Bruch des gegenseitigen Friedens vorzubeugen, haben obgenannte Brüder in diesem Dekret auch klar ausgesprochen und bestimmt und ihren Nachfolgern hinterlassen, in welcher Weise, oder besser, in welcher Liebe die Mönche, die in den
Abteien auf der ganzen Welt dem Leib nach zwar getrennt, dem Geist nach aber
unzertrennlich und innig verbunden bleiben sollen. Sie glaubten auch, diesem
Dekret den Namen „Charta Charitatis“ geben zu sollen, weil dessen Bestimmun-
10
Sonderlesungen zu den
gen die Last jeglicher Abgabe verwirft und nur die Liebe und das Wohl der Seelen in den göttlichen und menschlichen Dingen vor Augen hat.
Wir erkennen, dass wir alle, wenn auch unnütze, Diener des einen wahren Königs, Herrn und Meisters sind. Deshalb legen wir den Äbten und unseren Mitbrüdern, den Mönchen, die Gottes Barmherzigkeit durch uns Armselige an verschiedenen Orten der klösterlichen Zucht unterworfen hat, keine irdischen Abgaben
auf. Da wir nämlich das Verlangen haben, ihnen und allen Kindern der heiligen
Kirche nützlich zu sein, so haben wir nicht vor, etwas gegen sie zu tun, was sie
bedrücken und ihren Besitz verringern könnte, damit wir nicht, während wir aus
ihrer Armut uns zu bereichern suchen, dem Laster der Habsucht anheim fallen,
das nach dem Apostel „dem Götzendienst gleichkommt.“ Die Sorge für ihre Seelen wollen wir uns jedoch vorbehalten - um der Liebe willen -, damit, wenn sie
vom heiligen Vorsatz und der Beobachtung der Heiligen Regel abzugehen versuchen - Gott möge es verhüten! - sie durch unsere Fürsorge auf den rechten Pfad
des Lebens zurückkehren können.
Nun ist es aber unser Wille und wir befehlen ihnen, dass sie die Regel des heiligen Benedikt in allen Stücken befolgen, wie sie im Neuen Kloster beobachtet
wird. Sie sollen in den Wortlaut der Heiligen Regel keinen anderen Sinn hineintragen, sondern sie verstehen und halten, wie unsere Vorfahren, die heiligen Väter, die Mönche des Neuen Klosters nämlich, sie verstanden und gehalten haben
und wie wir sie heute verstehen und halten. Und da wir alle ihre Mönche, die zu
uns kommen, in unserem Kloster aufnehmen und ebenso sie die unsrigen in ihren
Klöstern, deshalb scheint es uns angebracht - und das ist unser Wille -, dass bei
ihnen die Gebräuche, der Gesang und alle Bücher für die Tagzeiten, Metten und
Messen mit den Gebräuchen und Büchern des Neuen Klosters übereinstimmen.
So soll in unseren Handlungen keine Verschiedenheit herrschen, sondern wir sollen in der einen Liebe, unter derselben Regel, nach den gleichen Bräuchen leben.
RESPONSORIUM
R: Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn gründen. * Wir wollen
in der einen Liebe, unter derselben Regel, nach den gleichen Bräuchen leben.
V: Wer im klösterlichen Leben und im Glauben Fortschritte macht, dem weitet
sich das Herz. Er geht den Weg der Gebote Gottes in unsagbarer Freude der Liebe. * Wir wollen in der einen Liebe, unter derselben Regel, nach den gleichen
Bräuchen leben.
Vigilien in Heiligenkreuz
11
27. Jänner
HLL. TIMOTHEUS UND TITUS
ZWEITE LESUNG
Johannes Chrysostomus († 407),
Aus einer Homilie zu Ehren des heiligen Paulus
Ich habe einen guten Kampf gekämpft. Selbst im Kerker lebte Paulus wie im
Himmel. Wunden und Schläge nahm er lieber auf sich, als andere nach Ehrenpreisen greifen. Die Mühen liebte er nicht weniger als den Lohn des Kampfes, ja
er hielt die Mühen selbst für den Kampfpreis und nannte sie aus diesem Grund
auch Gnade. Siehe, Kampfpreis war es ihm, „aufzubrechen und bei Christus zu
sein.“ Im Fleisch zu bleiben bedeutete für ihn Kampf. Und doch zog er diesen
(Kampf) jenem (Kampfpreis) vor und erklärte, dieser sei für ihn notwendiger als
jener. Von Christus fern sein war ihm Kampf und Mühe, Kampf und Mühe im
Übermaß. Bei ihm sein galt ihm dagegen als Kampfpreis. Dennoch zog er den
Kampf um Christi willen vor. Hier könnte jemand gewiss auch sagen, das alles
sei ihm eben um Christi willen angenehm gewesen. So denke ich auch; denn was
uns Betrübnis verursacht, schuf ihm große Freude. Was soll ich die Gefahren und
die übrigen Leiden aufzählen? Denn er war in fortwährender Trübsal. Deshalb
sagte er: „Wer leidet, ohne dass ich mit ihm leide? Wer kommt zu Fall, ohne dass
ich von Sorge verzehrt werde?“
Ich ermahne euch, dieses Vorbild der Tugend nicht nur zu bewundern, sondern
auch nachzuahmen. Dadurch können wir den gleichen Kranz erlangen wie er.
Wunderst du dich zu hören: Wenn du dasselbe vollbringst wie Paulus, dann
kannst du dasselbe erlangen wie er? Dann höre, was er selbst sagt: „Ich habe den
guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Jetzt liegt für
mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter,
an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sehnsüchtig auf
sein Erscheinen warten.“ Siehst du: er ruft alle zur gleichen Gemeinschaft! Weil
also allen das gleiche in Aussicht steht, lasst uns dafür sorgen, dass wir der verheißenen Güter wert werden. Wir wollen nicht bloß auf die große Last des von
ihm Vollbrachten schauen, sondern auch auf die angespannte Bereitwilligkeit, mit
der er eine so große Gnade gewann, und auf die Verwandtschaft der Natur! Denn
er war in allem ein Mensch wie wir. So scheint uns dann auch das ganz Schwere
leicht und ohne Gewicht. Und wenn wir uns diese kurze Zeit abgemüht haben,
12
Sonderlesungen zu den
werden wir schließlich den niemals alternden, unsterblichen Kranz tragen und so
zur Vollendung gelangen: durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres
Herrn Jesus Christus, dem Macht und Herrlichkeit ist jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen.
RESPONSORIUM
R: Bemühe dich um Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit
und Sanftmut! * Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben!
V: Rede, wie es der gesunden Lehre entspricht! * Kämpfe den guten Kampf des
Glaubens, ergreife das ewige Leben!
31. Jänner
KIRCHWEIHE DER ABTEIKIRCHE
UNSERER LIEBEN FRAU VON HEILIGENKREUZ
ERSTE LESUNG
Aus der Offenbarung des Johannes
(Offb 21,9-27)
Es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen mit den sieben letzten Plagen getragen hatten. Er sagte zu mir: Komm, ich will dir die Braut zeigen,
die Frau des Lammes. Da entrückte er mich in der Verzückung auf einen großen,
hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus
dem Himmel herabkam, erfüllt von der Herrlichkeit Gottes. Sie glänzte wie ein
kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis.
Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der
Söhne Israels. Im Osten hat die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im
Süden drei Tore und im Westen drei Tore. Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes. Und
der Engel, der zu mir sprach, hatte einen goldenen Messstab, mit dem die Stadt,
ihre Tore und ihre Mauer gemessen wurden. Die Stadt war viereckig angelegt und
ebenso lang wie breit. Er maß die Stadt mit dem Messstab; ihre Länge, Breite und
Vigilien in Heiligenkreuz
13
Höhe sind gleich: Zwölftausend Stadien. Und er maß ihre Mauer; sie ist 144 Ellen
hoch nach Menschenmaß, das der Engel benutzt hatte.
Ihre Mauer ist aus Jaspis gebaut, und die Stadt ist aus reinem Gold, wie aus reinem Glas. Die Grundsteine der Stadtmauer sind mit edlen Steinen aller Art geschmückt; der erste Grundstein ist ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein
Chalzedon, der vierte ein Smaragd, der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sardion, der siebte ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der
zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. Die
zwölf Tore sind zwölf Perlen; jedes der Tore besteht aus einer einzigen Perle. Die
Straße der Stadt ist aus reinem Gold, wie aus klarem Glas.
Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher
über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm. Die Stadt braucht
weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Die Völker werden in diesem Licht einhergehen, und die Könige der Erde werden ihre Pracht in die Stadt bringen. Ihre
Tore werden den ganzen Tag nicht geschlossen - Nacht wird es dort nicht mehr
geben. Und man wird die Pracht und die Kostbarkeiten der Völker in die Stadt
bringen. Aber nichts Unreines wird hineinkommen, keiner, der Gräuel verübt und
lügt: Nur die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen.
RESPONSORIUM
R: Deine Mauern, Jerusalem, sind erbaut aus edlem Gestein, halleluja; deine Tore
hallen wieder von Jubelgesängen, halleluja, * und alle deine Häuser werden sprechen: Halleluja, halleluja.
V: Dein lebendiges Licht wird die Erde erleuchten. * Und alle deine Häuser werden sprechen: Halleluja, halleluja.
ZWEITE LESUNG
Aus der Klosterneuburger und Wiener Continuatio
Der heilige Leopold errichtete in seiner Markgrafschaft zwei Klöster, zuerst Klosterneuburg, dann das zum Heiligen Kreuz für die Grauen Mönche, das offensichtlich gar bedeutend ist. Keines von beiden konnte er baulich vollenden, da er früher starb. Er gab aber beiden zur Vollendung der Baulichkeiten Meierhöfe und
Dörfer in reicher Zahl. Im Jahr 1187 wurde das Kloster Heiligenkreuz vom ehr-
14
Sonderlesungen zu den
würdigen Kardinal Theobald, dem Bischof von Ostia und Veletri, dem Legaten
des Apostolischen Stuhles, am 31. Jänner, am Samstag in der ersten Woche nach
Septuagesima unter großer Feierlichkeit und Anteilnahme von Klerus und Volk
geweiht. Zur selben Zeit, am 27. Februar, wurde vom selben Kardinal ein Altar
zum Heiligen Kreuz und einer zum heiligen Mauritius konsekriert, der Michaelsaltar aber schon am 1. Februar.
Im Jahr des Herrn 1240, am Oktavtag der Apostel Petrus und Paulus, kam Herzog
Friedrich nach Heiligenkreuz. In seiner Begleitung war der ehrwürdige Bischof
von Passau, Rudgerus. Ihn, die Zierde der Fürsten, und die vielen Begleiter, Barone, Magnaten und Adelige, umdrängte die nachfolgende Schar der Kleriker und
Laien. Dort wurde vom Bischof von Passau, Rudgerus, dem Hochaltar eine zweite, damals konsekrierte Marmorplatte aufgelegt und dann die Weihe des ganzen
Klosters erneuert.
Im Jahre 1295, am 2. Sonntag nach Ostern, wurde in Heiligenkreuz der Chor mit
den dort stehenden Altären und die Kapelle für die Kranken von den ehrwürdigen
Bischöfen Bernhard von Passau und Heinrich von Seckau geweiht. Zu dieser
Weihe kam so viel Volk, dass nicht nur das ganze Kloster, sondern auch eine halbe Meile weit der Wald voll von Menschen war. Der Eintritt in die Regularräume
des Klosters war während der ganzen Weihefestoktav Männern und Frauen gestattet. Zu dieser Zeit war eine so strenge Kälte, dass durch den Schnee und Regen
viele Besucher umkamen.
RESPONSORIUM
R: Wie liebenswert ist mir deine Wohnung, Herr der Heerscharen! * Meine Seele
verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Haus des Herrn.
V: Selig, die in deinem Hause wohnen. Sie werden dir allezeit Loblieder singen. *
Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Haus des Herrn.
Vigilien in Heiligenkreuz
15
14. Februar
HLL. CYRILL UND METHOD
ERSTE LESUNG
Aus dem ersten Brief an die Thessalonicher
(1 Thess 2,1-13.19-20)
Ihr wisst selbst, Brüder, dass wir nicht vergebens zu euch gekommen sind. Wir
hatten vorher in Philippi viel zu leiden und wurden misshandelt, wie ihr wisst;
dennoch haben wir im Vertrauen auf unseren Gott das Evangelium Gottes trotz
harter Kämpfe freimütig und furchtlos bei euch verkündet. Denn wir predigen
nicht, um euch irrezuführen, in schmutziger Weise auszunutzen oder zu betrügen,
sondern wir tun es, weil Gott uns geprüft und uns das Evangelium anvertraut hat,
nicht also um den Menschen, sondern um Gott zu gefallen, der unsere Herzen
prüft. Nie haben wir mit unseren Worten zu schmeicheln versucht, das wisst ihr,
und nie haben wir aus versteckter Habgier gehandelt, dafür ist Gott Zeuge. Wir
haben auch keine Ehre bei den Menschen gesucht, weder bei euch noch bei anderen, obwohl wir als Apostel Christi unser Ansehen hätten geltend machen können.
Im Gegenteil, wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder
sorgt, so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben, denn ihr wart uns
sehr lieb geworden.
Ihr erinnert euch, Brüder, wie wir uns gemüht und geplagt haben. Bei Tag und
Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen, und haben
euch so das Evangelium Gottes verkündet. Ihr seid Zeugen, und auch Gott ist
Zeuge, wie gottgefällig, gerecht und untadelig wir uns euch, den Gläubigen, gegenüber verhalten haben. Ihr wisst auch, dass wir, wie ein Vater seine Kinder,
jeden einzelnen von euch ermahnt, ermutigt und beschworen haben zu leben, wie
es Gottes würdig ist, der euch zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit beruft.
Darum danken wir Gott unablässig dafür, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch
unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern - was es
in Wahrheit ist - als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den
Gläubigen, wirksam. Denn wer ist unsere Hoffnung, unsere Freude, der Kranz
unseres Ruhmes vor Jesus, unserem Herrn, wenn er kommen wird? Nicht etwa
auch ihr? Ja, ihr seid unsere Ehre und Freude.
16
Sonderlesungen zu den
RESPONSORIUM
R: Nicht nur am Evangelium Gottes ließen wir euch teilnehmen, sondern auch an
unserem eigenen Leben. * Ihr seid uns sehr lieb geworden.
V: Ihr seid meine Kinder, für die ich von neuem Geburtswehen leide. * Ihr seid
uns sehr lieb geworden.
15. März
HL. KLEMENS MARIA HOFBAUER
ERSTE LESUNG
Aus dem ersten Brief an Timotheus
(1 Tim 5,17-22; 6,10-14)
Älteste, die das Amt des Vorstehers gut versehen, verdienen doppelte Anerkennung, besonders solche, die sich mit ganzer Kraft dem Wort und der Lehre widmen. Denn die Schrift sagt: Du sollst dem Ochsen zum Dreschen keinen Maulkorb anlegen, und: Wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.
Nimm gegen einen Ältesten keine Klage an, außer wenn zwei oder drei Zeugen
sie bekräftigen. Wenn sich einer verfehlt, so weise ihn in Gegenwart aller zurecht,
damit auch die anderen sich fürchten. Ich beschwöre dich bei Gott, bei Christus
Jesus und bei den auserwählten Engeln: Befolge dies alles ohne Vorurteil, und
vermeide jede Bevorzugung! Lege keinem vorschnell die Hände auf, und mach
dich nicht mitschuldig an fremden Sünden; bewahre dich rein!
Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind
vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet.
Du aber, ein Mann Gottes, flieh vor all dem! Strebe unermüdlich nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut! Kämpfe den
guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden
bist und für das du vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis abgelegt hast! Ich gebiete dir bei Gott, von dem alles Leben kommt, und bei Christus Jesus, der vor
Pontius Pilatus das gute Bekenntnis abgelegt hat und als Zeuge dafür eingetreten
ist: Erfülle deinen Auftrag rein und ohne Tadel, bis zum Erscheinen Jesu Christi,
unseres Herrn!
Vigilien in Heiligenkreuz
17
RESPONSORIUM
R: Bemühe dich um Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit
und Sanftmut! * Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben!
V: Rede, wie es der gesunden Lehre entspricht! * Kämpfe den guten Kampf des
Glaubens, ergreife das ewige Leben!
21. März
HEIMGANG UNSERES HL. VATERS BENEDIKT
ERSTE LESUNG
Aus dem Buch Genesis
(Gen 28,10-22)
Jakob zog aus Beerscheba weg und ging nach Haran. Er kam an einen bestimmten Ort, wo er übernachtete, denn die Sonne war untergegangen. Er nahm einen
von den Steinen dieses Ortes, legte ihn unter seinen Kopf und schlief dort ein. Da
hatte er einen Traum: Er sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum
Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. Und siehe, der Herr
stand oben und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der
Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen
geben. Deine Nachkommen werden zahlreich sein wie der Staub auf der Erde. Du
wirst dich unaufhaltsam ausbreiten nach Westen und Osten, nach Norden und
Süden, und durch dich und deine Nachkommen werden alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und
bringe dich zurück in dieses Land. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe, was ich dir versprochen habe.
Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sagte: Wirklich, der Herr ist an diesem
Ort, und ich wusste es nicht. Furcht überkam ihn, und er sagte: Wie ehrfurchtgebietend ist doch dieser Ort! Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das
Tor des Himmels. Jakob stand früh am Morgen auf, nahm den Stein, den er unter
seinen Kopf gelegt hatte, stellte ihn als Steinmal auf und goss Öl darauf.
Dann gab er dem Ort den Namen Bet-El, das heißt „Gotteshaus“. Früher hieß die
Stadt Lus. Jakob machte das Gelübde: Wenn Gott mit mir ist und mich auf diesem Weg, den ich eingeschlagen habe, behütet, wenn er mir Brot zum Essen und
18
Sonderlesungen zu den
Kleider zum Anziehen gibt, wenn ich wohlbehalten heimkehre in das Haus meines Vaters und der Herr sich mir als Gott erweist, dann soll der Stein, den ich als
Steinmal aufgestellt habe, ein Gotteshaus werden.
RESPONSORIUM
R: Durch den Aufstieg in der Tugend müssen wir jene Leiter errichten, die dem
Jakob im Traum erschien. * Die Leiter ist unser Leben, das der Herr himmelwärts
aufrichtet, wenn sich unser Herz erniedrigt. (O: Halleluja)
V: Jakob sah im Traum eine Leiter, sie reichte bis zum Himmel. Auf ihr stiegen
Engel Gottes auf und nieder. * Die Leiter ist unser Leben, das der Herr himmelwärts aufrichtet, wenn sich unser Herz erniedrigt. (O: Halleluja)
ZWEITE LESUNG
Gregor der Große († 604),
Aus den Dialogen über das Leben und die Wunder der italischen Väter
Im selben Jahr, da der ehrwürdige Benedikt aus dem Leben scheiden sollte, sagte
er einigen Schülern in seiner Umgebung und einigen, die in der Ferne weilten,
den Tag seines heiligen Todes voraus. Den Abwesenden zeigte er an, welches
Zeichen sie erhalten würden, wenn seine Seele aus dem Leib scheide. Sechs Tage
vor seinem Tod ließ er sich sein Grab öffnen. Bald wurde er von einem Fieber
befallen und von großer Hitze gequält. Da die Krankheit von Tag zu Tag zunahm,
ließ er sich am sechsten Tag von seinen Schülern in das Oratorium tragen. Er
stärkte sich dort durch den Empfang des Leibes und Blutes des Herrn für die Todesstunde. Da seine Glieder bereits schwach wurden, hielten ihn seine Schüler
mit ihren Händen aufrecht. Er stand da, seine Arme zum Himmel erhoben, und
gab betend seinen Geist auf.
Am selben Tag hatten zwei seiner Brüder, - der eine in seiner Zelle, der andere in
weiter Entfernung, - die gleiche Erscheinung. Sie sahen, wie eine mit Tüchern
belegte und von unzähligen Lampen erhellte Straße von der Zelle des Abtes aus
genau in östlicher Richtung zum Himmel emporführte. Oben stand ein Mann, in
Glanz gehüllt, und mit Ehrfurcht gebietender Geste fragte er sie, wessen Weg das
sei, den sie sähen. Sie antworteten darauf, sie wüssten es nicht. Da sprach er zu
ihnen: „Dies ist der Weg, auf dem Benedikt, der vom Herrn Geliebte, zum Himmel emporstieg.“ Wie also die anwesenden Schüler den Tod des heiligen Mannes
miterlebten, so erfuhren ihn die abwesenden durch das Zeichen, das ihnen vorher
angekündigt worden war. Begraben wurde er aber im Oratorium des heiligen Jo-
Vigilien in Heiligenkreuz
19
hannes des Täufers, das er selbst nach dem Abbruch des Apolloaltares erbaut hatte. Auch in der Grotte, die er früher in Subiaco bewohnte, glänzt er noch heute
durch Wunder, wenn es der Glaube der Bittenden erfordert.
RESPONSORIUM
R: Der Herr gab ihm die Kraft, den hohen Berg zu ersteigen; auch seine Nachkommen behielten das Erbe. * So sollten sie alle erkennen, wie gut es ist, dem
Herrn in allem gehorsam zu sein. (O: Halleluja)
V: Gott hat ihm zugesichert, in seinen Nachkommen die Völker zu segnen, sie
zahlreich zu machen wie den Staub der Erde. * So sollten sie alle erkennen, wie
gut es ist, dem Herrn in allem gehorsam zu sein. (O: Halleluja)
23. April
KIRCHWEIHE DER METROPOLITANKIRCHE
DES HL. STEPHANUS ZU WIEN
ERSTE LESUNG
Aus der Apostelgeschichte
(Apg 7,44-8,3)
Stephanus fuhr in seiner Rede fort: Unsere Väter hatten in der Wüste das Bundeszelt. So hat Gott es angeordnet; er hat dem Mose befohlen, es nach dem Vorbild
zu errichten, das er geschaut hatte. Und unsere Väter haben es übernommen und
mitgebracht, als sie unter Josua das Land der Heidenvölker besetzten, die Gott
vor den Augen unserer Väter vertrieb, bis zu den Tagen Davids. Dieser fand Gnade vor Gott und bat für das Haus Jakob um ein Zeltheiligtum. Salomo aber baute
ihm ein Haus. Doch der Höchste wohnt nicht in dem, was von Menschenhand
gemacht ist, wie der Prophet sagt: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der
Schemel für meine Füße. Was für ein Haus könnt ihr mir bauen? spricht der Herr.
Oder welcher Ort kann mir als Ruhestätte dienen? Hat nicht meine Hand dies alles gemacht?
Ihr Halsstarrigen, ihr, die ihr euch mit Herz und Ohr immerzu dem Heiligen Geist
widersetzt, eure Väter schon und nun auch ihr. Welchen der Propheten haben eure
Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid, ihr, die ihr
20
Sonderlesungen zu den
durch die Anordnung von Engeln das Gesetz empfangen, es aber nicht gehalten
habt.
Als sie das hörten, waren sie aufs äußerste über ihn empört und knirschten mit
den Zähnen. Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah
die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Ich sehe den
Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Da erhoben sie
ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los,
trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu
Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. So steinigten sie Stephanus;
er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die
Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er. Saulus aber war mit dem Mord einverstanden.
An jenem Tag brach eine schwere Verfolgung über die Kirche in Jerusalem herein. Alle wurden in die Gegenden von Judäa und Samarien zerstreut, mit Ausnahme der Apostel. Fromme Männer bestatteten Stephanus und hielten eine große
Totenklage für ihn. Saulus aber versuchte die Kirche zu vernichten; er drang in
die Häuser ein, schleppte Männer und Frauen fort und lieferte sie ins Gefängnis
ein.
RESPONSORIUM
R: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!
* Halleluja, halleluja.
V: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! * Halleluja, halleluja.
ZWEITE LESUNG
Rundfunkbotschaft von Papst Pius XII. anlässlich der Einweihung des
wiedererstellten Stephansdomes am 27. April 1952
Liebe Söhne und Töchter der Stadt Wien und der österreichischen Lande!
Die Wiederherstellung des Stephansdomes ist Euer gemeinsames Werk. Ihr alle,
Regierung und Volk, die Stadt Wien wie die Bundesländer, Körperschaften und
Verbände aller Art, wie die Freigebigkeit der einzelnen haben es ermöglicht. Wir
sahen im Bild die Zerstörungen und Verwüstungen, die der Krieg dem Dom angetan hatte. Heute steht er wieder da in seiner alten Gestalt, bis in die letzten Einzelheiten fester gefügt und widerstandsfähiger als ehedem.
Vigilien in Heiligenkreuz
21
Was Ihr vollbrachtet, ist eine gewaltige Leistung. Wir glauben sie deuten zu dürfen als Erweis Eures entschlossenen Willens, in gegenseitiger Verbundenheit der
einzelnen und der Gemeinschaft, in geduldigem Harren und in zähem Wirken
Euch hindurchzuarbeiten durch die Unsicherheit und Not dieser Jahre in glücklichere Tage echten Wohlstands in Freiheit und Frieden, Zeiten, die der allmächtige
Gott in seiner Güte und Erbarmung Euch schenken möge.
Der Stephansdom ist das Wahrzeichen Wiens, Eurer Stadt, der ein Ehrenplatz
zukommt unter den kulturschaffenden und kulturspendenden geistigen Mittelpunkten des Erdkreises. Dieses Wahrzeichen, ein katholisches Gotteshaus und
selbst beredter Zeuge katholischer Kulturkraft, das mit seinem himmelan strebenden Turm machtvoll zu Gott und den ewigen Wahrheiten emporzieht, es mahnt
Euch daran, dass die Seele und das Mark jener Kultur, durch die Ihr groß und
reich wart, das Christentum, der katholische Glaube, ist. Wenn Ihr in den Nachkriegsjahren, in Jahren der Armut und der Entbehrungen, es erreicht habt, dass
der Dom wieder in seiner vollen Schönheit aus den Ruinen erstand, so nehmen
wir dies als Euer lautes Bekenntnis zur christlichen Kultur und zum Glauben Eurer Väter mit seinem ganzen Reichtum und mit seinem unverzichtbaren Anspruch, dem Leben bis in seine letzten Verzweigungen Sinn, Richtung und Gesetz
zu sein.
Jesus Christus, Gott hochgelobt in Ewigkeit, der Herr der Kirche, möge es in seiner Macht, Liebe und Gnade fügen, dass Eure Stadt und Euer ganzes Land immer
eine Heimstätte echten und tiefen Glaubens, christlichen Ehe- und Familienlebens, heiliger Zucht und Sitte, geordneter Freiheit und sozialer Gerechtigkeit seien. Aus solchem Boden erblüht wahres Glück, auf ihm lassen sich bleibende
Werke leiblicher Wohlfahrt und irdischen Fortschritts wie geistiger und sittlicher
Vervollkommnung errichten.
Wien ist in seiner Vergangenheit von schweren Drangsalen heimgesucht worden
und hat tödliche Gefahren über sich kommen sehen. Es hat sie alle überstanden.
Seine furchtbarste Not, da die Stadt dem Untergang nahe schien, ist bezeichnet
mit dem Jahre 1683. Jenes Jahr ist aber auch das Jahr des größten Sieges, den
Wien je gesehen hat. Es war nicht nur ein Sieg der Waffen, es war noch mehr ein
Sieg der christlichen Idee, Grundlage und Ausgang friedlicher Eroberungen für
christliche Gesittung und Daseinsordnung. Es beglückt Uns, dass an der Befreiung Wiens im Jahre 1683 Unser Vorgänger Innozenz XI. ganz wesentlichen Anteil hatte. Euch seien jene Ereignisse Trost und Zuversicht in der gegenwärtigen
Stunde.
22
Sonderlesungen zu den
RESPONSORIUM
R: Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus unseres Gottes! *
Er lehre uns seine Wege, und wir wollen auf seinen Pfaden gehen! Halleluja.
V: Der Herr baut Jerusalem wieder auf, er sammelt die Versprengten Israels. * Er
lehre uns seine Wege, und wir wollen auf seinen Pfaden gehen! Halleluja.
29. April
HL. KATHARINA VON SIENA
ERSTE LESUNG
Aus dem Buch der Weisheit
(Weish 6,1-20)
Hört also, ihr Könige, und seid verständig! Lernt, ihr Gebieter der ganzen Welt!
Horcht, ihr Herrscher der Massen, die ihr stolz seid auf Völkerscharen!
Der Herr hat euch die Gewalt gegeben, der Höchste die Herrschaft, er, der eure
Taten prüft und eure Pläne durchforscht. Ihr seid Diener seines Reiches, aber ihr
habt kein gerechtes Urteil gefällt, das Gesetz nicht bewahrt und die Weisung Gottes nicht befolgt.
Schnell und furchtbar wird er kommen und euch bestrafen; denn über die Großen
ergeht ein strenges Gericht. Der Geringe erfährt Nachsicht und Erbarmen, doch
die Mächtigen werden gerichtet mit Macht. Denn der Herrscher des Alls scheut
niemand und weicht vor keiner Größe zurück. Er hat Klein und Groß erschaffen
und trägt gleiche Sorge für alle; den Mächtigen aber droht strenge Untersuchung.
An euch also, ihr Herrscher, richten sich meine Worte, damit ihr Weisheit lernt
und nicht sündigt: Wer das Heilige heilig hält, wird geheiligt, und wer sich darin
unterweisen lässt, findet Schutz. Verlangt also nach meinen Worten; sehnt euch
danach und ihr werdet gute Belehrung empfangen.
Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit; wer sie liebt, erblickt sie schnell,
und wer sie sucht, findet sie. Denen, die nach ihr verlangen, gibt sie sich sogleich
zu erkennen. Wer sie am frühen Morgen sucht, braucht keine Mühe, er findet sie
vor seiner Türe sitzen. Über sie nachzusinnen ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen wacht, wird schnell von Sorge frei. Sie geht selbst umher, um die zu
suchen, die ihrer würdig sind; freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen und
Vigilien in Heiligenkreuz
23
kommt jenen entgegen, die an sie denken. Ihr Anfang ist aufrichtiges Verlangen
nach Bildung; das eifrige Bemühen um Bildung aber ist Liebe. Liebe ist Halten
ihrer Gebote; Erfüllen der Gebote sichert Unvergänglichkeit, und Unvergänglichkeit bringt in Gottes Nähe. So führt das Verlangen nach Weisheit zur Herrschaft
hinauf.
Ihr Herrscher der Völker, wenn ihr Gefallen an Thronen und Zeptern habt, dann
ehrt die Weisheit, damit ihr ewig herrscht.
RESPONSORIUM
R: Ich betete, und es wurde mir Klugheit gegeben; * ich flehte, und der Geist der
Weisheit kam zu mir. Ich zog sie Zeptern und Thronen vor. Halleluja, halleluja.
V: Fehlt es einem von euch an Weisheit, so soll er sie von Gott erbitten; Gott wird
sie ihm geben, denn er gibt allen gern. * Ich flehte, und der Geist der Weisheit
kam zu mir. Ich zog sie Zeptern und Thronen vor. Halleluja, halleluja.
ZWEITE LESUNG
Christof Dahm,
aus dem Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon
Katharina von Siena stammte aus der kinderreichen Familie des Wollfärbers Benincasa. Sie zeigte schon sehr früh Anzeichen einer außergewöhnlichen Religiosität und erlebte im Alter von etwa sechs Jahren die Vision des thronenden Christus, was sie zum Gelübde der Jungfräulichkeit bewegte. Mit fünfzehn Jahren
schloss sie sich in Siena dem Dritten Orden des heiligen Dominikus an und widmete die folgenden Jahre dem Gebet und asketischen Übungen im Haus ihrer Eltern. Unter der geistlichen Anleitung verschiedener Dominikaner lernte sie das
Brevier und Viten der Heiligen zu lesen. Sie knüpfte zahlreiche Kontakte zu den
Dominikanern wie auch zu Angehörigen anderer Ordensgemeinschaften. Die
Kraft ihrer Sprache, die sich in zahlreichen Gebeten und Briefen niederschlug,
zog immer mehr Menschen in ihren Bann, so dass sich eine Schar von Gleichgesinnten um Katharina scharte, die in ihr eine „geistliche Mutter“ sahen. Von mystischer Inbrunst durchdrungen, verließ sie im 19. Lebensjahr endgültig Siena und
zog mit ihrer Anhängerschaft durch ganz Italien, stets mit dem Ruf „Pace! Frieden!“ auf den Lippen. Katharina fühlte sich dazu berufen, die darniederliegende
Kirche aufzurütteln und die Priester an ihre Aufgaben zu erinnern. Dabei scheute
24
Sonderlesungen zu den
sie nicht davor zurück, die Missstände beim Namen zu nennen: Sie sagt: „Der
schlimmste Gräuel vor Gott ist der Anblick der Blumen, die aus dem mystischen
Leib der Kirche sprießen und, anstatt süßen Duft zu verbreiten, nach allen Lastern
stinken“.
