Gottesdienst an Heiligabend in der Donnerberg Kaserne

Transcription

Gottesdienst an Heiligabend in der Donnerberg Kaserne
Hoffnung schenken - Frieden finden
Heiligabend 2015 Donnerberg-Kaserne
Predigt
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen
Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Kameraden,
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die im finsteren Lande
wohnen, scheint es hell. Gott, du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Denn du hast ihr
drückendes Joch, ... und den Stab ihres Treibers zerbrochen ... (Denn endlich wird jeder Stiefel, der
mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, der durch Blut geschleift wurde, verbrannt ... .)
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter;
und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde
und des Friedens kein Ende in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und
Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.“
Vom *Licht im Dunkel*, von *neuer Hoffnung* in höchster Bedrängnis, von *Frieden und
Gerechtigkeit* in einer Welt voller Unrecht und Unterdrückung – ist die Rede im biblischen Text.
Hoffnung haben mitten in Angst und Bedrohung – das ist das Thema von Menschen, die sich mit der
gegenwärtigen Lage nicht zufrieden geben. Die es wagen gegen Unrecht aufzubegehren. Die auf
Gottes Hilfe und seine Rettung hoffen.
Hoffnung haben inmitten von Angst und Bedrohung ist ein Thema, das dieses zu Ende gehende Jahr
2015 bestimmt hat. Hoffnung in Unrecht und Gewalt behalten wird uns auch im kommenden Jahr
begleiten.
1
In drei Perspektiven möchte ich dieses Thema beleuchten.
(1) Die erste Perspektive ist eine biblische: Damals in biblischer Zeit im Nahen Osten - in Israel und
im Irak war klar: Noch ist ist es nicht soweit. Noch sieht es finster im Land aus, aber ein
Hoffnungsschimmer ist zu sehen. Das rettende Licht von Gottes Friedensreich leuchtet in die Nächte
von Krieg und Tod.
Dabei kennt der Prophet die harten Fakten. Er weiß: Menschliche Herrschaft allein ist überfordert mit
der Herstellung eines umfassenden Friedens. Deshalb: Gott sendet einen Retter, der Hoffnung bringt.
Die Geburt Jesu wird als die Geburt dieses Retters erzählt. Statt in ihr nur Erbärmlichkeit und bittere
Armut zu sehen, wird sie als kosmisches Ereignis erzählt, in dem sich Himmel und Erde berühren.
Die Engel kommen vom Himmel herab, das Licht erstrahlt mitten in der Nacht.
Später, als Jesus erwachsen ist, führt er die Spannung zwischen Dunkelheit und Licht weiter. Er war
da für die Unterdrückten und Kranken.
Zugleich hat er Anstoß erregt bei den Mächtigen. Hat die Selbstgerechten provoziert. Sie haben ihn
am Ende ans Kreuz gebracht. Doch selbst dieser grausame Tod war nicht das finstere Ende, sondern
der Anfang einer großen Bewegung. Aus Tod und Auferstehung Jesu erwuchs eine Kraft, die noch
heute bewegt und hoffen lässt.
Fulbert Steffensky sagt: „Hoffnung ist ein großes rundes Brot, das man zusammen essen muss, erst
dann wird man satt.“ Hoffen kann man nicht für sich alleine. Dazu bedarf es einer Gemeinschaft, die
in Liedern und Gebeten die Hoffnung teilt und weitererzählt.
So, wie wir das heute tun. Wir lesen Erzählungen der Vergangenheit, die Visionen des Jesaja, die
Erzählung von der Geburt in der heiligen Nacht, in der alles ganz anders ist als sonst. In der die
Dunkelheit vom Licht verdrängt wird. Wir teilen diese Texte und stellen sie der Gegenwart entgegen.
„Hoffnung ist ein großes rundes Brot, das man zusammen essen muss, erst dann wird man satt.“
(2) Die zweite Perspektive ist eine politische. Jesajas Vision ist ein ganz und gar politischer Text: Es
geht in ihm um einen Thronantritt, um einen fundamentalen Machtwechsel. Wir haben in den
vergangenen Jahren etliche Machtwechsel erlebt. 2011 das Jahr des arabischen Frühlings. Es
begann alles in Tunesien, als sich ein junger Gemüsehändler aus Protest gegen die Schikane der
politischen Führung seines Landes anzündete und damit Unruhen auslöste, die Funken gleich von
einem Land ins nächste übersprangen. In nicht wenigen Ländern wurden Despoten, die ihr Volk mit
brutaler Gewalt sicher im Griff zu haben schienen, plötzlich gestürzt. Das Unmögliche wurde wahr,
das Unvorstellbare Wirklichkeit. Tunesien, Ägypten, Libyen.
