Grundlagen der Wärmetechnik

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Grundlagen der Wärmetechnik
Härterei Handbuch
Grundlagen der Wärmetechnik
Dieses Handbuch entstand in enger Zusammenarbeit mit unseren Spezialisten in der VTN Fritz
Düsseldorf GmbH. Diese kleine Arbeitshilfe der Härtetechnik beschreibt in mehreren Kapiteln die
Grundlagen der verschiedenen Härtetechniken. Abgerundet wird das Handbuch mit einem
Kapitel über Werkstoffe und Tabellen zur Härteumwertung verschiedener Messgrößen.
1. Härten
1.1 Beschreibung
Unter
Härten
versteht
man
eine
Wärmebehandlung bestehend aus Austenitisieren
und Abkühlen unter solchen Bedingungen, dass
eine Härtezunahme durch mehr oder weniger
vollständige Umwandlung des Austenits in der
Regel in Martensit erfolgt. Das Austenitisieren ist
der Behandlungsschritt, in dem das Werkstück auf
Austenitisierungstemperatur gebracht wird und
durch vollständige Phasenumwandlung und
Carbidauflösung die Matrix des Stahls austenitisch
wird. Nach dem Austenitisieren erfolgt das
Abkühlen. Damit das gesamte Werkstück ein
martensitisches Gefüge annimmt, muss die
Geschwindigkeit des „Temperatursturzes“ größer
sein als die sogenannte kritische Abkühlgeschwindigkeit des jeweiligen Stahls.
Das Abkühlen kann in verschiedenen Medien erfolgen, die sich charakteristisch durch ihre
Abkühlwirkung in den verschiedenen Temperaturbereichen unterscheiden (Öl, Abschrecklösung,
Wasser, Luft, Stickstoff).
Nach der Wärmebehandlung sollte das gehärtete Gefüge bei untereutektoiden Stählen (unter
0,8% Kohlenstoffgehalt) überwiegend aus Martensit bestehen. Das Gefüge sogenannter
übereutekoider Stähle (über 0,8% C-Gehalt) besteht nach dem härten üblicherweise aus
Martensit + Restaustenit + Carbid. Dem Anteil dieser Phasen ist z.B. bei der Wärmebehandlung
von Werkzeugstählen große Bedeutung beizumessen, da Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit
und Maßhaltigkeit vom Gefügezustand nach dem Härten beeinflusst werden.
1.2. Geeignete Werkstoffe
Im Prinzip ist fast jeder Stahl mehr oder weniger gut härtbar. Die Härtbarkeit ist aber
entscheidend von der chemischen Zusammensetzung des Stahls abhängig. Unter Härtbarkeit
versteht man die Fähigkeit eines Stahls, in der oberflächennahen Zone mehr oder weniger
tiefgreifend eine erhöhte Härte anzunehmen. Der Begriff „Härtbarkeit“ beinhaltet die Höhe sowie
die Verteilung der Härtezunahme im Werkstück (Einhärtbarkeit).
1.3. Warum Wärmebehandlung ?
Das Härten wird angewendet, um Bauteilen und Werkzeugen eine ausreichende Härte und
Festigkeit gegenüber mechanischen Beanspruchungen – z.B. statischer oder dynamischer
Verformung durch Zug, Druck, Biegung, Verschleiß - zu verleihen. Bei der Härtung voll härtbarer
Stähle im klassischen Härteofen oder im Vakuumofen wird das Bauteil im allgemeinen komplett
durchgehärtet. Im Gegensatz dazu führt das Randschichthärten zu gezielt ausgeprägten
Härtetiefen je nach Behandlungsart.
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Quellen: VTN- Archiv, Industrieverband für Härtetechnik (IHT)
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2. Vergüten, Anlassen, Glühen
Das Vergüten wird den thermischen Wärmebehandlungsverfahren zugeordnet. Es handelt sich
hierbei um ein kombiniertes Wärmebehandlungsverfahren von Härten mit einem
nachfolgenden Anlassen. Beim Anlassen handelt es sich um ein- oder mehrmaliges
Erwärmen eines gehärteten Werkstücks zur Erzielung vorgegebener mechanischer
Eigenschaften. Glühen beschreibt die Erwärmung auf Härtetemperatur ohne Abschreckung.
2.1. Vorzüge der Vergütung
- hohe Standfestigkeit und Biegefestigkeit
- hohe Dauerschwingfestigkeit und gute Zug- und Kerbschlagzähigkeit
- ideale Voraussetzung für spätere thermochemische Wärmebehandlung
3. Kundenangaben zur Wärmebehandlung
Auf jeden Fall anzugeben sind Werkstoff,
gewünschte Härte und bei Anlieferung die
bereits erfolgte Bearbeitung des Werkstückes.
