2. juli bis 6. november 2016 - Staatliche Museen zu Berlin

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2. juli bis 6. november 2016 - Staatliche Museen zu Berlin
das
kapital
schuld
territorium
2. juli bis
6. november utopie
2016
d i e
w e r k e
1
4
8
Peter Buggenhout The Blind Leading The Blind, #68
2015
Binelde Hyrcan Cambeck
2010
Johannes Linderman
Niederländische Goldmünzwaage
um 1755
Holz, Messing, Eisen, 140 × 132 cm
verschiedene Materialien (Holz, Eisen,
Pappe, Schaumstoff, Aluminium, Kunststoff,
Polyester und Hausstaub), 250 × 240 × 335 cm
Courtesy Galerie Konrad Fischer
Peter Buggenhouts Skulpturen sind sorgfältig konstruierte Assemblagen
aus verworfenem Material: Industrieschrott, Alltagsmüll, Bauschutt, überzogen von Staubschichten, die sich scheinbar seit Ewigkeiten angesammelt haben. Seine 2009 begonnene und inzwischen mehr als siebzig Arbeiten umfassende Serie The Blind Leading The Blind ist nach einem 1568 entstandenen Gemälde Pieter Bruegels d. Ä. benannt, das einen Zug von sechs
gebrechlichen älteren Blinden zeigt, von denen es im biblischen Gleichnis
heißt: »Lasset sie fahren! Sie sind blinde Blindenleiter. Wenn aber ein Blinder den anderen leitet, so fallen sie beide in die Grube.«
2
Eretmochelys imbricata (Echte Karettschildkröte)
o. J., Schenkung an das Museum 2009
Video, Farbe, Ton, 2:36 Min.
Andy Warhol Big Electric Chair
1967/68
Abschrift von unbekannter Hand mit
eigenhändigen Korrekturen Chamissos,
Handschrift, Fadenheftung, gebunden
in grünes Papier, 21,3 × 18 cm
Die Erfindung der Waage fällt mit der Entwicklung des Handels in der Alten Welt zusammen. Sie wurde benötigt, um den Wert von Gütern festzustel- Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv.-Nr.: XV 53
len, die sich nicht einfach zählen ließen. Durch Platzierung des zu wiegenden Guts auf der einen und von Steingewichten auf der anderen Waagschale Peter Schlemihls wundersame Geschichte ist eine 1813 verfasste Novelle
wurde ein Gleichgewicht erreicht. Im Lauf des 18. Jahrhunderts entwickel- des exilierten französischen Adligen Adelbert von Chamisso. Ihr Protagote man transportable Hängewaagen, die in Metall- oder Holzbehälter pass- nist Peter Schlemihl trifft bei einem Fest einen namenlosen Mann in einem
ten. Sie dienten dem Wiegen von Münzen, da der Goldgehalt einer Münze grauen Rock und verkauft ihm schließlich seinen Schatten für ein Säckel
höher oder niedriger sein konnte als der darauf eingeprägte Wert.
Goldmünzen, das nie leer wird. Allerdings muss er bald erkennen, dass
ein Mann ohne Schatten von der Gesellschaft gemieden wird. Als ihm der
Teufel den Schatten im Tausch gegen seine Seele wiedergeben will, lehnt
Schlemihl ab und wirft den unerschöpflichen Geldbeutel weg.
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Kreuzigung
flämisch, um 1640
Courtesy of the Artist
Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett
So sehr Kinder aus reinem Vergnügen spielen, enthüllt ihr Spiel doch zugleich viele der fundamentalen Werte einer Gesellschaft. Binelde Hyrcan
drehte sein Video Cambeck in Luanda, Angola, wo er aufwuchs. Heute lebt
er in Frankreich. Das Video zeigt vier am Strand spielende Kinder in einem imaginären Auto aus Sand. Sie prahlen: »Mein Papa, der ist jetzt in
den USA . Der ist drüben ›im guten Leben‹! In ein paar Monaten bin ich
auch dort. Und du? Du bist dann im Slum!«
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Siebdruck auf Acryl auf Leinwand, 137 × 185 × 3 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
Öl auf Leinwand, 106 × 73 cm
Trockenpräparat, 28 × 69 × 94 cm
Museum für Naturkunde Berlin
Schildkröten gehören zu den ältesten Reptilienarten. Sie sind bekannt für
ihre lange Lebenserwartung, die jene des Menschen oft übertrifft. Aufgrund dieser Langlebigkeit, ihrer Langsamkeit und scheinbaren Gelassenheit wurden sie in vielen Kulturen zu einem beliebten Weisheitssymbol. Die
in den tropischen Gewässern des atlantischen, pazifischen und indischen
Ozeans beheimatete Karettschildkröte ist eine vom Aussterben bedrohte
Spezies, denn wie viele ihrer Artgenossen werden Karettschildkröten wegen ihres Fleisches und ihres prächtigen Panzers gejagt. Obwohl die Art
international unter Naturschutz steht, werden ihre Eier immer noch weltweit gegessen.
Der Siebdruck Big Electric Chair gehört zu Andy Warhols Death and Disaster-Serie. Die 1962 begonnene Werkreihe besteht aus Darstellungen von
Autounfällen, Selbstmorden und anderen Katastrophen nach deren Abbildung in Zeitungen. Big Electric Chair beruht auf einem Pressefoto der Todeskammer im New Yorker Gefängnis Sing Sing vom 13. Januar 1953. In
diesem Jahr wurden dort Julius und Ethel Rosenberg hingerichtet, weil
sie während des Zweiten Weltkriegs Informationen über die Atombombe an
die Sowjetunion weitergeleitet hatten. Wie bei seinen Gemälden der CocaCola-Flasche bildet Warhol mit dem elektrischen Stuhl ein Symbol der US amerikanischen Gesellschaft ab.
Carl Schulz (?) Adam und Eva (verso: Fensterausblick bzw. Waschnische)
1825/62, Kopien nach dem Genter Altar, um 1432
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Lothar Baumgarten Kultur Natur
1971
Die Kreuzigung Christi bildet den Höhepunkt der Passionsgeschichte. Im
17. Jahrhundert war sie längst zu einem Standardartikel geworden, den die
meisten Künstler im Repertoire hatten. Das Bildnis des gekreuzigten Christus sollte die zentrale Lehre des christlichen Glaubens vermitteln: dass
der Kreuzestod Christi die Schuld der Erbsünde tilgt. Die meisten Kreuzigungsdarstellungen zeigen den Heiland am Kreuz zwischen den beiden
Schächern, die Seite von einem Speer durchbohrt, um seinen Tod sicherzustellen. Doch in dieser die Innerlichkeit betonenden Fassung der Szene
ist Christus ganz allein.
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Öl auf Mahagoniholz, 209 × 36,5 bzw. 37 cm
Peter Fischli und David Weiss
Der dunkle Trieb (Equilibre)
1985
Schwarz-Weiß-Fotografie, 30,4 × 40,4 cm
Auflage 3/3
Farbfotografie, 28 × 36 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marzona
Jan und Hubert van Eycks um 1432 entstandene Verehrung des Lammes
Gottes, besser bekannt als Genter Altar, gilt als einer der Höhepunkte der
nördlichen Renaissance. Das in der St.-Bavo-Kathedrale zu Gent befindliche Werk erzählt auf acht Tafeln die Geschichte des christlichen Glaubens. Im oberen Teil wird mit Adam und Eva die Idee der Erbsünde eingeführt, darunter werden Verehrung und Erlösung dargestellt: Propheten,
Apostel und Märtyrer versammeln sich mit anderen um das Lamm Gottes.
Eine scharlachrote Papageienfeder ersetzt ein fehlendes Holzstück in einem Parkettboden. Das Bild gehört zu Lothar Baumgartens Werkgruppe
Kultur Natur (1968–1972), die die strenge Trennung von Natur und Kultur
in der westlichen Gesellschaft untersucht. Was diese Arbeit betrifft, ließe
sich sagen, dass das primäre Medium, das der Künstler hier verwendet,
nicht die Fotografie, sondern die Skulptur ist. Die Gegenüberstellung von
Feder und Parkettboden lässt nämlich ein kurzzeitiges, eigenständiges Phänomen entstehen, eine ephemere Skulptur an der Schnittstelle von Natur
und Kultur, von der eine verführerische Magie und Verwandlungskraft 7
ausgeht.
Geldstein
Yap-Inseln/Karolinen, zur Sammlung Volkens 1901
Aragonit, 10 × 28,5 × 28,5 cm
2
Öl auf Leinwand, 94,8 × 116,3 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
Das Buch Genesis berichtet von Esau, der erschöpft und hungrig von der
Jagd zurückkehrt und seinem jüngeren Zwillingsbruder Jakob im Tausch
gegen ein Linsengericht sein — wie es heißt — verachtetes Erstgeburtsrecht
überlässt. Das Erstgeburtsrecht war nicht nur etwas Materielles — das
Erbe der Güter —, sondern auch etwas Spirituelles — ein Segen. Dem Erstgeborenen winkte das Versprechen, ein Stammvater vieler Nationen und
zum Segen für andere Völker zu werden sowie ein enges Verhältnis zu Gott
einzugehen. Doch Esau gab seinem momentanen Hunger nach. »Ihr Gott
ist ihr Bauch«, schreibt Paulus im Brief an die Philipper.
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Judas erhält die 30 Silberlinge
Frankreich (?), um 1500
Elfenbein, 18,1 × 8,6 × 3,8 cm
Der dunkle Trieb ist Teil der von Peter Fischli und David Weiss zwischen
1984 und 1986 geschaffenen Equilibrium Series. Die 82 Schwarz-Weiß- und
Farbfotografien zeigen Assemblagen aus Alltagsgegenständen. Der Titel
Der dunkle Trieb weckt sowohl Assoziationen des Aufschubs als auch der
Spannung. Die skulpturale Situation entspricht einem Ensemble von fein
austarierten Waagschalen. Die Ästhetik dieser Spannung wird vom Untertitel der Serie auf den Punkt gebracht: »Am schönsten ist das Gleichgewicht, kurz bevor’s zusammenbricht.«
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Armreliquiar des heiligen Bartholomäus
aus dem Welfenschatz
Niedersachsen (Braunschweig?),
Mitte des 14. Jahrhunderts
Silber, teilweise vergoldet, Steinbesatz, Holzkern,
53,8 × 12,2 × 9,5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum
Rai oder Steingeld ist ein Zahlungsmittel der zu Mikronesien gehörigen
Yap-Inseln. Die Durchmesser der Steinscheiben variieren von wenigen Zentimetern bis zu über vier Metern. Der Wert eines Rai-Steins beruht aber
nicht nur auf Größe und Gewicht, sondern auch auf seiner Material- und
Fertigungsqualität sowie seiner Geschichte. Ende des 19. Jahrhunderts
kurbelten deutsche Kolonialherren mithilfe des Steingelds die Produktion von Kopra (getrocknetem Kokosnussfleisch) an. Es gelang ihnen, einige Häuptlinge — und mit ihnen deren Dörfer — zu Schuldnern zu machen.
Die Schulden wurden in Form von Kopra zurückgezahlt.
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
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Hendrick ter Brugghen Esau verkauft sein Erstgeburtsrecht
Anfang des 17. Jahrhunderts
Privatbesitz Rheinland
2006 erworben aus Mitteln der Deutschen Klassenlotterie Berlin und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
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Adelbert von Chamisso Peter Schlemihls wundersame Geschichte
Kunersdorf 1813
Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Eigentum des
Kaiser Friedrich Museumsvereins
Im Neuen Testament wird erzählt, wie Judas, einer der zwölf Jünger Jesu, sich
mit den Hohepriestern einigt, Christus für dreißig Silberlinge zu verraten.
Dafür gibt er Jesus mit einem Kuss — dem »Judaskuss« — den Schergen
der Hohepriester zu erkennen, die ihn später Pontius Pilatus ausliefern. Im
Matthäusevangelium bringt der von Reue erfüllte Judas das Geld den Hohepriestern zurück und sagt: »Ich habe übel getan, dass ich unschuldig Blut
verraten habe.« Sie aber antworten: »Was geht uns das an? Da siehe du zu!«
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Jan Sanders van Hemessen
Die Goldwägerin
um 1530
Öl auf Eichenholz, 46,2 × 32,4 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
Dieses Armreliquiar stammt aus dem Welfenschatz, einer ursprünglich im
Braunschweiger Dom beheimateten Sammlung mittelalterlicher Sakralkunst. Reliquiare in Form der darin aufbewahrten Reliquie, wie etwa Armund Kopfreliquiare, tauchten erstmals im frühen 12. Jahrhundert auf. Die
heiligen Gebeine oder Organe konnten durch ein Fenster betrachtet werden. Körperreliquiare wurden auch in Prozessionen mitgeführt. Der zum
Segen erhobene Arm eines Heiligen zum Beispiel galt als wirksames Mittel, um Gläubige selbst aus der Ferne zu beeindrucken.
Der italianisierende flämische Maler Jan Sanders van Hemessen zeigte ein
starkes Interesse an Themen mit Bezug zum Finanzwesen. Er beschäftigte
sich gern mit menschlichen Schwächen wie Gier und Eitelkeit. Junge Frauen beim Goldwiegen waren in der niederländischen Malerei nichts Ungewöhnliches. Das Wiegen von Gold symbolisierte die Habgier, eine der sieben Todsünden, wogegen die Waage selbst auf Mäßigung und das Urteil
höherer Mächte deutete.
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Rihanna
Bitch Better Have My Money
2015
Marcel Broodthaers
Cahier »Museum – Art – Deutsches bundesbank«
1971
Manthia Diawara Édouard Glissant. One World in Relation
2010
Schreibheft und Briefumschlag mit
100-DM -Banknote, 20,5 × 14,5 cm
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Ezra Weston Loomis Pound
1913
Reproduktion, 30 × 20 cm
Tonaufnahme, 3:38 Min.
© 2015 Westbury Road Entertainment. Distributed by Roc Nation Records
Privatsammlung Berlin
In ihrem blutrünstigen Hit Bitch Better Have My Money erzählt Rihanna
davon, wie sie Millionen einfordert, um die sie ihr Buchhalter betrogen hat
— im wirklichen Leben. Entschlossen, sich ihr Geld durch brutale Gewalt
zurückzuholen, singt sie: »Pay me what you owe me, don’t act like you forgot«.
Am Ende des Videos zum Song badet sie in Blut und vor allem: in Geld.
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Jason Rhoades
Marble Box
2000
Marmor, 2 Teile, 46 × 123 × 71 cm
Auflage 2/25 + 5 e. a.
Manthia Diawaras Film über Édouard Glissant dokumentiert seine Kreuzfahrt mit dem Dichter und Philosophen auf der Queen Mary 2 im Jahr 2009.
Während der Atlantikreise von Southampton über Brooklyn bis nach Martinique, wo Glissant geboren wurde und aufwuchs, unterhielten sich beide
über dessen »Poetik der Relation«. Diese tauscht die Kontintentalphilosophie gegen ein nicht hierarchisches, von der Form des Archipels ausgehendes Denkmodell ein: Wie Inseln im Meer stehen Menschen und ihre Ideen
für sich und sind doch zugleich stets miteinander verbunden.
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Anbetung der Könige
Niederlande, um 1520
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
Zwischen überdimensioniertem Schuhkarton und Sarkophag schwebt die
Marble Box von Jason Rhoades. In den mit Möbeln und Müll, mit Werkzeug
und Waren wuchernden Installationen des kalifornischen Künstlers ist diese
schlichte weiße Kiste ein häufig wiederkehrendes Element. Mal als Sockel,
mal als Behälter eingesetzt, thematisiert Rhoades’ aus hochwertigem Material gefertigte Verpackung das Verhältnis von Oberfläche und Inhalt. Sie
verkörpert das Ineinandergreifen von Begehren und Tod in der spätkapitalistischen Gesellschaft.
Eichenholz, 83,6 × 53,6 cm
Fußfessel für einen Sklaven
Ghana (?), 19. Jahrhundert
Eisen, 13 × 45 × 2,8 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum
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Pier Paolo Pasolini Il Vangelo secondo Matteo
1964
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
Die Szene mit den Weisen, die aus dem Morgenland gekommen sind, um
Jesus in seiner Krippe die Ehre zu erweisen, ist ein verbreitetes Motiv der
Renaissance-Kunst. Dargestellt werden die dem Christkind huldigenden
Könige, die von diesem mit einem Segenszeichen bedacht werden. Sie sind
dem Stern nach Bethlehem gefolgt, weil sie glaubten, dass er die Geburt
des Königs der Juden anzeige. Die Weisen bringen erlesene Geschenke mit:
Caspar präsentiert dem Kind einen Beutel mit Goldmünzen, Melchior hält
ein Weihrauchfass in der Hand, und Balthasar reicht eine zugedeckte Schale
dar, die für die Myrrhe steht. In dieser Darstellung der drei Könige scheint
sich Caspar übermäßig für die eigene Gabe zu interessieren. In der Zeit des
aufkommenden Frühkapitalismus ist sein Blick fest auf die Goldmünzen
gerichtet.
