Deine große Schwester Barcelona wird langsam
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Deine große Schwester Barcelona wird langsam
REISE Buenos dias, Deine große Schwester Barcelona wird langsam neidisch. begehrt: eine romantische Altstadt, die modernste Valencia Denn du hast alles, was das Herz Oper der Welt – und die beste Paella Science-Fiction Das hypermoderne Wissenschaftsmuseum ist das neue Wahrzeichen Valencias. Alter Glanz Die prächtigen Fassaden in der Altstadt zeugen vom Reichtum, den der Handel mit Orangen, Zitronen und Reis brachte 150 FÜR SIE 22/2010 FÜR SIE 22/2010 151 REISE K Pool-Position Flaniermeile, Freizeitpark und Formel-1Strecke: der Hafen von Valencia (oben). Hai-Life Das schneeweiße Ozeanarium (rechts) ist nur eines von sechs exzentrischen Bauwerken in den Turia-Gärten. Hier spielt die Musik Für die Segelregatta America’s Cup wurde die Promenade herausgeputzt. Heute ist sie ein beliebter Szene-Hotspot 152 FÜR SIE 22/2010 ellner Alonso mag mich nicht. Seit mindestens fünfzehn Minuten lässt er mich links liegen. Am Nachbartisch des berühmten Restaurants „La Pepica“, am Stadtstrand von Valencia, verspeist ein spanisches Pärchen vergnügt bereits seinen zweiten Gang: eine durch und durch schwarz gefärbte Paella. Kinder tollen am Strand von La Malvarrosa herum, während sich ihre hübschen Mütter mit tipptopp geföhnten Frisuren à la Prinzessin Laetitia an Familientischen zuprosten. Nur ich sitze auf dem Trockenen. Vielleicht stimmt es, was manche Reiseführer sagen: Valencia, nach Madrid und Barcelona Spaniens drittgrößte Stadt, ist einfach noch kein Touristen-Eldorado. Hier stehen keine deutsch radebrechenden Kellner vor Lokalen und locken Gäste mit Speisekarten voller bunter Ansichtsbilder herein. In Valencia, so heißt es, fühle sich der Besucher angenehm unsichtbar, quasi integriert in den Alltag einer ganz normalen MittelmeerMetropole. Aber jetzt ist es mir ein bisschen zu viel Unsichtbarkeit! Da endlich kommt Abhilfe: Alonso sei nicht unfreundlich, sondern höre nur schlecht, erklärt mein Tischnachbar. Angeblich, so erfahre ich, habe das Kellner-Urgestein schon Ernest Hemingway bedient, der in dem 1898 gegründeten Lokal mit den hellblauen Wänden in den 30er Jahren Stammgast war. Auch der König von Spanien und Fußballstar Pelé sollen gerne im „La Pepica“ essen. Metropole am Meer Blaues Wunder Kleine Badebucht an der Felsküste beim Cap de la Nau Entlang der grünen Lebensader Valencia, an der sonnenverwöhnten, aber nur moderat heißen Costa Blanca eine Autostunde nördlich von Benidorm gelegen, ist eine noch unentdeckte Schönheit. Zu Unrecht: Hier wurde die Paella erfunden – inklusive der durch Tintenfisch schwarz gefärbten Sorte. Hier laden gemütliche Straßenkneipen im quirligen Viertel El Carmen zum Bummeln ein, hier verschmelzen Stadt und Meer, historische Gässchen und weltweit bekannte futuristische Bauwerke des heimischen Stararchitekten Santiago Calatrava zu einem harmonischen, aber nicht überkandidelten Ganzen. Jahrhundertelang lebte die 800 000-Einwohner-Stadt mit dem Rücken zum Wasser, der historische Kern liegt sechs Kilometer im Inland. Doch inzwischen haben die Valencianer ihre sonnige Meerseite neu herausgeputzt: 2007 für die weltberühmte Segelregatta America’s Cup und seit 2008 für die Formel 1, deren Rennfahrer