DIE KLAU MICH SHOW THE STEAL ME SHOW August 24 2012

Transcription

DIE KLAU MICH SHOW THE STEAL ME SHOW August 24 2012
DIE KLAU MICH SHOW THE STEAL ME SHOW August 24 2012 12th KLAU MICH SHOW WELCOME A psychiatrist and a psychologist inform the audience as they come in of different psychiatric disorders they might suffer: Disorders of adult personality and behaviour F60 Specific personality disorders F60.0 Paranoid personality disorder F60.1 Schizoid personality disorder F60.2 Dissocial personality disorder F60.3 Emotionally unstable personality disorder .30 Impulsive type .31 Borderline type F60.4 Histrionic personality disorder F60.5 Anankastic personality disorder F60.6 Anxious [avoidant] personality disorder F60.8 Other specific personality disorders F60.9 Personality disorder, unspecified F61 Mixed and other personality disorders F61.0 Mixed personality disorder F61.1 Troublesome personality changes F62 Enduring personality changes, not attributable to brain damage and disease F62.0 Enduring personality change after catastrophic experience F62.1 Enduring personality change after psychiatric illness F62.8 Other enduring personality changes F62.9 Enduring personality change, unspecified F63 Habit and impulse disorders F63.0 Pathological gambling F63.1 Pathological fire-­‐setting [pyromania] F63.2 Pathological stealing [kleptomania] F63.3 Trichotillomania F63.8 Other habit and impulse disorders F63.9 Habit and impulse disorder, unspecified F64 Gender identity disorders F64.0 Transsexualism F64.1 Dual-­‐role transvestism F64.2 Gender identity disorder of childhood F64.8 Other gender identity disorders F64.9 Gender identity disorder, unspecified F65 Disorders of sexual preference F65.0 Fetishism F65.1 Fetishistic transvestism F65.2 Exhibitionism F65.3 Voyeurism F65.4 Paedophilia F65.5 Sadomasochism F65.6 Multiple disorders of sexual preference F65.8 Other disorders of sexual preference F65.9 Disorder of sexual preference, unspecified F66 Psychological and behavioural disorders associated with sexual development and orientation F66.0 Sexual maturation disorder F66.1 Egodystonic sexual orientation F66.2 Sexual relationship disorder F66.8 Other psychosexual development disorders F66.9 Psychosexual development disorder, unspecified F68 Other disorders of adult personality and behaviour F68.0 Elaboration of physical symptoms for psychological reasons F68.1 Intentional production or feigning of symptoms or disabilities, either physical or psychological [factitious disorder] F68.8 Other specified disorders of adult personality and behaviour F69 Unspecified disorder of adult personality and behaviour Titicut Folies, by Frederick Wiseman, opens the show. FILM Titicut Follies ist ein amerikanischer Dokumentarfilm aus dem Jahr 1967 unter der Regie von Frederick Wiseman und gefilmt von John Marshall über die Patienten-­‐Insassen des Bridgewater State Hospitals für kriminelle Geisteskranke, eine Haftanstalt in Bridgewater, Massachusetts. Der Titel des Films ist einer Talentshow entnommen die von den Krankenhausinsassen veranstaltet wurde. Kurz bevor der Film auf dem New York Film Festival 1967 gezeigt werden sollte, versuchte die Regierung von Massachusetts vergeblich die Veröffentlichung des Films per einstweiliger Verfügung zu verbieten. Doch 1968 ordnete Harry Kalus, Richter am Superior Court, an den Film aus dem Vertrieb zu nehmen und alle Kopien zu zerstören. In 1991 gab der Superior Court Richter Andrew Meyer den Film für die Allgemeinheit frei. (Chaosium kommt beinahe sofort herein, jeder zwei Klau Mich Show Fahnen in den Händen und der ahmen die Bewegungen des Films nach.) Der Film hält mit dem Bild des klatschenden Krankenhausdirektors an. Dann deklamiert der erste Chaosium Schauspieler: Ladies and Gentleman: Welcome to DIE KLAU MICH SHOW. Die Leute Klatschen zum Standbild von Titicut Follies. (Jan betritt die Bühne, sein Gesicht ist unter einer Strumpfmaske mit herausgeschnittenen Gucklöchern verborgen.) Guten Tag, meine Damen und Herren und herzlich willkommen zur zwölften Ausgabe der Klau Mich Show! Der Filmausschnitt, den wir gerade gesehen haben ist Teil der Eröffnungssequenz von Titicut Follies von Frederick Wieseman, ein Dokumentarfilm über das Leben der Insassen einer Nervenheilanstalt [alternative auch: Gefängnispsychiatrie] in Bridgewater, Massachussetts dessen öffentliche Aufführung über 30 Jahre lang verboten war. ZENSUR! Mein Name ist Jan Mech und ich bin zurück nach langer Zeit, Zeit genug um über die Klau Mich Show und ihrer Beziehung zu dem was in der Welt passiert. Und ich nehme an, dass Sie alle die gleiche Frage brennend interessiert. Ist der Pussy Riot Prozess vergleichbar mit dem Klau Mich Verfahren? Jan nimmt seine Maske ab. Nun es gibt einen großen Unterschied: Rainer Langhans und Fritz Teufel, zwei zwanzig Jahre alte Studenten, die 1968 in Berlin wegen des Verteilens von Flugblättern verhaftet wurden, in denen sie dazu animierten Kaufhäuser anzuzünden um das „Vietnam-­‐Feeling“ nach Hause zu bringen wurden FREIGESPROCHEN weil die Aktion als „künstlerisch“ erachtet wurde in der Tradition des Dadaismus und Situationismus. Pussy Riot wurden SCHULDIG gesprochen, schuldig der Blasphemie und des Rowdytums und sie müssen nun zwei Jahre lang in Gefängnis. Pussy Riot bezeichnen sich selbst als Punk-­‐Performance-­‐Aktivisten-­‐Gruppe und folgen demanch der gleichen Tradition: Dadaismus, Surrealismus, Situationismus, Pop, Punk. Sie verstehen sich selbst als direkte Nachfolgerinnen von Riote Grrrl, der feministischen US-­‐
