Herpes genitalis in der Schwangerschaft
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Herpes genitalis in der Schwangerschaft
DIAGNOSTIK + THERAPIE INFEKTIONEN Herpes genitalis in der Schwangerschaft Werner Mendling Obwohl Läsionen durch Herpes genitalis im Kreißsaal zu den seltenen Ereignissen gehören, sind Schwangere mit anamnestisch rezidivierenden labialen oder genitalen Herpes-simplexInfektionen häufig. Aber auch deren Partner oder medizinisches Personal, das Schwangere oder Neugeborene betreut, kann darunter leiden und somit eine Gefahr für das Neu- oder Frühgeborene werden. Die folgende Übersicht fasst die Grundzüge von Diagnostik und Therapie zusammen. Herpes-simplex-Infektionen zählen zu den nicht meldepflichtigen sexuell übertragbaren Infektionen. Sie sind weltweit verbreitet und unterliegen derzeit offensichtlich einem starken epidemiologischen Wandel. Ihr Vorkommen ist von äußeren (Sexualverhalten, Drogenmissbrauch, bakterielle Vaginose) und endogenen (Ethnie, Alter, Immunologie) Faktoren beeinflusst (21). Erreger Zu den Herpesviren zählen −−das Varizella-zoster-Virus, −−das Zytomegalie-Virus, −−das Ebstein-Barr-Virus, −−die Herpes-simplex-Viren Typ 1 und Typ 2 (HSV 1 und 2), die innerhalb der Familie Herpesviridae zur Subfamilie der Alpha-Herpesviridae gehören (2, 10). HSV 1 gilt primär als Erreger des Herpes labialis, auch von Gingivostomatitis, Keratokonjunktivitis, Ösophagusulzerationen und (selten) Enzephalitis, während HSV 2 primär Verursacher des Herpes genitalis und des Herpes neonatorum ist. Diese Zuordnung unterliegt aber gegenwärtig einem starken Wandel. Das HSV tritt bei der Infektion in eine Zelle ein, vermehrt sich und führt gegebenenfalls zu klinischen Symptomen. Es wird dann über axonalen 746 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 Transport in das regionale Ganglion gebracht (bei Herpes genitalis das Lumbosakralganglion), wo es lebenslang verbleibt und bei endogenem oder exogenem Stress bzw. bei Immunsuppression reaktiviert wird (10). Läsionen und andere sexuell übertragbare Infektionen (Sexually Transmitted Infections/STI) begünstigen die HSV-Infektion und umgekehrt. Besonders bedeutsam ist das in Ländern mit hohem Vorkommen der Infektion mit dem humanen Immun defizienzvirus (HIV). Im Rahmen einer prospektiven Untersuchung im Kontrollkollektiv zur Testung eines Impfstoffs bei 3.438 HSV1- und HSV-2-seronegativen amerikanischen Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren wurden innerhalb von 20 Monaten 3,7 % neu mit HSV 1 und 1,6 % mit HSV 2 infiziert. 74 % der HSV-1und 63 % der HSV-2-Infektionen erfolgten symptomlos. Es waren signifikante ethnische Unterschiede erkennbar: Die Infektionsrate mit HSV 2 von nichthispanisch schwarzen Frauen war 2,6-fach höher als die von Hispanierinnen und 5,5-fach höher als bei nichthispanisch weißen Frauen, während sie mit HSV 1 bei nichthispanisch Weißen 1,7-fach höher als bei nichthispanisch Schwarzen lag. Insgesamt traten HSV-Infektionen bei jüngeren Frauen von 18 bis 22 Jahren häufiger auf als bei älteren, 84 % aller klinischen HSV-Erkrankungen waren genital lokalisiert und es gab keine Unterschiede in der klinischen Erscheinung von HSV 1 und 2 (4). Die Infektion mit HSV 1 erfolgt meist nichtsexuell in der Kindheit. Sie kann mit und in etwa 90 % ohne klinische Symptomatik erfolgen. In einer weiteren prospektiven Studie