Näheres dazu siehe auch unsere Dokumentation
zum Thema „Härteangaben“.
4. Randschichthärten
Das Randschichthärten ist eine besondere Verfahrenstechnik. Hier wird gezielt eine gewisse Tiefe
der Werkstoff härtetechnisch beeinflusst. Nach DIN 17014 ist der Begriff definiert als „Härten mit
einem auf die Randschicht beschränkten Austenitisieren“. Zwischen dem gehärteten Bereich und
dem unbeeinflussten Material entsteht die sogenannte „Übergangszone“. Es ist zweckmäßig die
Art der Randschichthärtung durch das eingesetzte Verfahren zu beschreiben, z.B. Induktionshärten, Einsatzhärten, Nitrieren oder Laserstrahlhärten.
Randschichthärten Definition und Einteilung der Verfahren
-
- Kugelstrahlen
- Wasserstrahlen
- Glattwalzen
- Hämmern
Einsatzhärten
Nitrieren
Carbonitrieren
Nitrocarburieren
Borieren
Chromieren
Aluminieren
Silizieren
Vanadieren
• Reibhärten
(Schleifhärten)
Verfahren zur Randschichtverfestigung
- Flammhärten
- Induktionshärten
- Laserstrahlhärten
- Elektronenstrahlhärten
• Randschichthärten
durch Spanen
- Ranschichtumschmelzen
- Ranschichtumschmelzlegieren
- Schalenhärten nach Durchwärmung
Thermomechanische Einwirkung
Thermochemische Einwirkung
Mechanische Einwirkung
Thermische Einwirkung
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4.1 Härte in Abhängigkeit der kritischen Abschrecktemperatur
Zusammenhang der Härte eines Werkstoffes mit Hilfe ZTU – Diagramms:
Zuerst erfolgt die Erwärmung auf Austenitisierungstemperatur. Danach wird das Teil mit Wasser,
Abschreckmedium (Polymer), Öl, Stickstoff oder an Luft abgeschreckt. Dabei durchläuft der
Werkstoff verschiedene Umwandlungsphasen. Die zeitliche Abfolge dieser Phasen haben eine
entscheidende Bedeutung auf das Endergebnis.
Solange bei der Abkühlung nicht der Bereich der Perlitphase (P) und Bainit-Phase (B)
durchlaufen wird (rote Kurve), entsteht das gewünschte Martensitgefüge. Ist die
Abkühlgeschwindigkeit zu gering, entstehen unterschiedliche Mischgefüge.
ZTU-Diagramm - Variation Abkühlraten
Gefügebestandteile
C45 (1.0503)
1.000
900
M
800
700
F
600
T in °C
Ac3
Ac1b
P
F
P
B
M
500
B
400
Ms
300
200
100
500
0
10-1
100
94
5,5 K/s
101
102
103
104
t in s
F
P
Quellen: Rose A.; Peter W.: Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle, Band 1
Hougardy H.P.: Umwandlung und Gefüge unlegierter Stähle
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4.2 Härtetechnische Besonderheiten beim Nitrieren
Bei der Nitriertechnik wird der Werkstoff nicht direkt umgewandelt. Die Härtezunahme entsteht
durch Einlagern von Atomen wie z.B. Stickstoff. Diese Verfahren sind besonderst bei
verzugsarmen Anforderungen hervorragend geeignet um Verschleißeigenschaften an der
Oberfläche eines Bauteiles zu verbessern.
Quelle: (Rübig)
Gasnitrieren:
In einer aufgespalteten Ammoniakgasatmosphäre diffundiert üblicherweise bei ca. 500- 540°C
Stickstoff in die Bauteile ein. Die Behandlungsdauer beträgt 10 – 160 Stunden. Für
Nitrierhärtetiefen (Nht) ergeben sich dadurch Tiefen von 0,1 - 0,9 mm.
Plasmanitrieren:
Das Plasmanitrieren bewirkt die Einlagerung von Stickstoff in Eisenwerkstoffen bei 420 – 520°C
und findet im Vakuum unter Zuhilfenahme des mit einer Glimmentladung erzeugten Plasmas an
der Werkstückoberfläche statt. Das Verfahren eignet sich besonders für hochlegierte Werkstoffe
(> 13% Chrom).
Nitrocarburierung im Gas oder Plasma:
Dieser Prozess erfolgt vorzugsweise bei 570 – 580°C in einem Gasgemisch Stickstoff-Kohlenstoff
abgebender Medien und stellt eine Alternative zur Salzbadnitrocarburierung mit langsamerer
Chargenabkühlung dar.
Carbonitrieren
Dieser Prozess ist eine Sonderart des Einsatzhärten. Die Temperaturen im Schutzgaskammerofen
sind niedriger als die bei der Einsatzhärtung, jedoch höher als die üblichen Nitriertemperaturen.