Der Reformeifer war auch die Wurzel ihrer politischen Tätigkeit, die um 1370
einsetzte: von da an wirkt sie für Frieden unter den Christen, für einen Kreuzzug
gegen die Ungläubigen und vor allem für die Rückkehr des Papstes aus Avignon
nach Rom! Für diese Ziele war sie rastlos tätig und erregte bald die Aufmerksamkeit Papst Gregors XI., der durch Legaten mit der jungen Mystikerin in Verbindung trat. Das Vertrauen des Papstes weckte sofort den Neid anderer kirchlicher
Kreise, sodass sich Katharina Pfingsten 1374 auf dem Generalkapitel der Dominikaner in Florenz verantworten musste. Dort brachte sie jedoch ihre Gegner ebenso zum Schweigen wie in ihrer Heimatstadt Siena, die im gleichen Jahr von
der Pest heimgesucht wurde und in der Katharina durch ihre rastlose Lehrtätigkeit
ebenso Zulauf erhielt wie durch zahllose Heilungswunder, die sich um sie ereigneten. Am 1. April 1375 empfing sie nach einem Bericht ihres geistlichen Beraters, Raimund von Capua, in Pisa die Wundmale Christi, die allerdings bis zu ihrem Tode unsichtbar blieben. Im Juni 1376 zog die stigmatisierte Katharina mit
einer kleinen Schar nach Avignon zu Papst Gregor XI. Tatsächlich verließ der
Papst Avignon und hielt am 17. Jänner 1377 in Rom feierlich Einzug. Die babylonische Gefangenschaft der Kirche war beendet.
Im selben Jahr gründete Katharina bei Siena ein Kloster, verließ jedoch auf Bitten
des Papstes den Konvent schon nach wenigen Monaten, um in Florenz als Friedensstifterin zu vermitteln. Ihre letzten Lebensjahre waren vom Ausbruch des
großen Papstschismas überschattet. Die Heilige stellte sich mit ihrer gesamten
Anhängerschaft auf die Seite von Papst Urban VI. Im Jahre 1378 zog sie mit zahlreichen Anhängern nach Rom, vermochte jedoch nichts auszurichten. Gebete und
Briefe aus den letzten Lebensmonaten bezeugen ihre Verzweiflung, zugleich aber
auch ihre Hoffnung, dass einzig Gottes Barmherzigkeit noch die Kirche reformieren könne. Die trostlose Situation beschleunigte ihren Tod. Katharina erlitt einen
Zusammenbruch in der Basilika von Sankt Peter und starb kurz darauf am 29.
April 1380 in Rom im Alter von nur 33 Jahren. 1461 wurde Katharina von Papst
Pius II. heilig gesprochen, seit 1939 ist sie neben Franz von Assisi Patronin Italiens, 1999 ernannte sie Johannes Paul II. zur Mitpatronin Europas. Sie ist in Santa Maria sopra Minerva beigesetzt, ihr Haupt wird in San Domenico zu Siena verehrt.
Vigilien in Heiligenkreuz
25
RESPONSORIUM
R: Öffne mir, meine Tochter, du Miterbin meines Reiches, die das Geheimnis
meiner Wahrheit erkannt hat. * Du bist reich geworden durch die Gabe meines
Geistes. Halleluja.
V: Komm heraus aus der Ruhe der Beschauung und bezeuge meine Wahrheit. *
Du bist reich geworden durch die Gabe meines Geistes. Halleluja.
3. Mai
HLL. PHILIPPUS UND JAKOBUS
ERSTE LESUNG
Aus dem Jakobusbrief
(Jak 1,1-18)
Jakobus, Knecht Gottes und Jesu Christi, des Herrn, grüßt die zwölf Stämme, die
in der Zerstreuung leben. Seid voll Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei
Versuchungen geratet! Ihr wisst, dass die Prüfung eures Glaubens Ausdauer bewirkt. Die Ausdauer aber soll zu einem vollendeten Werk führen; denn so werdet
ihr vollendet und untadelig sein, es wird euch nichts mehr fehlen. Fehlt es aber
einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm
geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf. Wer bittet, soll
aber voll Glauben bitten und nicht zweifeln; denn wer zweifelt, ist wie eine Welle, die vom Wind im Meer hin und her getrieben wird. Ein solcher Mensch bilde
sich nicht ein, dass er vom Herrn etwas erhalten wird: Er ist ein Mann mit zwei
Seelen, unbeständig auf all seinen Wegen.
Der Bruder, der in niederem Stand lebt, rühme sich seiner hohen Würde, der Reiche aber seiner Niedrigkeit; denn er wird dahinschwinden wie die Blume im Gras.
Die Sonne geht auf, und ihre Hitze versengt das Gras; die Blume verwelkt, und
ihre Pracht vergeht. So wird auch der Reiche vergehen mit allem, was er unternimmt.
Glücklich der Mann, der in der Versuchung standhält. Denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten, der denen verheißen ist, die Gott
lieben. Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott kann nicht in die Versuchung kommen, Böses zu tun,
und er führt auch selbst niemand in die Versuchung. Jeder wird von seiner eige-
26
Sonderlesungen zu den
nen Begierde, die ihn lockt und fängt, in Versuchung geführt. Wenn die Begierde
dann schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt; ist die Sünde reif
geworden, bringt sie den Tod hervor.
Lasst euch nicht irreführen, meine geliebten Brüder; jede gute Gabe und jedes
vollkommene Geschenk kommt von oben, vom Vater der Gestirne, bei dem es
keine Veränderung und keine Verfinsterung gibt. Aus freiem Willen hat er uns
durch das Wort der Wahrheit geboren, damit wir gleichsam die Erstlingsfrucht
seiner Schöpfung seien.
RESPONSORIUM
R: Glücklich der Mann, der in der Versuchung standhält; denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten, * der denen verheißen ist, die Gott
lieben. Halleluja.
V: Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten.
Jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, * der denen verheißen ist,
die Gott lieben. Halleluja.
11. Mai
HLL. ÄBTE VON CLUNY
ZWEITE LESUNG
Papst Benedikt XVI.,
Aus der Ansprache, die der Heilige Vater anlässlich seines Besuches am
9. September 2007 an die Mönche und Gläubigen richtete
Gerne wollte ich an diesen geschichtsträchtigen Ort kommen, um auf die grundlegende Weisung des heiligen Benedikt aufmerksam zu machen, nach dessen Regel auch die Zisterzienser leben. Benedikt ordnet kurz und bündig an, „dass dem
Gottesdienst nichts vorgezogen werden soll.“ (RB 43,3) In einem Kloster benediktinischer Prägung hat daher das Gotteslob, das die Mönche als feierliches
Chorgebet halten, immer den Vorrang. Gewiss – und Gott sei Dank! –, die Mönche sind nicht die einzigen, die beten; auch andere Menschen beten: Kinder, Jugendliche und alte Menschen, Männer und Frauen, Verheiratete und Alleinstehende – jeder Christ betet, oder er sollte es zumindest tun.
Vigilien in Heiligenkreuz
27
Im Leben der Mönche hat freilich das Gebet eine besondere Stellung: Es ist die
Mitte ihres Berufes. Sie sind von Beruf Betende. In der Väterzeit wurde das
Mönchsleben als Leben nach der Weise der Engel bezeichnet. Und als das Wesentliche der Engel sah man es an, dass sie Anbetende sind. Ihr Leben ist Anbetung. So sollte es auch bei den Mönchen sein. Sie beten zuallererst nicht um dies
oder jenes, sondern sie beten einfach deshalb, weil Gott es wert ist, angebetet zu
werden. „Confitemini Domino, quoniam bonus! Danket dem Herrn, denn er ist
gütig! Denn seine Huld währt ewig“, rufen viele Psalmen (z. B. Ps 106,1). Ein
solches zweckfreies Gebet, das reiner Gottesdienst sein will, wird daher mit Recht
„Officium“ genannt. Es ist der „Dienst“, der „heilige Dienst“ der Mönche. Er gilt
dem dreifaltigen Gott, der über alles würdig ist, „Herrlichkeit zu empfangen und
Ehre und Macht“ (Offb 4,11), da er die Welt wunderbar erschaffen und noch
wunderbarer erneuert hat.
Zugleich ist das Officium der Gottgeweihten auch ein heiliger Dienst an den Menschen und ein Zeugnis für sie. Jeder Mensch trägt im Innersten seines Herzens die
Sehnsucht nach der letzten Erfüllung, nach dem höchsten Glück, also letztlich
nach Gott, sei es bewusst oder unbewusst. Ein Kloster, in dem sich die Gemeinschaft täglich mehrmals zum Gotteslob versammelt, bezeugt, dass diese urmenschliche Sehnsucht nicht ins Leere geht. Gott, der Schöpfer, hat uns Menschen nicht in eine beängstigende Finsternis gesetzt, wo wir verzweifelt den letzten Sinngrund suchen und ertasten müssten (vgl. Apg 17,27); Gott hat uns nicht in
einer sinnleeren Wüste des Nichts ausgesetzt, wo letztens nur der Tod auf uns
wartet. Nein! Gott hat unsere Dunkelheit durch sein Licht hell gemacht, durch
seinen Sohn Jesus Christus. In ihm ist Gott mit seiner ganzen „Fülle“ in unsere
Welt eingebrochen (Kol 1,19), in ihm hat alle Wahrheit, nach der wir uns sehnen,
ihren Ursprung und ihren Gipfelpunkt.
Euer erster Dienst für diese Welt muss daher Euer Gebet und die Feier des Gottesdienstes sein. Die Gesinnung eines jeden Priesters, eines jeden gottgeweihten
Menschen muss es sein, „dem Gottesdienst nichts vorzuziehen“. Die Schönheit
einer solchen Gesinnung wird sich in der Schönheit der Liturgie ausdrücken, so
dass dort, wo wir miteinander singen, Gott preisen, feiern und anbeten, ein Stück
Himmel auf Erden anwesend wird.
Es ist wirklich nicht vermessen, wenn man in einer auf Gott hin konzentrierten
Liturgie, in den Riten und Gesängen, ein Abbild des Ewigen sieht. Wie sonst hätten unsere Vorfahren vor Hunderten von Jahren einen so erhabenen Kirchenraum
schaffen können wie diesen?! Hier zieht schon die nüchterne Architektur all unsere Sinne hinauf zu dem, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was
28
Sonderlesungen zu den
keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet
hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Bei allem Bemühen um die Liturgie muss der
Blick auf Gott maßgebend sein. Wir stehen vor Gott – er spricht mit uns, wir mit
ihm. Wo immer man bei liturgischen Besinnungen nur darüber nachdenkt, wie
man Liturgie attraktiv, interessant, schön machen kann, ist Liturgie schon verfallen. Entweder ist sie opus Dei mit Gott als dem eigentlichen Subjekt oder sie ist
nicht. Ich bitte an dieser Stelle: Gestaltet die heilige Liturgie aus dem Hinschauen
auf Gott in der Gemeinschaft der Heiligen, der lebendigen Kirche aller Orte und
Zeiten so, dass sie zu einem Ausdruck der Schönheit und Erhabenheit des menschenfreundlichen Gottes wird!
RESPONSORIUM
R: Wir sind Söhne der Heiligen; * wir erwarten das Leben, das Gott denen geben
wird, die ihr Vertrauen niemals von ihm abwenden. Halleluja.
V: Wir rühmen uns unserer Hoffnung, mit der wir der Herrlichkeit Gottes entgegengehen. * Wir erwarten das Leben, das Gott denen geben wird, die ihr Vertrauen niemals von ihm abwenden. Halleluja.
13. Mai
UNSERE LIEBE FRAU VON FATIMA
ZWEITE LESUNG
Kommentar der Glaubenskongregation zum 3. Geheimnis von Fatima
anlässlich seiner Veröffentlichung im Heiligen Jahr 2000
Am Übergang vom 2. zum 3. Jahrtausend hat Papst Johannes Paul II. entschieden,
den Wortlaut des dritten Teils des „Geheimnisses von Fatima“ zu veröffentlichen.
Nach den aufregenden und grausamen Ereignissen des 20. Jahrhunderts, das zu
den kritischsten der Menschheitsgeschichte zählt und im blutigen Attentat gegen
den „milden Christus auf Erden“ gipfelte, wird somit über einer Wirklichkeit ein
Vorhang aufgetan, der Geschichte macht und diese Wirklichkeit auf tiefsinnige
Weise in einem geistlichen Horizont deutet, für den die heutige Geisteshaltung,
die oft das Wasserzeichen des Rationalismus trägt, keinen Sinn hat.
Erscheinungen und übernatürliche Zeichen unterbrechen die Geschichte. Sie treten auf lebendige Weise in die menschlichen Fährnisse ein und begleiten den
Vigilien in Heiligenkreuz
29
Weg der Welt, wobei sie Gläubige und Ungläubige überraschen. Diese Kundgaben, die dem Inhalt des Glaubens nicht widersprechen können, müssen auf den
zentralen Gegenstand der Verkündigung Christi zulaufen: die Liebe des Vaters,
der die Menschen zur Umkehr bewegt und die Gnade schenkt, sich in kindlicher
Ergebenheit ihm zu überlassen. Das ist auch die Botschaft von Fatima, die mit
ihrem bekümmerten Ruf zu Umkehr und Buße tatsächlich zum Herzen des Menschen vordringt.
Fatima ist unter den modernen Erscheinungen zweifellos die prophetischste. Der
erste und der zweite Teil des „Geheimnisses“, die der Reihe nach zur Vervollständigung der Dokumentation veröffentlicht werden, beziehen sich vor allem auf
die schreckliche Vision von der Hölle, die Verehrung des Unbefleckten Herzens
Mariens, den Zweiten Weltkrieg und sodann auf die Vorhersage der ungeheuren
Schäden, die das vom christlichen Glauben abgefallene und dafür dem kommunistischen Totalitarismus verfallene Russland der Menschheit zufügen würde.
Keiner hätte sich das alles im Jahre 1917 vorstellen können.
Nachdem Johannes XXIII. und Paul VI. den dritten Teil des Geheimnisses von
Fatima nicht veröffentlichen ließen, erbat Johannes Paul II. nach dem Attentat
vom 13. Mai 1981 den Umschlag mit dem Text aus dem Geheimarchiv. Wie bekannt, hat er sofort daran gedacht, die Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens zu
weihen. Er ließ daraufhin einen feierlichen „Vertrauensakt“ in der Basilika Santa
Maria Maggiore am 7. Juni 1981, dem Hohen Pfingstfest, feiern. Schwester Lucia
bestätigte persönlich, dass dieser feierliche und universale Weiheakt dem entsprach, was Unsere Liebe Frau wollte.
Der dritte Teil des Geheimnisses ist eine symbolische Offenbarung, die nochmals
an unsere Verantwortung appelliert. Maria sagt: „Wenn man auf meine Wünsche
hört, wird Russland sich bekehren, und es wird Friede sein; wenn nicht, dann
wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, usw.“
Von dem Augenblick an, da wir dem Ruf der Botschaft nicht Rechnung trugen,
stellen wir fest, dass die Botschaft sich bewahrheitet hat, dass Russland die Welt
mit seinen Irrlehren eingenommen hat. Unglück, Tod und Elend drohen, wenn
wir nicht den Weg der Sünde, des Hasses, der Rache, der Ungerechtigkeit, der
Verletzung der menschlichen Person, des unmoralischen Verhaltens und der Gewalt verlassen. Und sagen wir nicht, dass Gott es ist, der uns so straft; im Gegenteil: Es sind die Menschen, die sich selbst die Strafe bereiten. Maria gibt uns das
in ihrer Fürsorge kund und ruft uns auf den guten Weg.
30
Sonderlesungen zu den
Die Entscheidung des Heiligen Vaters Papst Johannes Pauls II., das „Dritte Geheimnis“ von Fatima zu veröffentlichen, beschließt einen Zeitabschnitt, der davon
gezeichnet ist, dass sich menschliches Wollen auf tragische Weise mit Gewalt
und Bosheit verbunden hat. Gleichzeitig ist diese Zeit aber auch durchdrungen
von der barmherzigen Liebe Gottes und von der Sorge, mit der die Mutter Jesu
und die Mutter der Kirche über uns wacht. Die Madonna, die in Fatima erschienen ist, ruft uns diese vergessenen Werte des Glaubens, der Hingabe, der Sühne
und des Opfers ins Gedächtnis. Sie erinnert uns, dass die Zukunft des Menschen
in Gott liegt, dass aber jedem von uns dabei eine aktive und verantwortungsvolle
Rolle zukommt.
RESPONSORIUM
R: Ich preise dich, Herr des Himmels und der Erde, * weil du den Kleinen die
Geheimnisse deines Reiches geoffenbart hast. Halleluja.
V: Es erschien am Himmel ein großes Zeichen: eine Frau umkleidet mit der Sonne. * Weil du den Kleinen die Geheimnisse deines Reiches geoffenbart hast. Halleluja.
15. Mai
HL. PACHOMIUS
ZWEITE LESUNG
Heiliger Pachomius († 367)
Aus den Ermahnungen
Um Deinetwillen, Herr, sind wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt. Gib Gott
die Ehre, und du wirst stark sein. Denk an die Leiden, die die Heiligen ertragen
haben! Lasst uns einmütig zusammenstehen und unserer Berufung die Treue halten! Dabei wollen wir vor allem Sorge tragen, dass wir im klösterlichen Leben,
das wir auf uns genommen haben, Fortschritte machen und unseren Gott wohlgefälligen Lebenslauf vollenden dürfen.
Man darf uns nicht mit denen vergleichen, die sich an nichtigen, unbedeutenden
Dingen erfreuen, damit unser Herz nicht eines Tages den rechten Weg verlässt, in
Sünde stürzt und so um die ewige Hoffnung betrogen wird. Erkenntnis bedeutet
nämlich, Gott zu erkennen, der das Beste will, denn das schlimmste von allen
Vigilien in Heiligenkreuz
31
Übeln ist, wenn man sich dem Gesetz Gottes widersetzt und seinem eigenen Willen frönt. Wer seinen eigenen Willen durchsetzt, wird um die Erkenntnis Gottes
betrogen und kann so nicht auf dem Weg der Heiligen gehen; am Jüngsten Tag
wird er Verderben und Wehklagen finden.
Jetzt also ist es Zeit, Gott zu gefallen, denn man erwirbt das Heil in der Zeit der
Drangsal. Bewahren wir also den christlichen Glauben nicht nur in der Zeit der
Freude, sondern stehen wir zu ihm auch in der Zeit der Drangsal! Es steht ja geschrieben: „Wenn du dem Herrn, deinem Gott, ein Gelübde machst, sollst du
nicht zögern, es zu erfüllen.“
Gott wird die Fülle des unerschütterlichen Glaubens schenken! Die Propheten
haben ihn durch den Heiligen Geist erworben, in ihm wurden die Apostel bestärkt, die um des Glaubens willen verschiedene Drangsale auf sich nahmen und
so zum verheißenen Lohn gelangten.
Da wir dies wissen, wollen wir nicht umherschweifen, getäuscht von Irrtum und
Verführung! Bleiben wir vielmehr fest und standhaft, damit wir stets an das göttliche Gesetz denken und so die unsteten Gedanken zügeln, die wie die Wasserwogen daherbrausen. Wir wollen Gott immer vor Augen haben und daran denken,
dass der Herr Kreuz und Tod erlitten hat, der uns erlöst und zum Leben erweckt
hat. Entsagen wir diesem Leben vollständig, um für Gott allein leben zu können!
Liebe Brüder, denken wir an unser Versprechen, wie wir gelobt haben, Gott zu
dienen. Darüber wird am Tag des Gerichtes von uns Rechenschaft verlangt.
Wir wollen Hunger, Durst und Blöße ertragen, wir wollen wachen, beim
Psalmengesang und beim Beten von ganzem Herzen seufzen und weinen, wir
wollen sorgfältig unser Gewissen prüfen, ob wir vielleicht in irgendeinem Punkt
uns Gottes würdig erweisen, der uns seine unermessliche Güte geschenkt hat. Wir
wollen vor Not und Drangsal nicht fliehen, damit wir die Ruhe und den Trost des
Herrn erlangen und das ewige Leben empfangen. Amen.
RESPONSORIUM
R: Um deinetwillen, Herr, sind wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt; du gibst
uns preis wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. * Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Halleluja.
V: Du machst uns zum Schimpf für unsere Nachbarn. * Doch all das überwinden
wir durch den, der uns geliebt hat. Halleluja.
32
Sonderlesungen zu den
21. Mai
SEL. FRANZ JÄGERSTÄTTER
ZWEITE LESUNG
Seliger Franz Jägerstätter († 1943)
Aus dem Abschiedsbrief an seine Frau Theresia, den er wenige Stunden vor seiner Hinrichtung am 9. August 1943 verfasste.
Gott zum Gruß, herzallerliebste Gattin. Und alle meine Lieben. Heute früh um
zirka halb sechs Uhr hieß es sofort anziehen: das Auto wartet schon, und mit
mehreren Todeskandidaten ging dann die Fahrt hierher nach Brandenburg. Was
mit uns geschehen wird, wussten wir nicht. Erst zu Mittag teilte man mir mit, dass
das Urteil bestätigt wurde und heute um vier Uhr nachmittags vollstreckt wird.
Ich will euch nun kurz einige Worte des Abschiedes schreiben.
Liebste Gattin und Mutter. Bedanke mich nochmals herzlich für alles, was Ihr in
meinem Leben alles für mich getan, für all die Liebe und Opfer, die Ihr für mich
gebracht habt, und bitte Euch nochmals, verzeiht mir alles, was ich Euch beleidigt
und gekränkt habe, sowie Euch auch von mir alles verziehen ist...
Christus hat am Kreuze genug gelitten, um die ganze Menschheit zu erlösen. Aber weil jeder Christ ein Glied am mystischen Christusleib ist, hat Gott auch ihm
ein bestimmtes Maß an Leiden zugedacht. Da es in der Lebenseinheit mit dem
mystischen Christus gelitten wird, darf es auch ‚Leiden Christi‘ oder ‚Drangsal
Christi‘ genannt werden. Es kommt der Kirche, die ja der mystische Leib Christi
ist, zugute und wird erst vollendet, wenn die leidende und streitende Kirche ganz
in die triumphierende übergegangen ist. - Möge Gott mein Leben hinnehmen als
Sühn-Opfer nicht bloß für meine Sünden, sondern auch für andere.
Liebste Gattin und Mutter. Es war mir nicht möglich, Euch von diesen Schmerzen, die Ihr jetzt um meinetwegen zu leiden habt, zu befreien. Wie hart wird es
für unsren lieben Heiland gewesen sein, dass er durch sein Leiden und Sterben
seiner lieben Mutter so große Schmerzen bereiten musste. Und das haben Jesus
und Maria alles aus Liebe für uns Sünder gelitten. Ich danke auch unserem Heiland, dass ich für ihn leiden durfte und jetzt auch für ihn sterben darf. Und ich
vertraue auch auf seine unendliche Barmherzigkeit, dass mir Gott alles verziehen
hat und mich auch in der letzten Stunde nicht verlassen wird.
Vigilien in Heiligenkreuz
33
Liebste Gattin, denke auch daran, was Jesus denen verheißen hat, welche die neun
Herz-Jesu-Freitage halten. Und auch jetzt wird noch Jesus in der heiligen Kommunion zu mir kommen und mich stärken auf der Reise in die Ewigkeit. In Tegel
hatte ich die Gnade, viermal die heiligen Sakramente zu empfangen. Grüßet mir
auch noch herzlich meine lieben Kinder. Ich werde den lieben Gott schon bitten,
wenn ich bald in den Himmel kommen darf, auch für Euch alle ein Plätzchen anzuschaffen. Habe in der letzten Woche die Himmelmutter noch öfter gebeten,
wenn es Gottes Wille ist, dass ich bald sterbe, dass ich das Fest Maria Himmelfahrt schon im Himmel mitfeiern darf…
Und nun alle meine Lieben lebet alle wohl und vergesset meiner nicht im Gebet.
Haltet die Gebote und wir werden uns durch Gottes Gnade bald im Himmel wiedersehen! Jesu Herz, Maria Herz und mein Herz seien ein Herz: verbunden für
Zeit und Ewigkeit. Maria mit dem Kinde lieb, uns noch allen Deinen Segen gib!
RESPONSORIUM:
R: Ich werde nunmehr geopfert und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Jetzt
freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. * Für den Leib Christi, die
Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben, was an den Leiden Christi noch
fehlt. (O: Halleluja)
V: Bei meiner Verteidigung ist niemand für mich eingetreten, alle haben mich im
Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. * Für den Leib Christi,
die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben, was an den Leiden Christi
noch fehlt. (O: Halleluja)
25. Mai
HL. BEDA VENERABILIS
ZWEITE LESUNG
Cuthbert,
Aus dem Brief über den Tod Bedas des Ehrwürdigen
Als der Dienstag vor Christi Himmelfahrt kam, nahm die Atemnot Bedas zu, und
an seinen Füßen zeigte sich ein kleines Geschwür. Trotzdem lehrte und diktierte
er den ganzen Tag heiteren Sinnes. Von Zeit zu Zeit sagte er unter anderem:
„Lernt schnell! Ich weiß nicht, wie lange ich noch lebe und ob mein Schöpfer
34
Sonderlesungen zu den
mich nicht in Kürze wegnimmt.“ Uns schien es aber, als wisse er wohl um sein
Sterben Bescheid. Und so durchwachte er die ganze Nacht in Danksagung.
Als der Morgen dämmerte, am Mittwoch also, befahl er, sorgfältig weiterzuschreiben an dem, was wir begonnen hatten; das taten wir bis zur dritten Stunde.
Von der dritten Stunde an hielten wir die Prozession mit den Reliquien der Heiligen, wie es der Brauch des Tages verlangte. Einer von uns blieb bei ihm. Der sagte zu ihm: „Lieber Meister, von dem Buch, das du diktiert hast, fehlt noch ein
Kapitel; wäre es schwer für dich, wenn du weiter gefragt würdest?“ Er sagte: „Es
geht schon. Nimm deine Feder, mach sie zurecht und schreibe schnell!“ Der tat
so.
Zur neunten Stunde sagte Beda zu mir: „Ich habe einige Kostbarkeiten in meinem
Kästchen: Pfeffer, Mundtücher und Weihrauch. Lauf schnell und hole mir die
Presbyter unseres Klosters, damit ich unter sie das bisschen verteile, das Gott mir
gegeben hat!“ Als sie da waren, sprach er zu ihnen, mahnte einen jeden und bat
ihn, Messen für ihn zu feiern und die Gebete gewissenhaft zu sprechen. Das versprachen sie ihm gern.
Alle trauerten und weinten. Am meisten schmerzte sie sein Wort, dass sie ihn in
dieser Welt nicht mehr lange von Angesicht zu Angesicht sehen würden. Doch
freuten sie sich, als er sagte: „Es ist Zeit - wenn es meinem Schöpfer so gefällt,
dass ich zu dem zurückkehre, der mich gemacht, der mich geschaffen hat, der
mich aus dem Nichts formte, als ich noch nicht war. Ich habe lange gelebt, und
der erbarmungsvolle Richter hat mich mein Leben lang umsorgt. Die Zeit meines
Aufbruchs ist nahe. Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu
sein, denn meine Seele verlangt danach, Christus, meinen König, in seiner Herrlichkeit zu schauen.“ Vieles andere sagte er noch zu unserer Erbauung und verbrachte den ganzen Tag in Freude bis zum Abend.
Der Knabe Wilbert sagte noch: „Geliebter Meister, ein Satz ist noch nicht geschrieben.“ Er antwortete: „Dann schreib ihn schnell!“ Nach einiger Zeit sagte
der Knabe: „Nun ist der Satz geschrieben!“ Er darauf: „Gut, du hast die Wahrheit
gesagt: Es ist vollbracht! Nimm meinen Kopf in deine Hände; denn es ist mir eine
große Freude, im Anblick der heiligen Stätte zu sitzen, an der ich zu beten pflegte. So kann ich sitzend zu meinem Vater beten.“ Und so sang er auf dem Fußboden seiner Zelle: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist!“
Als er den Heiligen Geist genannt hatte, tat er den letzten Atemzug. Und so ist er,
der sich mit ganzer Hingabe um das Lob Gottes gemüht hatte (wie man ohne
Zweifel glauben kann), hinübergegangen zu den himmlischen Freuden, nach denen er sich gesehnt hat.
Vigilien in Heiligenkreuz
35
RESPONSORIUM
R: Lange habe ich gelebt, und der Herr hat mich mein Leben lang umsorgt; * die
Zeit meines Aufbruchs ist gekommen. (O: Halleluja)
V: Es ist Zeit, dass ich zu dem zurückkehre, der mich geschaffen hat. * Die Zeit
meines Aufbruchs ist gekommen. (O: Halleluja)
1. Juni
HL. JUSTINUS
ZWEITE LESUNG
Aus den Märtyrerakten
des heiligen Justin und seiner Gefährten
Die Heiligen, die gefangen genommen waren, wurden vor den römischen Präfekten Rustikus geführt. Als sie vor dem Richterstuhl standen, forderte Rustikus Justin auf: „Zeige zuerst deinen Glauben an die Götter und gehorche den Kaisern!“
Justin antwortete: „Niemand kann angeklagt und verurteilt werden, weil er den
Geboten unseres Heilands Jesus Christus gehorcht.“ Der Präfekt Rustikus fragte:
„Welche Lehre vertrittst du?“ Justin erwiderte: „Alles Wissen suchte ich zu lernen und blieb schließlich bei der wahren Lehre der Christen, auch wenn sie den
im Irrtum Befangenen nicht gefällt.“ Der Präfekt Rustikus fragte: „Diese Lehren
gefallen dir also, du Elender?“ Justin sprach: „Ja, ich folge ihnen in Übereinstimmung mit dem rechten Glauben.“ Der Präfekt Rustikus fragte: „Welches ist
dieser Glaube?“ Justin antwortete: „Wir verehren den Gott der Christen, von dem
wir glauben, dass er, der Eine, am Anfang die ganze Welt, die sichtbare und die
unsichtbare, geschaffen und aufgebaut hat. Und wir verehren den Herrn Jesus
Christus, den Sohn Gottes, von dem die Propheten geweissagt haben, er werde
unter den Menschen gegenwärtig sein als Herold des Heils und Lehrer guter Gebote. Ich bin nur ein Mensch und glaube, dass ich in Anbetracht seiner unermesslichen Gottheit nur Unzulängliches sagen kann. Ich bekenne mich aber zur Kraft
der Prophetie, weil es eine Vorausverkündigung über den gibt, den ich eben als
den Sohn Gottes bezeichnet habe. Denn wisse: Auf Eingebung von oben haben
die Propheten im Voraus gesagt, dass dieser zu den Menschen kommen werde.“
Der Präfekt Rustikus fragte: „Du bleibst also dabei, ein Christ zu sein?“ Justin
antwortete: „Ja, ich bin ein Christ!“
36
Sonderlesungen zu den
Der Präfekt Rustikus sagte: „Lasst uns nun zu der Sache kommen, um die es geht.
Sie ist notwendig und dringend: Kommt und opfert einmütig den Göttern!“ Justin
erwiderte: „Niemand, der folgerichtig denkt, kann von der Gottesfurcht zur Gottlosigkeit abfallen.“ Der Präfekt Rustikus sagte: „Wenn ihr nicht gehorcht, werdet
ihr schonungslos bestraft.“ Justin erwiderte: „Wir hoffen, wenn wir um unseres
Herrn Jesus Christus willen bestraft werden, eben dadurch gerettet zu werden.