Video, schwarz-weiß, Ton, Ausschnitt 1 Min.
Eine Produktion der Arco Film / Lux Compagnie Cinematographique de France unter Lizenz der Kineos GmbH
Der italienische Filmregisseur Pier Paolo Pasolini fragte sich Anfang der
1960er-Jahren, ob die Religion nicht doch eine Bereicherung für den hyperrationalen Marxismus sei, der damals vielerorts als gesellschaftspolitische Alternative angestrebt wurde. Mit diesem Thema setzte er sich in seiner Verfilmung des Matthäusevangeliums auseinander. Insbesondere die
Bergpredigt, in der Jesus sein Wertesystem ausführlich erläutert, empfand
Pasolini als Vorbild für den »Widerstand« gegen das konformistische, konsumorientierte Leben des modernen Menschen, das er als »dumpfe Orgie
von Zynismus, Ironie [und] Brutalität« bezeichnete.
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James Wallace Black
American Missionary Association.
Jubilee Singers, Fisk University,
Nashville/Tennessee
wohl 1872
Reproduktion, 9,9 × 14 cm
Library of Congress Prints and Photographs Division, Washington, D. C.
Fisk Jubilee Singers
Swing Low, Sweet Chariot
1909
19 Punschterrine
Meißen, um 1765/70, Dekor nach
William Hogarth, A Midnight Modern Conversation,
1732/33
Porzellan, Höhe 25,4 cm, Durchmesser 24,9 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum
A Midnight Modern Conversation kann wohl als der berühmteste Druck
von William Hogarth gelten. Kopien davon waren überall auf dem Kontinent
verbreitet, besonders in Deutschland, wo sich Hogarths gesellige »Konversationsstücke« großer Beliebtheit erfreuten. Die in einem Zechverein angesiedelte Szene zeichnet ein Sittenbild mit verschiedenen Stadien der Trunkenheit. Zechvereine, die im London des frühen 18. Jahrhunderts entstanden,
und die dort möglichen Ausschweifungen zogen eine männliche Klientel
aus den mittleren und höheren Berufsständen an, denen auch Hogarth angehörte. Seine Darstellung versammelt die männlichen Protagonisten um
einen Tisch, in dessen Mitte eine riesige Punschterrine steht.
4
adoc-photos
Manthia Diawara
[ D i e s e s W e r k d a r f n i c h t f o t o g r a f i e r t w e r d e n. ]
Die Figur des Adlers, ein Symbol göttlicher Weisheit, Herrschaft und imperialer Macht, spielte eine zentrale Rolle in Marcel Broodthaers’ fiktivem
Musée d’Art Moderne, Département des Aigles. 1971 schuf er auf Einladung
der Kunsthalle Düsseldorf die Figurensektion Der Adler vom Oligozän bis
heute. In dieser im folgenden Jahr ausgestellten Sektion trug jedes Objekt,
Dokument oder Bild die Abbildung oder den Namen eines Adlers. Gezeigt
wurden über 300 Kunstwerke aus verschiedenen Zeiten und Zivilisationen
nebst Alltagsobjekten und Reproduktionen. Alles in allem waren es rund
500 Adlerfiguren.
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Video, Farbe, Ton, 48 Min.
Tonaufnahme, 3 Min.
Ezra Pound liest »Canto XLV« (»Bei Usura«)
17. Mai 1939
Tonaufnahme: Harvard Vocarium Readings,
aufgenommen in Cambridge/Massachusetts, 3:12 Min.
Courtesy PennSound, © 2006 by the heirs of Ezra Pound, Mary de Rachewiltz and Omar S. Pound, and New
Directions Publishing Corp, agent for the heirs
»Usura« ist das lateinische Wort für Wucher, das Verleihen von Geld gegen
übertriebene Zinsen. Der US -amerikanische Dichter und Kritiker Ezra
Pound sah den Wucher als eine der Hauptursachen für den Niedergang der
modernen Welt an. In dem Gedicht — wie auch in anderen Schriften zum
Thema — behauptet er, dass aus der Devise »seinen Schnitt zu machen,
rasch seinen Schnitt zu machen« nichts Sinnvolles oder Dauerhaftes entstehen könne. Pounds Verse münden in die Feststellung, dass die Geldbesessenheit wider die Natur sei. In der Welt des Wuchers, schreibt er, ist das
Brot des Lebens »fad« und »trocken«.
Von seinen Afrikareisen im späten 19. Jahrhundert brachte der Afrikanist
und Linguist Gottlob Adolf Krause eine Sammlung von Artefakten mit
nach Deutschland. Diese eiserne Fußfessel erwarb er in Salaga in Nordghana, das vom 18. bis ins 19. Jahrhundert Schauplatz eines wichtigen Skla- 28
venmarkts war. Die Stadt diente als Inlandsumschlagplatz für den Sklaven- Martin Luther Von Kauffshandlung und Wucher
transport zur Küste, an der die Schiffe der westlichen Händler lagen. Auf Wittenberg 1524
dem Marktplatz in Salaga warteten die Sklaven, gefesselt und an mächtige Guavenbäume gekettet, auf ihren Verkauf.
gebundenes Buch, 20 × 15,5 × 0,5 cm
Staatsbibliothek zu Berlin — Preußischer Kulturbesitz, Abt. Historische Drucke
In seiner Schrift Von Kauffshandlung und Wucher forderte Martin Luther
seine Leser auf, Geschäfte unter religiösen Gesichtspunkten zu betreiben
Grabfigur (»Ntadi«-Figur eines Sklaven)
Kongo, 2. Hälfte des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts und dem Gesetz Christi zu unterstellen: »Denn dein Verkaufen soll nicht
ein Werk sein, das frei in deiner Macht und Willen ohne alles Gesetz und
Steatit, 32,5 × 13,5 cm
Maß steht, als wärest du ein Gott, der niemand verbunden wäre.« Für Luther
Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum
und seine Zeitgenossen sollte Geld nicht Geld schaffen, sondern galt ausschließlich als Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur LindeSolche Figuren, »Ntadi« genannt, wurden im Gebiet des unteren Kongo rung der Not des Nächsten. Das Wohlergehen der Mitmenschen war wichtivermutlich bereits ab dem 18. Jahrhundert auf die Gräber bedeutender ger als das Anhäufen großer Gewinne durch Kaufen und Verkaufen, Leihen
Verstorbener gelegt. Der Begriff »Ntadi« geht auf den Namen des weichen und Verleihen.
Steins — einen Speckstein (Steatit) — zurück, aus dem die Bildwerke gefertigt sind. Bei den Figuren selbst handelt es sich um Symbolisierungen
der Eigenschaften, mit denen die Häuptlinge, Würdenträger und Händler
gern assoziiert wurden. Sie unterscheiden sich in Pose und Gestik. Neben 29
Working at Goldman Sachs
traditionellen Motiven wie sitzenden Häuptlingen und Müttern mit Kin- 2013
dern finden sich auch Sklavendarstellungen.
Video, Farbe, Ton, 4:51 Min.
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Goldman Sachs Group Inc., Quelle: Youtube
26
Kaufvertrag über eine Sklavin
altbabylonisch
Originalaufnahme: Recorded Sound Section, Library of Congress; National Jukebox, courtesy of Sony Music
Entertainment
Inschrift mit Siegelabrollung auf Ton,
gebrannt, 10,4 × 5,7 × 3,7 cm
»Swing Low, Sweet Chariot« ist ein Spiritual aus der Zeit vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Es wurde als Ausdruck der Todessehnsucht eines
Sklaven interpretiert, der von seinem Leid erlöst werden möchte: »Swing
low, sweet chariot, coming for to carry me home«. Erstmals aufgenommen
wurde das Spiritual 1909 von den Fisk Jubilee Singers, und in den 1960erJahren war es während der Bürgerrechtsbewegung zu hören. BB King,
Sam Cooke, Etta James, Eric Clapton, Johnny Cash, The Staple Singers und
Beyoncé sind nur einige der Künstler, die das Lied gecovert haben.
Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum
Die alten Babylonier betrachteten Sklaven als Eigentum und damit als
Geldäquivalent. Zu unbezahlter Arbeit verpflichtet, war es einem Sklaven
oder einer Sklavin unmöglich, den Dienst ihres Herrn aus freiem Willen
zu verlassen. Allerdings konnten Sklaven Besitz erwerben, heiraten, Handel treiben und genügend Eigentum anhäufen, um sich freizukaufen. Der
Kaufvertrag wurde in Keilschrift in weiche Tontafeln geschrieben, die man
anschließend brannte, um den Inhalt zu fixieren. Die Sklaven trugen auch
kleine Tontafeln mit dem Namen ihrer Besitzer bei sich.
Goldman Sachs, gegründet 1869, ist eine der führenden Investmentbanken
der Welt, deren Ruf seit 2007, mit Beginn der Finanzkrise, allerdings erheblich gelitten hat. Ende 2008 wurde gegen die Bank ein Ermittlungsverfahren wegen ihrer Rolle in der Krise eingeleitet. Doch Goldman Sachs ging daraus erstaunlich unversehrt hervor. In seinem 2010 für den Rolling Stone
geschriebenen Artikel »The Great American Bubble Machine« verortete
Matt Taibbi die Bank im Zentrum aller großen Marktmanipulationen seit
dem 19. Jahrhundert. Taibbis Beschreibung der Bank als »großer Vampirtintenfisch, der sich über das Antlitz der Menschheit gestülpt hat« und deren eigene Sicht vom sozialen Nutzen ihrer Tätigkeit könnten gegensätzlicher nicht sein.
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Jeff Koons
New Shop-Vac Wet/Dry
1980
Charlie Chaplin A Dog’s Life
1918
Andreas Gursky
Singapore Stock Exchange I
1997
Berlinde De Bruyckere Robin V.
2007
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Wachs, Epoxid, Holz, Metall, Kissen,
Vitrine 194 × 183 × 85 cm
2001 Geschenk von Dr. Erich Marx
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
Andreas Gurskys großformatige, oft als moderne Form der Historienmalerei betrachteten Farbfotografien zeigen hochritualisierte Tauschsysteme
oder soziale Verhältnisse, die der kapitalistischen Gesellschaft zugrunde
liegen: Börsen, Handelsplätze, Fabriken und Fertigungsstraßen. Zu diesem
Zweck manipuliert er die Bilder digital, verbindet verschiedene Ansichten
desselben Motivs, löscht einzelne Dinge und verstärkt die Farben. Seine
Fotografie der Börse von Singapur gehört zu einer Serie von zehn großen
Börsen weltweit, unter anderem von New York, Hongkong und Kuwait.
Robin V. ist nach dem Modell benannt, dessen Körper in diesem Werk dargestellt ist. Berlinde De Bruyckere arbeitet mit einer Mischung aus Wachs
und Epoxid, durch die eine marmorartige Textur entsteht, was dem Körper seine zugleich transparent und fleischig wirkende Materialität verleiht.
Die kopflose, in die Länge gezogene Figur liegt in einer Vitrine wie ein Exponat in einem Naturkundemuseum. Aber sie erinnert ebenso an das im
16. Jahrhundert entstandene Bild Der Leichnam Christi im Grabe von Hans
Holbein d. J. Dessen beinahe skulptural scheinendes Gemälde gilt bis heute
als eine der eindringlichsten Darstellungen des fleischgewordenen Gottessohnes und der Größe seines Opfers.
Staubsauger, Plexiglas, Leuchtstoffröhren,
88,9 × 55,9 × 55,9 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
Schwarz-Weiß-Film, ohne Ton,
Ausschnitt 1 Min.
© A DOG’S LI F E by Charles Chaplin / Motion Picture: © 1918 Roy Export S. A. S. All Rights Reserved / Re-
Farbfotografie, C-Print, Diasec®, 170 × 270 cm
newed: © 1945 Roy Export S. A. S. All Rights Reserved / Motion Picture with Soundtrack: © 1959 Roy Export
Ein Nass-/Trockensauger steht — von unten mit Leuchtstoffröhren beleuchtet — auf einer Plexiglasbox. Unbenutzt und makellos, wie in einem Warenhaus ausgestellt. New Shop-Vac Wet/Dry bildet einen Teil von Jeff Koons’
1980 begonnener Staubsaugerserie, die den Titel The New trägt. Der Künstler selbst betrachtete diesen Haushaltsartikel des Industriezeitalters als
Atemmaschine mit Öffnungen und phallischen Anhängseln. Der Kunstkritiker Jerry Saltz erblickt darin etwas »Totemartiges, wie Hightech-Menhire
oder Tempelwächter«.
S. A. S. All Rights Reserved / Renewed: © 1987 Roy Export S. A. S. All Rights Reserved
Ein Hundeleben war Charlie Chaplins erster im eigenen Studio gedrehter
Film. Er wurde auch zu seinem größten kommerziellen Erfolg. Als sein Partner in diesem Stummfilm tritt der Straßenköter Scraps auf, der ebenso wie
der Vagabund Charlie im urbanen Amerika des frühen 20. Jahrhunderts
ums Überleben kämpft. Zusammen bilden sie ein perfektes Freundespaar.
Charlie verliebt sich schließlich in die gleichfalls glücklose Tingeltangelsängerin Edna Purviance. Das Trio entkommt seinem Schicksal, als Scraps
eine gestohlene Brieftasche ausbuddelt.
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Arnaud Uyttenhove
Bob Dylan wirbt für »America’s Import«
von Chrysler (Superbowl-Kampagne für
Chrysler)
2014
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Carl Barks
Roman Signer Kiste
1981
Walt Disney’s Uncle $crooge in »Only a Poor Old Man«
Nr. 386, New York: Dell Publishing Co., Inc.,
17. März 1952
Video, Farbe, Ton, 2 Min.
Caviar Content, Quelle: Youtube
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Acryl und Wachskreide auf Leinwand, 183 × 137 cm
Messing, graviert, 12 × 16 × 4,5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum
Die Werke Roman Signers könnten als »Zeit-« oder »Aktionsskulpturen«
bezeichnet werden. Im Wesentlichen geht es dabei um das Planen, Ausführen und Filmen von Explosionen, Kollisionen und Abstürzen. Die dazu verwendeten Materialien sind einfach. Neben den vier Elementen Erde, Luft,
Feuer und Wasser nutzt Signer Alltagsgegenstände wie Eimer, Kisten und
Ballons. Dieses Foto dokumentiert eine Aktion mit zwei durch ein Seil
verbundenen Holzkisten. Stürzt eine davon den Wasserfall hinunter, zieht
sie die andere nach. Die gefährlich am Abgrund stehende Kiste ist demnächst dran.
Reliquien gibt es in vielen Religionen, in Judentum, Islam und Katholizismus. Es sind die körperlichen Überreste eines oder einer Heiligen beziehungsweise durch die Berührung mit ihm oder ihr geheiligte Gegenstände.
Die Schätze, meist in einem Schrein den Blicken entzogen, sollen Heilkräfte besitzen oder die Frömmigkeit stärken. Der Schrein bekräftigt die spirituelle Bedeutung seines Inhalts und ist daher häufig aus kostbarsten Materialen gefertigt.
Das von Carl Barks verfasste Heft Only a Poor Old Man beginnt mit dem
täglichen Bad des stinkreichen Onkel Dagobert in seinem Geldspeicher:
»Ich liebe es, mich darin zu tummeln wie ein Delfin, mich hindurchzuarbeiten wie ein Rückenschwimmer, es hochzuwerfen, dass es mir auf den
Kopf hagelt!« Doch das Vergnügen währt nur kurz, weil die Panzerknacker
danach trachten, ihn um sein Vermögen zu bringen. Mithilfe seines Neffen
Donald befördert Onkel Dagobert das Geld in einen See in der Hoffnung,
dass es dort sicher ist. Doch der Plan geht schief und Donald erkennt, dass
das Geld seinem Onkel mehr Sorgen als Freude bereitet.
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Joachim Anthonisz. Wtewael
Küchenstück mit dem
Gleichnis vom Großen Gastmahl
1605
Opfertafel mit Opfergabendarstellung und
griechischer Inschrift
Ägypten, 323–30 v. Chr.