mit 498 amerikanischen HSV-2-seropositiven Frauen war zwischen 1992 und 2008 die Frequenz des „viral shedding“, also der Infektiosität, mit täglich entnommenen Abstrichen über mindestens 30 Tage untersucht worden: HSV 2 konnte dabei in 20,1 % bei 410 Personen mit klinischer Herpessymptomatik und in 10,2 % bei 88 Personen ohne klinische Symptomatik mit Polymerasekettenreaktion (PCR) gefunden werden (24). Aus Deutschland sind sichere aktuelle Zahlen nicht bekannt. Untersuchungen aus den Jahren 1997 und 1998 ergaben bei 3.792 Seren eine Prävalenz von 82,6 % für HSV 1 und von 13,3 % für HSV 2, wobei der Anteil von HSV 2 bei Frauen in den neuen Bundesländern mit 16,5 % gegenüber 12,6 % signifikant höher lag als in den alten Bundesländern (9). Das Robert-KochInstitut stellte im Jahr 2003 im Rahmen seiner Sentinel-Studie bei 20- bis 24-jährigen Frauen in Deutschland einen Anstieg von klinischen Herpesgenitalis-Fällen fest (19). Insgesamt hat sich die Häufigkeit von HSV-2-Infektionen in den letzten 30 Jahren um etwa 30 % gesteigert. Man darf annehmen, dass diese Verhältnisse auch auf Frauen in Deutschland zutreffen. Insgesamt wird geschätzt, dass bei schwangeren Frauen eine HSV-2-Prävalenz um 8 % vorliegt. Die Prävalenz von HSV 2 beträgt bei Frauen in/aus Zentral afrika 30– 50 %, bei Frauen aus Südamerika um 20–40 %, aus Asien um 10–30 % und aus Australien um 40 % (2, 21). Italienische Frauen bekommen während einer Schwangerschaft Epidemiologie Mit einer intrauterinen Transmission, die zu Abort, Totgeburt oder Fehlbildungen führen kann, ist bei etwa 1 : 100.000 Fällen zu rechnen, während die peripartale Transmission bzw. perinatale Infektionsrate des Neugeborenen auf etwa 1 : 1.400 bis 20.000–30.000 Lebendgeburten geschätzt wird (2, 15). Klinische Symptomatik Primärinfektion Viele Primärinfektionen verlaufen klinisch inapparent! Die Symptome der Primärinfektion treten 2 bis 20 Tage nach einer Infektion auf und dauern 3 Wochen. Schwangere leiden unter heftigeren Primärsymptomen als Nichtschwangere. Auch HSV-1-Primärinfektionen können heftige Symptome eines Herpes genitalis verursachen wie HSV 2. Primärinfektionen mit HSV 1 sollen gerade bei Schwangeren zu stärkerer Symptomatik als HSV-2-Infektionen führen, rezidivieren aber seltener (14). Obwohl die klinischen Symptome typisch und für die betroffene Patientin wegen der Schwere des Krankheitsbildes unvergesslich sind, können sie auch schwach und uncharakteristisch ausgeprägt oder im Zusammenhang mit anderen Hautkrankheiten maskiert sein. Deshalb wird dringend zur Absicherung durch direkten Virusnachweis aus den Läsio nen geraten (2, 6, 17, 21), zumal die Kenntnis des Virustyps beratungs relevant für Schwangere ist. Typisch sind Prodromi wie Spannungsgefühl und Juckreiz an der Vulva und im Introitus vaginae. Es folgen Schmerzen, Fluor, Bläschen, später Ulzerationen, gegebenenfalls auch Superinfektionen, oft durch Candida albicans. In den ersten Tagen sind fast immer regionale Lymphknoten geschwollen, es treten grippeartige Abgeschlagenheit, Glie- der- oder Gelenkschmerzen, Temperaturerhöhung und in bis zu einem Drittel der Fälle Meningismus auf. Die Ulzerationen können auch auf der Portio, in/an der Harnröhre (ggf. muss dann ein Dauerkatheter, besser ein suprapubischer Katheter gelegt werden!) oder am Anus auftreten. Schon vorhandene Antikörper gegen HSV 1 können die Symptome