Urteile über Willy Brandt - Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung

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Urteile über Willy Brandt - Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung
Stimmen zu Willy Brandt
Eine Auswahl zusammengestellt von Dr. Wolfgang Schmidt,
Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung Berlin, 2013
1. Zeitgenössische Urteile
Oberstudienrat Dr. Kramer, Lehrer für Englisch und Französisch am Johanneum in
Lübeck (ca. 1930):
„Bei einer Gelegenheit ließ er meine Mutter wissen: ‚Halten Sie Ihren Sohn von der Politik
fern! Der Junge hat gute Anlagen, es ist schade um ihn. Die Politik wird ihn ruinieren.‘“
Quelle: Willy Brandt: Mein Weg nach Berlin. Aufgezeichnet von Leo Lania, München 1960, S. 36.
Aus dem Protokoll einer Klassenkonferenz am Johanneum in Lübeck (1931):
„Frahm ist nach Aussage seiner Mutter, die das bedauert, ein Fanatiker seiner Überzeugung
– eine häufige Zeiterscheinung bei jugendlichen Menschen.“
Irmgard Enderle über die gemeinsame Zeit im Exil:
„Er war immer vollkommen von der Politik besessen, und alles war für ihn Politik und
Beschäftigung mit der Politik. Aber er konnte im Freundeskreis außerordentlich losgelöst und
fröhlich sein, erzählte und hörte gern Witze und war ungeheuer hilfsbereit gegenüber allen
Freunden.“
Quelle: Carola Stern: Willy Brandt, Reinbek 2002, S. 38.
Fritz Bauer (1946):
„Er ist nicht nur sympathisch, sondern auch sehr tüchtig. (...) Er ist ein Mann, der in
internationalen Kreisen leicht Freunde gewinnt und unter oft schwierigen Verhältnissen in
Stockholm die 2. Internationale zu einigen verstand. (...) Er ist in der Emigration ein an den
Westen, insbesondere Amerika assimilierter Journalist geworden.“
Quelle: Schreiben von Fritz Bauer an Kurt Schumacher, 23.5.1946, in: AdsD, NL Schumacher, 64).
Welt am Sonntag (1956):
„Er ist der geistige Sohn Ernst Reuters (…). Die Berliner fangen an, auf ihn zu hören. Seine
Stimme gewinnt einen Klang, dem sich die Ohren und die Herzen der Insulaner öffnen. (…)
In Berlin fand er den Meister und fand er die Heimat. Berlin braucht ihn heute, aber es darf
ihn nicht fesseln.“
Quelle: „Der Erbe Ernst Reuters“, in: Welt am Sonntag, 8.1.1956.
Berliner Zeitung (1956):
„Trommelbube des kriegslüsternen amerikanischen Imperialismus und eifriger Gauleiter
Adenauers im West-Berliner NATO-Reich. Sein Beruf: Spitzenagent anglo-amerikanischer
Geheimdienste seit 1935. (…) Er heißt übrigens Willy Brandt und zählt gegenwärtig
41 Lebensjahre, von denen mehr als 20 ausschließlich dem gewissenlosesten Verrat an der
deutschen Arbeiterklasse gewidmet waren.“
Quelle: Berliner Zeitung (Ost-Berlin), 20.1.1956.
Die Zeit (1957):
„Brandt ist unter allen Berliner Politikern der beste Bürgermeister-Kandidat. Seine Liberalität
macht ihn auch den nichtsozialistischen Parteien genehm.“
Quelle: „Kandidat für Reuters Stuhl“, in: Die Zeit, 19.9.1957.
Rheinische Post (1957):
„Brandt besitzt dieses schwer definierbare Fluidum. Er ist kein mitreißender Volksredner;
dazu ist seine Stimme zu spröde, seine Sprache zu bedächtig, seine Gedankenführung nicht
simpel genug. Aber er vermag in seinen – stets freien – Reden Freunde zu packen,
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Indifferente zu überzeugen und Gegner mit geschliffenem Florett aufzuspießen. Zudem sieht
er gut aus und strahlt einen fast jungenhaften Charme aus.“
Quelle: „Der Mann ohne s-t“, in: Rheinische Post, 5.10.1957.
Christ und Welt (1957):
„Das ist vielleicht Willy Brandts größte Stärke: seine menschliche Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit und seine mangelnde Begabung, verbissen zu sein. (...) Die Gegner der deutschen
Sozialdemokratie haben allen Grund, diesen Typ des Sozialdemokraten von morgen genau
zu studieren. Er wird ein schwieriger Widerpart sein, weil er welt- und wirklichkeitsoffen ist.“
Quelle: „Willy Brandt / Sozialist von morgen“, in: Christ und Welt, 10.10.1957.
US-Regierung (1957):
• „Given Brandt’s age and talent, we may also expect him to differ from Schreiber and
Suhr also in the fact that the position of Governing Mayor may not be for him the
climax of a political career, but another rung of a ladder which, given an eventual
improvement in his party’s position, could eventually bring him to the Chancellorship.“
• „As far as representational activities are concerned, and they comprise one of the
most significant aspects of the job, Brandt can be expected to represent Berlin to the
world with an understanding and dignity which Suhr unfortunately often lacked.“
• „There is no question of Brandt’s courage, physical or moral. He will keep a cool head
in a bad spot.“
• „Brandt is also an exceedingly deliberate man. He does little on impulse; every move
is studied. Though he has many ardent supporters, he is very much the lone wolf. He
is undoubtedly very ambitious. But he has a curious diffidence which would make him
rather vulnerable in a knock-’em-down, drag-’em-out political battle.“
• „Brandt is a man of his word and we can work well with him, but his pro-Americanism
is not unqualified. There is no question that he is Western-oriented and antiCommunist (or as his party is wont to say, ,anti-Stalinist‘), but he remains a SocialDemocrat with much of the intellectual confusion which his party comrades have
shown with respect to foreign policy and rearmament issues.“
• „He appeals to all the German impatience with the existing situation by implying that
Western policy is outdated, that new (but unspecified) courses must be followed, etc.
Brandt appears convinced that Communism is capable of reform and he appears to
be very impressed by both Tito and Gomulka.“
• „In sum, with all his stirring denunciation of Communism, Brandt may underestimate
the Communist threat.“
Quelle: „Election of Willy Brandt as Governing Mayor of Berlin“, in: Confidential, Office Memorandum,
United States Government, 3.10.1957.
The Times (1958):
„He has a face of a kindly, thoughtful but determined boxer. He speaks well, with calm and
sincere emphasis, and meets the Press with a directness and charm which disarm criticism.
He photographs well, which is not the least of his assets in the television age, and has a very
wide appeal among the all-important women voters. To most Berliners he seems to represent
youthful vigour, courage, and sincerity. He speaks almost perfect English.“
Quelle: „Herr Brandt´s rapid rise as a German leader“, in: The Times (London), 9.12.1958.
Die Welt (1958):
„Seine Volkstümlichkeit ist groß, und er hat eine internationale Stellung wie wenige
Sozialdemokraten, wie überhaupt wenige Leute in der Bundesrepublik gewonnen. (...) Schon
flüstern manche, Willy Brandt sei der künftige Kanzlerkandidat der Sozialdemokratie.“
Quelle: „Der Gegner als Freund“, in: Die Welt, 13.12.1958.
Der Tagesspiegel (1958):
„Noch nie hat sich die französische Massenpresse mit solchem Schwung auf einen
deutschen Politiker geworfen wie auf Brandt. (...) Und die Franzosen finden, der Neue habe,
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Stimmen zu Willy Brandt
was den deutschen Politikern sonst nicht gegeben sei: Charme.“
Quelle: „Brandt, der Star der ersten Pariser Konferenztage“, in: Der Tagesspiegel, 16.12.1958.
Paris Journal (1958):
„Seine Intelligenz, seine Dynamik und sein Humor haben die Berliner und ganz Westdeutschland erobert. Das geht so weit, daß man ihn jetzt als einen ernsthaften Rivalen
Bundeskanzler Adenauers betrachtet, dem er gelegentlich die Stirn zu bieten weiß.“
Quelle: Zit. nach Hannoversche Presse, 16.12.1958.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (1958):
„Die Register der Publicity beherrscht er meisterhaft. (...) Journalisten sind für ihn Kollegen
geblieben. Er bittet sie mit gewinnendem Freimut um eine Zigarette, wenn ihm die eigenen
ausgegangen sind. (...) Wenn man Brandt gegenübersitzt und mit ihm spricht, schaut man in
angestrengt arbeitendes Gesicht mit energischem Kinn, intelligenten Augen und Fältchen,
vom Sinn für Humor geprägt. (...) Seine politischen Ambitionen gönnen ihm nicht viel Zeit für
Häuslichkeit. Eine erstaunliche Robustheit äußert sich auf dem Parkett zuweilen auch in
witzigen, aber zuweilen arg scharf gewürzten Bemerkungen, die manchen Partner schwer
schlucken machen. Auch zur Geselligkeit gehört für ihn die hartnäckige politische
Diskussion.“
Quelle: „Der junge Bürgermeister von Berlin“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.1958.
Basler Nachrichten (1958)
„Brandt ist ein kühler Rechner und wirkt zudem wie der kühne Held eines amerikanischen
Abenteuerfilmes.“
Quelle: „Willy Brandt, der neue deutsche Star“, in: Basler Nachrichten, 19.12.1958.
Deutsche Wochenschau (1959):
„Im strömenden Regen erwies man dem Mr. Berlin auf seiner Fahrt zum Rathaus mit der
Konfetti-Parade eine Ehre, die nur ganz besonders populären Gästen zuteil wird. Die Bürger
der größten Stadt der Welt demonstrierten auf ihre unverwechselbare Art ihre aufrichtige
Sympathie. Für das Ehepaar Brandt war dieser Besuch zweifellos ein großer persönlicher
Erfolg. Ein Erfolg, an dem Frau Rut Brandt einen guten Anteil hatte.“
Quelle: Bericht der Deutchen Wochenschau über den Besuch Willy Brandts in New York am
10.2.1959.
Neues Deutschland (1959):
„Man kann es beim besten Willen nicht bestreiten, Willy Brandt nimmt seine Rolle als
eifrigster Laufbursche Adenauers sehr ernst. (...) Nichts liebt er mehr als Beliebtheit bei den
Schürern und Nutznießern der Verschärfung internationaler Spannungen, wobei er seinen
Herrn und Meister Adenauer noch zu übertreffen sucht.“
Quelle: „Unternehmen Dörrgemüse“, in: Neues Deutschland, 20.3.1959.
Die Presse der Sowjetunion (1959):
„Nomen est omen; denn Herr Brandt führt sich wie ein Brandstifter auf. (...) Brandt, alias
Frahm, gehörte zu denen, die im Spanischen Bürgerkrieg den Putsch im Hinterland der
Republikaner organisierten. (...) Mit seiner Hilfe wurde Westberlin immer mehr amerikanisiert
und mit Dollarkapital überschwemmt. (...) Herrscher von Dollarsgnaden – diese Worte
könnten Brandts Visitenkarte zieren.“
Quelle: Die Presse der Sowjetunion (Berlin-Ost), 29.3.1959.
Time Magazine (1959)
„Wenn heute Brandt irgendwo vorübergeht, erklärt mancher westdeutsche Politiker voll
Vertrauen: hier geht der künftige Bundeskanzler. Falls Willy je seinen Traum verwirklichen
und die Sozialdemokratische Partei modernisieren kann, mögen sie recht behalten.“
Quelle: Zit. nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.5.1959.
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Konrad Adenauer (1960):
„Der Herr Brandt habe doch auf seinem eigentlichen Gebiete, nämlich in Berlin, bisher noch
gar nichts geleistet. Reuter habe mehr geleistet, dessen Nachfolger auch. Brandt aber könne
nur repräsentieren und Reden halten, aber ob er arbeiten könne, das habe er noch nicht
gezeigt.“
Quelle: Adenauer: „... um den Frieden zu gewinnen“. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 19571961, Düsseldorf 1994, S. 710.
Franz Josef Strauß (1961):
„Eines aber wird man doch Herrn Brandt fragen dürfen: Was haben Sie 12 Jahre lang
draußen gemacht? Wir wissen, was wir drinnen gemacht haben.“
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.2.1961.
Konrad Adenauer (1961):
„Wenn einer mit der größten Rücksicht behandelt worden ist von seinen politischen Gegnern,
dann ist das der Herr Brandt alias Frahm.“
Quelle: Alias Frahm, in: Der Spiegel, Nr. 35/1961, S. 18.
