VII. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis

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VII. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis
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VII. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
und ihre Gedächtnishalle
(Eine Chronologie)
Der Verfasser dieser Zeilen war von 1968 bis 1987 als Rendant der Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirchengemeinde und als Schatzmeister der Stiftung „Kaiser-WilhelmGedächtniskirche“ tätig. Anfang der siebziger Jahre fand er auf dem Dachboden des Gemeindehauses in einer Ecke zwischen Schutt und Schmutz alte Akten der Gemeinde, beginnend im Jahre 1896. Ebenso lagen in einem dort befindlichen Schrank, völlig eingestaubt,
ähnliche Aktenstücke. Offensichtlich wurden bis zum Zweiten Weltkrieg Akten auf dem
Dachboden aufbewahrt. Die hier aufgefundenen waren wohl nach der Zerstörung des Obergeschosses des Hauses die noch übrig gebliebenen Stücke. Sie sind - wenn auch völlig unzureichend - ein wichtiges und interessantes Zeitdokument und sollen in Auszügen in dieser
Chronologie ihren Platz finden.
01.09.1895 Einweihung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Weder die Inneneinrichtung des Kirchenschiffes noch die Gedächtnishalle sind fertig.
Die Gedächtnishalle als Vorraum zum Kirchenschiff sollte dem Gedächtnis Kaiser Wilhelm I. gewidmet sein und besonders künstlerisch
gestaltet werden. Für ihre Fertigstellung sind zu diesem Zeitpunkt noch
zu viele Überlegungen, Planungen, Versuche und Vorarbeiten erforderlich. Bei der Einweihung der Kirche schätzt man die Kosten für die noch
fällige Innenausstattung des Kirchenschiffes auf 800.000 Mark und die
der Gedächtnishalle auf etwa 400.000. Mark. Es sollte noch viel teurer
werden!
„Dem Langschiff ist, ähnlich der berühmten Vorhalle von St. Marco in Venedig,
die Gedächtnishalle mit zwei Apsiden vorgelagert.... Durch die Broncetüren
tritt man in dieselbe ein. Dieser imposante Raum, welcher sich mit seinem
gewaltigen Tonnengewölbe vor die innere Kirche legt, ist dazu bestimmt, dermaleinst auf seinen Wandflächen allegorische Darstellungen aufzunehmen
aus dem Leben des alten Kaisers....Um die Halle zieht sich ein Sockel von etwa einem Meter Höhe aus dunkel leuchtendem schwedischen Labrador; an
den sechs Portalen und den Seitenbögen stehen Säulen aus rotem schwedischen Granit, welche künstlerisch gemeißelte Kapitäle tragen....Die Decke ist
jetzt mit Cartons aus Pappe überspannt, auf welchen Figuren und Ornamente
entworfen sind. Später wird die Decke in dieser Weise Stiftmosaik erhalten.
Die dabei zur Darstellung gelangenden Figuren werden voraussichtlich große
patriotische, kirchliche und geschichtliche Erinnerungen versinnbildlichen. Die
Kapitäle der Säulen in der Gedächtnishalle waren die ersten fertigen Bildhauerarbeiten. Mit der Zeit hatten sich die Bildhauer in solchem Maße vervollkommnet, daß man ihre ersten Arbeiten durch schönere ersetzte. So wurden
auch die ersten Kapitäle aus der Gedächtnishalle entfernt. Eines derselben
bildet mit einer ebenfalls aus der Kirche entnommenen Labradorsäule nun
den schönsten Schmuck der Pfingstkapelle in Potsdam.“ (Mirbach 1897)
1901/1902
Endgültiger Beschluß der Bau- und Kunstkommission des Ev. KirchenBauvereins über die Ausschmückung der Gedächtnishalle.
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22.02.1906 Nachdem die sechs Marmorreliefs für die Wände, Szenen aus dem Leben Kaiser Wilhelm I. darstellend, sowie die Mosaikgewölbe fertig gestellt sind, wird die Gedächtnishalle zur Vorfeier der Silbernen Hochzeit
des Kaiserpaares eingeweiht. Beim rechten Treppenaufgang wird in
Mosaik folgende Schrift angebracht: „Vom Ev. Kirchenbau-Verein Berlin
erbaut 22. März 1891 bis 1. September 1895. Ausgeschmückt 1901 bis
27. Februar 1906“.
„Die drei Mittelportale nach dem Vorbild der Portale der Marcus-Kirche in Venedig haben schwere Bronzetüren mit Ornamenten. Sie führen in die Gedächtnishalle. An der am nördlichen Chorturm befindlichen Bronzetür zur kaiserlichen Loge, dem so genannten Kaiserportal, sind in zwölf Rahmenfüllungen die Köpfe der zwölf Apostel sowie große Löwenköpfe angebracht. Die imposante Gedächtnishalle ist zur Erinnerung an das reiche und wechselreiche
Leben Kaiser Wilhelm I.....bestimmt. Der farbige Mosaikfußboden zeigt in der
Mitte den Erzengel Michael und an den Seiten Ornamente mit breitem Fries
An der rechten und linken Seite führt durch je drei von Granitsäulen getragene
Bögen hindurch eine breite Granittreppe zur Orgelempore hinauf....Von der
Gedächtnishalle führen drei schwere Eichenholztüren, mit vergoldetem Leder
bezogen und mit kunstvollen Bronzebeschlägen, großen Bronzenägeln und
altdeutschen Löwenköpfen besetzt, in das Innere der Kirche“ (Mirbach 1906).
Die Chronik berichtet, daß die drei Tore des Haupteinganges erst am
31. August 1895, am Vorabend der Einweihung, fertig gestellt und eingehängt worden sind. Eine Reihe anderer Türen war noch nicht hergestellt und mußte vorerst durch Provisorien ersetzt werden. Die Kosten
für die drei Türen des Hauptportals betrugen 26.700 Goldmark.
Im Jahre 1923 plant das Kuratorium offenbar, eine würdige Ehrung für
die Gefallenen des 1. Weltkrieges in der Gedächtnishalle vorzunehmen.
Allerdings ist das nur aus dem Protokoll des Gemeindekirchenrates zu
erfahren:
24.08.1923 „Der GKR bittet einstimmig den 1. Vorsitzenden, beim Kuratorium in der Frage
der Gefallenenehrung den Standpunkt zu vertreten, daß der GKR als einzig
würdigen Platz für die Gedenktafeln die rechts und links in der Vorhalle mit allegorischen Reliefs geschmückten Wandflächen ansieht, alle anderen vorgeschlagenen Plätze erscheinen dem GKR völlig ungeeignet; zum anderen
wünscht der GKR, daß die Gedenktafeln in der Hohenzollerngedächtnishalle
angebracht werden.“
Dem Verfasser ist nicht bekannt, ob es zur Ausführung dieses Planes
gekommen ist. Vermutlich nicht, denn später erfährt man aus dem Protokollbuch, daß vor der Kirche, gegenüber der Rankestraße, ein steinernes Gedenkkreuz aufgestellt wird:
21.09.1926 „3. Gefallenendenkmal:
a) die Verzierung auf dem Kreuz fällt fort
b) die Figur soll in der vom Künstler vorgeschlagenen Form ausgeführt werden
c) Als Inschrift wird auf das Kreuz gesetzt:
‚Eure Leiber den Feinden!
Eure Seelen Gott
Christus ist erstanden
Er macht zum Sieg den Tod‘.“
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29.11.1927 „7. Denkmal: GKR beschließt, daß auf der Rückseite des Denkmals folgende
Inschrift angebracht werden soll:
‚Im Jahre des Herrn 1928
in dankbarer Erinnerung ihrer 449
im Weltkrieg gefallenen Söhne errichtet durch die
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde‘.“
17.01.1928 „2. Aufstellungsort Denkmal: GKR beschließt, das Denkmal soll am Eingang
Rankestraße aufgestellt werden.“
19.06.1928 „6. Denkmalsweihe: Die Denkmalsweihe soll am 23.9. vollzogen werden. Im
Abendgottesdienst, der besonders musikalisch ausgestattet werden soll, wird
eine 2. Feier stattfinden. Die Predigt im Vormittagsgottesdienst hält Herr Pfr.
Weber, am Denkmal soll Herr Pfr. Dr. Mauff sprechen.“
Das gleiche Thema beschäftigt den Gemeindekirchenrat kurz vor der
Zerstörung der Kirche erneut, nunmehr für die Gefallenen des 2. Weltkrieges:
02.02.1943 „2. Gefallenen-Denkmal in der Kirche: Der Vorsitzende berichtet über die Kuratoriumssitzung am 25.1.1943. In dieser wurde angeregt, die Reliefs der
Ruhmeshalle herauszunehmen und an ihre Stelle die Gedenktafeln für die Gefallenen der beiden Weltkriege einzusetzen. Dieser Vorschlag ist durch den
leitenden Baumeister des Kuratoriums, Ministerialdirektor Reck auf 30.000 RM
veranschlagt worden. Der GKR ist der Auffassung, daß diese Summe sich
nicht aufbringen lässt und bittet das Kuratorium, die kapellenartig ausgebauten
Notausgänge als Stätte für die Gefallenenehrung einzurichten.
22.11.1943 In der Nacht zum 23. November 1943 wird bei einem Großangriff der
britischen Luftwaffe auf die Innenstadt die Kirche schwer getroffen und
weithin zerstört. Durch den Luftdruck wird das Gewölbe über der Gedächtnishalle hochgehoben, fällt wieder zurück, stürzt aber nicht ein.
Dieses Geschehen ist an einem Gewölbe etwa über dem heutigen Verkaufsstand (verschobener Schlussstein) noch zu erkennen. Das einst
so prächtige und künstlerisch vielseitig gestaltete Gotteshaus ist in wenigen Augenblicken zu einer Ruine geworden, in der keine Gottesdienste mehr gehalten werden können.
Aus den beiden letzten Kriegsjahren sollen hier einige Auszüge aus
dem Protokollbuch des Gemeindekirchenrates zur Kenntnis gebracht
werden, damit man sich eine Vorstellung von den Schwierigkeiten dieser Zeit machen kann.
16.1.1944
Erste Sitzung nach der Kirchenzerstörung:
„2. Lage der Gemeinde nach den Bombenangriffen: Durch den Angriff vom 22.
Nov. 1943 ist unsere Kirche zerstört und unbenutzbar geworden. Im Pfarrhaus
(Anmerkung: gemeint ist hier die rechte Seite des Gemeindehauses) ist das 4.