einer primären HSV-2-Infektion lindern und umgekehrt. Gerade während einer Schwangerschaft können besonders schwere Primärinfektionen im Sinne einer Gingivostomatitis oder einer herpetischen Vulvovaginitis auftreten und (selten) disseminieren. Bei Immunsupprimierten, z. B. bei HIV-positiven Patientinnen, können Schwere und Dauer der klinischen Symptome und die Rezidivhäufigkeit vermehrt sein. Bei HIV-Infizierten wurden vereinzelt hypertrophische Herpes-simplex-genitalis-Infektionen mit mehrere Zentimeter großen Ulzera beschrieben. In einem Fall trat bei einer 44-jährigen HIV-1-positiven Afrikanerin in Deutschland zusätzlich innerhalb von bis 7 cm großen nodulären Läsionen, die in 18 Monaten dreimal rezidivierten, eine vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN) 3 mit beginnender Infiltration eines Plattenepithelkarzinoms der Vulva auf (22). Rezidivierender Herpes genitalis Rezidive laufen üblicherweise klinisch schwächer ab und dauern mit Prodromi 7–10 Tage. Virusausschüttung Gerade die asymptomatischen Phasen zwischen klinischen Rezidiven bieten die trügerische Sicherheit, dass jetzt keine Infektiosität bestehe. Das ist widerlegt, da HSV periodisch in latent infizierten Zellen, besonders oft bei HSV 2, reaktiviert wird. In einer prospektiven Studie mit 498 HSV-2-seropositiven Personen war die Virusausschüttung größer bzw. häufiger, wenn sie zuvor klinische Zeichen einer HSV-2-Infektion gehabt hatten, und trat insge- samt an 85 von 519 asymptoma tischen Tagen (16,4 %) auf (24). Herpes neonatorum Man unterscheidet zwischen der in trauterinen bzw. kongenitalen und der perinatalen HSV-Infektion, die praktisch immer vertikal von der Mutter auf das Kind übertragen wird, und der postnatalen HSV-Infektion, für die neben der Mutter auch andere Personen als Infektionsquelle infrage kommen können. Nur etwa 5 % der Feten werden in trauterin infiziert, meist durch HSV 2 und in 50 % der Fälle bei disseminierter, also schwerer Infektion der Mutter. Das höchste fetale Infektions risiko besteht vor der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) mit hoher Gefahr für Abort, Totgeburt oder Fehlbildungen und einer perinatalen Mortalität um 50 % (21). In bis zu 90 % der Fälle aber wird HSV (in etwa drei Viertel ist es HSV 2, das schwerere Verläufe verursacht) während der Geburt übertragen, der Rest in den ersten Stunden bis Tagen danach. In 50 % der Fälle hat die Mutter bei der Übertragung auf ihr Kind eine primäre HSV-Infektion, während das Übertragungsrisiko bei einem HSVRezidiv unter der Geburt nur bei 2–5 % liegt (2). Wichtig ist aber, dass in 70 % der Fälle von perinataler Infektion eine asymptomatische HSVInfektion besteht (1)! Ein vorzeitiger Blasensprung bei HSV-Infektion der Mutter ist ebenfalls ein Risiko für den Feten. DIAGNOSTIK + THERAPIE in etwa 3 % der Fälle eine HSVPrimärinfektion (Ciavattini et al. 2007, zitiert bei (2)). Es sind drei Verlaufsformen der peri-/ postnatalen HSV-Infektion bekannt, deren Symptome sich überlappen können: −−Etwa 45 % der Neugeborenen erkranken eher mild verlaufend mit Symptomen der Haut, der Augen und des Mundes. Falls nicht schnell mit Aciclovir therapiert wird, kann sich die Erkrankung aber auf das ZNS ausbreiten. Außerdem kann es im späteren FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 747 DIAGNOSTIK + THERAPIE Kindesalter zu Rezidiven kommen. −−Bei etwa 30 % der Kinder kommt es zur erheblichen Erkrankung mit ZNS-Beteiligung mit diversen Störungen oder Ausfällen. Die Hälfte dieser Kinder behält später neurologische Ausfälle, trotz Therapie sterben etwa 6 % der Kinder. −−Etwa 25 % der Kinder erkranken schwer an einer disseminierten HSV-Infektion mit Beteiligung verschiedener Organsysteme mit Sepsis. Trotz intravenöser Aciclovirtherapie sterben 30 % der Kinder, ohne Therapie 80 % (16, 21, 23). Sichtbare Symptome sind −−in 68 % Bläschen auf der Haut, −−in 39 % Fieber, −−in 38 % Lethargie, −−in 27 % Krämpfe, −−in 19 % Konjunktivitis, −−in 13 % Pneumonie und −−in 11 % disseminierte intravaskuläre Gerinnungsstörungen. Etwa 60 % der Symptome treten innerhalb der ersten 5 Lebenstage auf, manchmal erst innerhalb von 4–6 Wochen (5). Wichtigste ärztliche Maßnahme sollte also die Prävention der Infektion durch prä-/peripartale Maßnahmen sein (11). Diagnostik 748 Methoden zum Nachweis von HSV im Vergleich Quelle Sensitivität Spezifität Vorteile Nachteile Nukleinsäureamplifikation (z. B. PCR) Abstrich Antigennachweis (z. B. Enzym immunoassay) Abstrich sehr hoch hoch; Fremdkonta mination möglich schnell, sicher, Typdifferenzierung im gleichen Test evtl. teuer; AciclovirresistenzTestung in Ent wicklung 80 % hoch Antigennachweis (z. B. Immun fluoreszenz) Abstrich Gewebeprobe niedrig hoch schnell, billig billig weniger sensitiv, keine Virustypi sierung unsensitiv, keine Virustypisierung Tab. 1: Labormethoden zum Nachweis von HSV (6, 17). Die in der Praxis unübliche Viruskultur ist hier nicht aufgeführt. Differenzierung von HSV-1- bzw. HSV2-Infektionen eine geeignete Beratung von Schwangeren hinsichtlich des neonatalen Risikos. Außerdem erlaubt der Virusnachweis in klinisch nicht eindeutigen Fällen die Unterscheidung einer HSV-Infektion von anderen ulzerösen oder vesikulösen Hauterkrankungen (Pemphigus, Pemphigoid, aphthöse Erkrankungen, M. Behcet, auch Syphilis u. a.). Nicht selten dürften auch Hauterscheinungen, die für andere Erkrankungen gehalten wurden, als HSVInfektion enttarnt werden. Ein negativer Virusnachweis bedeutet nicht, dass eine HSV-Infektion ausgeschlossen ist, da die Virusausschüttung am Entnahmeort wechseln kann. Einerseits sind die klinischen Symptome eines primären Herpes genitalis oft eindrucksvoll. Die Schmerzen können so stark sein, dass eine gynäkologische Untersuchung oder das Sitzen für eine ganze Woche qualvoll sind. Auch die regionale Lymphknotenschwellung und die grippeartigen Beschwerden der ersten Tage sind typisch. Das ist aber eher selten der Fall. Der serologische Nachweis von HSVAntikörpern ist zur Primärdiagnostik ungeeignet, hat aber Bedeutung für die Risikoabschätzung einer Primärinfektion, besonders in der Schwangerschaft. Andererseits wird dringend der Virusnachweis aus den Läsionen empfohlen (2, 6, 16, 17, 21). Bei klinisch anscheinend eindeutigen Fällen erlaubt die Im Fall serologischer Tests sollen solche angewendet werden, die eine Differenzierung von HSV-1- und HSV2-Antikörpern erlauben (Nachweis FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 Zur Labordiagnostik kommen mehrere Methoden infrage. Es sollte heute die PCR bevorzugt werden. des serologischen typspezifischen Glykoproteins G 1 bzw. 2) (s. Tab. 1). Immunglobulin(Ig)-M-Tests werden nicht empfohlen (6). Immer sollte der den Abstrich entnehmende Arzt die Testmethode kennen und