Basalt, 11,5 × 48 × 49 cm
Öl auf Leinwand, 65 × 98 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Eigentum des Kaiser Friedrich Museumsvereins
Küchenstück mit dem Gleichnis vom Großen Gastmahl ist ein Gemälde
des niederländischen Manieristen Joachim Anthonisz. Wtewael. Ganz in der
dortigen Tradition wird eine Küchenszene im Vordergrund mit einer religiösen im Hintergrund verbunden. Das Tableau basiert auf einem Gleichnis, das Jesus im Neuen Testament erzählt: Ein Hausherr schickt seinen
Diener aus, um die zu einem Abendmahl geladenen Gäste zusammenzurufen. Doch sehr zum Ärger des Hausherrn sind alle zu beschäftigt, um dem
Ruf zu folgen. Da er die Geladenen nunmehr für unwürdig erachtet, lässt
er den Diener stattdessen alle »Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen« herbeiführen.
Gebrüder Weber
Weibliche Schaufenster-Wachsbüste
Berlin, 1900–1930
Wachs, Glas, Bein, Metall, Holz, Textil,
78 × 38 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen
Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
Andy Warhols erste Ausstellung fand 1961 in einem Schaufenster des New
Yorker Warenhauses Bonwit Teller statt. Die Gemälde wurden nur eine
Woche lang gezeigt. Eines der fünf Werke war das Bild Advertisement, das
aus einer Montage einfacher, in Zeitungen und Zeitschriften erschienener
Schwarz-Weiß-Anzeigen besteht. »Wer von denen, die vor der Auslage stehen blieben«, fragte sich der Kunstphilosoph Arthur C. Danto Jahrzehnte
später, »hätte wohl gedacht, dass Advertisement in der Berliner Nationalgalerie landen würde?«
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
38
Andy Warhol Advertisement
1960
Schwarz-Weiß-Fotografie auf Barytpapier, 36 × 24 cm
Auflage 2/10 + 3 e. a.
Heft, broschiert, 26 × 19 × 3 cm
Privatbesitz
2014 überraschte Bob Dylan beim Superbowl seine Fans mit einem Auftritt
in einer Chrysler-Werbung. Der Folk-Sänger war in den 1960er-Jahren zu
einer Ikone geworden, er verkörperte mit Songs wie »Blowin’ in the Wind«
und »The Times They Are A-Changin’« die Stimme einer Generation, die
gegen den Krieg protestierte und den sozialen wie den politischen Status
quo infrage stellte. In der Superbowl-Werbung stellte sich Dylan nun in
den Dienst der amerikanischen Autoindustrie und weckte Gefühle von
Patriotismus, Schönheit und Stolz: »Gibt es etwas Amerikanischeres als
Amerika?«
40
Truhenförmiger Reliquienschrein
Rheinland, um 1450
Opfertafeln wie diese spielten eine wichtige Rolle in der Begräbniskultur
wohlhabender Ägypter des Altertums. Die aus Stein gehauenen Tafeln besaßen die rechteckige Form der Schilfmatten, die früher vor Gräbern ausgebreitet wurden. Darauf konnten Familienmitglieder und Priester Opfergaben wie Brot, Fleisch oder Öle für die rituelle Speisung der Toten ablegen.
Die Verstorbenen für ihre Reise ins Jenseits zu versorgen gehörte zu den fundamentalen Verpflichtungen der Lebenden. Die Tafeln — meist von zwei Gefäßen und Blumen flankiert — waren mit aufwendigen Darstellungen der
Opfergaben versehen, die als dauerhafte Stellvertreter für die von den Besuchern hinterlassenen verderblichen Güter dienten.
»Wenn man darüber nachdenkt«, sinnierte Andy Warhol, »sind Warenhäuser irgendwie wie Museen.« Im frühen 20. Jahrhundert wurde das Auslagenfenster zu einer eigenständigen Form der Massenunterhaltung. In visuell
aufregende Ware gekleidet, sollten die Schaufensterpuppen in den Ausstellungsräumen des Handels die Blicke auf sich ziehen. Das Schaufenster hat
die Aufgabe, Begehren zu wecken, es verspricht, dass das Ausgestellte leicht
und schnell zu haben und durch seinen Besitz ideale Schönheit zu erlangen sei.
42
João Maria Gusmão und Pedro Paiva
Glossolalia (»Good Morning«)
2014
16-mm-Film, Farbe, ohne Ton, GP/V 146, 7:10 Min.
Auflage 6 + 2 e. a.
Produced by Fondazione HangarBicocca, Milan, courtesy die Künstler und Sies + Höke, Düsseldorf
Der Begriff »Glossolalie« verweist auf das religiöse Phänomen der »Zungenrede«, das meist bei Riten auftretende Sprechen in unbekannten oder
erfundenen Sprachen. Glossolalia (»Good Morning«) porträtiert einen herrlichen Ara. Die prächtige Papageienart ist ein beliebtes Haustier, das wie
der Vogel in diesem Film oft im Käfig gehalten wird. Hinter den Gitterstäben setzt er mit seinen buntgefiederten Schwingen zum Flug an, während
er dem Betrachter etwas zuruft, ohne dass uns sein Ton übermittelt werden würde.
6
7
43
Bruce Nauman A Cubic Foot of Steel Pressed Between My Palms
1968
46
49
Andreas FischerRichter
2013
Stahl, 61 × 61 × 7,7 cm
Bürosessel, Ventilatoren, Staubsauger,
Motor, Tee-Ei, Anlasserschnur, Drahtseil,
Elektronik für Choreografie, Lautsprecher,
Bruce Naumans A Cubic Foot of Steel Pressed Between My Palms wurde Neonröhre, Kupfer, Kunststoffe,
erstmals 1968 in der New Yorker Galerie Leo Castelli gezeigt. Wie viele sei- 300 × 70 × 170 cm
ner im Idiom der Minimal Art und der Konzeptkunst arbeitenden Zeitge- König Galerie, Berlin
nossen entschied sich Nauman für das prosaische, relativ billige Industriematerial Stahl, weil es eher an Massenfertigung denn an hohe Kunst erin- Andreas Fischer baut kinetische Skulpturen aus gewöhnlichen Haushaltsnert. Nauman bezeichnete diese Arbeit als ein Stück »geistigen Drucks«, artikeln, abgelebten Möbeln und verfremdeten technischen Geräten. Er
das den Betrachter herausfordert, sich vorzustellen, einen geometrischen fertigt daraus surreale, anthropomorphe Sprechmaschinen, die durch BeStahlquader mit den eigenen bloßen Händen zu formen. Das Objekt, das wegungsmelder zum Leben erweckt werden. Fischers aus einem umgedrehwir sehen, ist also nur Überbleibsel eines geistigen Prozesses, sozusagen ten Bürostuhl gebildeter und mit den Attributen eines Handstaubsaugers
eine Bewusstseinsskulptur.
und eines Tee-Eis ausgestatteter Richter sinniert darüber, was es heute
bedeutet, ein aufrechter Bürger zu sein.
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
44
Kopf einer Yakshi
Madhya-Pradesh/Indien, 1. Jahrhundert
Sandstein, 26 × 27 × 19 cm
Allan Sekula und Noël Burch The Forgotten Space
2010
Acryl auf Leinwand, Siebdruck, 448,3 × 347,5 × 3,5 cm
Francisco de Goya y Lucientes Asta su abuelo, Capricho 39
1797/98
Courtesy of Doc.Eye Film, Amsterdam, The Netherlands
Als Andy Warhol 1982 Peking besuchte und erfuhr, dass es in China keinen
McDonald’s gab, sagte er: »Oh, das kommt noch«. Seine Beschäftigung mit
dem Land begann bereits in den frühen 1970er-Jahren. Warhol fertigte in
seiner Popästhetik Hunderte von Mao-Bildern nach dem Porträt des »Großen Vorsitzenden« im »Kleinen Roten Buch«, der »Mao-Bibel«, an. Bei seinem Pekingbesuch posierte der Künstler vor dem Originalporträt Maos auf
dem Tiananmen-Platz für ein Foto. Der ganze Warhol, bemerkte der Fotograf Christopher Makos, »drehte sich ja um Multiples […] und damals war
China das ultimative Multiple«.
The Forgotten Space ist ein essayistischer Dokumentarfilm, der die von
Globalisierung, Neoliberalismus und unsichtbarer Arbeit geprägte maritime Welt von heute zu fassen versucht. Er schildert das Meer als ein alle
Länder und Räume verbindendes flüssiges Territorium und damit als eine
Urgewalt der Natur wie des Kapitalismus. »Gewöhnlich erinnert man sich
an das Meer nur bei großen Katastrophen«, heißt es in der Inhaltsangabe
des Films. »Die wohl größte Meereskatastrophe aber ist die globale Versorgungskette, die die Weltwirtschaft — vermutlich grundlegender als die
Finanzspekulation — in den Abgrund führt.«
Georges Dudognon
Schutzanzug im Kernkraftwerk
Marcoule/Frankreich
1956
Reproduktion, 20 × 20 cm
Aquatinta auf Papier, 21,5 × 15 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Scharf-Gerstenberg
Diese frühe Version von Asta su abuelo (Bis auf seinen Großvater zurück)
ist eines der 80 Blätter von Francisco de Goyas Zyklus Los Caprichos. Es
stellt die Einbildung und Torheit eines Adligen dar, dessen Wissensdurst
gerade bis zu seiner (fragwürdigen) Abstammung reicht. Der an der Wende
vom 18. zum 19. Jahrhundert entstandene Zyklus prangert Aberglauben,
Gewalt, Sadismus, Wollust und Doppelzüngigkeit an. Er führt Vergehen
der katholischen Kirche und soziale Übel von der Pädophilie bis zur Prostitution vor. Kurz nachdem der Künstler den Zyklus zum Verkauf angeboten hatte, zog er ihn aus Angst vor der Inquisition wieder zurück.
48
Torso der Athena
1882, Mastermodell nach dem attischen Original
in Athen, um 440 v. Chr.
Gips, 150 × 60 × 46 cm
Georges Dudognon / adoc-photos
Die Nuklearanlage Marcoule, in der dieses Foto aufgenommen wurde, liegt
am Ufer der Rhône in einer Gegend Frankreichs, die für ihre Landwirtschaft, ihren Tourismus und ihren Wein berühmt ist. Die Anlage ist seit
1956 in Betrieb. Die Atomenergiebehörde — das Commissariat à l’énergie
atomique — gründete das Produktionszentrum, nachdem die Regierung
Charles de Gaulles beschlossen hatte, Frankreich zur Atommacht auszubauen. Man glaubte, dass die Atomenergie durch Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und Stärkung des Militärs die »Strahlkraft« Frankreichs wiederherstellen würde.
Worstward Ho
New York: Grove Press, Inc., 1983
Taschenbuch, 20 × 13 × 0,5 cm
Privatbesitz
45
53
Samuel Beckett
Lehm, bemalt, 102 × 54,5 × 23,5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst
Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst
Eine Yakshi ist eine im Hinduismus, Buddhismus und Jainismus verbreitete weibliche Gottheit. Sie gilt wie ihr männliches Pendant, der Yaksha, als
Hüterin der Erde und der darin verborgenen Schätze. Die meist als üppige,
sinnliche, mütterliche Frau dargestellte und aufwendig geschmückte Göttin kann durch bloße Berührung mit ihrem Fuß einen Baum Früchte tragen lassen. Traditionellerweise umklammert sie mit der Hand den Ast eines
Laubbaums, damit ihr die Schwerkraft helfen kann, Leben zu schenken.
Yakshi-Skulpturen sind häufig auf Tempel- und Stupa-Fassaden zu finden.
Video, Farbe, Ton, 112 Min.
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
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Sitzender Buddha. »Die erste Predigt in Sarnath«
Kirin-Höhle, Xinjiang/China, 7./8. Jahrhundert
47
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Andy Warhol Mao
1973
Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei
Athene war die griechische Göttin der Weisheit und Wissenschaft, der
Reinheit, der Handwerkskunst und des Krieges. In diesem nach der Statue
der Athena Parthenos gefertigten Torso ist sie an der um die Schultern gelegten Ägis zu erkennen — einer schützenden Tierhaut, von der ein Brüllen ausging wie von unzähligen Drachen. Obwohl Athene die Göttin der
strategischen Kriegsführung (im Gegensatz zum sinnlosen blutrünstigen
Gemetzel) war, schlichtete sie Streitigkeiten doch lieber durch Weisheit
als durch Gewalt.
Nach seinem Erwachen ging Buddha in die Stadt Sarnath. Dort hielt er auch
seine erste Predigt, die das »Dharma-Rad« in Bewegung setzte. Er entwickelte die Lehre vom mittleren Pfad, der Extreme wie Askese und Luxus
meidet und einen achtfachen Weg aus dem Leiden vorschlägt. Obwohl der
Buddhismus jahrhundertelang eine der Hauptreligionen Chinas gewesen
war, verurteilte ihn die 1966 beginnende »Kulturrevolution« als gefährlichen Aberglauben. Im ganzen Land wurden Buddha-Statuen durch MaoPorträts ersetzt und die Anhänger des traditionellen Glaubens systematisch verfolgt.
Samuel Beckett Worstward Ho — Auf’s Schlimmste zu
1993
aus dem Englischen übersetzt von
Erika von Tophoven-Schöningh
Hörspiel, Simultanmontage englische/deutsche
Fassung, Sprecher: Raymond Federman,
Ernst Jandl, 78:13 Min.
Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks/Red. Hörspiel und Medienkunst 1993; in Lizenz der BR media
51
Service GmbH
Li Zhensheng
Roter Nachrichtensoldat. Ein chinesischer Fotograf
in den Wirren der Kulturrevolution
hg. von Robert Pledge, Berlin: Phaidon Verlag, 2003
Ansicht: Li Zhensheng, Demütigung des ersten
Parteisekretärs von Harbin, Ren Zhongyi, bei einer
Massenversammlung der Roten Garden auf dem
Rote-Garden-Platz am 26. August 1966, 1966
gebundenes Buch, 26,3 × 20 × 3,5 cm
Privatbesitz
Am 26. August 1966, am Beginn der »Großen Proletarischen Kulturrevolution«, versammelte sich eine johlende Menge auf dem Rote-Garden-Platz
der chinesischen Stadt Harbin. Sie bestand aus den Teilnehmern einer öffentlichen Überraschungskritik am ersten Parteisekretär der Provinz, Ren
Zhongyi. Mit auf den Rücken gebundenen Händen und einer über einen Meter langen Narrenkappe auf dem Kopf wurde er gezwungen, in einem qualvollen Neunzig-Grad-Winkel auf einem Klappstuhl zu stehen. Li Zhensheng fotografierte ihn dabei und versteckte die Negative aus Angst, selbst
verfolgt zu werden, unter seinem Dielenboden.
Worstward Ho war Samuel Becketts vorletzter Prosatext. Der Titel persifliert Charles Kingleys 1855 erschienenen Roman Westward Ho! — und das
ohne Ausrufezeichen. Becketts Text enthält das berühmte Zitat: »Macht
nichts. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.« Es bringt seine auf Zweifel, Nichts und Galgenhumor beruhende Weltsicht perfekt auf
den Punkt. In Worstward Ho verbindet sich ein Vorwärtsdrang mit einer
Bewegungshemmung und endet schließlich in einer »unvermehrbare[n] unverminderbare[n] unverschlimmerbare[n] allermeist beinahe Leere«.
54
Lothar Baumgarten
Carbon
Museum of Contemporary Art,
Los Angeles/Pentti Kouri, 1991
gebundenes Buch, Farboffsetdruck auf Papier,
31,2 × 39,1 × 2,2 cm
Auflage 1.750
Privatbesitz
Auf einer viermonatigen Forschungsreise in die Vereinigten Staaten dokumentierte Lothar Baumgarten die industriellen Pionierleistungen bei der
Besiedlung des Westens. Dabei entstand der Fotoessay Carbon, benannt
nach der mineralischen Grundlage allen Lebens. Tatsächlich aber schwebt
über diesen Fotografien die Gefahr des Aussterbens. Die territoriale Auseinandersetzung zwischen Ureinwohnern und den Eroberern des amerikanischen Westens wird angesichts der kontinentalen Ausbreitung und Einkerbung des Eisenbahnnetzes verdeutlicht.