Stockwerk (Wohng. Schütz), Dach und Boden vollständig ausgebrannt, im
Gemeindehaus (Anmerkung: gemeint ist hier die linke Seite des Gemeindehauses) auch das 3. Stockwerk (Konfirmandensäle, Wohnung der Diakonissen, Orgelmotor). Unter vieler Mühe ist der Gemeindesaal soweit hergerichtet,
daß die Gottesdienste am Heiligen Abend 1943 dort stattfinden konnten. Der
Gemeinde ist eine Fülle von Anteilnahme anlässlich der Zerstörung der Kirche
ausgesprochen u. a. vom Kronprinzen und von Pfarrer Krummacher. Der Gau
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Berlin der N.S.D.A.P. hat dem Konsistorialpräsidenten ausgesprochen, daß
nach dem siegreichen Ende des Krieges neue, schönere und gewaltigere Kirchen erstehen werden‘.(!) Schätzungsweise ist über die Hälfte der Gemeindeglieder infolge des Verlustes der Wohnung aus dem Gemeindebezirk verzogen. Der Gottesdienstbesuch im Saal ist gering. Für das Pfarrhaus erhebt sich
die Hauptfrage: wie zu einem Notdach kommen?“
16.01.1944 „Dem Personal des Kindergartens, der Leiterin Frl. Ziegler, der Helferin Fr.
Ahrends und dem Pflichtjahrmädchen ist zum 31. Dez. 1943 gekündigt worden, da der Betrieb des Kindergartens eingestellt ist. Der Schlafraum des Kindergartens ist ausgebrannt und der Tagesraum stark beschädigt und Kinder
aus der Gemeinde finden sich nicht mehr ein.
Frau Luther (Anmerkung: Ehefrau des vermissten Kirchhofverwalters Luther)
hat Berlin verlassen. Sie ist mit den Nerven zusammengebrochen und kann ihren Dienst auf dem Kirchhof nicht mehr versehen.
29.10.1944 „3. Weitere Zerstörung der Kirche: Am 11.8.1944 ist unsere Kirche durch einen Volltreffer von neuem schwer zerstört worden. Das Eisengerüst des Daches, das noch stand, und die Seitenwände sind herausgeschleudert. Es stehen jetzt im wesentlichen noch die Türme und die Ruhmeshalle. Wegen der
Sicherstellung der Mosaiken sind Verhandlungen im Gange.
4. Kirchenkeller: Der Keller unserer Kirche ist vom Planungsamt des Bezirksamtes Charlottenburg beschlagnahmt und der Wein-Großhandlung Stöckler
zugewiesen. Stöckler zahlt an das Kuratorium 2.000 RM Miete im Jahr. Herr
Stöckler hat sich verpflichtet, sofort beim Beginn des Neuaufbaues der Kirche
den Keller zu räumen.
5. Orgel Gemeindehaus: Die Zinn- und Zinkpfeifen aus der Orgel des Gemeindehauses werden zum Zwecke der Metallablieferung herausgenommen.
Es verbleiben 10 Stimmen, so daß die Orgel spielbar bleibt.
7. Bericht über Gemeindeleben: Der Vorsitzende erstattet einen Bericht ab
Januar. Am 29.1.1944 ist das der Gemeinde gehörende Haus Schaperstraße
4 - 5, in dem sich ein Altersheim befand, durch Bombentreffer bis in den Keller
abgebrannt.“
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Vom Kirchenschiff stehen bei Kriegsende also nur noch Teile der Außenmauern und vom vorher 113 Meter hohen Hauptturm jetzt nur noch
ein beschädigter Stumpf von 68 Meter Höhe. Die Gedächtnishalle ist
der einzig verbliebene Raum, wenn auch schwer beschädigt.
19.06.1945 Erste Sitzung nach Kriegsende:
„Der Vorsitzende verliest einen Tätigkeitsbericht von Frau Vikarin Grosch über
das Jahr 1944. Sie hat die kirchl. Unterweisung der 9-11jährigen. Es kommen
45 Kinder. Sie leitet zwei Bibelkreise, außerdem die weibliche Jugendarbeit.
Ihr Jugendkreis von konfirmierten Mädchen im Alter von 16 - 23 Jahren umfasst 50 Teilnehmerinnen. Sie veranstaltet von Zeit zu Zeit 2-3tägige Freizeiten. Bereits am 8. Mai 1945 fanden sich wieder 16 Mädchen im Kreis zusammen.
Der Vorsitzende erstattet einen Bericht über das Gemeindeleben seit Oktober
1944. Trotz der ständigen Bedrohungen durch Luftangriffe brauchten nur 2-3
Gottesdienste auszufallen. Die Konfirmationen verliefen ungestört. Obwohl die
Lebensbedrohung ständig stieg, blieb die Zahl der Gottesdienstbesucher die
gleiche. Immerhin hatte die Gemeinde 1944 die höchste Abendmahlsziffer im
ganzen Kirchenkreis. Seit dem 1. Mai ist der Besuch der Gottesdienste mit einem Schlag erheblich gestiegen. Den 1. Gottesdienst nach dem Zusammenbruch des ‚Dritten Reiches‘ hielten wir bereits am 6. Mai, von da an regelmäßig. Erhebliche Kollekten! Was von den Pfarrern an Kleidungsstücken und
Wäsche für die Ausgebombten in den Gottesdiensten erbeten wurde, stiftete
die Gemeinde stets. Insbesondere muss die Gemeinde dafür dankbar sein,
daß uns der Gemeindesaal erhalten geblieben ist und damit der Mittelpunkt für
das Gemeindeleben.
In den Kämpfen der letzten Tage vor dem 2. Mai erhielt das Pfarr- und Gemeindehaus 10 Granaten- und Fliegerbombentreffer. Im Luftschutzkeller hielten die Pfarrer Jacobi und Schmidt täglich um 18 Uhr Andacht. Auch eine Nottaufe fand statt. Trotz allem, was wir im Luftschutzkeller erleben mussten, sind
wir dankbar, daß keiner getötet ist. Bemerkenswert war die Höflichkeit der
Russen gegenüber den Pfarrern. Nach dem 2. Mai wurden durch die Pfarrer
möglichst viele Gemeindeglieder besucht; viele Beerdigungen, auch auf den
Höfen.
Neue Aufgaben: Errichtung des Kindergartens, Bildung eines Helferkreises,
durch den jedes Haus erfasst wird, Religionsunterricht an den Schulen, Wiederherstellung des Gemeindehauses.“
04.09.1945 „Am 2. September fand der 50jährige Erinnerungstag der Einweihung der Kirche statt. Die Predigt, die in diesem Gottesdienst von Pfr. Schmidt gehalten
und der Bericht, den Pfr. Jacobi im Gottesdienst verlesen, werden im Archiv
niedergelegt und aufbewahrt. Die Kollekte betrug an diesem Tag 1.238 RM.
Einige Zeitungen brachten zu dem Tage einen Artikel. Unser Organist
Drwenski stiftete zu dem Gottesdienst ein Posaunen- und Streichquartett.
Der Kindergarten blüht! Zur Zeit 55 Kinder angemeldet. Das neue Personal
arbeitet vorzüglich. Sehr schwierig ist, das Essen für die Kinder zu beschaffen.
Friedhofsbaracke: Der Vorsitzende hat sich schnell entschlossen, eine Baracke für den Friedhof anzuschaffen, welche in die Mauerreste der Kapelle hineingestellt werden und die Friedhofskapelle ersetzen soll. Außerdem sind Barackenteile für das Dach des Pfarr- und Gemeindehauses angeschafft.“
18.12.1945 „Der Vorsitzende (Anmerkung: in den vergangenen Jahren Pfarrer Jacobi)
stellt anlässlich der letzten Sitzung des alten Gemeindekirchenrates fest, daß
seit 1938 im Gemeindekirchenrat ein einmütiges Zusammenarbeiten gewesen
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ist und fast alle Beschlüsse einstimmig gefasst sind. Er dankt den Mitgliedern
für ihre treue Mitarbeit und für alle wertvollen Anregungen. Anschließend
dankt der Kirchenälteste Oberstleutnant a. D. Scheibel dem Vorsitzenden und
spricht ihm in warmen Worten die Glückwünsche zum Superintendenten aus.“
Die Glocken
Was geschah mit den Glocken? Während es im 1. Weltkrieg dem Kuratorium der Stiftung „Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche“ gelang, die 5
Glocken vor der Abgabe im Rahmen der Metallablieferungen für
Kriegszwecke zu bewahren, ist dies im 2. Weltkrieg nicht mehr möglich.
Trotz vielseitiger Bemühungen bis hin zum Reichsmarschall Göring
müssen im Jahre 1942 vier Glocken abgeliefert werden. Die ReichsRundfunk GmbH lehnt die Hergabe einer von ihr aufgenommenen
Schallplatte vom Geläut ab. Auf eine Eingabe des Kuratoriums teilt der
Reichswirtschaftsminister mit, daß Platten mit der Aufnahme des Geläuts im Bedarfsfall leihweise zur Verfügung gestellt werden können.
Trotz dieses Erlasses lehnt die Reichs-Rundfunk GmbH den erneuten
Antrag des Kuratoriums ab, der Gemeinde sonntags eine Schallplatte
mit dem Geläut zur Verfügung zu stellen. Das Kuratorium wendet sich
darauf nunmehr an den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, auf dessen Anordnung jetzt eine Schallplatte herausgegeben
wird. Nur die kleinste Glocke darf behalten werden. Sie zersprang bei
der Zerstörung und wird im März 1949 nach Apolda/Thüringen zur Glockengießerei Schilling gebracht, wo sie einmal gegossen worden war.
In dieser Zeit ist der Gemeindekirchenrat bemüht, über das Evangelische Hilfswerk eine Notkirche zu erhalten. Für sie sollen aus diesem
Torso zwei neue Glocken gegossen werden. Es sei hier schon gesagt,
daß es dazu nicht gekommen ist. Die Glocke soll zwar eingeschmolzen
worden sein, dann aber für den Guss eines neuen Geläuts (3 Glocken)
für die Basilika-Kirche in Steinach/Thüringen Verwendung gefunden
haben. Bemerkenswert: Diese Kirche, im Jahre 1899 eingeweiht, wurde, wie die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, vom Baurat Schwechten
entworfen.
Die Notkirche
„In Pforzheim entsteht unter freiwilliger Mitarbeit der Gemeindeglieder der erste massive Neubau einer Kirche in Deutschland. Sie ist als ev. Notkirche der
Modellbau für eine Serie solcher Kirchen, die vom Wiederaufbauausschuss
des Weltrats der Kirchen in Genf gestiftet und in deutschen Städten errichtet
werden. Der leitende Gedanke bei dem Bau dieser Notkirche ist die Verbindung von Selbsthilfe und Auslandshilfe. Denn die Umfassungsmauern sollen
von der Gemeinde selbst aus dem in Deutschland vorhandenen Material hergestellt werden, während die hölzernen Hauptteile der Konstruktion, sowie
Fenster, Türen etc. serienmäßig hergestellt und aus dem Ausland geliefert
werden. Im Mai 1947 fand in der Weiherberger-Pfarrei in Pforzheim das Richtfest der ersten, auf deutschem Boden nach dem Entwurf von Professor Otto
Bartning erbauten Notkirche statt.“ (Aus „Mitteilungen aus dem Hilfswerk der
EKiD, Nr. 8, 13.11.1947).