underground Punk-­‐Rock Bewegung. Aber die Kunst hat Pussy Riot nicht vor dem Ungeheuer beschützt: Dem Staat, der Kirche. In dieser Show kommen wir zurück zu dem Ausgangspunkt von KLAU MICH: ZENSUR, TABUS, ENTARTETE KUNST, BESCHÜTZT KUNST UND WEN BESCHÜTZT SIE? UND HEUTE: TOTAL INSTITUTIONS VS. INVENTED INSTITUTIONS. Und da wir heute bereits inmitten der zwölften Ausgabe der Klau Mich Show angekommen sind lassen Sie mich einige Höhepunkte der Zuschauerbeteiligung zu diesen Themen in Erinnerung rufen: (Geht auf das Publikum zu) -­‐ Glauben Sie an Zuschauerbeteiligung? -­‐ Beschützt Kunst und wenn ja wen? -­‐ What is your favorite kind of art? (Richten schließlich diese Frage an Chaosium – sie antworten begeistert Entartete Kunst!!) Jan: Of course, Degenerate Art! Erinnern sie siech? Das war bereits das Ergebnis der ersten KLAU MICH SHOW vom 8. Juni. -­‐ Tabus!! Was sind heute die größten Tabus in Deutschland? Oder von woher Sie auch immer kommen mögen? (gefolgt von der sehr regen Reaktionen der Zuschauer, about what are hte TABUS....) Und natürlich ist Tabu auch der Name unserer wunderschönen Stewardess aus Polynesien, DAS LAND IND DEM TABUS ERFUNDEN WURDEN. Tabu würdest du bitte dein traditionelles Gewand mit den Fruchtbarkeitssymbolen für uns anziehen? (Tabu antwortet auf französisch). Liebes Publikum: Klau mich ist, wie sie vielleicht wissen ein Kunstwerk. Und weil das so ist können wir alles sagen was wir wollen. Wenn jemand sage, das darfst du nicht sagen, darüber darfst du nicht sprechen, dann wäre das Zensur. Zensur! Wir sind nicht in Moskau, wir können sagen was wir wollen. Selbst wenn man von verlangte Verantwortung zu übernehmen für das was hier vor sich geht, dann sagen wir: Klau mich ist ein historischer Roman. Wir erfinden nichts. Wir arbeiten mit Material, Ausdrücken und texten, die schon vorher da waren, die schon vor uns da waren. Wir zitieren, wir spielen Charaktere, wir spielen historische Charaktere oder wir laden historische Persönlichkeiten ein sich selbst zu spielen. Lassen Sie mich Ihnen kurz verdeutlichen wie das funktioniert. -­‐ What is your name, my friend? Artur: Rainer Langhans. -­‐ No, seriously, what is your name? A: Adolf Hitler. -­‐ Nein, jetzt mal im Ernst. Dein richtiger Name? A-­‐ Artur Tymchyschyn. -­‐ Artur, wärst du so freundlich uns vorzulesen was hier n der Wand über das Kunstwerk steht, in dem wir uns alle befinden? (liest laut den Text: "Authority, the Institution, has been challenged in many battles across numerous fields, but especially in those where it chokes the most: the courtroom, the school, the museum, the government, the army, the prison, the asylum, the family. When I was in Trieste, at the ex-­‐psychiatric hospital of San Giovanni, where Venetian psychiatrist Franco Basaglia carried out his process of de-­‐institutionalization of the mental hospital—successful in so many ways—I saw this old grafitti on the walls of the asylum (it’s written in French: for a brief moment I had a vision of Félix Guattari with a spray can): ‘Caserne = Asile = Prison = Famille. Le Feu Partout’ (Barrack = Asylum = Prison = Family. Fire to it all). Radicalism (Fire) against the institution. What is an institution? In Basaglia’s words: that which cannot change. What is radicalism? The quality of being very different from the usual or traditional; fundamental; favoring extreme change.") Danke Artur, Du kannst dich wieder hinsetzen wenn du möchtest. Meine Damen und Herren, bitte heißen Sie zusammen ganz herzlich willkommen: Unsere beiden Gäste aus den ehemaligen Krankenhaus de San Giovanni in Trieste – genau jener Ort an dem Franco Basaglia und seine Mitarbeiter es gelang das Konzept der sozialen Gefährlichkeit und die Idee der Langzeit-­‐Hospitalisierung zu überwinden. Carmen Roll has worked since 1976 in Trieste with the team of Franco Basaglia. Until 2000, she was a psychiatric nurse in the mental-­‐health department. Since 2001, she has coordinated the integration of social work and health care in the third health district of the public health agency in Trieste. Psychiatrist Franco Rotelli was a close collaborator of Franco Basaglia and has, since the seventies, occupied different directing post in the Health Services of Trieste, being as well one of the most respected researches in the organization of Psychiatric Health care. Und unsere beiden Gäste aus Kassel, Rose Ostermann, Dip. Sozialpädagogin Mitbegründerin und langjährige Mitarbeiterin des Vereins Sozialtherapie Kassel e.V. Teilnehmerin und Mitorganisatorin der Blauen Karawane von Triest nach Bremen 1987 Mitinitiatorin des Theaterprojekts der Supertheatrale Pulk mit der Freien Theatergruppe „Ohne Mich Theater“ 1986, später Chaosium. Und Gunnar Richter, kunstler und kunsthistoriker, Mitgründer und Leiter der Gedenkstätte Breitenau in Guxhagen. Für sie allen bitte jetzt einen herzlichen Applaus!!!! Moderator: Frau Roll, wenn ich fragen stelle und sie übersetzen, soll ich sie lieber auf Englisch oder auf Deutsch stellen? Frau Roll: Auf Deutsch. Moderator: Okay, gut. Dann wäre die erste Frage für sie, Herr Rotelli. Seit 1971 hat sich Triest zu einem einzigartigen Ort bezüglich der psychiatrischen Fürsorge entwickelt. Mit seiner Geschichte von Emanzipation und Selbstbestimmung der sogenannten psychiatrischen Teilnehmer sogar einzigartig auf der Welt. Könnten sie uns vielleicht ein bisschen erklären, welche Umstände es damals ermöglicht haben, einen solch außergewöhnlichen Ort zu errichten? Rotelli: Ich glaube inzwischen sind zwei wichtige Sachen, über die eben hier geredet wird. Eine ist die Negation der totalen Institution und die Erfindung einer anderen Institution. Was die Negation der psychiatrischen Institution angeht, das Thema und diese Praxis gibt es nirgendwo mehr in Triest, weil es nirgendwo mehr in Italien, nicht nur in Triest gibt es das nicht mehr, sondern in ganz Italien gibt es das nicht mehr, weil es keine Irrenhäuser mehr gibt was die Negation der Anstalten betrifft. Das heiß, wenn