nach Kontakt mit dem Laborarzt das geeignete Abstrichset zur Hand haben! Die Möglichkeit von anderen sexuell übertragbaren Infektionen muss bedacht werden. Therapie Therapie der Primärinfektion Nur die symptomatische Primärinfektion wird therapiert. Eine simultane Therapie des asymptomatischen Partners ist nicht indiziert. Sie könnte unter besonderen Umständen zur Prophylaxe erwogen werden, wenn bekannt ist, dass der Partner sero negativ ist. Die Therapie muss so schnell wie möglich und spätestens am 5. Tag der Prodromi/Symptomatik begonnen werden, um noch effektiv zu sein. Sie dauert 5 Tage und erfolgt immer oral, da lokale Therapien erfolglos sind und darunter die Entwicklung von Aciclovirresistenz beobachtet worden ist. Bei schwerem und längerem Ver- Therapie bei Primärinfektion immer Beginn innerhalb von 1(–5) Tagen und 5 (7–10) Tage lang Aciclovir 5 × 200 mg/d oder Aciclovir 3 × 400 mg/d oder Famciclovir 3 × 250 mg/d oder Valaciclovir 2 × 500 mg/d (2 x 1 g/d) Schwangere (s. auch Tab. 3 auf S. 752) Therapie der Primärinfektion 10 Tage lang (11) Aciclovir 5 × 200 mg/d Valaciclovir 3 × 400 mg/d episodische Therapie (reduziert Symptomatik um 1–2 Tage!) wie Primärtherapie, 5 (7–10) Tage oder Kurztherapie: Aciclovir 3× 400 mg/d 5 Tage oder Aciclovir (3 ×) 2 x 800 mg/d 2 (5) Tage oder Famciclovir 2 × 1.000 mg/d 1 Tag oder Valaciclovir 2 × 500 mg/d 3 Tage wie Primärinfektion Valaciclovir 2 × 500 mg/d 10 Tage Suppressionstherapie (reduziert Frequenz um 70–80 %) > 6–10 Rezidive/a Aciclovir 4 × 200 mg/d ggf. jahrelang oder Aciclovir 2 × 400 mg/d oder Famciclovir 2 × 250 mg/d oder Valaciclovir 2× 250 mg/d (1 x 1 g/d) Aciclovir 3 × 400 mg/d ab 36. SSW bis zur Geburt Valaciclovir 2 × 250 mg/d KEINE LOKALE THERAPIE! Von der Europäischen Leitlinie (17) abweichende Empfehlungen der CDC 2010 (6) sind kursiv gesetzt. Jahrelange Erfahrungen mit Aciclovir belegen, dass ein fetales Risiko auch bei Einnahme im ersten Trimester nicht be steht. Für Famciclovir liegen keine Daten vor, es sollte deshalb in der Schwangerschaft vermieden werden. Valaciclovir ist als Valin-Ester dem Aciclovir sehr ähnlich, sodass seine Sicherheit zumindest auf das dritte Trimester extrapoliert werden darf, doch sichere Daten liegen nicht vor (17). DIAGNOSTIK + THERAPIE Therapie des Herpes genitalis Tab. 2: Je nach Verfügbarkeit, Kosten und individueller Compliance kommen Aciclovir und verwandte Wirkstoffe zur Anwendung. lauf kann die orale Therapie auf 7–10 Tage verlängert werden. Sie wird wegen der Schwere der Symptome bei klinischem Verdacht begonnen, ohne Laborbefunde abzuwarten. Es kommen Aciclovir und seine Verwandten je nach Verfügbarkeit, Kosten oder individueller Compliance zur Anwendung. Eine intravenöse The rapie ist nur bei Erbrechen oder Schluckbeschwerden indiziert (6, 17, 21). Details gehen aus Tabelle 2 hervor. Bei HIV-positiven Patientinnen kann die Verdoppelung der Dosis je nach Fall diskutiert werden. Aciclovir kann bei Niereninsuffizienz kumulieren und wäre dann kontra indiziert. Das muss auch bei Feten mit intrauterin diagnostizierten Nierenerkrankungen, auch eventuell bei Oligohydramnion, bedacht werden. Supportive/symptomatische Maßnahmen sind empfehlenswert. Dazu gehören Analgetika/Antiphlogistika, gegebenenfalls auch Lidocaingel lokal oder Spülungen mit Kochsalz lösung. Ganz wesentlich ist eine adäquate ausführliche Beratung der