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Se > Neue Serie: Personalentwicklung in der Pflege Da hin gehen, wo die Angst ist rie !– Ers ter Te R enate Tewes Personalentwicklung gehört ganz oben auf die Agenda aller Einrichtungen im Gesundheitswesen. Wer die pflegerische Versorgung im Angesicht des demografischen Wandels sicherstellen möchte, kann dies nur mit strategischer Personalentwicklung schaffen. Dennoch handeln viele Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen reaktiv und reizen wissentlich die Leidensfähigkeit der Mitarbeiter aus, um kurzfristig Kosten zu sparen. Dabei wirkt langfristige Personalentwicklung den schlimmsten Personalnöten entgegen und spart somit Kosten. Pflegewissenschaftlerin Prof. Renate Tewes zeigt in einer fünfteiligen Serie die verschiedenen Möglichkeiten der Personalentwicklung auf, liefert Grundlagen und stellt Projekte vor. Teil eins der Serie geht der Frage nach, was Pflegekräfte glücklich macht ... 2005 war der Begriff „Humankapital“ noch das Unwort des Jahres – heute ist es in aller Munde. In seiner ursprünglichen Bedeutung ist das wertvollste Kapital jenes, welches in Menschen investiert wird, so der Volkswirt Alfred Marshall (1890). Derzeit wird der Faktor Mensch neu entdeckt (Mühlbauer 2012). Statt Personal nur als Kostenfaktor zu betrachten, das kurzfristig reduziert oder eingestellt werden kann, gilt es, ein langfristig positives Arbeitsklima zu schaffen, zu dem auch der sichere Arbeitsplatz gehört. Personalentwicklung steigert nicht nur die berufliche Kompetenz und macht die Praxis effektiver, sondern bindet auch die Mitarbeiter, fördert die Arbeitsmoral und steigert die Patientenzufriedenheit (Gesme 2010). Deshalb haben die Autorin dieses Beitrags und der Pflegedirektor des Universitätsklinikums Regensburg, Alfred Stockinger, im In- und Ausland nach innovativen Konzepten und Praxisbeispielen für Personalentwicklung gesucht und diese zusammengetragen (Tewes & Stockinger 2014). von Führungskräften (die sogenannten „Babyboomer“) in den Ruhestand verabschiedet, dessen berufliche Erfahrung und organisatorische Kenntnisse im Unternehmen eine große Lücke hinterlassen werden. Und obwohl Zusammenarbeit oft eingefordert wird, wird sie doch von den Organisationen selten systematisch unterstützt. Es besteht Unklarheit darüber, welches Wissen die Pflege eigentlich benötigt und wie dieses generiert und schließlich in die Praxis transferiert wird. Dementsprechend werden in dieser Artikel-Reihe über Personalentwicklung in der Pflege folgende Fragen beantwortet: •• Was macht Pflegefachkräfte glücklich? •• Welche innovativen Stressreduzierungsmethoden gibt es für die Pflege? •• Brauchen Vorgesetzte ein Führungsgen? •• Was steckt hinter dem Zauberwort „Kollaborative Kompetenz“? •• Wie sieht ein zeitgemäßes Wissensmanagement für die Pflege aus? Die Ausgangssituation Wer jetzt nicht in Personalentwicklung investiert, wird die bevorstehende Personalnot nur schwer bewältigen können. Die selbstbewusste junge Generation Y möchte sich nicht mehr für eine Klinik aufopfern, sondern sich persönlich in einem Unternehmen entwickeln. Dazu Das Stresspotenzial im Pflegeberuf ist deutlich angestiegen und macht sich unter anderem an Krankheits- und Fluktuationsraten fest. Schon jetzt ist abzusehen, dass sich bald eine ganze Riege 308 Pflegezeitschrift 2015, Jg. 68, Heft 5 gehört auch eine ausgeglichene