Die Mongolen unter Dschingis Khan, seinen Söhnen und Enkeln

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Die Mongolen unter Dschingis Khan, seinen Söhnen und Enkeln
Die Mongolen
unter Dschingis Khan, seinen Söhnen und Enkeln
Alexander v. Seydlitz –Kurzbach
Inhalt:
1206 bis 1241
1241 bis 1242
1242 bis 1260
Hannß von Seydlitz in der Schlacht von Wahlstatt
S. 1
S. 3
S. 6
S.10
1. 1206 bis 1241
Dschingis Khan hat es 1206 geschafft, die durch interne Streitereien gespaltenen
Nomadenvölker der mongolischen Steppen zu reinen. Mit einer von ihm ausgebildeten
Streitmacht überfällt er 1207 die Waldvölker der Kirgisen und Oiraten. 1209 unterwirft er das
China vorgelagerte Tangutenreich und hat damit eine hervorragende Ausgangsbasis für einen
Angriff auf die Reichtümer Nordchinas. 1211 greift er erstmals an, bricht 1214 die
militärische Macht Chinas und zieht 1215 in Peking ein.
Interessant an China ist für die Mongolen nur die Beute. An eine Eingliederung der eroberten
Gebiete in das sich langsam bildende Mongolenreich denkt noch niemand. 1216 zieht sich
Dschingis Khan mit dem Hauptheer auf das Stammland am Kerulenfluß zurück, in der
Gegend des heutigen UlaanBaatar. Nur eine Besatzungstruppe bleibt zurück.
Da die Beute aus dem China-Feldzug nicht ewig reicht, beginnt Dschingis Khan eine Politik
der „Offenen Tür“, versucht mit den reichen mohammedanischen Städten und Staaten im
Westen Handel zu treiben. Er sendet Handelskaravanen nach Westen, um wirtschaftliche
Beziehungen anzubahnen. Eine mongolische Delegation, ausgesandt in das Land Chorezm,
wird bei der Stadt Otrar erschlagen. Diese unselige Tat verlangt nach Rache, zumal damit der
erste Versuch gescheitert ist, mit Mittel- und Vorderasien friedliche Handelbeziehungen
einzugehen. Die Rache wird fürchterlich.
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1219 bricht das mongolische Heer, 200 000 Mann stark, nach Mittelasien auf, erreicht 1220
die Gegend der heutigen russisch-afghanischen Grenze, und 1221 wird der letzte Widerstand
der Chorezmier am Indus zerschlagen. 1223 stoßen mongolische Truppen bis Russland vor,
besiegen in der Schlacht von Taganrog am Kalkafluß ein russisches Heer und kehren 1224
wieder in ihr Stammland zurück.
Die Kriege führt Dschingis Khan erbarmungslos und mit aller Grausamkeit. Die
Unterworfenen verlieren nie die Erinnerung daran – es herrscht fortan Ruhe, die Länder sind
gefahrlos zu bereisen. Statthalter in den eroberten Gebieten sind Dschingis Khans Söhne und
treue Gefolgsleute. Bei den Mongolen entwickeln sich staatliches Denken und prosperierende
wirtschaftliche Verhältnisse. Das Mongolenreich – bis heute das größte Landreich der
Geschichte – nimmt Gestalt an. Die 1220 von Dschingis Khan gegründete Stadt Karakorum
wird erster Reichsmittelpunkt.
1227 stirbt Dschingis Khan. Nachfolger wird sein Sohn Ögödei, der nicht zögert, auch
Mittelchina zu unterwerfen. Auf dem Reichstag im traditionellen Stammland wird 1235
beschlossen, auch Russland und Osteuropa anzugreifen. Führer dieses Heeres ist Batu, ein
Enkel Dschingis Khans. 1236 ist die Wolga erreicht, 1237 fällt Moskau. 1238 heißt das Ziel
Ungarn und deren König Bela VI., weil der geflohene russische Kumanen aufgenommen hat,
die von den Mongolen lediglich als „Knechte“ betrachtet werden. Sie fordern von ihm die
totale Unterwerfung – die Anerkennung eines Cha-Chans – dem „der Himmel alle Länder der
Erde zu eigen gegeben habe“. König Bela lehnt empört ab.
