Der Wasserstrahl
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Der Wasserstrahl
© 2007 Carl Hanser Verlag, München www.metall-infocenter.de/BIF Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. SPECIAL Schweißen und Schneiden SCHNEIDVERFAHREN Der Wasserstrahl etabliert sich als Präzisionswerkzeug Das Abrasiv-Wasserstrahlschneiden gewinnt an Terrain im Wettstreit der Verfahren für anspruchsvolle Trennarbeiten. Blechbearbeiter schätzen die sauberen Schnittkanten ohne thermische Gefügeveränderungen und ohne Verzug. Weitere Vorzüge sind eine flexible Schnittführung und vielseitige Einsatzmöglichkeiten. Immer mehr Lohnfertiger praktizieren diese Trenntechnik und erzielen mit ihr Wettbewerbsvorteile. Aufschlussreiche Einblicke gewährt das auf Hochdruckkomponenten spezialisierte Unternehmen KMT Waterjet Systems in Bad Nauheim. KRITERIEN für wirtschaftlichen Erfolg in der Blechbearbeitung sind Qualität zu wettbewerbsfähigen Konditionen, auf den Kunden zugeschnittene Problemlösungen sowie kurze Produktions- und Lieferzeiten. Dazu bedarf es energie-, material- und zeitsparender Produktionsprozesse, möglichst ohne mechanische Nachbearbeitung. Beim Schneiden komplizierter Geometrien stellt sich damit die Frage nach der geeigneten Trenntechnik. »Keine Trenntechnik kann für sich in Anspruch nehmen, bei allen technischen Anforderungen stets die ideale Lösung darzustellen. Deshalb findet man in der Praxis meist mehrere unterschiedliche Trennverfahren nebeneinander«, erläutert Wolfgang Emrich, Product & Marketing Manager beim Bad Nauheimer Wasserstrahl- 30 Schneidspezialisten KMT Waterjet Systems (www.kmt-waterjet.de). Vergleicht man die gängigen Verfahren, so genügen für einfache Zuschnitte aus dünnen Blechplatinen manuell bedienbare Tafelscheren. Meist geht es jedoch um komplexe Formen und relativ große Stückzahlen. In diesen Fällen sind CNC-Stanzzentren oft die wirtschaftlichste Alternative. Allerdings setzen Blechstärke, hohe Werkzeugkosten und die unvermeidbaren Rüstzeiten beim Produktwechsel diesem Arbeitsmittel Grenzen. Das gilt besonders für kleine Lose. Unterhalb einer kritischen Stückzahl sind Stanzzentren unwirtschaftlich, für Einzelstücke oder Prototypen sogar ungeeignet. Deutlich flexibler sind Anlagen zum thermischen Trennen, das sind Autogen-, Plasma- und Laserschneid- anlagen. Sie ermöglichen einen hohen Automationsgrad und eignen sich sowohl für die Serienfertigung als auch für die Einzelfertigung. Thermischer Schneidprozess erfordert oft Nachbehandlung Limitierend wirken bei diesen Anlagen Werkstoffart, zu bearbeitende Wandstärke und vor allen Dingen thermisch bedingte Werkstoffveränderungen an den Schnittkanten sowie Materialverzug. Gefügeveränderungen, Aufhärtung, Anlassfarben, Randoxidation, Schlackereste und Gratbildung erfordern oft eine zusätzliche Nachbehandlung. Zudem ist eine Werkstoffzugabe für den mechanischen Abtrag der beschädigten Randzonen zu kalkulieren. Beim Brennschneiden können giftige Metalldämp- © Carl Hanser Verlag, München BLECH InForm 1/2007 © 2007 Carl Hanser Verlag, München www.metall-infocenter.de/BIF Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. Schweißen und Schneiden fe, Rauchgase und Stäube entstehen, die spezielle Absaugungen und Filter erfordern. Marc Mezger, Marketingmitarbeiter bei KMT: »Diese Probleme engen den Spielraum für Konstrukteure, Hersteller und Lohnverarbeiter stark ein. Umgekehrt verlangen moderne Verbundwerkstoffe, die Forderung nach Lean Production und permanente Kostensenkungsmaßnahmen innovative, kostengünstige und leistungsfähige Trenntechnologien. Das Abrasiv-Wasserstrahlschneiden verschiebt hier deutlich die Grenzen des technisch Machbaren und bietet in vielen Fällen eine wirtschaftliche Alternative gegenüber konventionellen Verfahren.