WorkLife-Balance. Auf diese Bedürfnisse muss sich das Topmanagement von Kliniken einstellen. Das gelingt nur, wenn es die Mitarbeiter in den Mittelpunkt rückt und heilige Kühe, wie zum Beispiel festgefahrene organisatorische Abläufe („Das haben wir aber immer so gemacht“), geschlachtet werden. Was Pflegefachkräfte glücklich macht Die Unzufriedenheit mit der Arbeit in der Pflege findet ihren Ausdruck im überdurchschnittlich hohen Krankenstand (Wieland 2011). Im Vergleich mit anderen Branchen führt das Gesundheitswesen im DAK-Report (2013) gemeinsam mit den Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung die traurige Spitze an Krankenständen an. Während der Branchendurchschnitt auf 204 Fehltage bei 100 Beschäftigten kam, sind es im Gesundheitswesen 300 Fehltage. Seit vielen Jahren gibt es Untersuchungen zur Mitarbeiterzufriedenheit in der Pflege. Interessanterweise kommen sie immer wieder zum gleichen Ergebnis. Wir wissen also, was Pflegefachkräfte national und international glücklich macht, nämlich eigene Handlungs- und Entscheidungsspielräume (Camel & Shoham 1988; Blegen et al. 1993; Hasselborn et al. 2005). Als beispielsweise 1989 die Ärzte in Israel einen Generalstreik ausriefen und für 3,5 Monate ihre Arbeit niederlegten, waren die Pflegefachkräfte sehr gefordert, um die Gesundheitsversorgung im ganzen Land sicherzustellen. Einige Forscherinnen nutzten diese Situation und untersuchten die Pflegekräfte (ShohamYakubovich et al. 1989). Ermittelt wurden Autonomie, Berufszufriedenheit und berufliches Selbstbild. Im Ergebnis berichteten die untersuchten Pflegefachkräfte, dass sie mit ihrer beruflichen Tätigkeit viel zufriedener waren, obwohl die Arbeitslast viel größer war. Sie hatten mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume und wesentlich mehr Verantwortung. il Bildung in der Pflege Liebe Pflegefachkräfte ohne Studium! Bitte lesen Sie sich die folgenden Forschungsergebnisse einfach in Ruhe durch, ohne sich persönlich angegriffen zu fühlen. Dass ein Studium positive Auswirkung für die Pflege hat, bedeutet nicht, dass Sie selbst keine gute Pflege leisten! Die Fähigkeit, sich für Forschungsergebnisse zu begeistern, ohne die eigene Kompetenz zu entwerten, ist eine wichtige Basis für weiteren Fortschritt in der Pflege. Die simple Formel lautet: Je besser jemand ausgebildet ist, desto mehr Mög- Foto: Tewes (2002) Denn nicht die Menge der Arbeit belastet im negativen Sinne, sondern ob über die Tätigkeit selbst entschieden werden kann. Auch aus der Stressforschung wissen wir, dass Autonomie und damit die Selbstkontrolle über die Tätigkeit entstressend wirkt (Selye 1976). Der entscheidende Faktor ist also nicht Arbeitslast, sondern das Kontrollbewusstsein (Tewes 2002). Je weniger die eigene Tätigkeit selbst beeinflusst werden kann, desto größer sind der empfundene negative Stress und damit auch die Berufszufriedenheit (Tewes 2014, S. 217). Zu diesem Ergebnis kommt die Pflegeforschung seit mehr als 20 Jahren immer wieder (Lewis & Batey 1982; Mrayyan 2003; Papathansassoglou et al. 2012). Das scheint Pflegefachkräfte rund um den Globus miteinander zu verbinden, denn auch eine aktuelle Studie aus China zeigt einen positiven Zusammenhang zwischen beruflicher Autonomie und Berufszufriedenheit auf (Wu et al. 2014). Was ist also notwendig, damit die Pflege mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume übernimmt? Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, die zumeist miteinander verzahnt sind. Deshalb reicht hier keine einfache Ursache-WirkungsRelation aus (im Sinne von: „Wenn ich X mache kommt Y dabei heraus“). Vielmehr muss an vielen Hebeln gleichzeitig gedreht werden, um verkrustete Ängste aufzulösen (im Sinne von „Ich weiß gar nicht, ob ich das darf“). Zu diesen Hebeln zählen: •• Bildung (Pflegeforschung und Transfer der Ergebnisse, evidenzbasierte Pflege) •• Verantwortung ausbauen (Primäre Pflege, strukturelles Empowerment) •• berufspolitisches Engagement (Mitentscheiden üben) •• Pflegemethoden erweitern (Methode: Pflegeentwicklung) Verantwortung hat zwei Seiten: Negativ assoziiert, im Sinne von sich rechtfertigen müssen für etwas, was bereits geschehen ist, und positiv assoziiert, im Sinne von sich auf etwas freuen, was in der Zukunft liegt. lichkeiten stehen ihm offen, im Berufsleben selbst zu entscheiden und berufliche Dinge zu beeinflussen. So konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass Pflegefachkräfte mit zunehmender Ausbildung zufriedener mit ihrem Beruf sind (Zurmehly 2008). Außerdem wirkt sich eine bessere Qualifikation positiv auf die Pflegequalität aus (Gokenbach & Denkrad 2011), sie reduziert Patientenstürze (Lake et al. 2010), Versorgungsfehler (Jayawardhana et al. 2011) sowie Verletzungen mit Kanülen (Mark et al. 2007). Außerdem sind Pflegefachkräfte mit höherem Bildungsabschluss (Bachelor) besser in der Lage, für eine gesunde Arbeitsumgebung zu sorgen (Kramer et al. 2011). Diese Ergebnisse widerlegen den allgemeinen Irrglauben, dass ein Studium nur Theoretiker hervorbringt, die von der Praxis keine Ahnung haben. Was ist zu tun? Müssen jetzt alle Pflegefachkräfte noch mal studieren, damit ihr Handlungs- und Entscheidungsspielraum in der Praxis sie glücklich macht? Nein, nicht jeder muss studieren. Wichtig ist, das Wissen von Studenten zu nutzen! Hier lassen sich im beruflichen Alltag gute von schlechten Teams unterscheiden. In guten Teams genießen studierte Pflegefachkräfte eine hohe Wertschätzung. Sie werden nach ihren Kenntnissen befragt und ermutigt, ihre Ideen in gemeinsamen Projekten umzusetzen. Gute Teams sind den Studierenden gegenüber angstfrei und begegnen diesen mit offener Neugierde. Sie nutzen das Wissen dieses Kollegen, um die gesamte Abteilung voran zu bringen und sonnen sich im gemeinsamen Erfolg. In schlechten Teams wird studierten Kollegen mit Misstrauen begegnet. Ihnen wird unterstellt, dass sie sich für etwas Besseres halten. Und um ihnen zu beweisen, dass sie nichts Besseres sind, werden sämtliche Fehler akribisch beobachtet, um dann regelmäßig zu erklären, dass sie im Studium auch nichts anderes gelernt hätten als herkömmlich Ausgebildete. Alle möglichen Versuche des studierten Kollegen, Wissen zu teilen oder kenntnisreiche Veränderungen zu erwirken, werden im Keim erstickt. Langfristig ist es natürlich sinnvoll, wenn die pflegerische Erstausbildung mit einem Bachelor abgeschlossen wird, wie es bereits in 27 europäischen Ländern der Fall ist. Nur Deutschland und Luxemburg bilden hier die traurigen Bildungsschlusslichter. Pflegehandlungen, die durch Forschung abgesichert sind (evidenzbasiert), können nur praktiziert werden, wenn jemand forscht und andere diese Ergebnisse finden und interpretieren können, um sie schließlich in die Pflege zu implementieren. Ein wesentlicher Unterschied