Um eine solche Notkirche bemüht sich die Gemeinde und erhält auch
eine Zusage vom Hilfswerk. Die Spender sind die Lutherischen Kirchen
Nordamerikas. Es ist die Zeit der Blockade Berlins durch die Russen
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und man will unbedingt eine Notkirche in West-Berlin bauen. Für den
Vorsitzenden des Gemeindekirchenrats, Pfarrer Schmidt, beginnt eine
unvorhersehbare arbeitsaufwendige Zeit. Zunächst muss ein geeigneter
Bauplatz gefunden werden.
13.02.1948 Antrag an den Magistrat, das Gelände der bisherigen Villa Beck im
Zoologischen Garten pachtweise zur Verfügung zu stellen.
25.08.1948 Mitteilungen an das Hilfswerk:
1. Die britische Militärregierung hat die Baulizenz erteilt,
2. freiwillige Arbeitskräfte haben das auf dem Grundstück an der Schaperstraße gelegene, durch Bomben zerstörte, Altersheim enttrümmert
und über 20.000 ganze und über 10.000 halbe Mauersteine geborgen
für die Grundmauern der Notkirche. Dabei ist ein großer Spielplatz für
den Kindergarten entstanden,
3. Anfrage, ob angesichts der Blockade die Russen überhaupt eine Genehmigung für den Transport der Notkirchen-Materialien erteilen würden (Anmerkung des Verfassers: später ist vom Hilfswerk sogar der
Transport per Luftbrücke ins Gespräch gebracht worden).
Für die Probleme dieser Zeit soll hier der Text eines Berichts über eine
Besprechung beim Hilfswerk wiedergegeben werden (Namen gestrichen):
„.....Das Hilfswerk gibt für die Mauerung der Fundamente usw. einen Zuschuß
von 20. 000 DM West unter der Bedingung, dass im Frühjahr mit dem Bau begonnen wird.
Die Holzkonstruktion wird nicht in der Schweiz hergestellt, sondern in Westdeutschland, sie soll auch in Ostdeutschland gemacht werden. Für eine Kirche
in Westberlin wird es jedoch leichter sein, die Holzteile aus Amerika als aus
Ostdeutschland zu bekommen. Es wäre das beste, sie in Westberlin selbst
fertigen zu lassen. Wie weit das möglich ist, bliebe festzustellen 1. ob das
benötigte Material überhaupt vorhanden oder zu beschaffen ist, 2. ob die
Verteuerung durch die Blockade nicht gar zu groß werden würde. Bei der
angeblichen Kirchenfreundlichkeit der Russen erscheint es den Herren für
durchaus möglich, daß man die in Westdeutschland hergestellte Konstruktion
als aus der Schweiz kommend deklariert, nach Westberlin zur Einfuhr genehmigt erhält. Herr Pfarrer N.N. sprach auch von der Möglichkeit, die russische
und deutsche Grenzpolizei durch Geldzahlung geneigt zu machen, den
Transport durchgehen zu lassen.
Pfarrer N.N. rät persönlich, auch ohne große Mittel unsererseits mit den Arbeiten zu beginnen, es wird Wert darauf gelegt eine Holzkirche in Westberlin
zu errichten, sodaß man damit rechnen kann; daß weitere Unterstützung seitens des Hilfswerks wird, wenn wir es durchaus allein nicht schaffen können.
Wir müßten versuchen, es möglichst vorteilhaft mit der Bauerei anzufangen,
nannte das Beispiel Rummelsburg, wo durch die günstige Wahl der Ruinenstelle, die die gleichen Grundmaße wie die Kirche hat, für die Fundamentierung wenig Mittel erforderlich wurden.
Nächster Tage kommt Architekt N.N. aus Erfurt nach Rummelsburg als Beauftragter Prof. N.N. Pfarrer N.N. will mit ihm auch zu uns kommen, wir sollen
diesem unsern vorgesehenen Baugrund zeigen. Der Erfurter wird natürlich Interesse haben, die Kirche in Ostdeutschland bauen zu lassen, N.N. glaubt jedoch nicht, daß wir sie durch die Blockade kriegen, sollen diesem Plan also
möglichst nicht zu betont zustimmen.
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Daß bis heute noch keine Kirche fertig ist, auch in Magdeburg bisher nur die
Fundamente stehen, ist Schuld N. Ns., da dieser keinen Mut hat und glaubt
die Holzteile nicht durch die Blockade zu kriegen, die Berliner Herren sind
aber der Ansicht, daß der Russe da der ‘Kirche’ wenig Schwierigkeiten machen würde aus Propagandagründen, den Engländern oder Amerikanern
würde er natürlich den Durchtransport verwehren.”
Bis zum Dezember 1949 ziehen sich die Bemühungen um die Findung
eines Bauplatzes hin. Nachdem man dem Zoo eine Absage wegen zu
hoher Pachtforderungen geben muß, werden Anträge an die Bezirksämter Charlottenburg, Wilmersdorf und Schöneberg gestellt.
Mehrere Ruinengrundstücke in der Rankestraße und der Schaperstraße, sowie der Wittenbergplatz, der Steinplatz und der Savignyplatz
sind im Gespräch. Im Zusammenhang mit einem Ruinengrundstück in
der Rankestraße gibt es einen bemerkenswerten Briefwechsel, aus
dem menschliches Leid, hervorgerufen durch einen unseligen und
sinnlosen Krieg, deutlich wird. Und das war kein Einzelschicksal!
Der Grundstücksbesitzer antwortet auf die Anfrage der Gemeinde:
N.N.
H., den 4. April 1949
“Hochehrwürdiger Herr Pfarrer!
Ihren werten Brief vom 7.3.49, den ich gestern von meiner Frau erhalten habe,
möchte ich sofort beantworten. Ich bedauere sehr, daß ich heute erst von
Ihrem Vorhaben unterrichtet wurde, auf meinem Grundstück in der Rankestraße eine Notkirche aufzustellen. Sie fragen an, ob ich im Prinzip damit
einverstanden wäre. Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit und ich will
meinerseits dazu alles tun, was in meinen Kräften steht, Sie in Ihrem Vorhaben zu unterstützen. Als Verhandlungsgrundlage möchte ich mich von dem
Gedanken leiten lassen, daß ich bei dieser Gelegenheit dem Allmächtigen und
Ihrer Gemeinde einen kleinen Dienst erweisen will. Ich bitte Sie um baldige
Stellungnahme und nähere Einzelheiten über das Vorhaben überhaupt.
Was mein Innerstes zur Zeit sehr bewegt, geht aus meinem Antrag auf Einweisung (siehe Anlage) hervor. Ich möchte endlich nach Hause, in mein Heim,
um auch nach dem Rechten zu sehen und mein Geschäft zu ordnen. Ich halte
es daher für zweckmäßig, Ihren Wunsch mit dem meinigen zu verbinden. Wie
aus Ihrem werten Schreiben hervorgeht, besteht die Möglichkeit, daß die
Holzteile über die Luftbrücke nach Berlin gebracht werden können. In Verbindung dessen, daß dieser Transport einer besonderen Genehmigung der
Militärregierung bedarf, könnte auch meinem Wunsche entsprochen werden.
Ich wäre Ihnen zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet, wenn Sie mit der werten
Unterstützung des Herrn Bürgermeisters von Charlottenburg meine Einreise
herbeiführen könnten. Wegen der Verhandlungen und dem Vertragsabschluß
ist meine Anwesenheit in Berlin auch erforderlich.
Indem ich auf baldiges Gelingen unserer Vorhaben rechne, zeichne ich mit
vorzüglicher Hochachtung und Ergebenheit
N.N.”
Dies der Text der Anlage zu diesem Brief:
“An den
Herrn Bezirksbürgermeister von
Berlin-Zehlendorf-Mitte
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Ich muß es als ein persönliches Unglück betrachten, daß mir bis heute noch
nicht gestattet wurde, in mein Heim zurückzukehren. ln der Zeit vom 15.1.46
bis 23.11.47 habe ich 8 Anträge um Einreise bei Ihnen vorgelegt, die postwendend abgelehnt wurden. Auf meinen Antrag vom 24.1.48 erhielt ich am
24.5.48 vom Wohnungsamt Zehlendorf den Einweisungsschein-.Nr.........Nach
diesem Schein war es mir gestattet worden, bei meinen Familienangehörigen
in meinem Hause, Bismarckstr..... zu wohnen. Die übrigen Unterlagen für die
Reise von hier nach Berlin wollte man mir in Kürze zuleiten. Die Einreisegenehmigung mit den erforderlichen Unterlagen ist aber bis heute ausgeblieben und die gehegte Hoffnung, mit meinen Lieben bald zusammen zu
sein, wurde durch die Blockade zerschlagen. Es wäre doch ein Werk höchster
Menschlichkeit, wenn man mir gestatten würde, in mein Haus zurückkehren zu
dürfen. Nach Hause möchte ich, das ist mein größter Wunsch! Die Blockade
kann doch kein Dauerzustand sein? Ich bitte Sie, mir jetzt schon die erforderlichen Unterlagen zuleiten zu wollen, damit, wenn mir die Gelegenheit gegeben ist, ich die Heimreise sofort antreten kann. Erforderlich ist auch die
Genehmigung für eine Reisebegleitung.
Es erscheint mir zweckmäßig, Ihnen nochmals Näheres über meine Person
mitzuteilen:
Meine Wohnung befindet sich in Berlin-Zehlendorf, Bismarckstr.....und wird
von meiner Familie bewohnt. Ich bin am 24.2.1872 geboren und bin seit 1923
Berliner Bürger. Als Berlin 1944 schweren Bombenangriffen ausgesetzt war,
habe ich auf dringendes Raten meiner Ärzte die Stadt verlassen, außerdem
war es auch der Wunsch der damaligen Stadtverwaltung, daß Kranke u.ältere
Einwohner die Stadt verlassen sollen. Es gab damals für mich auch keine
bessere Lösung, denn ich hatte den grünen Star und habe 85% von meinem
Augenlicht verloren. Ich bin infolgedessen ganz auf fremde Hilfe angewiesen.
Auch muß ich täglich Schulden machen, denn ich habe doch hier kein Geld
und von Berlin kann mir kein Geld zugestellt werden. Ich bin arm, alt und blind,
und warum läßt man mich nicht nach Hause? Warum muß ich noch als Evakuierter in H. im Saarland bleiben und mein Geschäftsbetrieb in Berlin ist in
großer Unordnung? Warum werde ich täglich noch bestraft und geschädigt als
Folge einen Systems, das ich immer gehaßt habe? lch versichere an Eides
Statt, daß ich nicht Mitglied der Partei war und keiner Gliederung angehört
habe. Diesen Einrichtungen war ich ein großer Gegner.
Ich bin Eigentümer folgender Grundstücke, die teilweise von Bomben zerstört
oder beschädigt wurden. Einige dieser Grundstücke habe ich meinen Kindern
übereignet, die ich aber noch zu verwalten habe, denn mein Sohn ist noch in
russischer Gefangenschaft.