Aktuell (1961):
• „Man hat diesen Mann überfordert. Er hat kein Durchstehvermögen. Der Osten weiß
über Brandt genau Bescheid. (...) Man könnte ihn erpressen.“
• „Er ist imstande, auf jedem Empfang aufzufallen. (...) Über ‚Willy, den
Schlechtangezogenen‘, könnte man einen eigenen Bildband machen.“
• „Die Wahlprospekte der SPD machen aus dem ‚charmanten Bel ami‘ beinahe einen
‚Super-Bürgerlichen‘.“
• „Der Name Willy Brandt wird in kurzer Zeit aus den Schlagzeilen verschwinden. Er
wird vergessen werden.“
Quelle: Sein Weg nach Berlin, in: Aktuell – Deutsches Wochenmagazin, Nr. 9, 9.9.1961, S. 20–47.
Golo Mann (1968):
„Der beste Außenminister (...) seit es ein deutsches Auswärtiges Amt gibt.“
Quelle: Golo Mann in einer Fernsehsendung mit Günter Grass, 21.10.1968, in: AdsD, WBA, A 8, 77.
Neues Deutschland (1968):
„Wenn Brandt aus der Geschichte überhaupt etwas gelernt hat, dann nur, wie er die
westdeutsche Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit noch geschickter und raffinierter als
seine Vorgänger irreführen und betrügen kann.“
Quelle: „Die feine Moral eines Ministers / Was Willy Brandt aus der Geschichte gelernt hat“, in: Neues
Deutschland, 4.12.1968.
Kurt Georg Kiesinger (1969):
„Wenn der nur nicht so verdammt seriös geworden wäre.“
Quelle: Zit. nach „Signale nach links“, in: Der Spiegel, Nr. 38/1969, S. 34-38 (S. 34).
Deutsche National- und Soldatenzeitung (1969):
„Willy Brandt, der Mann mit dem roten Kompaß, war stets ein falscher Prophet. Er stand
unzählige Male vor den Trümmern seiner, auf Illusionen aufgebauten politischen Ideenwelt,
die er für ‚realistisch‘ gehalten hatte, und ebenso oft ersetzte er die zerronnenen
Wunschträume und in Rauch aufgegangenen Utopien durch neue. Seine Amtszeit als
Bundesaußenminister war die bisher erfolgloseste der deutschen Nachkriegspolitik, auch
wenn seine sozialistischen Freunde im In- und Ausland das Gegenteil behaupten. Ein
solcher Mann darf nie und nimmer deutscher Bundeskanzler werden.“
Quelle: „Darf dieser Mann Kanzler werden? Wir enthüllen BRANDTS Vergangenheit“, in: Deutsche
National- und Soldatenzeitung, 29.8.1969.
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Stimmen zu Willy Brandt
Süddeutsche Zeitung (1969):
„Denn wohl jeder fühlt sich wehrlos gegen Sympathiegefühle für diesen Willy Brandt, der es
im Leben nie leicht gehabt hat, weil er sich das Leben schwer macht.“
Quelle: Hans Ulrich Kempski: „Hier stehe ich und kann nicht anders“, in: Süddeutsche Zeitung,
16.9.1969 (zit. nach Achim Zons: Das Denkmal, München 1984, S. 23).
Der Abend (1969):
„Willy Brandt ist kein Dynamiker und Mann großer politischer Entwürfe. Er wird nicht wie
Kennedy Ausgangspunkt neuer Ideen sein oder wie Adenauer seine Politik einer durch nichts
zu erschütternden Zielvorstellung unterordnen. Brandt bedarf des Anstoßes, um aktiv zu
werden. Dabei registriert er alle sich anbahnenden Entwicklungen. Er hat ein hervorragendes
Gespür dafür, was in einer bestimmten Situation verwirklicht werden kann. (...) Brandt wird
als Kanzler einen kollektiven Führungsstil pflegen. Er ist kein Mann der einsamen
Entschlüsse. Er braucht das Gespräch, die Diskussion, um seine Meinung zu finden. Wird
ein Thema beraten, kann keiner vorhersagen, welchen Standpunkt Brandt einnehmen wird.
Hat er eine Auffassung gewonnen, hält er daran bis zur Starrköpfigkeit fest.“
Quelle: „Der Außenseiter vor dem endgültigen Durchbruch?“, in: Der Abend, 21.10.1969.
The Times (1969):
„Er ist ein guter Europäer und ein guter Mann.“
Quelle: „Ein guter Mann“, in: The Times (London), 22.10.1969. Abgedruckt in: Was hält die Welt von
Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 16.
Axel Springer (1970):
„Die Träume Willy Brandts von ‚veränderten Verhältnissen‘, von Kooperation statt
Konfrontation sind genau das, nämlich Träume.“
Quelle: „In Sorge grüßt Sie ihr Axel Springer“, in: Der Spiegel, Nr. 5/1970, S. 52.
Frankfurter Rundschau (1970):
„Das Maß an Respekt, das dem deutschen Bundeskanzler Willy Brandt in Frankreich
entgegengebracht wird, ist wohl nur mit dem zu vergleichen, das von deutschen
Nachkriegspolitikern Konrad Adenauer genoß. (…) Der ‚breitschultrige‘ Kanzler mit den
‚kräftigen Kinnbacken‘ steht synonym für ein ‚selbstbewußtes‘, „erwachsen ‚gewordenes‘
Deutschland, auch mit aller Skepsis wird es gesagt, für deutsche ‚Dynamik‘ und ‚Energie‘.
Quelle: „Ein Kanzler ohne Komplexe“, in: Frankfurter Rundschau, 28.1.1970. Abgedruckt in: Was hält
die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 25.
Die Welt (1970):
„Brandt betreibt Ostpolitik nicht nur dem Zwange gehorchend, sondern auch aus Passion.
Die europäische Friedensordnung ist für ihn ein moralisches Postulat, eine Art
Wiedergutmachung nach Osten hin.“
Quelle: „Die 101 Tage des Kanzlers Willy Brandt“, in: Die Welt, 2.2.1970.
Süddeutsche Zeitung (1970):
„Brandt macht sich ein Privileg daraus, den Ministern die Chance zu geben, sich vorteilhaft
ins Licht zu rücken. Eine geschickte Übung. Sie nährt nämlich keineswegs den Verdacht,
daß der Kanzler bei manchen Themen wenig sattelfest sei. Sie zwingt vielmehr den Eindruck
herbei, daß sich hier ein Team präsentiert, dessen Chef sicher genug ist, auch andere neben
sich gelten zu lassen.“
Quelle: „Der Kanzler dämpft Triumphgefühle“, in: Süddeutsche Zeitung, 2.2.1970. Abgedruckt in: Was
hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 70.
Le Figaro (1970):
„Willy Brandt, Kanzler, das ist das neue Bild eines von Komplexen befreiten Deutschlands,
und man kann vorerst nur schwer die Bedeutung dieser stillen Revolution ermessen. (…)
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Brandt ist schon drei Monate nach seinem Amtsantritt der starke Mann Europas, und er hat
noch nicht alle seine Karten ausgespielt.“
Quelle: Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und
Auslandes, Hamburg 1972, S. 26.
Combat (1970):
„Mit 57 Jahren Treppen zu steigen wie ein junger Mann, moderne Anzüge zu tragen, die vom
besten Schneider Berlins gearbeitet sind, ebenso fähig zu sein, im Mittelmeer zu schwimmen
wie eine Nacht durchzuarbeiten, das läßt schon einen neuen Stil voraussagen.“
Quelle: „Wie Willy Brandt Deutschland regiert“, in: Combat (Paris), 3.2.1970. Abgedruckt in: Was hält
die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 28.
Berlingske Tidende (1970):
„Willy Brandt rechnen wir als einen der Unsrigen, und etwas Höheres kann man nicht
erreichen, wenn es gilt, unsere Achtung und unseren Respekt zu erlangen. Kein deutscher
Regierungschef hat ein so enges Verhältnis zum Norden gehabt wie Willy Brandt.“
Quelle: „Der Freund aus Bonn“, in: Berlingske Tidende (Kopenhagen), 13.2.1970. Abgedruckt in: Was
hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 81.
Aktuelt (1970):
„Er repräsentiert das Beste des modernen Deutschlands. Er ist die Personifizierung einer
Haltung, die mit dem Fall der Weimarer Republik unterging, als sie sich noch im
Entwicklungsstadium befand: eine echte demokratische Haltung.“
Quelle: „Ein guter Deutscher“, in: Aktuelt (Kopenhagen), 14.2.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt
von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 82.
Toronto Daily Star (1970):
„Willy Brandt hat nicht die Absicht, sich mit dem Lauf der Geschichte abzufinden. Er
beabsichtigt sie vielmehr zu verändern.“
Quelle: „Ein liebenswürdiger Deutscher, der die Geschichte verändern will“, in: Toronto Daily Star,
28.2.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten
des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 31.
The Times (1970):
„Er hat stets den Eindruck eines Menschen vermittelt, der der Vernunft das Wort redet, mit
Würde und Leidenschaft – eine Kombination, die man bei Politkern nicht unbedingt als üblich
voraussetzen kann.“
Quelle: „Herr Brandt in London“, in: The Times (London), 28.2.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt
von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 72.
The Daily Telegraph (1970):
„Von dieser Seite des Kanals aus gesehen, hat es niemals einen besseren deutschen
Kanzler gegeben als den, der uns diese Woche besucht. (…) Seine antinazistische
Vergangenheit, sein tapferes Auftreten als Regierender Bürgermeister von West-Berlin in
kritischen Jahren und seine beständige Würde haben ihm allgemeine Achtung verschafft.“
Quelle: „Großbritanniens Freund aus Westdeutschland“, in: The Daily Telegraph (London), 2.3.1970.
Abgedruckt in: Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und
Auslandes, Hamburg 1972, S. 73 f.
Morgenbladet (1970):
„In der internationalen Politik hat er mehr zu sagen, als je ein anderer deutscher Staatsmann
nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches gehabt hat. In der Allianz zwischen den USA
und Westeuropa ist er die Nummer zwei nach Nixon. Aber seine starke Position beruht auch
darauf, daß man volles Vertrauen zu seiner demokratischen Gesinnung und seiner
persönlichen Integrität hat.“
Quelle: „Brandts Aufgabe in Norwegen“, in: Morgenbladet (Oslo), 17.4.1970. Abgedruckt in: Was hält
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Stimmen zu Willy Brandt
die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 87.
Look (1970):
„Tatsächlich ist Brandt vielleicht der attraktivste Kanzler, den Deutschland seit der Zeit
gehabt hat, als Otto ‚Blut und Eisen‘ von Bismarck vor neunundneunzig Jahren das
Deutsche Reich errichtete und Adolf Hitler die kultivierten Deutschen eines Goethe in
häßliche Ausrotter von Juden und Slawen verwandelte.“
Quelle: „Holt die GIs nicht aus Europa heraus“, in: Look (New York), 21.4.1970. Abgedruckt in: Was
hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 98.
Washington Post (1970):
„Brandt hat auch das sine qua non des heutigen Politikers gemeistert: das Fernsehen. Er
erscheint dort nicht als geschickter Akteur, sondern als der gute Deutsche, der geradeheraus
mit gesundem Menschenverstand zu seinen Landsleuten spricht.“
Quelle: „Deutschlands Wirtschaftswunder hat ein politisches Gegenstück“, in: Washington Post,
29.4.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten
des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 35 f.
Le Monde (1970):
„Er hat während des Krieges nicht gezögert, gegen seine Landsleute, die von Hitlers
Träumen geblendet waren, eine ausländische Uniform anzuziehen; er hat aber auch, als dies
die Uniform des Siegers wurde, nicht gezögert, seinen Landsleuten zu einem Zeitpunkt zu
dienen, als deren Schicksal außerordentlich schwer und dunkel erschien.“
Quelle: „Die Entspannung und Europa“, in: Le Monde, 17.9.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt
von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 113.
Le Soir (1970):
„Vor den Schwierigkeiten nicht zögernd, nimmt er die Probleme mit gleichmütiger Kühnheit
und mit einer beruhigenden Kaltblütigkeit in Angriff, die den Eindruck vermittelt, daß er, wohl
wissend, was er will, über die unmittelbaren Nebensächlichkeiten hinausgeht und ein großes
Ziel verfolgt.“
Quelle: „Willy Brandt und die Ost-West-Beziehungen“, in: Le Soir (Brüssel), 18.9.1970. Abgedruckt in:
Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes,
Hamburg 1972, S. 115.