Auch in Syrien demonstrierten viele junge Menschen unter Einsatz ihres Lebens gegen Präsident
Assad. Trotz der brutalen Härte, mit der Assad die Aufständischen bekämpfte, trotz des Krieges sagt
einer der Rebellen, die für Demokratie eintreten: „Wir haben schon gewonnen. Ich habe vorher ein
Leben aus Terror, Angst und Tod gelebt – jetzt bin ich frei.“ Vor den Aufständen habe er das Gefühl
gehabt zu ersticken und nicht wirklich zu leben. Jetzt endlich könne er etwas gegen Demütigung,
Heuchelei und Tyrannei tun. „Wir warten nicht, bis das Regime fällt, um endlich unser Leben zu
leben“, sagt er. „Unser Leben hat am ersten Tag der Proteste begonnen.“
Und dann kam es anders, als in den anderen arabischen Ländern. Hoffnung für Syrien, fast
verloschen in den letzten Jahren. Hoffnung, die überlebenswichtig ist für ein Land mit seinen
2
Menschen. Hoffnung, die sich an jeder Hilfe neu entzündet. Wie sehr hoffe ich mit den Syrern, dass
mit der UN-Resolution und dem angehenden Friedensplan, den Verhandlungen von oppositionellen
Gruppen in unterschiedlichen Zusammensetzungen berechtigte Hoffnung ergeben kann. Wie sehr
sind wir hier in Deutschland in der Verantwortung für unsere Entscheidungen und Signale, die wir
geben. „Christen in Syrien ohne Hoffnung“, lese ich in der ZEIT von heute. Wir sind verwoben in die
Vision von Gottes Frieden. Was wir für uns als Hoffnung in Anspruch nehmen wollen, ist ohne Teilen
nicht möglich. „Hoffnung ist ein großes rundes Brot, das man zusammen essen muss, erst dann wird
man satt.“
Was können wir für die Christen in Syrien, im Irak, im Nahen Osten tun, die dort bleiben wollen? Trotz
IS und weiteren radikalisierten Muslimen? Sie brauchen uns, als Träger der Hoffnung.
Wir leben zum Glück in einem Rechtsstaat und die Lage stellt sich für uns bei weitem nicht so
dramatisch dar, auch wenn uns mit den Attentaten in Paris terroristische Gewalt näher gekommen ist.
Und es hier im Rahmen der Bundeswehr viel näher ist, als im zivilen Leben. Es ist gut, dass wir
Obdach geben. Doch das reicht noch nicht. Können wir auch Heimat geben? (Ich begleite eine
iranische Familie, die von jetzt auf gleich nach Hilden verlegt wurde und unglücklich ist, weil wir doch
schon in Beziehung getreten sind.)
Die Beispiele zeigen, dass die Sehnsucht nach Freiheit eine große Dynamik freisetzen kann. Die Zeit
der Visionen ist nicht einfach vorbei. Visionen erweitern den Horizont der Aufmerksamkeit, sie
wachsen nicht aus dem Überfluss, sondern aus dem Leiden heraus. Auch die prophetischen
Verheißungen sind keine leeren Versprechungen, sie sind unbescheiden, ja. „Sie nehmen die Ängste
und Sehnsucht auf und verwandeln sie. Sie ziehen den Blick ins Weite. Sie bringen die tiefsten
Wünsche der Seele ans Licht: dass es Freiheit gibt, Lebensfreude, ... dass die Gewalt ein Ende hat,
dass Gerechtigkeit siegt und der Frieden dauerhaft ist.“
Dieser Überschuss an Erwartungen wird in die heilige Nacht hineingetragen und geht von der heiligen
Nacht aus in alle Welt.
(3) Damit komme ich zur weihnachtlichen Perspektive. Die Hoffnung nimmt die Zukunft Gottes
vorweg. Die Hoffnung widersteht der Gegenwart. Weihnachten ist deshalb nicht nur Innerlichkeit und
Empfindsamkeit. Das ist es auch und soll es sein. Aber Weihnachten weckt ins uns zugleich einen
Überschuss an Erwartungen, es schürt eine Sehnsucht nach Heil und Trost nicht nur für unser Leben,
sondern in einem ganz umfassenden Sinn eines Friedens für die ganze geschundene Erde. Schauen
wir dazu noch einmal in die Szenerie der heiligen Nacht:
Das Kind in der Krippe erinnert in keiner Hinsicht an die Geburt eines Thronfolgers. Kein königlicher
Hofstaat weit und breit, die Attribute Herrscher, Fürst und Held stehen geradezu in Widerspruch zur
jämmerlichen Geburt in Bethlehem. Doch dann öffnet sich der Himmel und verwandelt die Nacht in
den Tag. Die himmlischen Heerscharen verkünden den Hirten auf dem Feld die Geburt des
Friedefürsten und preisen Gott. Aber nicht nur die underdogs, auch die esoterisch anmutenden
Magier aus dem Morgenland kommen zu dem Kind im Stall. Ein leuchtender Stern hat ihnen den Weg
gewiesen. Sie alle wissen oder ahnen zumindest, dass dort im Stall ein Kind geboren ist, das stärker
als alle Herrscher die Welt verändern wird.
Im Kind in der Krippe zeigt sich, wo sich Gott in dieser Welt sieht, wohin er gehört, wo er gebraucht
und erkannt wird, nämlich dort, wo Menschen in Angst und Dunkelheit leben und auf Rettung hoffen.
Die heilige Nacht ist nicht nur Sinnbild einer großen Vision, sondern auch Realität. Im Stall sind
Mensch und Gott, Tier und Kind vereint. Es ist ein Bild der großen Versöhnung, ein Bild der
3
vollkommenen Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft: aus Gott und Mensch und Vieh. Aus Arm und
Reich und Hoch und Niedrig ... Alle Welt ... vereint in dieser Bude. Vollkommene Harmonie. Der
Traum, dass Menschen und Dinge so, wie sie sind, ein Ganzes sind und sich nichts tun.
Weihnachten ist eine Hoffnungsgeschichte. („Hoffnung ist ein großes rundes Brot, das man
zusammen essen muss, erst dann wird man satt.“)
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in
Jesus Christus.
Amen
4