(Es folgt die Aufzählung von 12 Grundstücken.)
Ich wohne hier in H. in 2 Dachzimmern, ohne Geld bin ganz auf fremde Hilfe
angewiesen.
Ich bitte daher erneut um Genehmigung meines schon so oft gestellten Antrages und zeichne mit...”
Bis auf eine Ausnahme kann von keinem Angebot Gebrauch gemacht
werden, da überall eine Pachtzeit von nur fünf Jahren möglich ist. Der
Gemeinde aber ist klar, daß bis zur Einweihung einer neuen Kirche
wenigstens zehn Jahre vergehen werden. Die eine Ausnahme ist der
Savignyplatz. Glücklich sind die Gemeindevertreter darüber nicht, denn
diese Stelle liegt an der äußersten Gemeindegrenze, unmittelbar neben
der Trinitatis-Kirchengemeinde. Da die amerikanischen Spender aber
mit Nachdruck zum Bau drängen und um nicht deren Zusage zu verlieren, erklärt man sich mit diesem Ort einverstanden und erhält vom
Magistrat auch die Baugenehmigung. Jetzt aber tritt die Trinitatis-
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Kirchengemeinde auf den Plan! Sie erhebt Einspruch gegen den Bau
einer Notkirche an dieser Stelle. Nicht zu Unrecht argumentiert sie mit
dem Hinweis darauf, daß ihre zerstörte Kirche als erste wegen ihrer
zentralen Lage in Charlottenburg wieder aufgebaut werden soll und
dann die Notkirche in unmittelbarer Nähe liegen würde. Dies würde sich
negativ auf die dort wohnenden Gemeindeglieder und die Gemeindearbeit auswirken. Es gibt lange Debatten im Kreiskirchenrat und
schließlich schaltet sich der Berliner Stadtsynodalverband ein. Er
akzeptiert die Argumente der Trinitatis-Kirchengemeinde und rät der
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde, gänzlich auf den Bau
einer Notkirche zu verzichten. Die Erfahrungen mit diesen Gebäuden
hätten gezeigt, daß nach der Fertigstellung weitere hohe Kosten aufgetreten seien, die weder von ihm noch von der Gemeinde aufzubringen möglich sind. Außerdem verfüge die Gemeinde mit dem Gemeindesaal in der Lietzenburger Straße über eine ausreichende Gottesdienststätte und die Mittel bei einer Notkirche gingen einem späteren
Kirchenneubau verloren.
24.03.1950 Der Gemeindekirchenrat dankt dem Ev. Hilfswerk für seine Bemühungen und lehnt nun unter Schilderung aller Schwierigkeiten das
Geschenk einer Notkirche ab. Jahrelanger Arbeit bleibt so der Erfolg
versagt.
Neben den Gottesdiensten im Gemeindesaal finden zu besonderen Tagen, zum Beispiel am Erntedankfest und am Reformationstag, auch
solche in der Kirchenruine statt, ebenso einige Konzerte. Wegen der
Einsturzgefahr verbietet die Baupolizei 1953 diese Gottesdienste und
Veranstaltungen. Am Karfreitag 1952, 1953 und 1954, sowie an den Totensonntagen 1951 bis 1954 und am Bußtag 1953 werden auch Gottesdienste in der städtischen Oper in der Kantstraße abgehalten. Für
die Gottesdienste in der Ruine kann der damalige Superintendent von
Charlottenburg, Pfarrer Sudrow, 100 Holzbänke, die zuvor beim Ev.
Kirchentag in Berlin genutzt worden waren, kostenlos beschaffen.
1951 stellt man auch Überlegungen an, die Gedächtnishalle zu einer
gottesdienstlichen Kapelle herzurichten, läßt diesen Plan aber 1952 aus
Kostengründen fallen.
Ab 1953 wird das gesamte Ruinengrundstück für die Öffentlichkeit von
Amtswegen abgesperrt.
Zurück zur Gedächtnishalle
Die Bronzetüren
“Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde eines Tages gemeldet, die Bronzetüren der Portale der Kirche wären auf einen Wagen aufgeladen worden.
Die sofort angestellten Ermittlungen ergaben, daß dies auf Veranlassung des
Kommerzienrat Löwenstein, Inhaber der Trautenau-Klinik, geschehen sei.
Nach Aufforderung erschien Kommerzienrat Löwenstein und berichtete: Das
Bezirksamt habe ihm erklärt, laut eines erlassenen Gesetzes seien Trümmergebäude Eigentum der Stadt, infolgedessen auch die Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirche. Es wurde ihm deshalb gestattet, die Türen für seine
Zwecke zu verwenden. Verhandlungen des Kuratoriums mit Herrn Löwenstein
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führten dahin, daß er die Türen in unversehrtem Zustand zurückzuliefern hat,
sobald die Kirche wieder aufgebaut würde.” (Akten des Kuratoriums)
Bei diesen Türen handelte es sich um vier bronzene Torflügel vom Eingang zur Gedächtnishalle sowie zwei bronzene Torflügel des Kaiserportals (äußere Eingangstür zur Kaiserloge). Nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges hingen bzw. lagen die beschädigten bronzenen
Torflügel in den Trümmern der Kirche.
25.03.1947 Die Tore werden durch vertragliche Regelung Herrn Löwenstein zur
Lagerung und Benutzung überlassen. Die Rückgabe hat an den wieder
hergestellten Eingängen eines Kirchenneubaus oder an einem anderen
Ort in Berlin zu erfolgen.
1947
Die Bronzetür des Kaiserportals wird - wieder instandgesetzt - in den
Eingang der Trautenau-Klinik eingebaut. Die anderen Torflügel werden
durch Herrn Löwenstein bei der Firma Puls & Co.eingelagert.
Juni 1950
Der Vertrag mit Herrn Löwenstein wird gekündigt, weil der Gemeindekirchenrat beabsichtigt, das Kaiserportal in den Eingang des Gemeindehauses einzubauen. Herr Löwenstein widerspricht jedoch dieser
Kündigung mit dem Hinweis, daß die Rückgabe seinerzeit erst zur Fertigstellung des Kirchbaus vereinbart war und hat damit Erfolg.
Mai 1959
Nachdem entschieden ist, daß die alten Kirchentüren für den Neubau
der Kirche nicht zum Einsatz kommen sollen, entscheidet sich das
Kuratorium nach Rücksprache mit dem Architekten Professor Eiermann, die bei der Firma Puls & Co. lagernden vier Torflügel des
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Hauptportals an die Firma Brandt & Sohn zum Preise von 2.800 DM zu
verkaufen. Dieses Unternehmen beginnt dann mit dem Einschmelzen
der Türen und bemerkt dabei, daß es sich hierbei um solide und wertvolle Arbeit des Kunsthandwerks handelt. Darum beendet sie das
Einschmelzen und bietet die verbliebenen zwei Torflügel in der “London
Times” zum Verkauf an, woraus sich eine mehr als kuriose Situation ergibt, die West und Ost beschäftigte. Dazu der Aktenvermerk von Pfarrer
Pohl:
“Aktenvermerk
Am 30.12.59 rief mich Nachrichtenagentur Reuter an und stellte folgende
Frage:
In der Times-Ausgabe vom 30.12.59 sei eine Anzeige enthalten, in der die
berühmten Türen der berühmten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche angeboten würden, besonders geeignet für Schlösser. Als Anbieter unterzeichnete ein
Brandt. Reuter London fragte darauf Reuter Berlin, ob das der Regierende
Bürgermeister sei und vermutete einen Silvesterscherz und fragte weiter, ob
der Regierende Bürgermeister auch noch beabsichtige, die U-Bahn zu verkaufen. Daraufhin bekam die ganze Anzeige eine erhebliche Auswirkung. Der
östliche Nachrichtendienst ADN brachte sie dann einen Tag später, und dann
schalteten sich alle anderen Nachrichtendienste ebenfalls ein. Tatbestand ist
folgender:
Wir haben laut Quittung im Mai 1959 Gitterschrott und beschädigte Türenteile
an die Schrotthandlung Brandt & Sohn zum Preise von 2.800,-DM verkauft.
Bei dem Verkauf war immer nur davon die Rede, daß dieser Schrott
eingeschmolzen werden sollte. Eine andere Verwendung hat uns der Käufer
nicht wissen lassen. Es besteht aber meines Erachtens keine Möglichkeit,
gegen Brandt vorzugehen, da es sein rechtmäßiges Eigentum ist, und er
sicherlich erhebliche Mittel benötigt hat, um Gitter und Türen von den Spuren
der Beschädigungen zu befreien.
4.1.1960”
April 1960
Der Chef des Hauses Hohenzollern und Mitglied des Kuratoriums kauft
die beiden Torflügel, um sie in Deutschland zu erhalten. Dazu schreibt
der “Evangelische Pressedienst”:
“Prinz Louis Ferdinand hat inzwischen die alten bronzenen Hauptsportale der
Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche erworben. Sie sollen demnächst
auf die Burg Hohenzollern bei Hechingen gebracht werden und am Eingang
zur Michaels-Bastei in eine Natursteinmauer eingelassen werden. Wie weiter
verlautet, hat Bischof D. Dr. Otto Dibelius in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung ‘Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche’
Prinz Louis Ferdinand mitgeteilt, daß dem Haus Hohenzollern noch zwei vollmassive Bronzetore des Gotteshauses geschenkt würden. Die Tore, die Reliefs der zwölf Apostel tragen, sind gegenwärtig noch als Leihgabe in das
Hauptportal der Trautenau-Klinik in Berlin eingebaut. Sie sollen ebenfalls im
Laufe des Jahres auf die Burg Hohenzollern abtransportiert und dort in den
gotischen Eingangsrundbogen der evangelischen Christus-Kapelle eingebaut
werden, in der sich die Sarkophage der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I.
und Friedrich der Große befinden.”
08.06.1960 Mit einem Telegramm teilt Prinz Louis Ferdinand dem Kuratorium mit:
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“Heute wurde das Hauptportal der alten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche auf
der Michaels-Bastei der Burg Hohenzollern seiner neuen Bestimmung übergeben und St. Michaelstor genannt. In herzlicher Verbundenheit grüßt alle
Freunde innigst - Louis Ferdinand Prinz von Preußen.”
01.01.1961 Zum 1. Januar 1961 wird dann der Vertrag mit der Trautenau-Klinik
über das Kaiserportal gekündigt und dieses der Burg Hohenzollern
geschenkt.
Das Kaiserportal
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22.10.1961 Bischof D. Dr. Dibelius weiht die inzwischen eingebaute Bronzetür des
Kaiserportals als Aposteltor der evangelischen Burgkapelle. Prinz Louis
Ferdinand bedankt sich dafür mit einer Spende von 3.000 DM für den
Kirchenneubau.
Die Turmuhr
Ende 1954
Die Firma Kosmetik-Riz in Köln spendet 12.800 DM für eine Turmuhr,
die Ende 1954 eingebaut wird und etliche Nachfolgekosten verursacht,
bis sie später durch ein besseres Werk ersetzt wird.