Washington Daily News (1970):
„Zu seiner Ehre muß gesagt werden, daß Brandt jegliche Romantik, nationalistische Gefühle
und Rachegedanken beiseite läßt und sich darauf konzentriert, das Äußerste aus den realen
Möglichkeiten Westdeutschlands herauszuholen.“
Quelle: „Brandts historische Schritte“, in: Washington Daily News, 17.11.1970. Abgedruckt in: Was hält
die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 119.
Il Messaggero (1970):
„In bezug auf die Bundesrepublik Deutschland des Jahres 1970 können wir sagen, daß –
gemäß einem alten, geradezu machiavellistischen Grundsatz – ein neuer Mann an der
Regierung auch ein neues Land machen kann.“
Quelle: „Der neue Mann“, in:Il Messaggero (Rom), 23.11.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt von
Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 89.
Der Spiegel (1970):
„Wenn dieser nicht religiöse, für das Verbrechen nicht mitverantwortliche, damals nicht
dabeigewesene Mann nun dennoch auf eigenes Betreiben seinen Weg durchs ehemalige
Warschauer Getto nimmt und dort niederkniet – dann kniet er da also nicht um seinetwillen.
Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich
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zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er
selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.“
Quelle: „Ein Stück Heimkehr. SPIEGEL-Reporter Hermann Schreiber mit Bundeskanzler Brandt in
Warschau“, in: Der Spiegel, Nr. 51/1970, S. 29. Abgedruckt in: Alexander Behrens: „Durfte Brandt
knien?“ Der Kniefall in Warschau und der deutsch-polnische Vertrag. Eine Dokumentation der
Meinungen, Bonn 2010, S. 59.
Stuttgarter Zeitung (1970):
„Bundeskanzler Brandt gestaltete diesen Gang aber zu einer historischen Szene, in der sich
persönliche und staatsmännische Würde, Erinnerungen an eine blutige Niederschlagung des
Aufstands im Warschauer Ghetto 1943 und die Bitte um Vergebung ineinander vereinigten.
Langsam schritt er auf das jüdische Mahnmal zu und fiel auf die Knie...“
Quelle: „Überraschende Geste Willy Brandts. Der 7.12.in Warschau. An der ‚Gedenkstätte des
Ghettos‘ beugt der Kanzler die Knie“ von Reinhard Appel, in: Stuttgarter Zeitung, 8.12.1970.
Abgedruckt in: Alexander Behrens: „Durfte Brandt knien?“ Der Kniefall in Warschau und der deutschpolnische Vertrag. Eine Dokumentation der Meinungen, Bonn 2010, S. 62.
Rheinischer Merkur (1970):
„Brandt hat mit der Unterschrift am 7.12.den im Potsdamer Abkommen von den vier
Siegermächten offengehaltenen Verhandlungsfrieden weggeschenkt, der unter
Konvertierung der Rechtstitel zur europäischen Öffnung der Grenzen führen sollte.“
Quelle: „Noch ein Ersatz-Frieden / Auch der Polenpakt braucht Zweidrittelmehrheit“ von P. W. Wenger,
in: Rheinischer Merkur, 11.12.1970. Abgedruckt in: Alexander Behrens: „Durfte Brandt knien?“ Der
Kniefall in Warschau und der deutsch-polnische Vertrag. Eine Dokumentation der Meinungen, Bonn
2010, S. 96.
Der Spiegel (1970):
„Hauptergebnis der SPIEGEL-Umfrage: Für angemessen halten das Verhalten Brandts am
Getto-Ehrenmal 41 Prozent der Befragten, als übertrieben bezeichnen es 48 Prozent.“
Quelle: „Kniefall angemessen oder übertrieben? SPIEGEL-Umfrage über Willy Brandts Totenehrung
am Ehrenmal im früheren Warschauer Getto“, in: Der Spiegel, Nr. 51/1970, S. 27. Abgedruckt in:
Alexander Behrens: „Durfte Brandt knien?“ Der Kniefall in Warschau und der deutsch-polnische
Vertrag. Eine Dokumentation der Meinungen, Bonn 2010, S. 109.
Südwestfunk (1970):
„Die Reserviertheit, die dem ersten Besuch eines Bonner Regierungschefs in Warschau
entgegentreten mußte, ist vom Sonntagabend an mehr und mehr in respektvolle Achtung
umgeschlagen. Die Polen setzen nunmehr auf Willy Brandt. Von ihm erwarten sie, daß er
dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 eine breite politische Mehrheit verschafft.“
Quelle: „Kommentar“ von Günter Paschner, in: Südwestfunk, 8.12.1970. Abgedruckt in: Alexander
Behrens: „Durfte Brandt knien?“ Der Kniefall in Warschau und der deutsch-polnische Vertrag. Eine
Dokumentation der Meinungen, Bonn 2010, S. 112.
Słowo Powszechne (1970):
„Der Mut Polens zu Kriegszeiten und der Mut Polens von heute (...) trafen sich gestern mit
dem Mut des früheren norwegischen Majors, der nicht an den Mythos des tausendjährigen
Reiches glaubte, und mit dem Mut des Bundeskanzlers, der früher als die Mehrheit seiner
Landsleute und mit großer Reife die Unabänderlichkeit des Urteils der Geschichte und, mehr
noch, seine Gerechtigkeit im Lichte des den Polen von den Deutschen zugefügten Leids
erkannt hatte.“
Quelle: Zit. nach Dieter Bingen, Die Deutschland- und Ostpolitik Willy Brandts im Spiegel der
polnischen Publizistik 1966–1974, in: BWBS, Willy-Brandt-Bild in Deutschland und Polen, Berlin 2000,
S. 99.
Le Monde (1970):
„Der Kanzler der Bundesrepublik, mit feuchten Augen, verlorenen Blickes, anscheinend allein
mit der Erinnerung an die Greuel, auf den Knien auf dem feuchten Granitboden im Morgennebel vor dem Denkmal, das den Helden und den Opfern des Warschauer Ghettos gewidmet
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Stimmen zu Willy Brandt
ist. Dieses Bild hat, als es auf den Fernsehschirmen erschien, vielen deutschen Zuschauern
den Atem verschlagen, wie es – wenn man den Berichten der Pressekorrespondenten glaubt
– die polnischen Zeugen dieser unerwarteten und außergewöhnlichen Geste tief berührt
haben muß. (…) Nicht alle Deutschen schätzen in gleicher Weise die so wenig diplomatische
Initiative des Kanzlers.(...) Es ist sogar gut möglich, daß das Bild des knienden Willy Brandt
seinen unversöhnlichen Gegnern ein neues Argument für seinen ‚Verrat‘ liefern wird.“
Quelle: „Auf den Knien im Morgennebel“, in: Le Monde, 9.12.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt
von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 120.
Die Zeit (1970):
„‚Ob die Bundesrepublik einen solchen Kanzler schon verdient?‘ flüsterte mir ein sonst sehr
kühler polnischer Beobachter bewegt zu...“
Quelle: Hansjakob Stehle: „Schlußpunkt unter die Vergangenheit“, in: Die Zeit, Nr. 50, 11.12.1970,
S. 1.
The Observer (1970):
„Indem Herr Brandt die Initiative für eine Annäherung an Polen ergriff, bewies er Realismus
in der Außenpolitik und ein hohes Maß an innenpolitischem Mut, eine kühne
Entschlossenheit, die weit größer war als die Adenauers bei seinen Verhandlungen mit den
Westmächten.“
Quelle: „Brandts Mut“, in: The Observer (London), 13.12.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt von
Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 122.
Time Magazine (1970):
„Indem er als erster westdeutscher Politiker bereit war, die vollen Konsequenzen der
Niederlage im Zweiten Weltkrieg zu akzeptieren, formte der westdeutsche Kanzler Willy
Brandt die Ereignisse, statt auf sie zu reagieren, und bot dem kommunistischen Europa eine
Herausforderung, die von großer potentieller Bedeutung auch für den Rest der Welt ist. (...)
Er hat die erregendste und hoffnungsreichste Vision für Europa entworfen, seit der Eiserne
Vorhang fiel.“
Quelle: „Mann des Jahres: Willy Brandt. Auf dem Weg zu einer neuen Realität“, in: Time Magazine
(New York), 30.12.1970. Abgedruckt in: Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler
Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 36.
Bayern-Kurier (1971)
„In der Kunst, durch geschickte Formulierungen objektive Sachverhalte zu verschleiern, gilt
Willy Brandt weithin als ein sehr begabter Mann. Ob es ihm allerdings gelungen ist, dem
Publikum sein eigenes Leben frei von Widersprüchen über den wirklichen Ablauf der
Ereignisse darzustellen, muß bezweifelt werden. (...) Brandts Selbstdarstellung ist sehr
unvollständig und wirft Fragen über Fragen auf, die bisher unbeantwortet geblieben sind.“
Quelle: „Auf und nieder, immer wieder“, in: Bayern-Kurier, 23.1.1971.
Washington Post (1971):
„Noch nie in der Vergangenheit saß in Deutschland ein Mann von größerer Integrität und mit
mehr Hingabe an die demokratische Praxis und die Ideale des Friedens im Sattel als Willy
Brandt. Und es ist in hohem Maße fraglich, ob jemals in der Zukunft ein anderer Mann mit
solchen Qualitäten Deutschland regieren wird.“
Quelle: „Deutschland blickt nach Westen“, in: Washington Post, 15.6.1971. Abgedruckt in: Was hält
die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 102 f.
The Guardian (1971):
„Brandt hat sein Land – und damit auch Westeuropa – über die längste Strecke des Weges
zu einer zivilisierten Reglung der Verhältnisse auf dem Kontinent geführt. Selbst wenn die
Verhandlungen über das bisher Erreichte nicht weiter gedeihen, wird ganz Europa Grund
haben, Willy Brandt dankbar zu sein. Er hat von Großbritannien und Frankreich weniger
Unterstützung erhalten, als er wohl hätte erwarten können; von den Vereinigten Staaten
9
Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
mehr, als er vielleicht erwartet; und seine politischen Gegner in Bonn haben ihm auch nicht
die geringste Hilfe geleistet. Er allein hatte die Führung, und ihm allein gebührt das
Verdienst.“
Quelle: „Treffen zweier Europa“, in: The Guardian (London), 18.9.1971. Abgedruckt in: Was hält die
Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972,
S. 125.
La Libre Belgique (1971):
„Die Stellung, die der Kanzler durch sein persönliches Gewicht erobert hat, ist solcherart,
daß man in gewisser Hinsicht sagen könnte, der wahre Nachfolger Charles de Gaulle auf
dem internationalen Schauplatz sei weniger George Pompidou als Willy Brandt.“
Quelle: „Das emanzipierte Deutschland“, in: La Libre Belgique (Brüssel), 27.9.1971. Abgedruckt in:
Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes,
Hamburg 1972, S. 127.
Begründung des Osloer Nobelpreiskomitees (1971):
„Willy Brandt hat als Chef der westdeutschen Regierung und im Namen des deutschen
Volkes die Hand zu einer Versöhnungspolitik zwischen alten Feindländern ausgestreckt. Er
hat im Geiste des guten Willens einen hervorragenden Einsatz geleistet, um
Voraussetzungen für den Frieden in Europa zu schaffen.“
Quelle: Was hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und
Auslandes, Hamburg 1972, S. 131.
Süddeutsche Zeitung (1971):
„Nicht Pathos, nicht Utopien haben bei der Brandtschen Politik Pate gestanden; wohl aber
politische Phantasie und nüchternes Kalkül im Dienste eines begrenzten, realistischen Ziels:
Friedenspolitik als Präzisionsarbeit.“
Quelle: „Ein überzeugender Friedenspreis“ von Hans Schuster, in: Süddeutsche Zeitung, 21.10.1971,
S. 4.
The New York Times (1971):
„Als Bürgermeister, Außenminister und Kanzler hat Willy Brandt mehr als irgendein anderer
Deutscher dafür getan, das Bild eines dem Neo-Nazismus zuneigenden und nach Revanche
dürstenden Deutschlands auszulöschen.“
Quelle: „Der Friedensnobelpreisträger“, in: The New York Times, 21.10.1971. Abgedruckt in: Was hält
die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 138.
The Times (1971):
„In einer Welt, in der Staatsmänner ersten Ranges oder auch nur fähige Politiker nicht
gerade häufig vertreten sind, ragt er als ein Mann hervor, der lobenswerte Ziele mit Energie
und Intelligenz verfolgt hat. Er ist ein guter Deutscher, ein guter Europäer und – soweit man
eine solche Persönlichkeit definieren kann – ein guter Weltbürger.“
Quelle: „Der Preis für Willy Brandt“, in: The Times (London), 21.10.1971. Abgedruckt in: Was hält die
Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972,
S. 139.
Le Monde (1971):
„Noch in hundert Jahren wird man sich jenseits des Rheins an diesen Regierungschef
erinnern, den die Verbrechen eines anderen Kanzlers, den er unerschrocken bekämpft hat,
auf die Knie gezwungen haben. Er macht es möglich, daß man wieder an ein Deutschland
glaubt, das ebenso wahr ist wie das des Geschreies und der Fackeln, das Land der Dichter
und Denker, die ‚ferne Geliebte‘, um die Heine im Exil weinte, das schwermütige Vaterland
Hölderlins.“
Quelle: „Der Büßer von Warschau“, in: Le Monde, 22.10.1971. Abgedruckt in: Was hält die Welt von
Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 142.