8
9
55
Renée Sintenis Galoppierendes Fohlen
1929
58
Kazimierz Michałowski Palmyra. Alte Kulturen
und Andrzej Dziewanowski im Mittelmeerraum
Wien und München: Anton Schroll, 1968
Bronze, 15,3 × 23 × 6,2 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Die Berliner Bildhauerin Renée Sintenis feierte ihre größten Erfolge im
Berlin der 1920er-Jahre. Bekannt ist sie vornehmlich für ihre kleinen Bronzeund Terrakottaskulpturen junger Tiere. Sintenis zeigt sie in ihrer Dynamik und Geschmeidigkeit, springend oder emporsteigend, wie unbezähmbar. Besonders das Pferd hatte es ihr angetan. Sie stellte es mit unbändiger
Lebenskraft und überschwänglichem Freiheitsdrang dar. Diese Wiedergabe von Tieren in Bewegung steht im Einklang mit ihren Grafiken und
Bildwerken von Läufern, Springern und Reitern aus der Welt des Sports.
56
gebundenes Buch, 28,2 × 21,1 × 1,5 cm
Ansichten aus dem Portfolio mit
10 Schwarz-Weiß-Fotografien, 20,5 × 25,5 cm bzw.
25,5 × 20,5 cm
Auflage 24/50
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
Tulsa berichtet in einem rauen, bekennerhaften Stil vom Vorstadtleben Jugendlicher in den USA Mitte der 1960er-Jahre — ganz ohne junge Liebe
und Familienwerte. »Ich wurde 1943 in Tulsa, Oklahoma, geboren«, schreibt
Larry Clark in der Einleitung zu seinem 1971 erschienenen Fotoband. »Mit
16 begann ich, Amphetamine zu spritzen. Ich spritzte sie gemeinsam mit
Freunden, drei Jahre lang, jeden Tag. Dann ging ich weg, aber ich kehrte
immer wieder zurück. Ist die Nadel einmal drin, geht sie nie wieder raus.«
Farbfotografie auf Aluminium, 150 × 210 cm
Auflage von 6
Antje Ehmann, Harun Farocki GbR
Die in der Antike bedeutende Stadt Palmyra liegt nordöstlich von Damaskus. Hier begegneten sich verschiedene Zivilisationen, darunter die griechisch-römische, die persische und die byzantinische. Die in diesem 1968
erschienenen Buch dargestellten Ruinen wurden ab April 2015 durch den
Islamischen Staat weitgehend vernichtet. Die historische Stätte geriet zum
Schauplatz für Gräueltaten, darunter Massenhinrichtungen auf der Bühne des antiken Theaters, sowie für zahlreiche auf bildgewaltige Symbolik
setzende Zerstörungsakte. Im Juni 2016, wenige Monate nach der Rückeroberung der Stadt durch die syrische Armee, trafen sich auf Einladung
der UNESCO in Berlin internationale Experten, um die Möglichkeit eines
Wiederaufbaus zu besprechen.
Peter Fischli und David Weiss arbeiteten ab 1988 an ihrer Langzeitserie
von Flughafenfotografien. In den rund 800 Aufnahmen dieser umfangreichen Werkgruppe dokumentieren die Künstler die täglichen Abläufe auf
Flughäfen, jenen überall erbauten Drehscheiben des internationalen Reiseverkehrs und Symbolen der Globalisierung. Trotz der scheinbaren Banalität dieser Ansichten geschäftigen Treibens samt Tankwagen, Gepäckzügen und anderen Maschinen strahlen die Bilder eine merkwürdige Ruhe
aus, ein Gefühl der Weite, als würden sie bereits auf die Welt verweisen,
wie sie am besten gesehen werden sollte: von hoch oben.
Caspar David Friedrich
Das Riesengebirge
um 1830–1835
Öl auf Leinwand, 72 × 102 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Der deutsche Romantiker Caspar David Friedrich gilt als einer der ersten
Maler, die ein Gefühl der Ehrfurcht vor der Natur dargestellt und Landschaften emotional und symbolisch aufgeladen haben. Sein Œuvre umfasst
Ansichten von verfallenen gotischen Kirchen, Friedhöfen, weiten Landschaften und einsamen Figuren in abgelegenen, vom Menschen weitgehend unberührten Gegenden. Als Reaktion gegen Aufklärung und Rationalismus
entstanden, sind Friedrichs »Erlösungslandschaften« hochsubjektive Räume einer manchmal fast morbiden Melancholie und einer spirituellen Suche.
Video, Farbe und schwarz-weiß, Ton, 72 Min.
In Die Schöpfer der Einkaufswelten zeigt Harun Farocki, wie Shoppingmalls entstehen. Die Hauptfiguren der von ihm erzählten Geschichte sind
Inhaber und Angestellte, Manager und Berater, Investoren und Entwickler, Marketingexperten und Überwachungstechniker von Einkaufszentren.
Man sieht die eifrigen Protagonisten bei der Arbeit, die ihre Kräfte bündeln, um den Konsum zu optimieren. Die Einkaufswelt, die Farocki wiedergibt, ist eine exakt kalkulierte Abfolge von Oberflächen, dazu entworfen,
die größtmögliche Anzahl an Verkäufen pro Quadratmeter zu erzielen.
66
62
Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus
28. Oktober 1964
Video, schwarz-weiß, Ton, 3 Min.
Martin Städeli 4 Vögel
2012
Papier, Kleister, Holz, ca. 50 × 120 × 40 cm
Courtesy der Künstler
ZDF, Mainz
1964 war Hannah Arendt zu Gast in Günter Gaus’ TV-Gesprächsreihe Zur
Person. In dem heute berühmten Interview spricht sie über Philosophie,
Politik und Gesellschaft. Dabei thematisiert sie die »Banalität des Bösen«,
die sie in ihrem ein Jahr zuvor erschienenen Buch Eichmann in Jerusalem
untersucht hatte. In dem in der Ausstellung gezeigten Ausschnitt erörtert
sie die Wechselbeziehung zwischen Arbeit, Konsum und Raum in der kapitalistischen Gesellschaft.
63
Manfred Paul Polaroids, Ostberlin
1989/90
6 Bildgruppen mit je 4 Polaroids in Schwarz-Weiß
mit Notizen des Fotografen, je 8,2 × 10,8 cm
Manfred Paul
60
Eyal Weizman The Conflict Shoreline. Colonialism as
und Fazal Sheikh
Climate Change in the Negev Desert
Original: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
Göttingen: Steidl, in association with
Cabinet Books, Brooklyn, 2015
1590 begann Theodor de Bry in Frankfurt am Main, dem Zentrum des eu- ropäischen Buchhandels, seine mehrbändigen Grands Voyages zu veröffentgebundenes Buch, 27,5 × 21 × 2 cm
lichen. Die Reihe mit Illustrationen europäischer Berichte von Reisen nach Amerika, Afrika und Asien wurde bis 1634 fortgesetzt. Großzügig mit Kup- Privatbesitz
ferstichen ausgestattet, avancierte sie zum einflussreichsten europäischen
Bilderschatz über das Entdeckungszeitalter. Die Stiche von Nordamerika Dieses Buch widmet sich der Grenze der Wüste Negev — der sogenannten
lieferten in all ihrer Verzerrung durch europäische Landschaftsstandards Ariditätslinie — als umkämpfter »Küste«. Es gehört zu einer größeren Unund Figurentypen die ersten Vorstellungen davon, wie es in der Neuen Welt tersuchung darüber, wie territoriale und politische Konflikte mit Klimaaussah.
und Umweltveränderungen zusammenhängen. Der Fotograf Fazal Sheikh
und der Architekt und Autor Eyal Weizman stellen Betrachtungen zum
anhaltenden Kampf zwischen der einheimischen beduinischen Bevölkerung und dem Staat Israel an. Während die Beduinen ihr Recht auf ein Leben in der Wüste verteidigen, vertreibt Israel sie weiter im Zuge seiner Mis57
sion, die Wüste (und die Wirtschaft) zum Blühen zu bringen, und zerstört
Larry Clark Tulsa
ihre Siedlungen.
1968–1971/72
Harun Farocki Die Schöpfer der Einkaufswelten
2001
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
59
65
Airports (Tokio)
1988/97
Privatbesitz
Theodor de Bry Schiffe vor der Küste von Amerika
1562
Reproduktion des kolorierten Kupferstichs aus:
Theodor de Bry, Americae, II. Teil, 1591, 14 × 22,7 cm
61
Peter Fischli und David Weiss
Mit diesen Ende 1989 und Anfang 1990 aufgenommenen Schwarz-WeißMiniaturen dokumentiert der Berliner Fotograf Manfred Paul die Verwandlung der Ostberliner Stadtlandschaft in den Wochen und Monaten nach
dem Mauerfall. Die oft desolaten Orte, die er mit einem gleichermaßen morbiden wie neugierigen Blick porträtiert, bezeugen die rasante Umgestaltung von Oberflächen, Formen und menschlichen Erfahrungen, die mit der
Ersetzung des einen Systems durch das andere und der Verschmelzung
zweier Kulturen fast unmittelbar einsetzte.
64Spielzeug-Dampfmaschine
Martin Städeli fertigt Skulpturen aus billigem Material wie Papier und
Holz, was mitunter Jahre dauert. So entstehen Schicht um Schicht lebensgroße Bildwerke, die zwischen Fragilität und Stabilität schwanken. Der
Vogel auf dem Ast ist im Begriff, in den Himmel aufzusteigen, während
der Ast unter ihm an Ort und Stelle bleibt. Städeli überlässt es dem Betrachter, ob er einen Vogel auf einem Ast oder einen Ast unter einem Vogel sehen
will.
67
Reisenecessaire des Felix Mendelssohn Bartholdy
Frankfurt am Main, Geschenk an den Künstler
vom Frankfurter Cäcilien-Verein im Juli 1836
Holz, Samt, Silber, Elfenbein, Glas, ca. 30 × 36 × 16 cm
Staatsbibliothek zu Berlin — Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv
Der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy reiste viel in Europa umher,
was sich auch in berühmten Werken wie der Schottischen und Italienischen Sinfonie niederschlug. Am 24. Juli 1836 berichtete er in einem Brief
an seine Mutter erfreut von dem neuen Reisenecessaire, das ihm der Frankfurter Cäcilien-Verein geschenkt hatte: »Es sind 3 Etagen mit allen möglichen Messern, Scheren, Schreib- und Wasch- und Bürstmaterialien, in
Silber und Elfenbein und Sammt, und mit jener gewissen Englischen Solidität und Sauberkeit, die mir so wohlgefällt.«
68
Fernseher Rembrandt FE 852 D
VEB Sachsenwerk Radeberg, 1954
um 1910
Blech, Kasten 37,5 × 48,5 × 42 cm
DDR Museum, Berlin
Schwarz-Weiß-Fernseher, Furnier, Holzkern,
43 × 67 × 57,5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen
Die Dampfmaschine soll 1698 von Thomas Savery erfunden, 1712 von Thomas Newcomen verbessert und 1763 von James Watt perfektioniert worden
sein. Ihre Erfindung setzte nicht nur die industrielle Revolution in Gang,
sondern veränderte auch radikal die Raum- und Zeitwahrnehmung des modernen Menschen. Der Historiker Wolfgang Schivelbusch bringt die Dampftechnik mit einer ganzen Reihe kultureller Entwicklungen in Verbindung,
etwa mit der Veränderung der Landschaftswahrnehmung, dem Verschwinden des Reisegesprächs, der Pathologie der Eisenbahnreise, industrieller
Ermüdung und der Geschichte des Schocks.
10
»Rembrandt« war das erste vollständig in Ostdeutschland erzeugte Fernsehgerät. Am 21. Dezember 1952, Stalins Geburtstag, wurde in der DDR der
Sendebetrieb aufgenommen. Anfänglich liefen nur zwei Stunden Programm
am Tag. Hauptaufgabe des DDR -Fernsehens war es, durch die Nachrichtenberichterstattung die sozialistische Sicht der Welt zu verbreiten. Doch für
DDR -Bürger war das Fernsehen auch eine wichtige, wiewohl illegale Reisemöglichkeit in die nichtkommunistische Welt. Lediglich im sogenannten
Tal der Ahnungslosen — dem sächsischen Elbtal — gab es keinen Westfernsehempfang.
11
69
72
75
Großbilddia in Leuchtkasten,
Dia 119 × 149 cm, Kasten 135 × 165 × 21,7 cm
Auflage 3 + 1 e. a.
Ein-Kanal-Videoprojektion, HD -Video, Farbe, Ton,
29:42 Min.
Auflage 5/5 + 1 e. a.
Stan Douglas
Zwei Lauben und Hochspannungsmast,
»Uns genügt’s«, Nuthestrand I, Babelsberg
1994/2003, aus der Serie Potsdamer Schrebergärten,
1994/95
Farbfotografie, 46 × 56,1 cm
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
Courtesy of the Artist and Galerie Peter Kilchmann, Zurich
Jeff Wall The Crooked Path
1991
Melanie Smith Fordlandia
2014
70
Helm aus der Rückenhaut eines Krokodils
Westafrika, vor 1855
Krokodilknochen und -haut, Leder, Pflanzenfaser (Rohr),
13 × 22,2 × 17,5 cm
Was kann uns eine untergegangene Stadt erzählen? Melanie Smith sucht
in Fordlandia nach Hinweisen, indem sie eine aufgelassene Fabrikstadt in
Amazonien fotografiert. Der US -amerikanische Autofabrikant Henry Ford
erwarb das rund 14.000 km2 große Gebiet in den 1920er-Jahren, um dort
Gummi für Autoreifen zu produzieren. Der Zusammenprall mit einheimischen Arbeitern und der Widerstand der Natur machten diesen Traum von
einem Industrieimperium zunichte. Geblieben sind vom gescheiterten
Fordlandia nur die Reste der vom dichten Regenwald überwucherten Gebäude.
73
Carmen Miranda singt »The Lady in the Tutti Frutti Hat«
in Busby Berkeleys Film The Gang’s All Here
1943
Schwarz-Weiß-Fotografie, 20 × 30 cm
akg-images / Album / 20 TH CENTURY FOX
Dieser beeindruckende Helm wurde aus Krokodilleder hergestellt. In vielen Kulturen flößte das angriffslustige Reptil nicht nur Furcht und Schrecken ein, sondern galt zugleich als heilig und göttlich. Rüstungsteile aus
Krokodilleder, die in vielen Gebieten Afrikas bis weit ins 19. Jahrhundert
in Gebrauch waren, zeugen von Reichtum und Macht. Wie man weiß, wurden sie auch schon von römischen Soldaten bei Militärparaden getragen.
Sie kamen mit dem Krokodilkult bei der altägyptischen Stadt Manfalut in
Berührung, nachdem Ägypten zu einem Teil des römischen Reichs geworden war.
71
Deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg
1917
Diese Fotografie gehört zu einer Serie, in der Stan Douglas Schrebergärten
am Rand von Potsdam porträtiert. Jene von Karl Gsell erfundene deutsche
Form der Kleingärtnerei wurde nach dessen Schwiegervater, dem Arzt
Moritz Schreber, benannt, der eine gesundheitsfördernde Kindererziehung
propagierte, in der Leibesübungen im Garten eine bedeutende Rolle spielten. Die dem Idealismus des 19. Jahrhunderts verpflichteten Gärten sollten das Leben der städtischen Unterschichten bereichern, die sonst wenig
Zugang zu freier Luft und frischen Lebensmitteln hatten. Douglas’ Fotografien entstanden im Zusammenhang mit seinem Film Der Sandmann,
der von E. T. A. Hoffmanns gleichnamigem, 1816 veröffentlichtem Märchen
über den Verlust des Idealismus inspiriert ist.
Reproduktion, 20 × 30 cm
adoc-photos
Während des Ersten Weltkriegs wurden Pferde, Maultiere, Hunde und
Tauben in einem nie zuvor gekannten — und bisher nie wiedergekehrten
— Ausmaß an die Front geschickt. Um zu verhindern, dass sie Giftgas einatmen, legte man Pferden und Maultieren Gasmasken an. In Missachtung
des Haager Abkommens von 1907, das den Einsatz von Giftgas verbot,
wurden chemische Waffen wiederholt als Mittel der taktischen Angriffsvorbereitung verwendet. Zum ersten Mal im großen Maßstab setzten deutsche Truppen Gas in der Zweiten Flandernschlacht am 22. April 1915 ein.