zwischen herkömmlicher Ausbildung und einem Studium besteht darin, dass bei einer herkömmlichen Ausbildung das Wissen von der Lehrkraft vorgegeben wird, während Studierende lernen, sich das Wissen selbst zu „besorgen“ und anzueignen. Studierende gehen Themenstellungen nach und recherchieren selbstständig die neuesten Erkenntnisse dazu. Das bildet die Grundlage für ein lebenslanges Lernen. Nur wer sich Wissen selbstständig erarbeiten kann, hat die Chance, bei den ständigen Veränderungen im Gesundheitswesen auf dem neuesten Stand zu sein, und diese Kenntnisse selbstbewusst anzuwenden. Verantwortung ausbauen Der Zuspruch und die Übernahme von Verantwortung fördert die Chance, Pflegezeitschrift 2015, Jg. 68, Heft 5 309 selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und Handlungsspielräume zu vergrößern. Demnach ist die Übernahme von Verantwortung langfristig ein Glücklichmacher für Pflegefachkräfte. Mit dem Zuwachs an Verantwortung reift die Persönlichkeit und vergrößert sich die Einflussnahme. Verantwortung hat zwei Seiten: Negativ assoziiert, im Sinne von sich rechtfertigen müssen für etwas, was bereits geschehen ist, und positiv assoziiert, im Sinne von sich auf etwas freuen, was in der Zukunft liegt (Tewes 2002, siehe Abbildung). Menschen, die eher Angst haben, Fehler zu machen, können Verantwortung scheuen, während Menschen, die eher optimistisch ausgerichtet sind, Lust entwickeln, für etwas Verantwortung zu übernehmen. Was ist also zu tun, um Verantwortung in der Pflege weiter auszubauen? Damit Pflegefachkräfte mehr Lust auf Verantwortung bekommen, kann es sinnvoll sein, alte Ängste oder Sorgen aufzulösen und an einer eigenen „Mutskala“ zu arbeiten. Sich also zu fragen, was traue ich mir (noch) nicht zu und gezielt diese Grenzen zu erweitern. Entwicklung der Persönlichkeit liegt immer da, wo die Angst ist. Insbesondere Führungskräfte sind gefragt, ihre eigenen Grenzen immer wieder zu hinterfragen. Hier kann Coaching wichtig sein, um den Mut zu entwickeln. Ängstliche Führungskräfte behindern ihr Team bei ihren Reifeprozessen. Das Arbeitssystem der Primären Pflege basiert auf dem Grundgedanken der Verantwortung für die zugesprochenen Patienten. Die Primäre Pflege ist eine wunderbare Arbeitsweise, um Verantwortung bei Mitarbeitern systematisch zu fördern und gleichzeitig die Berufszufriedenheit zu steigern, wie beispielsweise im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Grieve 2010). Auch die Organisation kann helfen, die Lust auf Verantwortung bei Pflegefachkräften zu steigern. Bei den sogenannten „Magnetkrankenhäusern“ (Kliniken, die ihre Mitarbeiter magnetisch anziehen, weil es Freude macht, dort zu arbeiten) hat sich die Methode des strukturellen Empowerments durchgesetzt. Hier werden Pflegefachkräfte systematisch dabei unterstützt, sich aktiv an wichtigen Gremien im Haus zu beteiligen und sie haben stets eigene Stimmrechte. Um mitbestimmen zu können, sind entsprechende Qualifikationen wichtig. Der Anteil an Bachelorstudierten in der Pflege liegt in Magnetkliniken nicht selten bei über 50 Prozent. 