Vom Balkan bis Korsika, Sardinien und Sizilien
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Vom Balkan bis Korsika, Sardinien und Sizilien
Musikbegegnungen, SS 2009: Blatt 12 Vom Balkan bis Korsika, Sardinien und Sizilien (1) Sizilien. CD Il Canto die Malavita – La Musica della Mafia. Nr. 3 “Blut verlangt nach Blut” Text im Booklet: Die Musik ist ambivalenter Ausdruck der komplexen kalabrischen Lebenswelten und ihrer sozialen Umfelder ... noch nie zuvor sind diese Lieder regulär veröffentlicht worden. Die CD trägt dazu bei, den Weg für eine Diskussion frei zu machen, die oft in Unkenntnis des eigentlichen Streitpunktes geführt wird: der Lieder. Diese Musik hören zu können, bedeutet daher auch, sie verstehen zu lernen. Francesca Viscone: Tödliche Schauer (am 8. April 2009 in der ZEIT und tanz): Mindestens ebenso gefährlich ist es, die Mafia als archaisches Phänomen zu beschreiben, das ausschließlich aus Mord und Brutalität besteht: Wenn es so einfach wäre, wären die Mafiosi leicht zu erkennen. Die Massenmedien bieten der Mafia eine öffentliche Bühne. Wer auf dieser Bühne einen mafiosen Tarantellatanz aufführt, lenkt die Aufmerksamkeit von der harten Wirklichkeit ab – jener Wirklichkeit, in der das Schicksal unserer Demokratie auf dem Spiel steht. (2) „Balkan Beat“ Booklet der CD „Balkan Beat“ (1): Als Anfang der 90er Jahre die ersten Granaten im zerfallenden Jugoslawien abgefeuert wurden, kam ein junger Bosnier namens Robert Soko nach Berlin, um ein neues Leben beginnen. Es war ihm egal, ob sein Nachbar Bosnier, Serbe oder Kroate war. Er begann, mit gleichgesinnten Emigranten Partys zu feiern und legte dazu die alten Jugo-Hits auf - als Symbol eines friedlichen Jugoslawien, das längst zur Utopie geworden war. (1) MAGNIFICO & TURBOLENTZA (Slowenien): "Hir Ai Kam Hir Ai Go" Robert Pešut ist ein Phänomen mit vielen Gesichtern und einer der größten und kontroversesten Stars Slowenien. Mit „Hir ai kam, hir ai go“ knackte er die italienischen Charts und sorgte für einen Sommerhit der etwas anderen Art. (Zuletzt am 3.6.2009, in „Cosmos“ bei Funkhaus Europa gespielt.) (2) Mojmir Novakovid und LEGEN (Kroatien): „Zumba“ 1992 gründete Mojmir Novakovid die Formation Legen. Novakovid lässt sich von archaischer kroatischer Musik inspirieren und kreuzt seine Kompositionen mit aktuellen Beats und Ambient-Klangflächen. Er sieht seinen Auftrag darin, Schätze und Weisheit der Vergangenheit für die Gegenwart lebendig zu machen.. (3) Vokalpolyphonie auf Korsika und Sardinien Korsika: Paghjella, HB 1: Donnisulana hat seit seiner Gründung 1989 den Beweis angetreten, dass sich Frauen auch im polyphonen Gesang behaupten, der bislang eine Domäne der Männer war. Tonbeispiel: „Chjama/Paghjella“. Polyphone korsische Musik erlebt in den letzten Jahren seine Wiedergeburt. Auf zahlreichen Festivals auf der ganzen Insel wird die lange Musiktradition gepflegt, so beispielweise jeden September auf dem internationalen Polyphonie-Festival «rencontres polyphoniques» in Calvi. Im Allgemeinen hat die korsische Volksmusik einen sehr assoziativen Charakter, gilt dabei als "unfröhlich" und melancholisch, entwickelt beim erstmaligen Anhören alles andere als "good vibrations". Ab Mitte der 1970er Jahre entstanden mehrere Ensembles, die für die Entwicklung der korsischen Musikszene nachhaltige Bedeutung erlangen sollten. Sie waren durchweg stark politisch engagiert, regionalistisch bis nationalistisch ausgerichtet, verstanden ihre Musik weniger als losgelöste Traditionspflege denn als aktiven Beitrag zur korsischen Unabhängigkeits- bzw. Autonomiebewegung. Sardinien: Canto a Tenores, HB 2: Coro di Orune: „Su passu torradu“. Der Canto a tenore ist der archaischste musikalische Ausdruck Zentralsardiniens. Der Name kommt von den vier männlichen Sängern, deren einzelne Stimmen Bassu (Bass), Contra (Countertenor), Mesu oche (halbe Stimme) und Oche (Stimme) heißen und die sich in einem Kreis aufstellen. Der Canto a tenore ist von der UNESCO unter die schützenswerten "Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity" aufgenommen worden. Die Liedertexte sind alle auf Sardisch. Die Form folgt streng festgelegten überlieferten Gesangsmustern. Immer steht dabei ein Solist, der Tenor, im Vordergrund. Er übernimmt die Rolle des Vorsängers, beginnt den Gesang und bestimmt die Gesangsmelodie. Es folgt der einfache Refrain der anderen 3 Männer (meistens besteht die Gesangsgruppe aus vier Männern): "Bom Bim Bam Bo" und "Lellere". Die Ausführung der Gesänge ist variationsreich: "a sa seria", "a passu torrau" und "a mutos".