die firma - Sneakers etc.
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die firma - Sneakers etc.
Die Firma Milliardengeschäft und Mythos zugleich: die abenteuerliche Erfolgsgeschichte des größten Sportwarenherstellers der Welt. Von Moritz von Uslar Die Firma.Diesen Sonntag endet das Geschäftsjahr 1997/98 - dann hat sie neun Milliarden Dollar umgesetzt, vielleicht ein bißchen mehr.Neun Milliarden.Das ist eine Neun, dahinter kommen neun Nullen. Eine Firma übrigens,die immer gute Laune hat. Die mit den wunderbar gelaunten Sprüchen „There is no finish line“,>„Just do it!„ und „I can“ für sich wirbt. („I can“ klingt nicht so aggressiv wie „Just do it!“ Vielleicht ist das für die Ewigkeit, die nicht länger als ein Geschäftsjahr anhält,sogar der bessere Werbespruch, mal sehen).Eine Firma,für die weltweit 22 000 Menschen arbeiten;auf dem „Campus“,dem Sitz der Firma in Beaverton im US-Bundesstaat Oregon, wo die Gebäude aus Glas und Stahl sind und „John McEnroe Building“ heißen,“Nolan Ryan Building“ und „Bo Jackson Fitness Studio“,sind 5000 Mitarbeiter stationiert.Sie sind im Durschnitt 29 und fahren Audi, bevorzugt den Audi V8,weil Audi ein ziemlich cooles Auto ist,nicht nur in den USA. Eine Firma,die den Namen der griechischen Siegesgöttin trägt,die in Kunst geflügelt und meist schwebend dargestellt wird-mit einem Palmzweig in der Hand winkt sie den Göttern.430 vor Christus wurde ihr auf der Akropolis ein Tempel erbaut.Eine Firma,deren Namen man korrekt,also amerikanisch,und unkorrekt aussprechen kann (korrekt ausgesprochen wird das >>i<<zu „ei“,das „e“ zu „i“).Eine Firma,die eine Menge Menschen hassen und eine Menge Menschen lieben und noch mehr Menschen schlichtweg für die beste in ihrem Fach halten:Das zählt. Menschen zählen.Schuhe zählen.Sport zählt.Namen wie Bill Bowerman,Jeff Johnson,Steve Prefontaine,Frank Rudy und Michael Jordan zählen - und ein Mann namens Phil H.Knight: Das Magazin Vanity Fair rechnet ihn zu den 65 einflußreichsten Menschen der Erde,sein Privatvermögen wird auf 5,8 Milliarden Dollar geschätzt.Er ist der Kopf der Firma,die Seele,der Motor und ihr Gründer,der Officer,wie man auf amerikanisch sagt,oder wie es auf geschäftsamerikanisch heißt,der Chairman of the Board and Chief Executive Officer,kurz CEO;Phil Knight ist Hauptaktionär der Firma,das heißt,ihm gehören 51 Prozent.Er ist mit einer prima Frau verheiratet,die Penny heißt und zusieht,daß ihr Mann wenigstens am Wochenende zu seinem Hobby,dem Langstreckenlaufen,kommt.1998,das Jahr,in dem die Fußballweltmeisterschaft in Frankreich ausgetragen wird,zählt natürlich auch.Die Firma heißt Nike. Wo willst du anfangen? Beim Basketball? Beim Frauen-Fußball? Beim Marathon? Wähle 001/503/6716453,dann bist du mit der Firma verbunden,die alle Geschäftskorrespndenz - andere gibt es nicht bei Nike-per E-Mail regelt.“Nike headquarters! Wir verbinden sie gleich weiter.Ihr Anliegen ist absolut wichtig für uns!Bitte legen Sie nicht auf!LEGEN SIE NICHT AUF!“ So meldet sich der größte Sportwarenhersteller der Erde.Die reden alle gern bei Nike,bevorzugt über ihre Firma,egal ob du mit John Hoke(Jahrgang 65,sein Titel:Global Creative Director of Image Design) verbunden bist,mit Gordon Thompson III(Jahrgang 62,Vice President of Footwear,Apparel,Equipment,Image and Retail Design),mit Keith Peters (Jahrgang 51,Director of Communications)oder mit Nelson Farris(Jahrgang 41);der Mann hat keinen Titel mehr nötig,weil er von Anfang an bei der Firma war,mit ihr älter,weiser,reicher und immer relaxter geworden ist,ohne dabei seine Angriffslust zu verlieren.In 25 Jahren wurde Farris zu Knights Vertrautem,natürlich nicht zu seinem freund.Das sind alles Stimmen,denen man die absolute Verwunderung darüber anhört,daß der Menschen noch das Telephon benutzen. Die Geschichte geht etwa so: Ein Mann hatte den genialen Einfall,hochkarätige Sportschuhe in den USA entwerfen und in Asien produzieren zu lassen - um sie schließlich welteit billiger zu verkaufen und so die Vorherrschaft deutscher Sportartikelhersteller zu brechen.Über diese Theorie schrieb Phil Knight 1962 an der Standford Business School sein Wirtschaftsdiplom,machte Ernst damit und wurde Milliardär. Oder so:Adidas und Puma,die brüderlichen Konkurrenten aus dem fränkischen Herzogenaurach,die einst Adolf(gestorben 1978) und Rudolf(gestorben 1974) Dassler gegründet hatten,sind mit insgesamt 95 Prozent Marktanteil und einem Umsatz von 2,5 Milliarden Mark der weltgrößte Hersteller von Sportschuhen und -bekleidung.Das war 1980,ein Jahr,das Adidas nicht vergessen wird,weil damals der Abstieg zur Nummer zwei begann.“Das ist das Problem einer Monopolstellung“,erklärt Nelson Farris,“du fängst an zu denken,du seist gut.Du mußt dich daran erinnern,daß dich jeder überholen kann.“Keith Peters:“Wir sind der Underdog,wir identifizieren uns mit dieser Rolle.Egal,wie gut wir sind,wir müssen besser sein.“Phil Knight:“Wir hassen Adidas nicht,woher denn? Wir wollen nur mehr Schuhe verkaufen.