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Stimmen zu Willy Brandt
Le Peuple (1971):
„Weder Schauspieler noch Volkstribun, ein ausgezeichneter Organisator, der durch die
Ausübung der Macht und während vieler Prüfungen als Regierender Bürgermeister von
Berlin geprägt wurde.“
Quelle: „Kämpfer für den Frieden“, in: Le Peuple (Brüssel), 22.10.1971. Abgedruckt in: Was hält die
Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972,
S. 43.
US-Senator Mike Mansfield (1971):
„Ich kann mir keinen besseren Friedensnobelpreisträger vorstellen als Willy Brandt, der
während seiner gesamten Laufbahn – von den Tagen Hitlers bis zur Gegenwart – sich als in
die Zukunft blickender, einfallsreicher und mutiger Mann erwiesen hat.“
Quelle: Ein Mann seiner Zeit, in: Usis, 25.10.1971. Abgedruckt in: Was hält die Welt von Willy Brandt?
Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 136.
Der Spiegel (1971):
„Der Emigrant, gestern noch Angriffspunkt nationalistischer Kampagnen, ist heute für viele
Deutsche ein Gegenstand vaterländischen Stolzes.“
Quelle: „Diesmal kein Ruheständler“, in: Der Spiegel, Nr. 44/1971, S. 30.
Bruno Kreisky (1971):
„Seine Leistung (in der Exilzeit) war bemerkenswert. Er produzierte Papiere und Entwürfe mit
einer Technik, wie wir sie später nur bei internationales Kongressen und Organisationen
kennenlernten, und er tat es mit unglaublichem Fleiß und großer Einfühlungsgabe; (...) zu
alledem kam eine faszinierende Gabe, sich die ‚kommenden Dinge‘ vorzustellen zu können.“
Quelle: Auch für Deutschland, in: Die Zeit, 29.10.1971. Abgedruckt in: Was hält die Welt von Willy
Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 144.
Bruno Kreisky (1971):
„Kaum einer hat in der Welt draußen mehr für Berlin getan, hat Berlin so sehr zu einem
Engramm im weltpolitischen Bewußtsein gemacht wie er.“
Quelle: Auch für Deutschland, in: Die Zeit, 29.10.1971. Abgedruckt in: Was hält die Welt von Willy
Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg 1972, S. 145.
Georg Picht (1972):
„Er ist weder ‚eisern‘ noch ein Zyniker, noch sentimental, er verschmäht die Pose und hat
einen Widerwillen gegen große Worte. Er wirft sich nicht in die Brust und spielt sich nicht auf.
Deshalb besitzt er, was in Deutschland selten geworden ist: Würde.“
Quelle: Dagobert Lindlau (Hrsg.): Gedanken über einen Politiker. Dieser Mann Brandt, München 1972,
S. 11.
Georg Meistermann (1972):
„Brandt ist der erste deutsche Staatsmann, der wie seit langem kein Vorgänger den Mut zu
neuen Entwürfen hat.“
Quelle: in: Dagobert Lindlau (Hrsg.): Gedanken über einen Politiker. Dieser Mann Brandt, München
1972, S. 89.
Dorothee Sölle (1972):
„Herrschaft zu erlangen ist gar nicht das Ziel seines Redens. Herrschen – sich beherrschen,
die Sprache beherrschen, andere beherrschen – ist gar nicht das Modell, an dem er baut.
Darum enttäuscht er tatsächlich alle Führererwartungen.“
Quelle: Dagobert Lindlau (Hrsg.): Gedanken über einen Politiker. Dieser Mann Brandt, München 1972,
S. 132.
Sebastian Haffner (1972):
„Niemals hat ein deutscher Staat einen Regierungschef gehabt, der gleichermaßen in Ost
und West soviel Ansehen und Vertrauen genoß – und seinem Land soviel Ansehen und
Vertrauen verschaffte – wie Willy Brandt. Weder Adenauer noch Bismarck haben dieses
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Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
Kunststück geschafft. (…) Brandt ist der erste deutsche Staatsmann, der Freundschaft nach
Westen mit Aussöhnung nach Osten unter einen Hut gebracht und seinem Staat die optimale
Position verschafft hat, die seine Lage erlaubt. Es ist eine einmalige Leistung, fast so etwas
wie die Quadratur des Kreises, und die Geschichte wird sie nicht vergessen.“
Quelle: Haffner, Sebastian: „Wo Bismarck und Adenauer scheiterten“, in: Stern vom 1.10.1972, S. 194.
Siegfried Lenz (1972):
„Wenn Willy Brandt spricht, scheint mir, wird eine ganz besondere Mühsal deutlich: die
Mühsal eines Überzeugungsprozesses, bei dem man sich auf die Wörter verläßt. Wer dem
Wort so viel zutraut, kann der Verletzlichkeit nicht entgehen. Nicht zuletzt deswegen aber
achten wir sein Wort und glauben seiner Rede.“
Quelle: Dagobert Lindlau (Hrsg.): Gedanken über einen Politiker. Dieser Mann Brandt, München 1972,
S. 137.
Die Zeit (1972):
„Wie von einer Welle der Begeisterung wird der Kanzler in den Plenarsaal getragen – eine
Szene, wie sie dieses Parlament noch nie erlebt hat.“
Quelle: Rolf Zundel: „Zehn Tage, die Bonn erschütterten“, in: Die Zeit, Nr. 18, 5.5.1972, S. 3.
Olof Palme (1972):
„Politiker neigen dazu, zynisch zu werden. Willy Brandt jedoch hat seine menschliche
Qualität bewahrt.“
Quelle: „Ein Symbol des Vertrauens und der Versöhnung“, in: Vorwärts, 8.6.1972. Abgedruckt in: Was
hält die Welt von Willy Brandt? Aussagen internationaler Publizisten des In- und Auslandes, Hamburg
1972, S. 52.
Deutsche Nachrichten (1972):
„Über Rotspanien und Norwegen führte Frahm-Brandts Weg zurück nach Deutschland, um
als Kanzler der Unterwerfung in Warschau auf den Knien Sühne für deutsche Schuld zu
demonstrieren. Die tausendfache Schuld, die an Deutschen vor allem auch in Polen
begangen wurde, nimmt er nicht zur Kenntnis.“
Quelle: „Wer ist Willy Brandt?“, in: Deutsche Nachrichten, 27.10.1972.
Walter Scheel (1972):
„Einen so anständigen Bundeskanzler kriegt die Bundesrepublik nie wieder.“
Quelle: Zit. nach „Hier stehe ich, der Wähler helfe mir“, in: Der Spiegel, Nr. 47/1972, S. 1-10.
Der Spiegel (1972):
• „Vielweiberei, Trunksucht, Krankheit und Mord sind Variationen einer
Verleumdungslitanei, mit der die potentiellen Willy-Wähler auf dem flachen Lande und
in katholischen Gemeinden verschreckt werden sollen.“
• „Brandt (..) gilt heute als standfester Charakter mit Grundsätzen, an dessen
Lauterkeit nicht einmal seine Gegner zweifeln.“
• „Nach nur dreijähriger Kanzlerschaft präsentiert sich der SPD-Vorsitzende als
glaubwürdiger Regierungschef, der sich trotz aller Rückschläge zu einem
sozialdemokratischen Landesvater aufbaute.“
• „Erstaunt registrierten die Bundesbürger in den ersten Monaten nach dem
Machtwechsel einen Kanzler von maskenhafter Starre, das Parlament einen Politiker
von mimosenhafter Empfindlichkeit.“
• „Nur ein souveräner Politiker konnte den Kniefall im ehemaligen Warschauer Getto
riskieren.“
Quelle: „Hier stehe ich, der Wähler helfe mir“, in: Der Spiegel Nr. 47/1972, S. 1-10.
Die Zeit (1972):
„Da stehen die Wähler Kopf an Kopf, oft zu zehntausenden, und wenn der Bundeskanzler
erscheint, wird das Meer der Menschen von einer Grundwelle der Begeisterung ergriffen,
Transparente werden geschwenkt, Arme jubelnd hochgerissen, Kinder emporgehalten,
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Stimmen zu Willy Brandt
Sprechchöre ‚Willy, Willy‘ branden auf – die Menge ist bereit sich von der Stimmung
forttragen zu lassen. (...) Der Kanzler ist heute eine Symbolfigur für die Bundesrepublik
geworden, wie es einst Konrad Adenauer war.“
Quelle: „Brandt: locker in die letzte Runde“, in: Die Zeit, 17.11.1972.
Deutsche National- und Soldatenzeitung (1973):
„Tatsache ist, daß Brandt mit einer in gewisser Weise genialen Vertragspolitik territorial
gesehen beinahe tausend Jahre deutscher Geschichte dem Machtanspruch des Sowjetimperialismus opferte und so den Sinn des Todes von Abermillionen für die deutsche Sache
Gefallenen in Frage stellt.“
Quelle: „Das Geheimnis um Brandts Abstammung / Wir brechen das Tabu“, in: Deutsche Nationalund Soldatenzeitung, 12.1.1973.
Konkret (1973):
„Willy Brandt ist nicht mehr auf Neues aus. Er hat schon alles erreicht. (...) Jetzt, da der
Kampf um die notwendige Veränderung der Gesellschaft begonnen hat, ist Willy weg vom
Fenster.“
Quelle: „Kanzler ohne Kurs“, in: Konkret, 20.9.1973.
Franz Josef Strauß (1973):
„Willy Brandt hat es immer mit unbestreitbarem Geschick verstanden, Leerformeln mit
phantasieanregender Kraft von sich zu geben, auch von dem Zeitpunkt an bis heute, wo er
mehr und mehr die Rolle eines tönenden Denkmals regiegemäß zu spielen hat. (…) Der
Prophet der neuen linken Mitte, der Heilige unserer Tage, das von vielen gedankenlos
angebetete und bewunderte Idol für Frieden, Freiheit und Menschlichkeit … Brandt, der mit
einem stark überzogenen Moralitätsanspruch angetreten war, läßt einen beispiellosen Verfall
der politischen Moral zu.“
Quelle: „Die Maske fällt / Brandt – Anpassung an den Radikalismus“, in: Bayern-Kurier, 22.9.1973.
Herbert Wehner (1973):
„Der Kanzler badet gern lau – so in einem Schaumbad.“
Quelle: Zit. nach „Was der Regierung fehlt, ist ein Kopf“, in: Der Spiegel, Nr. 41/1973, S. 1-8.
Wibke Bruhns (1973):
„Menschen sind für ihn eigentlich nur in der Mehrzahl ansprechbar. Sein Engagement „für die
Menschen schlechthin“ geht Hand in Hand mit der Schwierigkeit, zu einzelnen eine wirkliche
Beziehung aufzunehmen, vor allem sie durchzuhalten. (...) Er gestattet niemandem einen
Anspruch an sich, jedem einen an seiner Sache. Am fröhlichsten ist er in Gesellschaft von
mehreren. Er hat viele Freunde. Ob er einen Freund hat, ist nicht bekannt. Brandts Toleranz
und Geduld mit seiner Umgebung bezieht er nicht zuletzt aus diesem Abstand. Man kommt
nicht an ihn heran. (...) Braucht er wirklich Rat, beschäftigt ihn ein Problem, das er allein
nicht in den Griff bekommt, stellt er verschiedenen Leuten Fragen. Hier mal eine, eine
andere dort. Für den Angesprochenen gibt das keinen Sinn. Willy Brandt aber sammelt
Mosaiksteine.“
Quelle: „Sie schlagen und ... sie brauchen sich“, in: Stern, 25.10.1973.
Stern (1973):
„Im vierten Jahr seiner Kanzlerschaft gleicht Brandt dem alternden Kaiser Napoleon, der
seine Befehle nur noch schriftlich gab und die Papierfetzen dann aus der rasenden Kutsche
den mitreisenden Ordonnanzoffizieren zuzuwerfen pflegte.“
Quelle: Ulrich Blank: „Ein Sancho Pansa namens Willy Brandt“, in: Stern, 11.11.1973, S. 14.