Die Temperaturen liegen zwischen ca. 760 und 900 °C als kombinierte KohlenstoffStickstoffdiffusion für niedrig- und unlegierte Stähle. Durch Anreicherung von Stickstoff wird die
Härtetemperatur und die kritische Abkühlgeschwindigkeit herabgesetzt.
Oxidieren
Bei Temperaturen um 480°C wird Wasser (evt. mit Zusätzen) in der mit Stickstoff gefluteten
Ofenkammer verdampft. Durch diesen Prozess entsteht eine Oxidschicht an der Bauteiloberfläche
aus überwiegend Fe3O4. Hierdurch wird die Korrosionsbeständigkeit noch zusätzlich verbessert.
Die Oxydschicht hat eine Stärke von etwa 1 - 3 µm.
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4.3 Einsatzhärten
Im Rahmen dieses Verfahrens wird die Randschicht von Bauteilen / Werkzeugen mit einem
Kohlenstoff abgebenden Medium aufgekohlt und anschließend abgeschreckt. Das Einsatzhärten
dient dazu, der Randschicht von Bauteilen eine wesentlich höhere Härte und bessere
mechanische Eigenschaften zu verleihen. Einsatzgehärtete Teile zeichnen sich durch erhöhten
Verschleißwiderstand, einen zähen Kern sowie durch eine erhöhte Biegewechselfestigkeit aus.
Diese Eigenschaften sind vor allem bei Getriebeteilen erwünscht. Gut zu zerspanende Stähle mit
niedrigem Kohlenstoffgehalt lassen sich mit dieser Methode damit gut auf die später
gewünschten Eigenschaften einstellen.
Die Abschreckung kann entweder direkt aus der Aufkohlungstemperatur oder nach einem
Zwischenkühlen und Wiedererwärmen auf eine werkstoffspezifische Härtetemperatur erfolgen.
Dies sind nur zwei Varianten möglicher Temperatur-Zeit-Folgen beim Einsatzhärten. Die
Aufkohlung erfolgt in der Regel zwischen 880 bis 980°C. Nach dem Abhärten der aufgekohlten
Bauteile ist ein Anlassen erforderlich, um die aus der Härtung entstandenen Spannungen zu
mindern und die geforderten Gebrauchsfestigkeiten einzustellen.
Für das Einsatzhärten stehen dem
Wärmebehandler
unterschiedliche
Anlagentechniken wie z.B. Kammeröfen,
Durchlauföfen, Salzbäder, Niederdruckanlagen etc. zur Verfügung. Partielles
Einsatzhärten
ist
mit geeigneten
Isoliertechniken wie abdecken oder
verkupfern möglich. Alternativ sei hier auf
die Variante Aufkohlen & partielles
Induktivhärten hingewiesen. Aufgekohlt
wird mit Pulver, Salz, oder Gas. Als
Abschreckmedien werden Härteöle oder
synthetische Polymerlösungen eingesetzt.
4.4 Induktive Erwärmung
Bsp. Freiburg: Automatisierte Schutzgaslinie mit
4 Härteöfen, 2 Waschanlagen, 3 Anlassöfen
Alle Werkstoffe, die den elektrischen Strom leiten, lassen sich induktiv
erwärmen. Im Allgemeinen werden alle Arten von Metallen induktiv erwärmt.
Hier ist die Bauteilgeometrie und gewünschte Härtetiefe für jedes Bauteil auf
seine Machbarkeit hin unbedingt im Vorfeld zu prüfen.
5. Vakuumhärten und Glühen
Bei der Vakuumtechnik erreichen wir im Gegensatz zur
Randschichthärtung eine sehr tiefgreifende Umwandlung bis in
den Kernbereich der Werkstücke. In Abhängigkeit von der
kritischen Abschrecktemperatur des Stahltyps und der
Bauteilgeometrie ergeben sich entsprechend hohe Einhärtetiefen
bis hin zur Durchhärtung. Die modernen Ofensysteme der jüngsten
Generation sind elektrisch beheizt, elektronisch überwacht mit
Sensortechnik und über PC- gestützte Steuerungstechnik für eine
hohe Bearbeitungs-qualität ausgelegt. Zusammen mit der gezielt
steuerbaren Stickstoffabschreckung mit bis zu 10 bar und mehr
Überdruck können damit die gewünschten Bauteil- und Werkstoffeigenschaften sicher eingestellt
werden. Die Vakuumhärtetechnologie ermöglicht dadurch eine besonderst genaue und
reproduzierbare Wärmebehandlung, wie sie beispielsweise im Formenbau und bei der Luft- und
Raumfahrt gefordert ist.
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