“Knight grüßte also den Marktführer, und „wie eine Dampfwalze machte Nike den Markt platt“,(Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus,1977). Die Geschichte könnte nochmal anders gehen: Ein Mann kannte einen,der eine Idee hatte,und dann hatte er selbst noch zwei.Vielleicht zweieinhalb.In der Zwischenzeit aber hatte er einen Stab guter Leute aufgebaut,deren Job es war und heute ist,gute Ideen wie am Laufband zu produzieren und diese - man stellte sich eine mit Sauerstoff, Koffein und Vitamintabletten vollgepumpte Tarantel vor! - aggressiv zu vermarkten. Das ist im allgemeinen der Lauf jeder extraordinär erfolgreichen Firmengeschichte. Phil Knight wird die deutsche Volksweisheit“Wer den Pfennig nicht ehrt,ist des Talers nicht wert“nicht kennen - sein Märchen wird in Dollar abgerechnet;es spielt in der guten neuen Zeit.Knight wollte die Dollars,und selbst das ist nicht sicher.Er legt heute wenig Wert darauf,Manager der Firma zu sein,Geschäftsmann,Selfmademan das alles ist Phil Knight.Und er ist Athlet.Was „Athlet“ in seinem Geschäft bedeutet,bleibt ein Geheimnis,das er so oft und gern ausplaudert,daß es sich immer wieder mit Bedeutung auflädt.Okay es ist für Knight,“risk takter“ genannt zu werden, also einer, der jeden Tag neue Fehler macht und so sich selbst und die Geschäfte in Bewegung hält. Phil Knight sagt:“Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“ Die Aufgabe lautet:“Wir sind Athleten und wissen deshalb um die Probleme der Athleten.“ Die Lösung:“Wir halten uns deshalb überlegen,weil wir unsere Ausgangsbasis nicht in der Schuhfabrikation haben.Wir sind Athleten,die Schuhe machen.“ Ach ja? „Ja. Nike ist für Leute ,die wirklich Sport treiben.“ Phil Knight sagt auch:“Entspannung ist das A und O.“Warum? „Das liegt an der Beschaffenheit der Gelenke.Man kann nicht schnell laufen,wenn man verkrampft ist.“ Der Sport bewege alle Menschen, so eine von Phil Knights häufig zitierten Ideen, er sei das Herz unserer Kultur. Über die Fiktion einer Welt,die von Athleten beherrscht wird,gerät er ins Schwärmen: “Es wäre ein gesunder Ort. Einr Welt voller Menschen, die ihr Leben in die Hand nehmen, die stolz auf ihre Taten sind, ob im Sport oder im Geschäft. Es wäre ein friedlicher Ort. Meinungsverschiedenheiten würden auf den Sportplatz ausgetragen, Kriege wären überflüssig. Es wäre eine bessere Welt, denn wir glauben daran, daß der Wettkampf aufs Spielfeld gehört.“ Talking big, talking Nike, talking Phil Knight Style. Kann man einen phantastischeren Quatsch zusammenreden? Nein, die Sprüche sitzen, zumindest, was den Sportwarenmarkt betrifft:Seit 25Jahren verkauft Nike Schuhe - mit einer Sprachregelung: “Athlet“ übersetzt sie Firma mit „Kunde“.So wird allein der Ausschluß ausgeschlossen, der Rest ist eingeladen,dabeizusein. „Ob ich rauche? Nein, ich rauche nicht“, sagt John Hoke, “aber ich war am College ein passabler Crossfield-Läufer, laufe heute noch jeden Tag und spiele Basketball. Teamwork habe ich in diesem Spiel gelernt.“ Gordon Thompson III: “Ich laufe jeden Tag, aber das ist nichts Besonderes. Alle Nike-Mitarbeiter machen irgendeinen Sport.“Keith Peters fragt am Telephon: “Du gehst zu Fuß zur Arbeit? Okay, dann bist du ein Athlet. Du überwindest dich, du stößt an deine Grenzen. Nur im speziellsten aller Fälle kann diese Grenze ein Weltrekord sein. “Knight, der im Februar seinen Sechzigsten feierte, soll die Marathondistanz in weniger als drei Stunden laufen, wer weiß? Nike Athleten sind Nike-Athleten, sind Nike-Mitarbeiter, sind NikeKunden, sind wir, sind alle, ist die Welt. Muß doch eine schöne Aufgabe sein, für 5,8 Milliarden Menschen Schuhe herzustellen, das braucht natürlich ein bißchen. 1972, im Gründungsjahr, setzte Nike zwei Millionen Dollar um. “Wir waren Kinder der Sechziger, vom Spaß motiviert, nicht vom Geld“, erinnert sich Nelson Farris, “denn verdammt, das vergessen die Leute“ - das mit dem Geld war furchtbar. Wenn wir es bis zum Ende des Jahres schaffen würden, könnten wir ein 25-Millionen- Dollar-Unternehmen werden, so weit konnten wir sehen. Phil hatte eine größere Vision, er sah ein 100Millionen-Dollar-Unternehmen,hahaha!“ 1975 hatte Phil Knight die Ehre, im Team von Bill Bowerman, dem Trainer der University of Oregon zu laufen. Phil ist der Sohn eines Rechtsanwalts; er langweilt sich oft; er sieht nicht etwa gut aus, sondern hat Glupschaugen, milchige Haut und O-Beine, er gilt als schüchtern und verkrampft und vermeidet es, in die Sonne zu gehen; seine Mitschüler nennen ihn Buck oder The white Mole, den weißen Maulwurf. Immerhin läuft Phil die Meile in vier Minuten und zehn Sekunden, bloß war laufen damals nicht cool. Farris: “Es war, genaugenommen, überhaupt keine Sportart. Laufen war der Sport für Jungen, die keinen Ball werfen konnten. “Aber dieser Bill Bowermann war ein Lauftrainer, und er verlangte Respekt. Seine Jungs durften ihn nicht Coach nennen. Statt dessen bestand er auf der Anrede Prfessor of Competitive Response, was sich im Deutschen mit “Herr Professor Panzerfahrer“ übersetzen läßt. Er war dieser „breite,kräftige,harte Kerl“, gut einen Meter neunzig groß, und er hatte „diese unheimliche Art drauf, fest an sich, den Sport und seine Jungs zu glauben“. Er brachte den Jungs bei, was ein Wettkampf ist, nebenbei unterhielt er eine kleine Lederwerkstatt. Bill hatte es sich in den kopf gesetzt, daß Laufschuhe federleicht zu sein haben. Sein Spruch war: “Don´´t give anything away. Never make it easy for the guys you´´re trying to beat“, was so viel bedeutete wie: “Jungs, ich will euch kämpfen sehen. “Heute wird der Spruch, als Dreizeiler layoutet, im Nike-Katalog zitiert. Phil und Bill kamen gut miteinander klar, obwohl der Maulwurf nie eine Medaille herauslief, geschweige denn einen Rekord. 