Schon bald ergießen sich Flüchtlingsströme nach Westen. Die südrussischen Fürsten kommen
schutzflehend nach Ungarn und Polen und berichten von den Greueln der Mongolen. Im
Dezember 1240 gibt es Kiew nicht mehr, und die Mongolen stoßen in die Stromgebiete von
Dnjepr und Bug vor, um den nächsten Feldzug vorzubereiten.
Die Mongolen handeln strategisch klug. Europa weiß nichts von ihnen, diese aber um so mehr
von Europa, bis in die Einzelheiten der Familienbeziehungen der Herrscherhäuser hinein. Sie
wissen, das Ungarns König Bela mit dem polnischen Herzog Boleslaw von Sandomir, Konrad
von Masowien und Herzog Heinrich von Schlesien verwandt ist. Heinrich wiederum ist
verschwägert mit König Wenzel von Böhmen. Alle vier Länder grenzten an Ungarn, könnten
also, wenn nötig, schnelle Hilfe leisten. Also mussten ihre Heere, bis Ungarn fiel, gebunden
werden.
Die mongolischen Heere sind für die damalige Zeit außerordentlich schnell, an den Kampf in
großen Verbänden mit klarer Führung gewöhnt und unterliegen einer bedingungslosen
Disziplin. Hinzu kommt ihr reiterliches Geschick und der vollendete Umgang mit dem Bogen,
der sie treffsicher auf galoppierendem Pferd sogar nach hinten schießen lässt.
Eine ihrer Kriegsmethoden ist das Verbreiten von Schrecken und Panik sowie das
Vortäuschen einer ungeheuren Zahl von Kriegern. Tatsächlich umfasst die nach Europa
entsandte Streitmacht nicht mehr als 150 000 Reiter. Sie sind in der Lage, an einem Tag im
Umkreis von einhundert Kilometern zu brandschatzen und am folgenden Tag zu einer
Entscheidungsschlacht anzutreten.
Für die schwerfälligen, eisengepanzerten Ritterheere ist nicht vorstellbar, dass sie es immer
mit den gleichen Einheiten und Kriegern zu tun haben. Die Menge der Mongolen wächst in
ihrer Phantasie ins erschreckend Märchenhafte.
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Drei Wochen nach dem Fall von Kiew im Dezember 1240 ist bereits ganz Podolien,
Wolhynien und das heutige Ostgalizien mit der Hauptstadt Haliz in mongolischer Hand. Im
Februar schwärmen Vortrupps durch Polen und brennen Sadomir nieder. Im März folgt die
Offensive aller drei Heeresverbände gleichzeitig. Kadan berennt die Moldau und die
Bukowina, Batu stürmt die Karpatenpässe, und Kaidus Reiterscharen ergießen sich nach
Polen. Drei polnische Heere stellen sich ihnen entgegen, erfolglos. Am 24. März 1241 geht
das alte berühmte Krakau in Flammen auf, Anfang April wird die Gegend um Breslau
verheert, und am 8. April steht die ganze Armee Kaidus bereits wieder gesammelt vor
Liegnitz.
In Liegnitz hat Herzog Heinrich von Schlesien alle verfügbaren Kräfte seines Landes, alle
Barone und Edlen, Ritter und Reisige sowie Fußvolk aus Schlesien und Polen, Bergknappen
aus der Stadt Goldberg sowie eine bedeutende Streitmacht der Templer zusammen gezogen.
Der Herzog von Oppeln, der Markgraf von Mähren mit ihren Kriegsmannschaften,
Deutschritter und andere Ritterorden, die im Lande Besitzungen haben, eilen ihm zu Hilfe.
Außerdem erwartet Heinrich seinen Schwager, König Wenzel von Böhmen, der mit 50 000
Mann auf dem Weg nach Schlesien ist.
Beginn der Schlacht von Liegnitz auf der Wahlstatt 1241
2. 1241 bis 1242
In Liegnitz hat Herzog Heinrich von Schlesien alle verfügbaren Kräfte seines Landes, alle
Barone und Edlen, Ritter und Reisige sowie Fußvolk aus Schlesien und Polen, Bergknappen
aus der Stadt Goldberg sowie eine bedeutende Streitmacht der Templer zusammen gezogen.