Harry Ristock (1973):
„Gottvater auf der Wolke.“
Quelle: Zit. nach „Willy Brandt 60: Das Monument bröckelt“, in: Der Spiegel, Nr. 50/1973, S. 1-12.
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Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
Der Spiegel (1973):
• „Im fünften Kanzler-Jahr ist Willy Brandt an die Grenzen seiner Führungskraft
geraten.“
• „In der Regierung läßt der Kanzler nach dem Geschmack vieler Genossen der FDP
zuviel Freiheit, und der Gedanke an seinen Sturz ist nicht mehr tabu.“
• „Der Mann, dessen konkrete Visionen von einem ausbalancierten Gleichgewicht in
Europa der sozialliberalen Koalition die allseits anerkannte Ostpolitik eingebracht hat,
hält es nicht mit der Innenpolitik.“
• „Die Kritik an Willy Brandt ist nicht mehr zu überhören. Der Ruf nach Änderung wird
lauter.“
• „Der große Wahlsieg der SPD, zu einem wesentlichen Teil persönlicher Verdienst
Brandts, machte den Kanzler unangreifbar.“
• „Der Sozialdemokrat hat einer nach größeren individuellen Freiheiten verlangenden
und auf mehr Solidarität angewiesenen Gesellschaft das Gefühl gegeben, sie sei
mehr als nur auf Wohlstand und Sicherheit fixierter Verein nach Adenauer-, Erhardoder Kiesinger-Art. Er befreite die Bundesrepublik aus 20 Jahren blindem
Antikommunismus. Er säte bei den westdeutschen Arbeitnehmern den Zweifel am
absoluten Leistungszwang und schärfte ihr Bewußtsein für eigene Interessen. Er
schuf Raum für Toleranz gegenüber Minderheiten und Unterprivilegierten.“
• „Längst nicht mehr ist ‚Willy‘ der unkonventionelle Genosse und Kumpel, der er noch
als Außenminister war – kontaktfreudig und trinkfest. Der Hausherr des Palais
Schaumburg gibt sich würdevoll, hält auf Distanz zu Mitarbeitern und Parteifreunden.“
• „Zu dem konservativen Wesensbild des späten, des sechzigjährigen Brandt passen
ungewohnte Überreaktionen.“
Quelle: „Willy Brandt 60: Das Monument bröckelt“, in: Der Spiegel, Nr. 50/1973, S. 1-12.
Rudolf Augstein (1973):
„Seinen 60. Geburtstag erlebt Willy Brandt in einem Tief der über ihn veröffentlichten und der
befragten Meinung, die sich unter dem Wimpel ‚Führungsschwäche‘ zusammenbraut.“
Quelle: „Der führungsschwache Kanzler“ von Rudolf Augstein, in: Der Spiegel, Nr. 50/1973, S. 32.
Herbert Wehner (1973):
„Die Qualitäten, die der Erste Mann der SPD in allen vorangegangenen Perioden bewiesen
hat, berechtigen zu der Hoffnung, er wird auch diese Periode meistern.“
Quelle: „Der Erste Mann der SPD / Willy Brandt und seine Partei“, in: Vorwärts, 13.12.1973.
Süddeutsche Zeitung (1973):
„Niemand weiß genau, ob seine Attitüde des Über-den-Wolken-Schwebens Selbstüberschätzung ist oder der Einsicht entspringt, er könne sich auch auf Drängen nicht für Dinge,
die ihm fremd sind, interessieren, sie gar entscheiden.“
Quelle: „Das schwache Jahr nach dem Sieg“, in: Süddeutsche Zeitung, 15.12.1973.
Helmut Schmidt (1973):
„Das, was Willy Brandt bis zu seinem sechzigsten Geburtstage schon bewirkt hat, wird die
zukünftige Geschichte unseres Landes prägend beeinflussen – ebenso wie die zukünftige
Entwicklung der Sozialdemokratie. Brandt ist deswegen nicht der Überheblichkeit verfallen;
das Gerede von der Pflege seines Denkmals betrifft andere. Es ist auch nicht Abstand zu
seinen Gefährten und Entrücktheit des in das wichtigste Staatsamt Aufgestiegenen, die ihn
zu manchem lange schweigen lassen – und für einige bisweilen zu lange. Die Kollegen im
Kabinett und die Genossen in der Parteiführung wissen, daß sein Schweigen zunächst nur
dem Willen zum Zuhören entspringt. Sein Zögern besagt, daß eine Sache noch nicht zur
Entscheidung herangereift ist. Seine Duldsamkeit entspringt vor allem der Bereitschaft, mit
Konflikten zu leben, weil sie weder durch ein Machtwort noch durch einen Kraftakt gelöst
werden können.“
Quelle: „Ein Geburtstagswunsch für Willy Brandt“, in: Der Spiegel, Nr. 51/1973, 17.12.1973, S. 41–45.
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Stimmen zu Willy Brandt
Oriana Fallaci (1973):
„Wenn man versucht, seine Seele zu durchstöbern, zieht er sich höflich zurück und schweigt.
Ich versuchte es immer wieder, vergeblich. Er öffnete sich, sobald ich den Politiker befragte,
er verschloß sich, als ich den Menschen suchte.“
Quelle: Zit. nach „Den Zugang zu sich selbst bewacht der Kanzler streng“, in: Süddeutsche Zeitung,
18.12.1973.
Süddeutsche Zeitung (1973):
„Sich beherrschen – sich kontrollieren – damit fertig werden: ein auffälliges Instrumentarium,
das Willy Brandt immer wieder vorzeigt, das er benutzt, damit das ‚Oberbewußtsein‘ nicht die
Herrschaft über ihn gewinnt. Vielleicht erklärt dieser andauernde, empfindsame und
anstrengende Prozeß auch, warum der Bundeskanzler eigentlich immer eine Spur zu
institutionell wirkt, zu distanziert, was auf der anderen Seite ihn befähigt, integrierend wirken
zu können. (...) Willy Brandt, der nun Sechzigjährige, macht es sich und anderen nicht leicht
– seine spröde Eigenwilligkeit wird noch manchen ein Ärgernis sein – und im Wege.“
Quelle: „Den Zugang zu sich selbst bewacht der Kanzler streng“, in: Süddeutsche Zeitung,
18.12.1973.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (1973):
„Willy Brandt ist gelegentlich, ob seiner Ausstrahlung und seines Charmes, der so viel zum
Wahlerfolg der Sozialdemokratie beigetragen hat, als ein ‚deutsches Gegenstück zu
Kennedy‘ gekennzeichnet worden. Von diesem Glanz ist manches abgeblättert. (…) Willy
Brandt ist sehr deutsch, nicht mit dem sonoren Klang, den das Wort in früheren
romantisierend-nationalistischen Zeiten hatte und der ihm immer noch leicht anhängt,
sondern im Sinne einer Wirklichkeit mit allen ihren Licht- und Schattenseiten. Das ist eine
politisch-psychologische Tatsache.“
Quelle: „Willy Brandt, der Deutsche“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.1973.
Neue Zürcher Zeitung (1974):
„Willy Brandt ist der zu seinem eigenen Nachteil am meisten überschätzte Politik Europas.“
Quelle: Zit. nach „Aus den Wolken in den Griff der Genossen“, in: Die Welt, 21.2.1974.
Süddeutsche Zeitung (1974)
„Einig sind sich alle darin, daß Willy Brandt aus seinem Stimmungstief, dessen offensichtlicher Beginn mit der Kanzler-Demontage durch Herbert Wehner im vergangenen Herbst
zusammenfiel, nur noch selten herauskommt. (...) Nicht Brandts psychologisches Tief ist die
Ursache für eine allenthalben in Bonn anzutreffende Resignation, sondern die Wechselwirkung von Strukturmängeln auf Stimmungslagen und umgekehrt. Die SPD ist unsicher,
weil sie in Brandt nicht mehr die sichere Führung, den Erfolg, vermutet. Der Parteivorsitzende versteht nicht, daß er für das Parteivolk und auch für Teile der Führungsgarnitur
nicht mehr tabu ist.“
Quelle: „Der resignierte Bundeskanzler“, in: Süddeutsche Zeitung, 19.2.1974.
Die Zeit (1974):
„Willy Brandt und Gustav Heinemann haben mehr getan für einen Abbau der hierzulande
schon naturgesetzhaft erscheinenden Feindschaft zwischen ‚Intelligenz‘ und ‚Politik‘ als
irgendwelche deutschen Staatsmänner vor ihnen.“
Quelle: Dieter E. Zimmer: „Ein Kapitel Geist und Macht. Mit dem Abtreten von Brandt und Heinemann
geht ein Versuch zunächst zu Ende“, in: Die Zeit, Nr. 21, 17.5.1974, S. 13.
Franz Josef Strauß (1974):
„Ich bestreite ihm nicht gewisse Fähigkeiten – die der einschmeichelnden Rede; die
Fähigkeit, primitive Formulierungen durch die Art der sprachlichen Darbietung als große
Weisheiten zu verkaufen. (...) Der ganze Chor der Hofschranzen und Bewunderer um ihn
herum hat ja auch immer zur rechten Zeit die Hand an den Mund gelegt: ‚Pst, er denkt.‘
Frühzeitig haben sie ihm ein Denkmal errichtet, und am liebsten hätten sie zur Umwelt
gesagt: Schuhe ausziehen, heiliger Boden, eine Gedenkminute des Schweigens, auf
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Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
Zehenspitzen zurücktreten, sich noch einmal verneigen, dem Schicksal danken für die Größe
eines solchen Staatsmannes, der dem deutschen Volk geschenkt worden ist, und so weiter.“
Quelle: Zit. nach Wolfram Bickerich: Franz Josef Strauß. Die Biographie, Düsseldorf 1996, S. 122.
Bayern-Kurier (1975):
„Auf zwei Leitern versucht Brandt, wieder zum Lichte, zur Macht empor zu klettern. Als
Parteivorsitzender turnt er auf dem hölzernen Gerüst der Diffamierung und Verleumdung des
politischen Gegners – der Unionsparteien im allgemeinen, des CSU-Vorsitzenden Strauß im
besonderen. (...) ‚Holzer‘ im Inland – ‚Nebenkanzler‘ im Ausland: Je ferner, je lieber sucht er
sich zur Geltung zu bringen. Er weilt zur Selbstbestätigung viel in der Fremde, wo man in ihm
immer noch den Friedens-Nobelpreisträger und den ‚Friedenskanzler‘, nicht aber den
Versager sieht, der politisch Schiffbruch erlitten hat.“
Quelle: „Brandt wieder an die Macht?“, in: Bayern-Kurier, 12.4.1975.
Der Spiegel (1975):
„Der Mann, der vor einem Jahr noch als passé galt, ist wieder wer. Er hat sich aus seiner
Guillaume-Depression aufgerappelt und arbeitet an seinem Comeback. (...) Er versteht sich
als Vormann der europäischen Sozialdemokratie, als Politiker, der auf einen
sozialdemokratisch regierten Kontinent hinsteuert.“
Quelle: „Auch hier heißen Sie Willy“, in: Der Spiegel, Nr. 29/1975, S. 17–24.
Welt am Sonntag (1975):
„Ficht ihn denn gar nichts an? Erhebt er sich über Berge eigenen Versagens als seien es die
Niederungen der Fehlbarkeit anderer? Willy Brandt hat schon manches Rätsel aufgegeben
und selbst keines gelöst. Allmählich wird er unenträtselbar. Das Geheimnis seines immer
wiederkehrenden Erfolgs – trotz der Trümmer seiner Reformvorhaben, der Havarie seiner
Ost-Politik und der Erkrankung seiner Partei – scheint seine Verwandlungsfähigkeit zu sein.
Sie trägt ihn wolkenweit, auch wieder nach dem Fall. Und er steigt und steigt und steigt. Aber
doch wohl mehr wie ein Ikarus, als wie ein Phönix.“
Quelle: „Ein Mann will zurück ins Rampenlicht“, in: Welt am Sonntag, 28.9.1975.
Die Zeit (1981):
„In der Welt hat der frühere Bundeskanzler nichts von seinem Ansehen eingebüßt. Sein
Name hat sich vielen Menschen rund um den Erdball als Symbol für ein anderes
Deutschland eingeprägt wie der keines anderen. Ganz anders war es zu Hause, wo die
Popularitätskurven kaum tiefer hätten sinken können. Brandt hat die Gemüter polarisiert wie
Strauß. Zum Feindbild wurde er den einen, den anderen zu angenehmen, aber blasser
werdenden Erinnerung an die Aufbruchsjahre der Koalition. Sein äußeres Erscheinungsbild –
vom Scheitel bis zur Sohle – sorgfältig neu gestaltet – illustriert den Wandel Willy Brandts.
