Alles schon dagewesen

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Alles schon dagewesen
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Diät
Diät
Popularität
Alles schon dagewesen
Low-Carb-Diäten gab es schon im 19. Jahrhundert, ­K alorien
zählt man seit den 1920er Jahren. Die Geschichte der
Schlankheitskur ist die Geschichte von Wiederholungen.
Die Geschichte der Diäten beginnt schon
bei den alten Griechen, wahrscheinlich
noch früher. Unter einer Diät verstand
man lange Zeit eine Ernährungsregel, die
einem gesunden Leben förderlich ist. Erst
seit dem 19. Jahrhundert wird das Wort
auch als Synonym für eine Schlankheitskur
verwendet.
In dieser Zeitleiste finden sich sowohl Diäten,
die ausschliesslich der Gewichtsreduktion
dienen, als auch solche, bei denen die
Gesundheit oder die Weltanschauung im
Zentrum stehen. Viele Diäten versprechen
Gesundheit und weniger Gewicht.
Unsere Nahrung besteht zu einem grossen
Teil aus drei Komponenten: Eiweiss, Fett
und Kohlenhydrate. Eiweiss wird in erster
Linie als Baustoff verwendet, Fett liefert
Energie und Verbindungen, die der Körper
selber nicht herstellen kann, Kohlenhydrate
(Stärke, Zucker) sind der Brennstoff für den
Betrieb von Muskeln und Organen.
Der Energieinhalt der Nahrung wird
in Kalorien gemessen. Der beste
Energiespeicher ist Fett mit 9 Kilokalorien
(umgangssprachlich auch einfach Kalorien)
pro Gramm; Eiweiss und Kohlenhydrate
enthalten 4 Kilokalorien pro Gramm.
Eine ausgewogene Ernährung besteht
laut offiziellen Empfehlungen aus etwa 50
Prozent Kohlenhydraten, 30 Prozent Fett und
20 Prozent Eiweiss. Diese Aufteilung wurde
immer wieder angezweifelt. In den letzten
Jahren vor allem wegen ihres hohen Anteils
an Kohlenhydraten.
1860
1910
1960
1897
MAKROBIOTIK
Schule der ­g esunden
­L ebensführung aus
Japan mit ­individuellen
­E rnährungsregeln:
Vollkorn, Hülsen­
früchte, Obst, wenig
­t ierische ­P rodukte
und kein Zucker.
Kam später unter
­s innsuchenden
­P rominenten von
John Lennon bis
Madonna in Mode.
K ALORIENREDUZIERTE DIÄT
Weniger Essen, als der Körper
braucht. Ausgewogene
Anteile von Protein, Fett und
Kohlenhydraten.
LOW-CARB-DIÄT
Kohlenhydratanteil tief halten.
Führt von selbst dazu, dass man
weniger Kalorien zu sich nimmt.
ANDERES PRINZIP
Weltanschaulich geprägte
Regeln, wissenschaftlich
fragwürdige Diäten oder Kuriosa.
Popularitätskurven gemäss
Worthäufigkeit in Google Ngram
(englische Begriffe in englischem
Korpus).
2010
1912
F.-X.-MAYR-KUR
Der österreichische
Kurarzt Franz Xaver Mayr
veröffentlicht seine «Studien
über Darmträgheit».
Seine eintönige Kur aus
Tee-Wasser-Fasten und
Milch mit Brötchen hat
Bundeskanzler Helmut Kohl
jeweils vor Ostern gemacht.
1864
BANTING-DIÄT
Der übergewichtige ­e nglische ­B estatter
William Banting v­ eröffentlicht den
«Letter on ­C orpulence». Darin beschreibt
er die von seinem Arzt empfohlene
­k ohlenhydratarme Diät gegen Diabetes
und wurde damit zum Vater aller
Low-Carb-Diäten.