310 Pflegezeitschrift 2015, Jg. 68, Heft 5 Zusammenfassung Die gesellschaftliche Entwicklung und der damit einhergehende Personalbedarf werden es weniger interessanten Krankenhäusern schwer machen. Arbeitgeber tun gut daran, ihrem Personal eine Entwicklung zu ermöglichen, um attraktiv zu bleiben. Personalentwicklung führt zu mehr Zufriedenheit im Beruf und mit dem Arbeitgeber. Wenn etwa Pflegende autonomer arbeiten können, wenn sie mehr Handlungsspielräume und Verantwortung haben, sind sie zufriedener. Selbstkontrolle reduziert den beruflichen Stress. Im Umkehrschluss sind Tätigkeiten stressig und machen unzufrieden, je weniger Pflegende sie beeinflussen können. Schlüsselwörter: Personalentwicklung, Autonomie, Verantwortung Berufspolitisches Engagement (Mitentscheiden üben) Menschen, die das Gefühl haben, Dinge selbst beeinflussen zu können, sind zufriedener mit ihrem Beruf als jene, die glauben, sie hätten keinen Einfluss auf die Prozesse in ihrem Unternehmen (Judge & Bono 2001). Dieses sogenannte Kontrollbewusstsein, also die Überzeugung, selbst wirksam zu sein, lässt sich lernen. Zu welcher Gruppe von Menschen Sie gehören, lässt sich an der eigenen Sprache herausfinden. Wir erklären uns ständig die Welt und entscheiden, bewusst oder unbewusst, wer ursächlich zuständig ist für das eine oder andere Problem. Menschen mit geringer Selbstwirksamkeitsüberzeugung verwenden gerne Sätze wie: „Die da oben sollten endlich …“ oder „Die Politik müsste mal …“. Damit machen sie sich abhängig vom Handeln anderer und erleben die eigene Position als eher schwach. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitsüberzeugung dagegen gehen davon aus, dass sie selbst eine entscheidende Rolle spielen. Bei ihnen finden sich häufiger Satzanfänge wie „Ich will …“, „Ich kann ...“ oder „Ich werde ...“. Manchmal braucht es einen langen Atem, wiederholte Anträge, erneute Kommentare in Sitzungen etc., um deutlich zu machen, dass das Problem bearbeitet werden muss. Was ist zu tun, um meine Kontrollüberzeugungen auf die eigene Kompetenz auszurichten, statt auf die eigene Inkompetenz? Hier hilft das Ent-emotionalisieren von Situationen (Versachlichen), mutiges Querdenken und Gewinnen von Anhängern. Die Frage danach, wie groß mein eigener Einfluss ist, ist von zentraler Bedeutung – und falls dieser Einfluss nicht reicht, muss ich mich fragen, bei wem ich meine Ideen anbringen muss. Hier gibt es einen engen Zusammenhang zur Verantwortung. Wer nach und nach mehr Verantwortung übernimmt, vergrößert seinen Einflussbereich und sieht öfter die Früchte seiner mutigen Entscheidungen. Anstatt zu sagen, „Das hat ja eh alles keinen Sinn“, gilt es hier, strategisch auf Themen aufmerksam zu machen und Unterstützer für die Idee zu gewinnen. Netzwerkarbeit ist ein wichtiger Teil der berufspolitischen Tätigkeit. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist ein basispolitisches Bekenntnis, also ein Verbünden mit Gleichgesinnten. Dazu gehört es, sich berufspolitisch in einem Verband zu organisieren. Die Zustände zu bejammern, ohne Bereitschaft zu zeigen, einen (kleinen) Beitrag dagegen zu leisten, unterstützt das Gefühl von Hilflosigkeit und Abhängigkeit und verkleinert den eigenen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Die Kurzformel heißt hier: Nur Jammern macht unglücklich! Pflegemethoden weiterentwickeln Besonders zufrieden macht natürlich, wenn wir sehen, wie sich Pflege professionell entwickelt und Pflegemethoden im beruflichen Alltag ihre Wirkung entfalten. Dazu ist es notwendig, immer wieder am Puls der Zeit zu sein und moderne Verfahren für die Praxis zu entwickeln. Eine solche Methode ist beispielsweise die der Praxisentwicklung (Practice Development, kurz