es überall in Italien stattgefunden hat, die Anstalten zu schließen, das heißt, das man das in der ganzen Welt machen kann. Es ist aber wahr dass heute in Japan 500.000 Leute in psychiatrischen Anstalten sind. Das heißt eben das beweist, dass es nicht wahr ist dass die psychiatrischen Krankenhäuser irgendwann einfach überwunden werden weil sie obsolet sind, weil sie außer der Geschichte sind. Diese totale Institution, also die Psychiatrie als totale Institution kann überwunden werden, nur wenn ein präziser politischer und wenn sie wollen, technischer, wissenschaftlicher Wille vorhanden ist. Moderator: Sie beziehen sich dabei sicher auf das so genannte Gesetz 180 aus Italien. Könnten sie uns dazu und zu den zustande kommenden Umständen ein paar Worte geben? Rotelli: Das Gesundheitssystem als Ganzes gesehen in Italien war ein großes Thema, in der 68iger Bewegung und in der 70iger Bewegung, weil die 68iger Bewegung ist ja 1968 nicht alle gewesen und die Frage des Gesundheitssystems überhaupt war ein großes Thema der Bewegung, der 68iger Bewegung, in Italien, was hier in Deutschland ja nicht so war und einer Reform des gesamten Gesundheitssystems und es hat in dieser Zeit eine Gruppe von Spezialisten gegeben, also Psychiatern, Technikern gegeben, die den Skandal des psychiatrischen Systems aufgenommen haben und die speziell über dieses Thema gearbeitet haben, sich organisiert haben und so weiter, aber im Bereich einer allgemeinen großen politischen Debatte über was ein richtiges Gesundheitssystem in einem Land ist, ein öffentliches Gesundheitssystem. Während die Negation der Institution auf irgend eine Weise eine nationale Frage geworden ist und eine unheimlich große Allianz gefunden hat, dort hat das Parlament ein Gesetz erlassen dann, was es erlaubte, die Irrenhäuser zu schließen, in Triest haben wir aber gleichzeitig mit der Schließung der Irrenhäuser neue Institutionen in der Gemeinde entwickelt, frei institutionelle Einrichtungen und die haben sich aber nicht auf nationale Ebene so ausgebreitet , die haben keine politische Unterstützung gefunden, wie es die Bewegung der negierenden Institutionen gefunden hat. Moderator: Ist es das, was vielleicht der Künstler Stephano Graziani aus Triest, der sich ja intensiv mit dem Erbe Franco Basaglia beschäftigt hat, meint, wenn er sagt, dass das Gesetz 180 den letzten Sieg der antifaschistischen Bewegung in Italien darstellt. Rotelli: Historisch gesehen schon, chronologisch gesehen schon, aber ich hoffe, dass es nicht die letzte gewesen ist. Absolut, man muss noch sehr viele antifaschistische Eroberungen machen. Es ist nicht so sehr ein großes Gesetz, das Gesetz 180, weil es die Gesetze der Psychiatrie betrifft, und was die Psychiatriepatienten betrifft, sondern es ist ein Gesetz, was über sozialen Ausschluss redet. Und das ist die Aktualität sozusagen, das heißt es geht heute darum, Institutionen zu erfinden, die Mauern einreißen, die Mauern durchbrechen und die den sozialen Ausschluss sozusagen nicht erlauben. Wir müssen Institutionen der Inklusion schaffen und nicht Institutionen der Exklusion und dafür braucht’s alle. Jedermann kann von seiner Position dazu beitragen. Die Psychiater sind wahrscheinlich die letzten, die das… Man braucht aber auch die Psychiater und vor allen Dingen muss man auch den Psychiatern versuchen zu verweigern, zur alten Psychiatrie zurück zu kehren. Man kann die Psychiatrie der Inklusion machen, der Einschließung machen. Moderator: Das haben sie ja mit ihrer Arbeit in Triest sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Frau Roll, thank you very much for helping us translating here on stage but I’d also like to ask you directly, you moved from Germany to Italy in a very turbulent moment for both countries, at that time. What was back then your impression of Italy and the Italian democratic psychiatry, as someone who was involved previously, in the German psychiatry system? Frau Roll: Zwei Fragen sind das, ich glaube aber, das glaube ich seit ein paar Jahren, dass in der Zeit, in der ich nach Italien gegangen bin, das war 76, da war in Triest dieser Prozess gerade seit sechs Jahren im Gange und es waren seit einem Jahr die ersten erfundenen Institutionen in der Gemeinde aufgemacht worden, zwei, drei Zentren für geistige Gesundheit, in Ospitale waren noch 700 Leute, von 1200, also es war ziemlich am Anfang, ich glaube das Italien damals das demokratischste Land in Europa war, politisch glaube ich das deshalb weil es eine Sache gab, die hieß historischer Kompromiss, das heißt es war sozusagen, als ob die, auf Deutsch übersetzt, als ob die CDU an der Regierung gewesen wäre, aber ohne die SPD und auch Kommunisten, was ja Kommunisten in Italien waren nicht Sozialdemokraten, aber nicht regieren konnte, und historischer Kompromiss hieß, dass sie sich irgendwie, dass sie keine große Koalition machen konnten, wie das jetzt heute geht, das war damals politisch nicht möglich, aber dass sie sich quasi als große Koalition verhielten und deshalb gab es ein derartiges Gegengewicht, ein sehr starkes politisches Gegengewicht der Rechts und Links und in diesen Jahren sind in Italien Reformen durchgekommen, auf dem Gebiet des Gesundheitssystems, auf dem Gebiet des Familienrechts, was viel fortschrittlicher war, als in Deutschland, auf dem die Abschaffung der Sonderschulen für Kinder, der Abschaffung der Heime für Kinder, weil im Grunde ist das Psychiatriegesetz das Letzte dieser Reformgesetze, es hat also eine ungeheure Saison von Reformen gegeben, und insofern glaube ich, dass Italien damals ein Land war, das effektiv das demokratischste Land war, in Europa, was heute vielleicht nicht so ist. Was Deutschland angeht weiß ich nicht genau, was sie von mir, welche… Habe ich vielleicht nicht genau