© Helga Beyersdörfer

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© Helga Beyersdörfer
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Leseprobe
( aus einem Beitrag anlässlich einer Festveranstaltung in
Großsachsen/Bergstraße Juli 2008) © Helga Beyersdörfer
Wenn schon, dann ein fifs oder Wie man cool altert
Sie werden weltweit an exotischen Stränden, in unzähligen Museen, auf
hohen Türmen und zwischen altem Gemäuer gesichtet. Sie trotzen Sonne,
Wind und Wellen, erproben am eigenen Leib die Wirkung fremdländischer
Speisen und asiatischer Heilkunst, sie halten sogar die Betten in Frankreich
aus, zu Hause erfreuen sie den libanesischen Kellner ihres LieblingsItalieners mit einer Bestellung in fließendem Italienisch. Kurz: sie sind
Best of Best ager. Wer das jetzt nicht versteht, ist nur ein Senior und braucht
dringend ein update. Ich habe mich vorsichtshalber schon mal umgesehen
und mir ein paar Gedanken über modern aging gemacht.
Gelegentlich gerate ich in Verdacht, das neudeutsche Vokabular nichtzu
kennen, nur weil ich es nicht oder kaum benutze. Das liegt daran, dass ich
Wortmelodie und Vielfalt der deutschen Sprache wirklich liebe, ihre
mutwillige Verstümmelung treibt mich die Wände hoch.
Das heißt noch lange nicht, dass ich auf Thomas- Mann- Deutsch poche
(who the hell ist Thomas Mann?), es heißt erst recht nicht, dass ich die
notwendige Entwicklung und Veränderung verkenne, der jede Sprache
unterliegt. Es heißt nur, dass ich nicht anstandslos bereit bin, jeden
Sprachmüll zu akzeptieren, nur um zu zeigen, wie dicht ich dran bin am
Zeitgeist.
Andererseits sollen Sie mich jetzt nicht für altmodisch halten oder gar
unflexibel. Bin ich nicht, kann ich mir auch gar nicht leisten. Denn erstens
wäre die Kommunikation mit Jüngeren stark eingeschränkt oder nur noch
mit Untertiteln möglich, zweitens würde ich kaum noch eines der vielen
wohlmeinenden Angebote verstehen, Verzeihung, checken, die mir täglich
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ins Haus flattern. Mein Bank zum Beispiel hat mich neulich wissen lassen,
dass sie mich als Best-Ager in meiner Onlinebereitschaft unterstützen will,
indem sie ihr Web- Angebot auf meine Silver- Surfer- Bedürfnisse
abstimmen will. Alles klar. Ich soll als User für Online- Banking installiert
werden und auch endlich mal über meinen Schatten springen und das
Internet zur Geldanlage nutzen. Andere Best- Ager machen das schließlich
schon längst, mehr als ein Viertel aller Bankkunden, die das Internet zur
Geldanlage nutzen, sind über 50 Jahre alt. Besonders beliebt in dieser
Altersklasse ist das Onlineshopping, mehr als 70 Prozent der Silver- Surfer
kaufen im Internet ein. Gut 20 Prozent gelten sogar, jetzt halten Sie sich
fest, als Heavy Shopper.
Ja, so sieht es aus. Weltweit wächst die Zahl der über 50- jährigen, bei uns
gibt es heute zwei Millionen mehr davon als noch vor vier Jahren. Das
Marketing reibt sich die Augen, hallo, aufstehen, der demografische Wandel
ist da.
Die Tourismusbranche bereitet sich schon auf Nahlust statt Fernweh vor, in
Berlin eröffnet die erste Notebook- Akademie für “junge Alte”,
Modemacher bekennen widerwillig, dass die Kaufkraft der Best- Ager nicht
spurlos am Design vorbeigehen wird und die Autohersteller wissen aus
einer gerade veröffentlichten Verbraucheranalyse, dass zwei Drittel ihrer
potentiellen Kunden, die in den kommenden zwei Jahren einen Neuwagen
anschaffen wollen, über fünfzig sind. Da wird es bald ordentlich piepen auf
Deutschlands Straßen.