Der Herzog von Oppeln, der Markgraf von Mähren mit ihren Kriegsmannschaften,
Deutschritter und andere Ritterorden, die im Lande Besitzungen haben, eilen ihm zu Hilfe.
Zudem erwartet Heinrich seinen Schwager, König Wenzel von Böhmen, der mit 50 000 Mann
auf dem Weg nach Schlesien ist. Die mongolische Armee unter ihrem Anführer Kaidu steht
am 8. April 1241 nur noch in geringer Entfernung vor den Toren von Liegnitz.
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Kundschafter Kaidus melden das Herannahen des starken böhmischen Heeres, und so
entschließt er sich, weil seine Truppen von der Kopfzahl her schwächer sind als die Heinrichs,
ohne Zögern anzugreifen. Heinrich gerät in Gefahr, im engen Liegnitz mit seinen Rittern und
Fußvolk eingeschlossen zu werden, die zahlenmäßige Überlegenheit also nicht entfalten zu
können. Wann König Wenzel eintrifft, ist noch ungewiss, und Heinrich befürchtet, dass die
Mongolen bei weiterem Zögern seinerseits zunehmend Verstärkung erhalten.
So beschließt er, die Feldschlacht anzunehmen und führt seine Truppen in südlicher Richtung
aus Liegnitz heraus, Wenzel entgegen. Einige Kilometer vor Liegnitz, auf einem von flachen
Hügeln begrenzten Feld, erwartet ihn Kaidu, der sofort angreift. Es ist der Morgen des 9.
April 1241.
Das Mongolenheer sieht eigentlich nicht groß aus. Die Ritter erkennen jedoch erst spät,
letztlich zu spät, dass eine Formation von tausend mongolischen Reitern, die eng geschlossen
agieren, nach nicht mehr aussehen als eine Schlachtreihe der ihren aus fünfhundert.
Die Mongolen stürmen schweigend auf ihren struppigen, zähen Pferdchen heran, ohne das
übliche Feldgeschrei, ohne obligatorischen Trompetenlärm, nur durch nicht deutbare
Flaggensignale dirigiert. Mann und Pferd tragen leichte Panzer aus festem, in mehreren
Schichten aufeinander gepresstem Rindleder. Die Bewaffnung besteht aus krummem Säbel,
Lanze, Streitkeule und der hochgefährlichen Fernwaffe Pfeil und Bogen, mit denen sie
meisterhaft umzugehen verstehen.
Der erste der vier Schlachthaufen Heinrichs bricht unter einem mörderischen Pfeilhagel
zusammen und wendet sich zur Flucht, noch bevor die beiden Heere richtig
aufeinandertreffen. Doch dann donnert die schwer bewaffnete, eisengepanzerte schlesische
Ritterschaft heran, und das Schlachtenglück scheint sich zu wenden. Nach kurzem Kampf
wendet sich der Feind zur Flucht, von den Rittern unter großem Jubel verfolgt.
Schlacht von Wahlstatt
(Aus dem Hedwigs-Kodex von 1353)
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Sie hätten besser die alte Kriegslist der Mongolen studiert. Ihre nunmehr auseinander
gezogene Kampfformation wird plötzlich, verstärkt durch bisher von Heinrich nicht erkannte,
bislang „unsichtbare“ Reserven, auf allen Seiten von feindlichen Reitern auf schnellen
Pferden umschwärmt. Ihre Pfeile können zwar den Eisenpanzern der Ritter kaum etwas
anhaben, treffen aber umso tödlicher die weniger geschützten Pferde – und ohne Pferde
werden die dann ziemlich unbeweglichen Ritter Mann für Mann eine leichte Beute.
In diesem Getümmel versinkt Heinrichs Fußvolk plötzlich in furchtbarer Angst, denn
unvermutet taucht auf einer hohen Stange ein großer bärtiger Menschenkopf von grässlichem
Aussehen auf, der übelriechenden, benommen machenden Qualm und Rauch speit.
Der Schrecken ist unsagbar, zumal der Feind hinter der dichten Wolke kaum auszumachen ist
und sozusagen aus dem Nichts heraus über die verwirrten Kämpfer herfällt, auch sie dem
Untergang preisgegeben. Zeitgenössischen Berichten zufolge war dies der erste Gasangriff
der Geschichte auf europäischem Boden.