PD). Hierbei werden relevante Themen aus dem beruflichen Alltag aufgespürt, die verbessert werden sollen. Ziel ist die Entwicklung einer personenzentrierten Pflegekultur, sowie einer mitarbeiterfreundlichen Arbeitsumgebung. Es bedarf eines Begleiters, der die Arbeitsgruppe mit kreativen Techniken dazu bringt, praktikable Ideen auszuprobieren und den Veränderungsprozess voranzutreiben, wie Manley und ihre Kollegen anschaulich beschreiben (2008). Bei der Praxisentwicklung wer- den Wissen und Fertigkeiten entwickelt, die Einzelpersonen oder Teams zur praktischen Umsetzung personenzentrierter Versorgung befähigen (Shannon & McCormack 2014). Mit dieser Methode werden die unterschiedlichsten Themen bearbeitet, welche die Pflege effizienter macht und das Personal besser qualifiziert. In Großbritannien wird die Praxisentwicklung vom Pflegeverband (RCN) vielfältig unterstützt, mit Bibliotheken, Lernzonen, Möglichkeiten des Austausches mit Kollegen und finanziellen Ressourcen. So entwickelte Brendan McCormack in Irland eine neue Pflegekultur des Umgangs mit Menschen am Lebensende für Akutkrankenhäuser und Rehabilitationskliniken. Das Ergebnis präsentierte er mit Michael Shannon in deutscher Sprache (Shannon & McCormack 2014). Es liegen viele weitere Praxisentwicklungen vor, wie zum Beispiel zur Verbesserung der Versorgung in der Notfallambulanz, zur Veränderung der Arbeitsweise in der ambulanten psychiatrischen Versorgung, zur Optimierung stationärer Intensivpflege oder zur verbesserten Führung von Organisationen aus ganzheitlicher und systemischer Sicht. Um Praxisentwicklung in Deutschland auf den Weg zu bringen, bedarf es einer engen Verzahnung von universitärem Wissen und praktischem beruflichen Pflegealltag. Dabei spüren die Pflegefachkräfte Themen auf, die entwickelt werden könnten, und ziehen Hochschulmitarbeiter hinzu, die diesen Entwicklungsprozess begleiten können. Fazit Für eine gute Personalentwicklung kann jeder etwas tun: das Unternehmen, die Personalabteilung, die innerbetriebliche Fortbildung, die Hochschulen, doch am allermeisten: der Mitarbeiter selbst. Raus aus dem engen Korsett „Das haben wir immer so gemacht“ und hinein in das luftige Kleidchen „Das probier ich mal aus“. Das ist eine wichtige Grundhaltung, die sich entwickeln lässt. Da Selbstbestimmung der größte Glücklichmacher in der Pflege ist, sollte nichts unversucht bleiben, die Autonomie voranzutreiben. Mit guter Bildung als Grundlage lässt sich die Verantwortung leichter ausbauen und die Pflegepraxis weiterentwickeln. Mit berufspolitischem Engagement wächst die Stimmgewalt der Pflege, ein Potenzial, das noch nicht ansatzweise erschlossen ist. << Literatur Blegen M., Goode C., Johnson M., Maas M., Chen L., Morrhead S. (1993) Preferences for decision-making autonomy. IMAGE, Journal of Nursing Scholarship 25, (4), S. 339–344. Carmel S. & Shoman I. (1988) Nurses autonomy and job satisfaction. Social Science in Medicine 26, S. 1103–1107. DAK-Gesundheitsreport (2013) Online unter: https://www.dak.de/dak/download/Gesundheitsreport_2013-1146388.pdf Gesme D. 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Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung und Begleitung von Führungskräften, insbesondere im Gesundheitswesen. Sie leitet seit 2008 ihre Unternehmensberatung Crown Coaching International. Kontakt: [email protected] Pflegezeitschrift 2015, Jg. 68, Heft 5 311