(...) Er zeigt sich kampfeslustig wie selten. (...) Heute scheint er sich unabhängiger, freier zu
fühlen. Einerseits mischt er sich wie selten zuvor in Parteiwirrungen ein; andererseits
betrachtet er sie auch mit mit einer Mischung aus Abgeklärtheit und Ironie. (...) Keinem
anderen vom Thron gestürzten Politiker in der Nachkriegspolitik ist es gelungen, eine Figur
der deutschen Politik zu bleiben. Nur er hat dies geschafft. Darin spiegelt sich eine
spezifische Autorität.“
Quelle: „Willy Brandt in einer neuen Rolle“, in: Die Zeit, 26.6.1981.
Henry Kissinger (1982):
„Brandts historische Leistung bestand darin, einen Weg gefunden zu haben, wie man mit der
Teilung Deutschlands leben konnte, was seine Vorgänger in Bonn während der gesamten
Nachkriegszeit abgelehnt hatten. (...) Brandts warmherzige, verständnisvolle Persönlichkeit
war wie geschaffen für seine symbolische Rolle als Wandler und Neuerer der deutschen
Nachkriegspolitik. (...) Jedoch: Nachdem Brandt seine schicksalhafte Mission erfüllt und mit
den Stereotypen gebrochen hatte, besaß er weder die Kraft noch die intellektuelle Kapazität,
um mit den Kräften fertig zu werden, die er freigesetzt hatte. (...) Er war ein Paradoxon: Er
hatte den Lauf der Geschichte geändert, war dadurch aber zugleich unbedeutend (und in
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Stimmen zu Willy Brandt
gewisser Weise) gefährlich geworden. Fortan strebte er nur noch nach dem Triumph, den
Durchbruch auf seine Art zu schaffen – und das war nur durch immer gewagtere, immer
riskantere Rechtfertigungen einer Version von Ost-West-Politik zu erreichen, die
Nationalismus und den Verzicht auf jegliche Konfrontation vereinte.“
Quelle: „Ein Gefangener seiner eigenen Mission“, in: Der Spiegel, Nr. 8/1982, S. 180 f.
Die Welt (1982):
„Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt ist auf der Suche nach neuen Ufern für seine Partei.“
Quelle: „Schon in München setzte Brandt die Zeichen“, in: Die Welt, 9.6.1982.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (1983):
„Lebensläufe sind manchmal Kreisläufe des Lebens. Nun ist Willy Brandt wieder
angekommen, wo er als Jüngling politisch zu Hause war. (...) Er ist so friedensbewegt, wie er
einst jugendbewegt war. (...) Brandt versuchte, die SPD an die Spitze der Friedensbewegung
zu setzen, aber nicht indem er ihr die Argumente Schmidts vortrug, sondern indem er wieder
einmal aus Feuer und Wasser einen eigenen Kosmos mischte, nein zum ‚Teufelszeug‘, aber
ja zur Nato und Bundeswehr sagte. (...) Aber das Nein zur Nachrüstung war wenigstens die
Wiederherstellung der Ehrlichkeit seiner Politik.“
Quelle: „Vom Eilmarsch zur Flucht“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.10.1983.
Stern (1983):
• „Mit sicherem Gespür für den Anbruch neuer Zeiten ist Willy Brandt ein knappes
Jahrzehnt nach seinem Kanzlersturz dabei, zum zweitenmal zur Vaterfigur einer
unruhigen Jugend zu werden.
• „Dieser Mann Willy Brandt. Besser müßte es heißen: Diese Männer Willy Brandt, so
viele Schichten hat er. Vertrackt für Außenstehende, manchmal sogar für die
Mitarbeiter im Bonner SPD-Haus, die Tages- oder Stundenform des Vorsitzenden
richtig einzuschätzen, wenn er wie unter einer Glasglocke dahergeht, den Blick auf
ein imaginäres Fernziel gerichtet. Was tut er da in seiner Glocke? Zieht eine seiner
resignativen oder gar depressiven Phasen herauf? Oder ist er nur müde? Genervt?“
• „Mit ihm zu streiten ist unsinnig, er kennt schon alles. Und wenn der Nachwuchs an
den Zügeln zerrt und dem großen Vorsitzenden Kompromißbereitschaft vorwirft, daß
er gerissen taktiert und nicht mehr gegen jede Wand rennt, dann hebt Brandt auf
roboterhafte Weise die Arme aus den Schulterscharnieren seitlich hoch, wie ein
Kranich die Flügel: Mein Gott, jaa ... Was soll’s.“
• „In Bonn geht das Wort um vom ‚neuen Willy Brandt‘. Sichtbar ist er mit 70 schlanker,
straffer, besser angezogen, als er’s mit 60 war. Ein frischer alter Herr mit schön
definierter Körpersprache (...). Seine Finger fummeln wie immer, wenn er lange keine
Zigarette mehr geschnorrt hat.“
• „Natürlich hat er Schwächen. Unangenehmes läßt der Introvertierte, aus Scheu vor
Einzelkonfrontation, lieber über dritte an den Adressaten bringen. Seine
Menschenkenntnis ist auch nicht beeindruckend.“
• „Im Kreise seiner Mitarbeiter ist er nicht bossy, er kann zuhören, auf Ja-Sager
verzichten, fordern: „Sagen Sie mir nicht, was dafür, sondern was dagegen spricht!“
Doch auf Distanz hält er schon. Den ‚Willy‘ gibt’s nur noch beim Wahlvolk. In der
Parteizentrale pflegt er das Hamburger Du, also Vornamen und Sie. Er selbst wird mit
‚Herr Brandt‘ angeredet.“
• „Es ist das Verdienst Willy Brandts, den Anspruch, unkonventionell und fortschrittlich
zu denken, nicht den Grünen überlassen zu haben. Mit seinem Gespür für den
Anbruch einer neuen Zeit hat er die Partei nach links von der Mitte geöffnet, das
Feuer wie schon einmal, Mitte der sechziger Jahre, entzündet. Aber das Konzept?
Wo ist das richtungweisende Konzept der SPD?“
• „Als Parteivorsitzender – er ist es schon seit 1964 – ist Willy Brandt im Augenblick der
einzige, der frei von Abhängigkeiten und Tageszwängen, durch seine Integrationskraft
verhindern kann, daß aufgeschlossene junge Leute an Bürgerinitiativen oder die
17
Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
Grünen verlorengehen. (...) Eben dieser Mann Brandt, der vom ‚Denkmal‘ zur
historischen Figur geworden ist.“
Quelle: „Mit 70 nach vorn“, in: Stern, Nr. 50, 8.12.1983, S. 64–72.
Die Welt (1983):
„Heute spricht alle Welt vom Comeback des Siebzigjährigen, als sei er ein Boxer, der
vernichtend geschlagen wurde und nun zur allgemeinen Überraschung wieder fit im Ring
steht. (...) Nun schon seit Jahr und Tag stellen alle fest, was sich doch immer deutlicher
schon seit der Wahl von 1980 andeutete: Brandt hat geschafft, was er sich damals vornahm,
nämlich er wolle Wehner und Schmidt politisch überleben. Brandt als Sieger auf dem
jüngsten SPD-Parteitag, gestrafft, entspannt, die wiederum umjubelte Integrationsfigur der
SPD, endlich frei von dem harten Antreiber Wehner, befreit auch von dem so gescheiten und
realistischen Schmidt. (...) Strategie und Taktik einschließlich Suche nach einer neuen
Mehrheit links von der CDU bestimmt jetzt Brandt – zum erstenmal. Das ist das
Erfolgserlebnis des Siebzigjährigen. Wer ist dieser Brandt? Die Frage ist nie verstummt. Ist
er ein Staatsmann, ein Polit-Bohemien, ein Politik-Romantiker? Wahrscheinlich ist er ein
wenig von allem zur gleichen Zeit. Das Sowohl-als-auch hat ihn nicht nur in seiner Politik fast
immer begleitet. Da ist der Redner, in seiner Technik gewiß ein wenig maniriert, aber trotz
allem für sein Publikum ein mitreißender Redner.“
Quelle: „Willy Brandt – mit 70 auf dem Kurs zur Romantik seiner Jugend“, in: Die Welt, 17.12.1983.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (1983):
• „Es gibt viele Brandt-Bilder, aber was ist das richtige? (...) Brandt hat die Farben einer
Romanfigur.“
• „Nicht nur zur Parteifreundschaft ist Brandt vermutlich noch weniger fähig als andere
Politiker. Diese Ich-Sucht und -Suche, die ‚Egomanie‘ (Brandt über Brandt) gilt auch
für sein privates Leben, sein Verhältnis zu Frauen.“
• „Die Spannung seines Lebens äußert sich darin, daß der Name Willy Brandt eben
nicht nur der journalistische Künstlername, eine Kunstfigur seines norwegischen
Journalisten-Exils war, sondern die Begründung einer eigenen, einer anderen
Existenz als die des Herbert Frahm, der er in Lübeck war.“
Quelle: „Als sei er überall auf der Durchreise“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.1983.
Süddeutsche Zeitung (1983):
• „Willy Brandt besitzt längst gesamtpolitische Statur. Er ist ein Erfahrener, „ein
Gewachsener“, ein weitsichtiger und nicht nur eigensüchtiger Politiker, der historisch
und über Grenzen hinaus zu denken gelernt hat, dazu altersweise, aber nicht mehr
über den Wolken schwebend, wie es damals schien, als Brandt Bundeskanzler war
und nobelpreisgekrönter Weltpolitiker wurde, in Bonn. Politiker seiner Natur, seiner
Fähigkeit, in Zusammenhängen denken zu können, sind selten geworden (...).
• „Wieder, immer noch, stehen ihm alle Türen auf. Sein öst-westliches Ansehen ist
auch das des antifaschistischen Deutschen – der nach seiner Wahl zum
Bundeskanzler 1969 mit selbstbewußtem Optimismus gesagt hatte, jetzt habe Hitler
den Zweiten Weltkrieg erst richtig verloren.“
• „Brandt war und ist deutlich ein „internationalistisch“ gesinnter und geprägter Mann,
internationalistisch als Sozialist, gewiß aber auch in seiner weltbürgerlichen,
kosmopolitischen Prägung (...).“
• „Willy Brandt fühlt selbst und weiß genau, daß er niemals „fertig“ sein wird, daß er
sich nach einem Leben, das zwei oder drei andere auszufüllen reichen würde, immer
noch nicht auf den bequemeren Sessel des elder statesman niederlassen kann, um
sich etwa der Genugtuung hinzugeben, der eigentliche Politiker nach Adenauer
gewesen zu sein.“
Quelle: „Willy Brandt 70“, in: Süddeutsche Zeitung, 17.12.1983.
Der Tagesspiegel (1983):
• „Bundeskanzler war er nur ein halbes Jahrzehnt. Doch diese fünf Jahre lang prägte
18
Stimmen zu Willy Brandt
•
•
•
er die Politik der Bundesrepublik wie nur Konrad Adenauer vor ihm. (...) Eine Vision
hatte ihm Ausstrahlung gegeben: das deutsche Volk durch Anerkennung der
Kriegsergebnisse mit sich selbst und der Welt auszusöhnen und einem globalen
Entspannungsprozeß einzugliedern. Schon bald aber deutete sich an, daß eine aus
Verzicht und Vertrauen zusammengesetzte Ostpolitik den sowjetischen Machthabern
keine Großmut aufzwingen kann.“
„Viel Scherben also, wo unter Brandt Hoffnungen errichtet wurden. Das gilt fast noch
mehr für die inneren Reformen (...).“
„Trotz allem steht Willy Brandt heute unangefochtener denn je an der Spitze der SPD.
Sein Mythos nach außen ist weiterhin verblaßt, doch seine Integrationskraft nach
innen ungebrochen (...).“
„Ob der nach gesundheitlichem Tief erstaunlich erholt wirkende „Parteipatriarch“ noch
einmal den Weg zu neuen Ufern findet, ist ebenso ungewiß wie seine Nachfolge. Es
scheint, daß er keinen adäquaten Erben hinterläßt, wie auch Konrad Adenauer
keinen kongenialen Nachfolger hatte.“
Quelle: „Der Mythos ist verblaßt, die Integrationskraft geblieben“, in: Der Tagesspiegel, 18.12.1983.