Der Sieg gehört endgültig den Mongolen, als der Herzog fällt. Mit ihm bleiben die meisten
Ritter und Edelleute und fast das gesamte Fußvolk auf der Wahlstatt. Chroniken berichten von
30 000 bis 40 000 Toten. Dem gefallenen Herzog trennen die Mongolen den Kopf ab und
tragen ihn auf einer Lanzenspitze vor die Mauern der Burg Liegnitz. Die Stadt selbst geht in
Flammen auf.
König Wenzel erfährt, nur einen Tagesmarsch von Liegnitz entfernt, von der unglücklichen
Niederlage. Er fühlt sich mit seinen 50 000 Mann jedoch zu schwach, um allein den
Mongolen entgegen zu treten und wendet sich nach Westen, um dem Landgrafen von
Thüringen und dem Herzog von Sachsen beizustehen, die täglich den Einfall der Mongolen
erwarten. Kleinere Trupps ziehen immerhin schon plündernd durch das Gebiet um Meißen
und des Glatzer Berglandes.
Doch sie kommen nicht!
Bei Kaidu trifft am 11. April die Meldung ein, dass die Ungarn unter König Bela von Batus
Einheiten völlig vernichtet wurden und alle Truppen, mongolischem Brauch folgend, nach
Ungarn kommen sollen, um das Land Distriktweise zu plündern. Bevor er diesem Ruf folgt,
wartet er die Rückkehr seines zweiten Hee-resteiles nach Liegnitz ab, der in weit
ausholendem Bogen Litauen, Ostpreußen, Pommern und Westpolen „befriedet“ hat. Im
Norden bis zur Ostsee steht kein Feind mehr, der den Mongolen in der Flanke gefährlich
werden könnte.
Nun wendet sich
Süden, wo
und Batu kein
verwüstet
Kaidu nach
zwischen ihm
Feind steht,
Mähren,
Die Mongolen vor der Burg
Liegnitz mit dem Haupt von
Herzog Heinrich
(Aus dem Hedwigs-Kodex
von 1353)
brandschatzt die
Troppau,
Neustadt,
reichen Städte
MährischFreudenthal und
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Brünn, um sich schließlich mit Batu zu vereinigen. Bis zum Beginn des Winters ruhen die
Heere.
Erst in den Weihnachtstagen 1241 überschreiten sie die zugefrorene Donau, verheeren Buda
und Gran und rollen in einer Zangenbewegung Ungarn von Süden und Westen her auf und
vollenden die Eroberung des Landes. Stoßtrupps gelangen über Ungarns Grenzen hinaus bis
Kronenburg und Wiener Neustadt.
Prinz Batu rüstet zu einem neuen Feldzug. Da erreicht ihn die Kunde, dass sein Vater, der Cha
Chan Ögödai, Sohn Dschingis Khans, gestorben ist. Batu muss, nach dem Gesetz der Jassa,
zurückkehren in das tausende Kilometer entfernte Stammland. Die Jassa besagt, dass nach
dem Tod des Herrschers alle Nachfolger aus den Hause Dschingis Khans, gleich wo sie sich
befinden, in der Mongolei auf einem „Kuriltai“ den neuen Cha Chan zu wählen haben. Batu
bricht den geplanten Feldzug gen Westen ab – das Abendland ist gerettet!
3. 1242 bis 1260
Das mongolische Reich und die „Pax Mongolica“ als Basis für Sicherheit,
Reichtum und Wissenschaft im größten Herrschaftsbereich aller Zeiten.
Entsprechend der von
und von seinen
mongolischen
müssen nach dem Tod
potenziellen Nachfolger
Khans auf einem
Chan wählen. Diesem
Dschingis Khans Enkel
Oberbefehlsaber aller
Truppen, denn sein Vater,
zweitjüngster Sohn
November 1241
Dschingis Khan geschaffenen
Nachfolgern fortgeführten
Gesetzessammlung, der Jassa,
des obersten Herrschers alle
aus den Hause Dschingis
„Khuriltai“ einen neuen Cha
Gesetz unterliegt auch
Prinz Batu,
westlichen mongolischen
der Großkhan Ögödei,
Dschingis Khans, war im
gestorben.