Sehr beruhigend finde ich auch, dass die Erfinderin der TV- Kultserie “Sex
and the City” sich mittlerweile zwar nicht vom Genre, aber von der
Altersstruktur abgewendet hat und nun Protagonistinnen antreten lässt, die
mit ihrem Coming-of-Age-Prozess fertigwerden müssen, weil sie alle 40Somethings sind. So habe ich es jedenfalls gelesen. Ohne ein Grundwissen
in Neudeutsch hätte ich auch diesen bahnbrechenden Artikel nicht
verstanden.
40- Somethings müssen Sie übrigens fortisamsings aussprechen und wenn
Sie noch zehn Jahre drauflegen, dann sind Sie bei fiftisamsings, was schon
irgendwie smarter klingt als 50plus. Noch höher geht übrigens nicht. 50plus
sind alle über 50, auch die über siebzig. Junge Alte sollt Ihr sein, sagt der
Lifestyle und sagen die jungen Alten selbst, wobei sie entschlossen mit
ihren Nordic-Walking-Stöcken jeden Zentimeter deutsche Erde umpflügen.
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Wir alle sind also fiftisamsings, entweder demnächst oder sogar schon seit
geraumer Zeit, weswegen wir diesen Begriff eigentlich für unsere weitere
Konversation übernehmen könnten, wenn Sie wollen. Nur ist er ein wenig
lang, was aber nichts macht, dann kürzen wir eben, kürzen ist angesagt. Was
halte Sie davon, wenn wir die Fiftisamsings einfach eindampfen auf Fifs.
Das ist prägnant, klingt flott, ist hoffentlich auch politisch korrekt und ist
leicht zu behalten, was ja für diese spezielle Zielgruppe nicht verkehrt ist.
“Ich bin ein Fifs” klingt außerdem als Antwort auf die lästige Frage nach
dem Alter allemal besser als “ich werde in zwei Wochen sechsundsechzig”,
das müssen Sie zugeben. Sogar schlagzeilentauglich ist unser neues
Schlagwort, ich habe es ausprobiert. Vergleichen Sie mal folgende
Schlagzeilen: Ultimativer Trash für Fifs oder Ultimativer Trash für die
Generation 50 plus. Die erste Version, unsere, ist eindeutig flippiger. Die
zweite Version, so real erschienen in der „Welt am Sonntag“, kommt ein
wenig trutschig daher, denn während man bei unserer Zeile wenigstens
überhaupt nicht versteht, worum es geht, assoziiert man bei der tatsächlich
erschienenen Zeile sofort verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel oder
Betrug beim Zahnersatz. Was aber beides dem darunter stehenden Artikel
nicht gerecht wird, denn da geht es, was man der Headline jetzt nicht
unbedingt ansieht, um Literatur. Langweilig, denken Sie? Nö, hochaktuell.
Mit „Trash“ sind nämlich die Bücher des Günter Grass gemeint, der
geheiligten Kulturikone der 68iger, dem jüngeren Publikum allenfalls noch
bekannt als Nobelpreisträger mit der besten Tangoperformance seit es den
Nobelpreis gibt. Der Vorzeige– fif Grass ein Trash - Produzent?
Wer jetzt die Schultern zuckt und meint, da habe irgendein Bürschchen mit
Gesamtschulabitur, Leistungsfach Sackhüpfen, in der „Welt“ mal die Sau
rausgelassen, der irrt gewaltig. Der Grass-Beschimpfer, und das ist das
Schöne, ist auch ein fif. Alt-Achtundsechziger gegen UraltAchtundsechziger – die Generation der amtierenden Alten ist kämpferisch.
Schon spricht der „Spiegel“ von der Opa –Apo und malt sich genüsslich
aus, wie sie mit Säbelrasseln aufeinander losgehen. Die ersten
Schützengräben sind ausgehoben, nur mit den Slogans hapert es noch. „Wer
zwei Mal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ könnte an
technischen Problemen scheitern, und „Traue keinem über dreißig“ klingt
irgendwie nicht mehr richtig.
„Traue keinem unter 50“ kommt schon besser, oder wie wäre es mit „alle
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Macht den Alten“. Natürlich müssen wir das jetzt noch in Neudeutsch
übersetzen. Um keine Zeit zu verlieren, schlage ich schon mal vor, das
Skandieren wieder einzuüben. Wir behalten den Takt von Ho- Tschi- Min
bei, ändern aber um in go-fifs-go. Na also, geht doch.