Brigitte Seebacher (1985):
„Er hat zu Hause ein Nest, hier kann er total abschalten – zum Beispiel, wenn wir zusammen
kochen. Willy sucht das Rezept aus und macht sich als Hilfskoch nützlich. In einer großen
Schürze putzt er Gemüse, das er oft selbst geerntet hat – auf dem Balkon unserer 130Quadratmeter-Wohnung in Unkel. (...) Um den Abwasch macht Willy allerdings einen großen
Bogen. Er sieht zwar ein, daß sich die Männer da ändern müssen. Aber er denkt wohl:
warum soll gerade ich damit anfangen. Immerhin trägt er den Mülleimer runter. (...) Die
Finanzen überläßt mein Mann ganz mir. Nie hat er einen Pfennig in der Tasche; ich muß ihm
Geld geben, wenn er zum Friseur will.“
Quelle: „Brigitte Brandt: So ist Willy als Ehemann“, in: Bild, 24.6.1985.
Der Spiegel (1987):
• „Der Vorsitzende Willy Brandt hat die Partei nicht mehr im Griff.“
• „Der Mann, dessen Neigung zu leichtem Kompromiß und schneller Flucht ins
politische Sowohl-Als-auch fester Bestandteil der Biographie ist.“
• „Hätte es eines Beweises bedurft für den zunehmenden Mangel an Führungsinstinkt
und Führungsfähigkeit in der Chefetage der Sozialdemokratie, der Fall Mathiopoulos
lieferte ihn handgreiflich.“
• „Mit der Attitüde des alternden Patrons, der wichtige Sachen schleifen läßt, den
Kleinkram dagegen zur eigenen Sache macht.“
• „Die Entrücktheit des 73jährigen entpuppte sich mehr und mehr als Realitätsferne; er
leidet an Basisschwund. Die vermeintliche Weisheit des gewieften Profis weicht
einem Alterszynismus, den seine Partei nicht mehr länger hinnehmen will. Was gut für
Brandt ist, ist nicht mehr länger gut für die SPD.“
Quelle: „Am Herzen der Partei vorbei“, in: Der Spiegel, Nr. 13/1987, S. 22-30.
Hans-Dietrich Genscher (1987):
• (...) ein Mann, der sein Leben lang gekämpft hat – auf seine Art. Standhaft,
entschieden bis zur Kompromißlosigkeit, wenn es um Fragen ging, die ihm
bedeutsam erschienen, aber auch gewährend lassend, wenn er die Zeit nicht für reif
hielt oder die Sache nicht für wichtig genug – zu Recht oder zu Unrecht. (...) Häme
und Bosheit, die Willy Brandt persönlich und politisch galten, haben ihn unnahbarer
gemacht und im Laufe der Zeit auch unverletzbarer: Zynisch und menschenverachtend ist er deshalb nicht geworden.“
• „Letztlich war die Brandt-Scheelsche Ostpolitik die Vollendung der Adenauerschen
Westpolitik. Adenauer und Brandt haben den außenpolitischen Handlungsraum
unserer Republik erweitert und abgesteckt. (...) Unvergessen ist der Besuch Willy
Brandts in Warschau. Es gibt nur wenige Ereignisse, die die Gefühle so aufgewühlt
haben.“
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Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
•
„Willy Brandt ist aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht
hinwegzudenken. Sie wäre ohne ihn ärmer, und sie wäre wohl auch anders verlaufen.
Das aber heißt: Willy Brandt hat Geschichte gemacht.“
Quelle: Hans-Dietrich Genscher: Willy Brandt – man darf gespannt sein, in: Der Spiegel, Nr. 25/1987,
S. 28 f.
Franz Josef Strauß (1988):
• „Willy Brandt hatte natürlich eine bestimmte Ausstrahlung und übte auf viele
Menschen große Faszination aus. Er war der Mann der Visionen und Utopien, der
Prophet, der Seher, der den Eindruck zu erwecken wußte, daß er die Ufer der Zukunft
erblickte.“
• „In der Person Willy Brandts schienen brennpunktartig alle ungestillten Wünsche, alle
Sehnsüchte, alle psychischen Bedürfnisse zusammenzulaufen. Brandt wurde, ähnlich
wie Kennedy, das Idol vieler Bürger, das Pilgerziel aller Beladenen und Belasteten.“
Quelle: Strauß, Franz Josef: Die Erinnerungen, Berlin 1989, S. 448 und 538.
Der Spiegel (1988):
„Wohlgefallen gewinnt Willy während seiner Auslandsreisen; da ist er noch wer; und er
genießt es: in Spanien Ovationen beim Parteitag der Sozialisten, in Frankreich
Beifallsstürme auf einer Künstlerveranstaltung für die Wiederkandidatur François
Mitterrands. (...) Und weil es so schön war in Moskau und auch anderswo, will Willy Brandt,
74, daß es auch so schön bleibt: Er findet die vielen Auslandsreisen als SI-Chef prima. Ein
Brandt-Helfer: ‚Wenn seine Gesundheit es zuläßt, macht Willy die Internationale noch eine
ganze Weile.‘“
Quelle: „Schwere Jahre“, in: Der Spiegel, Nr. 15/1988, S. 23 f.
Die Welt (1988):
„Willy Brandt hat sich selbst gebrandmarkt, als er das Wiedervereinigungsgebot (...) zum
‚Mißverständnis‘ und zur ‚Lebenslüge‘ stempelte. Denn er selbst hatte vor drei Jahrzehnten
nachdrücklicher als jeder andere die verfassungsrechtliche Verpflichtung der politischen
Organe der Bundesrepublik bejaht, ‚die Wiedervereinigung mit allen Kräften anzustreben‘.“
Quelle: „Brandt, eine Lebenslüge und die Wiedervereinigung“, in: Die Welt, 16.9.1988.
Richard v. Weizsäcker (1989):
„Ihnen ist in der Politik etwas ganz Seltenes gelungen: In Ihrer Person haben Sie die
Spannung zwischen Macht und Moral aufgehoben.“
Quelle: Ansprache des Bundespräsidenten Richard v. Weizsäcker aus Anlass der Feier des
75. Geburtstages von Willy Brandt in der Villa Hammerschmidt in Bonn, 20. Januar 1989.
The New York Times (1989):
„Willy Brandt, who as Mayor of West Berlin in 1961 watched in frustration the building of the
wall that cut the city in two, shows even more pleasure than other West German leaders at
the events that have rendered it irrelevant.“
Quelle: „Clamor in the East: The Ex-Mayor is elated; Brandt hails the German people for a display of
‘human unity‘, in: The New York Times, 14.11.1989.
The New York Times (1990):
„But he did not speak as a partisan, and by shouting ‘Willy! Willy!‘ while local Social
Democrats spoke, the majority of the tens of thousands who filled the market squares of
both towns made clear that they had not come to hear Social Democratic campaigners but to
hear a recognized leader of all Germany. Mr. Brandt was elected honorary president of East
German Social Democrats today.“
Quelle: „Upheaval in the East; Brandt is hailed in East Germany, in: The New York Times, 25.2.1990.
20
Stimmen zu Willy Brandt
2. Nachrufe und Rückblicke von Publizisten, Politikern und Weggefährten
Jürgen Leinemann (1992):
• „Der Politiker, der sich traute, den Bürgern des eigenen Landes die Rechnung des
verlorenen Krieges vorzulegen; der Kanzler, der sein Land aus der eisigen Erstarrung
des Kalten Krieges löste und behutsam auf Entspannungskurs manövrierte, ohne die
feste Bindung an den Westen aufzugeben.“
• „So ungeniert und unverklemmt, daß es Jüngere gruselte, benutzte er – ziemlich
unbeeindruckt von Zeitläuften und eigenen Ämtern – Begriffe wie ‚nationales
Selbstbewußtsein‘, ‚Volk‘, ‚Vaterland‘ und ‚Normalität‘.“
• „Das Eindeutige ist ja nie seine Sache gewesen, immer waren Denken und Reden
des grübelnden, tastenden Norddeutschen voller Brüche, Ambivalenzen und
Widersprüche. Aber gerade, daß in jeder Aussage die Anstrengung der
Selbstvergewisserung noch mitschwang, machte Willy Brandt glaubwürdig.“
• „Wer Willy Brandt – als Regierenden Bürgermeister von Berlin, als Bonner
Außenminister, als Kanzler, als Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale oder
der Nord-Süd-Kommission – auf internationalem Parkett erlebte, der begegnete
einem Weltbürger.“
• „Aufmerksam beobachtete der Redner die nationalen Empfindlichkeiten seiner
Partner, tippte Erinnerungen an, rückte die eigene Herkunft nie in den Vordergrund.
Aber niemand konnte auch nur einen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß Willy
Brandt ein Deutscher war und sein wollte.“
• „Der linke Patriot Willy Brandt, der andere Deutsche, das war ein Leben, kein System
und kein Programm. Es war darüber hinaus ein exemplarisches Beispiel für den
hierzulande besonders selten gelungenen Versuch, Geist und Macht zu versöhnen.“
• „Für ihn waren Kunst und Kultur, Bildung und Lebensqualität immer unabgespaltene
Teile der Politik. Ostpolitik, Arbeiterbewegung, Antifaschismus, Bismarck – das alles
gehörte zu Willy Brandt.“
• „Jahrzehntelang hat er die Maxime von den kleinen Schritten nicht nur gepredigt,
sondern auch verwirklicht – in Kriegs- und Friedenszeiten. So wurde er ‚ein
Deutscher‘, wie sein Freund Bruno Kreisky bei einer ihrer letzten Begegnungen sagte,
‚vor dem die Welt sich nicht fürchtete und nicht fürchten mußte‘.“
Quelle: Ein grübelnder Patriot, in: Der Spiegel, Nr. 42/1992, S. 16-26.
The New York Times (1992):
• „By the time of his death, the Social Democratic leader had lived to see East and
West Germany united and the Iron Curtain torn down. His tenure as Federal
Chancellor of West Germany from 1969 to 1974 was a turning point in the history of
the German people, and he himself was a figure of conciliation in both the domestic
and foreign policies of a divided nation.“
• „He also came to symbolize a Germany of peace, tolerance and a measure of
modesty -- qualities that had been erased from the image of Germans during the
catastrophic rule of Hitler.“
• „Form the beginning of World War II, Mr. Brandt had been animated by the belief that
Germany´s only real future lay in a united Europe, and this thread formed the fabric of
Ostpolitik.”
• „After the Berlin wall fell in November 1989 Brandt was welcomed by huge crowds of
East Germans who saw in him a West German leader who had never stopped caring
for their destiny during all their years of bondage.“
Quelle: „Willy Brandt dead at 78; forged West Germany´s reconciliation with the East“, in: The New
York Times, 9.10.1992.
The New York Times (1992):
• „As if acknowledging the weight of a terrible past, Mr. Brandt fell wordlessly to his
knees before a memorial to Jewish victims of Nazi savagery. The great Social
21
Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
•
Democrat never stood taller.“
„A generous and passionate man, Willy Brandt helped build a new republic and gave
a postwar generation cause for pride in being German. It is a considerable memorial.“
Quelle: „Topics of the times; the passionate statesman“, in: The New York Times, 11.10.1992.
Felipe Gonzalez (1992):
„Du bist immer, es ist wahr, ein Mann mit festen Überzeugungen gewesen, aber immer
aufgeschlossen für neue Ideen, phantasievolle Überlegungen und für neue Horizonte, auch
wenn sie unerreichbar schienen. Nur die Resignation kann uns besiegen, sagtest Du, nie die
Schwierigkeit. Leb wohl, Freund Willy.“
Quelle: Ansprache beim Staatsakt für Willy Brandt im Reichstagsgebäude zu Berlin, 17.10.1992, in:
Abschied. Dank an Willy Brandt, Marburg 1992, S. 78.