Batu steht 1242 an der
Truppen zu diesem
Feldzug in Europa vor.
der ihm unterstellten
seit 1235 Hauptstadt des
Stammland, endet der
Reichsversammlung unter
beschlossene
Adria und bereitet seine
Zeitpunkt auf einen neuen
Mit der Rückkehr Batus und
Einheiten nach Karakorum,
Reiches im mongolischen
bereits 1235 auf einer
der Leitung Ögödeis
„Mongolensturm“ auf Europa.
In der Geschichte der
Europafeldzug nicht nur
der Regierungszeit
Bedeutendsten der
Mongolen. Nie zuvor
Mongolen zählt der
zum herausragenden Ereignis
Ögödeis, sondern auch zum
gesamten Geschichte der
hatte ein Volk in so kurzer
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Zeit eine so enorme territoriale Erweiterung vollzogen. Der mongolische Herrschaftsbereich
hatte sich während der Regierungszeit Ögödeis von 1228 bis 1241 weit über die von
Dschingis Khan eroberten Gebiete hinaus ausgedehnt. Er reichte in der Ost-West-Achse vom
Gelben Meer über China und große Teile Russlands und des Balkans bis nach Ungarn,
umfasste das Kaspische Meer, Persien und dehnte sich weiter bis nach Indien. Und es sollte
bis 1294 unter Qubilai Khan noch größer werden, dass größte Landreich, das jemals
existierte.
Das in der Spitze bis zu
von direkten Nachfahren
lenreich war international,
an Perspektiven für alle,
anschlossen. Die
nicht mehr nur Nomaden,
angenommen, in der die
Gruppierungen sich als
dargemeinschaft verstandie von Dschingis Khan
eingeführte uigurische
mongolischen Naiman kam
handhaben war als die
dato gab es bei den
Überlieferung.
seinem Auseinanderbrechen stets
Dschingis Khans geführte Mongoja geradezu kosmopolitisch, reich
die sich ihm ohne Widerstand
mongolische Gesellschaft, jetzt
hatte eine neue Dimension
ursprünglichen Stämme und
eine neue Traditions- und Soliden. Mit dazu beigetragen hat auch
etwa um 1206 bei den Mongolen
Schrift, die von den türkischund entschieden einfacher zu
hochkomplizierte chinesische. Bis
Mongolen nur die mündliche
Die „fremden“ Mongolen sprich besiegte Völker, wenn sie
sich bedingungslos unterworfen hatten - lebten in ihren Heimatländern und Städten unter
mongolischer Oberaufsicht, die sich durchaus auch aus loyalen Einheimischen rekrutieren
konnte. Die Produktion von Nahrung, Vieh und Waren aller Art konnte ungestört
weitergehen. Deren Erträge und Überschüsse flossen in Form von Steuern und Abgaben dem
Cha Chan und damit den „echten“ Mongolen zu. Handwerk, Wissen, Kultur und Traditionen
blieben zum Wohle und Nutzen beider Seiten weitgehend erhalten.
Selbstverständlich hatten auch „fremde“ Mongolen in den Heeresabteilungen zu dienen.
Zusammengehalten durch das von Dschingis Khan eingeführte Prinzip von „Loyalität und
Fürsorge“, bildeten diese Truppen trotz unterschiedlicher Herkunft ihrer Mitglieder
schlagkräftige Verbände, die sich bedingungslos an eine der wichtigsten Jassas Dschingis
Khans hielten: „Die Mongolen müssen sich die ganze Erde unterwerfen und dürfen mit
keinem Volk Frieden haben, bis es vernichtet ist, außer es unterstellt sich ihnen“.
Ögödei war trotz aller Eroberungszüge und der damit verbundenen Grausamkeiten ein
Herrscher des Aufbaues und Ausgleiches. Fähige Menschen aller Stände der eroberten
Gebiete organisierten die Infrastruktur des Reiches, ordneten Militär- und Verwaltungswesen.
Eine regelrechte „Bürokratie“ sorgte für Ordnung in allen wichtigen Bereichen des täglichen
Lebens. Ganz wichtig für das Zusammenleben dieses Vielvölkerreiches war die absolute
„Religionsfreiheit“.
Der Handel mit Gütern aller Art hatte in Asien eine lange Tradition, wurde doch schon vor
vier, fünf Jahrtausenden in Ostasien, dem Zweistromland, Ägypten und dem Mittelmeerraum
nachweislich mit Erzen, Edelsteinen wie Jade und Lapislazuli sowie Glasperlen gehandelt.