1962 war das Jahr, in dem Phil Knight für seine Diplomarbeit die Note A bekam und nach Japan reiste. Dort fand er „freundliche Menschen, die sich zauberhaft einrichten“; er bestieg den Fuji, einen Viertausender, von dem die Japaner sagen, daß er seine Bezwinger als weise Menschen zurückkehren läßt. „Sie sprechen heute alle vom Einfluß, den Japan auf mich hatte, angeblich heute noch auf mich hat“, sagt Knight, “tatsächlich haben wir uns nur einige ihrer Konzepte geliehen: Japan geht den Weg des Teamgeists. Lies die Sprache des Sports, da hast du es. Dafür mußt du nicht nach Tokio gehen. “Zurück in Oregon, beschloß Knight, Turnschuhe der Firma Asics Tiger aus Köbe zu impotieren. Derweil hatte Bill weiter Schuhe zusammengenäht und einzelne Modelle testweise in Produktion gehen zu lassen. Mit jeweils 500 Dollar gründeten Phil und Bill die Firma Blue Ribbon Sports(BRS). Phil war der zornige Junge, Bill der zornige Alte, Jahrgang 1912. Es floß Geld, für den Anfang 200 Dollar, 1969 schon 300 000, aber Bowermann hatte bald keine Lust mehr. Mit dem Modell “Cortez“ hatte er einen Laufschuh konstruiert, mit dem der Langstreckenläufer Kenny Moore einen Weltrekord aufstellen und der für Tiger der Verkaufsschlager des Jahres 1968 werden sollte. Farris: “Er saß da und brüllte uns an, daß seine Athleten bessere Schuhe bräuchten. Er erkundigte sich unterwegs bei seinen Jungs, nach ihren Ansprüchen, ihren Bedürfnissen, und sie erklären ihm, daß sie eine Sohle bräuchten, die ihnen auf der Hartgummibahn einen besseren Antritt geben würde. Bill war ein Verrückter, das aber mit dem Herzen und dem Verstand eines Ingenieurs.“ Es war 1971, das Jahr, in dem die Design-Studentin Carolyn Davidson für ein Gehalt von 35 Dollar eines der simpelsten und meistgenutzten Logos der Industriegeschichte schuf, nur vergleichbar dem Mercedes-Stern:der Nike-“Swoosh“, ein geschwungener Haken, der Sporterzeugnisse seither als korrekt, zumindest aber als Nike-Produkt ausweist. Knight setzte mit BRS mittlerweile zwei Millionen Dollar um, so viel, daß die Japaner verlangten, er möge ihnen 51 Prozent seiner Gesellschaft übertragen oder die Importgesellschaft werde aufgekündigt. Knight lehnte ab, fand in Taiwan und Südkorea neue Hersteller, und Tiger stoppte wenig später die Lieferungen. Im Dezember 71, es war Sonntag, hätte man zu gern Bill Bowermans Gesicht gesehen: Es muß ein Gesicht der Erleuchtung gewesen sein, das viele Milliarden Dollar sieht. Seine Frau war in der Küche, als sein Blick auf ein Waffeleisen fiel, das Waffeleisen seiner Frau - nicht mehr, nicht weniger. Was Bill sah, war der perfekte Laufschuh von unten. Man müßte wohl Bill mit Vornamen und Bowerman mit Nachnamen heißen, um das Folgende zu verstehen - jedenfalls groß der Alte Hartgummi in das Waffeleisen, war noch nicht zufrieden, stellte eine Grußform her, die die negative Oberfläche des Waffeleisens bildete, und goß noch einmal Gummi nach. Das war die Geburtsminute der Firma Nike: Der erste Läufer, der Bowermans Waffelsohlen-Schuhe trug, war ein Kerl namens Marc Covert. Beim Marathon im olympischen Ausscheidungswettkampf der US-Athleten 1972 in Eugene/Oregon belegte er mit zwei Stunden, 13 Minuten den siebten Platz. Und Bowerman fand zu seinem berüchtigten Humor zurück: “Ein guter Schuh“, dozierte er,“ist wie eine Vagina. Von außen macht er nicht viel her, aber wenn du drinsteckst, fühlst du dich wunderbar.“ Bill war kein Politiker, kein Denker, kein Entrepreneur; er hatte kein Problem damit, nicht der Boß zu sein; er wollte den Halbtagsjob, lieber blieb er bei seinen Schuhen. Bill und Phil hatten ein LehrerSchüler-Verhältnis, und das haben sie noch heute, wenn der 85jährige Bill seinen Frieden sucht und auf Waffelsohlen in den Wäldern von North Dakota zur Jagd geht. Farris: “Er brachte der Firma bei, daß die simplen Ideen oft die besten sind. “Stop.“ Er brachte der Firma bei, was ein Wettkampf ist. “Stop.“ Bill lehrte uns, daß die Liebe zum Sport - nur diese Liebe - uns das Recht, den Mut und die Kraft geben würden, die besten Schuhe, die beste Kleidung,die beste Ausrüstung für Athleten herzustellen. “Phil Knight: „Nike akzeptiert die zur Zeit gültigen Rekorde nicht. Was uns von den anderen unterscheidet, ist unsere Verbeugung vor den Athleten, dem wir helfen wollen, schneller, weiter, länger zu laufen, auch im Regen zu laufen, weiter zu werfen, höher zu springen als je zuvor.