12
lebensgroße Schaufensterpuppe und 3 Ozelots
aus Fiberglas; Wachsdruck auf Baumwollstoff,
Leder, Glas; Schaufensterpuppe
150 × 145 × 140 cm, Ozelots je 42 × 100 × 20 cm
Vanhaerents Art Collection, Brüssel
Yinka Shonibares kopflose Leisure Lady (with ocelots) führt ihre drei Wildkatzen an der Leine spazieren. Ihr viktorianisches Kleid ist aus Batikstoff
gefertigt, wie ihn holländische Händler im 19. Jahrhundert an Afrikanerinnen verkauften. Er ist mit einem Uhrenmuster versehen. Der Künstler
meint dazu: »Um in der Lage zu sein, sich dem Müßiggang hinzugeben, bedarf es freier Zeit, und Freizeit erkauft man mit Geld. Diese Hingabe an
den Müßiggang mag frivol aussehen […], aber meine Darstellung davon ist
eine Möglichkeit, an dieser Macht teilzuhaben.«
Die 1847 gegründete Hamburg-Amerika-Linie war Deutschlands erste
transatlantische Dampfschifffahrtsroute. Abgesehen von ihrer Rolle bei
der Entstehung des Schiffstourismus wurde die Hapag, die sie unterhielt,
auch zu einem der größten Dampfschifffahrtsunternehmen im Auswanderungsgeschäft, das Hunderttausende deutscher, skandinavischer und osteuropäischer Emigranten in die Vereinigten Staaten, nach Kanada und Lateinamerika beförderte. Einer Werbebroschüre aus dem Jahr 1938 zufolge
erwartete die Fahrgäste »eine Vergnügungsreise (in Komfort, angenehmer
Gesellschaft und inmitten der wundervoll wandelbaren See)«.
79
Marcel Broodthaers La Pluie (Projet pour un texte)
1969
76Friedrich II. mit Windspielen
um 1980, Malmodell nach dem Original von
Johann Gottfried Schadow, 1821/22
Gips, bronziert, 90 × 46 × 35 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei
16-mm-Film, ohne Ton, 2 Min.
Courtesy Estate Marcel Broodthaers, Brüssel
La Pluie (Projet pour un texte) wurde im Garten der Rue de la Pépinière in
Brüssel zu jener Zeit gedreht, in der Marcel Broodthaers am Musée d’Art
Moderne, Département des Aigles, Section XIX e Siècle arbeitete. »Dieses
Museum«, erklärte Broodthaers, »ist ein fiktives Museum. Es spielt einerseits
die Rolle einer politischen Parodie von Kunstausstellungen, andererseits
die einer künstlerischen Parodie politischer Ereignisse.« Der Film zeigt
Broodthaers beim Versuch, einen Text zu schreiben, während ihm der Regen ständig die Tinte wegspült.
Friedrich der Große, 1740 bis 1786 preußischer König, war ein Humanist,
der einiges von Kriegskunst verstand. Er wurde zum Inbegriff des heldenhaften Kriegsherrn, der Preußens Wohlstand mehrte, sein Territorium erweiterte und es zu einer militärischen und politischen Großmacht formte.
Johann Gottfried Schadows Porträt zeigt den gewöhnlich in Uniform und
militärischer Haltung dargestellten König bei einem anscheinend entspannten Spaziergang mit seinen treuesten Gefährten: seinen italienischen
Windspielen aus einem alten Adelsgeschlecht. Selbst im Tod waren sie noch 80
unzertrennlich: Auf seinen Wunsch hin wurde Friedrich zusammen mit Thomas Struth Louvre 3, Paris 1989
den Hunden in seiner Potsdamer Lieblingsresidenz Sanssouci begraben.
1989/90
74
Yinka Shonibare Leisure Lady (with ocelots)
2001
Offsetdruck, Plakat, 84 × 59 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum
Ihre Hauptrolle im Musical The Gang’s All Here von 1943 trug der portugiesisch-brasilianischen Sängerin Carmen Miranda den Titel »The Lady
in the Tutti Frutti Hat« ein. Umringt von einer Gruppe Bananenbüschel
schwenkender Frauen wurde Miranda zur Verkörperung des HollywoodStereotyps der exotischen heißblütigen Latina — und zur Inspirationsquelle für die 1944 geschaffene Logofigur von Chiquita, einer Marke der United
Fruit Company, die mit ihrer Monopolstellung in sogenannten Bananenrepubliken wie Costa Rica und Honduras den internationalen Bananenhandel beherrschte. In der DDR geriet die Banane zu einem mythischen Symbol kapitalistischen Wohlstands.
Hein Kaske Weihnachts- und Silvesterfahrt
nach den atlantischen Inseln
1938
2008 Schenkung der Friedrich Christian Flick Collection
Der kanadische Künstler Jeff Wall produziert seit den späten 1970er-Jahren großformatige, meist inszenierte Fotografien, die einen Bezug zur Kunstgeschichte aufweisen. Um ihnen skulpturale Eigenschaften und Tiefe zu
verleihen, präsentiert er sie in Leuchtkästen. Eines seiner Interessen gilt der
peripheren oder »inoffiziellen Nutzung von Orten«. Der auf diesem Foto
abgebildete gekrümmte Pfad ist, wie Wall in seinem gleichnamigen Buch
erklärt, »ein kleiner Trampelpfad, der von seinen Nutzern ohne Plan angelegt wurde, um etwas zu tun, das die normale Verwaltung nicht konnte
oder wollte — es steckt in ihm also eine Spur Ungehorsam oder Unabhängigkeit — Menschen tun mitunter etwas Unvorhersehbares.«
78
Farbfotografie, C-Print, Bild 168 × 152 cm,
Rahmen 156 × 172 × 6 cm
77
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
Ludwig Biller I. und Tafelaufsatz »Globus terrestris«.
Christoph Schmidt
Atlas, die Weltkugel mit gekröntem
preußischen Adler tragend
Atlas von Ludwig Biller I., Augsburg, um 1685;
Globus von Christoph Schmidt, Augsburg, 1696;
Adler: Berlin, nach 1701
Silber, teilweise vergoldet, Höhe 80 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum
In seinen Museumsfotografien widmet sich Thomas Struth dem Schicksal
von Kunstwerken im Museum. Er zeigt den Massentourismus und die damit einhergehenden Mechanismen des Spektakels in den Museen von heute. Sind Museen besondere Konservierungs- und Erinnerungsorte? Oder
eher Friedhöfe, in denen Kunstwerke zu Ikonen fetischisiert werden? Struth
fängt den Moment ein, in dem ein Austausch zwischen Besucher und Kunstwerk stattfindet. In dieser Komposition können die Gemälde ihre Lebendigkeit zurückgewinnen. Es ist, als würde man sie neu sehen.
Das Motiv dieses Tafelaufsatzes war in Deutschland ab dem 18. Jahrhundert sehr verbreitet: Atlas, der die Weltkugel mit einem gekrönten preußischen Adler trägt. In der griechischen Mythologie war Atlas der Gott der
Ausdauer und der Astronomie. Zeus hatte ihn dazu verdammt, das Himmelsgewölbe für immer und ewig auf seinen Schultern zu balancieren. Die
Bürde war ihm als Strafe dafür auferlegt worden, dass er die Titanen im
Kampf gegen die Olympier angeführt hatte.
13
81
André Malraux
Psychologie der Kunst
2 Bde.: Das imaginäre Museum,
Die künstlerische Gestaltung
aus dem Französischen übersetzt von Jan Lauts
Baden-Baden: Woldemar Klein Verlag, 1949/[1951],
französische Erstausgabe 1947/48
gebundene Bücher, je 28,5 × 22,3 × 2 cm
Privatbesitz
Der französische Schriftsteller, Kunsthistoriker und Politiker André Malraux
war ein leidenschaftlicher Archivar der Weltkunstgeschichte. Seine Idee
des imaginären Museums beruht auf einer philosophischen Auffassung, wonach Kunst und Kunstgeschichte im Wesentlichen dem Dialog zwischen
den Werken entspringen. Dieser Dialog ist nur möglich, wenn sich die Kunstwerke miteinander vergleichen lassen. Das imaginäre Museum ist die ideale Zusammenstellung aller bedeutenden Werke, die in der physischen Welt
unerreichbar ist, aber durch fotografische Repräsentation möglich wird.
82
André Breton. La beauté convulsive
hg. von Agnès Angliviel de LaBeaumelle, Ausst.-Kat.
Musée national d’art moderne, Centre Georges Pompidou,
Paris: Centre Georges Pompidou-Ircam, 1991
Freund, André Breton in seinem Atelier,
Rue Fontaine, Paris, 1957
84
Rosemarie Trockel Gewohnheitstier 3
1990
Bronze, bemalt, 10,5 × 61 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
1997 erworben aus Mitteln der Stiftung Renée Sintenis
Rosemarie Trockel hat ein Auge für das Gewöhnliche, für Dinge wie Wolle
und Herdplatten. Dieses Interesse am Alltäglichen gilt auch Tieren oder
Getier, zum Beispiel Motten, für die sie einmal ein Kaschmirhaus entwarf.
Trockels Kunst zeigt gern die ambivalente Beziehung zwischen Tier und
Mensch. Für ihre Serie Gewohnheitstiere fertigte sie Bronzeabgüsse verschiedener Tiere wie Reh oder Hund. Unter einem »Gewohnheitstier« versteht man üblicherweise eine Person mit unumstößlichen Gewohnheiten,
ein Charakterzug, der gewöhnlich Tieren nachgesagt wird.
85
in den Lichthof des Museums,
1883, gerahmt 40,5 × 54,5 × 3,1 cm, aus dem
Ausstellungskatalog von 21 Fotografien
Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
Das Berliner Kunstgewerbemuseum eröffnete 1867 mit Exponaten von der
im selben Jahr stattfindenden Pariser Weltausstellung. 1881 zog es in den
Martin-Gropius-Bau um, dessen Ausstellungsräume um ein großzügiges
Atrium angeordnet waren. Das Museum zeigte europäische und byzantinische Gebrauchskunst seit der Spätantike, vor allem Gold-, Silber- und
Emailobjekte, Porzellan, Möbel, Vertäfelungen, Wandbehänge, Kostüme
und Seiden. Eine Weile beherbergte es auch den Schatz des Priamos, ein
von Heinrich Schliemann im antiken Troja entdecktes Depot mit Goldschmuck und anderen Artefakten.
Papierkanevas, montierte Oblate (Chromolithografie),
Wollstickerei mit Goldperlenverzierung, Holzrahmen,
Glas, 43,4 × 34 cm
Diese Maske beruht auf David Lloyds grafischem Roman V wie Vendetta, in dem der Protagonist sich zur berühmt-berüchtigten Protestfigur Guy Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen
Fawkes stilisiert. 1605 hatte Fawkes, ein überzeugter Katholik, versucht,
das britische Parlament in die Luft zu sprengen, in der Hoffnung, den pro- Haussegen, die häusliche Tugenden und christliche Glaubensinhalte prietestantischen König Jakob I. zu stürzen. Neuerdings ist die Maske für diver- sen, erlangten Ende des 19. Jahrhunderts große Beliebtheit bei proletarise, teils gegensätzliche politische Gruppen zum Symbol des Widerstands schen und kleinbürgerlichen Familien. 1930 waren gerahmte Haussegen
geworden. Ihre hohe Bekanntheit erreichte sie durch die Occupy-Bewegung, auf Papierkanevas zu einem Massenartikel geworden. Sie wurden mit viel
die 2011 auf der New Yorker Wall Street begann. Hier ist sie in der Tradi- Liebe zum Detail bestickt und oft mit Hochglanzdrucken verziert. Man
tion des berühmten Abbildes von Che Guevara zur Ikone des antikapitalis- schrieb ihnen eine Schutzfunktion für die Hausbewohner zu.
tischen Protests geworden. Jede verkaufte Maske spült Tantiemen in die
Kasse des Filmrechteinhabers Warner Bros.
88
27.1 / 21.7 / 024 / 2014
2014
Hans-Jürgen Syberberg Hitler. Ein Film aus Deutschland
1977
Silbergelatineabzug auf Aluminium, 180 × 120 cm
Auflage 1/3
Video, Farbe, Ton, 410 Min.
Galerie Thomas Fischer
Ansicht: Blick
90
Haussegen »Gott hat geholfen. Gott hilft.
Gott wird weiter helfen.«
Deutschland, 1. Viertel des 20. Jahrhunderts
Privatbesitz
Dirk Braeckman
91
Thomas Heath Armillarsphäre
London, Mitte des 18. Jahrhunderts
Messing, vergoldet, Elfenbein, Höhe 27,5 cm,
Durchmesser Horizontring 22 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
2001 erworben durch das Land Berlin
Am 18. Januar 1915 notierte Virginia Woolf in ihrem Tagebuch: »Die Zukunft ist dunkel, und das ist wohl das Beste, was die Zukunft sein kann,
finde ich«. Der Fotograf Dirk Braeckman, dessen undurchdringliche indexikalische Bilder in der Dunkelkammer entstehen, weiß die Dunkelheit
gebundenes Buch, 30,6 × 21,3 × 4,4 cm
ebenfalls zu feiern. Er tut das mittels Fotografie, dem Medium des Lichts.
Privatbesitz
Dunkelheit ist das Unsichtbare, Unbekannte; die Nacht, in der die UnterGisèle Freund fotografierte André Breton 1957 in seinem am Fuß des Pariser schiede verschwimmen. »Die Abendstunde gibt uns die VerantwortungsMontmartre gelegenen Atelier. Hier finden sich Francis Picabias Le double losigkeit, die Dunkelheit und Lampenlicht gewähren«, schrieb Woolf. »Wir
monde und Joan Mirós Tête Seite an Seite mit Hopi-Puppen und polynesi- sind nicht mehr ganz wir selbst.«
schen Fetischen, Insektensammlungen, afrikanischen Totems und einer
Fotografie von Bretons dritter Ehefrau Elisa Claro. Zur Wiedereröffnung
des Centre Georges Pompidou im Jahr 2000 wurde »Bretons Wand« — sämtliche Objekte, die sich an der Wand hinter seinem Schreibtisch befanden 86
— als Denkmal für die surrealistische Bewegung nachgebildet.
Ralph Eugene Meatyard The Family Album of Lucybelle Crater
Jargon Society, 1974
Hermann Oskar Rückwardt Ausstellung der völkerkundlichen
Sammlung Riebeck im
Kunstgewerbemuseum
Berlin, 1883
Guy-Fawkes-Maske
2007, nach einer Comic-Zeichnung von David Lloyd, 1982–1988
Kunststoff, 20 × 18 × 8 cm
Ansicht: Gisèle
83
87
Hans-Jürgen Syberbergs im Jahr 1977 erschienener Film Hitler. Ein Film
aus Deutschland ist eine monumentale Studie, ein überwältigendes Stück
Ausdauerkino von fast sieben Stunden Laufzeit. Der kontroverse Film gliedert sich in vier Abschnitte und 22 Kapitel, in denen in einer Mischung aus
Spielhandlung und Dokumentarmaterial dem »Hitler-Potenzial« in der
menschlichen Natur nachgespürt wird. In ihrer Besprechung für die New
York Review of Books erklärte Susan Sontag, Syberbergs Hitler sei »nicht
nur einschüchternd durch sein Höchstmaß an Vollendung, sondern störend wie ein unerwünschtes Kind im Zeitalter des Bevölkerungswachstums Null«.
89
Maya Zack Mother Economy
2007
Buch, broschiert, 26,5 × 23 × 1 cm
Privatbesitz
Ein-Kanal-Videoprojektion, HD -Video, Farbe, Ton,
19:45 Min.
The Family Album of Lucybelle Crater umfasst 64 Ansichten der Lucybelle
Crater, die nach dem falsch erinnerten Namen einer Figur aus Flannery
O’Connors Kurzgeschichte »The Life You Save May Be Your Own« von
1953 heißt. Ralph Eugene Meatyard bevölkerte sein fiktionales Fotoalbum
mit Faschingsmasken tragenden Familienmitgliedern und Freunden. In
einem Brief an seinen Verleger Jonathan Williams schrieb er: »Werbeplakate sind in jeder Kunst das erste, was man sieht — die Masken könnte
man als Werbeplakate deuten. Ist man einmal an ihnen vorbei, sieht man
in die Vergangenheit (den Wald etc.), die Gegenwart & die Zukunft.«
Courtesy of the Artist and Alon Segev Gallery, Tel Aviv
Mother Economy veranschaulicht, »wie wir Menschen uns unsere Welt erfinden«, so die Künstlerin Maya Zack. Die Protagonistin, eine Mutter, meistert ihre Welt wie eine Rechenmaschine. Sie erledigt die Arbeiten in ihrem
offenbar jüdischen Haushalt mit äußerster Präzision. Zuerst umrandet sie
die Gegenstände auf Wand und Boden, wie um ihren Besitz abzustecken,
dann bereitet sie das Backen eines Nudelkugl vor. Das Gewicht der akribisch abgewogenen Zutaten wird in Graphen und Tabellen übertragen. Mit
Zirkel und Teilkreis wird der Kugl schließlich in ein Tortendiagramm zerlegt.