Irgendwann in den beiden letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende haben sich wohl lokale
Abschnitte der Handelswege zu längeren Handelsstrassen verbunden, die sich im allgemeinen
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Sprachgebrauch als „Seidenstraßen“ festsetzten, wenngleich Seide nicht das einzige
Handelsgut war. Zahlreiche „Nebenwege“ führten nach Burma, Tibet, Nordindien, Arabien
und in die nördlichen Steppen bis zum Ural und der Taiga. Wie wichtig bereits Dschingis
Khan die Sicherung des Handels war, lässt sich an der Stoßrichtung seiner Eroberungszüge
nach Westen erkennen, die den Handelsstrassen folgte.
Wichtige Handelsstraßen zwischen Asien und Europa
im Machtbereich der Mongolen
Unter seinen Nachfolgern entwickelte sich der Fernhandel zu einem funktionssicheren,
sozusagen „weltweiten“ Wirtschaftssystem. Planbare Handelsreisen waren möglich, ja fast
selbstverständlich.
Eine Handelskarawane auf dem Weg zum Meer
Detail aus dem „Katalanischen Weltatlas“ von 1375
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Ein Beispiel mag dies belegen: Der persische Dichter Sa’di (gest. 2. Hälfte des 13.
Jahrhunderts) berichtet von einem Kaufmann, der eine neue Reise plant. Der besaß 150
Lastkamele und 40 Sklaven, Handelspartner in Turkestan und Hindustan sowie Kredite und
Bürgschaften für viele weitere Länder.
„Ich will persischen Schwefel nach China führen, denn wie ich höre, steht er dort hoch im
Preis; von dort will ich chinesisches Porzellan nach Griechenland, von dort griechisches
Seidenzeug nach Indien, von dort indischen Stahl nach Aleppo, von dort aleppinische
Glaswaren nach Jemen und schließlich gestreifte Stoffe aus Jemen nach Persien verhandeln“.
Möglich waren solche Planungen in den von den
Mongolen eroberten Ländern zwischen Ostasien und dem
Mittelmeer, die Mitte des 13. Jahrhunderts vorübergehend
als einheitliches Machtgebilde unter dem universellen
Herrschaftsanspruch ihrer Khane standen. Es ist die Zeit
zwischen dem Tod Dschingis Khans 1227 und dem
Regierungsantritt von Qubilai Khan 1260, dem späteren
Begründer der Yuan-Dynastie in China.
In Anlehnung an die Pax Romana wird diese Epoche als
Pax Mongolica bezeichnet. Der Begriff gilt nach Ansicht
etlicher Historiker
auch für die sich anschließenden 100 Jahre bis zum Ende
der Nachfolgereiche. Die Pax Mongolica gilt insgesamt
als Basis für sichere und planbare Handelskontakte über
weite Entfernungen.
Westliche Reisende sparten nicht mit Bewunderung und Anerkennung für die mongolische
Handelspolitik. Marco Polo staunte über den das ganze Reich umfassenden Kurierdienst, der
schon unter den Chinesen bestanden hatte und den Ögödei und Qubilai weiter ausbauten.
Ende des 13. Jahrhunderts verfügte der Kurierdienst über 1000 Poststationen, die Händlern
und ausländischen tributpflichtigen Delegationen auch als Unterkunft dienten, 50 000 Pferde,
8400 Ochsen, 6700 Maultiere, 4000 Karren sowie 6000 Boote. Wichtige Nachrichten wurden
mit einer Geschwindigkeit von 400 Kilometern pro Tag befördert.
Der blühende Handel führte auch zu vielfältigen kulturellen Kontakten und einen intensiven
Wissenstranfer zwischen West und Ost. Die Völker lernten sich besser kennen, wobei sich
dem Abendland der bislang von wilden Phantasien und Geheimnissen durchwobene exotische
Ferne Osten mehr und mehr erschloss, vornehmlich getragen durch die vielfältigen und
detailgenauen Berichte westlicher Reisender und Händler.
Hervorzuheben sind die Reiseberichte von Johannes de Plano Carpini 1245 – 1247, Wilhelm
von Rubruck 1253 – 1255 und Marco Polo 1271 – 1295.