1860
1870
1880
Ein Mensch nimmt zu oder ab, wenn er
durch seine Nahrung mehr oder weniger
Energie aufnimmt, als er verbraucht. Dann
wandelt er den Überschuss an Eiweiss, Fett
oder Kohlenhydraten in Fett um, oder er
baut Körperfett und Muskelmasse ab, um an
Brennstoff für den Betrieb des Körpers zu
kommen.
Es gibt zwei Formen gängiger Diäten. Bei
der sogenannten kalorienreduzierten Diät
nimmt man übliche Mengen an Eiweiss,
Fett und Kohlenhydraten zu sich, reduziert
aber die Zahl der Gesamtkalorien unter den
Verbrauch. Oft wird bei solchen Diäten auch
Diäten, die auf vermeintlich anderen,
wissenschaftlich oft unhaltbaren Prinzipien
beruhen, lassen sich immer darauf
zurückführen, dass weniger Energie
zugeführt als benötigt wird.
Reto U. Schneider
FOLIO 4 / 2014
1928
SCHLANK DURCH RAUCHEN
Lucky Strike lanciert den Slogan
«Reach for a Lucky instead of a
Sweet».
1967
LUTZ-DIÄT
Fettreiche und
­k ohlenhydratreduzierte Diät
des österreichischen Arztes
Wolfgang Lutz. Kohlenhydrate
seien schädlich, weil der
Mensch als Jäger und
Sammler überwiegend Fleisch
verzehrt habe. Vorläufer der
Steinzeitdiät (1975).
1918
K ALORIEN ZÄHLEN
Die amerikanische Ärztin Lulu Hunt Peters
macht das Kalorienzählen populär. Das
Konzept ist so neu, dass sie in ihrem Buch
«Diet and Health» erklärt, wie man das
Wort «Kalorie» ausspricht.
1890
1900
1910
1920
der Anteil des Fetts hinuntergeschraubt,
weil es als energiedichter Stoff viele Kalorien
beisteuert und negative Folgen für Herz
und Kreislauf haben soll, was aber heute
umstritten ist.
Bei der zweiten Form muss man nicht
Kalorien zählen, sondern möglichst wenig
Kohlenhydrate zu sich nehmen. Diese
sogenannten Low-Carb-Diäten waren
wegen ihres hohen Fett- und Eiweissanteils
lange Zeit verpönt, erleben aber seit Mitte
der 1990er Jahren eine Renaissance. Durch
die stark eingeschränkte Nahrungsauswahl
und die bessere Sättigungseigenschaft
von Eiweiss kommt es bei einer Low-CarbDiät ganz von selbst zu einer Reduktion
der Kalorien. Studien zeigen, dass LowCarb-Diäten für die meisten Menschen
gesundheitlich nicht bedenklicher sind als
andere.
1969
BRIGITTE-DIÄT
Die deutsche ­F rauenzeitschrift
­v eröffentlicht einen ­E rnährungsplan
mit limitierter Fett- und
­Z uckeraufnahme. Entspricht
­o ffiziellen Empfehlungen.
19301940195019601970
1937
DIÄT-BONBON «AYDS» 3
Ein Appetitzügler als B
­ onbon. Verkaufte
sich gut, bis in den 1980er Jahren die
­Immunschwächekrankheit Aids auftauchte.
Die p
­ honetische Verwandtschaft liess Ayds
vom Markt verschwinden.
1911
1874
VEGETARISCHE KOST
Das erste vegetarische Kochbuch
«The Hygeian Home Cookbook» von
Russell Thacher Trall erscheint.
Popularität
1860
1910
1960
2010
TRENNKOST
Der amerikanische
Arzt William Howard
Hay verbot nicht
bestimmte Speisen,
sondern gewisse
Kombinationen. Obwohl
wissenschaftlich
unbewiesen, lebte
die Trennkost unter
neuen Namen immer
wieder auf.
1963
Popularität
Popularität
1860
1910
1960
1927
1860
1910
1960
2010
2010
HOLLY WOOD-DIÄT
Auch als 18-Tage-Diät bekannt.