Denn das wird uns Heil und Zuversicht geben vor dem weit schrecklicheren allgemeinen Gericht unseres Herrn und Retters.“ Ebenso sprachen auch die übrigen
Märtyrer: „Tu, wie du willst. Wir sind Christen und opfern den Göttern nicht!“
Da verkündete der Präfekt Rustikus das Urteil: „Diese lehnen es ab, den Göttern
zu opfern und dem Befehl des Kaisers zu gehorchen. Sie sollen gegeißelt werden
und dann nach der Vorschrift des Gesetzes mit der Strafe der Enthauptung büßen.“ Die Heiligen priesen Gott, gingen hinaus zum üblichen Hinrichtungsort,
wurden enthauptet und vollendeten ihr Blutzeugnis im Bekenntnis des Heilands.
RESPONSORIUM
R: Ich schäme mich des Evangeliums nicht; * es ist eine Macht Gottes und wird
jeden retten, der glaubt. (O: Halleluja)
V: Nichts fürchte ich, wenn ich nur den Dienst erfülle, den ich übernommen habe:
Das Evangelium Christi zu bezeugen. * Es ist eine Macht Gottes und wird jeden
retten, der glaubt. (O: Halleluja)
16. Juni
HL. LUDGARD
ERSTE LESUNG
Lebensbeschreibung der heiligen Ludgard
nach dem „Calendarium Benedictinum“
Während der Vater schon eine glänzende Partie für seine begabte und anmutsvolle Tochter Ludgard plante, erklärte ihr die Mutter wiederholt: „Wenn du dich mit
Christus vermählst, werde ich dir das vornehmste Kloster einrichten; wenn du
aber einen sterblichen Mann heiraten willst, sollst du nur einen Kuhhirten bekommen!“ Offenbar auf Veranlassung der Mutter wurde Ludgard auch mit 12
Jahren Klosterschülerin bei den Benediktinernonnen von St. Katharina zu Saint-
Vigilien in Heiligenkreuz
37
Trond. Hier begann die Liebe Christi immer mehr von ihrer Seele Besitz zu ergreifen, sodass sie standhaft alle Werbungen ausschlug. Als gar ein Versuch gemacht wurde, sie gewaltsam zu entführen, entschloss sie sich endgültig, Gottesbraut zu werden, und legte die Profess ab. Die Folge war, dass nun ihr geheimnisvolles Mitleben mit dem gekreuzigten Heiland von Tag zu Tag inniger wurde.
Ludgard hatte von Gott die Gabe der Krankenheilung erhalten, ebenso eine besonders tiefe Einsicht in die Psalmen; aber da sie in solchen Gaben nicht die erwünschte Förderung im geistlichen Leben sah, wollte sie lieber darauf verzichten
und bat den Heiland um nichts weniger als sein heiligstes Herz: „Ich will dein
Herz, und zwar so, dass du die Liebe deines Herzens mit meinem Herzen vermischst und ich in dir mein Herz besitze!“ Zeitweise erfüllte sie ein lebhaftes
Verlangen nach dem Martyrium; einmal war es so stark, dass ihr nahe dem Herzen eine Ader sprang und sie blutüberströmt zusammenbrach.
Mit 21 Jahren wurde Ludgard zur Priorin von Sankt Katharina erwählt. Von da ab
dachte sie an einen Ortswechsel. Auf den Rat ihres Beichtvaters entschied sie sich
für das strenge Zisterzienserinnenkloster Aywières. Hier konnte sie als einzige
Deutsche unter lauter französisch sprechenden Schwestern so recht für sich ihr
innerliches Leben pflegen und lief keine Gefahr, nochmals Oberin werden zu
müssen. Und doch entfaltete sie andererseits von der Verborgenheit ihrer Zelle
aus eine weit reichende Wirksamkeit zum Heil der Seelen und zum Wohl der heiligen Kirche. Geistliche und Laien suchten bei der gotterleuchteten Jungfrau Rat
und Hilfe.
Vor allem verstand sie es, mutlose Seelen wieder aufzurichten und verhärtete
Sünder zur Buße zu bewegen. Für die Bekehrung der Sünder betete und opferte
sie ohne Unterlass. So genoss sie im Auftrag des Heilandes sieben Jahre lang nur
Brot und schales Bier, um den Zorn Gottes über die Albigensergreuel zu besänftigen, dann wieder zweimal sieben Jahre nur Brot und Gemüse für die Bekehrung
der Sünder im Allgemeinen. Dabei vertrat sie aber anderen gegenüber immer den
gesunden Grundsatz, dass der Körper in Überschätzung geistlicher Freuden nicht
zugrunde gerichtet und unbrauchbar gemacht werden dürfe für die Arbeit an den
Seelen. Eine besondere Freundin war die Heilige den Armen Seelen des Fegefeuers; sogar der gewaltige Papst Innozenz III. soll ihr nach seinem Tode erschienen
sein und sie um ihre Fürbitte angefleht haben. - Die letzten elf Jahre ihres Lebens
verbrachte Ludgard in leiblicher Blindheit. Gott wollte sie dadurch loslösen von
dem Trost, den sie im Anblick lieber Freunde fand. Dafür erstrahlte in ihrer Seele
immer reiner und heller das ungeschaffene Licht, das sie dann am 16. Juni 1246
zur ewigen Beseligung ganz in sich aufnahm.
38
Sonderlesungen zu den
An ihrer Bahre bewahrheitete sich sofort die Voraussage der befreundeten Begine
Maria: „Jetzt im Leben tut Ludgard Wunder an den Seelen, nach ihrem Hinscheiden wird sie solche auch an den Leibern vollbringen.“
RESPONSORIUM
R: Kein Auge hat es gesehen, und kein Ohr hat es gehört, und in keines Menschen
Herz ist es gedrungen, * wie Großes Gott denen bereitet, die ihn lieben. (O: Halleluja)
V: Uns hat Gott es enthüllt durch seinen Geist: * wie Großes Gott denen bereitet,
die ihn lieben. (O: Halleluja)
3. Juli
HL. THOMAS
ERSTE LESUNG
Aus dem ersten Johannesbrief
(1 Joh 1,1-7; 4,7-16a)
Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir:
das Wort des Lebens. Denn das Leben wurde offenbart; wir haben gesehen und
bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde. Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch,
damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem
Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Wir schreiben dies, damit unsere
Freude vollkommen ist.
Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkünden: Gott ist
Licht, und keine Finsternis ist in ihm. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft
mit ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die
Wahrheit. Wenn wir aber im Licht leben, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut seines Sohnes Jesus reinigt uns von aller Sünde.
Liebe Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder,
der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn
Vigilien in Heiligenkreuz
39
leben. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er
uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat. Liebe Brüder, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben. Niemand hat
Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist
in uns vollendet. Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns bleibt:
Er hat uns von seinem Geist gegeben. Wir haben gesehen und bezeugen, dass der
Vater den Sohn gesandt hat als den Retter der Welt. Wer bekennt, dass Jesus der
Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott, und er bleibt in Gott. Wir haben die Liebe,
die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen.
RESPONSORIUM
R: Streck deinen Finger aus: Hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus, und
leg sie in meine Seite; und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! * Thomas antwortete: Mein Herr und mein Gott!
V: Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen
gesehen und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir. * Thomas
antwortete: Mein Herr und mein Gott!
8. Juli
HL. EUGEN III.
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus dem Schreiben „De Consideratione“ an Papst Eugen III.
Die Liebe drängt mich, aber die Ehrfurcht hält mich zurück. Was liegt überhaupt
daran, dass du auf den Stuhl Petri erhoben worden bist? Wenn du dich auf den
Flügeln des Windes fortbewegen wolltest, so könntest du dich meiner Liebe nicht
entziehen. Die Liebe weiss nicht, was ein Vorgesetzter ist; sie erkennt einen Sohn
sogar unter der Papstkrone. Die Liebe stirbt nicht. Wenn ich auch dir gegenüber
nicht mehr die Pflichten einer Mutter zu erfüllen habe, so habe ich immer noch
ihre Zärtlichkeit. Du hast früher meinem Herzen nahe gestanden; es ist nicht
leicht, dich aus demselben zu reißen. Ich werde dir also Ratschläge erteilen, nicht
wie ein Meister, sondern wie eine Mutter oder, anders gesagt, wie einer, der liebt.
Man wird mich vielleicht für einen Wahnsinnigen halten, aber als solcher werde
40
Sonderlesungen zu den
ich nur in den Augen dessen gelten, der nicht liebt, der die Macht der Liebe nicht
fühlt.
Die Apostel, deine Vorfahren, haben den Auftrag erhalten, die ganze Welt vor
den Füßen Christi niederzuwerfen. Du bist ihr Erbe; folglich ist die Welt dein
Erbteil. Andere sind zwar auch Pförtner des Himmels und Hirten der Herden; du
aber hast den Titel in besonderer Weise ererbt. Jeder von ihnen hat eine Herde,
welche ihm besonders zugewiesen ist. Für dich machen alle Herden zusammen
nur eine Herde aus, welche dir anvertraut ist. Du bist nicht bloß der Hirte der
Schafe, sondern auch der Hirt der Hirten. Mit einem Wort, du bist in des Wortes
vorzüglichster Bedeutung der Stellvertreter Christi. Der Päpstliche Stuhl behagt
dir vielleicht. Er ist jedoch nur ein Beobachtungsposten, wie der Name „Bischof“
es andeutet, er ist eine Anhöhe, von der aus du - wie ein Wachtposten - einen
Blick auf die Welt werfen kannst. Die Welt ist nicht dein Eigentum; dir gehört
nur ihre Bewachung und ihre Pflege. Die Gewaltherrschaft über sie ist den Aposteln untersagt worden. Es gibt kein Eisen und kein Gift, das ich so sehr für dich
fürchte als die Leidenschaft zu herrschen. Erwäge, dass du das Muster der Frömmigkeit, der Kämpfer für die Wahrheit, der Verteidiger des Glaubens, der Lehrer
der Nationen, das Haupt der Christen, der Ruhm der Guten, der Vater der Könige,
das Salz der Erde, das Licht der Welt, der Priester des Allerhöchsten, der Stellvertreter Christi, der Gesalbte des Herrn sein musst.
RESPONSORIUM
R: Weise zurecht, tadle und ermahne in unermüdlicher Belehrung; * verkünde das
Wort zu gelegener und ungelegener Zeit!
V: Gib Acht auf die ganze Herde, in der dich der Heilige Geist zum Bischof bestellt hat. * Verkünde das Wort zu gelegener und ungelegener Zeit!
11. Juli
HL. BENEDIKT VON NURSIA
ERSTE LESUNG
Aus dem Buch Jesus Sirach (Sir 51,13-30).
Als ich jung und noch nicht unstet war, suchte ich eifrig die Weisheit. Sie kam zu
mir in ihrer Schönheit, und bis zuletzt will ich sie erstreben. Und wie nach dem
Vigilien in Heiligenkreuz
41
Blühen die Trauben reifen, die das Herz erfreuen, so schritt mein Fuß auf geradem Weg; denn schon von Jugend an habe ich sie erkannt. Nur kurz hörte ich hin,
und schon fand ich Belehrung in Menge. Sie ist für mich zur Amme geworden;
meinem Lehrer will ich danken. Ich hatte im Sinn, Freude zu erleben, ich strebte
ohne Rast nach Glück. Ich verlangte brennend nach ihr und wandte von ihr meinen Blick nicht ab. Ich richtete mein Verlangen auf sie, und auf ihren Höhen
wanke ich nicht. Meine Hand öffnete ihre Tore, und ich nahm sie leibhaftig wahr.
Ich habe ihretwegen meine Hände gereinigt, und ich fand die Weisheit in ihrer
Reinheit. Einsicht erwarb ich durch sie von Anfang an, darum lasse ich nicht von
ihr. Mein Herz war erregt, sie zu schauen, darum erwarb ich sie als kostbares Gut.
Der Herr gab meinen Lippen Erfolg, mit meiner Zunge will ich ihm danken.
Kehrt bei mir ein, ihr Unwissenden, verweilt in meinem Lehrhaus!
Wie lange noch wollt ihr das alles entbehren und eure Seele dürsten lassen? Ich
öffne meinen Mund und sage von ihr: Erwerbt euch Weisheit, es kostet nichts.
Beugt euren Nacken unter ihr Joch, und nehmt ihre Last auf euch! Denen, die sie
suchen, ist sie nahe, und wer sich ihr ganz hingibt, findet sie. Seht mit eigenen
Augen, dass ich mich nur wenig bemühte, aber viel Ruhe gefunden habe. Hört auf
meine knapp bemessene Lehre! Durch sie werdet ihr viel Silber und Gold erwerben. Eure Seele freue sich an meinem Lehrstuhl, meines Liedes sollt ihr euch
nicht schämen. Tut eure Werke vor der Zeit der Vergeltung, so wird er euch den
Lohn geben zur rechten Zeit. Gepriesen sei der Herr auf ewig, gelobt sei sein
Name für alle Zeiten.
RESPONSORIUM
R: Uneigennützig lernte ich Weisheit, neidlos gebe ich sie weiter; * sie ist ein
unerschöpflicher Schatz für die Menschen.
V: Unglücklich sind alle, die Weisheit und Belehrung verachten; denn Gott liebt
nur den, der mit der Weisheit zusammenwohnt. * Sie ist ein unerschöpflicher
Schatz für die Menschen.
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus einem Sermo zum Todestag des heiligen Benedikt
Wir feiern heute den himmlischen Geburtstag unseres glorreichen Meisters Benedikt. Nach unserer Gewohnheit bin ich es euch schuldig, für ihn und über ihn eine
42
Sonderlesungen zu den
Ansprache zu halten. Seinen liebreichen Namen müsst ihr in aller Freude lieben
und ehren, denn er ist euer Führer, euer Meister, euer Gesetzgeber! Und da ich
selbst nichts habe, was ich euch vorsetzen könnte, so will ich vom seligen Benedikt drei Brote erbitten, um euch damit zu speisen: Es erquicke euch seine Heiligkeit, es nähre euch seine Gerechtigkeit, es sättige euch seine Frömmigkeit. Ein
Baum war der heilige Benedikt, mächtig und fruchtbar, wie der Baum, der an
Wasserbächen gepflanzt ist. Deshalb brachte dieser heilige Bekenner des Herrn
seine Frucht zur rechten Zeit. Zu seinen Früchten gehören auch jene drei, die ich
zuvor nannte: seine Heiligkeit, seine Gerechtigkeit und seine Frömmigkeit. Seine
Heiligkeit erkennst du aus seinen Wundern, seine Frömmigkeit aus seiner Lehre,
seine Gerechtigkeit aus seinem Leben.
Doch warum erzähle ich dir von seinen Wundern? Etwa, damit auch du versuchst,
Wunder zu wirken? Gewiss nicht! Aber du sollst dich auf seine Wunder stützen,
das heißt: du sollst vertrauen und dich freuen, unter einem solchen Hirten stehen
und einen solchen Schutzherrn haben zu dürfen. Überaus mächtig ist nämlich der
im Himmel, der sich schon auf Erden als mächtig erwiesen hat. Der Größe seiner
Gnade entsprechend wurde er durch die Fülle der Glorie erhöht. Denn der Zahl
der Wurzeln entsprechend wachsen bekanntlich die Zweige. Es heißt doch im
Sprichwort: „So viele Äste schmücken den Baum, wie ihn Wurzeln stützen.“ So
sollen also die Wunder unseres Schutzherrn ein großer Trost für uns sein, wenn
wir selbst keine zu vollbringen vermögen. Seine Lehre jedoch unterrichtet uns
und lenkt unsere Schritte auf dem Weg des Friedens. Schließlich gibt uns sein
gerechtes Leben Kraft und Mut, damit wir umso begeisterter tun, was er lehrte, je
sicherer wir sind, dass er selbst nichts anderes lehrte, als was er selbst tat. Denn
die lebendigste und wirksamste Lehre ist das eigene Beispiel. Dieses ist die beste
Empfehlung für die Lehre, weil es beweist, dass die Lehre wahrhaftig in die Tat
umgesetzt werden kann.
Auf diese Weise also stärkt uns seine Heiligkeit, unterweist uns seine Frömmigkeit und festigt uns seine Gerechtigkeit. Wie groß muss seine Güte gewesen sein,
dass er nicht nur seinen Zeitgenossen diente, sondern sich auch um die künftigen
Nachkommen sorgte! Dieser Baum brachte nicht nur jenen, die damals waren,
seine Früchte, sondern bis auf den heutigen Tag bleiben seine Früchte und wachsen noch dazu. Fürwahr, er war von Gott und von den Menschen über die Maße
geliebt. Er war nicht nur zu seiner Zeit gesegnet - wie es ja viele gibt, die nur von
Gott allein geliebt werden, weil er allein sie kennt - nein: auch in seinem Andenken ist er bis heute gesegnet.
Vigilien in Heiligenkreuz
43
Denn bis zur Stunde weidet er die Herde des Herrn: Er sättigt sie mit diesen drei
Früchten, in welchen sich seine dreifache Liebe zu Gott spiegelt: er nährt sie
durch sein Lebensbeispiel, er nährt sie durch seine Lehre, er nährt sie durch seine
Fürbitte. Dadurch hilft er euch immerdar, meine Lieben, dass ihr Frucht bringt:
Dazu seid ihr ja bestimmt: Gehet hin und bringt Frucht!
RESPONSORIUM
R: Er war wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist; wie ein Baum, der
seine Frucht bringt zur rechten Zeit: * Benedictus, der Gesegnete.
V: Er war ein Mann von ehrwürdigem Leben: Durch die Gnade und dem Namen
nach: * Benedictus, der Gesegnete.
23. Juli
HL. BIRGITTA VON SCHWEDEN
ERSTE LESUNG
Aus dem Brief an die Philipper
(Phil 3,7-17; 4,8)
Was mir ein Gewinn war, das habe ich um Christi willen als Verlust erkannt. Ja,
noch mehr: ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines
Herrn, alles übertrifft. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für
Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein. Nicht meine eigene Gerechtigkeit suche ich, die aus dem Gesetz hervorgeht, sondern jene, die durch den
Glauben an Christus kommt, die Gerechtigkeit, die Gott aufgrund des Glaubens
schenkt. Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die
Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch
zur Auferstehung von den Toten zu gelangen.
Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber
ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. Brüder, ich bilde mir nicht ein, dass ich es schon ergriffen hätte. Eines
aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus,
was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis, der himmlischen Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt. Das wollen wir bedenken,
44
Sonderlesungen zu den
wir Vollkommenen. Und wenn ihr anders über etwas denkt, wird Gott euch auch
das offenbaren. Nur müssen wir festhalten, was wir erreicht haben.
Ahmt auch ihr mich nach, Brüder, und achtet auf jene, die nach dem Vorbild leben, das ihr an uns habt! Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!
Was ihr gelernt und übernommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut. Und
der Gott des Friedens wird mit euch sein.
RESPONSORIUM
R: Die Welt und alle ihre Schönheit habe ich gering geachtet aus Liebe zu Christus. * Ihn habe ich gefunden, ihn liebe ich, an ihn habe ich geglaubt und mich ihm
geweiht.
V: Mein Herz fließt über von froher Kunde, ich weihe mein Lied dem König. *
Ihn habe ich gefunden, ihn liebe ich, an ihn habe ich geglaubt und mich ihm geweiht.
ZWEITE LESUNG
Friedrich Wilhelm Bautz,
aus dem Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon
Birgitta von Schweden wurde um 1303 in der Nähe von Uppsala. Ihr Vater Birger
Persson war Lagmann, das heißt Landrichter, und einer der größten Grundbesitzer
des Landes. Birgitta wurde gläubig erzogen und hatte schon im Alter von 7 Jahren Visionen. Mit 11 Jahren verlor sie ihre Mutter; mit 13 Jahren wurde sie mit
dem 18-jährigen Ulf Gudmarsson, dem späteren Lagmann von Nerike, vermählt.
Ihre Ehe war überaus glücklich. Birgitta wurde Mutter von 8 Kindern. Wegen
ihres frommen Wandels und ihrer selbstlosen Wohltätigkeit genoss sie bald hohe
Verehrung beim Volk. Als Hofmeisterin bei König Magnus Eriksson übte sie bedeutenden Einfluss aus.
Von 1341 bis 1343 unternahm Birgitta mit ihrem Gatten eine Pilgerfahrt nach
Santiago di Compostela. Nach ihrer Rückkehr zog sich ihr Gatte in das Zisterzienserkloster Alvastra in Ostgotland zurück, wo er jedoch schon bald darauf
starb. Nun ließ sich Birgitta selbst in Alvastra nieder und gab sich den strengsten
Bußübungen hin. Zahlreicher als bisher wurden ihr Offenbarungen zuteil: sie
nannte sich selbst Braut Christi und entwickelte vor allem eine tiefe Leidensmys-
Vigilien in Heiligenkreuz
45
tik in der Verehrung der Wunden des Heilandes. Sie schrieb ihre Offenbarungen
in schwedischer Sprache nieder, ihre Beichtväter übersetzten sie ins Lateinische.
Eine dieser Offenbarungen gebot ihr die Gründung eines Ordens. Der König
selbst ermöglichte nun durch reiche Stiftungen die Verwirklichung dieses göttlichen Auftrags, sodass Birgitta auf dem Königsgut Vadstena ein Kloster für 60
Nonnen und daneben einen gesonderten Konvent für 13 Mönchspriester, 4 Diakone und 8 Laienbrüder gründen konnte. Sie legte damit den Grund zum Birgitten- oder Erlöserorden. Birgittas Tochter, die heilige Katharina von Schweden,
wurde die erste Äbtissin dieses Doppelklosters. 1349 reiste Birgitta nach Rom,
wo sie bis zu ihrem Tod bleiben sollte. In Rom gründete sie ein Hospiz für
schwedische Studenten und Pilger. Ihre eindringlichen, ja gewaltigen Strafreden
an den Papst trugen mit dazu bei, dass Papst Urban V. alle Vorkehrungen traf, um
von Avignon nach Rom zurückzukehren. Dies tat er auch im Jahre 1367, musste
jedoch Rom aufgrund politischer Unruhen schon bald wieder verlassen und nach
Avignon zurückkehren. Erst der heiligen Katharina von Siena sollte 10 Jahre später mit der Rückkehr von Papst Gregor XI. ein dauerhafter Erfolg beschieden
sein. Birgitta von Schweden erlebte die Bestätigung ihres Ordens. 1372 trat sie
noch eine Pilgerreise in das Heilige Land an. Nach ihrer Rückkehr starb Birgitta
in hohem Alter am 23. Juli 1373 in Rom, schon 1391 wurde sie heilig gesprochen; ihre Reliquien wurden nach Schweden überführt. Johannes Paul II. erklärte
1999 die heilige Mystikerin aus dem Norden zusammen mit Katharina von Siena
und Edith Stein zur Mitpatronin Europas.
RESPONSORIUM
R: Christus hat uns geliebt und durch sein Blut befreit von unseren Sünden. * Er
hat uns die Würde von Königen verliehen und uns zu Priestern gemacht für seinen Gott und Vater.
V: Übt die Liebe, denn Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben. * Er
hat uns die Würde von Königen verliehen und uns zu Priestern gemacht für seinen Gott und Vater.
(oder: Aus einem der heiligen Birgitta zugeschriebenen Gebet
Sei gepriesen, mein Herr Jesus Christus! Du hast deinen Tod vorausgesagt und
beim Letzten Mahl irdisches Brot in deinen kostbaren Leib verwandelt. Aus Liebe hast du ihn deinen Aposteln gegeben als Gedächtnis deines kostbaren Leidens.
Du hast ihnen mit deinen heiligen und ehrwürdigen Händen die Füße gewaschen
und ihnen demütig deine ganze Herablassung gezeigt.
46
Sonderlesungen zu den
Ehre sei dir, mein Herr Jesus Christus! In der Angst vor deinem Leiden und deinem Tod hat dein unschuldiger Leib Blut statt Wasser geschwitzt. Und doch hast
du unsere Erlösung, die du dir vorgenommen hattest, vollbracht und so die Liebe
offenbart, die du zum Menschengeschlecht hegtest.
Sei gepriesen, mein Herr Jesus Christus! Du wurdest zu Kajaphas geführt. Du, der
Richter der Welt, hast es in Demut geschehen lassen, dass du dem Pilatus zur
Verurteilung übergeben wurdest.
Ehre sei dir, Herr Jesus Christus! Wegen der Verspottung, die du ertrugst, als du
dastandest, in Purpur gekleidet und mit spitzen Dornen gekrönt, und es geduldig
ertrugst, dass die Bösen dir in das herrliche Antlitz spieen, dir die Augen verhüllten, dich mit ihren mordgierigen Händen roh auf die Wangen und auf den Nacken
schlugen.
Ehre sei dir, mein Herr Jesus Christus! Mit deinem ganzen herrlichen blutenden
Leib wurdest du zum Tod am Kreuz verurteilt, trugst auf deinen heiligen Schultern unter Schmerzen das Kreuz.
Ewiges Lob sei dir, mein Herr Jesus Christus! Du warst im Todeskampf und
gabst allen Sündern Hoffnung auf Vergebung, als du dem Räuber, der sich zu dir
bekannte, die Herrlichkeit des Paradieses versprachst.
Mit deinem kostbaren Blut und durch deinen heiligen Tod hast du die Seelen losgekauft und sie huldvoll aus der Verbannung zum ewigen Leben zurückgeführt.
Ewige Ehre sei dir, mein Herr Jesus Christus, du bist am dritten Tage auferstanden von den Toten; du sitzest in deinem himmlischen Reich auf dem Thron deiner
Gottheit und wirst wiederkommen am Tag des Gerichtes, die Seelen aller Lebenden und Toten zu richten, du, der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst
und herrschst in Ewigkeit. Amen.)
Vigilien in Heiligenkreuz
47
25. Juli
HL. JAKOBUS
ERSTE LESUNG
Aus dem zweiten Brief an Timotheus
(2 Tim 3,10-4,8).
Du aber bist mir gefolgt in der Lehre, im Leben und Streben, im Glauben, in der
Langmut, der Liebe und der Ausdauer, in den Verfolgungen und Leiden, denen
ich in Antiochia, Ikonion und Lystra ausgesetzt war. Welche Verfolgungen habe
ich erduldet! Und aus allen hat der Herr mich errettet. So werden alle, die in der
Gemeinschaft mit Christus Jesus ein frommes Leben führen wollen, verfolgt werden. Böse Menschen und Schwindler dagegen werden immer mehr in das Böse
hineingeraten; sie sind betrogene Betrüger. Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast!
Du weißt, von wem du es gelernt hast; denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dir Weisheit verleihen können, damit du durch den Glauben an
Christus Jesus gerettet wirst. Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich
zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit; so wird der Mensch Gottes zu jedem guten Werk bereit und gerüstet sein.
Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der
Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich: Verkünde
das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle,
ermahne - in unermüdlicher und geduldiger Belehrung! Denn es wird eine Zeit
kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen
Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln; und man wird
der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden.
Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst! Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines
Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die
Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den
mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir,
sondern allen, die sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten.
48
Sonderlesungen zu den
RESPONSORIUM
R: Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten.*
Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit.
V: Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn,
alles übertrifft. Christus will ich erkennen und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. * Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit.
3. August
HL. ALTMANN
ZWEITE LESUNG
Lebensbeschreibung des heiligen Bischofs Altmann
nach dem „Calendarium Benedictinum“
Altmann entstammte einem adeligen westfälischen Geschlecht und wurde um
1015 geboren. Seine an der Domschule zu Paderborn erwiesene Begabung und
erworbene Bildung öffnete Altmann den Weg in das dortige Domkapitel, wo er
alsbald Leiter der Domschule wurde. Kaiser Heinrich III. beförderte ihn zum
Propst des am berühmten Aachener Münster bestehenden Kollegiatsstiftes und
zugleich zum Kaplan der königlichen Pfalzkapelle. 1064 schloss er sich einer Pilgerfahrt ins Heilige Land an, die der Erzbischof von Mainz leitete. Auf der Rückreise erreichte Altmann in Ungarn die Nachricht von seiner Ernennung zum Bischof von Passau.
Die Zustände in seinem Bistum waren keineswegs erfreulich. Die Kirchen und
Kapellen waren zumeist bloß aus Holz errichtet, die Sitten der Priester waren wenig beispielhaft, der Zölibat fand weithin keine Beachtung. Nicht viel besser stand
es mit den Klöstern. 1067 errichtete Bischof Altmann unmittelbar vor den Mauern der Stadt Passau das Chorherrenstift St. Nikola. Für den östlichen Teil seiner
weit ausgedehnten Diözese schuf er 1083 das Chorherrenstift Göttweig. Ältere
Klöster, wie St. Florian und St. Pölten, reformierte er durch Einführung der Chorherrenregel. In Kremsmünster und Melk förderte er die Reform und war beteiligt
an der Gründung des Chorherrenstiftes Reichersberg am Inn.
Im Investiturstreit stand Altmann auf Seiten des Papstes Gregor VII.; dies brachte
ihm die Gegnerschaft seines eigenen Dompropstes Eigilbert. Als päpstlicher Le-
Vigilien in Heiligenkreuz
49
gat für Deutschland bewog er den gebannten Kaiser Heinrich IV. zum Bußgang
nach Canossa. Die Umkehr des Kaisers dauerte aber nicht lange. Bald zog er nach
Bayern und kam nach Passau, um den schärfsten und gefährlichsten Gegner im
deutschen Episkopat unschädlich zu machen, den Bischof Altmann. Dieser konnte nach Rom flüchten und dann an der Fastensynode 1079 teilnehmen. Papst Gregor sandte ihn abermals als Legaten nach Deutschland, wo er mit dem großen
Reformabt Wilhelm von Hirsau für die gregorianische Partei warb. Als Heinrich
1081 einen Rachezug nach Rom unternahm, gelang es Altmann, in den österreichischen Anteil seines Bistums zurückzukehren und dort seine Erneuerungsarbeit
fortzusetzen. Altmann starb am 8. August 1091 in Zeiselmauer, dem alten Landgut des Passauer Bistums. Sein Leichnam wurde nach Göttweig überführt und
dort vom Erzbischof Tiemo unter großer Anteilnahme von Klerus und Volk bestattet. Sein Andenken blieb hochgeehrt durch alle Jahrhunderte, und schon in den
ersten Jahrzehnten nach seinem Tod wurde er in Österreich als Heiliger verehrt.
In den Diözesen Passau, Linz und St. Pölten ist sein Kult seit dem 19. Jahrhundert
zugelassen.
RESPONSORIUM
R: Er stritt bis zum Tod für das Gesetz seines Gottes und fürchtete sich nicht vor
den Worten der Gottlosen; * denn er war auf einen festen Felsen gegründet.
V: Er hat das Leben der Welt gering geachtet und ist zum Reich des Himmels
gelangt. * Denn er war auf einen festen Felsen gegründet.
9. August
HL. THERESIA BENEDICTA A CRUCE
EDITH STEIN
ERSTE LESUNG
Aus dem 11. Kapitel des Römerbriefs
(Röm 11 passim)
Ich frage also: Hat Gott sein Volk verstoßen? Keineswegs! Denn auch ich bin ein
Israelit, ein Nachkomme Abrahams, aus dem Stamm Benjamin. Gott hat sein
Volk nicht verstoßen, das er einst erwählt hat. Es gibt auch in der gegenwärtigen
50
Sonderlesungen zu den
Zeit einen Rest, der aus Gnade erwählt ist - aus Gnade, nicht mehr aufgrund von
Werken; sonst wäre die Gnade nicht mehr Gnade.
Nun frage ich: Sind sie etwa gestrauchelt, damit sie zu Fall kommen? Keineswegs! Vielmehr kam durch ihr Versagen das Heil zu den Heiden, um sie selbst
eifersüchtig zu machen. Euch, den Heiden, sage ich: Gerade als Apostel der Heiden preise ich meinen Dienst, weil ich hoffe, die Angehörigen meines Volkes eifersüchtig zu machen und wenigstens einige von ihnen zu retten.
Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist es auch der ganze Teig; ist die Wurzel heilig, so sind es auch die Zweige. Wenn aber einige Zweige herausgebrochen
wurden und wenn du als Zweig vom wilden Ölbaum in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest und damit Anteil erhieltest an der Kraft seiner Wurzel, so erhebe
dich nicht über die anderen Zweige. Wenn du es aber tust, sollst du wissen: Nicht
du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.
Damit ihr euch nicht auf eigene Einsicht verlasst, Brüder, sollt ihr dieses Geheimnis wissen: Verstockung liegt auf einem Teil Israels, bis die Heiden in voller
Zahl das Heil erlangt haben; dann wird ganz Israel gerettet werden, wie es in der
Schrift heißt: Der Retter wird aus Zion kommen, er wird alle Gottlosigkeit von
Jakob entfernen. Das ist der Bund, den ich ihnen gewähre, wenn ich ihre Sünden
wegnehme. Vom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes, und das um
euretwillen; von ihrer Erwählung her gesehen sind sie von Gott geliebt, und das
um der Väter willen. Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott
gewährt. Und wie ihr einst Gott ungehorsam wart, jetzt aber infolge ihres Ungehorsams Erbarmen gefunden habt, so sind sie infolge des Erbarmens, das ihr gefunden habt, ungehorsam geworden, damit jetzt auch sie Erbarmen finden. Gott
hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um sich aller zu erbarmen.
O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat die
Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm
etwas gegeben, so dass Gott ihm etwas zurückgeben müsste? Denn aus ihm und
durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit!
Amen.
RESPONSORIUM
R: Das ist der Bund, den ich ihnen gewähre, wenn ich ihre Sünden wegnehme.
Dann wird ganz Israel gerettet werden. * Denn unwiderruflich sind Gnade und
Berufung, die Gott gewährt.
Vigilien in Heiligenkreuz
51
V: Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er einst erwählt hat. * Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt.
ZWEITE LESUNG
Wolfdietrich von Kloeden,
aus dem Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon
Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891, einem Jom-Kippur-Tag, in einer jüdischen Familie in Breslau geboren. Ihren Vater verlor sie bereits im 2. Lebensjahr.
Ediths Mutter war gläubige Jüdin, die darunter litt, dass ihre Tochter sich schon in
Jugendjahren vollständig von jeder Art des Gottesglaubens abwandte. Edith Stein
war mit einem brillanten Verstand ausgezeichnet und studierte Germanistik, Geschichte, Psychologie und Philosophie in Breslau und Göttingen. Bestimmend
wurde ihre Begegnung mit dem Philosophen Edmund Husserl, durch dessen phänomenologische Methode sie dafür begeistert wurde, nach einer letzten Wahrheit
zu suchen. Edith Stein promovierte 1917 in Philosophie. Sie intensivierte ihre
Suche nach Gott, als sich das befreundete Ehepaar Reinach taufen ließ. Während
eines Aufenthaltes bei ihrer Freundin Hedwig Conrad-Martius las sie in nur einer
Nacht die Autobiographie der heiligen Theresia von Avila und erkannte: „Das ist
die Wahrheit!“ Nach intensiver Vorbereitung empfing sie am 1. Jänner 1922 in
Bergzabern in der Pfalz die Taufe.
Neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin in Speyr folgten weitere philosophische Studien zur Metaphysik des heiligen Thomas von Aquins und zur Phänomenologie
Edmund Husserls. Edith Stein suchte immer wieder geistige Kraft durch Aufenthalte in der Benediktinerabtei Beuron und in der Zisterzienserinnenabtei Seligenthal. Eine Lehrtätigkeit als Dozentin in Münster währte nur kurz, da 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernahmen und den Juden Lehrverbot erteilten. Doch Gott wollte Edith Stein ohnehin die Berufung zu einer noch
tieferen Weise des Eindringens in die letzten Geheimnisse schenken als die Philosophie: Am 14. Oktober 1933 trat sie in den Kölner Karmel ein und erhielt den
Namen: Theresia Benedicta a Cruce, also „die vom Kreuz gesegnete Theresia“.
1936 starb ihre Mutter gerade in der Stunde, als Theresia ihre Gelübde erneuerte,
was sie tief erschütterte. Im selben Jahr wurde Theresias Schwester Rosa getauft
und trat in den Karmel ein. Von ihren Oberinnen wurde Theresia angehalten, die
philosophischen Studien fortzusetzen; so entstand als Hauptwerk die „Kreuzeswissenschaft“, ein unvollendetes Werk über Johannes vom Kreuz. Das Eindringen in die Mystik des spanischen Heiligen verband sich mit ihrer eigenen Lei-
52
Sonderlesungen zu den
denserfahrung: Fotografien von damals zeigen eine innerlich zermarterte Frau mit
ebenso tiefen wie verweinten Augen.
Als mit der so genannten „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 der rassistische Wahn der Nationalsozialisten immer gefährlicher wurde, verlegte man
Theresia mit ihrer Schwester in den Karmel Echt nach Holland. Doch Anfang
Mai 1940 wurde Holland von deutschen Truppen besetzt. Am 26. Juli 1942 ließen
die holländischen Bischöfe ein Hirtenschreiben, das sich gegen Willkür und Rassenwahn der Besatzungsmacht richtete, von allen Kanzeln verlesen. Deren Rache
folgte unmittelbar und brutal: Sofort wurden alle getauften Nichtarier festgenommen. Am 2. August 1942 wurden Rosa und Theresia verhaftet und in das
Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Theresia sagte zu ihrer Schwester: „Gehen wir für unser Volk!“ Es gibt bewegende Zeugnisse darüber, wie die beiden
während des unmenschlichen Transportes und selbst noch im Lager versuchten,
andere Leidensgefährten aufzurichten. Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau wurde Theresia Benedicta a Cruce zusammen mit ihrer Schwester
und den anderen jüdischen Deportierten aus Holland in der Gaskammer ermordet.
- Die von Christus heimgeholte Jüdin, Religionsphilosophin, Pädagogin, Ordensfrau und Mystikerin Edith Stein wurde von Papst Johannes Paul II. 1997 selig
gesprochen, 1998 zur Heiligen erhoben und 1999 zur Kopatronin von ganz Europa erklärt.
RESPONSORIUM
R: Ich bin mit Christus gekreuzigt. So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus
lebt in mir; * der mich liebt und sich für mich hingegeben hat.
V: Soweit ich noch in dieser Welt lebt, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes;
* der mich liebt und sich für mich hingegeben hat.
(oder: Edith Stein [† 1942],
Aus dem Buch „Die Kreuzeswissenschaft“
Christus hat das Joch des Gesetzes auf sich genommen, indem Er es vollkommen
erfüllte und für und durch das Gesetz starb. Eben damit hat er die vom Gesetz
befreit, die von ihm das Leben empfangen wollen. Aber sie können es nur empfangen, wenn sie ihr eigenes Leben preisgeben, denn die auf Christus getauft sind,
sind auf seinen Tod getauft. Sie tauchen unter in sein Leben, um Glieder seines
Leibes zu werden, als solche mit ihm zu leiden und mit ihm zu sterben, aber auch
mit ihm aufzuerstehen zum ewigen, göttlichen Leben. Dieses öffnet für das Zuströmen seines Lebens. So ist der Glaube an den Gekreuzigten - der lebendige
Vigilien in Heiligenkreuz
53
Glaube, der mit liebender Hingabe gepaart ist - für uns der Zugang zum Leben
und der Anfang der künftigen Herrlichkeit; darum das Kreuz unser einziger Ruhmestitel: „Ferne sei es von mir, mich zu rühmen; außer im Kreuz unseres Herrn
Jesus Christus, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“.
Wer sich für Christus entschieden hat, der ist für die Welt tot und sie für ihn. Er
trägt die Wundmale des Herrn an seinem Leibe, ist schwach und verachtet vor
den Menschen, aber gerade darum stark, weil in den Schwachen Gottes Kraft
mächtig ist. In dieser Erkenntnis nimmt der Jünger Jesu nicht nur das Kreuz an,
das auf ihn gelegt ist, sondern kreuzigt sich selbst: „Die Christus angehören, haben ihr Fleisch gekreuzigt mit seinen Lastern und Begierden.“ Sie haben einen
unerbittlichen Kampf geführt gegen ihre Natur, damit das Leben der Sünde in
ihnen ersterbe und Raum werde für das Leben des Geistes. Auf das Letzte kommt
es an!
Das Kreuz ist nicht Selbstzweck. Es ragt empor und weist nach oben. Doch es ist
nicht nur Zeichen - es ist die starke Waffe Christi; der Hirtenstab, mit dem der
göttliche David gegen den höllischen Goliath auszieht, womit er machtvoll an das
Himmelstor pocht und aufstößt. Dann fluten die Ströme des göttlichen Lichtes
heraus und umfangen alle, die im Gefolge des Gekreuzigten sind.)
54
Sonderlesungen zu den
12. August
DORNENKRONE CHRISTI
ERSTE LESUNG
Aus dem Buch Jesaja
(Jes 52,13 - 53,12)
Seht, mein Knecht hat Erfolg, er wird groß sein und hoch erhaben. Viele haben
sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine
Gestalt war nicht mehr die eines Menschen. Jetzt aber setzt er viele Völker in
Staunen, Könige müssen vor ihm verstummen. Denn was man ihnen noch nie
erzählt hat, das sehen sie nun; was sie niemals hörten, das erfahren sie jetzt. Wer
hat unserer Kunde geglaubt? Der Arm des Herrn - wem wurde er offenbar? Vor
seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross, wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, sodass wir ihn anschauen
mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit
vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir
schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen
auf sich geladen.
Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er
wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt.
Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir
hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr
lud auf ihn die Schuld von uns allen. Er wurde misshandelt und niedergedrückt,
aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt,
und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf.
Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft, doch wen kümmerte sein Geschick? Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten und wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen. Bei den Ruchlosen gab man ihm sein
Grab, bei den Verbrechern seine Ruhestätte, obwohl er kein Unrecht getan hat
und kein trügerisches Wort in seinem Mund war. Doch der Herr fand Gefallen an
seinem zerschlagenen Knecht, er rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben. Der Plan des Herrn wird durch
ihn gelingen. Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an
Vigilien in Heiligenkreuz
55
Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre
Schuld auf sich. Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen, und mit
den Mächtigen teilt er die Beute, weil er sein Leben dem Tod preisgab und sich
unter die Verbrecher rechnen ließ. Denn er trug die Sünden von vielen und trat für
die Schuldigen ein.
RESPONSORIUM
R: Seht, so haben wir ihn geschaut: Er hatte weder Gestalt noch Schönheit, und
jeder wandte den Blick von ihm ab. Er hat unsere Sünden getragen und leidet für
uns. Um unserer Missetaten willen wurde er verwundet; * durch seine Wunden
sind wir geheilt.
V: Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud sich unsere Schmerzen auf. * Durch
seine Wunden sind wir geheilt.
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus dem fünften Sermo zum Fest Allerheiligen.
Der Herr spricht zu uns: Bekehret euch zu mir von ganzem Herzen! Offenbar haben wir uns von dir abgewandt, da du uns zur Rückkehr mahnst. Wir sollen umkehren. Doch wie? Mit Fasten, so heißt es, mit Weinen und Klagen! Sonderbar!
Wie sollen wir dich denn im Fasten, Weinen und Klagen finden? Die Gerechten,
heißt es, sollen in der Freude leben und frohlocken im Angesicht des Herrn. Wird
ihn etwa der Gerechte in Freude und Frohlocken finden, wer aber noch nicht gerecht ist nur in Fasten, Weinen und Klagen? Ja, so ist es. Beide haben zwar nur
ein Haupt, aber es erweist sich nicht für alle Glieder in derselben Art. Den einen
zeigt es sich mit Dornen gekrönt, damit sie sich gleichfalls verdemütigen und zerknirscht werden. Anderen erscheint es herrlich, damit sie von ihm verherrlicht
werden, ihm ähnlich werden und ihn rühmen, den sie sehen, so wie er ist.
Uns wird indessen dieses Haupt nicht vorgestellt, wie es ist, sondern wie es für
uns geworden ist. Nicht mit Herrlichkeit gekrönt, sondern mit den Dornen unserer
Sünden bedeckt, wie die Schrift sagt: Geht heraus, ihr Töchter Sions, und seht
den König Salomon mit der Krone, mit der ihn seine Mutter gekrönt! Welch ein
König, welch eine Krone! Denn die Mutter Synagoge hat sich nicht als Mutter,
sondern als Stiefmutter erwiesen und unseren König mit einer Dornenkrone gekrönt. Es sollen sich die Glieder schämen, selbst auf Ehre auszugehen, wenn ih-
56
Sonderlesungen zu den
nen ihr Haupt so ruhmlos dargestellt wird, ohne Gestalt und Schönheit. Er ist Salomon, der Friedensfürst. So wird in allem der Lobgesang der Engel erfüllt, in
dem sie der Erde den Frieden, dem Himmel die Ehre zuteilen.
Es schäme sich das Glied, unter einem dornengekrönten Haupt verweichlicht zu
sein! Da gereicht ihm jeglicher Purpur nicht zur Ehre, sondern zum Spott. Es wird
aber dereinst Christus kommen; es wird das Haupt in Herrlichkeit erscheinen, und
mit ihm werden auch die Glieder leuchten, wenn Christus den Leib unserer Niedrigkeit umgestaltet und der Herrlichkeit des Hauptes gleich gestalten wird. Nach
dieser Herrlichkeit lasst uns also mit ganzem Herzen verlangen!
RESPONSORIUM
R: Die Herrschaft über die Welt hat unser Herr und sein Gesalbter, * und er wird
herrschen in Ewigkeit.
V: Alle Stämme der Völker werfen sich vor ihm nieder, denn der Herr regiert als
König. * Und er wird herrschen in Ewigkeit.
19. August
HL. GUERRICUS VON IGNY
ZWEITE LESUNG
Guerricus von Igny († 1157),
Aus einer Predigt über die Auferstehung des Herrn
Jesus mit dem Herzen aufnehmen bedeutet mehr als ihn mit den Augen sehen
oder von ihm mit den Ohren hören. Wie viel mächtiger ist doch das Einwirken
des Geistes auf die Sinne des inneren Menschen als das Einwirken der körperlichen Welt auf die Sinne des äußeren Menschen.
Wenn da nur ein Geist ist, dann auch ein und derselbe Sinn und die gleiche Übereinstimmung. Dann ist es wirklich so bei den Jüngern, wie wir es über Jakob lesen: sein Geist lebte auf, der Geist, der durch die Trauer schon fast ausgelöscht, ja
in Verzweiflung begraben war. Da möchte wohl, wenn ich nicht irre, ein jeder bei
sich selbst sprechen: „Es genügt mir, dass mein Jesus lebt“, denn „für mich ist
Christus das Leben und Sterben Gewinn“. So will ich denn „nach Galiläa gehen,
auf den Berg, den Jesus genannt hat,“ „ihn sehen“ und ihn anbeten, „bevor ich
Vigilien in Heiligenkreuz
57
sterbe“, um nachher nicht mehr zu sterben: „Denn jeder, der den Sohn sieht und
an ihn glaubt, hat das ewige Leben und wird leben, auch wenn er stirbt.“
Was aber bezeugt euch die Freude eures Herzens von der Liebe Christi? Heute
sind in den Kirchen die Boten der Auferstehung so laut und übereinstimmend zu
hören, dass euer Herz sich beglückwünscht und spricht: Sie haben mir gemeldet:
Jesus, mein Gott, lebt! Ich habe es gehört, und mein Geist lebt wieder auf, nachdem er vor Enttäuschung entschlafen war, krank vor Mattigkeit oder verzagt vor
Kleinmut.
Daran kannst du in Wahrheit erkennen, dass dein Geist in Christus wieder ganz
lebendig geworden ist, wenn er aufrichtig spricht: „Es genügt mir, wenn Jesus
lebt!“ Welch treue Stimme - Stimme, die den Freunden Jesu ziemt! Reine Liebe,
die so spricht: „Es genügt mir, wenn Jesus lebt!“ Wenn er lebt, lebe auch ich, weil
meine Seele von ihm abhängt, mehr noch: weil er mein Leben ist, mein ganzes
Genügen. Denn was kann mir mangeln, wenn Jesus lebt? Ja, alles mag mir fehlen,
es liegt nichts daran, wenn nur Jesus lebt. Wenn es ihm so gefällt, mag auch er
mir fehlen, wenn nur er selbst lebt und für sich selbst, es ist mir genug.
Wenn die Liebe zu Christus das ganze Gemüt eines Menschen so beherrscht, dass
er auf sich selbst nichts gibt und selbstvergessen nur für Jesus Christus und die
Sache Jesu Christi empfindet, dann, meine ich, ist in ihm die Liebe vollendet.
Dem, der so ergriffen ist, bedeutet Armut keine Last. Er spürt Unrecht nicht. Er
lacht über Schmähungen, verachtet Schädigungen und hält den Tod für Gewinn.
Ja, er ist überzeugt, dass er nicht stirbt; er weiß, dass er eher vom Tod zum Leben
schreitet, und spricht im Vertrauen auf Jesus: „Ich will hingehen und ihn sehen,
bevor ich sterbe.“
Obwohl wir nicht das Bewusstsein einer so reinen Gesinnung haben, wollen wir
dennoch, um Jesus zu schauen, zu dem Berg im Galiläa des Himmels wandern,
wohin er uns bestellt hat. Während wir diesen Weg gehen, möge unsere Liebe zu
ihm wachsen, damit sie spätestens dann vollendet ist, wenn wir bei ihm ankommen. Im Dahinschreiten wird der Weg, der zunächst noch eng und schwierig ist,
breiter, und den Schwachen wächst die Kraft.
RESPONSORIUM
R: Der Glaube und die Liebe sprechen: Es genügt uns, wenn Jesus lebt: * Halleluja, halleluja.
58
Sonderlesungen zu den
V: Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure
Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren: * Halleluja, halleluja.
20. August
HL. BERNHARD VON CLAIRVAUX
ERSTE LESUNG
Aus dem Hohenlied
(Hld 2,8 - 3,5)
Horch! Mein Geliebter! Sieh da, er kommt. Er springt über die Berge, hüpft über
die Hügel. Der Gazelle gleicht mein Geliebter, dem jungen Hirsch. Ja, draußen
steht er an der Wand unsres Hauses; er blickt durch die Fenster, späht durch die
Gitter. Der Geliebte spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so
komm doch! Denn vorbei ist der Winter, verrauscht der Regen. Auf der Flur erscheinen die Blumen; die Zeit zum Singen ist da.
Die Stimme der Turteltaube ist zu hören in unserem Land. Am Feigenbaum reifen
die ersten Früchte; die blühenden Reben duften. Steh auf, meine Freundin, meine
Schöne, so komm doch! Meine Taube im Felsennest, versteckt an der Steilwand,
dein Gesicht lass mich sehen, deine Stimme hören! Denn süss ist deine Stimme,
lieblich dein Gesicht. Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse! Sie verwüsten
die Weinberge, unsre blühenden Reben.
Der Geliebte ist mein, und ich bin sein; er weidet in den Lilien. Wenn der Tag
verweht und die Schatten wachsen, komm du, mein Geliebter, der Gazelle gleich,
dem jungen Hirsch auf den Balsambergen. Des Nachts auf meinem Lager suchte
ich ihn, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Aufstehen will
ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele
liebt.
Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Mich fanden die Wächter bei ihrer Runde durch
die Stadt. Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt? Kaum war ich an ihnen
vorüber, fand ich ihn, den meine Seele liebt. Ich packte ihn, ließ ihn nicht mehr
los, bis ich ihn ins Haus meiner Mutter brachte, in die Kammer derer, die mich
geboren hat. Bei den Gazellen und Hirschen der Flur beschwöre ich euch, Jerusalems Töchter: Stört die Liebe nicht auf, weckt sie nicht, bis es ihr selbst gefällt.
Vigilien in Heiligenkreuz
59
RESPONSORIUM
R: Vorbei ist der Winter, verrauscht der Regen. Steh auf, meine Freundin, meine
Schöne, so komm doch! * Meine Taube, dein Gesicht lass mich sehen, deine
Stimme hören!
V: Mitten in der Nacht ertönt der Ruf: Der Bräutigam kommt! Geh ihm entgegen!
* Meine Taube, dein Gesicht lass mich sehen, deine Stimme hören!
24. August
HL. BARTHOLOMÄUS
ERSTE LESUNG
Aus dem ersten Brief an die Korinther
(1 Kor 4,1-16)
Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen
Gottes. Von Verwaltern aber verlangt man, dass sie sich treu erweisen. Mir macht
es allerdings nichts aus, wenn ihr oder ein menschliches Gericht mich zur Verantwortung zieht; ich urteile auch nicht über mich selbst. Ich bin mir zwar keiner
Schuld bewusst, doch bin ich dadurch noch nicht gerecht gesprochen; der Herr ist
es, der mich zur Rechenschaft zieht. Richtet also nicht vor der Zeit; wartet, bis der
Herr kommt, der das im Dunklen Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken wird. Dann wird jeder sein Lob von Gott erhalten.
Brüder, ich habe das auf mich und Apollos bezogen, und zwar euretwegen, damit
ihr an uns lernt, dass der Grundsatz gilt: „Nicht über das hinaus, was in der
Schrift steht,“ dass also keiner zugunsten des einen und zum Nachteil des anderen
sich wichtig machen darf. Denn wer räumt dir einen Vorrang ein? Und was hast
du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum
rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen? Ihr seid schon satt, ihr seid
schon reich geworden, ohne uns seid ihr zur Herrschaft gelangt! Wäret ihr doch
nur zur Herrschaft gelangt; dann könnten wir auch mit euch zusammen herrschen.
Ich glaube nämlich, Gott hat uns Apostel auf den letzten Platz gestellt, wie Todgeweihte; denn wir sind zum Schauspiel geworden für die Welt, für Engel und
Menschen. Wir stehen als Toren da um Christi willen, ihr dagegen seid kluge
Leute in Christus. Wir sind schwach, ihr seid stark; ihr seid angesehen, wir sind
60
Sonderlesungen zu den
verachtet. Bis zur Stunde hungern und dürsten wir, gehen in Lumpen, werden mit
Fäusten geschlagen und sind heimatlos. Wir plagen uns ab und arbeiten mit eigenen Händen; wir werden beschimpft und segnen; wir werden verfolgt und halten
stand; wir werden geschmäht und trösten. Wir sind sozusagen der Abschaum der
Welt geworden, verstoßen von allen bis heute.
Nicht um euch bloßzustellen, schreibe ich das, sondern um euch als meine geliebten Kinder zu ermahnen. Hättet ihr nämlich auch ungezählte Erzieher in Christus,
so doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus bin ich durch das Evangelium
euer Vater geworden. Darum ermahne ich euch: Haltet euch an mein Vorbild.
RESPONSORIUM
R: Nehmt mich als Beispiel, so wie ich Christus als Beispiel nehme! * Denn in
Christus Jesus bin ich durch das Evangelium euer Vater geworden.
V: Hättet ihr auch zahllose Erzieher in Christus, so doch nicht viele Väter. * Denn
in Christus Jesus bin ich durch das Evangelium euer Vater geworden.
30. August
HLL. GUARINUS UND AMADEUS
ZWEITE LESUNG
Amadeus von Lausanne († 1159),
Aus einem Sermo zum Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel
Was sollen wir an Maria zuerst loben? Ihre Reinheit, Demut oder Klugheit, ihren
Starkmut oder ihre Milde, ihre Mutterwürde oder ihre Jungfräulichkeit?
Viel mehr noch sollten wir die vollkommene Tugend und Gnadenfülle in ihr loben. Als Maria mit ihrem Leib, der die Verwesung nicht schauen sollte, in den
Himmel aufgenommen wurde, empfing sie ihr göttlicher Sohn mit diesem Lobpreis: „Ganz schön bist Du, meine Mutter, und kein Makel ist in Dir.“ Ganz schön
bist Du, schön in Deinen Gedanken, schön in Deinen Worten, schön in Deinen
Taten, schön von der Geburt bis zum Tode, schön in der jungfräulichen Empfängnis, schön in der Gottesmutterschaft, schön im Purpur meiner Passion, schön
im leuchtenden Weiß meiner Auferstehung.
„Steh auf, meine Freundin, meine Taube, meine Schöne und Unbefleckte und
komm! Denn der Winter meiner Abwesenheit ist vorüber, der Winterregen, Deine
Vigilien in Heiligenkreuz
61
Tränenströme sind versiegt; die Sonne der Gerechtigkeit ist neu aufgegangen, die
Blumen der Engel erblühen vor Deinen Augen. Deine Stimme, Du reinste Taube,
erschallt nun im Himmel. Die Zeit Deiner Aufnahme in den Himmel ist nun gekommen.“
Als die Jungfrau der Jungfrauen von Gott und seinem Sohn, dem König der Könige, unter dem Jubel der Engel, der Freude der Erzengel und dem Lobgesang
aller Heiligen in die himmlische Herrlichkeit geführt wurde, erfüllte sich die
Weissagung Davids, der im Psalm zum Herrn spricht: „Es steht dir zur Rechten
die Königin, geschmückt mit dem Golde von Ophir.“
Als Maria unter solchem Lob in den Himmel aufgenommen war, konnte auch sie
nicht schweigen. Vor dem Throne Gottes stehend, vor ihrem Sohne, den ihr Leib
geboren hat, rief sie aus vollem Herzen: „Nun aber bleibe ich immer bei Dir; Du
hast mich ergriffen an meiner Rechten. Nach Deinem Ratschluss hast Du mich
geleitet und hast mich in Deine Herrlichkeit aufgenommen.“
RESPONSORIUM
R: Heilige und unbefleckte Jungfrau, ich weiß nicht, mit welchem Lob ich dich
preisen soll: * Ihn, den die Himmel nicht fassen können, hast du in deinem Schoß
getragen.
V: Du bist gesegnet unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
* Ihn, den die Himmel nicht fassen können, hast du in deinem Schoß getragen.
5. September
SEL. MUTTER TERESA VON CALCUTTA
ZWEITE LESUNG
Ansprache von Mutter Teresa von Calcutta († 1997) am 15. März 1988
in Heiligenkreuz an die Mönche und die ca. 2000 Jugendlichen, die an
einer Heiligen Messe in der Abteikirche teilgenommen hatten:
Bitten wir Unsere Liebe Frau, sie möge uns ein Herz geben, so schön, so rein, so
unbefleckt, ein Herz so voll Liebe und Demut, dass wir fähig sind, Jesus im Brot
des Lebens zu empfangen, ihn zu lieben, wie sie ihn geliebt hat, und ihm zu dienen in der verachteten Gestalt der Ärmsten der Armen.
62
Sonderlesungen zu den
Wir lesen im Evangelium, dass Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er Jesus der
reinsten Jungfrau Maria gab. Und sie, als sie Jesus empfangen hatte, ging in Eile,
um ihrer Base Elisabeth zu dienen. Sie kam zum Haus Elisabeths, um den demütigen Dienst einer Magd zu tun. Da geschah etwas sehr Merkwürdiges: Als Maria
in das Haus kam, sprang das kleine, ungeborene Kind im Schoß Elisabeths vor
Freude. Wie merkwürdig, dass Gott sich eines ungeborenen Kindes bediente, um
die Ankunft Christi zu verkünden. Und wir wissen, welch schreckliche Dinge
heute dem ungeborenen Kind geschehen, dass die Mutter selbst ihr Kind tötet
durch die Abtreibung. Die Abtreibung ist zur größten Zerstörung des Friedens
geworden, denn sie zerstört die Liebe, sie zerstört das Bild Gottes, sie zerstört das
schöne Geschenk, das ein Kind ist, geschaffen für die große Aufgabe, zu lieben
und geliebt zu werden. Lasst uns unseren Eltern danken, dass sie uns wollten,
dass sie uns liebten, dass sie uns die Freude des Lebens schenkten.
Jesus ist gekommen, um die Frohe Botschaft zu verkünden, dass Gott Liebe ist,
dass er uns liebt und dass er will, dass wir einander lieben, so wie er jeden einzelnen von uns liebt. Um es uns einfach zu machen, einander zu lieben, sagte Jesus:
„Was immer ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das tut ihr mir. Wenn ihr einen Becher Wasser in meinem Namen gebt, so gebt ihr ihn mir. Wenn ihr ein
kleines Kind in meinem Namen annehmt, nehmt ihr mich an." Und wenn wir sterben und heimgehen zu Gott, dann wird Gott uns wiederum richten nach dieser
Liebe, die wir einander erwiesen haben. Er wird jedem von uns sagen: „Kommt,
ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt das Reich in Besitz. Denn ich war hungrig,
und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war nackt, und ihr habt mich bekleidet; ich
war obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen.“
Wo beginnt diese Liebe? In unserer eigenen Familie. Wie beginnt sie? Wenn wir
zusammen beten. Eine Familie, die zusammen betet, bleibt zusammen, und wenn
ihr zusammenbleibt, werdet ihr einander lieben, wie Gott jeden von euch liebt.
Lehrt eure Kinder beten und betet mit ihnen, denn das Gebet gibt ein reines Herz,
und ein reines Herz kann Gott schauen, und wenn wir Gott in jedem erkennen,
werden wir einander lieben, so wie Gott jeden von uns liebt. Die Frucht des Gebetes ist die Vertiefung des Glaubens. Die Frucht des Glaubens ist die Liebe. Die
Frucht der Liebe ist der Dienst, und die Frucht des Dienstes ist der Friede. Darum
wollen wir zusammen beten, dass wir die Gnade erhalten, einander so zu lieben,
wie Jesus jeden von uns liebt.
Wenn wir auf das Kreuz schauen, erkennen wir, wie sehr uns Jesus geliebt hat.
Aber wenn wir auf den Tabernakel schauen, erkennen wir, wie sehr er uns jetzt
liebt. Bittet eure Pfarrer, euch die Freude der Anbetung zu geben, - wenigstens
Vigilien in Heiligenkreuz
63
einmal in der Woche, damit ihr allein mit Jesus mit ihm die Freude der Liebe teilen könnt. Von Jesus werdet ihr die Gnade und das schöne Geschenk einer Berufung für eure Kinder erhalten. Es ist ein schönes Geschenk von Gott an eine Familie, einen Priester als Sohn oder eine geweihte Jungfrau als Tochter zu haben.
Gott hat unsere Kongregation mit vielen schönen Berufungen gesegnet. Das Ziel
unserer Kongregation ist es, den Durst Jesu am Kreuz, den Durst nach Liebe, den
Durst nach Seelen zu stillen. Wir tun das, wenn wir für das Heil und die Heiligung der Ärmsten der Armen arbeiten.
Ich werde für euch beten, dass ihr in der Heiligkeit wachst durch diese Liebe untereinander. Ihr aber betet auch für uns, dass wir das Werk Gottes mit großer Liebe fortsetzen und dass wir alle zusammen etwas Schönes für Gott tun. Gott segne
euch!
RESPONSORIUM:
R: Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. *
Gott ist die Liebe! Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.
V: Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner.
Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er
nicht sieht. * Gott ist die Liebe! Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott
bleibt in ihm.
7. September
SEL. OTTO VON FREISING
ZWEITE LESUNG
Otto von Freising († 1158),
Aus der Chronik oder der Geschichte von den zwei Staaten
Die Seligkeit der Heiligen besteht also in der Schau des Schöpfers nach dem Wort
des Herrn: „Das ist das ewige Leben, dass sie dich, den wahren Gott, und den du
gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“; es ist zu verstehen: ,samt dem Geist’,
der in beiden wohnt. „Das ist“, so sagt er, „das ewige Leben.“ Denn was ist das
ewige Leben anderes als eben die Seligkeit? Wäre es ein zeitliches Leben, dann
wäre es kein seliges, da es ja dann wegen des Endes voll Angst wäre. Ferner
könnte ein noch so langes Leben, das mit irgendeinem Mangel behaftet wäre,
64
Sonderlesungen zu den
nicht selig genannt werden, sondern nur ein Leben, das Not und Elend nicht kennt
und dem eine Fülle von Glück aller Art zuströmt.