Helmut Kohl (1992):
„Willy Brandt sah es als seine Aufgabe an, Brücken zu bauen: Brücken über Stacheldraht
und Mauer hinweg, Brücken zu unseren östlichen Nachbarn und – vor allem in seinen letzten
Lebensjahrzehnten – Brücken zwischen Nord und Süd. Er verstand sich immer als
Deutscher, als Europäer und als Weltbürger zugleich.“
Quelle: Ansprache beim Staatsakt für Willy Brandt im Reichstagsgebäude zu Berlin, 17.10.1992, in:
http://helmut-kohl.kas.de/index.php?
menu_sel=17&menu_sel2=126&menu_sel3=&menu_sel4=&msg=1457
Horst Ehmke (1994):
„Neben seinen moralischen Grundüberzeugungen brachte Willy Brandt eine umfassende
außenpolitische Erfahrung in seine Kanzlerschaft ein, die er im Exil, vor allem in der
europäischen Großfamilie der Sozialdemokratie, als Regierender Bürgermeister von Berlin
und als Bundesaußenminister erworben hatte. (...) Durch eine lebenslange Lektüre, die er
selbst in den arbeitsreichen Jahren als Bundeskanzler fortführte, war Brandt außerdem
historisch-politisch erstaunlich belesen. Das floß in seine außenpolitischen Überlegungen
ein. Aber nicht nur seine Lebens- und Leseerfahrung, auch sein Naturell kam der
Außenpolitik entgegen. Willy Brandt war ein Angler, kein Jäger, er ließ die Dinge – und die
Menschen – kommen. (…) Willy Brandts Charme lag in seiner Fähigkeit zum Zuhören, die
andere Menschen zum Sprechen brachte, und in seiner Art, Menschen für seine Sache zu
gewinnen, indem er sie von sich überzeugte.“
Quelle: Horst Ehmke: Mittendrin. Von der Großen Koalition zur Deutschen Einheit, Berlin 1994,
S. 125 f. und 193.
Michail Gorbatschow (1995):
„Zu diesem großartigen Menschen, einem der größten Politiker unserer Zeit, entwickelte sich
mit der Zeit ein freundschaftliches Verhältnis. Immer öfter vertieften wir uns im Gespräch in
die Probleme der Zukunft der Menschheit, der Wege des Fortschritts, der Rolle der linken
Kräfte und des Inhalts der sozialistischen Idee unter den neuen Bedingungen.“
Quelle: Michail Gorbatschow: Erinnerungen, Berlin 1995, S. 1000.
Gerhard Schröder (2000):
„In der Tat machte einen Großteil seiner Faszination die Offenheit gegenüber neuen Denkund Politikansätzen aus, die er fruchtbar machte für die programmatische Entwicklung der
SPD und für ihre Selbstdarstellung in der damals entstehenden Mediengesellschaft. Mit
Brandt setzte sich in der Bundesrepublik ein neuer politischer Stil durch, der sich auch
dadurch auszeichnete, dass er stets bereit war, sich mit anderen politischen Vorstellungen
auseinander zu setzen.“
Quelle: Vorstellung der Bände 2 und 4 der Berliner Ausgabe im Rathaus Schöneberg, 19.9.2000.
Rainer Barzel (2001):
„Mit fast jugendlichem Elan und unbeirrbar entschlossen übernahm der sonst eher
behutsam-zögerliche Willy Brandt die Führung. Noch in der Wahlnacht 1969 nahm er das
Steuer in die Hand! Die ihn damals erlebten, berichten, er habe sie ‚mitgerissen‘. (...) Diese
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Stimmen zu Willy Brandt
Woge, die vor allem Brandt selbst erzeugt hatte, wußte er zu nutzen: Er ritt, wenn das Bild
erlaubt ist, auf seiner eigenen Welle.“
Quelle: Rainer Barzel: Ein gewagtes Leben. Erinnerungen, Stuttgart 2001, S. 265.
Johannes Rau (2002):
• „Für eine friedlichere Welt zu streiten, für eine gerechtere Welt zu streiten, dafür war
ihm kein Weg zu lang, und dafür hat er auch Umwege in Kauf genommen.“
• „Der Zuspruch und die Begeisterung, die galten dem Aufbruch, für den seine Politik
stand. Verehrt wurde aber auch er selber, Willy Brandt als Person, – und das gewiss
auch, weil dieser Mann, der Friedensnobelpreisträger, ein Mensch war, erkennbar mit
Schwächen und Widersprüchen. (...) Nicht, dass die Menschen Willy Brandt wegen
seiner Schwächen wegen verehrt hätten – aber sie erkannten, dass er menschlich
geblieben war – und dem schenkten sie Vertrauen.“
• „Wie kaum jemand, dem ich begegnet bin, hatte er die Gabe, Menschen für sich zu
gewinnen: Mit Herzlichkeit und großem Charme (...), mit Witz und mit seinem Talent
zu erzählen. Vor allem: mit einer großen Fähigkeit zur Selbstironie. Manche
verbinden mit Willy Brandt Melancholie, Traurigkeit. Das ist gewiss nicht falsch. Weit
mehr war sein Leben aber geprägt von der inneren Fröhlichkeit, die er ausstrahlte.“
Quelle: Rede des Bundespräsidenten zum 10. Todestag von Willy Brandt, 8.10.2002.
Brigitte Seebacher (2004):
• „W.B. war kein Fanatiker der Wahrheit und auch insoweit kein Moralist. Zwischen
Notwendigkeit und Legitimität unterschied er nicht unbedingt. Er wusste um die
Bedingtheit alles Menschlichen und um die Fragwürdigkeit alles Großen.“
• „W.B. war kein Typ, der den Teufel an die Wand malte oder Fragen aufwarf, bevor die
Zeit reif war, sie aufzuwerfen. Er konzentrierte sich aufs Nächstliegende, Machbare.“
• „Vor allem ist es diese seltene Mischung von Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit,
von Nähe und Ferne, Gemeinschaftsgeist und Für-sich-bleiben-Wollen, die sein
Charisma ausmacht. Es zieht an und stößt ab. Und lässt kaum einen gleichgültig.“
Quelle: Brigitte Seebacher: Willy Brandt, München 2004, S. 15, 73 und 141 f.
Hans-Joachim Noack (2004):
„Die hohen und höchsten Verdienste Willy Brandts an der Wiedervereinigung (...) sind
unbestreitbar. Ohne seine Unbeugsamkeit, mit der er vor allem als Berliner Bürgermeister
dem permanenten sowjetischen Würgegriff widerstand, stünde die Welt vermutlich schlechter
da.“
Quelle: Der ewige Fremdling, in: Der Spiegel, Nr. 20/2004, S. 46-50.
Lars Brandt (2006):
„Persönliche Kontakte forderten ihm etwas ab, was aufzubringen schwerfiel. (...) In
Menschenansammlungen fühlte er sich besser aufgehoben als bei einzelnen, wenn nicht
Funktionen und Zuordnungen klar definiert waren. Gruppen machten ihn weniger nervös.
(…) Hätte man diesen Menschen von seinen Widersprüchen befreien wollen, wäre wenig
von ihm übriggeblieben.“
Quelle: Lars Brandt: Andenken, München 2006, S. 16 und 21.
Helmut Kohl (2007):
• „Bei allen Auseinandersetzungen in der Politik war Brandt im persönlichen Umgang
ein Mann von einer ungemein freundlichen und zuvorkommenden Art.“
• „Willy Brandts politisches Wirken war geprägt von den Erfahrungen mit zwei
totalitären Diktaturen auf deutschem Boden. Diese Erfahrungen waren für ihn
Verpflichtung, seine Kraft in den Dienst von Frieden und Freiheit zu stellen. In diesem
Geiste war Willy Brandt stets deutscher Patriot, Europäer und Weltbürger zugleich.“
• „Willy Brandt hatte nicht nur in seinen Staatsämtern Politik und politische Kultur in
Deutschland mitgestaltet. Sein Wort hatte über Parteigrenzen hinaus Gewicht. Mit
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Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
seiner Lebenserfahrung und seiner Weisheit trug er viel zur Versöhnung der
Deutschen mit ihrer Geschichte bei.“
Quelle: Helmut Kohl: Erinnerungen. 1990-1994, München 2007, S. 484, 488 und 489.
Klaus Schütz (2007):
„Unter den Berliner Nachkriegspolitikern gibt es wohl nur zwei Männer, die auch heute noch
ganz fest in der öffentlichen Erinnerung verankert sind: Ernst Reuter und Willy Brandt. (...) Zu
ihrer Zeit und hier in Berlin waren sie – jeder für sich – einzig und unersetzlich!“
Quelle: Berlin bleibt frei – Gedanken zu Willy Brandt. Vortrag anlässlich des Festaktes zum 50.
Jahrestag der Wahl Willy Brandts zum Regierenden Bürgermeister von Berlin am 4.10.2007 im
Rathaus Schöneberg, Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung (Hg.), Berlin 2008 (Schriftenreihe der
Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, H.15), S. 23 f.
Klaus Wowereit (2007):
„Berlin ist Labor für die Lösung von morgen. Das ist das Vermächtnis eines Politikers wie
Willy Brandt an seine Nachfolger.“
Quelle: Berlin bleibt frei – Gedanken zu Willy Brandt. Vortrag anlässlich des Festaktes zum 50.
Jahrestag der Wahl Willy Brandts zum Regierenden Bürgermeister von Berlin am 4.10.2007 im
Rathaus Schöneberg, Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung (Hg.), Berlin 2008 (Schriftenreihe der
Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, H.15), S. 13.
Egon Bahr (2008):
„Große Verletzlichkeit hat ihn zeitlebens geprägt. Er blieb immer ein verletzlicher Mensch.“
Quelle: Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung (Hg.): Die Erinnerung an Willy Brandt und ein Rückblick
auf die gemeinsame Zeit. Gespräch zwischen Helmut Schmidt und Egon Bahr am 25.9.2008 im WillyBrandt-Haus Lübeck, Berlin 2009 (Schriftenreihe der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, H. 17),
S. 15.
Mohammed ElBaradei (2009):
„Willy Brandt zählte zu den politischen Giganten des 20. Jahrhunderts.“
Quelle: ElBaradei, Mohammed: Der Weg in eine sichere Welt. Willy Brandt Lecture 2009 an der
Humboldt-Universität zu Berlin; Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung (Hg.), Berlin 2010 (Schriftenreihe
der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung; H. 22), S. 20.
Süddeutsche Zeitung (2010):
„Brandt regierte 1970 erst im zweiten Jahr, aber der Kniefall von Warschau war vielleicht die
größte Stunde seiner Kanzlerschaft. Er symbolisierte, dass ein neues Deutschland
entstanden war, das sich zur eigenen Geschichte und Schuld bekannte, das den Nachbarn
die Hand reichte.“
Quelle: „Kniefall für Deutschland“, in: Süddeutsche Zeitung, 4./5.12.2010.
Der Tagesspiegel (2010):
„Es war eine ganz spontane Geste, mit der Willy Brandt vor 40 Jahren Weltgeschichte
schrieb: Sein Kniefall vor dem Ghetto-Mahnmal in Warschau prägt bis heute den Blick
Osteuropas auf die neue Bundesrepublik. Da gab es auf einmal ein Deutschland, das in den
Ländern im Osten nicht mehr nur Untertanen und Feinde sah, sondern Partner.“
Quelle: „Ostpolitik 3.0“, in: Der Tagesspiegel“, 7.12.2010.
Walter Scheel (2010):
„Ich bin mir ganz sicher – ich will sagen, wirklich sicher –, dass Willy Brandt den Kniefall nicht
geplant hat. (...) Willy Brandt war einfach von der Situation überwältigt. (...) Brandt hatte vor
allem durch seine Wortwahl die Gabe, Menschen anzusprechen. Sein Wesen und seine
Worte trafen die Emotionen der Menschen. Ich habe das bei keinem anderen Menschen so
erlebt. Er war nicht berechenbar, aber manchmal waren seine Handlungen derart ergreifend
und überzeugend, dass ich nur staunen konnte. In Warschau war es nicht sein Wort,
sondern eben der Kniefall. Ich fand es eine sehr passende und symbolische Handlung.
Deutschland konnte auf seinen Kanzler stolz sein.
Quelle: „Deutschland konnte stolz sein auf Willy Brandt“, in: Welt-online, 7.12.2010.
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Stimmen zu Willy Brandt
Bronislaw Komorowski (2010):
„Der Kniefall Brandts zeigte, dass es auch andere Deutsche – nicht nur Revanchisten und
Revisionisten – gab.“
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.12.2010.
Götz Aly (2010):
„Willy Brandts Kniefall vor dem Warschauer Ghetto-Denkmal gilt uns Heutigen als
bewegender und dankenswerter Akt. Am 7. Dezember 1970 hatte ein antifaschistischer
Emigrant die Last der deutschen Verbrechen auf sich genommen, ein Mann, den noch
unzählige Parteigänger und Politiker der CDU/CSU als Vaterlandsverräter und zu dem – oh
Gott! – als unehelich Geborenen schmähten. (...) Brandt kannte das dumpfe Volksempfinden. Folglich sprach er in Deutschland selten und wolkig über die Vergangenheit.
Wäre er deutlicher geworden, hätte er seine politischen Chancen verloren. Auch das
veranlasste ihn in Warschau zu stummer, ausdrucksstarker Demut. Als er 1971 den
Friedensnobelpreis erhielt, spendete er den größten Teil des Preisgelds für die Renovierung
der Synagoge in Venedig und verfügte, dass dies erst nach seinem Tode bekanntwerden
dürfe.“
Quelle: „Umgeben von Verächtern“, in: Frankfurter Rundschau, 13.12.2010.
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