Schauspielerinnen sollen diese
Hungerdiät gemacht haben. Kleine
Portionen, wenig Kohlenhydrate. So
verbreitet, dass Lebensmittelläden
über Absatzprobleme bei den
Grundnahrungsmitteln klagten.
Erlebte in den 1960er Jahren als
Grapefruitdiät eine Renaissance.
FOLIO 4 / 2014
WEIGHT WATCHERS
Die 40jährige übergewichtige
­H ausfrau Jean Nidetch
macht Diät und gründet eine
Selbsthilfegruppe und später
«Weight Watchers». Die
Gruppentreffen, bei denen
früher jeder Teilnehmer
öffentlich gewogen wurde,
sind das Markenzeichen
des von Experten positiv
beurteilten Programms.
Popularität
1860
1910
1960
2010
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Diät
Diät
Popularität
2010
1860
1977
1975
MITTELMEERDIÄT
Die amerikanischen Forscher
Ancel und Margaret Keys
publizieren «How to eat well
and stay well the Mediterranean
way». Ihr Ländervergleich zeigte,
dass Menschen in Italien und
auf griechischen Inseln kaum an
Herzkrankheiten litten. Wurde in
den 1990er Jahren auch unter
Kreta-Diät bekannt.
1860
1910
1960
2010
1987
Popularität
SLIM FAST
Mit Slim Fast kamen Diätshakes in
Mode: Pulver, die man mit Milch
anrührt, ersetzen eine Mahlzeit. Das
Konzept ist so erfolgreich, dass
Unilever im Jahr 2000 2,3 Milliarden
Dollar für Slim Fast bezahlte.
1910
BABY-FOOD-DIÄT
Die Prominentenfitnesstrainerin Tracy Anderson
hatte die bizarre Idee für
diese Diät: 14 Portionen
Babynahrung und ein
normales Abendessen.
Jennifer Aniston soll es
versucht haben.
1960
VEGAN
Das Buch «Diet for a New
America» von John Robins
steht am Anfang einer
neuen Veganerbewegung in
den USA. Nicht nur Fleisch,
sondern auch alle anderen
tierischen Produkte
sind verboten. Grosse
Resonanz bei Prominenten
wie Bill Clinton, der sich
allerdings mittlerweile nur
noch als «Teilzeitveganer»
bezeichnet.
2010
1978
SCARSDALE-DIÄT
Nach der US-Stadt Scarsdale
benannte Low-Carb-Hungerdiät mit
weniger als 1000 Kalorien pro Tag.
Die Verkäufe von «The Complete
Scarsdale Medical Diet» stiegen
sprunghaft an, als der Autor Hermann
Tarnower 1980 von seiner Geliebten
erschossen wurde.
1995
SEARS- ODER ZONE-DIÄT
Laut dem Biochemiker Barry Sears soll
ein Nahrungsanteil von 30 Prozent Fett
und je 40 Prozent Kohlenhydraten und
Eiweiss zu einem Hormongleichgewicht
(«the zone») führen, was eine
Gewichtsreduktion und grössere
Leistungsfähigkeit bewirkt.
2003
1981
Popularität
BEVERLY-HILLS-DIÄT
Trennkost (1911) in neuem Gewand.
Mit vielen tropischen Früchten,
deren Enzyme angeblich die
Fettverbrennung fördern.
1860
1970
1910
1960
2010
SOUTH-BEACH-DIÄT
Mit über 20 Millionen verkauften
Büchern eine der kommerziell
erfolgreichsten Diäten jüngerer Zeit.
Die modifizierte Atkins-Diät (1972)
hat der amerikanische Kardiologe
Arthur Agatston ursprünglich für
seine Patienten entwickelt.
1980199020002010
1996
1985
FIT-FOR-LIFE-DIÄT
Noch eine Trennkostvariante
(1911). Jetzt soll der Mensch ein
«Früchtefresser» sein. Hauptsächlich
Rohkost, dazu etwas Getreide und
Fleisch. Wirres Gedankengebäude.