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Marco Polo
verabschiedet sich von
Qubilai Khan
Miniatur aus dem
„Buch der Wunder“,
15. Jahrhundert
Über die Handelsstrassen gelangten durch die Vermittlung des Islam wissenschaftliche und
technologische Kenntnisse nach China, vorrangig in den Bereichen Astronomie, Medizin,
Militärtechnik und Wasserwirtschaft. Umgekehrt profitierten die Europäer von der
chinesischen Buchdruckkunst, dem Kompass und dem Schwarzpulver.
Von bleibendem Einfluss war aber auch die Herausbildung einheitlicher bürokratischer
Institutionen, Verwaltungsabläufe, Titel und der von einheitlichen Grundsätzen geprägte
„Kanzleistil“, der sich so in chinesischen, mongolischen, türkischen, persischen, tibetischen
und altrussischen Dokumenten wiederfindet.
Kulturhistorisch von unschätzbarem Wert ist „Die Geheime Geschichte der Mongolen“, die
höchstwahrscheinlich um 1240 vollendet wurde. Es ist die in epischem Stil abgefasste
zeitgenössische Biographie Dschingis Khans sowie die seines Sohnes Ögödei bis zu eben
diesem Jahr. Eine weitere historische Quelle zur mongolischen Geschichte aus etwa dieser
Zeit stammt aus Persien und ist unter dem Namen „Der Sammler der Geschichten“ bekannt.
Quellen:
Die Mongolen, Gudrun Ziegler/Alexander Hogh (Hrsg.)
Konrad Theis Verlag GmbH, Stuttgart, Bestellnummer 18469-6
Volksmärchen der Mongolen, übersetzt und herausgegeben von Erika Taube
Biblion Verlag München, ISBN 3-932331-47-8
Dschingis Khan und seine Erben, Ausstellungskatalog, Hrsg. Kunst- und
Ausstellungshalle der BRD GmbH, Bonn, ISBN 3-7774-2545-1
4. Hannß von Seydlitz in der Schlacht von Wahlstatt
Auszug aus einem 1701 verfassten Schreiben Leopolds des Ersten, Kaiser des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation, in dem herausragende Leistungen von Mitgliedern der
Seydlitz-Familie beschrieben werden, darunter auch die Taten des Hannß von Seydlitz in der
Schlacht von Wahlstatt:
„Solche Ritterlichen Thaten haben die von Seydlitz in nachgefolgden Saeculus, absonderlich
Anno zwölff Hundert Ein und Viertzig, zur Zeit der damalen in Schlesien gewesten
Hertzogens Henrici Pii, da die Tartarn mit großer Macht bei Lignitz eingefallen, zu ihrem
unsterblichen nachruhm immerfort außgeübet und vermehrt, wie dan unter anderen Hannß
von Seydlitz, alß Er in wehrenden grausamen Streit den Todt gedacht Seines Hertzogens vor
augen gesehen, nebst noch anderen dreyen Rittern also kühn in die Tartarn gesetzt, dass Er
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selbe, so viel wie möglich, zurück geschwellet und mehr besagten Hertzogen, Henrico Pio,
nach dem Ihme Clemens Haubtman des Glogauischen Fürstenthumbs ein frisches Pferd zu
gebracht, zu reiten platz gemacht, wie aber dieser tapfere Hertzog Seinen getreuen Vorgänger
steiff nachgefolget, hat ihn ein grosser Tartar mit eußerster macht angefallen, deme zwar der
Hertzog mit einem Hieb einen Arm abgelöst, gleich darauf aber hat Ihn ein anderer Tartar mit
einem Rennspieß bei der Achsel also durch rennet und damit aus dem Sattel gehebebt, das Er
Kraftlos vom Pferdt auf die Erde gefallen, und Sein Leben Ritterlich beschlossen, die noch
übrig gebliebene Ritter und Hoffjunker heben Ihr leben gleichermaßen eingebüsset, außer
genannter Hannß von Seydlitz, welcher mit dreyen ereylten Christen Acht Tartarn, die Ihn
verfolget, Ritterlich erlegt, ist mit dem Leben darvon kommen, hat doch zum Denkzeichen
Seiner gegen mehr ermelten Hertzogen Henricum Pium erwiesenen beständigen Treü zwölff
wunden darvon getragen; ...
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