Das Glockenspiel
Dezember
1959
Eine Spende der Allianzversicherung in Höhe von 18.000 DM, bestimmt
für den Einbau eines Glockenspiels in der Turmruine, wird vom Kuratorium nach längerer Diskussion angenommen. Es schreibt einen
Wettbewerb für die Melodie aus. Unter sechs Eingaben wird in geheimer Abstimmung die Komposition von Prinz Louis Ferdinand
gewählt, die auch heute noch erklingt. Es sind die ersten Takte eines
von ihm komponierten Chorals. Die Glocken werden in der Glockengießerei der Gebrüder Rincker in Sinn/Dillkreis gegossen, wo auch
später die Glocken für die neue Kirche gefertigt werden. Gern hätte
man die Glockengießerei Schilling in Apolda, die die Glocken für die
alte Kirche gegossen hatte, beauftragt, doch wählt man wegen der unsicheren politischen Lage eine Gießerei in Westdeutschland.
Bauliche Erhaltung der Turmruine und Gedächtnishalle
1949
Bei den ersten und weiteren Verhandlungen mit dem Magistrat und anderen Dienststellen wird deutlich, daß es für den Wiederaufbau der
Kirche in alter Architektur und Form keine Baugenehmigung geben
wird. Man drängt das Kuratorium zum Abriß der Ruine und Wiederaufbau der Kirche an anderer Stelle. Doch sehr bald findet die Meinung,
wenigstens die Turmruine und mit ihr die Gedächtnishalle zu erhalten,
eine Mehrheit bei den Beratungen im Kuratoriums. Die Vorschläge des
Magistrats werden insofern abgelehnt. Man wäre lediglich dazu bereit,
eine neue Kirche weiter westlich versetzt, jedoch auf dem Breitscheidplatz, zu errichten (wie es ja dann auch später geschehen ist). So werden denn baldmöglichst die ersten Arbeiten zur Sicherung des Turms
getroffen.
Juli 1951
Es wird der Auftrag erteilt, 400 Tonnen Bauschutt und Teile von Eisenträgern, die unmittelbar auf dem Gewölbe der Gedächtnishalle lagern,
schnellstens zu beseitigen, da die Halle einzustürzen droht und die darunter befindliche U-Bahnlinie gefährdet ist.
10.03.1953 Bischof Jacobi (Pfarrer Jacobi war ab 1.10.45 Superintendent von Charlottenburg, ab 1.12.45 Generalsuperintendent von Berlin (West) und
wurde am 3.3.54 zum Bischof in Oldenburg gewählt. Er blieb aber Mitglied des Kuratoriums der Stiftung “Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche”
und war einige Jahre dessen 1. Vorsitzender) stellt in seiner Wohnung
ein von Professor March geschaffenes Modell des Neubaus einer
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Kirche unter Verwendung der vorhandenen Türme und des Chormauerwerks vor. Bei diesem Modell wäre die Gedächtnishalle wieder der
Eingang zum Kirchenschiff geworden. Der Entwurf von March findet jedoch keine allgemeine Zustimmung und wird aufgegeben. Professor
March ist dann aber damit einverstanden, daß 1955 ein beschränkter
Wettbewerb unter deutschen Architekten auszuschreiben sei und ist
selbst Mitglied der Jury dieses Wettbewerbs.
11.08.1955 In der Sitzung des Kuratoriums wird berichtet, dass endlich Einigung mit
dem Senat über den Erhalt der Turmruine und dem Standort für eine
neue Kirche erzielt worden sei.
Februar
1956
Gemeinsam mit dem Senator für Bau- und Wohnungswesen schreibt
das Kuratorium einen engeren Wettbewerb aus und fordert neun deutsche Architekten zur Teilnahme auf. Professor Egon Eiermann geht als
Sieger hervor.
März 1957
Als der Entwurf Eiermanns publik wird, geht ein Sturm des Protestes
durch die Bevölkerung Berlins, denn seine Planung sieht einen Neubau
der Kirche, aber Abriss der Turmruine vor.
Dazu schreibt der “Telegraf”: “So wollten es die Berliner nicht. Der Turm
verschwindet....Die Entscheidung des Preisgerichtes - wenn sie auch so nicht
gemeint ist - wirkt wie Hohn auf den Wunsch der Berliner nach Erhaltung
eines alten Stückes Berlin, das immer mehr verschwindet.”
Und der “Kurier” meint: Berlins ‘schönste Ruine’ muß nun doch verschwinden....Damit verschwindet ein Wahrzeichen unserer Stadt, das den Berlinern
in den vergangenen Jahren wie kein anderes ans Herz gewachsen ist.”
Drei Berliner Zeitungen veranstalten eine Umfrage unter ihren Lesern
zum Schicksal der Turmruine und damit auch der Gedächtnishalle. Das
Ergebnis lautet:
“Der Tagesspiegel”:
“Berliner Morgenpost”:
“BZ”:
2.075 Stimmen (gleich 90 %) für Erhalt
13.000 Stimmen, davon 11.000 für Erhalt
29.618 Stimmen, davon 29.036 für Erhalt
Und Bischof Dibelius sagt in einer Kuratoriumssitzung: “Ich möchte
ungern in eine Linie mit den Machthabern im Osten gerückt werden, die
Kirchen abreißen.”
August 1957 Nach langem Ringen mit dem Kuratorium und anderen Institutionen, vor
allem nach einem ausführlichen Gespräch mit Professor Bartning, legt
Eiermann einen neuen Entwurf unter Erhaltung der Turmruine vor. Er
schreibt allerdings dazu: “Ich kann dem Ruinenturm keinen Sinn geben; ich
kann ihn daher auch nicht zu dem Bestandteil einer neuen Kirche machen....Ich lasse den alten Turm stehen, wie er ist; ich tue nichts an ihm. Ich
erwecke ihn nicht zu neuem Leben. Er ist tot....”
08.02.1958 Das Kuratorium ist mit dem neuen Entwurf Eiermanns einverstanden.
08.07.1958 Noch einmal steht das Schicksal der Turmruine auf der Kippe! Er ist im
Zustand der jetzigen Bauerhaltung erneut eine große Gefahrenquelle
geworden. Die erforderlichen Baumaßnahmen werden mit mindestens
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300.000 DM beziffert. In der Sitzung des Kuratoriums entbrennt eine
heftige Debatte in der Frage Turmerhaltung ja oder Abriß. Die Abstimmung fällt mit 8:4:2 Stimmen knapp für die Erhaltung und Instandsetzung der Turmruine aus.
Eiermann äußert sich auch dazu: “Ich bleibe bei dem Entschluß. Der alte
Turm ist jetzt für mich ein Bestandteil der ganzen Anlage”. So ändert sich die
Meinung des Architekten und er kann später einmal sagen: “Ohne den
alten Turm könnten die neuen Bauten meiner Konzeption in Brasilia oder Caracas oder überall dort sein, wo Städte aus dem Nichts entstanden sind. Mit
dem alten Turm können sie nur in Berlin stehen.”
Oktober
1959
Nun macht man sich auch wieder Gedanken um die spätere Verwendung der Gedächtnishalle. Eiermann denkt an eine Nutzung als Sakristei, Chorraum oder Gedächtnisstätte. Das Kuratorium erwägt ebenfalls eine Nutzung als Gedächtnishalle für die Toten der Weltkriege und
als eine Stelle für Kranzniederlegungen. Auf jeden Fall soll die Halle im
jetzigen Zustand - nur Ausbesserung der größten Schäden - und unvergittert bleiben, frei zugänglich für die Öffentlichkeit.
So schreibt Pfarrer Pohl:
“....Unsere Pläne sehen keinen Ausbau und keine Umgestaltung der
Gedächtnishalle im alten Turm vor. Der Turm soll bewußt Ruinengestalt behalten und weder er noch die sogenannte Gedächtnishalle haben eine be- stimmte Funktion.
Der Turm unten ist als Durchgangsmöglichkeit gedacht. Wo früher die Türen
waren, werden jetzt die provisorisch zugemauerten Öffnungen wieder ausgebrochen.
Die Halle unten ist inzwischen gesichert und von allen Gefahrenstellen befreit.
Dabei war es notwendig, die vorhandenen Risse in den Mosaiken zu verbreitern und sie mit einer Spezialmasse wieder zu füllen. Eine Wiederherstellung
der beschädigten Mosaiken würde nach unseren Schätzungen bei weitem unsere für den alten Turm bestimmten Mittel überschreiten.”
19
Die von Schaper geschaffene Christusfigur vom Altar der alten Kirche,
soll geringfügig ausgebessert, jedoch mit den bei der Zerstörung entstandenen Schäden in der Halle aufgestellt werden.
März 1960
Der Senat will Reste des großen Kranzes aus dem Ehrenmal Unter den
Linden, auf die der Magistrat in Ost-Berlin keinen Wert legt, bis zur
Wiedervereinigung in treuhänderische Obhut für die Gedächtnishalle
20
zur Verfügung stellen. Da sie für die Halle jedoch zu groß sind, lehnt
das Kuratorium ab.
05.04.1960 Pfarrer Pohl berichtet dem Kuratorium, daß der Prälat Hermann Kunst
zusammen mit einem westdeutschen Freundeskreis die gesamten Kosten der Instandsetzung der Turmruine und der Gedächtnishalle in Höhe
von 430.000 DM übernehmen wird.
Von der Gedächtnishalle zur Gedenkhalle
Das Schicksal einer Ruhmeshalle
17.12.1961 Die von Professor Eiermann entwickelte neue Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirche wird feierlich eingeweiht.
Damit ist das Kirchengelände, abgesehen von den Baustellen des Foyers und der Kapelle für die Öffentlichkeit wieder zugänglich, also auch
der Zugang in die Gedächtnishalle.
Aber was empfinden und denken die Besucher, wenn sie vor den
beschädigten Marmorreliefs mit Darstellungen aus dem Leben Kaiser
Wilhelm I. stehen oder die noch erhaltenen Mosaikdarstellungen der
Mitglieder des preußischen Königshauses betrachten? Haben die Betrachter überhaupt noch eine Ahnung, zu wessen Gedächtnis diese
Bilder geschaffen wurden, zumal von der Kirche nichts mehr außer der
Turmruine steht? Offensichtlich gibt es wohl wenig Beziehung zu dieser
vergangen Zeit, zumal ja die Siegermächte nachdrücklich darauf hinweisen, wie schlecht und verbrecherisch deutsche Geschichte seit
Jahrhunderten war!
Welches Bild bietet die Gedächtnishalle zu dieser Zeit? Professor Eiermann hat den Trümmerschutt aus der Halle entfernen und den Fußboden mit kleinen weißen Kieselsteinen auslegen lassen, zwischen denen
sich Trittplatten zum Begehen der Gedächtnishalle befinden. Aber was
wird schon in kurzer Zeit aus diesem Raum, der einst, zum ehrenden
Andenken an Kaiser Wilhelm I., als Ruhmeshalle kunstvoll für mehr als
100.000 Goldmark in fleißiger Arbeit von Künstlern und
Kunsthandwerkern geschaffen wurde!