Theodolit
England (?), Anfang des 19. Jahrhunderts
Messing, Kupfer, Platin, Silber, Magnetstahl, Glas,
33,2 × 27 cm
Nikolaus III . Rugendas Reise-Äquatorialsonnenuhr
Augsburg, um 1710/30
Messing, vergoldet und versilbert, Silber,
Breite 6,6 cm, Tiefe 6,6 cm
Johann Mathias Willebrand
Reise-Äquatorialsonnenuhr
Augsburg, 1. Viertel des 18. Jahrhunderts
Silber, Messing, vergoldet, 4 × 6,1 × 6,2 cm
alle Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum
Astronomische Instrumente dienen nicht nur dazu, die Ereignisse am Himmel zu verfolgen. Sie spielen auch eine bedeutende Rolle dabei, die Zeit
und das Geschehen auf der Erde im Blick zu behalten, indem sie zur Taktung des täglichen Lebens und überhaupt zur Organisation von Gesellschaft beitragen. Astronomische Beobachtungen werden schon seit Urzeiten angestellt. Aber mit der Entdeckung der Neuen Welt entstanden neue
Instrumente, die das astronomische Wissen allgemeiner verbreiteten.
92
Puppenhaus mit Zubehör
1930er-Jahre
Holz, Blech, Textil, Porzellan, Metall, Plastik, Gips, Glas,
71 × 101 × 50 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen
Puppenhäuser sind zum Spielen da. Aber ihre Miniatureinrichtung verrät
auch viel über Geschmack, Klassenzugehörigkeit und allgemeine gesellschaftliche Sitten. Ein Puppenhaus ist so etwas wie der Versuch, im Kleinen das häusliche Leben nachzubilden, das man führt oder führen möchte.
Es lässt sich als eskapistische Fantasie betrachten, als Neuerschaffung der
Welt nach dem eigenen Wunschbild. So gesehen können nicht nur Kinder,
sondern auch Erwachsene Spaß daran haben.
14
15
93
96
100
Bruce Nauman Flesh to White to Black to Flesh
1968
Rachel Whiteread
Ohne Titel
1991
Anna Bella Geiger Passagens I
1974
Video, schwarz-weiß, Ton, 51 Min.
Gummi, 38 × 152,4 × 193 cm
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
Im Lauf der 1960er-Jahre entdeckte Bruce Nauman den eigenen Körper als
künstlerisches Medium und Material. In dem Video Flesh to White to Black
to Flesh transformiert er keine Leinwand, sondern sich selbst durch das
Auftragen und Entfernen weißer und schwarzer Pigmente. Während des
51-minütigen Videos schminkt er sich fortwährend um, bis er allmählich
wieder »er selbst« wird. »Meine Arbeit [entstand] aus Frustration über die
Verfasstheit des Menschen«, berichtet der Künstler, »die häufige Weigerung,
andere zu verstehen, die oftmalige Grausamkeit gegen andere«.
In den frühen 1990er-Jahren begann Rachel Whiteread, Abgüsse von Matratzen und Luftmatratzen zu fertigen, ein transformativer Prozess, den
sie mit Mumifizierung und Erinnerung in Verbindung bringt. Die Matratze
ist ein Objekt, das in engem Kontakt mit dem Körper steht, ein Schauplatz
von Geburt, Schlaf, Krankheit und Sex. Wie die meisten Arbeiten Whitereads
thematisiert diese durchgebogene Matratze eine mit dem intimen Alltagsgegenstand verbundene Vertrautheit, verweist aber zugleich auch auf körperliche Abwesenheit und Tod. »Ich arbeite immer mit gebrauchten Dingen«,
sagt die Künstlerin, »weil sie eine Geschichte haben. Die Matratzen sind
immer befleckt […]. Der Geruch von Menschen, einfach das tägliche Leben.«
Video, digitalisiert, schwarz-weiß, ohne Ton, 9 Min.
Auflage 5 + 2 e. a.
102
Paul Klee Abfahrt der Schiffe
1927
Öl und Tusche auf Leinwand, 50,2 × 64,4 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Courtesy of the Artist and Henrique Faria New York
94
Nelly Sachs Flucht und Verwandlung. Gedichte
Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1959
97
Statuette des Gottes Thot
Ägypten, Spätzeit – 664 bis 332 v. Chr.
Fayence, grün, 12,1 × 3,1 × 4,3 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
Nelly Sachs In der Flucht
1965
Thot war der altägyptische Gott der Weisheit, der Künste und der Gelehrsamkeit. Er konnte als Ibis oder als hundegesichtiger Pavian dargestellt
werden, die beide mit dem Mond assoziiert wurden. Zudem war er für sein
Vermittlungsgeschick zwischen den Göttern bekannt und für sein Vermö
Tonaufnahme, 0:47 Min.
gen, die Kräfte des Universums im Gleichgewicht zu halten. Eine weitere
© Suhrkamp Verlag, Berlin
seiner Fähigkeiten war das Messen, etwa der vergehenden Zeit. Thot wird
Die in Berlin geborene jüdische Dichterin Nelly Sachs floh 1940 zusammen oft als Schreiber des Totengerichts verbildlicht. Er sitzt auf der Waage, mit
mit ihrer Mutter aus Nazi-Deutschland und fand Zuflucht in Schweden. der das Herz der Verstorbenen gewogen wird, um zu prüfen, ob es so leicht
Durch die Exilerfahrung wandelte sich ihre Dichtung von einem eher na- ist wie seine Gattin Ma’at, die Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit.
iven Romantizismus zur literarischen Moderne. Sie begann für diejenigen
zu schreiben, die nicht mehr waren. In Sachs’ Gedichten wurde die Flucht
zu einer Metapher für das menschliche Dasein überhaupt: Nur in Bewegung,
nur im Wandel und in der Metamorphose lässt sich Heimat finden. 1966 er- 98
hielt sie den Literaturnobelpreis.
Urs Fischer
Ohne Titel
2000
95
Wachsvotiv rechte Ohrmuschel
o. J.
Wachs, Höhe 7,5 cm
Aquarell auf Papier, 18 × 48 cm
Im Besitz der Künstlerin
Wachsvotiv Bein
o. J.
Wachs, 18 × 5 × 2,5 cm
Die hier gezeigte Landschaft entstand während eines mehrwöchigen Aufenthalts der jungen Künstlerin in Brasilien im Frühjahr 2016. Die mit Aquarell gefertigten Malzeichnungen verbinden tatsächlich erlebte Landschaften mit imaginären Welten, in denen sich mehrere Raum- und Zeitebenen
vermischen. Zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion bewegen sich
die präzise und sinnlich erfassten Erfahrungen der wandelbaren Natur wie
jene der Menschen und Tiere, die diese bewohnen. Leerflächen dagegen markieren die stets wiederkehrenden offenen Stellen der wiedergegebenen 99
Bilderwelten, die wie spannungsgeladene Räume des Möglichen wirken.
Rolf Julius Ohne Titel
aus: Musik weit entfernt, 2005
Video- und Sound-Installation, ca. 100 × 100 cm
Wachsvotiv Kröte
Burgenland/Österreich, o. J.
rotes Wachs, massiver Modelguss, Länge 10,2 cm
Musik weit entfernt ist charakteristisch für Rolf Julius’ skulpturales Schaffen. Diese ausufernde und doch streng komponierte Bodenlandschaft, die
eine enge Beziehung zwischen Klang und Untergrund herstellt, verknüpft
Wachsvotiv weibliche Brust
visuelle und akustische Elemente. Damit soll eine synästhetische Erfahrung
hergestellt von August Wohlfahrt, Bad Tölz/Oberbayern, 1972 herbeigeführt werden, die Sehen, Riechen, Hören, Schmecken und Tasten
rotes Wachs, massiver Modelguss, Höhe ca. 10 cm
umfasst. Weit entfernt davon, »Ideen in Form von Musik auszudrücken«, versucht die vom Künstler aus einfachen, aber die Sinne ansprechenden Ma
Wachsvotiv Hand
terialien geschaffene Insel »etwas zu empfangen, das bereits da ist« — die
o. J.
Musik, so Julius, die uns allseits umgibt.
Wachs, 11,5 × 6 × 2,5 cm
Wachsvotiv Augenpaar
Gebrauchsort Bayern, o. J.
Wachs, gegossen, 6 × 7,5 × 2 cm
104
Cy Twombly Free Wheeler
1955
alle Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen
2008 Schenkung der Friedrich Christian Flick Collection
Die sich auf die Tradition der Vanitas-Malerei beziehende Plastik verbindet zwei reale Obsthälften zu einer moribunden, verrottenden Einheit. Als
eine Art Readymade aus Apfel und Birne baumelt sie einladend von der
Decke herab, als wäre sie im Begriff, von einem imaginären, unsichtbaren
Baum zu fallen. Im Prozess ihrer organischen Zersetzung nähern sich beide Fruchthälften immer weiter an. Urs Fischers zwischen Leben und Tod
schwebende Skulptur führt die Kurzlebigkeit in Echtzeit vor, die im klassischen Stillleben nur angedeutet wird.
103
Courtesy estate rolf julius
Apfel, Birne, Nylonschnur, Maße variabel
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Lydia Mall Ohne Titel
2016
Paul Klees Gemälde bedürfen sorgfältiger Lektüre, arbeiten sie doch mit
einem Arsenal an Bildsymbolen und Zeichen wie Pfeilen, musikalischer Notation oder Hieroglyphen. In diesem Seestück verbindet Klee Abstraktion
mit wiedererkennbaren Formen wie im Mondlicht schaukelnden Schiffen,
wogegen der Pfeil Bewegung generiert, den Blick des Betrachters auf das
lenkt, was sich außerhalb des Bildes befindet. »Früher«, schrieb Klee, »schilderte man Dinge, die auf der Erde zu sehen waren, die man gern sah oder
gern gesehen hätte. Jetzt wird die Relativität der sichtbaren Dinge offenbar gemacht und dabei dem Glauben Ausdruck verliehen, dass das Sichtbare im Verhältnis zum Weltganzen nur isoliertes Beispiel ist und dass andere Wahrheiten latent in der Überzahl sind.«
101
gebundenes Buch, 19 × 12 × 1 cm
Privatbesitz
Im Rio de Janeiro des Jahres 1974, in einem angespannten Klima diktatorischer Politik und wirtschaftlicher Not, steigt Anna Bella Geiger zunächst
ein geschlossenes Treppenhaus, dann weiter eine Außentreppe empor, von
einem öffentlichen Raum in den nächsten wechselnd. Die Künstlerin ist
weit davon entfernt, die Treppen vergnügt oder in freudiger Erwartung
hochzuspringen, sondern ihr Aufstieg geht langsam und mühevoll vonstatten. Doch obwohl sie müde erscheint, schreitet sie stetig und bestimmt voran, wie jemand, der langsam, aber sicher zu etwas anderem aufsteigt.
Anatomische Votive, Weihegeschenke an Gottheiten oder Heilige, die für
Gesundheit oder Medizin zuständig waren, erfreuten sich schon im alten
Griechenland und Rom großer Beliebtheit. Die Vorstellung, dass höhere
Mächte durch Opfergaben beeinflussbar sind, hat bis in die Neuzeit überlebt. Nach der Genesung von einer Krankheit brachte man als Zeichen der
Dankbarkeit und Hoffnung in Metall oder Wachs ausgeführte Votivgaben
dar, die Arme, Beine, Augen, Zähne oder Ohren darstellten. Aber nicht alle Votive waren direkte Abbildungen des betroffenen Organs oder Körperglieds. Die Kröte zum Beispiel symbolisierte die Gebärmutter. Sie wurde
bei Unterleibsschmerzen und Unfruchtbarkeit verwendet oder um die Geburt eines gesunden Kindes zu erbitten.
Dispersionsfarbe, Wachs-, Farb- und Bleistift sowie
Pastell auf Leinwand, 174 × 190 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
Ein »Free Wheeler« ist jemand, der ein unabhängiges, riskantes Leben
führt, wobei das Vergnügen im Vordergrund steht. Cy Twombly schuf Free
Wheeler 1955 nach dem Ende seines Armeedienstes 1953/54 und der damit
verbundenen Freiheitsbeschränkung. Die Arbeit lässt sich aber auch als
Antwort auf Jackson Pollocks Drip Paintings lesen, die deren selbstbewusste Farbspritzer durch Gekritzel und Auslöschungen ersetzt. Free Wheeler
wirkt wie das Anzapfen einer Energie, die sich endlos versprüht, wie die
Gestalt gewordene Hingabe an Chaos und Zufall im stickigen Nachkriegsamerika der 1950er-Jahre.
Stand-Schreitfigur eines alten Mannes
mit zahlreichen Gesichtsfalten
Ägypten, 50–30 v. Chr./späte Ptolemäerzeit
Siltstein, 49,5 × 13 × 12,5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
Diese Figur eines alten Mannes mit Gesichtsfalten steht und schreitet gleichzeitig, ist sowohl statisch als auch dynamisch. Ihre zu Fäusten geballten
Hände sind steif seitlich angelegt. Das war die Standardpose der altägyptischen Kunst, die die physischen Fähigkeiten und das Handlungsvermögen des Körpers als Voraussetzung für das ewige Leben betonte. Der bis ins
3. Jahrtausend v. Chr. zurückreichende Statuentypus strahlt Handlungsbereitschaft aus, eine Spannung, die häufig vom Gesichtsausdruck der Figur
sowie einer gewissen Gefasstheit und Beharrlichkeit unterstrichen wird.
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Franz West Passstück
1979/80
Papiermaché, Holz, Gips, Gaze, Farbe, 32 × 56 × 66 cm
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
In den frühen 1970er-Jahren begann Franz West, kleinere Skulpturen aus
Fundmaterial wie Karton und Draht zu bauen, die er mit Gips überzog
und weiß bemalte. Diese Passstücke rufen danach, in die Hand genommen
oder sogar am Körper getragen zu werden. West selbst sagte dazu: »Nimmt
man eines der Passstücke, entsteht ein Moment, in dem man nicht weiß,
was man als nächstes tun soll, ein Moment, in dem man nicht weiß, wie
man mit dem Publikum umgehen soll. Man vollführt vor ihm planlose Aktionen und Gesten […], und die werden dann ein bisschen wie Kunst.«
106
Len Lye
Tusalava
1929
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Gustav Machatý Ekstase
1933
Schwarz-Weiß-Film, Ton,
Ausschnitt: Orgasmusszene mit Hedy Lamarr, 2:42 Min.
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Paul Lafargue Le droit à la paresse
1883, Neuausgabe von Maurice Dommanget, Paris: FM /
petite collection maspero, 1977
Taschenbuch, 18 × 11 × 1 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Ekstase, eine tschechische Romanze aus dem Jahr 1933 in der Regie von
Gustav Machatý, war der erste nichtpornografische Mainstreamfilm, der
einen weiblichen Orgasmus zeigte, was zu jener Zeit äußerst gewagt war.
Dargestellt wurde er von Hedy Lamarr, die später in Hollywood zum internationalen Filmstar aufstieg. Lamarr erfand während des Zweiten Weltkriegs auch eine bahnbrechende Funkfernsteuerung, deren Prinzipien noch
heute in WLAN und Bluetooth Verwendung finden. Dennoch kannte man
Hedy Lamarr jahrelang nur als »Ecstasy Girl«.
1883 schrieb der in Kuba geborene französische Philosoph Paul Lafargue
Das Recht auf Faulheit, ein Manifest, das sich gegen die Arbeitsethik seines
Schwiegervaters Karl Marx wandte. In dem in den 1960er-Jahren und in
jüngster Zeit wieder populär gewordenen Manifest trat er für den Drei-Stunden-Tag ein und argumentierte, dass auch die Bourgeoisie arbeiten würde,
wenn Arbeit etwas so Tolles wäre. Nur Faulheit und Freizeit, so Lafargue,
könnten die menschliche Kreativität und damit auch den Fortschritt fördern.
Die Poesie dieser Skulptur steht in herrlichem Kontrast zu ihrem objektivierenden Titel. Sie zeigt zwei scheinbar identische Körbe nebeneinander,
gefüllt mit leeren, zerbrochenen, weggeworfenen Eierschalen, die Marcel
Broodthaers ob ihrer sich selbst genügenden Vollkommenheit bewunderte.
Wie Muscheln — ein anderes vom Künstler geschätztes Material — enthält
die Positivform der Schalen ihre eigene Negativform. »Alles ist Ei«, erklärte er in seinem Text »Evolution ou l’œuf film« von 1965: »Die Welt ist ein Ei.