verstanden. Moderator: Die, die Frage haben sie schon beantwortet in Bezug auf Deutschland und viele, einige von diesen Punkten die sie genannt haben in ihrer Serie von Reformen, in dem Gesetz 180 beendet wurden, sind ja hier immer noch… Mathilde plays a few notes in the piano, this marks the entrance to one of the Theater breaks: The two women with white overcoats walk the corridor talking to each other casually: -­‐ Always the same, boring, uninteresting patients! What do we have today here? It seems something really exciting! -­‐ The police delivered him today, in an ambulance, hands and feet tied up. -­‐ What happened? -­‐ He had, together with another guy, who was delivered as well today to us, attacked a döner kebab stall. He stabbed the döner meat loaf with some sort of old-­‐fashioned spear and pita bread flew all over the place. -­‐ And the other guy did what? -­‐ He ate everything, except what was fixed to the walls. -­‐ Interesting. And have they been in observation, What does our therapeutic team think? -­‐ The patient has convulsions and suffers from delirium, speaks of giants, magicians, wants to see a certain Dulcinea and it is totally time-­‐space disoriented. -­‐ Psychosis. Or does he take drugs? -­‐ We could not test drugs yet. But Alcohol test is negative. -­‐ How did you calm him down? -­‐ Thanks to the speaking arts of sister Bettina, who told him she knew Dulcinea and who played the fanfares for him. -­‐ What a creative team we have here! And the bloodtest? -­‐ He refused it with arrogance. He declared to be healthy and blue-­‐blooded, and be called Don Quixote de la Mancha. -­‐ Did you find out his real name? -­‐ No, he had no valid identity card and no health insurance papers either. -­‐ We will have to play theater again with the administration. Let us just pass the hot potato to the social care office. -­‐ Yes, we are not responsible for social misery. -­‐ We work directly with the object, we make diagnoses and we practice. So what is the diagnosis? -­‐ Acute Psychose. After all, we need to start somewhere. -­‐ Well the delirium is clear, but we need to be more specific. I expect a differential diagnosis. -­‐ Most certainly. I have called other colleagues to join, and psychological tests will be performed as well. -­‐ And IQ test too. -­‐ To get over the crisis, he should be administered Haldol without delay. -­‐ Yes, and to prevent the worse let's add to that Tavor and Rispedal. -­‐ Absolutely. And what about: Zyprexa, Zeldox, Ciatyl, -­‐ Certainly. Besides, the salesman from the pharmaceutical company was here yesterday and we are very well provided with: Solian, Truxal, Xanax, Remergil, Dogmatil, Leponex, Valium, Tofranil, Dipiperon, Melperon, Atarax, Zoloft, Seroquel, Adumbran, Insidon, Vivilan, Taxilan, Loretam, Stilnox, Concerta Neurocil, Librium, Cipramil, Ritalin They have reached by now the white podium next to Mathilde, who has been softly playing the piano. The three of them sing " Wenn ich mir was wünschen dürfte" Man hat uns nicht gefragt, als wir noch kein Gesicht, ob wir leben wollen, oder lieber nicht. Jetzt gehe ich ganz allein, durch eine große Stadt, und ich weiß nicht, ob sie mich lieb hat? Dann schau ich in die Stuben, durch Tür und Fensterglas, und ich warte, und ich warte, auf etwas. Wenn ich mir was wünschen dürfte, käm ich in Verlegenheit, was ich mir denn wünschen sollte, eine schlimme, oder gute Zeit? Wenn ich mir was wünschen dürfte, möchte ich etwas glücklich sein, denn wenn ich gar zu glücklich wär, hät ich Heimweh nach dem Traurigsein We were not asked, when we did not yet have a face, whether we wanted to live or not. Now I go very lonely through a large city and I do not know if she loves me.
I look into the rooms, through the glass doors and I wait, I wait, for something. If I had to wish for something, I would be confused, What could I wish for, a good time or a bad time? If I had to wish for something, perhaps I could be a bit happy, but then if I were completely happy, I would be longing for sadness. Moderator: Vielen Dank an unsere Psychiaterin und Psychologin. Frau Ostermann, sie selbst waren in Triest. Warum sind sie dorthin gegangen? Ostermann: Ja, ich bin nach Triest gegangen, das hat verschiedene Hintergründe, einmal bin ich ja während meines Studiums sozusagen mit der Psychiatrie das erste mal in Kontakt gekommen, wir haben ja, das wurde ja schon erwähnt, die Sozialtherapie gegründet, 1975 und wir hatten auch, wir haben uns mit der demokratischen Psychiatrie Italiens auseinander gesetzt, wir haben einmal den Franco Basaglia eingeladen, das heißt, an die Universität, damals hieß sie noch Gesamthochschule, und um uns informieren und mit ihm diskutieren zu können, wobei ich mich jetzt an die Details nicht mehr erinnern kann und ich war dann 1977, also ein Jahr vorher das erste mal in Triest, aber nur als Touristin, aber habe dabei Carmen Roll kennen gelernt und noch eine weitere Mitarbeiterin und wir haben uns viel über das triestiner Modell erzählen lassen. Da hörte ich das erste mal davon, dass man da auch ein Volontariat machen kann um Triest praktisch und theoretisch mehr kennen zu lernen, und für mich war es interessant zu sehen, wie kann eine Stadt funktionieren, ohne psychiatrisches Krankenhaus. Moderator: Später, als sie ja wieder in Deutschlande gründeten sie zusammen mit Rolf Schwendter, den wir hier ja auch schon zu Gast hatten und Sybille Scheßwendter die Sozialtherapie Kassel. Stand diese Initiative in direktem Zusammenhang mit Triest? Ostermann: Also die ist vorher entstanden. Also die Sozialtherapie ist bereits 1975 gegründet worden, da haben sicherlich auch die Themen der demokratischen Psychiatrie eine Rolle gespielt, es war außerdem in Deutschland die Situation, dass in der Zeit