Mit einer der Gründe, daß der Ev. Kirchenbau-Verein Berlin im Jahre
1903 beschloß, eine selbständige Stiftung zu gründen, die Stiftung
“Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche”, und ihr die 1895 eingeweihte Kirche
als Eigentum zu überschreiben, war die Befürchtung, daß die dem Andenken an Kaiser Wilhelm I. gewidmete Kirche künftig durch mögliche
politische oder mancherlei liberale Strömungen in ihrem Ansehen und
ihrer Bedeutung geschmälert werden könnte, wenn sie sich im Besitz
der Kirchengemeinde befinde. So liegt nach wie vor die Verantwortung
für das Kirchengrundstück mit allen Gebäuden beim Kuratorium dieser
Stiftung. Wie nimmt sie diese Verantwortung wahr?
22.03.1963 Das Kuratorium beschäftigt sich mit der Frage, was mit der Christusfigur
vom Altar der alten Kirche geschehen soll. Sie ist mit roter Farbe
beschmiert worden. Von 1953 bis zur Enttrümmerung der Ruine war
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diese baupolizeilich durch Drähte abgesperrt, die von mit roter Farbe
markierten Pfählen gehalten wurden. Anscheinend gab es in der Ruine
noch Reste dieser Farbe, die für die Beschmierung dienten. Doch
mehrheitlich lehnen die Mitglieder des Kuratoriums eine Reinigung ab.
06.02.1964 Nach vielen Protesten aus der Bevölkerung beschließt das Kuratorium
mit knapper Mehrheit nun doch die Reinigung der Christusfigur.
In zunehmenden Maße verkommt die Gedächtnishalle. Sie wird zur
Übernachtungsstätte für Obdachlose und Aufenthaltsraum für Demonstranten, sie dient nicht nur der sich ausbreitenden Klientel auf dem
Breitscheidplatz als Abort, sondern auch den Touristen, Liebespärchen
bevölkern sie zur vorgerückten Stunde und die Wandreliefs werden mit
dummen Sprüchen beschmiert.
30.12.1968 Das Kuratorium muß zur Kenntnis nehmen, daß die Christusstatue von
einem Studenten umgestürzt und dabei beschädigt worden ist. Es wird
jedoch beschlossen, sie in diesem Zustand liegen zu lassen.
16.09.1969 Obwohl die Verschmutzung und der Mißbrauch der Gedächtnishalle
weiter zunehmen, wird in einer Sitzung des Kuratoriums die Frage nach
einer Vergitterung der Zugänge mehrheitlich abgelehnt.
03.06.1970 Das Kuratorium beschließt, die nördliche Apsis der Gedächtnishalle zu
vergittern, um den Zugang zu den noch vorhandenen Treppen, die
früher zur Orgelempore führten, zu sperren und damit ihr Beklettern zu
verhindern.
14.04.1971 Trotz heftiger Klagen aus der Bevölkerung über die Verhältnisse in der
Gedächtnishalle, lehnen die Kuratoriumsmitglieder die Vergitterung der
Zugänge ab.
13.09.1973 Erneut werden heftige Diskussionen in der Sitzung des Kuratoriums
über den Zustand in der Gedächtnishalle geführt. Nun wird endlich
wirksam gehandelt: Es wird beschlossen, die Christusfigur reinigen, an
den kleinen Schäden ausbessern und wieder aufstellen zu lassen. Und
zwar soll sie nun ihren Platz hinter dem Gitter in der nördlichen Apsis
finden. Die beschmierten Reliefs sollen durch Sandstrahl gesäubert
werden und der Fußboden statt der Kiesel nun Platten erhalten. Die
Kiesel dienten als Wurfgeschosse, mit denen auf die Christusfigur geworfen wurde.
Zum Wiederaufstellen der Christusfigur gibt Eiermann eine ihn in seinen
Ansichten kennzeichnende Stellungnahme ab:
“Noch ein Wort zu dem umgeworfenen Christus: Ich habe ja immer gesagt,
daß die Säuberung an der sowieso schon im Ausdruck sterilen Figur sie
wieder zu der Wertlosigkeit herunterstempelt, die sie vom künstlerischen
Standpunkt her gesehen immer hatte. Nur durch die rote Farbe, ganz egal von
welcher Hand - schließlich ist es gleichgültig, ob es Russen oder Einheimische
waren -, wurde sie legitimiert. Aber niemand hat das begreifen und einsehen
wollen. Es muß ja alles immer schön sein wie bei Mütterchen zart und bei
kleinen Kindern. Seien Sie sicher, den verschmutzten Christus hätte niemand
22
umgeworfen. Jetzt könnte der zweite Fehler passieren, daß Sie die Figur nun
wieder aufrichten, vielleicht sogar noch reparieren und so tun, als ob nichts
gewesen wäre. Das geht nicht. Lassen Sie ihn liegen, wie er liegt; aber machen wir eine Grabplatte darunter wie für die begrabenen Könige in den
Kirchen, aus vergoldetem Beton von mir aus, und darauf legen wir die umgestürzte Figur so, wie sie jetzt liegt. Wer glaubt, daß er die gottlosen Handlungen in dieser Zeit damit aus der Welt schafft, daß er alles wieder schön
sauber hinstellt wie es vorher war, der irrt sich.”
1974
Endlich werden alle Eingänge zur Gedächtnishalle vergittert, der
Fußboden ist frei von Belägen, so daß die schönen Mosaikarbeiten
sichtbar bleiben und man kann nur noch von außen hineinschauen.
Endlich hat das Kuratorium seine ihm übertragene Verantwortung
wahrgenommen. Was die Zerstörungen überlebt hat, ist nun zunächst
vor mutwilliger Beschädigung gesichert. Doch was soll weiter mit diesem Raum geschehen?
Die Gedenkhalle
1981 - 1985 Dringend notwendig wird die Sanierung und Konservierung aller
Kirchengebäude und des Podestes. Dank einer bundesweiten Spendenaktion durch Axel Springer, der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Carstens, mühseliger Einzelaktionen und natürlich endloser Verhandlungen und Kontaktaufnahmen können die erforderlichen Mittel
dafür aufgebracht werden. Insgesamt entstehen Kosten in Höhe von
7.284.927 DM, die wie folgt gedeckt werden:
1. Bauabschnitt (März 1981 bis Januar 1982)
Sanierung und Konservierung der Betonwaben
an den Kirchengebäuden
2. Bauabschnitt (September 1981 bis Mai 1982)
Erneuerung des Podestes und der Treppe zur
Turmruine
3. Bauabschnitt (März 1983 bis Januar 1985)
Sanierung und Konservierung der Turmruine
Summe
Deckung der Baukosten:
Land Berlin
Bezirksamt Charlottenburg
Bundesrepublik Deutschland
Lottomittel
Landeskirche (einschl. Darlehen)
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde
Spenden, Kollekten, Aktionen
Summe
1.824.227 DM
1.021.665 DM
4.284.927 DM
7.284.927 DM
2.400.000 DM
50.000 DM
15.000 DM
1.700.000 DM
404.363 DM
700.305 DM
2.015.259
DM
7.284.927 DM
Unter anderem gelingt es dem Schatzmeister des Kuratoriums nach
längeren Verhandlungen 1981 vom Bezirksamt Charlottenburg einen
Zuschuß von 50.000 DM zu den Baukosten zu erhalten. Allerdings sind
damit zwei Auflagen verbunden: 1. Der Zuschuß muß für die Treppenanlage der Turmruine verwendet werden und 2. Es ist ein gesicherter Durchgang für das Publikum durch die Gedächtnishalle zu
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schaffen. Letzteres zu ermöglichen scheint zwar kaum vorstellbar, führt
aber zwangsläufig zum Nachdenken, denn der Zuschuß wird unbedingt
gebraucht.
04.05.1984 Kurz bevor die Sanierung der Turmruine abgeschlossen ist, erfährt der
Schatzmeister, daß im Blick auf die 750-Jahrfeier Berlins eine Liste von
mit Zuschüssen zu fördernde Bauaufgaben an Stadtbaudenkmälern existiert. Umgehend legt er dem Senat Pläne zur Einrichtung einer
Gedenkhalle vor und bittet um finanzielle Hilfe.
12.09.1984 In Herrn Ehmann wird in der Dienststelle des Senators Bau/Wohn ein
interessierter Ansprechpartner gefunden, an ihn ergeht der nochmalige
Antrag:
Kuratorium der Stiftung
„Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche"
D - 1000 Berlin 30, den 4.5.1984
Lietzenburger Straße 39
Geschäftsführung:
Pfarrer Horst Gunter
Telefon: 21154 44 Li/Ha
Herrn Senator
Elmar Pieroth
Citybeauftragter
Martin-Luther-Str. 205
1000 Berlin 62
Herrn
Dr. Ulrich Eckhardt
Berliner Festspiele GmbH
Budapester Str. 48/50
1000 Berlin 30
Betreff: Vorschlag zur verstärkten Sinngebung des Wahrzeichens von Westberlin (alter Turm der Gedächtniskirche) im Rahmen der 750-Jahrfeier und als
Beitrag zur Attraktivitätsgestaltung der City
Die Sanierungsarbeiten an einem der bekanntesten Wahrzeichen Berlins,
dem Turm der ersten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, schreiten gut voran;
der zweite Bauabschnitt steht kurz vor seinem Abschluß. Wir hoffen, im
Herbst 1984 die Arbeiten beenden zu können.
Für die Sanierung dieses Wahrzeichens und Mahnmals sind Kosten in Höhe
von über 4 Mio. DM entstanden. Wir sind der Meinung, daß ein so hoher Betrag nur zu rechtfertigen ist, wenn der alte Turm künftig in weitaus größerem
Maße als bisher publikumsintensiver genutzt werden kann. Voraussetzung
dafür ist eine ausgeprägtere Sinngebung der Ruine als Mahnmal.
Zur 750-Jahrfeier Berlins sind schon mancherlei Projekte vorgesehen. Wir
meinen, daß nach der gelungenen Umgestaltung des Breitscheidplatzes die
Einrichtung des alten Turmes zu einem auch für kommende Generationen
wirksamen Mahnmal an diesem hervorragenden Platz unserer Stadt im Vordergrund aller Planung stehen sollte.