Sie ist aus dem großen Dotter, der Sonne, hervorgegangen. Und der Bauch
einer Welle ist weiß. Ein Haufen Eierschalen der Mond. Eierschalenstaub
die Sterne. Lauter tote Eier.«
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Baylis Glascock We Have No Art
1967
available by Nga- Taonga Sound & Vision
Courtesy of Baylis Glascock, Corita Art Center/Immaculate Heart Community, Los Angeles
Rachel Carson Silent Spring
Boston: Houghton Mifflin Company;
Cambridge/Massachusetts: The Riverside Press, 1962
Film, Farbe, Ton, 25:56 Min.
Die katholische Nonne Mary Corita Kent praktizierte in den 1960er-Jahren
eine eigene Form der Pop-Art. Sie verband deren Ikonografie mit katholischen Themen, indem sie etwa Werbelogos mit Bibelversen kombinierte. Ihre
Arbeit war von den liberalen Zielen des zweiten Vatikanums inspiriert, und
als politische Aktivistin griff sie Probleme wie den Vietnamkrieg, Bürgerrechte und humanitäre Krisen auf. Schwester Corita leitete von 1964 bis
1968 das Institut für bildende Kunst am Immaculate Heart College in Los
Angeles.
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Bonaparte
Anti Anti
2008
Musik: Bonaparte;
Lack und Farben auf Zypressenholz, 21 × 13,2 × 6,8 cm Regie, Kamera, Schnitt/Farbgebung: Christoph Mangler
Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst
Nachlass Dr. Marianne Rumpf
Musikvideo, Farbe, Ton, 3:34 Min.
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Martin Heidegger im Gespräch
mit dem Mönch Bhikku Maha Mani
ARD/SWF, 28. September 1964
Video, digitalisiert, schwarz-weiß, Ton, 15:42 Min.
gebundenes Buch, 22 × 16 × 3,5 cm
Privatbesitz
Nô-Maske Typ »Junge Frau« (ko-omote)
Japan, Edo-(Tokugawa)-Zeit, 18. Jahrhundert
Weidenrute, ockerfarbene Eierschalen, Harz,
Höhe je 30 cm, Durchmesser je 27 cm
Privatbesitz
F1861 — Tusalava (1929). Courtesy of the Len Lye Foundation. From material preserved and made
107
Marcel Broodthaers Paniers avec œufs
1966
Thomas Sessler Verlag, Wien
Video, schwarz-weiß, ohne Ton, 10:05 Min.
Len Lyes Animationsfilm aus dem Jahr 1929 trägt einen samoanischen Titel. »Tusalava« bedeutet etwa, dass sich der Kreis immer schließt. Der aus
mehr als 4.000 Zeichnungen bestehende zehnminütige Film erzählt eine
Geschichte vom Beginn organischen Lebens. Die vom Künstler ersonnene
Evolution geht von zellulären Elementen aus, die ständig neue Formen hervorbringen und miteinander interagieren. Lyes Bilderwelt verbindet Stammeskunst mit Moderne. Besonders inspirierte den neuseeländischen Filmemacher die indigene Kunst der australischen, polynesischen und maorischen
Kulturen.
116
Mit freundlicher Genehmigung des SWR
Das 1962 erschienene Buch Silent Spring gilt als Startschuss der Umweltbewegung und der Popularisierung der modernen Ökologie. Rachel Carson,
die Autorin des »Giftbuchs«, war eine Biologin und Bürgerwissenschaftlerin, die erkannte, dass in die Biosphäre gelangende synthetische Pestizide,
namentlich DDT, nicht nur Ungeziefer vernichteten, sondern in der Nahrungskette nach oben stiegen und Vogel- sowie Fischpopulationen gefährdeten. Wenn die Menschheit die Natur vergifte, erklärte Carson, werde es
ihr die Natur gleichtun und die Menschheit vergiften.
114
Barbara Klemm
Petra Kelly
Hagen, 1983
Schwarz-Weiß-Fotografie, 23 × 30,5 cm
1964 traf der buddhistische Mönch und Universitätsprofessor Bhikkhu Maha
Mani den umstrittenen deutschen Philosophen Martin Heidegger für ein
Fernsehinterview im Südwestfunk. Er war den langen Weg nach Deutschland gereist, um die zeitgenössische Relevanz zweier für Heideggers wie
seine eigene Philosophie zentraler Begriffe zu erörtern: das Denken und
das Sein. In dem Interview mahnt Heidegger eine neue Art des Denkens an
und führt den allgemeinen Mangel an Verständigung zwischen den Menschen darauf zurück, »dass wir heute nicht nur in Deutschland, sondern in
Europa überhaupt kein eindeutiges, gemeinsames, einfaches Verhältnis zur
Wirklichkeit und zu uns selbst haben. Das ist der große Mangel, in dem die
westliche Welt steht.«
118
Barbara Klemm
Der Denker
1959, Abguss nach dem Original von Auguste Rodin, um 1881/83
Petra Kelly, auch »Jeanne d’Arc des Atomzeitalters« genannt, widmete sich
mit ihrem ganzen Charisma und ihrer herben Angriffslust leidenschaftlich einem politischen Anliegen. 1979 beteiligte sie sich an der Gründung
der westdeutschen Grünen, die eine öko-soziale und basisdemokratische
Politik anstrebten. Petra Kelly war überzeugt, dass sich mit den Mitteln
kollektiven gewaltlosen Widerstands eine Gesellschaft ohne Egoismus, Profitstreben und Krieg schaffen lasse.
Gips, bronziert, 71,5 × 39 × 56,5 cm
Bonaparte
Nô-Maske Typ »Junge Frau« (ko-omote)
Japan, Tokugawa-Zeit, 17. Jahrhundert
Leimfarbe und Kreide auf Hinoki-Holz, Höhe 20,6 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst
Ehemals Sammlung Hayashi Tadamasa, Tokio
Das Nô-Theater ist die älteste überlieferte Theaterform Japans. Seine Wurzeln reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Der Begriff »Nô« leitet sich
vom japanischen Wort für »Talent« oder »Kunstfertigkeit« ab. Den Masken
wird die magische Fähigkeit zugeschrieben, die Person, die sie repräsentieren, wahrer als die Wirklichkeit erscheinen zu lassen. Es gibt fünf Arten
von Nô-Masken: Götter, Dämonen, Männer, Frauen und Alte. Sämtliche
Rollen werden von Männern gespielt. Ko-omote, das »kleine Gesicht«, vermittelt die Schönheit junger Mädchen. Durch Bewegungen, die verschiedene Emotionen zum Ausdruck bringen, kann der Schauspieler die Maske
zum Leben erwecken.
Der Song »Anti Anti« erschien 2008 auf dem ersten Album Too Much der
Berliner Band Bonaparte. Die Musik von Bonaparte wurde als visueller
Trash Punk und die Band selbst als »entfesselter Trash-Zirkus« beschrieben. »Anti Anti« und der zugehörige, von Christoph Mangler gedrehte Videoclip erinnern an den Anti-Establishment-Anarchismus der Dadaisten,
dessen Geist im Refrain zum Ausdruck kommt: »They drive a limousine, we
ride a bike, they own the factory, but we’re on strike!«
115
111
Bruce Nauman Pay Attention
1973
Lithografie, 97,2 × 71,8 cm
Auflage 4/50
Den Denker konzipierte Auguste Rodin ursprünglich für das Tympanon
seines monumentalen Bronzeportals Das Höllentor. Mehrere Jahre später
wurde die Skulptur als eigenständiges Werk gezeigt und wird seither als solches betrachtet. Ursprünglich Der Dichter genannt, sollte die Figur Dante,
den Autor der Göttlichen Komödie, darstellen. Zu sehen ist eine nackter
Mann, dessen kräftiger Körperbau eigentlich darauf schließen lässt, dass
er in der Lage ist zu handeln. Er sitzt aber gedankenversunken da, als betrachte er die Kreise der danteschen Hölle, während er über sein Werk
nachsinnt. Rodin selbst schrieb: »Langsam entwickelt sich der fruchtbare
Gedanke in seinem Gehirn. Plötzlich ist er kein Träumer mehr; er ist ein
Schöpfer.«
Öl auf Leinwand, 200 × 200 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
1976 erworben durch das Land Berlin
Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
Die Lithografie Pay Attention entstand in den Gemini GEL Studios in Los
Angeles. Der in Versalien geschriebene Text »pay attention mother fuckers«
steht spiegelverkehrt, und die Buchstabenumrisse von »pay attention« werden wiederholt. Der so entstehende prall angefüllte Raum, meinte Bruce
Nauman, repräsentiere »etwas anderes, das ich erreichen wollte: ein richtig
aggressives Geschiebe an den Rändern und der Oberfläche. Das bringt genauer zum Ausdruck, worum es in der Druckgrafik geht, als die wortwörtliche Bedeutung von ›pay attention‹ — obgleich die ebenso darin steckt«.
18
Gerhard Richter Seestück (See-See)
1970
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Zwischen 1968 und 1970 malte Gerhard Richter seine erste Serie von Seestücken, die gleichermaßen Bezug auf die deutsche Romantik etwa eines
Caspar David Friedrich nahm wie sie unterlief. In Richters Bildwelt steht
kein »Mönch am Meer«, findet sich keine Figur, in die man sich einfühlen
kann. Zur Schaffung dieser scheinbar konventionellen Landschaft verband
der Künstler zwei Fotos vom Meer — eines davon auf dem Kopf stehend — an
der Horizontlinie. Dann malte er sie wirklichkeitsgetreu ab. Wo sich normalerweise Meer und Himmel treffen, berührt das Meer hier nur sich selbst
— und schafft damit einen Raum, der zugleich unendlich wie unmöglich ist.
19
119
Immanuel Kant Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf
Königsberg: Friedrich Nicolovius, 1795
gebundenes Buch, 19 × 11,5 × 1,5 cm
Staatsbibliothek zu Berlin — Preußischer Kulturbesitz, Abt. Historische Drucke
In einer Zeit massiven gesellschaftlichen Aufruhrs, der Revolutionen und
des Krieges hielt der deutsche Philosoph Immanuel Kant am Ideal eines
dauerhaften Friedens zwischen den Staaten fest. Er hatte allen Grund zu
glauben, dass ein solches Ideal unerreichbar sei, und fühlte sich doch verpflichtet, eine praktische Anleitung zu einem ewigen Frieden zu schreiben
— ein Plan, auf den auch heute noch oft zurückgegriffen wird. Kants
Grundgedanke war, dass der Friedenszustand weder durch bloße Beendigung der Gewalt zustande komme noch als Naturzustand missverstanden
werden dürfe, sondern dass es sich dabei um etwas handele, das bewusst
herbeigeführt und durch dauernde Anstrengungen seitens der Politik und
der Bürger konsequent aufrechterhalten werden müsse.
Nam June Paik Zen for TV
1963/90
125
Festausgabe der Zeitschrift Der Kampf
Bd. 26, H. 3/4: Karl Marx zum 50. Todestage
Wien: Verlag Wiener Volksbuchhandlung, März/April 1933
Heft, broschiert, 20 × 14 × 0,5 cm
Privatbesitz
Anselm Kiefer
Lilith am roten Meer
1990
1993 Geschenk des Künstlers
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
1963 setzte Nam June Paik in der Wuppertaler Galerie Parnass als Erster
den Fernseher als Kunstmedium ein. In der Ausstellung waren mehrere
kopfüber oder seitlich montierte Fernseher mit manipulierten Empfangsteilen zu sehen. Zen for TV reduzierte das Fernsehbild auf eine dünne vertikale Linie. In der Arbeit treffen sich gewissermaßen westliche Technologie
und östliche Spiritualität. Der Fernseher hört auf, eine Quelle der Unterhaltung zu sein, und wird zu einem Ort der Kontemplation und Meditation.
Produced by Projects GmbH, Düsseldorf
Fernseher mit Magnet, 67,5 × 47,5 × 38,5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
123
Marmor, 31,6 × 47,6 × 6,9 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst
Die Verkündigungsszenen des Mittelalters und der Renaissance zeigen den
Erzengel Gabriel meist links im Bild und in Profilansicht, mit einer Lilie
in den Händen, die er der Jungfrau Maria entgegenstreckt: »Fürchte dich
nicht Maria! du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger
werden und einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen.« Maria
steht oder kniet gewöhnlich, wie in Vairones Darstellung, in Frontalansicht vor einem geöffneten Buch. Gesichtsausdruck und Körperhaltung spiegeln ihre Überraschung und ihr Zögern wider: »Wie soll das zugehen, da ich
von keinem Manne weiß?«
Der Kampf erschien monatlich von 1907 bis zum Februar 1934 in Wien, bis
1938 illegal weiter in der Tschechoslowakei und dann als Der sozialistische
Kampf / La Lutte socialiste in Paris. Bereits im Ersten Weltkrieg war die
Monatsschrift zu einem Sprachrohr der Linken gegen die Kriegspolitik geworden. Diese Funktion erfüllte die Zeitschrift weiterhin in den militanten
1930er-Jahren, wie die im März 1933 veröffentlichte Festausgabe zu Ehren
von Karl Marx bezeugt. In einem Monat, in dem sich die Mehrheit in Deutschland und Österreich eher für den »Kampf« des gerade zum deutschen Reichskanzler gewählten Adolf Hitler interessierte, setzten sich die Herausgeber 124
der Zeitschrift verstärkt für die Freiheit ein.
Kurt Schwitters Kathedrale
1923/26
121
Holz, genagelt, 39 × 17 × 7 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Robert Barry 28 Pieces as of 1 June 1971
1971
Diaprojektion, Maße variabel
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
2008 Schenkung der Friedrich Christian Flick Collection
Robert Barry verfertigt Sprachkunst. Allerdings weniger mit zusammenhängenden Texten als mit einzelnen Worten. Seit den 1960er-Jahren erarbeitet er ein kleines, erlesenes Vokabular aus einigen grundlegenden Wörtern, die den Korpus und das Material seines Schaffens bilden: »Als ich
anfing, auf das jeweilige an die Wand projizierte Wort zu schauen — nur das
Wort und das Licht vor dem dunklen Hintergrund —, konzentrierte ich mich
in meiner Arbeit allmählich auf einzelne Wörter und Wendungen. Statt zu
versuchen, mittels Text eine Idee oder einen Sinn zu vermitteln, entwickelte ich ein Interesse an der jeweiligen Fähigkeit des Worts, Emotionen oder
Gefühle zu transportieren.«
20
128
On Kawara One Million Years (Future)
aus: One Million Years (Past 7–8 / Future 7–8),
Konrad Fischer Galerie und NRW-Forum Kultur und
Wirtschaft, Düsseldorf 2002
2 CDs, Ton, Sprecher: Richard Hucke und Anne Esser,
63 bzw. 58 Min.
Privatbesitz, courtesy Konrad Fischer Galerie und NRW-Forum, Düsseldorf
On Kawaras Buchprojekt One Million Years reflektiert das Verstreichen
der Zeit. One Million Years (Past), entstanden 1969, ist all jenen gewidmet,
»die gelebt haben und gestorben sind«, und reicht vom Jahr 998.031 v. Chr.
bis 1969 n. Chr. One Million Years (Future), entstanden 1981, ist »dem Letzten« gewidmet. Es beginnt mit dem Jahr 1993 n. Chr. und endet mit dem
Jahr 1.001.992 n. Chr. Die erste Aufführung der Arbeit fand 1993 am Dia
Center for the Arts in New York City statt. Seither wurden weltweit Lesungen abgehalten und Aufnahmen gemacht.
Biagio Vairone Verkündigung
1500–1510
120
122
Blei, Emulsion, Leinen, Asche und Kreide
auf Leinwand, 280 × 625 cm
In diesem Werk beschäftigt sich Anselm Kiefer mit dem Leben in verlassenen Ruinen, wie es Lilith, der mythischen ersten Frau Adams, nachgesagt
wird. Lilith wird meist als dämonisch-verführerische Kraft, aber auch als
Beispiel der Emanzipation gesehen. Denn statt sich Adam zu unterwerfen
verließ sie lieber das Paradies und floh ans Rote Meer, wo sie Hunderte von
Kindern gebar. Als Gott ankündigte, täglich hundert ihrer Kinder ermorden zu wollen, wenn sie nicht zu Adam zurückkehre, beugte sie sich nicht,
sondern drohte damit, die Kinder selbst umzubringen.