ja ein Bericht der Bundesregierung über die Lage der Psychiatrie in Deutschland heraus kam, also der die Problematik sehr krass auch dargestellt hat, allerdings ist die Sozialtherapie auch schon vor dem Erscheinen dieses Berichts eröffnet worden. Und unsere Idee war, also wir haben ja keinerlei Finanzierung gehabt, wir haben Räume angemietet die zum Glück von der Stadt finanziert wurden und wir haben abends Termine angeboten, also Öffnungszeiten, wo die Menschen einen Ort suchten, um irgendwo sich zu treffen, zu unterhalten, gerade auch, wenn sie aus der Psychiatrie entlassen waren, Kontakt zu finden, das war eigentlich der Anfang, aber dahinter stand schon die Forderung und das Interesse der Veränderung der Psychiatrie. Moderator: Hat ihre Begegnung mit der Arbeit von Franco Basaglia in Triest der Sozialtherapie neue Impulse gegeben, glauben sie? Ostermann: Also ich denke schon, einmal war es so, als ich zurück kam nach Kassel, das war Anfang 1984, Ende 1983, die Sozialtherapie war sehr klein, es gab noch keine Finanzierung für begleitende… für Jemanden der zum Beispiel Hausbesuche macht, gab es keinerlei Finanzierung, das war eine Kontakt und Beratungsstelle mit ein paar Stellen da und sonst nichts, außerdem ging es auch darum, mit welchen Klienten, unter Anführungszeichen, arbeitet man denn zusammen? Es gibt natürlich auch Menschen, das war eine große Auseinandersetzung damals in der Sozialtherapie, wie weit können wir mit Menschen, die sehr viel Kontakt brauchen, zusammen arbeiten, wo wir personell sehr klein sind. Und ich muss dazu mal sagen, meine Erfahrung in Triest war eine Positive, meine positive Erfahrung in Triest war die, dass ich, ich habe in einem Centro mitgearbeitet, geleitet sozusagen, dass ich das Gefühl hatte, die Menschen, die da hinkommen sind auch ein Stück weit aufgehoben, sie haben Kontakt, sie werden auch zu Hause besucht, sie kriegen auch Hilfe, wenn sie sie brauchen, oder sie kriegen auch Hilfe, um selber etwas zu organisieren und ich hatte das Gefühl… Moderator: Also das genaue Gegenteil einer, das was wir als totale Institution hier beschrieben haben ? Ostermann: Ja. Moderator: Also einem Institutionsrahmen, in dem Menschen eigenverantwortlich ihr Leben gestalten können. Ostermann: Genau. Moderator: Ein anderes Beispiel einer ganz vielfältigen, autoritären, Institution ist ja hier ganz nahe dabei, das Kloster Breitenau, Herr Richter, sie sind Leiter der Gedenkstätte Breitenau hier in Guxhagen, in Kassel. Für die Zuschauer, die damit nicht vertraut sind, Breitenau war unter anderem ein Kloster, ein Gefängnis, ein Heim für asoziale Elemente, ein Konzentrationslager, eine Erziehungsanstalt, ein psychisches Krankenhaus. Glauben sie, dass Breitenau so eine Art Modell einer totalen Institution im Sinne Erving Goffman war, also eine Institution die versucht, alle Lebensbereiche und alle wichtigen Lebensentscheidungen der Insassen zu kontrollieren und zu bestimmen? Richter: Also ich würde auf jeden Fall sagen, dass es das von Beginn des Arbeitshauses an, das war 1874, dann auch über die Nazi Zeit hinweg, bis zum Ende der Nazi Zeit, und in einem gewissen Rahmen auch darüber hinaus, bis zum Ende des Mädchenheimes, gewesen ist, wenn man sich also diese Kriterien von Goffman anschaut, der sagt, dass totale Institutionen welche sind, in denen Menschen unter ganz normierten Regeln zu einem Leben gezwungen werden, auch so zu leben, dass im Grunde das Arbeiten ihr Schlafen und ihre persönlichen Kontakte, die sie nach woanders hin haben, sich ganz eng eben innerhalb so einer Einrichtung befinden und hier sind ja immer andere genannt worden und ich würde sagen, für diesen Zeitraum kann man da viele Dinge sehen. Moderator: Das heißt, es war eine Institution die auch versucht hat, den Ausschluss zu komplettieren, in dieser Zeit? Würden sie das sagen, oder wie wurde damals, als sie angefangen haben, sich mit Breitenau zu beschäftigen und mit ihrer Forschung begannen, wie wurde Breitenau damals von der Kasseler Bevölkerung wahrgenommen? Richter: Also als wir angefangen haben, 1979 mit der Forschung und dann unser erstes Ergebnis dargestellt haben, über die Nazi Zeit, also unsere Forschungen bezogen und beziehen sich hauptsächlich oder in erster Linie auf die Nazi Zeit und da ging es den Menschen in Kassel im Grunde wie uns, aus der Forschungsgruppe aus der Projektgruppe, ganz viele Menschen waren total entsetzt, konnten sich gar nicht vorstellen, was da vor den Toren Kassels, zwanzig Kilometer entfernt, geschehen ist, von dem man Jahrzehnte lang überhaupt nichts gehört hat. Moderator: Ja, die nächste Frage möchte ich gerne an sie drei adressieren, Herr Rotelli, Frau Ostermann und Frau Roll, glauben sie dass es vielleicht auch am Beispiel einer bestimmten Entwicklungsphase in Breitenau, so eine Arte Deutsche Entwicklungslinie der Psychiatrie gibt, die vielleicht mit Kraepelin, dem Begründer der modernen Psychiatrie beginnt und dann später auch durch Vertreter der Eugenik und Rassenhygiene beeinflusst wurde. Gibt es da eine spezifische deutsche Entwicklung? Frau Ostermann? Ostermann: Nun, das ist eine schwierige Frage, ich denke schon, wenn man bedenkt, dass die Psychiatrien in Deutschland sind ja so am Beginn des 19. Jahrhunderts vorwiegend eingerichtet worden und vormals, zum Beginn war ja die Vorstellung, wenn sogenannte, man hat ja nicht von psychisch Kranken gesprochen sondern von Irren oder ähnlichem, wenn sie also irgendwo auf dem Lande leben, geht es ihnen besser und wenn sie weit weg von der Gesellschaft sind, geht es ihnen eventuell auch besser, ich denke, das war ein Grundgedanke, der sich lange Jahre durchgezogen hat und ich glaube das sind Gedanken, die man sogar heute noch irgendwo findet. Moderator: Doch glauben sie, dass, oder in welcher