Das also ist das ewige und selige, das selige und ewige Leben, „dass sie dich, den
wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“ Man beachte,
dass er den Genuss der Seligkeit ein Erkennen der Gottheit nennt. Daher bemühen
sich manche in diesem Leben vergebens um die Erfassung des göttlichen Wesens,
das, im Diesseits von den Frommen kaum „durch einen Spiegel in geheimnisvoller Andeutung“ geschaut, zu sehen, wie es ist, und voll zu erkennen ihnen erst im
künftigen Leben verheißen ist. Es erfreuen sich also die Heiligen der höchst wonnevollen und ewig seligen Schau Gottes nach dem Wort des Psalmisten: „Den
Segen wird geben, der das Gesetz gegeben hat, sie werden von Kraft zu Kraft
schreiten, er wird geschaut werden als der Gott der Götter in Sion.“
Gibt es etwas Größeres, etwas Wonnevolleres, etwas Herrlicheres? Wie heiß ersehnen wir schon hier, wo wir in der Finsternis wandeln, unsere Sonne, wie innig
wünschen wir das irdische Licht herbei! Wenn schon hier das ersehnte Licht mit
Freuden empfangen und mit Bewunderung angeschaut wird, wenn der Blick, oft
geblendet, sich immer wieder nach oben richtet, um es zu sehen, wenn es nie seinen Wert durch Gewöhnung verliert noch durch häufigen Genuss Überdruss erzeugt, welche Freude mag dann wohl das Licht des Lichtes denen bereiten, die es
schauen, welche Bewunderung ihnen einflößen, ohne doch Überdruss hervorzurufen! Wenn wir schon irdische Könige und Kaiser in ihrer flüchtigen, vergänglichen Herrlichkeit mit Bewunderung und einer gewissen Freude sehen, von welcher unvorstellbaren Freude, welcher unausdenkbaren Wonne des Herzens müssen dann die durchströmt werden, die den König der Könige, den Schöpfer des
Alls in seiner unvergleichlichen Pracht und Herrlichkeit schauen werden, umgeben von den himmlischen Heerscharen der Engel und Menschen! Und sie werden
ihn nicht nur schauen, sondern den Geschauten lieben und den Geliebten loben.
Daher sagt der Psalmist so schön: „Selig, die in deinem Hause wohnen, sie werden dich immerdar loben.“
Das also ist die Seligkeit, Gott, „auf den zu schauen die Engel begehren“, unaufhörlich zu sehen, ohne dessen satt zu werden, den Geschauten unablässig zu lieben, ohne dessen überdrüssig zu werden, den Geliebten immerdar zu loben, ohne
dessen müde zu werden, und sich daran in unsagbarem Jubel des Herzens, in unvorstellbarer Wonne ohne Beimischung von Trübsal in alle Ewigkeit zu erfreuen.
Da dies im Diesseits nicht voll zu verwirklichen ist, bleibt es mit vollem Recht
dem himmlischen Staat vorbehalten. Daher sagt wieder der Psalmist: „Wie Fröh-
Vigilien in Heiligenkreuz
65
liche wohnen alle in dir.“ Damit, dass er nicht sagt „fröhlich“, sondern „wie Fröhliche“, deutet er an, dass die Freude dort unsere irdische weit übertrifft.
RESPONSORIUM
R: Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in
den Sinn gekommen ist, * das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.
V: Die kleine Last unserer gegenwärtigen Not bringt uns dereinst ein Übermaß an
Herrlichkeit. * Das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.
(oder: Otto von Freising († 1158),
Aus der Chronik der Geschichte von den zwei Staaten)
„Und ich hörte eine starke Stimme von dem Throne sprechen.“ Hören wir, was
diese Stimme spricht, diese süße Stimme, diese Stimme der Freude, aus der Höhe
ertönend, von dem erhabenen Throne der Gottheit sanft erschallend: „Siehe da,
die Hütte Gottes bei den Menschen, und er wird unter ihnen wohnen.“
Was ist das für eine Hütte? Sollte sie etwa zu denen gehören, von denen es heißt:
„Wie schön sind deine Hütten, Jakob, und deine Zelte, Israel?“ Oder vielmehr zu
denen, nach denen sich der Psalmist sehnt und die er aus tiefstem Herzen preist:
„Wie lieblich sind deine Zelte, Herr der Heerscharen, meine Seele verlangt und
sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn?“
Die Zelte Jakobs sind Zelte von Kämpfern im Kampf des gegenwärtigen Lebens,
erfüllt vom Ernst des Kampfes und der Waffenübung, aber schön anzuschauen im
Hinblick auf die Krone, immer voll Rechtschaffenheit, aber nicht immer voll
Herrlichkeit. Die Zelte Gottes sind die Zelte der im Himmelreich Regierenden; in
ihnen kennt man keine Furcht; sie sind erfüllt von Ruhe; sie sind lieblich und voller Freude über die empfangene Krone; sie sind nicht nur immer voll Rechtschaffenheit; hier gibt es auch keine Betrübnis, keine Ermüdung durch Arbeit, nur Heiterkeit und Freude. Zutreffend werden also die Zelte Jakobs „schön“, die Zelte
Gottes „lieblich“ genannt. Denn was ist schöner, als in der Hoffnung auf die Krone den Kampf mit den Lastern und Begierden aufzunehmen? Was lieblicher, als
sich nach dem Siege über die empfangene Krone zu freuen?
Es sind also die Zelte Jakobs schön, die Zelte Gottes lieblich, weil man durch die
Mühen des Kampfes zum Lohn des Siegespreises gelangt. Weil aber am himmlischen Hofe die verschiedenen Zeltgemeinschaften der heiligen Engel, durch das
Band der Liebe umschlossen, nur einen Staat bilden, spricht der Apostel treffend
nur von einem Zelte, der Psalmist dagegen von Zelten: während in diesen die
66
Sonderlesungen zu den
Scharen der Heiligen vereinigt die eine Gemeinschaft einer Stadt bilden, wird von
dem Zelte Gottes treffend gesagt, es sei zum ewigen Aufenthalt bei den Menschen aufgeschlagen. Alles bisher Gesagte jedoch übertrifft an unvorstellbarer
Wonne, was nun folgt: „Und er wird unter ihnen wohnen.“ Denn wenn schon der
Anblick der Zelte Freude bereitet, um wie viel wonnevoller ist dann der Anblick
und der dauernde Aufenthalt ihres Bewohners, der sie gebaut hat! Gott wird also
unter ihnen wohnen, sie mit voller, echter Freude füllend, damit sie nie mehr
wanken können; er wird ihnen seinen vollen Anblick schenken und, „allen alles
geworden“, die vollkommene Seligkeit spenden. Daher die folgenden schönen
Worte: „Und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr
Gott sein.“ In diesem Leben nämlich, wo „die Verflechtung mit dem Irdischen
den denkenden Geist niederdrückt“, vergessen wir fast ebenso oft, wie wir von
Sorgen und Ängsten bedrückt werden, dass Gott, den wir über alles Wandelbare
und Vergängliche stellen sollen, unser Gott ist. In jenem Staat aber, wo die Gottesschau alle zu einer Einheit verschmilzt und so selig macht, dass die mit innerer,
ewiger Freude völlig Erfüllten nicht nach draußen zu schweifen brauchen, „werden sie sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.“
Da sie vom Wein ewiger Freude und Heiterkeit so berauscht werden, dass sie von
dem Jammer des ganzen vergangenen Lebens nicht mehr berührt werden, fährt
Johannes fort: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und Trauer wird nicht mehr sein noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein, denn diese
sind als erste vergangen.“
11. September
HL. PETRUS VON TARANTAISE
ZWEITE LESUNG
Lebensbeschreibung des heiligen Petrus von Tarantaise
nach dem „Calendarium Benedictinum“
Von einfachen Bauersleuten geboren, trat Petrus um 1122 in die Zisterzienserabtei Bonnevaux ein. Sein Ordensberuf war sicher die Frucht der Mildtätigkeit und
Frömmigkeit seiner Eltern. 1132 wurde Petrus Abt von Tamie, das eben gegründet worden war. Durch seine aufopfernde Fürsorge für die durchreisenden Fremden, nicht minder aber durch sein leuchtendes Tugendbeispiel stieg sein Ansehen
bald derart, dass ihn das Kapitel von Tarentaise 1141 zum Erzbischof wählte. Es
Vigilien in Heiligenkreuz
67
bedurfte allerdings der Beredsamkeit eines heiligen Bernhard und des dringenden
Wunsches der in Cîteaux versammelten Äbte des Ordens, um ihn zur Annahme
der Würde zu bewegen. Auch als Bischof blieb Petrus der einfache, bußfertige
Mönch. Da er die Ordensregel in vielen Punkten nicht mehr beobachten konnte,
legte er sich außerordentliche Abtötungen auf. Seine Kost war so schlecht, dass
sie für die Bettler oft erst genießbar gemacht werden musste. Am nächsten standen seinem sorgenden Herzen sein Klerus und die Armen. Seine Priester suchte er
geistig und sittlich zu heben, vor allem auch durch Schaffung eines anständigen
Auskommens. Den Armen, derer es im rauen Alpenland genug gab, gehörte eigentlich sein ganzes Bischofsgut. Daneben vergaß er die Reisenden nicht. Für sie
erbaute er in seiner Bischofstadt Moûtiers ein großes Spital, das jetzt noch besteht; ebenso sorgte er für Instandhaltung der Hospize auf den Alpenpässen.
Wo Petrus hinkam, begleiteten Zeichen und Wunder seine Schritte. Ihm selber
bereiteten freilich der Ruf des Wundertäters und der Zulauf des Volkes größte
Seelenangst. Einmal glaubte er es nicht mehr aushaken zu können; mitten in der
Nacht entfloh er nach Deutschland und verbarg sich dort in einem Zisterzienserkloster. Doch entdeckte bald einer der ausgesandten Späher seine Spur und brachte dem jubelnden Volk seinen Oberhirten zurück. Es ist, als ob diese Flucht vor
der Öffentlichkeit der Auftakt gewesen wäre zu der umfassenden kirchenpolitischen Wirksamkeit des Heiligen. Denn seit Ostern 1159 durchzog er Südfrankreich und Oberitalien und kämpfte mit dem Schwert seines feurigen Wortes für
den rechtmäßigen Papst Alexander III. Mehrmals treffen wir ihn auch als Vermittler bei Kaiser Friedrich Barbarossa, der vor dem Heiligen eine ehrfurchtsvolle
Scheu hatte und ihn nie als Feind behandelte. Gerade war Petrus damit beschäftigt, auch zwischen den Königen Heinrich II. von England und Ludwig VII. von
Frankreich eine Versöhnung herbeizuführen, als ihn am 14. September 1174 in
der Zisterzienserabtei Bellevaux der Tod ereilte. Schon am 10. Mai 1191 wurde
er zur Ehre der Altäre erhoben.
RESPONSORIUM
R: Weil ich fromm und gerecht bin, Herr, nimmst du mich auf. * Du stellst mich
vor dein Antlitz für immer.
V: Lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes als wohnen in den Zelten der Frevler. * Du stellst mich vor dein Antlitz für immer.
68
Sonderlesungen zu den
12. September
MARIA NAMEN
ERSTE LESUNG
Aus dem Buch Judit
(Judit 16,1-17)
Judit sang: Stimmt ein Lied an für meinen Gott unter Paukenschall, singt für den
Herrn unter Zimbelklang! Preist ihn und singt sein Lob, rühmt seinen Namen und
ruft ihn an! Denn der Herr ist ein Gott, der den Kriegen ein Ende setzt; er führte
mich heim in sein Lager inmitten des Volkes und rettete mich aus der Gewalt der
Feinde. Assur kam von den Bergen des Nordens mit seiner unzählbaren Streitmacht; die Masse der Truppen verstopfte die Täler, sein Reiterheer bedeckte die
Hügel. Brandschatzen wollten sie mein Gebiet, die Jugend morden mit scharfem
Schwert, den zarten Säugling am Boden zerschmettern, die Kinder als Beute verschleppen, als billigen Raub die Mädchen entführen. Doch der Herr, der Allmächtige, gab sie preis, er gab sie der Vernichtung preis durch die Hand einer Frau. Ihr
Held fiel nicht durch die Kraft junger Männer, nicht Söhne von Riesen erschlugen
ihn, noch traten ihm hohe Recken entgegen. Nein, Judit, Meraris Tochter, bannte
seine Macht mit dem Reiz ihrer Schönheit. Sie legte ihr Witwengewand ab, um
den Bedrängten in Israel zu helfen. Sie salbte ihr Gesicht mit duftendem Öl, sie
schmückte ihre Haare mit einem Diadem und zog ein Leinenkleid an, um ihn zu
verführen. Ihre Sandalen bezauberten sein Auge. So schlug ihre Schönheit sein
Herz in Bann. Das Schwert traf seinen Nacken mit Wucht. Die Perser erschraken
vor ihrer Kühnheit, die Meder erstarrten vor ihrem Mut. Jubel erfüllt mein armes
Volk - sie aber gerieten in Schrecken. Die Meinen waren schwach - sie aber packte Entsetzen. Die einen stimmten den Schlachtruf an - die anderen ergriffen die
Flucht. Erbärmliches Volk! Man stieß sie nieder und schlug sie nieder wie Kinder
von Ehebrecherinnen; sie kamen um durch das Heer meines Herrn.
Ich singe meinem Gott ein neues Lied; Herr, du bist groß und voll Herrlichkeit.
Wunderbar bist du in deiner Stärke, keiner kann dich übertreffen. Dienen muss
dir deine ganze Schöpfung. Denn du hast gesprochen, und alles entstand. Du
sandtest deinen Geist, um den Bau zu vollenden. Kein Mensch kann deinem Wort
widerstehen. Meere und Berge erbebten in ihrem Grund, vor dir zerschmelzen die
Felsen wie Wachs. Doch wer dich fürchtet, der erfährt deine Gnade. Zu gering ist
Vigilien in Heiligenkreuz
69
jedes Opfer, um dich zu erfreuen, alle Fettstücke sind nichts beim Opfer für dich.
Wer den Herrn fürchtet, der ist groß für immer. Doch wehe den Völkern, die mein
Volk bekämpfen! Am Tage des Gerichts straft sie der allmächtige Herr, er schickt
Feuer und Würmer in ihr Gebein; in Ewigkeit sollen sie heulen vor Schmerz.
RESPONSORIUM
R: Maria sprach: Der Herr hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut. * Siehe,
von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
V: Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. * Siehe, von nun
an preisen mich selig alle Geschlechter.
18. September
JAHRESGEDÄCHTNIS DER VERSTORBENEN
BRÜDER, VERWANDTEN UND WOHLTÄTER
UNSERES ORDENS
ERSTE LESUNG
Aus dem ersten Brief an die Thessalonicher
(1 Thess 4,13 - 5,11)
Brüder, wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit
ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus - und das
ist unser Glaube - gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus
auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. Denn dies sagen wir euch nach einem Wort des Herrn: Wir, die Lebenden, die noch übrig sind,
wenn der Herr kommt, werden den Verstorbenen nichts voraushaben. Denn der
Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt.
Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen; dann werden wir, die
Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft
entrückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein. Tröstet
also einander mit diesen Worten! Über die Zeit und Stunde, Brüder, brauche ich
euch nicht zu schreiben. Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt
wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!,
70
Sonderlesungen zu den
kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau,
und es gibt kein Entrinnen.
Ihr aber, Brüder, lebt nicht im Finstern, sodass euch der Tag nicht wie ein Dieb
überraschen kann. Ihr alle seid Söhne des Lichts und Söhne des Tages. Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis. Darum wollen wir nicht schlafen wie
die anderen, sondern wach und nüchtern sein. Denn wer schläft, schläft bei Nacht,
und wer sich betrinkt, betrinkt sich bei Nacht. Wir aber, die dem Tag gehören,
wollen nüchtern sein und uns rüsten mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe
und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. Denn Gott hat uns nicht für das
Gericht seines Zorns bestimmt, sondern dafür, dass wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, das Heil erlangen.
Er ist für uns gestorben, damit wir vereint mit ihm leben, ob wir nun wachen oder
schlafen. Darum tröstet und ermahnt einander, und einer richte den andern auf,
wie ihr es schon tut.
RESPONSORIUM
R: Wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, * damit ihr
nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.
V: Wenn Jesus gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch
die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. * Damit ihr nicht
trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.
ZWEITE LESUNG
2. Vatikanisches Konzil (1962 - 1965),
Aus der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“
Angesichts des Todes wird das Rätsel des menschlichen Daseins am größten. Der
Mensch erfährt nicht nur den Schmerz und den fortschreitenden Abbau des Leibes, sondern auch, ja noch mehr, die Furcht vor dem immerwährenden Erlöschen.
Er urteilt aber im Instinkt seines Herzens richtig, wenn er die völlige Zerstörung
und den endgültigen Untergang seiner Person mit Entsetzen ablehnt. Der Keim
der Ewigkeit im Menschen lässt sich nicht auf bloße Materie zurückführen und
wehrt sich gegen den Tod. Doch alle Maßnahmen der Technik, so nützlich sie
sind, können die Angst des Menschen nicht beschwichtigen. Unüberwindlich lebt
in seinem Herzen das Verlangen nach einem Fortleben. Dem kann die Verlängerung der biologischen Lebensdauer nicht genügen.
Vigilien in Heiligenkreuz
71
Während vor dem Tod alle Träume nichtig werden, bekennt die Kirche, belehrt
von der Offenbarung Gottes, dass der Mensch von Gott zu einem seligen Ziel jenseits des irdischen Elends geschaffen ist. Außerdem lehrt der christliche Glaube,
dass der leibliche Tod, dem der Mensch, hätte er nicht gesündigt, entzogen gewesen wäre, besiegt wird, wenn dem Menschen sein Heil, das durch seine Schuld
verloren ging, vom allmächtigen und barmherzigen Erlöser wiedergeschenkt
wird. Gott rief und ruft nämlich den Menschen, dass er ihm in der ewigen Gemeinschaft unzerstörbaren göttlichen Lebens mit seinem ganzen Wesen anhange.
Diesen Sieg hat Christus, da er den Menschen durch seinen Tod vom Tod befreite, in seiner Auferstehung zum Leben errungen.
Jedem also, der ernsthaft nachdenkt, bietet der Glaube, mit stichhaltiger Begründung vorgelegt, eine Antwort auf seine Angst vor der Zukunft an; und zugleich
zeigt er die Möglichkeit, mit den geliebten Brüdern, die schon gestorben sind, in
Christus Gemeinschaft zu haben in der Hoffnung, dass sie das wahre Leben bei
Gott erlangt haben. Auch auf dem Christen liegen ganz gewiss die Notwendigkeit
und auch die Pflicht, gegen das Böse durch viele Anfechtungen hindurch anzukämpfen und auch den Tod zu ertragen; aber dem österlichen Geheimnis verbunden und dem Tod Christi gleich gestaltet, geht er, durch Hoffnung gestärkt, der
Auferstehung entgegen.
Das gilt nicht nur für die Christusgläubigen, sondern für alle Menschen guten
Willens, in deren Herzen die Gnade Gottes unsichtbar wirkt. Da nämlich Christus
für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die
Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein.
Solcher Art und so groß ist das Geheimnis des Menschen, das durch die christliche Offenbarung den Glaubenden aufleuchtet! Durch Christus und in Christus
also wird das Rätsel von Schmerz und Tod hell, das außerhalb seines Evangeliums uns überwältigt. Christus ist auferstanden, hat durch seinen Tod den Tod
vernichtet und uns das Leben geschenkt, damit wir, Söhne im Sohn, im Geist rufen: Abba, Vater!
RESPONSORIUM
R: Ich bin die Auferstehung und das Leben; * wer an mich glaubt, wird leben,
auch wenn er stirbt.
72
Sonderlesungen zu den
V: Jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. * Wer an
mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.
23. September
HL. PATER PIO VON PIETRELCINA
ZWEITE LESUNG
Papst Johannes Paul II. († 2005),
Aus der Predigt bei der Seligsprechung von Pater Pio am 3. Mai 1999
Liebe Brüder und Schwestern!
Nach der göttlichen Vorsehung findet die Seligsprechung von Pater Pio am Vorabend des Großen 2000-Jahr-Jubiläums statt, am Ende eines dramatischen Jahrhunderts. Welche Botschaft richtet der Herr damit an uns?
Pater Pio gibt uns das fundamentale Zeugnis: Jesus Christus ist der einzige Erlöser der Welt. In Ihm ist die Barmherzigkeit Gottes Fleisch geworden, um der
durch die Sünde tödlich verletzten Menschheit das Heil zu schenken. „Durch seine Wunden seid ihr geheilt“ (1 Petr 2,24), ruft uns der Heilige von San Giovanni
Rotondo zu, dessen Leib selbst fünfzig Jahre lang von diesen Wunden gezeichnet
war.
In Gott versunken, stets das Leiden Jesu an sich tragend, war Pater Pio selbst wie
gebrochenes Brot für die Menschen, die nach der Barmherzigkeit des göttlichen
Vaters hungern. Seine Wundmale waren, wie die des Franziskus, Zeichen der
göttlichen Barmherzigkeit. Er suchte nicht den Schmerz, sondern er ertrug einfach das über ihn Verfügte als Weg der Sühne und Läuterung. Er hatte den
Wunsch „zu lieben und zu leiden“, und zwar, wie er schreibt: „fest, konstant und
eisern“. (Epistolarum I,488) Seine offenen und blutenden Wunden bezeugten die
Liebe Gottes für alle Menschen, insbesondere für die körperlich und geistig
Kranken. Während Europa in der Heillosigkeit des Zweiten Weltkrieges versank,
wirkte der einfache Kapuziner körperliches und seelisches Heil: 1940 errichtete er
ein Krankenhaus gleichsam „mit nichts und aus dem nichs“, ebenso rief er Gebetsgruppen ins Leben, die sich weltweit verbreiteten.
Liebe Brüder und Schwestern, das Zeugnis von Pater Pio hat einen starken Bezug
zur übernatürlichen Dimension, die aber nicht mit „Wundersucht“ verwechselt
werden darf. Die charismatische Intensität, mit der Pater Pio die göttlichen Ge-
Vigilien in Heiligenkreuz
73
heimnisse feierte, kann uns Heutigen helfen, nicht in Routine und Gewohnheit
abzugleiten und das Übernatürliche tiefer zu entdecken:
Schaut doch, wie intensiv Pater Pio täglich die Messe gefeiert hat! Zu seinen
Lebzeiten war das für viele Priester ein Hinweis auf die Schönheit ihrer eigenen
priesterlichen Berufung; für die Ordensleute und Laien, die bereits in den frühen
Morgenstunden nach San Giovanni Rotondo eilten, war seine Messfeier eine außergewöhnliche Katechese über den Wert und die Bedeutung des eucharistischen
Opfers. Für die Gläubigen, die sich um seinen Altar drängten, waren die Intensität
seines „Versunkenseins“ in das Mysterium Erfahrungen der Nähe Gottes. Und
alle spürten die persönliche Teilnahme des Paters am Leiden des Erlösers. Die
heilige Messe war Mittelpunkt und Quelle seiner gesamten Spiritualität: „In der
Messe“, so sagte er, „ist der gesamte Leidensweg enthalten“.
Meine Lieben, so lasst uns also getrost aufbrechen in das 3. Jahrtausend! Welch
großer Trost ist es, einen solchen Heiligen im Himmel an unserer Seite zu wissen!
Möge uns sein Beistand zu hingebungsvolleren Jüngern Christi machen! Die
Jungfrau Maria, die Pater Pio mit dem schönen Namen „Heilige Maria von der
Gnade“ anrief, helfe uns allen, den Spuren dieses von den Menschen mit Recht so
geliebten Ordensbruders zu folgen!
RESPONSORIUM
R: In Zukunft soll mir niemand mehr solche Schwierigkeiten bereiten: * Denn ich
trage die Zeichen Jesu an meinem Leib.
V: Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi rühmen, durch das mir die Welt
gekreuzigt ist und ich der Welt. * Denn ich trage die Zeichen Jesu an meinem
Leib.
74
Sonderlesungen zu den
13. Oktober
HL. KOLOMAN
ZWEITE LESUNG
Augustinus († 430),
Aus einer Predigt über das christliche Martyrium
Die ruhmvollen Taten der Märtyrer, von denen die Kirche überall erglänzt, sind
uns ein augenscheinlicher Beweis für die Wahrheit des Verses, den wir soeben
gesungen haben: „Kostbar ist in den Augen des Herrn der Tod seiner Heiligen.“
Er ist kostbar in unseren Augen und in den Augen des Herrn, für dessen Name
dieser Tod erlitten wurde. Aber der Preis für den Tod dieser vielen ist der Tod des
einen. Wie viele sind es, deren Tod der eine sterbend erkaufte! Wäre er nicht gestorben, hätte sich das Weizenkorn nicht vermehrt. Ihr habt die Worte gehört, die
er beim Herannahen seines Leidens - unserer Erlösung - sprach: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt,
bringt es reiche Frucht.“
Unser Erlöser vollbrachte am Kreuz einen bedeutungsvollen Tausch: Dort wurde
das Gefäß, in dem sich der Kaufpreis befand, geöffnet. Als die Lanze Christi Seite aufstieß, floß sein Blut heraus: der Preis für die ganze Welt. Erkauft sind die
Glaubenden und die Märtyrer; aber bei den Märtyrern ist der Glaube sichtbar unter Beweis gestellt: Das Blut ist Zeuge! Sie gaben zurück, was ihnen verliehen
war, und erfüllten so, was der heilige Johannes sagt: „Wie Christus sein Leben für
uns hingegeben hat, so müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben;“ und
ein andermal heißt es: „Wenn du an großer Tafel sitzt, achte wohl darauf, was dir
vorgesetzt wird“; denn du musst als Gegengabe ein ähnliches Mahl bereiten. Eine
große Tafel ist es, an welcher der Herr der Tafel selbst die Speise ist. Niemand
sonst gibt sich selbst als Nahrung den Tischgenossen. Christus tut es: Er lädt ein,
und er ist selber die Speise. Die Märtyrer wussten, was sie aßen und tranken, und
eben dies gaben sie auch zurück.
Aber wie hätten sie zurückzugeben vermocht, hätte nicht der Herr zuerst den
Kaufpreis aufgebracht und ihnen mitgeteilt, wovon sie geben können? „Wie kann
ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat? Ich will den Kelch
des Heils ergreifen.“ Was für ein Kelch ist das? Es ist der bittere, aber Heil schaffende Kelch des Leidens. Hätte nicht der Arzt als erster diesen Kelch getrunken,
Vigilien in Heiligenkreuz
75
müsste sich der Kranke fürchten, ihn anzurühren. Dieser Kelch des Leidens ist
gemeint; denn aus dem Mund Christi erfahren wir, was für ein Kelch das ist: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorbei!“ Von diesem Kelch
sagen die Märtyrer: „Ich will den Kelch des Heils ergreifen und anrufen den Namen des Herrn.“
Du fürchtest also nicht, dabei zu versagen? Weshalb fürchtest du es nicht? Weil
es heißt: „Ich will anrufen den Namen des Herrn!“ Wie hätten die Märtyrer siegen
können, hätte nicht der in ihnen gesiegt, von dem das Wort stammt: „Freut euch,
ich habe die Welt besiegt.“ Der Herrscher des Himmels lenkte Herz und Zunge
der Märtyrer. Er überwand durch die Märtyrer den Teufel auf der Erde und krönte
sie im Himmel. Selig, die so diesen Kelch tranken! Ihre Leiden sind beendet, und
sie haben den Ehrenkranz empfangen.
RESPONSORIUM
R: Die Heiligen Gottes schritten durch Feuer und Wasser und blieben heil. * Sie
empfingen von Gott, dem Herrn, den Siegeskranz. V: Das sind die Heiligen, die
zum Zeugnis für Gott ihren Leib hingaben. * Sie empfingen von Gott, dem Herrn,
den Siegeskranz.
21. Oktober
SEL. KAISER KARL I. VON ÖSTERREICH
Aus der „Positio super virtutibus“
zur Seligsprechung von Kaiser Karl I. von Österreich
1918 war das Jahr der Kapitulation. Der 1. Weltkrieg war zu Ende, ebenso war
das Schicksal der Donaumonarchie besiegelt. Als sich die Straßen Wiens mit aufgebrachten Menschenmengen füllten, musste Kaiser Karl erkennen, dass er auf
einmal allein dastand. Am 11. November unterzeichnete er ein Manifest, in dem
er auf jedwede Beteiligung an der Regierung des Staates verzichtete. Er tat dies in
dem Bewusstsein, dass es sich dabei nicht um eine Abdankung handelte; denn
eine solche hätte Karl nie unterzeichnet, weil das einen Bruch mit dem Eid bedeutet hätte, den er Gott gegenüber abgelegt hatte, als er Kaiser geworden war. Er
war getäuscht worden. Schon am 12. November wurde die Monarchie als gestürzt
erklärt und Karl noch am selben Abend gezwungen, Wien zu verlassen.
76
Sonderlesungen zu den
Ungeachtet all dieser Ereignisse betete Karl, wie jeden Abend, mit den Angehörigen und den Treugebliebenen das Te Deum. Er sagte: „Man darf aus der Hand
Gottes nicht nur das Gute annehmen wollen, sondern muss auch dankbar sein
können für alles andere, so schwierig und schmerzlich es auch sein mag. Ist nicht
vor allem das so lang ersehnte Ende des Krieges gekommen? Und für den Frieden
ist jedes Opfer, jeder Verzicht nur recht und billig.“
Karl musste schließlich auch seine österreichische Heimat verlassen, wo sein Leben und das seiner Familie gefährdet waren. Die kaiserliche Familie ging in die
Schweiz, und am 3. April erklärte die österreichische Regierung öffentlich, dass
der Kaiser ins Exil gegangen war und man zur Konfiszierung seiner Güter schreiten würde. Von der Schweiz aus unternahm Karl zweimal den Versuch, nach Ungarn zurückzukehren, um die Monarchie wiederherzustellen. Von zahlreichen
Politikern, vor allem aber von Papst Benedikt XV. wiederholt ermutigt, unternahm Karl I. im Jahre 1921 zweimal den Versuch, den ungarischen Thron zurückzuerobern. Die Folge der Restaurationsversuche, die schon deshalb fehlschlagen mussten, weil der Kaiser jede Gewaltanwendung ablehnte, war die Verbannung. Karl meinte nur: „Auch wenn es fehlgeschlagen ist, müssen wir Gott
danken, weil seine Wege nicht die unsrigen sind.“
Am 19. November 1921 kam die kaiserliche Familie in Madeira an. Als der Kaiser die beiden Türme einer Kirche sah, rief er: „Wie sehr erinnert sie mich an die
Kirchen meines Landes! Es muss eine der Muttergottes geweihte Kirche sein:
gehen wir sofort, sie anzuschauen!“ Es war tatsächlich die Kirche war „Nossa
Senhora do Monte“, in der er fünf Monate später beigesetzt werden sollte und bis
heute beigesetzt ist. Auf Madeira erwartete den Kaiser eine schwere tödliche
Krankheit, die er in Ergebung in den göttlichen Willen und in einer Haltung der
Sühne „für seine Völker“ ertrug. Zugleich gewann er durch seine herzliche und
zuvorkommende Art die Sympathie der Einheimischen, sodass die anfängliche
Zurückhaltung bald in unverhüllte Begeisterung umschlug. Am 1. April 1922
verabschiedete sich Kaiser Karl vom irdischen Leben mit dem Wort „Jesus!“
Es war nicht verwunderlich, dass sich fast alle Inselbewohner eingefunden hatten,
als man an einem Frühlingstag den letzten Kaiser Österreichs zu Grabe trug. Jener
34-jährige Mann hatte sie mit etwas in seinen Bann gezogen, das nichts zu tun
hatte mit seinem Kaisertum und der einstigen Macht. Was die Menschen an Karl
beeindruckte, war die gelebte Heiligkeit inmitten einer so unerfüllbaren und undankbaren Aufgabe: Ein Mann, ein Christ, ein Kaiser, der ganz Verweis auf Gott
war: am Hof ebenso wie in den Schützengräben, in der Sorge für seine Familie
ebenso wie in einem wahrhaft christlichen Sterben. Seine Heiligkeit ist das ei-
Vigilien in Heiligenkreuz
77
gentliche Kaisertum, das seinen Völkern noch von der Ewigkeit her leuchtend
entgegenstrahlen wird.