Patientin, möglichst mit Einbeziehung des Partners (s. Kapitel „Beratung“ auf S. 750). Episodische Therapie des rezidivierenden Herpes genitalis Die Patientin sollte bei bekannter Rezidivierung prophylaktisch mit dem Medikament oder einem Rezept versorgt sein, damit der Beginn der The- rapie am ersten Tag der Symptomatik ermöglicht wird (s. Tab. 2). Die Indikation zur Therapie sollte aber von der Patientin und ihren individuellen Beschwerden abhängig gemacht werden. Die Therapie reduziert die Symptomdauer um 1–2 Tage, kann aber bei frühem Beginn in etwa einem Drittel der Fälle den Ausbruch des Rezidivs unterdrücken. Lokale supportive Maßnahmen können ausreichend sein. In-vitro-Studien belegen, dass auch Flavonoide von Propolis und ätherische Öle von u. a. Thymian, Ingwer, Sandelholz und besonders Kamille einen viruziden Effekt auf HSV 2 haben (13, 18). In einer klinischen Studie an 90 Männern und Frauen mit rezidivierendem Herpes genitalis FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 749 DIAGNOSTIK + THERAPIE Informationen über HSVInfektionen für Betroffene Die Symptome der Primärinfek tion dauern bis zu 3 Wochen. Die Aciclovirtherapie verkürzt und lindert nur die Symptome. HSV 1 führt zu selteneren, HSV 2 zu mehr Rezidiven und gefährdet im Fall einer Schwangerschaft das Kind mehr. Während klinischer Symptoma tik, aber auch in vielen Fällen ohne diese (statistisch in etwa 20 %) findet eine unbemerkte Virusauschüttung statt, d. h. es besteht Infektiosität mit der Möglichkeit, den seronegativen Sexualpartner zu infizieren. Ein seronegativer Partner kann durch Kondome und/oder eine Suppressionstherapie vor einer Primärinfektion geschützt wer den, allerdings nie zu 100 %. Partner mit Herpes labialis kön nen bei orogenitalen Kontakten einen primären Herpes genitalis beim seronegativen Sexualpart ner verursachen und umgekehrt. Das Infektionsrisiko ist für das Baby am höchsten (30–50 %), wenn eine HSV-Ausschüttung (mit oder ohne Symptomatik) in den letzten 2 Wochen vor bzw. unter der Geburt auftritt und bei der Mutter keine Antikörper vor liegen; es liegt aber nur bei etwa 1 %, wenn die Mutter bei der Geburt Antikörper hat, also ein Rezidiv vorliegt oder die Primär infektion im ersten Trimenon stattgefunden hat, und selbst bei Vorliegen eines Rezidivs wäh rend der Geburt nur bei 2–5 %. Serologische Antikörpertests (IgG) sind effektiv, um nicht infizierte oder asymptomatische Partner zu identifizieren. Aciclovir ist zwar nicht für den Gebrauch in der Schwanger schaft zugelassen, doch nach Aufklärung darüber erlaubt, da nicht mit kindlichen Schäden zu rechnen ist und die Risiko-Nut zen-Abwägung positiv ausfällt. 750 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 durch HSV 2, bei der Propolis mit Aciclovir-Creme (!) und PlazeboCreme verglichen wurde, konnte nur im Propolis-Arm ein signifikant überlegener Effekt mit schnellerer Abheilung und Symptomfreiheit am Tag 10 beobachtet werden (25). Suppression von (chronischen) Rezidiven Es gibt Fälle, in denen ein Herpes genitalis mehr als 6–10 Mal pro Jahr rezidiviert. Der Verfasser hat eine junge Patientin in Erinnerung, die mit dem Beginn einer jeden Regelblutung eine neue lästige Episode erlebt hatte, obwohl keine Immunsuppression erkennbar war. In solchen Fällen ist eine dauerhafte medikamentöse Suppression über Monate bis Jahre indiziert und sollte mit der Patientin