Weise hat der Gedanke, oder hat er die Entwicklung in Deutschland, oder der europäischen Psychiatrie beinflusst? Also hat die Entwicklung in Deutschland in irgend einer Form die europäische Psychiatrie beeinflusst? Rotelli: (übersetzt von Roll) Er sagt, dass zum ersten aus der Phänomenologie, dass die in der ganzen Welt sozusagen das Denken auf dem sozialen und auf dem psychiatrischen Bereich beeinflusst hat, nicht nur, dass das ein unheimlich wichtiger deutscher Beitrag war, zu diesen Wissenschaften. Wahrscheinlich würde die Welt besser sein, wenn dieser deutsche Einfluss, der von der Phänomenologie von jeher kommt, wenn der kontinuierlich weiter gegangen wäre, anstatt sich von den Amerikanern sozusagen faszinieren zu lassen und weil die Phänomenologie im Grunde ein humanistisches Herangehen an die ganze Frage ist, während in Wirklichkeit dieser Einfluss so wie er war, und der positiv war, sich plötzlich unterbrochen hat und andere Hegemonien ins Feld getreten sind. Und er sagt, heute meint er, ist die Psychiatrie ein Konglomerat, eine Masse von heterogenen Geschichten, also Sachen und wo sozusagen Alles bei Allem, also es ist alles gleich, irgendwie. Moderator: Ja, ich verstehe. Eine andere wichtige historische Linie, die von der 68ziger Bewegung gezogen wurde, Herr Richter, Frau Roll, war das es eine direkte Verbindungslinie gibt von den Konzentrationslagern zu den Psychiatrien. Würden sie das vom heutigen Standpunkt aus als Dramatisierung verstehen oder hat das eine größere Substanz? Es geht um eine These die von Teilen der 68ziger Bewegung, der Studentenbewegung vertreten wurde, das es ein direktes Fortbestehen der autoritären Linie von den Konzentrationslagern zu den Psychiatrien der Nachkriegszeit gibt. Glauben sie, dass das Substanz hat, oder ist das eine Dramatisierung. Richter: Also mir selber ist diese These nicht bekannt und da kann ich so direkt so auch gar nichts dazu sagen, weil ich mich ja nicht mit der Geschichte der Psychiatrie beschäftigt habe. Ich kann vielleicht was sagen zur Psychiatrie im Nationalsozialismus, es gibt da auch eine bedeutende Gedenkstätte, den Hadamar, die vom Landeswohlfahrtsverband seit den 80ziger Jahren geleitet wird und da habe ich auch in einer Planungstruppe mitgearbeitet, zu dieser Ausstellung dort, aber das ist mir jetzt… Moderator: Aber gab es denn einen Bruch in der deutschen Psychiatrie nach 45, gab es dort ein radikales Umorganisieren? Roll: Ich glaube nicht, vor allen Dingen nicht, sagen wir mal, wenn man meint, dass die ganzen Arbeiten, die, wann ist das denn passiert? Ende der 70ziger, Anfang der 80ziger Jahre, als Leute wie Klaus Dörner angefangen haben, und andere ziemlich berühmte Leute der deutschen Sozialpsychiatrie, angefangen haben über die Konzentrationslager, über die Funktion der Irrenhäuser unter dem Nationalismus als Konzentrationslager zu forschen, das hat doch erst angefangen Mitte der 70ziger, Anfang der 80ziger Jahre in Deutschland, aber das war auch irgendwie kein Bruch, das war glaub ich eine Aufarbeitung einer Vergangenheit, aber kein Bruch der Psychiatrie, also innerhalb der Psychiatrie gab es nie einen Bruch, es hat innerhalb der psychiatrischen Wissenschaft nie einen wirklichen Bruch gegeben, glaube ich. Und ich würde es nicht so, also meine Erfahrung in Deutschland, ich habe in Heidelberg beim SPK mitgemacht und ich würde schon sagen, dass es eine wahnsinnige Kontinuität gab und man überhaupt nicht darüber geredet hat, aber das ist ein sehr langer Diskurs, weil ich habe auch in anderen Ländern gearbeitet, wo Diktaturen waren, wo es Irrenhäuser unter den Diktaturen gab, wo es auch politische Gefangene unter den Diktaturen gab und wo die Psychiatriepatienten und die Anstalten immer das Letzte waren, und wenn die Befreiung kam, des Landes, eine Befreiung eines Landes von einer Diktatur, das heißt, dass die politischen Gefangenen befreit werden, dass die Gesetze anders sind, dass die Leute anders sind und so weiter, da ist nie automatisch Freiheit für Irre gewesen, historisch, in keinem einzigen Land der Welt, das heißt, es war möglich, von einer Diktatur weg zu gehen, die Diktatoren zu köpfen, aufzuhängen, ins Gefängnis zu sperren, aber die Irren blieben in ihren Irrenhäusern. Moderator: Ist das eine Folge dieses Ausschlusses? Wollten sie etwas sagen? Richter: Ich könnte dazu, von der Geschichte gesehen, ein sehr interessanter Aspekt, der in die Gegenwart hineinreicht, also wenn ich sagen würde wo sind da Brüche, wenn man jetzt auf verschiedene Gesellschaftssysteme blickt, wenn Veränderungen stattfinden, wie machen sich die Veränderungen bemerkbar, wo sind Brüche, und wo sind bestimmte Kontinuitätslinien, die sich erhalten, da ist eben ein Problem, Gesellschaften, zum Glück hier bei uns haben wir seit dem Jahr 49 eine Verfassung, und wir haben eine demokratische Gesellschaft und wir haben in unseren Grundsätzen, oder in unseren Grundrechten, im Grundgesetz haben wir zwei ganz entscheidende Artikel, Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar und sie zu schützen und sie zu sichern ist das Hauptpflicht des Staates, und Artikel 3, in dem es um die Gleichberechtigung geht, dass niemand aufgrund von Herkunft, Sprache, Religion und so weiter benachteiligt werden kann und dieser Artikel wurde jetzt erweitert, dass auch niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden kann, oder darf. Und im Grunde steht das auf dem Papier. Das sind Dinge wie auch neue Systeme, aber das Entscheidende ist, das die Menschen das umsetzen müssen, und zwar bis heute. Und das merkt man, wenn man zurück blickt, das sind Gesetze und Rechte, die wurden vor Jahrzehnten gemacht und man merkt wie schwierig das ist, weil in den Köpfen der Menschen viele Dinge sich einfach sehr langsam verändern. Und