RESPONSORIUM
R: Ihr seid Licht geworden durch den Herrn. Lebt als Kinder des Lichts! * Das
Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.
V: Ihr seid das Licht der Welt. Euer Licht soll vor den Menschen leuchten. * Das
Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.
28. Oktober
HLL. SIMON UND JUDAS
ERSTE LESUNG
Aus dem Brief an die Römer
(Röm 8,18-39)
Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im
Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Denn die ganze
Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die
Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: auch
die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit
und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.
Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem
Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne
offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber,
die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung; wie kann man auf etwas hoffen,
das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus
in Geduld. So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch
für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, der die
Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es
will, für die Heiligen ein. Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles
zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle,
78
Sonderlesungen zu den
die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt, an Wesen
und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen
Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er
berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat
er auch verherrlicht.
Was ergibt sich nun, wenn wir das alles bedenken? Ist Gott für uns, wer ist dann
gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle
hingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer kann die Auserwählten Gottes anklagen? Gott ist es, der gerecht macht. Wer kann sie verurteilen? Christus Jesus, der gestorben ist, mehr noch: der auferweckt wurde, sitzt zur
Rechten Gottes und tritt für uns ein. Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder
Schwert? In der Schrift steht: Um deinetwillen sind wir den ganzen Tag dem Tod
ausgesetzt; wir werden behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt
hat. Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin
gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges
noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere
Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.
RESPONSORIUM
R: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung; Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? * All das überwinden wir
durch den, der uns geliebt hat.
V: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges
noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe können uns scheiden von
der Liebe Gottes. * All das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat.
Vigilien in Heiligenkreuz
79
29. Oktober
SEL. SCHWESTER RESTITUTA KAFKA
ZWEITE LESUNG
Schwester Restituta Kafka († 1943),
Aus dem ersten Brief nach der Verkündigung des Todesurteils
Nach meiner Verurteilung der erste, vielleicht auch letzte Brief. Meine gute Sr.
Oberin, wie der Urteilsspruch lautet, wisst Ihr ja alle, da Schwester Longina und
Asella sowie Vally und Anny bei der Verhandlung zugegen waren und Euch sicher davon verständigt haben.
Meine gute Schwester Oberin, wohl tut es mir von Herzen leid, dass ich Ihnen
sowie allen Schwestern solches Leid zufüge; doch kränkt Euch nicht, denn was
Gott tut, ist wohlgetan. Ich selbst fühle mich keiner Schuld bewusst, und muss ich
mein Leben lassen, so bringe ich gerne das Opfer; denn so hoffe ich, dass ich gnädige Aufnahme bei meinem Heiland finde. Heute, am Fest Allerheiligen, an welchem mich mein Heiland jene herrlichen Wunder betrachten lässt, bitte ich meinen Heiland, auch mich bald in diese Scharen einzureihen.
O liebe Schwester Oberin, bitte verzeihen Sie mir all die Sorgen und Leiden, die
ich Ihnen bereitet habe, bitte auch alle Schwestern um Verzeihung, vergesst mich
nicht in Euren Gebeten, betet viel für mich um eine gute Sterbestunde und dann
für meine Seelenruhe. Tausendmal „Vergelt’s Gott“ Ihnen, liebe Schwester Oberin, für alle Liebe und alles Gute, das mir durch Sie zuteil wurde, ebenso allen
lieben Schwestern. Allen habe ich von Herzen verziehen, die zu meiner Verurteilung beigetragen haben (…); möge mir der liebe Gott dafür Seelen schenken. Bitte tragt niemandem etwas nach, sondern verzeiht allen von Herzen, wie auch ich
es tue.
Liebe Schwester Oberin, am 25. 10. schrieb ich Würdigen Mutter, obwohl ich
noch keine Ahnung hatte, sogar die Hoffnung, bald wieder bei Euch sein zu können, einen Abschiedsbrief; die Feder wollte nichts anderes schreiben; somit, wenn
ich noch einmal schreiben kann, werde ich meinen beiden Schwestern Vally und
Anny schreiben, ein letztes Mal; grüßen Sie mir beide herzlich; vielleicht, liebe
Schwester Oberin, kann ich Euch noch einmal sehen, möchte mich freuen; jeden
Mittwoch ist Besuchstag, vielleicht könnt Ihr Euch erkundigen. Briefe bekam ich
keine, weder von Mödling noch vom Mutterhaus noch von Anny. Ob ich sie be-
80
Sonderlesungen zu den
komme, weiß ich nicht; es tut mir sehr leid wegen des Bildchens, das Anny mir
schickte, wie sie mir beim Besuch erzählte, vielleicht könnt ihr Euch erkundigen
hier.
Meine liebe Schwester Oberin, grüßen Sie bitte alle meine lieben Bekannten, sie
sollen nicht weinen, sondern beten für mich, besonders Schwester Agnes mit ihren lieben Schwestern. Ihr und allen ein inniges „Vergelt’s Gott“ (…), alle Namen ist mir nicht möglich aufzuschreiben, da es mir an Papier fehlt, aber niemanden vergesse ich und bitte, auch mich nicht zu vergessen.
Nun, liebe Schwester Oberin, nochmals tausend Dank für alles! Ich grüße Sie und
alle Schwestern von ganzem Herzen, bitte vergesst mich nicht im Gebet, auch an
Würdige Mutter und Schwestern unserer ganzen Kongregation „Vergelt’s Gott“
für alles! In Jesu Herzen stets vereint.
RESPONSORIUM
R: Siehe, Gott ist mein Retter; * der Herr ist meine Kraft und Stärke.
V: Der Herr ist mein Helfer, was können Menschen mir antun? * Der Herr ist
meine Kraft und Stärke.
2. November
ALLERSEELEN
ERSTE LESUNG
Aus dem zweiten Petrusbrief
(2 Petr 1,10-11; 2,4-10a; 3,2-15c)
Meine Brüder, bemüht euch noch mehr darum, dass eure Berufung und Erwählung Bestand hat. Wenn ihr das tut, werdet ihr niemals scheitern. Dann wird euch
in reichem Maß gewährt, in das ewige Reich unseres Herrn und Retters Jesus
Christus einzutreten.
Gott hat auch die Engel, die gesündigt haben, nicht verschont, sondern sie in die
finsteren Höhlen der Unterwelt verstoßen und hält sie dort eingeschlossen bis
zum Gericht. Er hat auch die frühere Welt nicht verschont; nur Noach, den Verkünder der Gerechtigkeit, hat er zusammen mit sieben anderen als achten bewahrt, als er die Flut über die Welt der Gottlosen brachte. Auch die Städte Sodom
und Gomorra hat er eingeäschert und zum Untergang verurteilt, als ein Beispiel
Vigilien in Heiligenkreuz
81
für alle Gottlosen in späteren Zeiten. Den gerechten Lot aber, der unter dem ausschweifenden Leben der Gottesverächter litt, hat er gerettet; denn dieser Gerechte, der mitten unter ihnen wohnte, musste Tag für Tag ihr gesetzwidriges Tun sehen und hören, und das quälte den gerechten Mann Tag für Tag. Der Herr kann
die Frommen aus der Prüfung retten; bei den Ungerechten aber kann er warten,
um sie am Tag des Gerichts zu bestrafen, besonders die, die sich von der schmutzigen Begierde ihres Körpers beherrschen lassen und die Macht des Herrn verachten.
Denkt an die Worte, die von den heiligen Propheten im Voraus verkündet worden
sind, und an das Gebot des Herrn und Retters, das eure Apostel euch überliefert
haben! Vor allem sollt ihr eines wissen: Am Ende der Tage werden Spötter kommen, die sich nur von ihren Begierden leiten lassen und höhnisch sagen: Wo
bleibt denn seine verheißene Ankunft? Seit die Väter entschlafen sind, ist alles
geblieben, wie es seit Anfang der Schöpfung war. Wer das behauptet, übersieht,
dass es einst einen Himmel gab und eine Erde, die durch das Wort Gottes aus
Wasser entstand und durch das Wasser Bestand hatte. Durch beides ging die damalige Welt zugrunde, als sie vom Wasser überflutet wurde. Der jetzige Himmel
aber und die jetzige Erde sind durch dasselbe Wort für das Feuer aufgespart worden. Sie werden bewahrt bis zum Tag des Gerichts, an dem die Gottlosen zugrunde gehen.
Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag
wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind. Der Herr zögert nicht mit
der Erfüllung der Verheißung, wie einige meinen, die von Verzögerung reden; er
ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern
dass alle sich bekehren. Der Tag des Herrn wird aber kommen wie ein Dieb.
Dann wird der Himmel prasselnd vergehen, die Elemente werden verbrannt und
aufgelöst, die Erde und alles, was auf ihr ist, werden nicht mehr gefunden. Wenn
sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müsst ihr dann leben,
den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird
sich der Himmel im Feuer auflösen, und die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel
und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt.
Weil ihr das erwartet, liebe Brüder, bemüht euch darum, von ihm ohne Makel und
Fehler und in Frieden angetroffen zu werden! Seid überzeugt, dass die Geduld
unseres Herrn eure Rettung ist!
RESPONSORIUM
82
Sonderlesungen zu den
R: Christus muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße legt. * Der
letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.
V: Dann gibt der Tod und seine Welt die Toten heraus.* Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.
9. November
KIRCHWEIHE DER LATERANBASILIKA
ERSTE LESUNG
Aus dem zweiten Buch der Chronik
(2 Chr 5,2 - 6,2; 7,1-5)
Damals versammelte Salomo die Ältesten Israels, alle Stammesführer und die
Anführer der israelitischen Großfamilien in Jerusalem, um die Bundeslade des
Herrn aus der Stadt Davids, das ist Zion, heraufzuholen. Am Fest, das ist im siebten Monat, kamen alle Männer Israels beim König zusammen. In Gegenwart aller
Ältesten Israels nahmen die Leviten die Lade und brachten sie zugleich mit dem
Offenbarungszelt und den heiligen Geräten, die im Zelt waren, hinauf. Die Priester und die Leviten übernahmen den Trägerdienst. König Salomo aber und die
ganze Gemeinde Israels, die bei ihm vor der Lade versammelt war, schlachteten
Schafe und Rinder, die man wegen ihrer Menge nicht zählen und nicht berechnen
konnte. Darauf stellten die Priester die Bundeslade des Herrn an ihren Platz, in
die Gotteswohnung des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Kerubim. Denn die Kerubim breiteten ihre Flügel über den Ort, wo die Lade stand,
und bedeckten sie und ihre Stangen von oben her. Die Stangen waren so lang,
dass man ihre Spitzen an der Lade vor der Gotteswohnung sehen konnte; draußen
aber waren sie nicht zu sehen. Sie blieben dort bis zum heutigen Tag. In der Lade
befanden sich nur die zwei Tafeln, die Moses am Horeb hineingelegt hatte, die
Tafeln des Bundes, den der Herr mit den Israeliten beim Auszug aus Ägypten
geschlossen hatte. Darauf traten die Priester aus dem Heiligtum.
Alle, die gekommen waren, unabhängig davon, zu welcher Abteilung sie gehörten, hatten sich geheiligt. Die levitischen Sänger, Asaf, Heman, Jedutun, ihre Söhne und Brüder, standen alle, in Byssus gekleidet, mit Zimbeln, Harfen und Zithern an der Ostseite des Altars. Bei ihnen waren hundertzwanzig Priester, die auf
Trompeten bliesen. Es kam wie aus einem Mund, wenn die Trompeter und Sänger gleichzeitig zum Lob und Preis des Herrn sich vernehmen ließen. Als sie mit
Vigilien in Heiligenkreuz
83
ihren Trompeten, Zimbeln und Musikinstrumenten einsetzten und den Herrn priesen, „Denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“, erfüllte eine Wolke den
Tempel, das Haus des Herrn. Die Priester konnten wegen der Wolke ihren Dienst
nicht verrichten; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.
Damals sagte Salomo: Der Herr sprach, er wolle im Dunkel wohnen. Ich habe ein
fürstliches Haus für dich gebaut, eine Wohnstätte für ewige Zeiten.
Als Salomo sein Gebet beendet hatte, fiel Feuer vom Himmel und verzehrte das
Brandopfer und die Schlachtopfer. Die Herrlichkeit des Herrn erfüllte den Tempel. Die Priester konnten das Haus des Herrn nicht betreten, da die Herrlichkeit
des Herrn es erfüllte. Alle Israeliten sahen, wie das Feuer herabfiel und wie die
Herrlichkeit des Herrn über dem Tempel erschien. Sie warfen sich mit dem Gesicht zur Erde auf das Steinpflaster nieder, beteten den Herrn an und priesen ihn:
„Denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig.“ Dann brachten der König und
das ganze Volk vor dem Herrn Opfer dar. Zweiundzwanzigtausend Rinder und
hundertzwanzigtausend Schafe ließ König Salomo zum Opfer schlachten. So
vollzogen der König und das ganze Volk die Weihe des Hauses Gottes.
RESPONSORIUM
R: Du bringst sie zu deinem heiligen Berg und erfreust sie; * denn dein Haus wird
ein Haus des Gebetes sein für alle Völker.
V: Halte deine Augen offen über diesem Hause bei Tag und bei Nacht, über dieser Stätte, von der du gesagt hast, dass dein Name hier wohnen soll! * Denn dein
Haus wird ein Haus des Gebetes sein für alle Völker.
11. November
HL. MARTIN VON TOURS
ERSTE LESUNG
Aus dem Jakobusbrief
(Jak 2,1-9a. 14-26)
Meine Brüder, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der
Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person. Wenn in eure Versammlung ein
Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt, und zugleich kommt
ein Armer in schmutziger Kleidung, und ihr blickt auf den Mann in der prächti-
84
Sonderlesungen zu den
gen Kleidung und sagt: Setz dich hier auf den guten Platz!, und zu dem Armen
sagt ihr: Du kannst dort stehen!, oder: Setz dich zu meinen Füßen! - macht ihr
dann nicht untereinander Unterschiede und fällt Urteile aufgrund verwerflicher
Überlegungen? Hört, meine geliebten Brüder: Hat Gott nicht die Armen in der
Welt auserwählt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben des Königreichs
zu machen, das er denen verheißen hat, die ihn lieben? Ihr aber verachtet den
Armen. Sind es nicht die Reichen, die euch unterdrücken und euch vor die Gerichte schleppen? Sind nicht sie es, die den hohen Namen lästern, der über euch
ausgerufen worden ist? Wenn ihr dagegen nach dem Wort der Schrift: Du sollst
deinen Nächsten lieben wie dich selbst! das königliche Gesetz erfüllt, dann handelt ihr recht. Wenn ihr aber nach dem Ansehen der Person urteilt, begeht ihr eine
Sünde.
Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die
Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? Wenn ein Bruder oder eine Schwester
ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt:
Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum
Leben brauchen - was nützt das? So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn
er nicht Werke vorzuweisen hat. Nun könnte einer sagen: Du hast Glauben, und
ich kann Werke vorweisen; zeig mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich
zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke. Du glaubst: Es gibt nur den einen
Gott. Damit hast du Recht; das glauben auch die Dämonen, und sie zittern. Willst
du also einsehen, du unvernünftiger Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos
ist? Wurde unser Vater Abraham nicht aufgrund seiner Werke als gerecht anerkannt? Denn er hat seinen Sohn Isaak als Opfer auf den Altar gelegt.
Du siehst, dass bei ihm der Glaube und die Werke zusammenwirkten und dass
erst durch die Werke der Glaube vollendet wurde. So hat sich das Wort der
Schrift erfüllt: Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt. Ihr seht, dass der Mensch aufgrund
seiner Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein. Wurde nicht ebenso
auch die Dirne Rahab durch ihre Werke als gerecht anerkannt, weil sie die Boten
bei sich aufnahm und dann auf einem anderen Weg entkommen ließ? Denn wie
der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube tot ohne Werke.
RESPONSORIUM
R: Brich dem Hungernden dein Brot, dem Heimatlosen gib ein Obdach; * dann
wird dein Licht aufleuchten wie das Morgenrot, und deine Gerechtigkeit schreitet
vor dir einher. V: Bekleide den Nackten, und lass deinen Bruder nicht im Stich. *
Vigilien in Heiligenkreuz
85
Dann wird dein Licht aufleuchten wie das Morgenrot, und deine Gerechtigkeit
schreitet vor dir einher.
13. November
ALLERHEILIGEN UNSERES ORDENS
ERSTE LESUNG
Aus dem Brief an die Epheser
(Eph 4,25 - 5,20)
Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als
Glieder miteinander verbunden. Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen. Gebt dem Teufel keinen Raum! Der Dieb soll nicht mehr stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen
Händen etwas verdienen, damit er den Notleidenden davon geben kann. Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht,
stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt! Beleidigt nicht den Heiligen Geist
Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung! Jede Art von Bitterkeit,
Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung und alles Böse verbannt aus eurer Mitte! Seid
gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch
Christus vergeben hat!
Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, weil auch Christus
uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt! Von Unzucht aber und Schamlosigkeit jeder Art oder von Habgier soll bei
euch, wie es sich für Heilige gehört, nicht einmal die Rede sein. Auch Sittenlosigkeit und albernes oder zweideutiges Geschwätz schickt sich nicht für euch,
sondern Dankbarkeit. Denn das sollt ihr wissen: Kein unzüchtiger, schamloser
oder habgieriger Mensch - das heißt kein Götzendiener - erhält ein Erbteil im
Reich Christi und Gottes. Niemand täusche euch mit leeren Worten: All das zieht
auf die Ungehorsamen den Zorn Gottes herab. Habt darum nichts mit ihnen gemein! Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht
geworden. Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit
und Wahrheit hervor. Prüft, was dem Herrn gefällt, und habt nichts gemein mit
den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen, sondern deckt sie auf! Denn
man muss sich schämen, von dem, was sie heimlich tun, auch nur zu reden. Alles,
86
Sonderlesungen zu den
was aufgedeckt ist, wird vom Licht erleuchtet. Alles Erleuchtete aber ist Licht.
Deshalb heißt es: Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein. Achtet also sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt,
nicht töricht, sondern klug. Nutzt die Zeit; denn diese Tage sind böse. Darum seid
nicht unverständig, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist! Berauscht euch
nicht mit Wein - das macht zügellos -, sondern lasst euch vom Geist erfüllen!
Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie
eingibt! Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn! Sagt Gott, dem
Vater, jederzeit Dank für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus!
RESPONSORIUM
R: Seid einander in Liebe verbunden, in Demut schätze einer den anderen höher
ein als sich selbst! * Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf
das der anderen!
V: Nehmt euch der Schwachen an, seid geduldig mit allen; bemüht euch immer,
einander und allen Gutes zu tun! * Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl,
sondern auch auf das der anderen!
ZWEITE LESUNG
Augustinus († 430),
Aus einer Predigt über den Vergleich zwischen irdischem
und überirdischem Leben
Hier singen wir das Halleluja noch in Sorge, damit wir es einst singen dürfen in
Sicherheit. Weshalb sind wir hier in Sorge? Du willst, dass ich unbesorgt sei?
Und ich lese doch: „Das Leben des Menschen auf Erden ist eine Versuchung!“
Du willst, ich soll unbesorgt sein. Aber es wird mir doch gesagt: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!“ Du willst nicht, dass ich mir Sorgen
mache, wo doch die Versuchung so überhand nimmt, dass uns das Gebet vorschreibt zu rufen: „Vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern!“ Täglich sind wir Bittsteller und täglich Schuldner. Du willst, dass
ich mich sicher fühle, und ich soll doch jeden Tag um Vergebung der Sünden beten und um Schutz in Gefahren! Da sage ich wegen der vergangenen Sünden:
„Vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern!“ Und sofort füge ich wegen der künftigen hinzu: „Führe uns nicht in Versuchung!“ Wie
sollte aber das Volk im Guten sein, wenn es mit mir ruft: „Erlöse uns von dem
Bösen?“ Dennoch, obwohl wir bis jetzt in diesem Bösen stecken, liebe Brüder,
Vigilien in Heiligenkreuz
87
wollen wir dem guten Gott doch das Halleluja singen, weil er uns vom Bösen erlöst hat.
Obwohl wir hienieden mitten in Gefahren und Versuchungen sind, sollen wir und
die andern das Halleluja singen; denn „Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass
ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet.“ So wollen auch wir hier das Halleluja singen. Der Mensch ist zwar immer noch schuldig, aber Gott ist treu! Paulus
sagt nicht: „Er wird nicht zulassen, dass ihr versucht werdet“, sondern: „Er wird
nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in
der Versuchung einen Ausweg schaffen, so dass ihr bestehen könnt.“ Du bist in
Versuchung geraten. Aber Gott wird dir einen Ausweg schaffen, damit du in der
Versuchung nicht untergehst. Wie das Gefäß eines Töpfers sollst du geformt werden durch die Verkündigung, gebrannt werden sollst du durch Drangsale. Gerätst
du hinein, so denk an den Ausweg. Denn Gott ist treu: „Der Herr behüte deinen
Eingang und deinen Ausgang.“ Dann aber, wenn dieser Leib unvergänglich und
unsterblich wird, erlischt auch die Versuchung. Denn „der Leib ist gestorben.“
Warum ist er gestorben? „Wegen der Sünde.“ „Aber der Geist ist Leben.“ Warum? „Wegen der Gerechtigkeit!“ Geben wir also den toten Leib auf? Nein, höre
vielmehr: „Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten erweckt hat, dann wird der, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch
euren sterblichen Leib lebendig machen.“ Jetzt ist der Leib irdisch, dann aber überirdisch. Wie herzerfreuend wird dort das Halleluja sein! Wie sorglos, ohne
Widersacher! Dort, wo es keinen Feind mehr gibt, verliert man auch keinen
Freund. Dort gibt es Gotteslob, und hier gibt es Gotteslob. Aber hier von Menschen, die in Sorge sind, dort von denen, die sich in Sicherheit wissen, hier von
Menschen, die sterben müssen, dort von denen, die ewig leben. Hier in Hoffnung,
dort in Wirklichkeit. Hier auf dem Weg, dort in der Heimat.
RESPONSORIUM
R: Seht unsere Heiligen, die treuen Verkünder, die Väter unseres Glaubens! * Für
ihre Kinder beten sie allzeit zu dir, Herr Jesus Christus.
V: Damit sie nicht Beute des Bösen werden, breiten sie schützend die Arme über
sie aus. * Für ihre Kinder beten sie allzeit zu dir, Herr Jesus Christus.
88
Sonderlesungen zu den
14. November
ALLERSEELEN UNSERES ORDENS
ERSTE LESUNG
Aus dem zweiten Brief an die Korinther
(2 Kor 4,1-6.10-18; 5,1-10)
Daher erlahmt unser Eifer nicht in dem Dienst, der uns durch Gottes Erbarmen
übertragen wurde. Wir haben uns von aller schimpflichen Arglist losgesagt; wir
handeln nicht hinterhältig und verfälschen das Wort Gottes nicht, sondern lehren
offen die Wahrheit. So empfehlen wir uns vor dem Angesicht Gottes jedem
menschlichen Gewissen. Wenn unser Evangelium dennoch verhüllt ist, ist es nur
denen verhüllt, die verloren gehen; denn der Gott dieser Weltzeit hat das Denken
der Ungläubigen verblendet. So strahlt ihnen der Glanz der Heilsbotschaft nicht
auf, der Botschaft von der Herrlichkeit Christi, der Gottes Ebenbild ist. Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn; uns aber
als eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der sprach: ‚Aus Finsternis soll
Licht aufleuchten!’, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet
werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.
Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem
Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird. Denn immer
werden wir, obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch
das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird. So erweist an uns
der Tod, an euch aber das Leben seine Macht. Doch haben wir den gleichen Geist
des Glaubens, von dem es in der Schrift heißt: Ich habe es geglaubt, darum habe
ich geredet. Auch wir glauben, und darum reden wir. Denn wir wissen, dass der,
welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und
uns zusammen mit euch vor sein Angesicht stellen wird. Alles tun wir euretwegen, damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den
Dank vervielfachen, Gott zur Ehre.
Darum werden wir nicht müde; wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben
wird, der innere wird Tag für Tag erneuert. Denn die kleine Last unserer gegenwärtigen Not schafft uns in maßlosem Übermaß ein ewiges Gewicht an Herrlichkeit, uns, die wir nicht auf das Sichtbare starren, sondern nach dem Unsichtbaren
ausblicken; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig.
Vigilien in Heiligenkreuz
89
Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine
Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im
Himmel. Im gegenwärtigen Zustand seufzen wir und sehnen uns danach, mit dem
himmlischen Haus überkleidet zu werden. So bekleidet, werden wir nicht nackt
erscheinen. Solange wir nämlich in diesem Zelt leben, seufzen wir unter schwerem Druck, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit
so das Sterbliche vom Leben verschlungen werde. Gott aber, der uns gerade dazu
fähig gemacht hat, er hat uns auch als ersten Anteil den Geist gegeben. Wir sind
also immer zuversichtlich, auch wenn wir wissen, dass wir fern vom Herrn in der
Fremde leben, solange wir in diesem Leib zu Hause sind; denn als Glaubende
gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende. Weil wir aber zuversichtlich sind,
ziehen wir es vor, aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein.
Deswegen suchen wir unsere Ehre darin, ihm zu gefallen, ob wir daheim oder in
der Fremde sind. Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar
werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat.
RESPONSORIUM
R: Wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, * damit ihr
nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.
V: Wenn Jesus gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch
die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. * Damit ihr nicht
trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.
ZWEITE LESUNG
Benedikt von Nursia († 547),
Aus der Regel
Wir wollen uns also mit dem Glauben umgürten, in Treue das Gute tun und unter
der Führung des Evangeliums die Wege gehen, die der Herr uns zeigt, damit wir
ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat. Wenn wir im Zelt seines
Reiches wohnen wollen, müssen wir mit guten Taten vorwärts eilen; sonst werden wir nie dorthin gelangen. Aber fragen wir doch den Herrn mit den Worten
des Propheten: Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelt, wer darf weilen auf deinem heiligen Berg? Brüder, hören wir auf diese Frage die Antwort des Herrn; der
zeigt uns den Weg zu seinem Zelt und sagt: Wer makellos lebt und das Rechte
tut, wer von Herzen die Wahrheit sagt und mit seiner Zunge nicht verleumdet;
90
Sonderlesungen zu den
wer seinem Freund nichts Böses antut und seinen Nächsten nicht schmäht; wer
den bösen Teufel, der ihm etwas einflüstert, samt seiner Einflüsterung aus seinem
Herzen vertreibt, ihn zunichte macht, seine Gedankenbrut packt und an Christus
zerschmettert; wer den Herrn fürchtet und sich wegen seines treuen Dienstes nicht
überhebt, sondern überzeugt ist, dass das Gute, das er hat, nicht sein eigenes
Werk ist, sondern das Werk des Herrn. Solche Menschen preisen den Herrn, der
in ihnen wirkt, und sagen mit dem Propheten: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern
deinem Namen gib die Ehre!
Der Herr erwartet von uns, dass wir seinen heiligen Mahnungen Tag für Tag
durch unsere Taten entsprechen. Deshalb sind uns die Tage dieses Lebens als
Gnadenfrist geschenkt, damit wir vom Bösen ablassen, uns bessern.
Brüder, wir haben den Herrn gefragt, wer in seinem Zelt wohnen darf, und wir
haben die Einlassbedingungen gehört. Nun müssen wir auch die Pflichten eines
Bewohners erfüllen! Wir wollen also unser Herz und unseren Leib für den Dienst
bereiten, für den heiligen Gehorsam gegen die Gebote! Weil wir das aber mit unserer natürlichen Kraft nicht zustande bringen, wollen wir vom Herrn die Hilfe
seiner Gnade erbitten. Wenn wir den Höllenstrafen entrinnen und zum ewigen
Leben gelangen wollen, müssen wir jetzt, solange noch Zeit ist und wir in diesem
Leib wohnen, jetzt, da wir noch das Licht dieses Lebens schauen und Zeit haben,
das alles zu erfüllen, müssen wir jetzt vorwärts eilen und tun, was uns für die Ewigkeit nützt.
Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn gründen. Bei dieser Gründung ist es unsere Absicht, nichts Hartes, nichts Schweres anzuordnen. Sollten
jedoch Vernunft und Billigkeit zur Besserung von Fehlern und zur Bewahrung
der Liebe da und dort etwas strengere Anforderungen stellen, so verlass nicht
gleich voll Angst und Schrecken den Weg des Heils, der am Anfang nun einmal
eng sein muss. Sobald man aber im klösterlichen Leben und im Glauben Fortschritte macht, weitet sich das Herz, und man geht den Weg der Gebote Gottes in
unsagbarer Freude der Liebe. Wir wollen uns also nie der Leitung dieses Meisters
entziehen, sondern im Kloster bis zum Tod an seiner Lehre festhalten und in Geduld am Leiden Christi teilnehmen, damit wir auch verdienen, Anteil zu haben an
der Herrlichkeit seines Reiches. Amen.
RESPONSORIUM
R: Wir bitten dich, Herr, unser Gott: nimm die Seelen unserer Verstorbenen auf,
für die du dein Blut vergossen hast: * Schenke ihnen Anteil an der Herrlichkeit
deines Reiches!
Vigilien in Heiligenkreuz
91
V: Sie sind den Weg der Gebote Gottes in der Freude der Liebe gegangen; sie
haben in Geduld an den Leiden Christi teilgenommen: * Schenke ihnen Anteil an
der Herrlichkeit deines Reiches.
15. November
HL. MARKGRAF LEOPOLD III.
ERSTE LESUNG
Aus dem Brief an die Epheser
(Eph 5,21-33; 6,10-18)
Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus.
Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn; denn der Mann ist
das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet,
denn sie ist sein Leib. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich
die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie
Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und
durch das Wort rein und heilig zu machen. So will er die Kirche herrlich vor sich
erscheinen lassen, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein
und makellos.
Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen
Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib
gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn - wie auch Christus die Kirche. Denn wir
sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und
sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes
Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche. Was euch angeht, so liebe
jeder von euch seine Frau wie sich selbst, die Frau aber ehre den Mann. Und
schließlich: Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! Zieht die Rüstung
Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt!
Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern
gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt,
gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs. Darum legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den
Kampf bestehen könnt!
Seid also standhaft: Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit
an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen.
92
Sonderlesungen zu den
Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des
Geistes, das ist das Wort Gottes! Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet
jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen!
RESPONSORIUM
R: Komm, du guter und treuer Knecht, du bist im Kleinen ein treuer Verwalter
gewesen, darum will ich dir ein Großes übertragen. * Komm, nimm teil an der
Freude deines Herrn!
V: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; siehe, ich habe noch fünf dazugewonnen. * Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
ZWEITE LESUNG
Gründungsurkunde des heiligen Leopold aus dem Jahre 1136,
mit der er Heiligenkreuz stiftete
Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit: Allen Christgläubigen, den
gegenwärtigen und zukünftigen Geschlechtern, wünschen wir Frieden und Freude! Es ist ein nützlicher Brauch, die Schenkungen und Stiftungen von Fürsten in
Urkunden schriftlich festzuhalten, damit diese Stiftungen den ehrwürdigen Stätten
sicher und unversehrt bewahrt bleiben. Ja, es ist ein guter Brauch, all das mit Umsicht dem Gedächtnis der Nachfahren zu überliefern.
Daher habe ich, Leopold, von Gottes Gnaden Markgraf von Österreich, in dieser
vorliegenden Urkunde festhalten lassen, dass ich auf die Eingebung Gottes, von
dem alles Gute kommt, und auf den Wunsch meines geliebten Sohnes Otto hin,
der sich in Morimond dem Zisterzienserorden angeschlossen hat, Mönche aus
dem genannten Kloster Morimond berufen habe. Ich habe ihnen an dem Ort, der
bisher Sattelbach hieß, jetzt aber nach dem siegreichen Zeichen unserer Erlösung
„ad Sanctam Crucem“ - „zum heiligen Kreuz“ - genannt wird, eine Stätte zur
Klostergründung angewiesen. Da ich mich sehr über ihr eifriges Ordensleben
freute, habe ich aus Vorsorge für ihren Lebensunterhalt aufgrund eigener Machtvollkommenheit sowie unter Beistimmung und auf Bitten meiner Gemahlin Agnes und unserer Söhne Albert, Heinrich, Leopold und Ernest das ringsum liegende Land dem allmächtigen Gott, der seligen, allzeit jungfräulichen Jungfrau Maria und den Brüdern übergeben, damit sie sich jetzt und für Zeiten an dem genannten Ort niederlassen.