“So spricht nicht etwa ein Trainer, so spricht ein Sportwarenhersteller: “Wir sind nicht zufrieden damit, wo Athleten heute sind. Wir wollen ein Teil der Zukunft der Athleten sein. “So sprach Bill Bowerman. Klar, daß Nike es sich nicht nehmen ließ, ihren Bill zu einer Legende aufzubauen. Sie nennen ihn den Innovator. Ein Junge namens Jeff Johnson war Nikes erster Angestellter. Am Morgen, an dem die ersten Schuhkartons beschriftet werden sollten, schlug er den Namen Nike vor und setzte sich damit durch. Die anderen hatten von einer Siegesgöttin noch nie gehört, schon gar nicht von einer Griechin. Farris: “Phil wollte das Unternehmen Dimension Six nennen. “Dimension Six?“ Yes. Eins: der Fan, zwei: der Wettkampf, drei: die Arena, vier: die Athleten, fünf: die Ausrüstung, sechs: die Medien - kapiert? Das ist die sechste Dimension von Sport. Knight fuhr auf solchen Blödsinn ab, die Sorte Überlegung.“ In Santa Monica/Kalifornien eröffnete Johnson Nikes ersten Laden, eigentlich nur einen Bretterverschlag. Er haßte die Vorstellung, ein Verkäufer zu sein, also wurde er etwas anderes: Er saß in Trainerstuben und Turnhallen herum und hörte sich die Sorgen der Läufer an: “Training, Verletzungen, Rennen, Klatsch, welche Schuhe die Läufer genau brauchten. Im Gegenzug erzählte er ihnen, was sie haben konnten. “Er war arrogant, aber ehrlich“, erinnert sich Farris. “Wir zeigten ihm unsere Schuhe, und sein Job war es „Bullshit“ zu sagen, wenn ihm etwas nicht gefiel, und Jeff nahm kein Blatt vor den Mund.In den USA nennt man das >bullshit caller<. “1982 wurde Jeff das Unternehmen zu groß, er nahm seine Millionen und verschwand; heute trainiert er in New Hampshire ein College-Team und freut sich daran, daß einer Menge Menschen zu Nike heute immer noch keine Siegesgöttin, sondern ein Sportschuh einfällt: Das ist Jeffs Verdienst. Er war Nikes erster Public-Relaitions-Mann. Sie nennen ihn den Communicator. --------------------------------------------------------Als die ersten Kartons beschriftet werden sollten, schlug der Angestellte Jeff Johnson den Namen Nike vor. 1982 wurde ihm das Unternehmen zu groß, er nahm seine Millionen und verschwand. Nikes erster Athlet von Rang war der 2000- und 10 000-Meter-Läufer Steve Prefontaine. Bill nannte ihn Pre, seine Fans hießen Pre´s People. „Ein kleines Kind, vielleicht ein Meter sechzig groß“, erzählte Nelson Farris, „aber er brachte unglaubliche körperliche Fähigkeiten mit. Er war ein Pionier dieser Sportart, ein enormes Idol, der beste Mittelstreckenläufer, den Amerika je hatte.“ Als Amateur der University of Oregon durfte Pre von Firmen kein Geld annehmen (Farris: „Es gab damals dieses lächerliche Gesetz in den USA, das Sponsoring für Sportler verbot. „), also deckte ihn Knight mit Alibijobs ein, die er großzügig entlohnte. 1972 in München war Pre nur knapp an der Bronzemedaille vorbeigelaufen, also träumten Bill und Phil davon, ihr Kind 1976 in Montreal mit ihren Waffelschuhen an den Start zu schicken. Aber Pre starb 1975, mit 24 Jahren, bei einem Autounfall. Natürlich baute die Firma das Kind zu ihrem James Dean auf; so einer hatte ihnen noch gefehlt. Sie ließen Pre sein Vermächtnis sprechen: „To give anything less than your best is to sacrifice the gift.“ (Weniger als alles zu geben, heißt nichts zu geben.) Womit das Kind uns wissen läßt, daß Sport ein Spiel ist, aber immer eins mit Folgen. Es war nicht Pre, der für Nike wichtig war, sondern sein Typus eines Athleten, der kämpft, rebelliert, um alles in der Welt siegen will. Und Nike-Schuhe trägt. Pre sollte längst nicht so berühmt und erfolgreich -werden wie seine großen Nachfolger, der Baseballspieler Bo Jackson, der Läufer Carl Lewis, der Basketballer Michael Jordan, der Tennisspieler André Agassi, der Golfer Tiger Woods, der Fußballer Ronaldo. Aber er machte diesen Weltklassesportlern vor, daß sie mit Nike Millionen verdienen konnten. Er zeigte Nike, daß Weltklassesportler Milliarden wert sind. Pre war vor ihnen da. Er ist Jordans, Tigers, Ronaldos großer Daddy. Sie nennen ihn den Athleten. Der „risk taker“, der Innovator, der Communicator, der Athlet: So schreibt man Firmengeschichte. Ob sie die Wahrheit erzählt oder doch nur eine Wahrheit - die des unaufhaltsamen Aufstiegs eines Laufschuhherstellers aus Oregon zum größten Sportwuenhersteller der Erde? „Die Wahrheit ist“, sagt Nelson Farris, „daß Pre da oben im Himmel unsere Schuhe trägt. Er trägt Rudys Luftkissenschuhe, da bin ich sicher, und poppt damit über die Wolken.“ Dieser Frank Rudy war ein langer, schlaksiger Kerl, ein Denker, Physiker, ehemaliger NASA-Ingenieur, nicht die Spur von einem Athleten. Mit einer 100-Millionen-Dollar-Idee auf einem Blatt Papier war er 1977 zu Nike gestoßen, Adidas und New Balance hatten abgelehnt. „Das Problem, der Siebziger“, so Farris, „war ein Stoff namens EVA. Er steckte in den Sohlen aller Sportschuhe und wurde hart mit der Zeit, nach jedem Rennen konntest du deine Schuhe wegschmeißen.