Popularität
1860
1910
1960
2010
1991
1972
ATKINS-DIÄT
«Dr. Atkins’ Diet Revolution» erscheint und wird
mit über 15 Millionen verkauften Exemplaren zu
einem der erfolgreichsten Diätbücher aller Zeiten.
Die Regeln sind einfach: Keine Kohlenhydrate
(Zucker, Brot, Teigwaren, Reis usw.), von allem
anderen so viel, wie man mag. Die bekannteste
aller Low-Carb-Diäten kommt Ende der 1990er
Jahre richtig in Schwung.
1978
DUK AN-DIÄT
Der französische Arzt Pierre Dukan publiziert
«Maigrir: L’arme absolue». Ihren Siegeszug tritt die
Diät dreissig Jahre später an. Die komplizierte
Low-Carb-Diät gehört laut der Britischen Gesellschaft
für Ernährung zu den schlimmsten Diäten. Pierre
Dukan hat 2014 seine Zulassung als Arzt verloren.
DIET-TO-GO
Der amerikanische
Diätkurier bringt die
ausgewählten Menus
direkt nach Hause,
oder man holt sie im
Fitnessclub ab. Zur
Auswahl stehen
Low-Fat, Low-Carb
und vegetarisch.
1987
1975
STEINZEIT- ODER PALEO-DIÄT
In «Die Steinzeitdiät» schreibt der Arzt
Walter L. Voegtlin, der menschliche
Körper sei nicht für die Produkte
der Landwirtschaft geschaffen. Eine
Low-Carb-Diät mit viel Fleisch ohne
Milchprodukte. Typische Männerdiät,
die 30 Jahre später in Mode kommt.
FOLIO 4 / 2014
MONTIGNAC-METHODE
Der Franzose Michel
Montignac publiziert «Je
mange donc je maigris».
Er teilt Kohlenhydrate
nach dem sogenannten
glykämischen Index in
«gute» und «schlechte»
ein. Schlechte wie Zucker
und Weissbrot treiben den
Insulinspiegel hoch, bei
guten wie Hülsenfrüchten
bleibt er niedrig.
BLUTGRUPPENDIÄT
Erfindung des
amerikanischen
Naturheilpraktikers
Peter J. D’Adamo.
Empfehlungen
abhängig von
der Blutgruppe.
Wissenschaftlich
unhaltbar. Zählt im
Expertenurteil zu
den unvernünftigsten
Diäten.
2006
SCHLANK IM SCHLAF
Beim Diätplan des deutschen Arztes
Detlef Pape wird versucht, den
Insulinspiegel, der die Einlagerung
von Fett erlaubt, niedrig zu halten.
Am Morgen Kohlenhydrate, mittags
Mischkost, am Abend eiweissreich.
1997
EDIETS.COM
Eine der ersten OnlineDiät-Sites. Gegen eine
Abonnementsgebühr erhält
man persönliche Menuund Fitnesspläne und kann
sich mit Gleichgesinnten
­u nterhalten. Einer der
Chatrooms ist für Männer
reserviert.
2012
5:2-DIÄT
Die 5:2-Diät entstand aus einem
BBC-Dokumentarfilm des Arztes und
Fernsehmoderators Michael Mosley.
Mosley kam durch periodisches
Fasten zum Schluss, dass 5 Tage
normal essen und 2 Tage fasten
zu ­R eduktion des Gewichts und
besserer ­G esundheit führten.
2002
METABOLIC-BALANCE
Auf Low-Carb basierendes
«Stoffwechselprogramm» des
deutschen Arztes Wolf Funfack.
Undurchsichtige Empfehlungen
aufgrund eines Bluttests. Wird im
Franchising-System von Beratern (oft
ohne medizinische Vorkenntnisse)
vertrieben.
Quellen: «Diets and Dieting: A Cultural Encyclopedia», Sander L. Gilman,
2008; «Calories & Corsets: A histor y of dieting over 2000 years», Louise
Foxcroft, 2011; «Die verrückte Geschichte der Diät. Schlankheitswahn
und Schönheitskult», Anja Doster t, 2013; Wikipedia.
FOLIO 4 / 2014