Vigilien in Heiligenkreuz
93
Wir haben ihnen das ganze bebaute und unbebaute Land geschenkt, das uns
rechtmäßig gehört: die Äcker, Wiesen, Weiden, Gewässer und Wälder - und zwar
innerhalb der Grenzen, die wir im folgenden hier verzeichnen wollen: Vom Zusammenfluss des Sattelbachs und der Schwechat bis Mayerling; von da in der
Richtung des so genannten Mühlenweges bis zum Privamtan und auf demselben
Weg, der durch den Privamtan zieht, bis zu dem Ort, der Hausruck heißt. Von da
an schließlich wieder auf dem genannten Weg bis zum Sattelbach und von da in
gerader Richtung bis zu einer Anhöhe, die gewöhnlich Hocheck heißt; und von da
über ein Bächlein, das Dornbach genannt wird, auf den Kamm des Berges, der
Gaisruck heißt, und von da auf dem Sittendorfer Waldweg und von da bis zu der
Stelle, wo ein Bächlein mit dem Namen Marchbach entspringt; von da auf dem
Weg, der zum Traiskirchner Weg führt, bis zur Vereinigungsstelle. Von da bis zu
einer Quelle, die in einem Ort namens Muchersdorf entspringt und von da auf
einen Berg, dessen Name Ebenberg ist; und von da auf den Weg durch den Moggergraben, der zum Sattelbach hinabführt; und flussabwärts bis zum Zusammenfluss mit der Schwechat.
Wir wünschen, dass diese unsere Abtretungen und Stiftungen an das Kloster nicht
nur unserer Zufriedenheit, Wohlfahrt und Ruhe dienen mögen, sondern auch dem
Heil und Seelenfrieden unserer in Christus entschlafenen Eltern. Wir hoffen, dass
die göttliche Barmherzigkeit dereinst mit unserer Hinfälligkeit Nachsicht haben
möge. Denn wenn wir schon selbst kaum Früchte an guten Werken bringen, so
wollen wir wenigstens die, die als Mönche wahrhaftig Gott Frucht bringen, mit
unserem Hab und Gut unterstützen - so, wie ein Stock eine Weinpflanze stützt.
Damit jedoch das, was wir getan haben, fest und fester bekräftigt und verbürgt
werde, so sollen dieser Urkunde die Zeugen und unser Siegel beigefügt werden.
Zeugen sind: Chunradus von Peilstein, Otto von Leesdorf, Rapoto von Nöstach,
Sterfrit von Pötzleinsdorf, Ulricus von Gaaden, Ulricus von Siegenfeld, Rudgerus
und sein Bruder Rupertus von Sittendorf, Anshalmus von Sparbach, Ebergerus
von Alland, Hartungus von Rauheneck, Jubort von Tribuswinkel, Ozo und Otfridus von Mayerling, Hartwicus.
Dieses ist geschehen im Jahre 1136 nach der Menschwerdung des Herrn, in der
14. Indikte, im 8. Jahr der Königsherrschaft des Herrn Lothar, im 3. Jahr seines
Kaisertums.
RESPONSORIUM
V: Dieser ist es, der vor Gott viel Gutes tat und den Herrn pries von ganzem Herzen. * Er möge eintreten für die Sünden der Menschen!
94
Sonderlesungen zu den
V: Seht den Mann, der niemals murrte, der Gott verehrte mit ungeteiltem Herzen.
* Er möge eintreten für die Sünden der Menschen!
(oder: Papst Innozenz VIII. († 1492),
Aus der Bulle zur Heiligsprechung des Markgrafen Leopold)
Wir sind von Gott erschaffen und von ihm erlöst worden. Aber dennoch bezeigen
wir ihm die schuldige Ehrfurcht nicht, ja, wir lassen ihn nicht nur außer Acht,
sondern schmähen und lästern ihn sehr oft. Es sind uns zwar die Gebote des göttlichen und menschlichen Gesetzes zur Beobachtung vorgelegt, aber wir sträuben
uns, diesen Geboten Gehorsam zu leisten. Wir wenden unsere Augen davon weg
und zeigen uns widerspenstig. Viele Heilige zeigen uns ihr Beispiel, aber wir weigern uns hartnäckig, diese nachzuahmen, und wenn von unserem Heil gesprochen
wird, schützen wir unsere Schwachheit oder unsere irdischen Geschäfte vor.
Das klare Beispiel des Fürsten Leopold, der verheiratet war und für viele Menschen zu sorgen hatte, ermahnt uns, alle Entschuldigungen fallen zu lassen, um
uns im Guten zu üben. Dieser Mann Gottes, in Reichtum erzogen, immer der
Freiheit zur Sünde ausgesetzt, mit Ehesorgen und Regierungsgeschäften belastet,
vergaß nie den Glauben und die Barmherzigkeit.
Leopold war berühmt wegen seiner Einfachheit, Mäßigkeit und Freigebigkeit.
Seine Aufrichtigkeit und seine Demut erwarben ihm die Achtung aller Christen.
Er stärkte die Schwachen, stützte die Wankenden, richtete die Unterdrückten auf
und half den Bedürftigen. Inmitten der häuslichen Sorgen, der Schwierigkeiten
der Ehe, der Liebe zu seinen Kindern, der Sorgen um sein Land, hielt er Abstand
von der Welt und verwaltete das Zeitliche so, dass er das Ewige nicht aus den
Augen verlor. Vierzig Jahre regierte er das Land Österreich.
Während in anderen Ländern Mord und Totschlag herrschten, erhielt Leopold das
ihm anvertraute Land in langem Frieden.
Vigilien in Heiligenkreuz
95
16. November
HL. ALBERT DER GROSSE
ZWEITE LESUNG
Albert der Große († 1280),
Aus dem Kommentar zum Lukasevangelium
„Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ An diesem Satz ist zweierlei zu beachten: Das
eine ist der Auftrag, dieses Sakrament zu vollziehen, was mit den Worten gemeint
ist: „Tut dies!“ Das andere ist, dass das Sakrament ein Gedächtnis des Herrn ist,
der für uns in den Tod geht. Er sagt: „Tut dies!“ Kein Auftrag ist nützlicher, liebevoller und heilsamer, keiner liebenswerter; kein Auftrag kommt dem ewigen
Leben so nahe. Das soll nun im Einzelnen gezeigt werden. Der Auftrag ist nützlich zur Vergebung der Sünden, und er ist im Leben das nützlichste, um die Fülle
der Gnade zu gewinnen. Der Vater der Geister unterrichtet uns in dem, was nützlich ist, um seine Heiligung zu erlangen. Die Heiligung liegt in seiner Opferhingabe, das heißt darin, dass er sich im Sakrament für uns darbrachte und dass er
sich uns hingab zum Genuss: ‘Für euch heilige ich mich’. Christus hat sich selbst
durch den Heiligen Geist als makelloses Opfer Gott dargebracht. Er wird unser
Gewissen von den toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen.
Nichts Liebevolleres können wir tun. Denn was könnte liebevoller sein als das,
worin Gott uns gegenüber seine ganze Güte zeigt? Kein Auftrag konnte besser
sein für unser Heil. Denn dieses Sakrament ist die Frucht des Lebensbaumes. Wer
mit Hingabe und aufrichtigem Glauben davon isst, wird auf ewig den Tod nicht
erleiden: ‘Ein Lebensbaum ist die Weisheit für jeden, der nach ihr greift, und wer
sie festhält, ist glücklich zu preisen.’ Und: ‘Jeder, der mich isst, wird durch mich
leben.’
Kein Auftrag könnte liebenswerter sein. Denn dieses Sakrament wirkt Liebe und
Einheit. Es ist höchstes Zeichen der Liebe, dass er sich selbst zur Speise reicht:
„Meine Zeltgenossen müssen gestehen: wer gäbe uns von seinem Fleisch, um satt
zu werden?“ Es ist, als sagte er: So sehr habe ich sie geliebt und sie mich; ich verlangte danach, in ihrem Herzen zu sein, dass sie mich so genießen, um meinem
Leib angegliedert zu werden. Nicht inniger und natürlicher konnten sie mit mir
vereinigt werden und ich mit ihnen. Kein Auftrag konnte dem ewigen Leben nä-
96
Sonderlesungen zu den
her kommen. Denn die ununterbrochene Dauer des ewigen Lebens kommt daher,
dass Gott mit seiner Güte sich selbst den in der Seligkeit Lebenden einflößt.
RESPONSORIUM
R: Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt.*
Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken.
V: Ich vererbe euch das Reich, wie es mein Vater mir vererbt hat. * Ihr sollt in
meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken,
20. November
HL. MECHTHILD VON HACKEBORN
ZWEITE LESUNG
Mechthild von Hackeborn († 1299),
Aus dem „Buch der besonderen Gnade“
Einst sprach der Herr zu Mechthild: „Suche mich mit deinen fünf Sinnen und mache es wie ein Gastfreund, der beim Nahen eines ganz lieben Freundes aus Fenster und Türen Ausschau hält, ob er wohl schon irgendwo den Ersehnten erspähen
kann. So soll die treue Seele in ihren fünf Sinnen, die ihre Fenster sind, mich allezeit suchen. Erblickt sie etwas Schönes und Liebliches, denke sie, wie schön, liebenswert und gut derjenige ist, der dies gemacht hat, und so strebe sie geradewegs
zu ihm, der alles erschuf.
Hört sie eine angenehme Melodie oder sonst etwas, das sie begeistert, denke sie:
ach, wie lieb wird erst die Stimme dessen sein, der dich einst rufen wird, von dem
jede Anmut und jeder Wohlklang der Stimme ausging; wenn sie die Menschen
etwas reden hört oder wenn etwas vorgelesen wird, horche sie immer gespannt,
ob sie wohl etwas vernehme, worin sie den Geliebten finden kann!
Und so suchte sie auch in allem, was sie selber redet, die Ehre Gottes und das
Heil des Nächsten! Und wenn sie liest oder singt, so überlege sie: Was sagt dir
dein Geliebter jetzt gerade, bei diesem Vers, in dieser Lesung, oder was trägt er
dir auf? So soll sie ihn in allen Dingen so lange suchen, bis sie etwas von der Süßigkeit Gottes verspürt.
Mit dem Geruch- und Tastsinn halte sie es in gleicher Weise und denke daran,
wie süß Gottes guter Geist ist und wie selig einst seine Küsse und Umarmungen
Vigilien in Heiligenkreuz
97
sein werden! An welchem Geschöpf sie immer sich ergötze, stets behalte sie Gottes Wonnen im Gedächtnis, der all dies Schöne, Erfreuliche und Bezaubernde für
uns erschuf, um alle zur Erkenntnis seiner Güte und zur Liebe anzuspornen.
Sie mache es wie eine Hausfrau, die ihren Gemahl in all seinen Werken unterstützt und ihn nie allein lässt bei der Arbeit. So nehme sich auch die treue Gottesbraut in ihrem Herzen vor, mitzuhelfen beim Bau der Kirche Gottes, in der noch
immer Gott wirksam ist.“
RESPONSORIUM
R: Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig. * Gott nahe zu sein
ist mein Glück.
V: Mein Herz denkt an dein Wort: „Sucht mein Angesicht!“ Dein Angesicht,
Herr, will ich suchen. * Gott nahe zu sein ist mein Glück.
24. November
HL. ANDREAS DUN-LHAC
UND DIE MÄRTYRER VON VIETNAM
ZWEITE LESUNG
Erzbischof Nguyên Van Thuân von Vietnam († 2002),
Aus einem Exerzitienvortrag an Papst Johannes Paul II. und
die Römische Kurie im Jubiläumsjahr 2000
Heiliger Vater! Ich selbst habe das Leiden der Kirche in Vietnam gesehen, während ich im Gefängnis war. Ich fühlte, wie die Zeit vorüberging, Tag um Tag,
ohne dass ich ein Ende absehen konnte. Ich fragte mich: Wie lange wird die
Nacht noch dauern? Zu jener Zeit begann ich, die Bedeutung des Martyriums besser zu verstehen.
Christen verachten das Leben nicht: Während ich mich im Gefängnis an die
glücklichen Tage meines pastoralen Dienstes als Priester und Bischof erinnerte,
dachte ich an die Katholiken meiner Diözese, an meine Brüder, meine Freunde,
meine Familie. Was für eine Freude wäre es, sie wieder zu sehen! Ich hatte den
Eindruck, dass ich das Martyrium ein bisschen besser verstand: es besteht darin,
98
Sonderlesungen zu den
der Liebe des Herrn keine Grenzen zu setzen, nicht einmal die natürliche Grenze,
dass man sich selbst retten will, sein eigenes Leben, sein eigenes Glück.
Ich fragte mich, so wie es bei Jesaja geschrieben steht: „Wächter, wie lange noch
dauert die Nacht? Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?“ Wie lange wird die
Gefangenschaft dauern? Fünf, zehn, dreizehn Jahre? Und in jenen Zeiten dachte
ich an so viele leidende, deportierte, eingesperrte Christen. Ich dachte an jene, die
große Schmerzen litten, an die Verfolgungen, die Toten, die Märtyrer in den vergangenen 350 Jahren in Vietnam. Sie haben der Kirche so viele unbekannte Märtyrer geschenkt: an die 150.000. Ich bin der Überzeugung, dass meine priesterliche Berufung auf geheimnisvolle Weise und dennoch ganz wirklich mit dem Blut
der Märtyrer Vietnams vereinigt ist, die in dem letzten Jahrhundert bei der Verkündigung des Evangeliums starben. Und sie blieben der Einheit der Kirche treu,
trotz Todesdrohungen und Gewalt. Ich glaube, dass die Treue der vietnamesischen Kirche durch das Blut jener Märtyrer erklärt werden kann. Die Priesterund Ordensberufungen, welche die Kirche in Vietnam reich machen, sind aus der
Gnade geboren, die aus dem Leiden erwächst. Die Märtyrer haben uns gelehrt, ja
zu sagen: ein bedingungsloses Ja, das in der Liebe zum Herrn verwurzelt ist.
Es ist ein Erbe. Allerdings muss ein Erbe angetreten werden. Man bekommt es
nicht automatisch und selbstverständlich. Es kann auch abgelehnt werden. Das
Erbe der Märtyrer ist nicht Heldenmut, sondern Treue. Reife Treue, die auf Jesus
schaut, der das Vorbild christlichen Lebens ist, Vorbild eines jeden Zeugen, eines
jeden Märtyrers. Im Gefängnis sagte ich mir: „Schaue auf das Kreuz, und du wirst
die Lösung für alle deine Ängste finden, die dich quälen.“ Die Märtyrer schauten
auf Jesus am Kreuz... Sie beachteten den Rat jener um sie herum nicht: „Rette
dich!“ Jesus ist das Vorbild so vieler Märtyrer! Anstelle der Freude, die ihm vorgeschlagen wurde, trug er das Kreuz, und so sitzt zur Rechten Gottes.
Wir wissen gar nicht, wie viele Christen in Vietnam in ihrer Einsamkeit auf Jesus
schauten, in den letzten Stunden nach dem Todesurteil, in den langen Nächten, in
denen sie auf die Hand warteten, die sie tötete, von der sie wussten, dass sie bald
kommen würde; in der Kälte der Konzentrationslager, in der Qual und der Erschöpfung sinnloser Märsche. Viele schauten aufmerksam auf den kreuztragenden Herrn und verloren den Mut nicht. Sie fanden eine Kraft, die ihre Henker überraschte. Paulus schreibt über sein Martyrium: „Deswegen bejahe ich meine
Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für
Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2 Kor 12,10)
Wir können uns vorstellen, wie erstaunt die Henker waren angesichts dieser
Kraft, die von den erschöpften Körpern und den gequälten Menschen ausging.
Vigilien in Heiligenkreuz
99
Das sind keine alten Berichte über Vergangenes und Veraltetes! Sie, Heiliger Vater, haben uns eingeladen, in das 3. Jahrtausend einzutreten mit offenen Augen für
die Märtyrer und die Heiligkeit der Hingabe. Ein Jahrhundert wie das nun beginnende, in dem es vielen Menschen derart gut geht, dass sie nur mehr am Leben
hängen und daher so viel Angst haben, es zu verlieren, ist ein Jahrhundert, das
unbedingt den Blick auf das christliche Martyrium braucht. Unsere Märtyrer sind
die Kraft der Kirche heute und des beginnenden Millenniums.
RESPONSORIUM
V: Ich bejahe meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen
und Ängste, die ich für Christus ertrage; * denn wenn ich schwach bin, dann bin
ich stark.
V: Ich will dem Herrn nachfolgen und mein Kreuz auf mich nehmen; * denn
wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.
26. November
HL. KOLUMBAN VON LUXEUIL
ZWEITE LESUNG
Kolumban von Luxeuil († 615),
Aus einer Predigt über die Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott
Bei Moses heißt es: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser
Abbild, uns ähnlich.“ Bitte, betrachtet die hohe Bedeutung dieses Satzes: Gott,
der Allmächtige, Unsichtbare, Unfassbare, Unaussprechliche und Unschätzbare,
hat den Menschen aus Lehm gebildet und ihn mit der Würde seines Abbildes geadelt! Was hat der Mensch mit Gott zu tun, was die Erde mit dem Geist? Denn:
„Gott ist Geist“. Es ist eine tiefe Herablassung von Gott, dass er dem Menschen
das Abbild seiner Ewigkeit und die Ähnlichkeit seines Handelns geschenkt hat;
die Ähnlichkeit mit Gott ist ein hoher Adel, wenn sie bewahrt wird. Wenn der
Mensch die der Seele eingesenkten Kräfte recht gebraucht, dann ist er Gott ähnlich. Die Kräfte, die bei der ersten Erschaffung wie Samen in uns eingesenkt wurden, müssen wir Gott zurückgeben. Er gebietet und lehrt: Das ist das erste Gebot,
Gott mit ganzem Herzen zu lieben, weil er uns zuerst geliebt hat, von Anfang an,
noch bevor wir waren. Die Liebe Gottes ist die Erneuerung des göttlichen Abbildes. Der liebt Gott, der Gottes Gebot hält; denn Gott spricht: „Wenn ihr mich
100
Sonderlesungen zu den
liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ Das ist sein Gebot: die gegenseitige Liebe; denn er sagt: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“
Die wahre Liebe besteht aber nicht nur in Worten, sondern vielmehr in Tat und
Wahrheit. Wir wollen also unserm Gott, unserm Vater, sein Abbild unversehrt
zurückgeben, in Heiligkeit, weil er heilig ist, nach dem Wort: ,Seid heilig, weil
auch ich heilig bin’, in Liebe, weil er die Liebe ist nach dem Wort des Johannes:
„Gott ist die Liebe“, in Güte und Wahrheit, weil Gott gütig und wahrhaftig ist.
Wer wild und zornig und stolz ist, der malt das Bild eines Tyrannen. Damit wir
nicht etwa Tyrannenbilder einführen, möge Christus in uns sein Bild schaffen,
weil er sagt: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“
RESPONSORIUM
R: Umgürtet euch und macht euch bereit: Wie er, der euch berufen hat, heilig ist,
* so soll auch euer Leben heilig sein.
V: Ich bin der Herr, euer Gott. Erweist euch als heilig und seid heilig, weil ich
heilig bin! * So soll auch euer Leben heilig sein.
12. Dezember
HL. HARTMANN
ZWEITE LESUNG
Gerhoch von Reichersberg († 1169),
Aus einem Brief „Über das Haus Gottes“
Jesus Christus wird im Evangelium zutreffend als „Sohn des Zimmermanns“ bezeichnet, denn er, unser Herr und Meister, ist es, der durch seine Hand das Leben
der Kirche, das himmlische Jerusalem, erbaut! Sein Wirken, das er einst seiner
Kirche verheißen hat, lässt er jetzt zur Tat werden, wie dies in unserer Zeit durch
die vielen Kirchengemeinden erwiesen ist. Machtvoll und wahr verkündet dieser
Meister, der Sohn des Zimmermanns, der Kirche, seiner Braut, seinem Reich
durch den Propheten Jesaja das Gotteswort: „Ich will meine Hand gegen dich
wenden, deine Schlacken will ich mit Lauge ausschmelzen, all dein Blei schmelze
ich aus. Ich will dir wieder Richter geben wie am Anfang und Ratsherren wie zu
Beginn. Dann wird man dich die Stadt der Gerechtigkeit nennen, die treue Burg“.
Vigilien in Heiligenkreuz
101
Begann nicht der Meister in der Salzburger Kirchengemeinde mit der Erfüllung
dieser Verheißung? Wo er die eben hier eingesetzten Regularkanoniker im Feuer
seines Schmelzofens zu reinigen begann, sodass sie zweifelsohne, von allen Unzulänglichkeiten befreit, zur Lauterkeit gelangen mussten und nunmehr keines
Richters oder Ratgebers bedürfen werden, außer deren Beginnen, Lebenswandel
und Hinscheiden wird so sein, wie es bei den Urteilen der Bischöfe und dem Rat
der Laien in vergangenen Zeiten gewesen ist. Der Meister wirkt auch zu Rom im
Lateranensischen Patriarchat, wo durch sein Gnadenwirken das Leben nach der
Regel wieder auflebt, das umso rascher das Ableben aller Unzukömmlichkeiten
mit sich bringen wird, je mehr der Schmelzofen der Leiden inmitten Babylons
stärker angeheizt wird. Wenn die Verkünder eines apostolischen Lebens gemeinsam mit den Verteidigern des Abfalls zum Apostolischen Stuhle kommen, welcher Teil, glaubst du, wird bei diesem Stuhle Recht bekommen, wenn nicht der,
dem Simon Petrus in seiner Sache gerne helfend beistehen wird? Es könnte aber
nicht nur an Petrus, sondern auch an jeden katholischen Lehrer die Frage gestellt
werden, wie er über das Leben der Kleriker denkt, sodass jeder ihrem geistigen
Urteil beipflichtet, der sich nicht im Gegensatz zur Kirche stellen will. Sag Petrus,
was meinst du dazu? „Die Ältesten“, sagt er, „beschwöre ich als Mitältester, weidet die Herde, die euch anvertraut ist!“ Seht, er sagt nicht: „Folget mit Soldaten
dem König“, sondern: „Weidet die Herde, die euch anvertraut ist!“ Und das Leben der Hirten ihnen umschreibend, schließt er so seinen Auftrag: „nicht herrschend über den Klerus, sondern als Vorbild der geschaffenen Herde“. Diesen
Grundsatz hat der heilige Papst Gregor schon so gedeutet, als er Augustinus, dem
Bischof der Engländer, verbot, von seinen Klerikern abgesondert zu leben, damit
er, wenn er als Bischof getrennt vom Klerus lebe, nicht über den Klerus zu herrschen scheine.
Glückselig der Bischof, der alle so haben wollte, wie er selbst war. Seine Hand
war wahrhaftig eine Schatzkammer, weil er aus dieser alle beschenkte. Keinem
musste damals abgeraten werden, einem solchen Papst soviel wie möglich zu Füßen zu legen, da er selbst arm den Armen diente, das apostolische Leben in bewundernswerter und gewissenhafter Weise an seinem Hof, so wie im Kloster,
bewahrte, nicht den Klerus beherrschend, sondern ein Vorbild der Herde. Wenn
also die Bischöfe sich so verhalten, werden sie nicht nur Mitbrüder derjenigen
sein, die ein gemeinsames Leben führen, sondern auch Meister der Regel. Sie
sollen nicht von ihren Klerikern getrennt leben. Und wenn sie schon nicht selbst
in den Konventen leben können, sollen sie Tüchtige aus Klöstern um sich versammeln und mit ihnen kein weltliches, sondern ein regelgerechtes Leben führen.
102
Sonderlesungen zu den
ZWEITE LESUNG
R: Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes; nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung. * Seid nicht Beherrscher, sondern Vorbilder für die Herde!
V: Wenn dann der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz
der Herrlichkeit empfangen. * Seid nicht Beherrscher, sondern Vorbilder für die
Herde.
TOTENOFFICIUM
Officium defunctorum
ERSTE LESUNG
Aus dem ersten Brief an die Korinther
(1 Kor 15,12-34)
Wenn aber verkündigt wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist,
wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es
nicht? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote
nicht auferweckt werden. Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch
Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden
ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden; und
auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran
als alle anderen Menschen.
Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt
durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle
sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Es gibt aber eine
bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt,
alle, die zu ihm gehören. Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt
und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt. Denn er
Vigilien in Heiligenkreuz
103
muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte
Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. Sonst hätte er ihm nicht alles zu Füßen
gelegt. Wenn es aber heißt, alles sei unterworfen, ist offenbar der ausgenommen,
der ihm alles unterwirft. Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der
Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht
über alles und in allem.
Wie kämen sonst einige dazu, sich für die Toten taufen zu lassen? Wenn Tote gar
nicht auferweckt werden, warum lässt man sich dann taufen für sie? Warum setzen dann auch wir uns stündlich der Gefahr aus? Täglich sehe ich dem Tod ins
Auge, so wahr ihr, Brüder, mein Ruhm seid, den ich in Christus Jesus, unserem
Herrn, empfangen habe. Was habe ich dann davon, dass ich in Ephesus, wie man
so sagt, mit wilden Tieren gekämpft habe? Wenn Tote nicht auferweckt werden,
dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot. Lasst euch nicht irreführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten. Werdet nüchtern, wie es sich
gehört, und sündigt nicht! Einige Leute wissen nichts von Gott; ich sage das, damit ihr euch schämt.
RESPONSORIUM
R: Herr, richte mich nicht nach meinem Tun, denn meine Taten können vor dir
nicht bestehen. Darum flehe ich zu dir: * Herr, tilge all meine Frevel!
V: Gott, wasche meine Schuld von mir ab und mach mich rein von meiner Sünde.
* Herr, tilge all meine Frevel!
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus dem Sermo zum Tod des Mönches Humbert
Humbert, der Diener des Herrn, der demütige Diener und getreue Knecht, ist gestorben! Du trennst uns also, du bitterer Tod. Du reißende Bestie, du bitterste Bitterkeit, du Schrecken und Entsetzen der Kinder Adams! Was hast du da getan?
Getötet hast du, an dich gerissen hast du. Aber was? Nur den Leib, denn über die
Seele vermagst du nichts. Diese eilt bereits ihrem Schöpfer zu, nach dem sie sich
so heiß sehnte und dem sie so tapfer nachfolgte alle Tage ihres Lebens. Doch
selbst der Leib, den du jetzt scheinbar besitzt, wird dir wieder entrissen werden,
wenn du als letzter Feind vernichtet und vom Siege verschlungen wirst. Jetzt
schon besitzt Humbert die Freude und Wonne in alle Ewigkeit. Darum brauchen
104
Sonderlesungen zu den
wir ihn nicht zu betrauern, für den es weder Trauer noch Schmerz mehr gibt. Wir
dürfen aber auch nicht unseretwegen murren, weil er uns genommen wurde. Eher
müssen wir dafür danken, dass er uns so lange belassen ward. Wer weiß, ob er
uns nicht deshalb genommen ward, um uns durch seine Fürbitten beim Vater zu
beschützen? Wollte Gott, dass es so wäre! Wenn Gott ihn auch wegen unserer
Sünden uns entzogen hat, so möge er doch selbst erbitten, dass diese uns gnädig
nachgelassen werden und wir nicht Strafe über Strafe dulden müssen. Im Übrigen, Brüder, sage ich euch: Wenn ihr seinem Beispiel folgtet, würdet ihr nicht so
leicht durch eitle Gedanken und leeres Geschwätz, durch dumme Späße und ausgelassenes Treiben sündigen. Denn an diese Dinge verschwendet ihr viel von eurem Leben und eurer Zeit.
Unwiderruflich fliegt die Zeit dahin, und während ihr den geringen Strafen dieses
Lebens zu entgehen sucht, verfallt ihr einer viel größeren Strafe. Das nämlich
sollt ihr wissen: Nach dem Leben muss im Reinigungsfeuer all das, was hier vernachlässigt wurde, hundertfach zurückbezahlt werden, bis auf den letzten Heller!
Ich weiß gut, dass es für einen zügellosen Menschen hart ist, sich der Zucht zu
unterwerfen; für einen geschwätzigen, das Stillschweigen einzuhalten; für einen,
der an das Herumreisen gewöhnt ist, an einem Ort zu bleiben. Doch härter - ja
viel härter - wird es sein, jene künftigen Qualen zu ertragen. Auch der Mann, der
hier begraben liegt, hatte im Anfang - wie ich selbst weiß - viele derartige Versuchungen zu bestehen. Doch er kämpfte mit großer Anstrengung und siegte. Und
wie es einst für ihn hart war, den Kampf mit den Versuchungen aufzunehmen, so
wäre es später für ihn noch viel härter gewesen, zu jenen Torheiten zurückzukehren. Die gute Gewohnheit war ihm nämlich zur Natur geworden. Übet euch in
dieser Lehre und achtet auf das Vorbild, das ihr an ihm gesehen und gehört habt!
Dann werdet ihr glücklich zu dem gelangen, zu dem er selbst gekommen ist, zu
Gott: Er sei hochgelobt in Ewigkeit!
RESPONSORIUM
R: Alle, die in den Gräbern sind, werden die Stimme des Menschensohnes hören,
und sie werden herauskommen. * Die das Gute getan haben, werden zum Leben
auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht.
V: Plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall werden die Toten
auferweckt zur Unvergänglichkeit. * Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht.
Vigilien in Heiligenkreuz
105
MARIENSAMSTAGE
1
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus einem Sermo zum Lobe der jungfräulichen Gottesmutter
Maria wird passend mit einem Stern verglichen; wie nämlich ohne eigene Verletzung das Gestirn seinen Lichtstrahl aussendet, so gebiert die Jungfrau ohne eigene Verletzung den Sohn Gottes, und wie der Strahl dem Gestirne nichts von seinem Glanz nimmt, ebenso wenig nimmt der Jungfrau der Sohn ihre Unversehrtheit. Sie ist also jener edle Stern, der aus Jakob aufgegangen ist, dessen Licht den
ganzen Erdkreis erleuchtet, dessen Glanz im Himmel alles übertrifft und in das
Reich des Todes dringt; der über die ganze Erde leuchtet und mehr den Geist als
den Leib erfreut, der die guten Kräfte fördert, die Leidenschaften beseitigt. Sie,
sage ich, ist jener hell leuchtende und erhabene Stern, der über diesem großen und
weiten Meer der Welt sich notwendig erhebt, durch Verdienste glänzend, ein
leuchtendes Vorbild.
Wann immer du erkennst, dass du unter Stürmen und Unwettern eher in den Fluten dieser Welt hin- und hergerissen wirst, als auf festem Boden zu wandeln,
wende deine Augen nicht ab vom Glanz dieses Gestirns, willst du von den Stürmen nicht zerschellt werden! Erheben sich die Stürme der Versuchungen, befindest du dich inmitten von Klippen der Trübsal, blicke auf zum Stern, rufe Maria!
Wirst du auf den Wogen des Hochmuts, des Ehrgeizes, der Verleumdung, des
Neides hin- und hergeschleudert, blicke auf zum Stern, rufe Maria! Erschüttert
der Zorn, die Habsucht, die Fleischeslust das Schifflein deiner Seele, blicke auf
zu Maria! Bist du über die Abscheulichkeit deiner Laster bestürzt, über den elenden Zustand deiner Seele beschämt, von Schrecken erfasst bei dem Gedanken an
das Gericht, beginnst du immer tiefer in den Abgrund der Trostlosigkeit und der
Verzweiflung zu sinken, denke an Maria! Mitten in Gefahren, Nöten und Unsicherheiten denke an Maria, rufe Maria an! Ihre Anrufung, der Gedanke an sie
möge nie von deinen Lippen und aus deinem Herzen weichen.