“ Nikes Feind war EVA. Rudys Feind war EVA. Die beiden kamen zusammen. In die Sohle steckte Rudy zwei mit Gas gefüllte Kissen, die sich bei jedem Sprung, jedem Auftritt, jeder Belastung zusammenzogen und wieder aufpumpten: Das tun Nikelaufschuhe noch heute. Farris: „Wir flunkerten ein bißchen. Die neue Sohle nannten wir >Nike Air<, obwohl eine Gasmischung in den Kissen steckte. „ Mit Rudys Patent entwickelte Nike 1979 das Modell „Tailwind“, 1985 den ersten AirJordan-Schuh, 1987 das Modell „Pegasus“, einen Nike-Klassiker, der sich fünfmillionenmal verkaufte. Nikes Bestsellerserien „Air-Max“ (1987) und „Zoom-Air“ (1995) gehen auf Rudys Patent zurück, aber aus irgendeinem Grund mochte die Firma den Wissenschaftler nicht: „Er sprach Kauderwelsch. Wir zwei unterhalten uns gerade, nicht wahr? Mit Rudy war das nicht möglich. Wir sperrten ihn in einen Schrank, ließen ihn raus, damit er uns seine Tricks verriet, dann kam er wieder in den Schrank. „ Seinen Kumpel Bowerman läßt Knight noch heute einfliegen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen, und Bill, so erzählt man sich, haut mit der Waffelsohle auf die Tischkante, wenn einer der Herren zu leise spricht. 1974 wurde Bowermans Waffle Trainer als erstes NikeProdukt der meistverkaufte Laufschuh in den USA; 1975/76 setzte das Unternehmen 14 Millionen Dollar um. Von den neun Athleten, die Nike zu den Olympischen Spielen nach Montreal schickte, gewann keiner eine Medaille, was absolut okay war. Farris: „Wir waren nur dort, um uns Adidas anzuschauen, die waren so stark, allgegenwärtig, die absoluten Kings.“ Sport ist Spannung - also beschloß Nike, Sport zu sein. Die Stimmung stimmte. Wer wen stark gemacht hat, reich und berühmt - die Firma das Image oder andersherum -, läßt sich im nachhinein kaum ausmachen. Nikes erste Zeitschriftenanzeige von 1980, ein Schwarzweißbild, zeigte drei lachende Freaks mit Bärten, Schlaghosen, Reisetaschen und Sonnenbrillen auf Flughafenbänken abhängen. Es spricht eine lässige Verspieltheit aus diesem Photo, die Zuversicht, zur richtigen, der Gewinnerseite zu gehören und sich das selbst erkämpft, erarbeitet, erspielt zu haben. Von alldem ist in NikeSpots heute noch etwas zu sehen. Aber Knight mochte diese Anzeige nicht; es waren keine Sportler sondern Nike-Angestellte darauf zu sehen. Er stichelte, er wollte kämpfen, er machte Dampf. Sein Selbstverständnis war das eines Guerillakämpfers, der schon deshalb im Recht ist, weil er und seine Getreuen in der Minderheit sind. Er würde siegen, er war der technisch, denkerisch und moralisch Überlegene. Er sprach von Kampf, von Schuhen wie von Waffen, von einem „Krieg ohne Kugeln“. „Das Junior-College-Team jagt das College-Team“, sagte Knight, „wir werden Adidas zermalmen.“ Als Tennisprofi John McEnroe 1978 Wimbledon gewann - er war der erste Star, der mit Nike einen Sponsorenvertrag unterschrieb; er schrie, heulte und fluchte auf dem Tennisplatz und wird schon deshalb immer Nikes Lieblingssportler bleiben -, kamen Phil Knight die Tränen: „Ich war nicht live dabei, aber vor dem Fernseher bin ich fast verrückt geworden: Unser Mann war Wimbledon-Champ! „Seinen Antrieb zog Knight aus seinem Verfolgungswahn, noch heute verkündet er:“ Nur die Paranoiden überleben. „Er versuchte, sich unverletzlich zu machen, indem er sich die Grenzen seiner Macht aufzeigte:“ Unser Geschäft lebt von den Emotionen, den Leidenschaften, die der Sport entfacht. Wenn er an Glanz verlieren sollte, sind wir die ersten, die daran Schaden nehmen.“ Im Dezember 1980 geht Nike an die Börse, die Aktien sind rasch überzeichnet; mit 22 Dollar ausgegeben, stehen sie 1982 bei 45 Dollar. Der Joggingboom ist weltweit auf dem Höhepunkt, allein in den USA gibt es 35 Millionen jogger. Noch dehnt sich der Sportartikelmarkt: 80 Prozent gehören Adidas, den Rest teilen sich Puma, Rornika, Dunlop, Pony, Tiger, Brütting, Diadora und Nike. Im Sommer 1982 ist die Firma mit 3600 Beschäftigten, einem Umsatz von 694 Millionen Dollar und einem Marktanteil von 45 Prozent führender Hersteller von Sportschuhen in den USA und exportiert in vierzig Länder. In Penang/Rotchina eröffnet eine Fabrik, der „Markt der zwei Milliarden Füße“ soll erschlossen werden. Business Week titelt: „Krieg der Schuh-Giganten: Es ist kein Frage, wer das Rennen machen wird.“ Die FAZ: „Der Nike-Schuh wird in Amerika, wie anderwärts auch der Adidas-Schuh, nicht nur beim Sport, sondern mit Prestige-Appeal auch in der Freizeit und auf der Straße getragen.“ Das war keine schlechte Beobachtung in jenem Dezember 1982, vielmehr eine zutreffende Analyse des Sportschuhmarktes, die bis heute gilt: Für Nike kam sie rechtzeitig, für die Konkurrenz aus Herzogenaurach zu spät. Farris: „Um 1988 zogen wir weltweit mit Adidas gleich, um 1990 hatten wir den Kopf vorn. Seither haben wir uns nicht mehr umgedreht.“ Schlüsselmornente, die Nikes Aufstieg im Markt der Sportschuhe bestimmt haben: ein Kredit, den Nissho Iwai, ein japanischer Konzern, der jungen Firma 1972 gewährte - „nicht viel“, erinnert sich Farris, „vielleicht eine halbe Million Dollar, aber ohne diesen Vorschuß wären wir damals draußen gewesen.