Das Kuratorium hat sich mit diesem Problem beschäftigt und erlaubt sich, folgende Vorschläge zu unterbreiten:
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1. Die Stiftung hat sich verpflichtet, nach Beendigung der Sanierungsarbeiten
einen vergitterten Durchgang durch die frühere Ehrenhalle (Vorraum der alten
Kirche) zu schaffen; Mittel dafür sind in den veranschlagten Baukosten enthalten. Einen Durchgang dieser Art halten wir angesichts eines so bedeutenden
Wahrzeichens für unwürdig und auch für wenig sinnvoll. Dagegen könnte hier
nach Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen ein in seiner Gesamtheit
zu betretender Raum geschaffen werden, in dem
a) in einer ständigen Fotoausstellung das Aussehen des jetzigen Breitscheidplatzes und seiner Umgebung um 1900, nach den Zerstörungen 1945 und
nach seinem späteren Wiederaufbau gezeigt wird,
b) in aufzustellenden Vitrinen wechselnde Ausstellungen zu den verschiedensten Themen gestaltet werden können,
c) ein noch würdig zu gestaltender Platz für Kranzniederlegungen (z. B. durch
ausländische Gäste oder Delegationen) eingerichtet wird,
d) durch Installation einer geeigneten Beleuchtungsanlage die Schönheit der
noch vorhandenen Mosaiken und Reliefs den Besuchern vorgeführt werden
kann.
2. Einen wenig erfreulichen Anblick bietet die Turmruine dem Betrachter
der dem neuen Brunnen zugewandten Seite. Hier ist durch Kriegseinwirkungen das ordinäre Ziegelsteinmauerwerk freigelegt worden. Neben dem an dieser Stelle gelegenen früheren Haupteingang zur Kirche befanden sich rechts
und links sehr schöne, von Professor Seliger gestaltete Mosaiken, von denen
das Kuratorium noch deutliche Fotos, allerdings in schwarz-weiß, besitzt. Wir
schlagen vor, durch Neuschaffung der Mosaiken den Turm erheblich interessanter zu gestalten und an dieser Stelle zu verschönen.
3. Um den Breitscheidplatz für auswärtige Besucher noch interessanter zu
machen, schlagen wir vor, an der Stelle zwischen neuen Glockenturm und der
Kapelle oder an anderer Stelle einen größeren Schaukasten aufzustellen, in
dem auf drei Etagen das Modell des Platzes und seiner Umgebung etwa um
1905, 1945 und 1985 ausgestellt werden könnte.
4. So gut die Anstrahlung des alten Turmes nach dem Umbau gelungen ist, so
wenig befriedigend ist die Beleuchtung des Breitscheidplatzes im Bereich des
Kirchenpodestes geworden. Nach wie vor ist hier an der Nahtstelle zwischen
Kurfürstendamm und Tauentzienstraße in den Abend- und Nachtstunden ein
sehr dunkler Platz geblieben, der das Promenieren unterbricht und das
Herumlungern begünstigt. Wir wären dankbar, wenn durch Aufstellen geeigneter Leuchten diesem Mißstand abgeholfen werden könnte.
Wenngleich wir die Realisierung unserer Vorschläge für außerordentlich wichtig halten, so müssen wir doch zugleich in aller Deutlichkeit feststellen, daß
weder die Stiftung noch die Kirchengemeinde Mittel dafür zur Verfügung haben, vielmehr mit ihren finanziellen Möglichkeiten am Ende sind. Daß sich die
Kirchengemeinde mit 600.000 DM für die Sanierung eines von ihr in keiner
Weise genutzten, andererseits als Wahrzeichen für die Stadt Berlin so wichtigen Bauwerks belastet hat, rief großen Unmut und herbe Kritik bei vielen Gemeindegliedern hervor, da nun der von der Kirchengemeinde u.a. erwartete
Dienst an hilflosen, kranken, alten und sozial schwachen Menschen stark beeinträchtigt wird (jährliche Schuldenlast 50.000 DM).
Wenn wir trotzdem unseren Architekten gebeten haben, eine vorläufige Kostenzusammenstellung zu fertigen, dann in der Hoffnung, daß unsere Vorschläge zur Aufwertung eines so markanten Platzes, die wir aus einer uns
wohl bewußten Verantwortung für unsere Stadt und ihre Besucher uns vorzutragen erlauben, auch das wohlwollende Verständnis bei den Dienststellen des
Landes Berlin finden werden.
Wir bitten, dieses Projekt in die Liste der zur fördernden Maßnahmen zur 750Jahrfeier aufzunehmen. Selbstverständlich sind wir jederzeit zu weiteren In-
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formationen oder örtlichen Besichtigungen bereit und erbitten dann Ihren Anruf unter 211 54 44.
Eine Zusammenstellung der zu erwartenden Kosten und verschiedene Angebote fügen wir als Anlage bei.
Mit freundlichen Grüßen”
Darauf findet eine Begehung der Gedächtnishalle mit Herrn Ehmann
statt, bei der ihm die geplanten Maßnahmen vor Ort erläutert werden.
Gleichzeitig wird die Bitte vorgetragen, ein schon beim Senat vorhandenes Modell des Breitscheidplatzes um 1985 für die Gedenkhalle - so
soll die Gedächtnishalle künftig heißen - kostenlos zu überlassen und
ein Modell des Auguste-Viktoria-Platzes um 1900 in den Werkstätten
des Senats anzufertigen und es für den selben Zweck dem Kuratorium
zu schenken.
Die vorgesehenen Maßnahmen werden zunächst auf rd. 400.000 DM
veranschlagt. Mit den Kostenanschlägen wird Herrn Ehmann der Antrag
auf Zuschuß in Höhe von 300.000 DM aus Landesmitteln übergeben.
15.04.1985 In einer Kuratoriumssitzung erläutern Pfarrer Gunter, Pfarrer Soppa und
Schatzmeister Limpach die erarbeitete und geplante Gestaltung der
Gedächtnishalle und den Stand der Vorbereitungen. Darauf beschließt
das Kuratorium die mit dem Senat abgesprochenen Maßnahmen zur
Umwandlung der Gedächtnishalle in eine Gedenk- und Mahnstätte.
23.05.1985 Der Senator Bau/Wohn schickt den Bewilligungsbescheid über 300.000
DM.
September
1985
Beginn der Vorarbeiten und Gespräche mit Herrn Dehne beim Senator
Bau/Wohn zur Anfertigung des Modells Auguste-Viktoria-Platz 1910.
Der Modellbauwerkstatt liegt sehr viel daran, ein maßstabgerechtes
Modell nicht nur der Kirche, sondern auch der umliegenden damaligen
Gebäude herzustellen. Die Beschaffung der nötigen Unterlagen über
die frühere Bebauung zieht sich über Monate hin, ehe mit der Arbeit
begonnen werden kann. Man möchte genau arbeiten, um Monita aus
der Bevölkerung zu vermeiden. Einige Zeit später wird Gemeindevertretern die Möglichkeit zur Besichtigung der Arbeiten gegeben.
22.04.1986 Der Schatzmeister richtet an den Senat die Bitte (wobei die Unterschrift
des 1. Vorsitzenden des Kuratoriums, Louis Ferdinand Prinz von
Preußen außerordentlich hilfreich ist), die entstehenden Wirtschaftskosten der Gedenkhalle mit finanzieren zu helfen.
Es war schon abzusehen, daß die veranschlagten Kosten in Höhe von
400.000 DM nicht ausreichen werden. So fehlen zu der Zeit 185.000
DM.
28.04.1986 Das Land Berlin wird um die Gewährung eines weiteren Zuschusses in
Höhe von 185.000 DM gebeten. Auch die Landeskirche wird um finanzielle Hilfe gebeten.
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Inzwischen gehen die Arbeiten gut voran. Das Amt für Denkmalspflege
hat darauf gedrungen, die Kriegsschäden an den Mosaiken, den Reliefs
und dem Mauerwerk sichtbar zu erhalten und nur Sanierungsarbeiten
durchzuführen. Die Öffnungen der Gedenkhalle sind endlich verglast
worden, eine Heizungs- und Beleuchtungsanlage installiert.
24.10.1986 Der Bausenator teilt mit, daß weitere 100.000 DM zusätzlich bewilligt
worden sind, mehr sei nicht möglich.
4/5.11.1986 Bei einem Besuch auf der Burg Hohenzollern (Hechingen) werden von
Prinz Louis Ferdinand einige Stücke aus seinem Besitz ausgesucht, die
ihren Platz als Dauerleihgabe in der Gedenkhalle finden sollen:
Büste Wilhelm I.
schwarzer Adlerorden
roter Adlerorden
Jubiläumsabzeichen zur Silberhochzeit des Kaiserpaares 1906
Eine Büste der Kaiserin Auguste Viktoria schenkt der Prinz dem Kuratorium.
Die Sorgen um die Finanzierung der Mehrkosten von 85.000 DM werden schneller und besser behoben, als zu erwarten war. Nachdem der
Schatzmeister erneut Herrn Ehmann um Übernahme dieses Betrages
gebeten hatte, gehen um die Jahreswende 1986/1987 nicht nur diese
Zuwendung des Bausenators ein, sondern weitere 50.000 DM von der
Landeskirche. Weiter kommt von Herrn von Pufendorf die Nachricht,
daß das Land Berlin bereit sei, sich mit jährlich 20.000 DM an den
Wirtschaftskosten der Gedenkhalle zu beteiligen. Das gibt alles ein
wenig Sicherheit, denn nun stehen ja noch die Kosten der geplanten
Ausstellung an, einschließlich der Vitrinen und eines Verkaufstisches für
die Souvenirs. Auch die Ausgaben für den Einbau der Gitter, die aus
den zu verglasenden Öffnungen entfernt waren und nun vor den Eingang vorgesetzt werden sollen.
Insgesamt entstehen folgende Kosten:
1. Bauliche Instandsetzung und Umgestaltung
2. Kosten der Ausstellung
Summe
657.907 DM
80.000 DM
737.907 DM
Gedeckt werden diese Kosten wie folgt:
1. Land Berlin
2. Landeskirche
3. Kuratorium und Kirchengemeinde
4. Spenden
Summe
485.000 DM
50.000 DM
130.000 DM
72.907 DM
737.907 DM
Der Wert der beiden vom Bausenator geschenkten Modelle beträgt
180.000 DM.
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Dank der großzügigen Hilfe des Landes Berlin kann so statt des seinerzeit geforderten Durchgangs nun eine der Würde der ursprünglichen
Gedächtnishalle entsprechende Gedenkhalle als Erinnerungs-, Mahnund Versöhnungsstätte hergerichtet werden, für jedermann zugänglich,
um die wiederhergestellte Schönheit betrachten zu können.
07.01.1987 Nach einem Gottesdienst um 19 Uhr und der Übergabe des
Friedenskreuzes von Coventry (England) durch den Canon (Domkapitular) Paul Oestreicher an Bischof Dr. Kruse wird die Gedenkhalle feierlich eröffnet. Anschließend findet ein festlicher Empfang für geladene
Gäste im Gemeindehaus statt.