Um so sicherer durch ihre Fürbitte Hilfe zu erlangen, versäume nicht, ihre guten
Beispiele nachzuahmen. Folgst du ihr nach, so wirst du dich nicht verirren; rufst
106
Sonderlesungen zu den
du sie an, so kannst du nicht verzweifeln; denkst du an sie, bleibst du dem falschen Weg fern. Solange sie dich an der Hand hält, kannst du nicht fallen. Unter
ihrem Schutz hast du nichts zu fürchten. Führt sie dich, ermüdest du nicht. Durch
ihre Gunst kommst du sicher ans Ziel.
RESPONSORIUM
R: Heilige Jungfrau, wir rufen zu dir: * Bitte für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht nehmen!
V: In Gefahren, Nöten und Unsicherheiten rufen wir: * Bitte für uns, die wir zu
dir unsere Zuflucht nehmen!
2
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus dem Sermo „De Aquaeductu“ zum Fest Mariä Geburt
Der Herr spricht zu den Aposteln: „In allen meinen Prüfungen seid ihr bei mir
geblieben. Darum vererbe ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vererbt hat:
Ihr sollt in meinem Reich mit mir an einem Tisch essen und trinken“ (Lk
22,28ff). Aber wo? „In meinem Reich“, sagt er. Selig ist wahrhaftig, wer im
Reich Gottes das Brot essen wird. Geheiligt werde so dein Name, Herr, durch den
du inzwischen in uns - wie auch immer - bist und durch den Glauben in den Herzen wohnst, denn dein Name ist bereits über uns angerufen. „Dein Reich komme!“ (Mt 6,10) Ja, es komme das Vollkommene, und das Stückwerk nehme ein
Ende. Jetzt „habt ihr“, spricht der Apostel, „einen Gewinn, der zu eurer Heiligung
führt und das ewige Leben bringt“ (Röm 6,22). Das ewige Leben ist der nie versiegende Quell, der das ganze Paradies bewässert und nicht nur bewässert, sondern reichlich tränkt; die Quelle der Gärten, der Brunnen lebendigen Wassers, das
mächtig herabfließt (Hld 4,15), und „die Wasser eines Stromes erquicken die Gottesstadt“ (Ps 46,5).
Wer aber ist dieser Quell des Lebens, wenn nicht Christus, der Herr? „Wenn
Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet ihr mit ihm offenbar werden in
Herrlichkeit“ (Kol 3,4), sagt der Apostel. Wahrhaftig, die Fülle selbst hat sich
ausgeleert, damit sie uns zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Vergebung
werde, weil das Leben, die Herrlichkeit und Seligkeit noch nicht offenbar war.
Vigilien in Heiligenkreuz
107
Die Quelle wurde bis zu uns abgeleitet, die Wasser abgeleitet in den Straßen; ein
Fremder vermag aus ihnen nicht zu trinken. Durch eine Wasserleitung wurde jene
himmlische Wasserader herabgeführt, die zwar den Reichtum der Quelle nicht
bietet, aber Tropfen der Gnade unseren trockenen Herzen einflößt, den einen
mehr, den anderen weniger. Gewiss ist die Wasserleitung voll, damit auch die
andern von der Fülle empfangen, nicht aber die Fülle selbst. Ihr habt bereits bemerkt, wenn ich mich nicht täusche, wen ich mit dieser Wasserleitung meine, wer
die Fülle der Quelle selbst aus dem Herzen des Vaters empfangen hat und uns
davon mitteilt, zwar nicht im vollen Ausmaß, wie sie ist, aber doch soweit wir
davon aufnehmen können. Ihr wisst ja, zu wem gesagt worden ist: „Sei gegrüßt,
du Begnadete“ (Lk 1,28).
Oder wundern wir uns, dass eine solche und so große Wasserleitung gefunden
werden konnte, deren oberes Ende ganz nach Art jener Treppe, die der Patriarch
Jakob sah (Gen 28,12), bis zum Himmel reicht, ja den Himmel sogar übersteigt
und jenen lebendigen Wasserquell, der über dem Himmel ist, erreichen kann (Gen
1,7f)? Ohne Zweifel haben deshalb so lange Zeit hindurch dem Menschengeschlecht die Gnadenströmungen gefehlt, weil jene ersehnte Wasserleitung - von
der wir eben sprechen - sie noch nicht vermittelte.
RESPONSORIUM
R: Lasset uns preisen die selige Jungfrau Maria, * denn aus ihr ging hervor die
Sonne der Gerechtigkeit: Christus, unser Gott.
V: Du bist gebenedeit unter den Frauen, * denn aus dir ging hervor die Sonne der
Gerechtigkeit: Christus, unser Gott.
3
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus einem Sermo zum Pfingstfest
Christus setzte dort zuerst das Heilmittel der Erlösung an, wo die erste Verwundung geschah: Er stieg seinem Wesen nach in den Schoß der Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen, um unsere Empfängnis zu reinigen, die der böse Geist
zwar nicht bewirkte, aber doch irgendwie mitbewirkt hat. Damit das Leben des
Gottessohnes auch im Mutterleib nicht untätig sei, heilte der Sohn Gottes wäh-
108
Sonderlesungen zu den
rend der neun Monate die alte Wunde, indem er sozusagen die eiternde Fäulnis
im tiefsten Grund aufsuchte, damit ewige Gesundheit folge. Schon damals bewirkte Christus unser Heil in der Mitte der Erde (Ps 73,12), das ist im Schoße der
Jungfrau Maria, die wegen ihrer wunderbaren Eigentümlichkeit die Mitte der Erde genannt wird.
Denn auf Maria, den Mittelpunkt, die Arche Gottes, die Ursache der Dinge, das
Interesse aller Zeiten, blicken die Bewohner des Himmels und die Bewohner im
Reich des Todes, unsere Vorfahren, wir und jene, die nach uns kommen, deren
Kindeskinder und deren Nachkommen: jene im Himmel, damit sie [durch die
Auferstehung des Fleisches] vollendet werden, und die im Reich des Todes, damit
sie errettet werden; die Vorfahren, weil die Propheten als wahr befunden werden
(Sir 36,18); die Nachkommen, damit sie zur Herrlichkeit gelangen. Ja, selig werden dich preisen alle Geschlechter (Lk 1,48), Gottesgebärerin, Herrin der Welt,
Königin des Himmels! Alle Geschlechter sage ich! Es gibt nämlich Geschlechter
des Himmels und der Erde. Der Vater der Geister ist es, sagt der Apostel, „nach
dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden benannt wird“ (Eph
3,15). Deshalb werden dich also selig preisen alle Geschlechter, weil du allen Geschlechtern das Leben und die Herrlichkeit geboren hast.
In dir finden die Engel Freude, die Gerechten Gnade, die Sünder Verzeihung auf
ewig. Mit Recht blicken auf dich die Augen der ganzen Schöpfung; denn in dir,
durch dich und aus dir hat die gütige Hand des Allmächtigen alles Geschaffene
erneuert.
RESPONSORIUM
R: Heilige und makellose Jungfrau Maria, ich weiß nicht, wie ich dich loben soll.
* Ihn, den die Himmel nicht fassen können, hast du in deinem Schoß getragen.
V: Selig werden dich preisen alle Geschlechter: Gottesgebärerin, Herrin der Welt,
Königin des Himmels! * Ihn, den die Himmel nicht fassen können, hast du in deinem Schoß getragen.
Vigilien in Heiligenkreuz
109
4
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus dem Sermo „De Aquaeductu“ zum Fest Mariä Geburt
So „weidet er also unter Lilien“, bis der Tag anbricht und auf die Anmut der Blüten der Früchte Überfülle folgt. Einstweilen ist nämlich die Zeit der Blüten, nicht
der Früchte, da wir mehr in der Hoffnung als in der Erfüllung leben, im Glauben,
nicht in der Anschauung wandeln und mehr der Erwartung als der Erfahrung uns
erfreuen. Betrachte auch die Zartheit der Blume und gedenke des Apostelwortes:
„Diesen Schatz tragen wir in irdenen Gefäßen“ (2 Kor 4,7).
Denn wie viele Gefahren drohen den Blüten! Wie leicht wird die Lilie von spitzen
Dornen durchbohrt! Mit Recht singt also der Geliebte: „Eine Lilie unter Disteln
ist meine Freundin unter den Mädchen“ (Hld 2,2). Oder war er nicht eine Lilie
unter den Dornen, der sprach: „Mit denen, die den Frieden hassen, bin ich friedlich?“ (Ps 119,7) Wenn auch der Gerechte wie eine Lilie blüht, so weidet der
Bräutigam doch nicht bei einer Lilie, noch hat er an einem Sonderling Gefallen.
Höre ihn, der unter Lilien weilt: „Denn wo zwei oder drei“, sagt er, „in meinem
Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Jesus liebt
stets die offene Mitte! Schlupfwinkel und Schleichwege verabscheut der Menschensohn, der Mittler zwischen Gott und den Menschen. „Der Geliebte ist mein,
und ich bin sein; er weidet in den Lilien.“ Trachten wir, Lilien zu besitzen, Brüder! Beeilen wir uns, die Disteln und Dornen auszurotten und Lilien zu pflanzen,
damit der Geliebte auch zu uns sich herablasse, um unter uns zu weiden. Gewiss,
bei Maria weidet er gerne, und zwar häufig, weil erstaunlich die Menge ihrer Lilien ist. Oder sind das keine Lilien: die Zierde der Jungfräulichkeit, die außerordentliche Demut, die alles Maß übersteigende Liebe? Aber auch wir werden Lilien besitzen, wenn auch minder edle!
Doch auch unter diesen wird der Bräutigam zu weiden nicht verschmähen, vorausgesetzt, dass jene schon erwähnten Danksagungen von freudiger Andacht bestrahlt werden, das Gebet durch die Reinheit der Absicht geläutert und das Gewissen durch die Nachlassung in der Beichte gereinigt wird, wie geschrieben
steht: „Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie
Schnee. Wären sie rot wie Purpur, sie sollen weiß werden wie Wolle“ (Jes 1,18).
110
Sonderlesungen zu den
Übrigens, was immer es sein mag, was du darzubringen bereit bist, vergiss nicht,
es Maria anzuempfehlen, damit die Gnade durch dieselbe Leitung zu ihrem Spender zurückkehre, durch die sie dir zugeflossen ist.
Gott wäre es zwar nicht unmöglich gewesen, auch ohne diese Wasserleitung die
Gnade auszugießen, je nachdem er wollte; aber er wollte dir ein Mittel verschaffen. Denn vielleicht sind deine Hände voll Blut oder durch Bestechung befleckt,
weil du sie nicht ganz von Geschäftigkeit freigehalten hast. Darum suche das bescheidene Opfer, das du zu bringen wünschst, durch jene so angenehmen und aller Annahme würdigen Hände Mariens darzubringen, wenn du nicht abgewiesen
werden willst. Denn gar bewundernswert reine Lilien sind sie, und jener Liebhaber der Lilien wird sich nicht beklagen, dass nicht unter den Lilien gefunden wurde, was immer er in den Händen Mariens findet.
RESPONSORIUM
R: Alles an dir ist schön, kein Makel haftet dir an. * Komm mit mir, meine Braut,
vom Libanon komm du mit mir!
V: Der Geliebte ist mein, und ich bin sein; er weidet in den Lilien. * Komm mit
mir, meine Braut, vom Libanon komm du mit mir!
5
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus einem Sermo zum Lobe der jungfräulichen Gottesmutter
Es gibt noch etwas Größeres, was du an Maria zu bewundern hast: die Verbindung der Fruchtbarkeit mit der Jungfrauschaft. Bisher war es nie gehört worden,
dass jemand Mutter und Jungfrau zugleich wäre. Und wenn du noch dazu betrachtest, wessen Mutter sie ist: wohin wird dann deine Bewunderung dieser ihrer
wunderbaren Hoheit führen? Doch nur zur Einsicht, dass du sie nicht genug bewundern kannst? Wird nicht nach deinem Urteil oder vielmehr nach dem der
Wahrheit sie selbst, die Gott zum Sohn hat, auch über alle Chöre der Engel erhöht
werden? Oder nennt nicht Maria den Gott und Herrn der Engel kühn ihren Sohn,
indem sie spricht: „Kind, warum hast du uns das angetan?“ (Lk 2,48). Wer von
den Engeln wagte dies? Es genügt ihnen, und sie halten es für eine große Wohltat,
dass sie, die ihrer Natur nach geistig sind, aus Gnade geschaffen sind und Engel
Vigilien in Heiligenkreuz
111
genannt werden. Maria aber nennt, da sie sich als Mutter bekennt, jene Majestät,
der die Engel mit Ehrfurcht dienen, mit Vertrauen ihren Sohn. Und auch Gott
scheut sich nicht, das genannt zu werden, was zu sein er sich herabwürdigte.
Denn bald darauf fügt der Evangelist hinzu: „und er war ihnen gehorsam“ (Lk
2,51). Wer, wem? Gott den Menschen; Gott, sage ich, dem die Engel untertan
sind, dem die Engelfürsten und Mächte gehorchen, er war Maria untertan; und
nicht nur Maria, sondern Mariens wegen auch Josef. Bewundere also beides und
siehe zu, was du mehr bewundern sollst, die gütigste Herablassung des Sohnes
oder die höchste Würde der Mutter. Beides ist staunenswert, beides ein Wunder.
Dass Gott einer Frau gehorcht, ist beispiellose Demut; dass eine Frau Gott gebietet, unvergleichliche Hoheit. Im Loblied der Jungfrauen wird besonders gerühmt,
dass sie dem Lamm folgen, wohin es geht (Offb 14,4). Welchen Lobes ist wohl
jene würdig, die ihm sogar vorausgeht?
Mensch, lerne gehorchen; Erde, lerne untertan sein; Staub, lerne dich demütigen.
Von deinem Schöpfer spricht der Evangelist: „und er war ihnen gehorsam“, ohne
Zweifel Maria und Josef. Erröte, du stolze Asche! Gott erniedrigt sich, und du
erhebst dich? Gott unterwirft sich den Menschen, und du willst über die Menschen herrschen und so dich Gott vorziehen? Wenn ich je so denken sollte, möchte mir doch Gott antworten, was er auch seinem Apostel zurechtweisend antwortete: „Weg mit dir, Satan! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern
was die Menschen wollen!“ (Mt 16,23). Denn sooft ich den Menschen zu gebieten wünsche, so oft verlange ich Gott vorauszugehen, und dann denke ich wahrhaftig nicht an das, was Gottes ist (Lk 2,49). Denn von ihm steht geschrieben:
„und er war ihnen gehorsam.“ Mensch, wenn du es unter deiner Würde hältst, das
Beispiel eines Menschen nachzuahmen, so wird es gewiss deiner nicht unwürdig
sein, deinem Schöpfer nachzufolgen. Wenn du ihm vielleicht nicht nachfolgen
kannst, wohin immer er geht, so folge ihm wenigstens, wohin er sich zu dir herablässt. Das heißt: wenn du den erhabenen Weg der Jungfräulichkeit nicht zu gehen
vermagst, so folge wenigstens Gott auf dem sichersten Weg der Demut.
RESPONSORIUM
R: Selig bist du, Jungfrau Maria; du hast den Herrn getragen, den Erlöser der
Welt. * Du hast den geboren, der dich schuf, und bleibst doch Jungfrau in Ewigkeit.
V: Jesus kehrte mit Maria und Josef nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. * Du hast den geboren, der dich schuf, und bleibst doch Jungfrau in Ewigkeit.
112
Sonderlesungen zu den
6
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus einem Sermo zum Lobe der jungfräulichen Gottesmutter
Der Engel Gabriel wurde also von Gott in jene Stadt gesandt. Zu wem? - Zu einer
Jungfrau, die mit einem Mann verlobt war, der Josef hieß (Lk 1,27). Wer ist diese
so ehrwürdige Jungfrau, dass sie von einem Engel begrüßt wird, die eine solche
Demut hat, dass sie mit einem Zimmermann verlobt ist? Eine wahrhaft schöne
Verbindung von Jungfräulichkeit und Demut. Wie muss Gott diese Seele gefallen, in der die Demut die Jungfräulichkeit empfiehlt und die Jungfräulichkeit die
Demut schmückt. Welcher Verehrung ist sie würdig, in der die Demut von der
Fruchtbarkeit erhöht und die Geburt durch die Jungfräulichkeit geheiligt wird?
Du hörst, dass sie Jungfrau ist; du hörst, dass sie demütig ist. Wenn du nicht die
Jungfräulichkeit der Demütigen nachahmen kannst, so ahme wenigstens die Demut der Jungfrau nach. Eine lobenswerte Tugend ist die Jungfräulichkeit, aber
weit notwendiger ist die Demut. Jene wird geraten, diese befohlen. Zu jener wirst
du eingeladen, zu dieser bist du verpflichtet. Von jener heißt es: „Wer das begreifen kann, der begreife es“ (Mt 19,12), von dieser aber: „Wenn ihr nicht umkehrt
und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt
18,3). Die Jungfräulichkeit wird also belohnt, die Demut gefordert. Du kannst
schließlich ohne Jungfräulichkeit gerettet werden, nicht aber ohne Demut. Es
kann, sage ich, die Demut gefallen, die den Verlust der Jungfräulichkeit beweint;
aber ohne Demut hätte - ich wage es zu sagen - nicht einmal die Jungfräulichkeit
Marias Gott gefallen.
Auf wem, spricht der Herr, wird mein Geist ruhen außer auf dem Demütigen und
Ruhigen? Auf dem Demütigen, spricht er, nicht: auf dem Jungfräulichen! Wäre
daher Maria nicht demütig gewesen, so hätte der Heilige Geist nicht auf ihr geruht. Hätte aber dieser auf ihr nicht geruht, so hätte sie auch nicht empfangen.
Denn wie hätte sie ohne ihn von ihm empfangen sollen? Es ist also offenbar, damit sie vom Heiligen Geist empfinge, wie sie selbst sagt, hat Gott mehr auf die
Demut seiner Magd geschaut (Lk 1,48) als auf ihre Jungfräulichkeit. Und wenn
sie auch infolge ihrer Jungfräulichkeit Gott gefiel, so hat sie dennoch nur infolge
ihrer Demut empfangen. Ohne Zweifel hat also die Demut bewirkt, dass auch ihre
Jungfräulichkeit gefiel.
Vigilien in Heiligenkreuz
113
Was sagst du dazu, Hochmütiger, der du die Jungfräulichkeit hältst? Maria übergeht die Jungfräulichkeit und lobpreist die Demut, und du missachtest die Demut
und rühmst dich der Jungfräulichkeit? Sie sagt: „Denn auf die Niedrigkeit seiner
Magd hat er geschaut“ (Lk 1,48). Wer ist jene? Die Jungfrau, ganz gewiss, die
heilige, die enthaltsame Jungfrau, die demütige Jungfrau. Bist du etwa keuscher
als sie? Bist du demütiger als sie?
RESPONSORIUM
R: Der Engel Gabriel wurde zu der Jungfrau Maria gesandt; die Jungfrau erschrak
über das Licht: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast vor Gott Gnade gefunden.
* Du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Er wird der Sohn des Höchsten
genannt werden.
V: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. * Du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Er wird der Sohn des Höchsten genannt werden.
7
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus dem Sermo „De Aquaeductu“ zum Fest Mariä Geburt
Verehren wir doch Maria im innersten Herzen mit aller Liebe und Andacht, weil
dies der Wunsch dessen ist, der wollte, dass wir alles durch Maria haben. Dies ist
sein Wille, nur zu unserem Vorteil. Denn in allem und durch alles sorgt sie für die
Unglücklichen, tröstet unsere Verzagtheit, erweckt den Glauben, stärkt die Hoffnung, vertreibt das Misstrauen und richtet die Schüchternheit wieder auf! Du
scheutest dich, dem Vater zu nahen; allein schon beim Hören seiner Stimme verbargst du dich wie die ersten Menschen nach dem Sündenfall (Gen 3,7f)! Maria
hat dir Jesus zum Mittler gegeben! Was sollte bei einem solchen Vater ein solcher
Sohn nicht erreichen? Gewiss, ob seiner Ehrfurcht wird er erhört werden: „Denn
der Vater liebt den Sohn“ (Hebr 5,7). Oder fürchtest du dich auch, ihr zu nahen?
Dein Bruder und dein Fleisch ist er, der in allem versucht worden ist, aber nicht
gesündigt hat (Hebr 4,15), damit er barmherzig würde (Hebr 2,17). Diesen Bruder
hat Maria dir gegeben.
Doch vielleicht fürchtest du auch in ihm noch die göttliche Majestät, weil er dennoch Gott geblieben, wenn auch Mensch geworden ist. Willst du auch bei ihm
114
Sonderlesungen zu den
einen Fürsprecher haben? Wende dich an Maria. Denn die reine Menschheit ist in
Maria, nicht bloß rein von allem Makel, sondern auch rein durch die Einzigartigkeit der Natur. Aber ohne Bedenken sage ich, dass auch sie wegen ihrer Ehrfurcht
Erhörung findet. Gewiss wird der Sohn die Mutter erhören, und der Vater erhört
den Sohn. Kinder, sie ist die Treppe der Sünder, sie ist meine größte Zuversicht,
sie ist die ganze Grundlage meiner Hoffnung. Wie? Kann der Sohn zurückweisen
oder selbst eine Zurückweisung erfahren? Ist es möglich, dass der Sohn nicht erhört oder nicht erhört wird? Nein, beides ist unmöglich. „Du hast“, spricht der
Engel, „vor Gott Gnade gefunden“ (Lk 1,30). Welch ein Segen! Stets wird sie
Gnade finden, und wir bedürfen allein doch nur der Gnade. Die kluge Jungfrau
erbat sich nicht Weisheit wie Salomo, nicht Reichtümer, nicht Ehren, nicht
Macht, sondern Gnade. Kein Wunder, denn durch die Gnade allein werden wir
gerettet.
Was verlangen wir nach Hohem, Brüder? Suchen wir die Gnade, und suchen wir
sie durch Maria, denn sie findet, was sie sucht (Mt 7,7) und kann nicht getäuscht
werden. Suchen wir Gnade, aber Gnade bei Gott, denn bei den Menschen ist die
Gnade trügerisch. Mögen andere Verdienste suchen, wir trachten Gnade zu finden. Wie? Ist es nicht Gnade, dass wir hier sind? Wahrhaftig, „es ist die Barmherzigkeit, dass wir noch nicht vernichtet sind.“ (Klgl 3,22) Was sind wir Menschen?
Meineidige Ehebrecher, Mörder, Räuber, der Auswurf dieser Welt! Fragt euer
Gewissen, Brüder, und seht, „wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden“ (Röm 5,20). Maria beruft sich auf keinen Verdienst, sie
sucht Gnade. Schließlich vertraut sie nur auf die Gnade und strebt so wenig nach
Höherem, dass sie beim Gruß des Engels erschrak „und überlegte, was dieser
Gruß zu bedeuten habe“ (Lk 1,29); denn Maria hielt sich des Engelsgrußes für
unwürdig.
Und vielleicht dachte sie etwa: „Wer bin ich, dass der Engel meines Herrn zu mir
kommt?“ - „Fürchte dich nicht, Maria“; wundere dich nicht, dass ein Engel
kommt: einer, der noch größer als ein Engel ist, kommt. Wundere dich nicht über
den Engel des Herrn: ist ja der Herr des Engels mit dir. Warum aber solltest du
nicht einen Engel sehen, da du doch bereits engelhaft lebst? Warum sollte ein Engel nicht jene besuchen, die wie ein Engel lebt? Warum sollte er nicht einen
„Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19) begrüßen? Sicher
ist die Jungfräulichkeit ein engelhaftes Leben, und die nicht heiraten noch verheiratet werden, werden wie die Engel Gottes sein.
Vigilien in Heiligenkreuz
115
RESPONSORIUM
R: Wie schön und herrlich ist die Jungfrau Maria! Unter den Chören der Engel
und Heiligen leuchtet sie wie die Sonne. * Die Engel freuen sich, die Erzengel
jubeln über die Jungfrau Maria.
V: Suchen wir die Gnade, und suchen wir sie durch Maria! * Die Engel freuen
sich, die Erzengel jubeln über die Jungfrau Maria.
8
ZWEITE LESUNG
Bernhard von Clairvaux († 1153),
Aus dem Sermo am Oktavtag von Mariä Himmelfahrt
Meinst du nicht, dass Maria die mit der Sonne umgebene Frau ist? Gewiss verweist der Zusammenhang der prophetischen Sicht, dies von der gegenwärtigen
Kirche zu verstehen; aber man kann dies auch zutreffend von Maria sagen: denn
sie hat sich gleichsam mit einer anderen Sonne umgeben. Wie die geschaffene
Sonne in gleicher Weise über Gute und Böse aufgeht, so sieht auch sie nicht auf
frühere Verdienste, sondern erweist sich gegen alle einsichtsvoll, überaus gütig,
und hat in weitherziger Liebe Erbarmen mit den Nöten aller. Sie ist über alle
Mängel erhaben, und was immer gebrechlich oder verdorben ist, überragt sie einzigartig in hervorragendster Erhabenheit und übertrifft alle Kreatur, sodass mit
Recht gesagt wird, dass unter ihren Füßen der Mond sei (Offb 12,1). Andererseits
würden wir nichts Besonderes gesagt haben, wäre bloß der geschaffene Mond
unter ihren Füßen, die ohne jedweden Zweifel über alle Chöre der Engel, über
Kerubim und Seraphim erhöht ist.
Der Mond bezeichnet gewöhnlich nicht bloß den Fehler der Verdorbenheit, sondern ebenso der törichten Gesinnung und bisweilen auch die Kirche dieser Zeit;
ersteres wegen seiner Veränderlichkeit, letzteres jedenfalls wegen des anderswoher entlehnten Glanzes! In jedem Sinn aber wird sozusagen der Mond überaus
passend zu Füßen Mariens verstanden, wenn auch auf verschiedene Weise, denn
„ein heiliger Mensch bleibt in der Weisheit wie die Sonne, aber ein Tor ist veränderlich wie der Mond“ (Sir 27,12). In der Sonne ist nämlich sowohl die Glut als
der Glanz beständig, im Mond ist nur der Glanz, und auch dieser ist unentwegt
veränderlich und unsicher, weil er niemals im gleichen Zustand bleibt. Mit Recht
116
Sonderlesungen zu den
wird daher Maria als mit der Sonne umgeben dargestellt, da sie die gewaltige,
unermessliche Tiefe der göttlichen Weisheit weiter durchdrungen hat, als man zu
glauben vermag; sodass sie - soweit dies die Natur des Geschöpfes ohne persönliche Vereinigung zulässt - in jenes unzugängliche Licht eingetaucht erscheint. Mit
diesem Feuer wurden zwar die Lippen des Propheten (Jes 6,6) gereinigt, von diesem Feuer sind auch die Seraphim entflammt; aber weit anders verdiente Maria,
nicht bloß kurz davon berührt, sondern vielmehr davon bedeckt und umflossen, ja
gleichsam vom Feuer selbst eingeschlossen zu werden. Höchst rein, fürwahr, aber
auch ganz glühend ist das Kleid dieser Frau, an der alles so herrlich strahlt, dass
man an ihr - ich will nur sagen - nichts Finsteres oder auch nur etwas ein wenig
Dunkles oder minder Lichtes, ja nicht einmal etwas Laues oder nicht ganz Glühendes annehmen darf.
RESPONSORIUM
R: Wer ist es, die da aufsteigt wie die Morgenröte: * schön wie der Mond, leuchtend wie die Sonne, furchtbar wie ein Heer in Schlachtbereitschaft?
V: Ein großes Zeichen erschien am Himmel: * Schön wie der Mond, leuchtend
wie die Sonne, furchtbar wie ein Heer in Schlachtbereitschaft.
Vigilien in Heiligenkreuz
117
Inhalt:
12. Jänner HL. AELRED VON RIEVAULX......................................................................4
15. Jänner HLL. MAURUS UND PLACIDUS...................................................................5
22. Jänner SEL. LADISLAUS BATTHYÁNY-STRATTMANN ......................................6
26. Jänner HLL. VÄTER ROBERT, ALBERICH UND STEPHAN ................................8
27. Jänner HLL. TIMOTHEUS UND TITUS...................................................................11
31. Jänner KIRCHWEIHE DER ABTEIKIRCHE UNSERER LIEBEN FRAU
VON HEILIGENKREUZ.................................................................12
14. Februar HLL. CYRILL UND METHOD....................................................................15
15. März HL. KLEMENS MARIA HOFBAUER.............................................................16
21. März HEIMGANG UNSERES HL. VATERS BENEDIKT ......................................17
23. April KIRCHWEIHE DER METROPOLITANKIRCHE DES HL.
STEPHANUS ZU WIEN .................................................................19
29. April HL. KATHARINA VON SIENA ......................................................................22
3. Mai HLL. PHILIPPUS UND JAKOBUS......................................................................25
11. Mai HLL. ÄBTE VON CLUNY .................................................................................26
13. Mai UNSERE LIEBE FRAU VON FATIMA ............................................................28
15. Mai HL. PACHOMIUS...............................................................................................30
21. Mai SEL. FRANZ JÄGERSTÄTTER.........................................................................32
25. Mai HL. BEDA VENERABILIS ................................................................................33
1. Juni HL. JUSTINUS......................................................................................................35
16. Juni HL. LUDGARD...................................................................................................36
3. Juli HL. THOMAS ........................................................................................................38
8. Juli HL. EUGEN III.......................................................................................................39
11. Juli HL. BENEDIKT VON NURSIA..........................................................................40
23. Juli HL. BIRGITTA VON SCHWEDEN....................................................................43
25. Juli HL. JAKOBUS .....................................................................................................47
3. August HL. ALTMANN ...............................................................................................48
9. August HL. THERESIA BENEDICTA A CRUCE EDITH STEIN............................49
12. August DORNENKRONE CHRISTI..........................................................................54
19. August HL. GUERRICUS VON IGNY ......................................................................56
20. August HL. BERNHARD VON CLAIRVAUX .........................................................58
24. August HL. BARTHOLOMÄUS ................................................................................59
30. August HLL. GUARINUS UND AMADEUS............................................................60
5. September SEL. MUTTER TERESA VON CALCUTTA ...........................................61
7. September SEL. OTTO VON FREISING.....................................................................63
11. September HL. PETRUS VON TARANTAISE .........................................................66
12. September MARIA NAMEN ......................................................................................68
118
Sonderlesungen zu den
18. September JAHRESGEDÄCHTNIS DER VERSTORBENEN BRÜDER,
VERWANDTEN UND WOHLTÄTER UNSERES
ORDENS .......................................................................................... 69
23. September HL. PATER PIO VON PIETRELCINA ................................................... 72
13. Oktober HL. KOLOMAN ........................................................................................... 74
21. Oktober SEL. KAISER KARL I. VON ÖSTERREICH............................................. 75
28. Oktober HLL. SIMON UND JUDAS ......................................................................... 77
29. Oktober SEL. SCHWESTER RESTITUTA KAFKA ................................................ 79
2. November ALLERSEELEN ......................................................................................... 80
9. November KIRCHWEIHE DER LATERANBASILIKA ............................................ 82
11. November HL. MARTIN VON TOURS .................................................................... 83
13. November ALLERHEILIGEN UNSERES ORDENS................................................ 85
14. November ALLERSEELEN UNSERES ORDENS.................................................... 88
15. November HL. MARKGRAF LEOPOLD III............................................................. 91
16. November HL. ALBERT DER GROSSE................................................................... 95
20. November HL. MECHTHILD VON HACKEBORN................................................. 96
24. November HL. ANDREAS DUN-LHAC UND DIE MÄRTYRER VON
VIETNAM........................................................................................ 97
26. November HL. KOLUMBAN VON LUXEUIL......................................................... 99
12. Dezember HL. HARTMANN ................................................................................... 100
TOTENOFFICIUM Officium defunctorum.................................................................... 102
MARIENSAMSTAGE.................................................................................................... 105
1
........................................................................................................ 105
2
........................................................................................................ 106
3
........................................................................................................ 107
4
........................................................................................................ 109
5
........................................................................................................ 110
6
........................................................................................................ 112
7
........................................................................................................ 113
8
........................................................................................................ 115