129
James Broughton This Is It
1971
126
Elif Erkan The Extender
2013
Kunststoff, Gips, Silikon, Acryl, 61 × 89 cm
In dem alltäglichen »Garten Eden«, den James Broughton 1971 mit seinem
zwischen Schöpfungsmythos und Zen angesiedelten Experimentalfilm
auf die Leinwand brachte, tapst der zweijährige Adam einem apfelroten
Ball hinterher. Die Stimme Gottes, die den Jungen bei seinen Erkundungen des Gartens begleitet, betont, dass im Hier und Jetzt alles vorhanden,
alles vollkommen sei. Doch das unerschrockene Kleinkind sucht die Grenzen seiner Idylle und überschreitet sie schließlich. Mit rotem Cowboyhut
und Turnschuhen bricht es in die weite Welt seines kalifornischen Vororts
auf. An ein Zurück scheint der »erste Mensch« nicht zu denken.
Courtesy of the artist and Weiss Berlin
Elif Erkans Skulpturen sind wie Momentaufnahmen, die einen Akt isolieren. Objekte werden in Gips gegossen und verschieben die Aufmerksamkeit vom Zweck des Objekts auf den Akt, durch den das Werk seine Form
erhalten hat. Wie eine Fotografie speichert der Abguss das Wissen einer
konzentrierten Aktion; ein Koffer wird zu einer Zeitkapsel, die einen Moment festhält, dessen Handlung im Kopf des Betrachtenden weitergedacht
werden kann.
Joseph Beuys Das Kapital Raum 1970 –1977
1980
27 verschiedene Objektarten, u. a. Konzertflügel,
Filmprojektoren, 50 Tafeln mit Kreidezeichnungen,
Maße variabel
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx
Joseph Beuys schuf dieses Environment 1980 für die Biennale in Venedig.
Die groß angelegte Arbeit, die aus 50 Tafeln sowie verschiedenen weiteren
Objekten und ausgeschalteten Maschinen wie Filmprojektoren und Tonbandgeräten besteht, setzt Beuys’ Gedanken um, dass Kapital nicht Geld
oder Eigentum bedeutet, sondern menschliche Kreativität. »Man wird verstehen«, erklärte Beuys, »dass der Kreativitätsbegriff ein Freiheitsbegriff
ist und gleichzeitig die Fähigkeit des Menschen meint. Dann wird man
auch die Konsequenzen ziehen und feststellen, dass das, was der Kapitalismus meint, gar kein Kapital ist, denn sie sprechen dauernd von Kapital
im ökonomischen Bereich. Aber der wichtigste ökonomische Faktor ist die
menschliche Fähigkeit.«
16-mm-Film, digitalisiert, Farbe, Ton, 10 Min.
Courtesy of the Estate of James Broughton
130
127
1979 erworben durch den Verein der Freunde der Nationalgalerie
Nach dem Ersten Weltkrieg ersann Kurt Schwitters eine eigene Kunstbewegung, die er »Merz« nannte, ein Wort, das aus »Kommerz« hervorging. Merz
äußerte sich in Form von Collagen aus Papierschnipseln und anderen Abfallmaterialien. Ein wiederkehrendes Motiv war die Kathedrale, die damals auch einige Expressionisten als Emblem für die Einheit der Künste
verwendeten. Um 1923 begann Schwitters in seiner Wohnung in Hannover
an einer riesigen, sich über mehrere Räume erstreckenden Assemblage zu
arbeiten. Er »taufte« sie »Kathedrale des erotischen Elends«, bevor er sie
in »Merzbau« umbenannte.
Bob Dylan
Fallen Angels
New York: Columbia Records, 2016
Vinyl und Karton, Durchmesser Schallplatte 30 cm,
Umschlag 31,5 × 31,5 cm
Privatbesitz
Fallen Angels ist Bob Dylans 37. Studioalbum. Es erschien am 20. Mai 2016.
Der Titel bezieht sich auf abtrünnige Engel, die wie Luzifer gegen Gott
aufbegehrten und dafür aus dem Paradies beziehungsweise aus dem Himmel vertrieben wurden. Auf diesem in seiner ungewohnten Romantik auffallenden Album covert Dylan zwölf klassisch amerikanische Songs von
unter anderem Johnny Mercer, Harold Arlen, Sammy Cahn und Carolyn
Leigh. Die Platte umfasst — ähnlich ihrem Vorgänger Shadows in the Night
von 2015 — Lieder, die fast alle auch von Frank Sinatra eingespielt wurden, mit Ausnahme von »Skylark«.
21
die künstlerinnen und künstler
ein register
Han nah A rendt
>2Q Seite 11
1906 Hannover – 1975 New York
Adelber t von Chamisso
>2Q Seite 3
1781 Schloss Boncourt/Frankreich – 1838 Berlin
Carl Barks
>2Q Seite 6
1901 nahe Merrill/Oregon
– 2000 Grants Pass/Oregon
Cha rl ie Chapl i n
>2Q Seite 6
1889 London – 1977 Corsier-sur-Vevey/Schweiz
Rober t Bar r y
>2Q Seite 20
*1936 in New York, lebt in Teaneck/New Jersey
Lotha r Bau mga r ten
>2Q Seiten 2, 9
*1944 in Rheinsberg, lebt in Berlin
Samuel Beckett
>2Q Seite 9
1906 Dublin – 1989 Paris
Jo seph Beuy s
>2Q Seite 21
1921 Krefeld – 1986 Düsseldorf
Ludw ig Biller I.
>2Q Seite 13
1656 Augsburg – 1732 Augsburg
J a m e s Wa l l a c e B l a c k
>2Q Seite 4
1825 Francestown/New Hampshire –
1896 Cambridge/Massachusetts
Bonapar te
>2Q Seite 18
2006 gegründete Berliner Band des Schweizer
Produzenten und Liedermachers Tobias Jundt
Dirk Braeckman
>2Q Seite 14
*1958 in Eeklo/Belgien, lebt in Gent
A ndré Breton
>2Q Seite 14
1896 Tinchebray/Frankreich – 1966 Paris
Marcel Broodthaers
1924 Brüssel – 1976 Köln
>2Q Seiten 4, 13, 19
Ja me s Br ou g ht on
>2Q Seite 21
1913 Modesto/Kalifornien –
1999 Port Townsend/Washington
Hend r ick ter Br ugghen
>2Q Seite 3
1588 Den Haag (?) – 1629 Utrecht
Berlinde De Br uyckere
*1964 in Gent, lebt in Gent
>2Q Seite 7
Theodor de Br y
>2Q Seite 10
1528 Lüttich – 1598 Frankfurt am Main
Peter Buggen hout
>2Q Seite 2
*1963 in Dendermonde/Belgien, lebt in Gent
Noël Bu rch
>2Q Seite 9
*1932 in San Francisco, lebt in Frankreich
Rachel Carson
>2Q Seite 19
1907 Springdale/Pennsylvania –
1964 Silver Spring/Maryland
22
Larr y Clark
>2Q Seite 10
*1943 in Tulsa/Oklahoma, lebt in New York
F r a n c i s c o d e G o y a y L u c i e n t e s >2Q Seite 8
1746 Fuendetodos/Spanien –
1828 Bordeaux
A ndreas Gursky
>2Q Seite 7
*1955 in Leipzig, lebt in Düsseldorf
M a nt h ia Diawa ra
>2Q Seite 5
*1953 in Bamako/Mali, lebt in New York
João M a r ia Gu s m ão u nd
Ped ro Paiva
>2Q Seite 7
*1979 in Lissabon, lebt in Lissabon /
*1977 in Lissabon, lebt in Lissabon
Stan Douglas
>2Q Seite 13
*1960 in Vancouver, lebt in Vancouver
T hom a s Heat h
>2Q Seite 15
1714–1773, tätig in London
Georges Dudog non
>2Q Seite 8
1922 La Rochelle/Frankreich – 2001 Paris
Mar ti n Heidegger
>2Q Seite 19
1889 Meßkirch/Baden – 1976 Freiburg
Bob Dylan
>2Q Seiten 6, 21
*1941 in Duluth/Minnesota, lebt in Malibu/
Kalifornien
Ja n S a n d e r s v a n H e m e s s e n
um 1500 Hemiksem/Belgien –
nach 1575 Haarlem
A nd rzej Dziewanowsk i
>2Q Seite 10
im 20. Jahrhundert tätig in Polen
Bi nelde Hy rca n
>2Q Seite 2
*1983 in Luanda, lebt in Paris und Luanda
Elif Erkan
>2Q Seite 21
*1985 in Ankara, lebt in Berlin und Los Angeles
R ol f Ju l iu s
>2Q Seite 17
1939 Wilhelmshaven – 2011 Berlin
>2Q Seite 3
Harun Farocki
>2Q Seite 11
I m ma nuel K a nt
>2Q Seite 20
1944 Neutitschein (heute Nový Jičín/Tschechien) 1724 Königsberg – 1804 Königsberg
– 2014 Berlin
Hein Kaske
>2Q Seite 13
A ndreas Fischer
>2Q Seite 8
1901–1985
*1972 in München, lebt in Düsseldorf
O n K awa ra
>2Q Seite 21
Ur s F i sche r
>2Q Seite 16
1933 Kariya/Iowa – 2014 New York
*1973 in Zürich, lebt in New York
Petra Kel ly
>2Q Seite 19
Peter Fischli und
1947 Günzburg – 1992 Bonn
D av i d We i s s
>2Q Seiten 3, 11
*1952 in Zürich, lebt in Zürich /
Ma r y Cor ita Kent
>2Q Seite 18
1946 Zürich – 2012 Zürich
1918 Fort Dodge/Iowa – 1986 Boston/
Massachusetts
F i sk Jubi le e Si n ge r s
>2Q Seite 4
seit 1871 an der Fisk University in Nashville/
A nsel m K iefer
>2Q Seite 21
Tennessee aktiv
*1945 in Donaueschingen, lebt in Paris
und Barjac/Frankreich
Gisèle F reu nd
>2Q Seite 14
1908 Berlin – 2000 Paris
Pau l K lee
>2Q Seite 17
1879 Münchenbuchsee/Schweiz –
C a s p a r D a v i d F r i e d r i c h >2Q Seite 10
1946 Muralto/Schweiz
1774 Greifswald – 1840 Dresden
Barbara K lem m
>2Q Seite 19
Anna Bella Geiger
>2Q Seite 17
*1939 in Münster, lebt in Berlin
*1933 in Rio de Janeiro, lebt in Rio de Janeiro
Jef f Koon s
>2Q Seite 6
Bayl is Glascock
>2Q Seite 18
*1955 in York/Pennsylvania, lebt in New York
*1941 in Missouri, lebt in Los Angeles
Pau l La fa rg ue
>2Q Seite 19
Édoua rd Gl issa nt
>2Q Seite 5
1842 Santiago de Cuba – 1911 Draveil/Frankreich
1928 Bezaudin/Martinique – 2011 Paris
Hedy Lamar r
>2Q Seite 18
1914 Wien – 2000 Orlando/Florida
Ja s on R hoade s
>2Q Seite 4
1965 Newcastle/Kalifornien – 2006 Los Angeles
Rosemar ie T rockel
>2Q Seite 14
*1952 in Schwerte, lebt in Köln
Li, Zhensheng
>2Q Seite 9
*1940 in Dalian/China, lebt in Peking
G erha rd Richter
>2Q Seite 19
*1932 in Dresden, lebt in Köln
C y T wombly
>2Q Seite 17
1928 Lexington/Virginia – 2011 Rom
Joh a n ne s L i nde r m a n
>2Q Seite 3
1745 Amsterdam – nach 1806
Rihanna
>2Q Seite 4
*1988 in Saint Michael/Barbados,
lebt in New York und Los Angeles
A r naud Uy tten hove
>2Q Seite 6
*1981 in Brüssel, lebt in Los Angeles
B i a g i o Va i r o n e
>2Q Seite 20
† 1514, ab spätestens 1492 tätig vor allem in Pavia
Dav id L loyd
>2Q Seite 15
*1950 in Enfield/Greater London,
lebt in Brighton
Auguste Rodin
>2Q Seite 19
1840 Paris – 1917 Meudon
Mar tin Luther
>2Q Seite 5
1483 Eisleben – 1546 Eisleben
Her man n Oskar Rück wardt
1845 Löbau – 1919 Berlin
L e n Lye
>2Q Seite 18
1901 Christchurch/Neuseeland –
1980 Warwick/New York
N i k o l a u s III . R u g e n d a s
1665–1745, tätig in Augsburg
Gu st av M ach at ý
>2Q Seite 18
1901 Prag – 1963 München
Lyd ia M a l l
>2Q Seite 16
*2010 in Berlin, lebt in Berlin
A nd ré Ma l rau x
>2Q Seite 14
1901 Paris – 1976 Créteil/Frankreich
>2Q Seite 14
>2Q Seite 15
>2Q Seite 13
Na m Ju ne Pa i k
>2Q Seite 20
1932 Seoul – 2006 Miami
Pier Paolo Pasolini
1922 Bologna – 1975 Ostia
>2Q Seite 4
Ma n f red Pau l
>2Q Seite 11
*1942 in Schraplau bei Halle, lebt in Berlin
Ezra Pound
>2Q Seite 5
1885 Hailey/Idaho – 1972 Venedig
E y a l We i z m a n
>2Q Seite 10
*1970 in Haifa, lebt in London
Ch r istoph Sch m idt
>2Q Seite 13
? – nach 1709, tätig in Augsburg
F r a n z We s t
>2Q Seite 18
1947 Wien – 2012 Wien
Carl Schu l z
1796–1866
Rachel W h iteread
>2Q Seite 16
*1963 in London, lebt in London
>2Q Seite 2
Bhikku Maha Mani
>2Q Seite 19
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tätig
Ku r t Schw itter s
>2Q Seite 20
in Bangkok
1887 Hannover – 1948 Kendal/England
R a l p h E u g e n e M e a t y a r d >2Q Seite 14
>2Q Seite 9
1925 Normal/Illinois – 1972 Lexington/Kentucky A l l a n S e k u l a
1951 Erie/Pennsylvania – 2013 Los Angeles
K a z i m i e r z M i c h a ł o w s k i >2Q Seite 10
Fazal Sheikh
>2Q Seite 10
1901 Tarnopol – 1981 Warschau
*1965 in New York, lebt in Zürich und New York
Car men Miranda
>2Q Seite 12
Yinka Shonibare
>2Q Seite 12
1909 Várzea da Ovelha e Aliviada/Portugal –
*1962 in London, lebt in London
1955 Beverly Hills
Br uce Nau ma n
>2Q Seiten 8, 16, 18
*1941 in Fort Wayne/Indiana,
lebt in Galisteo/New Mexico
A n d y Wa r h o l
>2Q Seiten 2, 6, 9
1928 Pittsburgh/Pennsylvania – 1987 New York
G e b r ü d e r We b e r, B e r l i n
>2Q Seite 7
1875 – Ende der 1930er-Jahre bestehende Wachsfigurenfabrik
Nel ly Sachs
>2Q Seite 16
1891 Berlin – 1970 Stockholm
Joha n n G ottf r ied Schadow
1764 Berlin – 1850 Berlin
J e f f Wa l l
>2Q Seite 12
*1946 in Vancouver, lebt in Vancouver
Joh a n n M at h i a s Wi l lebr a nd
um 1658–1726, tätig in Augsburg
>2Q Seite 15
A u g u s t Wo h l f a h r t
>2Q Seite 17
im 20. Jahrhundert tätig in Bad Tölz/Oberbayern
Joachim Anthonisz. Wtewael
1566 Utrecht – 1638 Utrecht
M aya Zack
>2Q Seite 15
*1976 in Tel Aviv, lebt in Tel Aviv
Roman Sig ner
>2Q Seite 7
*1938 in Appenzell, lebt in St. Gallen
Renée Si nten is
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1888 Glatz (heute Kłodzko/Polen) – 1965 Berlin
Mela n ie Sm ith
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*1965 in Poole/England, lebt in Mexiko-Stadt
Mar tin Städeli
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*1962 in Basel, lebt in Berlin
Thomas Str uth
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*1954 in Geldern, lebt in Berlin und New York
H a n s - Jü r ge n Sybe rbe r g
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*1935 in Nossendorf/Vorpommern,
lebt in München und Nossendorf
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impressum
Dieses Heft erscheint anlässlich der Ausstellung Das Kapital. Schuld — Territorium — Utopie.
Eine Ausstellung der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof — Museum für Gegenwart —
Berlin, 2. Juli – 6. November 2016.
Kuratiert von Eugen Blume und Catherine Nichols
Mit Texten von An Paenhuysen
ÜbersetzungWilfried Prantner
Lektorat
Almut Otto
Gestaltungcyan Berlin [www.cyan.de]
(Daniela Haufe und Detlef Fiedler)
Druck
vierC, Berlin