abgestimmt werden. Sie ist mit Aciclovir über mindestens 6 bis zu 18 Jahren als gefahrlos ohne Resistenzentwicklung dokumentiert (17). Die besten Ergebnisse wurden mit der 5-tägigen Prophylaxe erzielt. Leider kann auch die Dauersuppression oft keine signifikante Reduktion von Rezidiven erzielen, obwohl diese Reduktion statistisch in 70–80 % der Fälle eintritt. Die Notwendigkeit zur Therapie sollte jährlich überprüft werden. Aciclovir, Famciclovir und Valaciclovir reduzieren signifikant sowohl die Frequenz von Rezidiven als auch die Virusausschüttung. Die Suppression mit Valaciclovir 500 mg/Tag reduzierte in einer Studie die Virusausschüttung bei serodiskordanten Paaren um 50 % (7). Als optimale Dosierung gilt Aciclovir 800 mg/Tag (s. Tab. 2 auf S. 749). Therapie des Herpes neonatorum Kinder mit Verdacht auf eine HSV-Infektion werden sofort und ohne Abwarten von bestätigenden Laborbefunden mit Aciclovir 3 x 20 mg/kg KG/Tag (alle 8 Stunden) intravenös behandelt. Haut- und Schleimhautinfektionen werden normalerweise 14 Tage lang behandelt, disseminierte und ZNS- Infektionen 3 Wochen lang (23). Beratung Im Fall einer Primärinfektion, bei Eintritt einer Schwangerschaft und in individuellen Situationen (z. B. Partnerwechsel) muss eine ausführliche und angemessene ärztliche Beratung der Patientin, besser des Paares erfolgen. In prospektiven Studien konnte belegt werden, dass das Wissen um die Problematik zu einem bewussteren bzw. veränderten Sexualverhalten von Schwangeren (8) führt und weniger neonatale Infektionen zur Folge hat (12). Frauen sollten bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft gefragt werden, ob sie oder ihr Partner schon einmal an einer oralen oder genitalen Herpesinfektion erkrankt waren und ob eventuell ein positiver Virusdirektnachweis oder serologische Antikörpertiter bekannt sind (s. Kasten links). Eine Impfung gegen HSV gibt es trotz klinischer Versuche derzeit nicht (3). Vorgehen bei HSV-Infektionen in der Schwangerschaft Niedergelassene Frauenärztinnen/ -ärzte und zunehmend Hebammen betreuen und beraten Schwangere. Die Beratung hinsichtlich HerpesInfektionen bleibt aber eine ärztliche Aufgabe! Wenn auch das Vorliegen eines symptomatischen Herpes genitalis bei einer Geburt selten ist, so muss auch bei der Geburtsplanung in der Entbindungsklinik und im Kreißsaal das nötige Wissen darüber vorhanden sein. Unnötige Verängstigung der Schwangeren und unnötige Kaiserschnitte sind ansonsten die Folge. Die Informationen dienen also vorrangig der Information und Beruhigung der Schwangeren! Die Kosten z. B. der PCR-Diagnostik werden nicht im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge-Richtlinien getragen, ähnlich dem leitliniengerechten bakteriologischen Abstrich auf B-Streptokokken. DIAGNOSTIK + THERAPIE Vorgehen bei HSV-Infektionen in der Schwangerschaft Primärinfektion immer Therapie der Mutter (s. Tab. 2) (Effekt: Reduktion der Schwere und Dauer der Symptomatik) und falls Primärinfektion im 1. oder 2. Trimenon: ab 32. SSW mindestens zwei konsekutive vulvovaginale Abstriche (PCR) auf HSV 1 und 2 – falls die Abstriche negativ sind und keine Prodromi oder Läsionen bei ET/Wehen bestehen: vaginale Entbindung – falls die Abstriche positiv sind oder Prodromi bzw. Läsionen bestehen: S ectio falls Primärinfektion > 34. SSW: Sectio – falls vaginale Geburt unvermeidbar ist oder VBS > 4 