alljährlich im Juni auf einem Parcours durch die Marina düsen. Die Stadt ans Meer angebunden haben auch die vier 1998 gebauten Calatrava-Bauten, die wie riesige Ufos im trockengelegten Flussbett des Rio Turia liegen. Auf halber Strecke zwischen Hafen und Stadt entstand eine grüne Lebensader voller Parks, Spielplätze und Fahrradwege. Besonders schön: Ich radle durch die Turia-Gärten in zwanzig Minuten vom Rathaus zum Strand. Im Hotel hat man mir den Tipp mit den Leihrädern gegeben. Vom Drahtesel aus wirkt die neue Oper – die welt- π π FÜR SIE 22/2010 153 REISE Kult-Drink gefällig? In der Bar „Sant Jaume“ mitten im Altstadtviertel El Carmen gibt’s den Cava-Punsch „Aqua de weit modernste – besonders gigantisch: wie ein riesiges Valencia“ Insekt aus Stahl, mit vier Bühnen und Platz für 3700 Eine Stadt zum Flanieren Konzertgäste. Daneben spazieren Flamingos vor dem Ozeanarium, einem der größten Meeresparks Europas. Zusammen mit dem Planetarium und dem Wissenschaftsmuseum bildet die hypermoderne Ciudad de las Artes y de las Ciencias, die Stadt der Künste und Wissenschaften, Valencias neues Wahrzeichen. Opernhaus aus Glas und Licht „Ich wollte eigentlich kein neues Engagement, aber dann habe mich in dieses unglaubliche Gebäude verliebt“, gesteht die Österreicherin Helga Schmidt. Die 69-jährige ist eine Ex-Schülerin von Herbert von Karajan und seit 2006 Intendantin der Oper Palau de las Artes. Ein Opernbesuch ist ein Muss in Valencia – und, wie sich herausstellt, auch sprachentechnisch kein Problem: Bei Verdis „Luisa Miller“ zeigt mir ein diskret eingebautes Leuchtband vor meinem Sitz die Übersetzung der Arien, auch in Deutsch. In den Pausen wandelt das Publikum im Glas-Foyer wie auf einer Bühne, deren warmes Licht in die Mittelmeernacht strahlt. 154 FÜR SIE 22/2010 Noch so ein sinnliches Erlebnis: Zur Blütezeit Ende März dringt der betörende Duft der Orangenplantagen bis in den Altstadtkern, der sich zu Fuß entspannt durchstreifen lässt: vom Mercado Central bis zum barocken Rathaus und von der Kathedrale auf der Plaza de la Virgen bis zur gotischen Seidenbörse Lonja de la Seda. Um den Überblick zu bekommen, erklimme ich Miguelete, den 51 Meter hohen Glockenturm der Kathedrale. Die untergehende Sonne vergoldet die gelben Sandsteinmauern und blitzt hinein in die Plaza Redonda, wo in gekachelten Kiosken Klöppeldecken und Seidenstickereien verkauft werden. Auch die hipste Valencianerin ist sich nicht zu schade, bei den im März stattfindenden Fallas ein traditionelles Spitzenkostüm überzustreifen. Das Volksfest ist der Karneval Valencias, an dessen Ende Hunderte riesige Holz- und Pappmaché-Figuren in Flammen aufgehen. Spitzen-Ideen: Design im Häkellook Mit Spitzen – genauer gesagt hellgelben Häkelkleidchen – hat auch Valencias bekanntester Modeschöpfer Francis Montesinos für Aufsehen gesorgt. Der Mann π REISE Valencia in voller Pracht im Maßanzug mit Samtkragen und buntem Einstecktuch ist einer der Großen in Spaniens Fashionszene. Übrigens: In seinem Laden hinter dem Markt werden auch Schnäppchen der letzten Saison angeboten. Edel-Designer wie der spanische Modeladen Loewe säumen Valencias prachtvollste Straße, die Poeta Querol. Ausgefallene Hipster-Boutiquen wie Madame Bugalu mit Klamotten im Stil der 50er Jahre ballen sich im Kneipenviertel El Carmen