“ Zweitens: technische Innovationen Bowermans Waffel-, Rudys Luftkissensohle. Drittens- Nikes Gang an die Börse-. „Der gab uns das Bargeld, um unsere Produktion zu vergrößern, überhaupt unsere Infrastruktur.“ Viertens: die Erprobung eines ebenso simplen wie völlig neuen Vertriebssysterns, das Phil Knight Futures nannte und seit 1973 betreibt: „Wir zeigen dem Kunden den Prototypen eines Produkts, bevor wir damit in Produktion gehen. Er bekommt bessere Preise und Quafität, pünktliche Auslieferung, wir produzieren keinen Überschuß und können besser planen. Unsere besten Kunden rund um die Welt sind heute Futures-Kunden.“ Die Firma produziert nach dem Prinzip der Diversifikation: Viele unterschiedliche Modelle in unterschiedlich hohen Auflagen garantieren den Run auf die seltenen Modelle. Als fünften Punkt nennt Farris die Erfolge einiger weltberühmter Athleten, wie Joan Benoits Weltrekord beim Frauenmarathon von 1983 oder Carl Lewis' vier Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Los Angeles: Ein Stadion erfuhr damals, wie Nikes Firmenlogo aussieht, der Rest der Welt saß vor den Fernsehern.- Es war ein'goldetier Swoosh auf blauem Trikotstoff; es war das Lachen eines Schwarzen, der, auf der höchsten Stufe des Siegertreppchens stehend, die Faust zum Himmel ballte. Und: Michael Jordan. Überhaupt Jordan, der beste Athlet der Welt, erfolgreichster Basketballer aller Zeiten, der seinen Club, die Chicago Bulls, dreimal in Folge, 1991, 92, 93 und 96, 97 Sieg in den US-Finals der National Basketball Association (NBA) führte. Nike nahm ihn 1984 unter Vertrag: „Jordan wollte unbedingt zu Adidas“, erinnert sich Keith Peters, „er wäre heute deren Mann, wenn die Deutschen reagiert hätten.“ Jordan wurde der Nike-Athlet, mehr noch: „Michael ist unser Geschäftspartner“, erklärt Fartis, „ein Freund, ein Vorderiker, unser Philosoph. Er unterschrieb bei Nike und wurde Teil des Nike-Teams.“ Diese Partnerschaft läßt sich Nike jährlich rund 30 Millionen Dollar kosten. 1985 ging bei Nike der „Air Jordan“ in Produktion, ein Basketballschuh, der alle vier Jahre neu designt und in einer eigenen Werbekampagne verinarktet wird; gut 22millionerimal wurde „Air Jordan“ bis heute verkauft. Der Mann ist unbezahlbar«, sagt Phil Knight. „Als sich das Publikum in den achtziger Jahren an die Werbespots mit ihm gewöhnte, ließen wir ihn in einem Trick-Video gegen Bugs Bunny spielen. Alle fanden das witzig und kauften weiter.“ 1995 gründete Jordan seine eigene Firma, die Nike unterstellt ist, und verkauft seither unter eigenem Logo. Jordan wurde Nikes Messias, die Nike-Jordan-Partnerschaft di erfolgreichste Marketingveranstaltung in der Geschichte des Sports. „Mike ist Nike“, behauptet Keith Peters. „Es vergeht kaum ein Tag, an dem er nicht mit uns redet. Es war Mike, der uns Scottie Pippen vorstellte, so wie fast alle Stars der NBA. Mike spielt für uns, er kämpft für uns, er gewinnt und verliert für uns. Er hat Ni Prinzipien, die Prinzipien des Wettkampfs verinnerlicht.“ Einmal soll Jordan „wie wahnsinnig vor Wut“ aus Knights Büro gestürmt sein, fauchend, der Boß sei ein Rassist: „Ich habe ihn fast geschlagen.“ Da hatte ein Boß dem anderen einen Deal ausgeschlagen. Auf Jordans wesentlichen Charakterzug angesprochen, antwortet John Hoke: „Ehrlichkeit. Er sagt uns, wenn er mit unseren Produkten nicht zufrieden ist.“ Die Idee, Spitzensportler als Werbeträger zu engagieren, ist eine Nike-Idee, sie vollzieht sich in vier Schritten: Der Star unterschreibt; er wird in eine Persönlichkeit verwandelt; ein Produkt wird nach ihm benannt; der Star übernimmt Firmenverantwortung. Nelson Farris„Was die Leute unterschätzen: Wir waren der erste große Sportartikelhersteller, der einen Schwarzen für sich sprechen ließ.“ Phil Knight: „Spitzenathleten sind nie langweilig.“ Keith Peters: „Wir brauchen uns nicht zu entschuldigen, mit Jordan oder Bo Jackson identifiziert zu werden. Die haben hart gearbeitet. Und sind dazu noch gute Staatsbürger.“ Martin Blackman, Anwalt in New York, der Werbeverträge für Sportler aushandelt, erklärt: „Es ist ein Machtkampf um die Kontrolle eines sehr kleinen Marktes, um die drei bis fünf Starspieler, die jedes Jahr an den Hochschulen in die NBA übertreten, und um die Spitzenspieler im Tennis. Nike will Kontrolle über diese Athleten, nicht nur, weil es die Firma direkt begünstigt, sondern weil sich die Konkurrenz dieser Athleten dann nicht bedienen kann.“ Wie stark Nikes Einfluß auf die NBA bereits ist, zeigte sich im Herbst 1992, als der Basketballer Alonzo Mourning, um höhere Gagen zu erzwingen, keine Spiele mehr bestritt. Daß Stars mehr Geld wollen, ist nicht neu. Neu war, daß Mourning auch während seines Streiks Werbegelder von Nike kassierte und die Firma ihm mit ihren Anwälten zur, Seite stand. Zur Werbung hatte die Firma nie ein konventionelles Verhältnis - so konnten einige der teuersten und hippsten Werbefilme überhaupt entstehen. „Werbung war uncool, lasch, athletisch nicht korrekt“, erinnert Farris an die Stimmung der späten siebziger Jahre, „wir gingen mit einer Mischung aus HippieNonchalance und der Arroganz an die Sache ran, daß sich hochwertige Sportschuhe von allein verkaufen müßten.