Std. besteht: Behandlung von Mutter (s. Tab. 2) und Kind (s. S. 750). Rezidive Therapie der Mutter nach Bedarf (s. Kasten auf S. 750) und falls Rezidiv im 1. oder 2. Trimenon: ab 36. SSW Aciclovir 3 × 400 mg/d oder Valaciclovir 2 × 250 mg/d (Ziel: Rezidivrisiko bei Geburt wird um etwa 70–80 % gesenkt) und vulvovaginale Abstriche (PCR) am errechneten Geburtstermin – falls die Abstriche negativ sind: vaginale Entbindung – falls die Abstriche positiv sind oder Prodromi bzw. Läsionen bestehen: Sectio klinisch Rezidiv am ET/bei Geburtsbeginn und kein Blasensprung: Sectio und Aciclovir für Mutter und Kind (s. Tab. 2 und S. 7506) (nach 2, 6, 17, 20, 21) Tab. 3: Risikoadaptierter Geburtsmodus Das Vorgehen orientiert sich an der Frage nach Primärinfektion oder Rezidiv und somit am Vorliegen von schützenden Antikörpern, am infizierten oder nicht infizierten Sexualpartner und dem Alter der Schwangerschaft bei der Infektion bzw. der peripartalen Virusausschüttung. Nachdem vor mindestens 25 Jahren aufgrund amerikanischer Publikationen bereits einmal präpartale vulvovaginale Abstriche zum Nachweis von HSV (damals gab es noch keine PCR) empfohlen worden waren, hatte bis 2012 die medikamentöse AciclovirProphylaxe Vorrang. Aufgrund neuer Studien (4, 8, 12, 24) mit Nachweis von häufigem „virus shedding“ asymptomatischer Personen usw. wird nun wieder zusätzlich zu einer Virussuppression ab der 36. SSW, die aber nicht das Ausschütten der Viren in allen Fällen dauerhaft unterdrücken kann, geraten, präpartal zwei vulvo- 752 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 vaginale Abstriche zum PCR-Nachweis von HSV 1 und 2 zu entnehmen, um unnötige Kaiserschnitte zu vermeiden (s. Tab. 3). Es hat in Deutschland bereits mindestens eine Anklage von Ärztin und Hebamme wegen fahrlässiger Körperverletzung gegeben, nachdem ein reifes Neugeborenes bei unkomplizierter Geburt durch den anwesenden Vater mit Herpes labialis, der unter einem Bart verborgen war, infiziert und schwer geschädigt worden ist. Es wird auch dringend empfohlen, in Dienstanweisungen festzuhalten, dass an z. B. Herpes labialis erkranktes medizinisches Personal nicht bei der unmittelbaren Betreuung von Schwangeren, Gebärenden und Neu(Früh-)geborenen mitwirken darf, was im Alltag bei reduziertem Perso- nalschlüssel zu Organisationsproblemen führen könnte. Eine Mutter mit rezidivierendem Herpes labialis darf ihr Kind stillen, sollte aber zuvor die Hände desinfizieren und einen Mundschutz tragen. Sie sollte das Kind natürlich nicht küssen, solange sie Symptome hat. Literatur 1. American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG): ACOG Clinical Practice Bulletin No. 82: Management of herpes in pregnancy. Obstet Gynecol 109 (2007) 1489–1498. 2. Anzivino E, Fioriti D, Mischetelli M et al.: Herpes simplex virus infection in preg nancy and in neonate: status of art of epidemiology, diagnosis, therapy and prevention. Review. Virol J 6 (2012) 40 (www.virologyj.com/content/6/1/40). 3. Belshe RB, Leone PA, Bernstein DI et al., Herpevac Trial for Women: Efficacy re sults of a trial of a herpes simplex vac cine. N Engl J Med 366 (2012) 34–43. 4. Bernstein DI, Bellamy AR, Hook III EW et al.: Epidemiology, clinical presentation, and antibody response to primary infec tion with herpes simplex virus type 1 and type 2 in young women. 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