Die Ausstellung
Bei der Schaffung einer den Ansprüchen gerecht werdenden Gedenkhalle stellt sich Professor Ernst Wendorff von der Hochschule der Künste hilfreich zur Verfügung. Er erstellt die Konzeption, besorgt mit Hilfe
des Schatzmeisters Schriften, Fotos, Bilder aus den Archiven und
gestaltet den Inhalt der Vitrinen. Einige wertvolle Abendmahlsgeräte
aus der alten Kirche (die offenbar seinerzeit in der Küsterei aufbewahrt
und dort vor der Vernichtung bewahrt blieben) und andere interessante
Stücke aus dem Gemeindearchiv können nun gezeigt werden. Hinzu
kommen die schon erwähnten Leihgaben des Prinzen Louis Ferdinand
sowie als Leihgabe der Deutschen Bank 6 Münzen aus der Kaiserzeit
und von der Staatlichen Porzellanmanufaktur (KPM) ein gerahmtes
Porzellanmedaillon der Königin Luise. Das Land Berlin übergibt im
Januar 1987 aus einem Fundus Stücke aus der Ruine der alten Kirche,
u. a. Fragmente von Bronzeleuchtern und -lampen, auch von Türbeschlägen. Die beiden geschenkten Modelle des Kirchplatzes können
nun zur Schau gestellt werden. Das Modell des Auguste-ViktoriaPlatzes wird in einem kleinen Festakt am 2. November 1987 der Öffentlichkeit übergeben. Zu den geladenen Gästen zählen auch die Mitarbeiter des Bausenators, die mit der Planung und Ausführung des
Modells beschäftigt waren.
Nach diesen Stücken der Erinnerung an die alte Kirche seien nun die
aufgezählt, die für den Gedanken der Versöhnung und des Friedens
stehen.
Das Nagelkreuz
In besonderer Weise setzt sich Pfarrer Soppa für die Aufnahme der
Verbindung zur Friedensbewegung in Coventry ein und bemüht sich mit
Erfolg um das dortige “Nagelkreuz”.
Nach der Zerstörung der Kathedrale von Coventry durch deutsche
Bomber im November 1940 läßt der damalige Dompropst Richard
Howard an der Ruine eine Tafel anbringen, auf der sinngemäß steht,
diese Kathedrale sei zur Ehre Gottes zerstört. Den verblüfften Zeitgenossen erklärt er dazu, diese Zerstörung zeige, wohin die Gottlosigkeit führe. Als Symbol der Kreuzigung des Menschen errichtet er an der
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Stelle, wo der Altar gestanden hatte, ein Kreuz aus verkohlten Dachsparren des Gotteshauses. Dazu verfaßt er ein Gebet, das sogenannte
Versöhnungsgebet von Coventry. Noch während des Krieges läßt er
drei von den einst durch Mönche geschmiedeten großen Nägeln aus
dem verkohlten Dachgebälk herausziehen, zu einem Kreuz zusammenschweißen und galvanisch versilbern. Eine Nachbildung dieses Kreuzes
gibt er in verschiedene Gemeinden seiner Diözese mit der Bemerkung:
“Christen wüßten nicht nur von der Kreuzigung, sondern auch von der
Auferstehung.” Heute steht das Originalkreuz auf dem Altar des
Neubaus der Kathedrale. Später werden Nachbildungen dieses
Kreuzes als Symbol der Versöhnung und des Friedens an andere
Brennpunkte des Weltgeschehens verliehen, so auch der KaiserWilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde als 26. Empfängerin. Und so,
wie an jedem Freitag vor dem Original des Nagelkreuzes das Friedensgebet gesprochen wird, geschieht dasselbe an all den Stätten, die
dieses Kreuz erhalten haben, um 13 Uhr auch in der Gedenkhalle.
Ehe am 7. Januar 1987 das Nagelkreuz nach dem Gottesdienst zur
Eröffnung der Gedenkhalle von Paul Oestreicher an Bischof Dr. Kruse
übergeben wird, gibt es noch einige Aufregung: Als Paul Oestreicher
vom Flughafen her in seinem Hotel ankommt und seinen Koffer öffnet,
um das Kreuz zu entnehmen, stellt er zu seinem Schrecken fest, daß er
auf dem Flughafen offensichtlich seinen Koffer vertauscht hat, denn er
findet nur Damenwäsche vor! In einer Blitzaktion gelingt es Pfarrer
Soppa, den richtigen Koffer ausfindig zu machen und so die Übergabe
des Kreuzes im Abendgottesdienst zu ermöglichen.
Das russisch-orthodoxe Ikonenkreuz
Ein Ikonenkreuz steht als Zeichen der Versöhnung mit dem russischen
Volk. In der Osternachtfeier 1988 wird es von Erzbischof German an
Bischof Dr. Kruse überreicht. Es trägt die Inschrift: “Dieses
Gedenkkreuz wird an Herrn Bischof Dr. Martin Kruse.....zur Erinnerung
an die von unseren Kirchen und Völkern während des Zweiten
Weltkrieges getragene Opfer des Nazismus und als Zeichen des Friedens auf Erden bei den Menschen des Wohlgefallens übergeben.”
Die Christusfigur
Die von Professor Schaper einst für die den Altar der alten Kirche
geschaffene Christusfigur steht nun als Symbol für den Frieden mitten
zwischen dem russischen und dem englischen Kreuz.
Der Prunkschlüssel
Bei dem in der Gedenkhalle als Leihgabe ausgestellten Prunkschlüssel
handelt es sich um den Schlüssel, der am 1. September 1895 Kaiser
Wilhelm II. bei der Einweihung der Kirche übergeben wurde und von
dessen Existenz nichts bekannt war. Der Schatzmeister entdeckt ihn
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plötzlich bei einer Ausstellung in Berlin als Leihgabe aus Doorn, wo der
Kaiser im Exil lebte. Sofort sieht er es als seine dringende Aufgabe an,
diesen Schlüssel an den Ort seines Ursprungs zurück zu holen. Mit folgendem Brief wendet er sich an die Königin der Niederlande:
Ihrer Majestät
der Königin B e a t r i x
NL - 's-Gravenhage
Kon. Paleis
Majestät,
erlauben Sie mir, Ihnen in meiner Eigenschaft als Rendant (Schatzmeister)
der Stiftung "Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche", die Eigentümerin der weltbekannten Kirche ist, das Folgende vortragen zu dürfen:
In der Akademie der Künste in Berlin wurde im Jahre 1984 eine Ausstellung
"Berlin um 1900" gezeigt. Auf dieser Ausstellung entdeckte ich in einer Vitrine
als Leihgabe aus dem Huis Doorn den Prunkschlüssel, der Kaiser Wilhelm II.
am 1. September 1895 bei der Einweihung der Kaiser-Wilhelm-GedächtnisKirche überreicht wurde. Den uns nur aus den Akten her bekannten Schlüssel
glaubten wir längst verloren.
Während meines Urlaubs im vergangenen Jahr nutzte ich die Gelegenheit zu
einem Besuch im Huis Doorn und bat, mir den Schlüssel zu zeigen, um ihn
fotografieren zu können. Dabei wurde deutlich, daß er sich nicht unter den
Ausstellungsstücken befindet, sondern in einem Schrank aufbewahrt wird.
Das Kuratorium der Stiftung, dessen Mitglied ich bin, baut zur Zeit die in der
Ruine des alten Glockenturmes (die Kirche wurde im Jahre 1943 durch Bomben zerstört) noch erhaltene und mit sehenswerten Mosaiken geschmückte
frühere Vorhalle der Kirche zu einer Mahn-, Versöhnungs- und Erinnerungsstätte aus. Näheres dazu bitte ich, aus der beigefügten Konzeption zu
entnehmen.
Als ich dem Kuratorium von der Existenz des Prunkschlüssels berichten konnte, wurde allgemein der Wunsch laut, ihn in die geplante Ausstellungskonzeption einzubeziehen. Die Herausgabe des Schlüssels aus dem Besitz des
niederländischen Staates für diesen Zweck könnte deutlich als ein sichtbarer
Ausdruck des Versöhnungswillens des niederländischen Volkes mit dem
deutschen Volke dargestellt werden.
Das Kuratorium hat mich beauftragt, Ihnen, Majestät, dieses Anliegen zu
schildern und Sie zu bitten, den Schlüssel - eines der wenigen noch vorhandenen Stücke der zerstörten Kirche - als Dauerleihgabe oder als Geschenk für
den genannten Zweck nach Berlin zu geben. Es wäre denkbar, die Übergabe
des Schlüssels in einem feierlichen Akt öffentlich vorzunehmen.
In Huis Doorn ist der Prunkschlüssel meines Erachtens nur von geringer Bedeutung. Hier, an dieser Stätte in Berlin (West), die - wie auch unsere Kirche jährlich von weit mehr als einer Million Menschen besucht werden wird, käme
ihm eine außergewöhnliche Beachtung zu.
Wir würden uns glücklich schätzen - und ich schreibe das im Namen aller
Kuratoriumsmitglieder und der Mitglieder des Gemeindekirchenrates - wenn
Sie, Majestät, eine für uns positive Entscheidung fällen könnten.
Mit dem Ausdruck meiner Ehrerbietung und mit freundlichen Grüßen
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Dieses Schreiben wird wohlwollend zur Kenntnis genommen und an die
Stiftung “Huis Doorn” weitergeleitet. Von dort kommt zunächst ein
ablehnender Bescheid. Doch nach zähem Bemühen gibt die Verwaltung der Stiftung nach und im April 1987 trifft der Schlüssel in Berlin
ein.Vorgesehen ist der Leihvertrag nur für ein Jahr, aber nachdem der
Schatzmeister einer Vertreterin der Stiftung während ihres Besuches in
Berlin die Bedeutung und Wirkung der Leihgabe vor Ort demonstrieren
kann, wird der Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert und seitdem ist
er Teil der Ausstellung geworden.
Die Skulpturen an der Außenwand der Gedenkhalle
An der Außenwand der Gedenkhalle stehen vier Sandsteinskulpturen,
die 1988 von Stefan Kaehne als Sieger eines vom Land Berlin ausgeschriebenen Wettbewerbs „Kunst im Stadtraum“ geschaffen wurden.
Sie symbolisieren einerseits Streit, Aggression und Gewalt, andererseits sichtbare Gesten der Versöhnung.
Seit der Einweihung der Gedenkhalle finden dort auch neben der Dauerausstellung andere Ausstellungen, Kammerkonzerte, weitere musikalische Darbietungen und Vorträge statt.
Zur Zeit wird mit Hilfe des Graphikers und Designers Dieter Wendland
die Ausstellung ausgebessert, überarbeitet und teilweise neugestaltet.
Daß jährlich wohl eine Million Menschen diese einstige Stätte der Würdigung eines Kaisers und nun den Raum einer Mahn- und Versöhnungsstätte betreten würden, hätten die Erbauer damals und die Restaurateure später wohl kaum erwartet. Ihnen und allen Geldgebern gebührt der Dank dafür, daß wir diesen Ort besitzen und nutzen können.
Zusammengestellt von Gerhard Limpach, Juli 2006
(Quellen:
Protokollbuch des Gemeindekirchenrates,
Protokollbuch des Kuratoriums der Stiftung
Akten der Kirchengemeinde
Akten des Kuratoriums
Fotoarchiv der Kirchengemeinde
Freiherr Ernst von Mirbach: „Die Kaiser-Wilhelm-GedächtnisKirche“, 1897)