“ Als Knight 1980 Dan Wieden von der kleinen Agentur Wieden & Kennedy aus Portland/Oregon traf, die „Just do it!“ und „Bo knows“, Rock-'n'Roll-Tennis und Fric Cantona im Kampf gegen Außerirdische erfinden sollte, begrüßte er ihn mit den Worten: „Hi, ich bin Phil Knight, und ich glaube nicht an Werbung.“ Wieden & Kennedy wurde eine Agentur, die heute mit Kunden wie Coca-Cola und Microsoft angibt, und die Kunden können genauso mit ihrer Agentur angeben. Gut 150 Millionen Dollar ließ sich Knight sein „Just do it!“ kosten, die Kampagne gilt als wirkungsvollste in der Werbegeschichte. Rund ein Zehntel der Gewinne pumpt Nike jedes Jahr in die Werbung. Das Motiv einer Anzeige: Auf dem gekachelten Fußboden liegt ein benutzter Trainingsanzug, so, als habe ein erschöpfter Sportler ihn dort auf dem Weg zur Dusche liegengelassen. Und er ist wirklich schmutzig, man sieht ihm die Stunden des Trainings an. Der Spruch der Werbetexter: „Wir haben nicht vergessen, warum sie Sweater heißen.“ Heimar Schröter, Chef der Frankfurter Agentur Lowe & Partners, textete in der Fachzeitschrift werben & verkaufen ein Liebesgedicht auf Nike: „Niemand hat den Zeitgeist so geprägt wie dieser Sportschuhhersteller. Seine Spots sind, filmische Kunstwerke und lassen den Wust der MTV-infizierten Clips Lichtjahre hinter sich. Dagegen ist alles andere nur ein Turnschuh.“ 1991 forderte der „Dream Team“-Spieler Charles Barkley in einem Nike-Werbespot: „Lerne Fremdsprachen, gehe in die Bibliothek, wechsle deinen Job, laß dich nicht unterkriegen, bleib sauber - just do it!“ Das war ein Trick, mit dem die Firma verrückte Vorwürfe aus der Presse parierte, Nike sei mitverantwortlich für das Elend in den Schwarzengettos amerikanischer Großstädte; dort, so hört man, bringen sich jugendliche für ein Paar Nike-Turnschuhe gegenseitig um. Bei den Olympischen Spielen in Atlanta gewinnen die Nike-Athleten Carl Lewis, Gail Devers und Michael Johnson, der schnellste Mann der Erde, Gold. In den neunziger Jahren kauft Nike die Tennisspieler André Agassi (Knight- „Rebellen passen zu uns.“), Pete Sampras (Jahresgehalt: 6 Millionen Dollar), Jim Courier (27 Millionen Dollar in fünf Jahren), Monica Seles und Mary Joe Fernandez, den Formel-lPiloten Michael Schumacher (Reporter-Frage: „Ist der nicht langweilig?“ Knight: „Ziemlich schwierig, langweilig zu sein bei Tempo 300!“), die deutschen Kicker Andreas Möller, Mehmet Scholl, Lars Ricken und Oliver Bierhoff, die Vereine Borussia Dortmund, Arsenal London und Paris St. Germain, den Golfer Tiger Woods (er gewinnt 1997 als jüngster Spieler aller Zeiten die US-Masters), die brasilianische Fußballnationalmannschaft (angeblich für 400 Millionen Dollar) und deren Stars Emilio und Ronaldo ein. Sie alle wurden Nike-Athleten. Warum nicht die deutsche Fußballnationalmannschaft? „Wir wissen nicht, ob Brasilien die WM in Frankreich gewinnt“, erklärt John Hoke, „aber wir wissen jetzt schon, wie Brasilien spielt.“ Im jetzt schon legendären „Flughafenspot“ vom Frühjahr diesen Jahres kicken Ronaldo und seine Jungs zu Bossa-Nova-Musik: „We can.“ Ein Heer von Popstars, Art Directors und Clubgängern ist heute weltweit in Nike-Sneakers unterwegs: Die rauchen alle lieber oder trinken Corona-Bier, statt Sport zu treiben - ein Problem für Nike? Erste Gesprächspause mit den Herren Nike-Strategen. Der Hipster hat nur so lange recht, wie er in Bewegung bleibt und schweigt. John Hoke, der clevere Hund: „Niemand kann Popkultur vorhersagen. Wenn du versuchst, hip zu sein und bist es nicht, wird es schrecklich.“ Noch ein paar Geschichten: 1987 erfand Nike die scheinbar komplett neue Sportart „Cross-Training“, die doch nur der Entwicklung einer neuen Schuhmodell-Linie entsprach, mit der sich mehrere Sportarten in einem Schuh ausüben lassen. „Die FitneßRevolution machte Sport demokratischer, Jogger gehen ins Kraftstudio, Fußballer spielen Tennis, Basketballer Golf,“ erklärt Peters, „wir gaben der Revolution ihren Schuh“. „Visible Air Max“ war der Clou, Rudys Luftkissensohle von außen sichtbar zu machen: „Neue Technik läßt sich dem Konsumenten nur dann verkaufen, wenn das Design die Innovation transportiert“, erklärt Gordon Thompson 111. 1997 kommt die Kollektion EI.T mit den mehrschichtigen StoffFabrikaten Dry-ELT., Therma-ELT., Clirna-ELT und Storm-ELT. auf den Markt, mit der Nike-Athleten im „Kampf gegen Hitze, Kälte, Wind, Schnee und den eigenen Schweiß“ bestehen. Farris: „Es wird oft vergessen, daß wir der zweitgrößte Textilkonzern der Erde sind, hinter Levis.