zwischen Seidenbörse und Flussbett. Nach dem Shoppen lande ich im derzeit angesagtesten Laden „La Lola“, ein Mittelding zwischen Club und Restaurant: weiß-rot gepunktete Tapete, weiße Tische – und Flamenco live. Typisch Valencia: heimelig mit einem Touch Moderne. Genuss-Tempel Hinter diesen Türen wartet das SchlemmerParadies: Valencias weltberühmte Markthalle. Clevere Masche Für Francis Montesinos ist Häkeln Kunst. Der surrealistische Designer ist ein Star in der Modewelt Reise-Infos '(2 $%&&5.6 34 ANREISE: Hin- und Rückflug, z. B. mit Air Berlin, ab ca. 120 Euro, www.airberlin.com. HOTEL: „Hospes Palau de la Mar“, 5-Sterne-Hotel in einem denkmalgeschützten Stadtpalast, DZ ab 135 Euro, www.hospes.com. „Ad Hoc Monumental“, kleines gemütliches !"#$%&'" !"#$%# 3-Sterne-Hotel im Zentrum, 3 Ü/F im DZ ab ))))*+,)-. /(+0(&( &"'()*%" 342 Euro, www.tui.com. ,-$+.*+ ESSEN & TRINKEN: „La Pepica“, Hafenres!"'#$()*+ 1(*'$2/(3$ taurant mit bester Paella, Paseo de Neptuno !" #$%$&$" 2–8. „Restaurante Riff“, deutscher Sterne4$/&(25 -.$(%(/",+ 6$%*/(3 koch, Calle de Conde de Altea 18. „La Sucur-0$/ sal“, Calle de Guillem de Castro 118. „La Lola“, !"##$%#&'()*#+,#$,+ Trendküche mit Flamenco, Calle de la Subida 7(8.6 del Toledano 8. !"# $%&'( INFOS: Merian-Heft „Valencia und die Costa Blanca“, 9,95 Euro. Aktuelle Informationen, auch auf Deutsch: www.turisvalencia.es. Auch kulinarisch geht’s hoch her: Fünf Restaurants der Stadt sind mit Michelin-Sternen ausgezeichnet. In Tapas-Kneipen wird nach Zahnstochern abgerechnet, auf denen die Häppchen gespießt waren. Im Edel-Lokal „Riff“ sind die Tische mit hauchdünnen Vorhängen in kleine Separees abgetrennt. Der Schwarzwälder Sternekoch Bernd Knöller kredenzt hier gewagte Kreationen wie Oliven mit grünen Äpfeln in Wodka. „Der Valencianer kocht und isst sehr gern“, erklärt mir Manuela Romeralo. Die attraktive Brünette wurde als zigarrenrauchende Sommelière des Sterne-Restaurants „La Sucursal“ bekannt und ist mit 39 Jahren Spaniens Shootingstar am Gastronomie-Himmel – als beste Weinverkosterin des Landes. Sie führt mich am nächsten Morgen in den Mercado Central. Eine wahre Kathedrale des Genusses: Jugendstilfenster brechen das Licht über fast tausend Fisch-, Gemüse und Fleischständen. Alles ist sauber gekachelt, Blattspinat akkurat ausgelegt, Doraden kunstvoll gestapelt. Hausfrauen kommandieren eilfertige Händler herum. Die Bauern haben Valencia reich gemacht. Seit Jahrhunderten ernten sie in den Huertas, dem äußerst fruchtbaren Grüngürtel der Stadt, vier Fünftel aller spanischen Orangen, Zitronen und tonnenweise Paella-Reis. Den isst man übrigens nur mittags, abends liege er zu schwer im Magen, verrät mir Alonso, der Kellner im Strandrestaurant, der mich inzwischen zu seinem Lieblingsgast erkoren hat. Ich schaue auf die glitzernden Yachten der modernen Marina, auf alte Lagerhallen im Industriehafen und auf den Strand, wo spanische Familien picknicken. Vom Dach des Clubs „Las Animas Puerto“ klingt coole Musik herüber – und alles Gegensätzliche fügt sich so harmonisch zusammen wie Schweinefleisch und Meeresfrüchte auf einer echt valencianischen Paella. x ANDREA TAPPER 156 FÜR SIE 22/2010 FOTOS: Gunnar Knechtel (6)/Marc-Oliver Schulz/Hemispheres/Le Figaro Magazine/Laif · KARTE: Merian-Kartographie Heimliche Feinschmecker-Hochburg