da hat man eigentlich den Aspekt, der auch hier eine große Rolle spielt, bei der Documenta, die Frage, wie wird unsere Gegenwart von der Vergangenheit bestimmt und deswegen finde ich das nochmal sehr interessant. Ostermann: Ja ich wollte dazu noch mal sagen, dass nach dem zweiten Weltkrieg insofern die Psychiatrien weiterhin so funktionieren wie vorher, außer natürlich Euthanasie, aber es war ja auch architektonisch nichts verändert worden, es sind große Sääle geworden,wo wesentlich mehr Menschen untergebracht waren und sie sind teilweise Jahre, Jahrzehnte lang verwahrt worden und erst im Grunde genommen in den 70ziger Jahren, als man die Lage der Psychiatrie niedergeschrieben hat, von Fachleuten sozusagen, hat man das erste was man beschlossen hat, dass man die Krankenhausbauten verbessert werden, nicht das man etwas in die Gemeinde hinein gibt, wo der Mensch lebt, sondern dass man erst mal die Krankengebäude verändert hat, damit die Zustände sich dort bessern, aber die Frage ist, was sich gesellschaftlich in diesem Zusammenhang ändern kann. Moderator: Frau Roll, ich habe in einem Text von ihnen gelesen, da schreiben sie dass: Zitat “Wir gewinnen nicht“, und bezogen das auf die mögliche die Abkehrung bzw. sogar die Abschaffung dessen, was in Triest erreicht wurde. Gibt es momentan eine Bewegung der Rückwärtsentwicklung oder des Rückschrittes oder sogar Bestrebung des Abschaffens psychiatrischer Freiheiten? Roll: In dem Text habe ich mich nicht so explizit auf Triest bezogen. Es hat ja auch, Triest ist sicher eine Speerspitze einer Bewegung gewesen, aber es gibt auch überall, auch in Italien, es gibt sehr viele gute andere Situationen in Italien, die sehr gut gearbeitet haben und so, erstens mal glaube ich, man gewinnt diesen Kampf nie. Also entweder man macht weiter oder man gewinnt nie. Es wird nie gewonnen sein. Aber ich habe schon so das Gefühl, ja, wir haben nicht gewonnen. Es sind viele Kranke. Rotelli sagt es sind eine halbe Million Leute im Irrenhaus. Wenn sie den Osten angucken jetzt, diese ganzen Länder, was da jetzt für Zustände sind, und so weiter, es gibt auch nicht viel Kritik an dieser Geschichte, dann gibt es eine andere Sache, die vielleicht noch wichtiger ist, aber, sagen wir mal so, da wo sie riesen Irrenhäuser haben, das ist ein Problem, die andere Sache ist die, in Deutschland sind vermutlich viel weniger Leute in Irrenhäuser als vor dreißig Jahren. Aber in Deutschland gibt’s überall noch psychiatrische Krankenhäuser, es gibt Städte wie Bremen, die haben noch 700 Betten in der Psychiatrie und das ist eine Frage. Die andere Frage ist die, dass wir inzwischen kapiert haben, das es keine Mauern braucht, um Leute sozial auszuschließen. Und das man ohne weiteres ohne Mauern ungeheuer gewaltsame Praktiken anwenden kann. Und es gibt viele Leute die, es gibt heute einen großen Konsens, in Europa, in Westeuropa, von Italien nach Deutschland glaube ich, gegen Irrenhäuser klassischen Stils. Niemand verteidigt das mehr. Weder in Deutschland, noch in Italien, noch in Frankreich. Kein Mensch verweigert das mehr. Moderator: Gleichzeitig haben wir zu Beginn unserer Show eine ja sehr beeindruckende Liste von Diagnosen gehört und eine Durchdeklinierung von möglichen Krankheiten. Roll: Genau, das heißt ja, das wir nicht gewonnen haben. Moderator: Und auf der anderen Seite steht eine Liste, die wahrscheinlich ebenso lang ist, eine Liste von Medikamenten die beabsichtigen, diese Krankheiten zu heilen, oder zu lindern. Es gibt auch die Position, dass die Abschaffung der Irrenhäuser ohne Psychopharmaka nicht möglich gewesen wäre. Ich möchte das gerne an die ganze Runde geben, glauben sie, dass da was dran ist, oder wie ist ihre Haltung dazu? Roll: Da müssen wir einen Psychiater fragen, der die verschreiben kann. Moderator: Herr Rotelli? Rotelli: Ich glaube ja. Es ist nicht wahr, dass man die Irrenhäuser mit den Psychopharmaka schließt. Es ist nicht die Verteilung von Psychopharmaka, die Irrenhäuser zumacht. Moderator: Aber haben sie die Schließung ermöglicht, das war die Frage. Roll: Er sagt nein. Die Antwort war nein. Rotelli: Pharmaka sind überall und es gibt Millionen von Personen, die in Irrenhäusern eingeliefert sind und die in Irrenhäusern leben, und es gibt überall Pharmaka. In Slowenien, das ist von Triest zehn Kilometer entfernt, haben sie ein neues Irrenhaus jetzt gebaut. Und das ist ein total moderner Staat, da gibt es Pharmaka wie in Deutschland, es sind nicht die Pharmaka, die die Irrenhäuser schließen. Es ist eine politische und kulturelle Entscheidung, Irrenhäuser zu schließen und es ist ein neuer sozialer Vertrag, der geschlossen werden muss. Und ganz, ganz wenige Länder, es ist ein wahnsinnig wichtiger sozialer Vertrag, neuer sozialer Vertrag, den wahnsinnig wenige Länder in der Welt geschlossen haben. Der Fehler vieler Leute in den 60ziger Jahren, also der radikalen Bewegung ist gewesen, vieler Menschen, die daran teilgenommen haben, an dieser Bewegung, ist gewesen, zu denken, dass die Irrenhäuser obsolete Einrichtungen sind, die so veraltet sind, und so aus der Zeit raus, dass sie von allein verschwinden werden. Dass schon neue alternative Institutionen der sozialen Kontrolle gefunden werden. Moderator: Darf ich kurz, Frau Ostermann wollte dazu noch was sagen. Ostermann: Ich wollte zu den Psychopharmaka noch was sagen. Wenn es so um meine Geschichte, oder unsere Geschichte geht, als wir in den 70ziger Jahren die Sozialtherapie Kassel begonnen haben, waren wir schon auch daran orientiert, wie weit kann man Psychopharmaka abschaffen und da würde für mich schon noch mal die Frage entstehen, auch an Triest sozusagen, dass als ich dann in Triest war, schon sehr erstaunt war, dass in den Centris doch Psychopharmaka, und auch nicht wenig gegeben