“ Zur Zeit arbeitet Nike am Geheimprojekt Alpha, das Best-of-Produkte von Nike zu Best-of-Preisen präsentieren soll. Für das Jahr 2000 plant die Firma die Eröffnung des ersten Nike-Kaufhauses auf dem europäischen Kontinent: „Niketown“ Berlin. Es gibt keine Wunder in der Wirtschaft; bloß die Freiheit für einen Konzern, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu fällen. „Genug Freiheit für uns“, spottet Phil Knight, „zuwenig für die Konkurrenz.“ Was seine Freiheitserklärung angeht, so hatte sie Knight schon in seiner Diplomarbeit dargelegt: Rentable Produktion sei nur in Asien möglich. Und mit jenem Tag, an dem der Vertrieb BRS sich in eine Produktionsfirma verwandelte, hatte Knight seine These in die Tat - umgesetzt: erfolgreich, sehr erfolgreich. „Wir haben die besseren Kontakte“, so erklärt Knight das nicht weiter geheimnisvolle Konzept seines wirtschaftlichen Erfolgs, „seit vielen Jahren überwachen unsere Leute in Asien die Produktion.“ In Taiwan und Südkorea produzierte Nike schon 1972 zu Stundenlöhnen, die höchstens einem Zehntel der US-Löhne entsprachen; 99 Prozent ihrer Produkte stellt die Firma in der Dritten Welt her. Als um 1989 die Löhne und der gewerkschaftliche Organisationsgrad stiegen, vergab Nike fast die Hälfte der Produktion nach Indonesien, China und Thailand. Und hinterließ Arbeitslosigkeit. „Toleranz und Völkerverständigung werden nur bemüht,wenn es dem Umsatz dient,“so tadelte der Spiegel die Firma, „viele Nike Schuhe werden in China gefertigt, -wo Menschenrechte beharrlich verletzt werden“. Und Knight fuhr den Gegenangriff- „Sie können keine Schuhe mehr in den USA oder Deutschland herstellen, es ist zu teuer. Also gehen Sie da hin, wo es billiger ist, in die Dritte Welt. Das hat nichts mit Ausbeutung zu tun, sondern es gibt den Leuten Arbeit, Geld, einen besseren Lebensstandard. Wenn Sie in ein Land gehen, wo die Leute einen Dollar am Tag verdienen, was furchtbar wenig. ist, und Sie zahlen ihnen zwei Dollar, dann ist das wohl keine schlechte Sache.“ Schaurige Geschichten kursieren: etwa von Arbeiterinnen, die in der Mittagshitze um eine Fabrik joggen mußten. Knight: „Das meiste, das über uns geschrieben wird, ist schlichtweg Bullshit. „ Es bleibt ein Image-Fehler, Kritiker sprechen vom „Management by terror“. Im internet finden sich die Websites „Boycott Nike“, „Anti-Nike“ und „Just do it! Boycott Nike“. Die Firma stellte einen 75seitigen selbstkritischen Bericht dagegen. „We can and will do better.“ Ist doch ein interessantes Problem: Da wird eine Firma so groß, daß sie es fertigbringt, ihrer Kundschaft - ach was, dem ganzen Planeten! mit ihrer Macht, Mode und Hipness auf die Nerven zu gehen. Wo gibt's,denn so was noch? In der Autoindustrie? In der Popmusik vielleicht. „Im schlimmsten Fall werden wir Microsoft“, meint Keith Peters, „im besten Fall Coca-Cola. Die sind überall, ohne daß die Leute sich deshalb belästigt fühlen. „Drei Paar Sportschuhe besitzt jeder USBürger im Durchschnitt, und der Kampf geht weiter. Noch ist nicht klar, ob das vierte Paar von Nike kommen wird. Hat Nike in'der 25jährigen Firmengeschichte nicht einen Fehler gemacht? „Lieber Himmel“, freut sich Nelson Farris, „wir machen jeden Tag Fehler. Und sind stolz darauf.“ Einmal brachte Nike eine Serie von verschiedenen Nylon-Laufschuhen raus: Es gab den Marathon-, den 100-Kilo-, den 5O-Kilo-Läufer-Schuh. Eigentlich eine gute Idee. „Eine wundervolle Idee,“ erzählt Farris, „das Problem war nur, daß alle Schuhe gleich aussahen“. 1985 verschlief die Firma den Aerobic-Boom, so konnte Reebok, der Erzkonkurrent in den USA, an die Spitze ziehen und sich dort ein halbes Jahr halten: „Es war grauenhaft. Anstatt auf unsere Frauen zu hören, lachten wir uns über die Dummerchen in Strumpfhosen kaputt, die niedliche Musik hörten und vor Spiegeln herumhüpften. Wir sagten: Nein, das ist kein Sport.“ Anfang der Achtziger hatte Nike sich in den Modemarkt vorgewagt, ohne etwas von Textilien zu verstehen. Bloß an ein Parfüm hat die Firma nie gedacht: „Wir duften nicht,“ ärgert sich Farris, „wenn Nike riecht,dann nach Schweiß.“ Als offizieller Sponsor der WM in Frankreich regiert Adidas gut 60 Prozent des Fußballmarktes, Nike nur fünf Prozent. „Wir können nicht führender Hersteller in Europa werden, ohne eine Fußballrevolution zu entfachen“, weiß Phil Knight. Das veraltete Fußballsystem der Firma setzt jährlich 200 Millionen Dollar um, ein Witz der Nelson Farris gute Laune macht: „Wir sind der Underdog, es gibt uns gar nicht! Es ist ein bißchen so, als würden wir unserer Vergangenheit einen Besuch abstatten!“ Und nun stagnieren die Umsätze. Gewinne schwinden, Aktienkurse fallen - so nimmt das Firmenleben seinen Lauf. 46 ihrer 230 deutschen Angestellten hat die Firma entlassen; und irgendwo in Thailand steht eine Lagerhalle, in der sich Nike-Schuhe stapeln, die niemand kauft. Focus meldet: „Mit Preiskämpfen und Fabrikverkäufen will der Weltführer den Absturz stoppen.“ Im John McEnroe Buildung legt einer seine Nike-Sportschuhe auf den Schreibtisch und spricht: „Wissen Sie, was ich wirklich fürchte? Daß in vielen, vielen Jahren meine Urenkel hören, ich sei der Gründer von Nike gewesen, und fragen: Was ist das Nike?“