wird. Und das finde ich dann wieder im Widerspruch zu dem, was der Franco uns gerade gesagt hat. Rotelli: Nein, die Frage wäre die, kann man denn psychiatrische Anstalten schließen, ohne Psychopharmaka. Also um zu konkretisieren, ich glaube nicht, dass die Pharmaka ein Instrument sind, ein unerlässliches Instrument sind, um Irrenhäuser zu schließen. Meiner Meinung sind sie ein ambivalentes, ein zweiköpfiges Instrument, wahnsinnig gefährlich auch immer und riskant, aber manchmal auch nützlich. Und insofern, ich weiß nicht, wenn Sachen sich als nützlich erweisen können, dann benütze ich die, das heißt aber nicht, dass ich das Bewusstsein darüber verliere, wie ambivalent und wie problematisch Pharmaka sein können. Moderator: Ich höre gerade von der Regie, dass ich noch eine Frage stellen möchte. Eine kurze Frage, die an Herrn Rotelli geht. Nämlich, wir haben einen zweiten Ausdruck, einen zweiten Begriff in unserem Titel verwendet, den sie geprägt haben, das ist der Begriff der „Invented Institution“, der erfundenen Institution. Wie würden sie den vielleicht kurz umreißen und in welchem Verhältnis steht er zu den viel häufiger verwendeten Begriffen „Anti Institution“, „DeInstitution“ und so weiter? Rotelli: Als wir angefangen haben, das Krankenhaus zu überwinden, zu schließen, darin zu arbeiten mit dem Ziel es zu schließen, waren wir alle davon überzeugt, dass es richtig war, das zu machen. Aber dann hat sich auch sofort die Frage gestellt, ja was macht man jetzt anstelle? Wir sind an sich überzeugt, dass in einer komplexen Gesellschaft wie unserer Gesellschaft heute, man Institutionen braucht, um soziale, um praktisch alle Gesellschaftlichen Probleme anzugehen braucht es Institutionen, in einer solch komplexen Gesellschaft zu meinen, es würde sich von selbst regulieren und lösen ist unserer Meinung nach illusorisch. Eine Sache ist, die totalen Institutionen zu dekonstruieren und nicht nur die Psychiatrie als totale Institution, sondern auch die anderen totalen Institutionen. Eine Sache, eine Frage ist die, das Verhältnis zwischen Psychiater und Patient zu dekonstruieren, auch das muss deinstitutionalisiert und dekonstruiert werden. Was wir immer noch brauchen, in Bezug auf die großen Institutionen aber auch die kleinen, wie zum Beispiel die Familie, haben wir immer noch nötig, einen großen Demokratisierungsprozess vorzunehmen. Im Verhältnis von Männern zu Frauen, im Bereich der Medizin generell, überall eigentlich. Die Medizin hat sicher viel zu viel gemacht, in der Gesellschaft. Neue Institutionen zu erfinden, heißt Situationen zu erfinden, in denen die Machtverhältnisse verschoben werden, in denen die, die vorher keine Macht hatten, Macht bekommen. Und dazu braucht es Organisation. Das können auch Bänke sein, die aus Schnee gemacht sind, wie die von Bertolt Brecht, die im Frühling dann schmelzen, aber um die Leute mit geistigen, mit seelischen Problemen, die in der Stadt leben, zu verteidigen, muss man Dienste aufbauen. Denen muss man helfen, da muss es eine Organisation geben, die ihre Existenz in der Stadt verteidigt, damit die nicht ausgeschlossen werden. Moderator: Vielen Dank, entschuldigen sie bitte, dass ich sie so harsch unterbreche, trotzdem als Schlusswort, denn wir möchten gerne, bevor wir die heutige Show beenden gerne noch unsere Zwei Hausdoktoren zu Wort kommen lassen. In dieser Zeit werde ich die Abschlussmusik für unserer fulminantes Grand Finale heraus suchen. (The end titles appear written on the text projected, while Jutta and Marcelina play the last part of their theater piece) THE STEAL ME SHOW RADICALISM IN SOCIETY MEETS EXPERIMENT ON TV A PROJECT BY DORA GARCIA CAMERA JÖRG RÜCKEL SOUND HANNES KUCHENBECKER LIGHT: TONDIREKT VIDEO FILMING AND BROADCASTING: OFFENER KANAL KASSEL PROFESSIONAL AUDIENCE: THEATER CHAOSIUM YOUR HOST TODAY WAS: JAN MECH A PRODUCTION OF DOCUMENTA 13 -­‐ Dear colleague, I am still waiting for your rapport regarding the new patient. -­‐ I am sorry to say I did not reach a conclusion. Don Quixote seems to be very resistant to psychopharmaca and he lacks all insight in his own psychose. -­‐ What about his friend? -­‐ We are in red alert. His appetite knows no bounds. He simply ate it all, including the vegetables used in the farming therapy. -­‐ When nothing else works, then we can always try the paradoxical intervention. -­‐ The patients themselves are a big paradox. -­‐ A paradox can only be fought with another paradox. We must force them into normality! -­‐ I see, and how does that work practically? I was never very good in riddles. -­‐ This is no riddle, but a metaphor! Didn't you study psychology? If logic is not working, you must use your phantasy! -­‐ Phantasy? I make diagnoses, I practise. -­‐ The Greeks knew it well: only a proper Drama produces true Catharsis. -­‐ I see. You mean we have to go where the patients really are. -­‐ And where are they exactly? -­‐ In a Drama! -­‐ You got it. We are in a Drama, the Steal Me Historical Novel. Let's go to the land of Don Quixote, with giants, magicians and Dulcineas. That is praxis. -­‐ And experience! -­‐ We will be successful. (Dancing music begins) Hey ho, let's go Hey ho, let's go Hey ho, let's go Hey ho, let's go They're forming in straight line They're going through a tight wind The kids are losing their minds The Blitzkrieg Bop They're piling in the back seat They're generating steam heat Pulsating to the back beat The Blitzkrieg Bop Hey ho, let's go Shoot'em in the back now What they want, I don't know They're all reved up and ready to go They're forming in straight line They're going through a tight wind The kids are losing their minds NEXT STEAL ME SHOW FRIDAY 31 AUGUST Politics, Performance and the Right to the City Matthias von Hartz, Christoph Twickel