« weder Grate noch störende Riefen. Der Effekt: Nacharbeit entfällt. Ein weiterer Vorteil ist laut Wolfgang Emrich, dass es praktisch keine Einschränkungen vonseiten der physikalischen Eigenschaften der zu verarbeitenden Metalle gibt. Anders als der Laserstrahl erfährt der Wasserstrahl keine Irritation durch optisch stark reflektierende Metalloberflächen; er ermöglicht somit stets saubere Schnitte. Auch Werkstoffe mit hoher Wärmeleitfähigkeit wie Aluminiumund Kupferlegierungen sind für das Abrasivschneiden kein Pro- Eigenschaften des Metalls lassen den Wasserstrahl ›kalt‹ Beim Abrasivschneiden bewirkt ein sehr dünner, mit feinkörnigen und scharfkantigen abrasiven Granatsanden durchmischter Hochdruck-Wasserstrahl eine ›kalte‹ Mikrozerspanung in der Schnittfuge der Werkstücke. Der große Vorteil beim Bearbeiten von Metallen ist das Trennen ohne Wärmebeeinflussung an den Schnittkanten. Im Gegensatz zum Brennschneiden gibt es weder Wärmeverzug noch Gefügeveränderungen, Aufhärtungen oder abtropfende Schlacken. Außerdem bilden sich keine gesundheitsschädlichen Dämpfe oder Gase, und weil das Verfahren mit Wasser schneidet, ist der Prozess auch vollkommen staubfrei. Bei optimal eingestellten Schnittparametern entstehen Blechdicke le Werkstoffverluste. Die Anwendungsmöglichkeiten des Wasserstrahlschneidens gehen aber wesentlich weiter. »Moderne Fertigungsverfahren sparen, wo immer es geht, Arbeitsschritte ein«, erläutert Marc Mezger. »So haben sich in vielen Bereichen der blechbearbeitenden Industrie kunststoffbeschichtete Bleche als Vormaterial etabliert. Für diese Werkstoffkombination ist das Große Vielfalt: Komplexe technische Formteile aus metallischen Werkstoffen wie Messing (a), Edelstahl (b) und Aluminium (c) lassen sich mit dem Abrasivstrahl ohne thermische Gefügebeeinträchtigung sowie frei von Staub oder giftigen Metalldämpfen erzeugen blem. Der Wasserstrahl erzeugt aufgrund seiner hohen kinetischen Energie selbst bei Werkstücken von mehr als 100 mm Dicke sehr feine und genaue Schnittkonturen. Darüber hinaus lassen sich bei dickwandigen Blechen sehr feine Löcher mit einem Durchmesser realisieren, der kaum größer ist als der des Schneidwasserstrahls, also 0,54 bis 1,1 mm). Die Schnittfuge von weniger als 1 mm Breite verursacht nur minima- Edelstahl Titan Aluminium 2 mm 2800 1800 3300 5 mm 1010 800 1150 10 mm 450 350 520 20 mm 205 120 235 50 mm 71 42 81 100 mm 32 18 37 Von fein zu grob: Erfahrungswerte wie diese zur maximalen Schnittgeschwindigkeit in mm/min bei 4100 bar Druck und 1,1 mm Düsendurchmesser dienen als Orientierungshilfe für den Anwender. Um optimale Schnittparameter zu ermitteln, sind Versuche nötig BLECH InForm 1/2007 SPECIAL Abrasivschneiden die erste Wahl bei Trennaufgaben. Gleiches gilt für emaillierte Bleche und Bauteile im chemischen Apparatebau, die sich anders praktisch gar nicht bearbeiten lassen.« Der allseitig schneidende Wasserstrahl ermöglicht bei allen Trennarbeiten eine flexible Schnittführung mit spitzen Winkeln oder schrägen Schnittkanten. Darüber hinaus lassen sich neben 2Dauch 3D-Schnitte realisieren – bei Bedarf auch robotergestützt. Das bietet Konstrukteuren und Designern neue Perspektiven der Produktgestaltung. Immer mehr Hersteller und Verarbeiter endecken das Abrasivschneiden für sich. So ist das Verfahren in der Luftund Raumfahrtindustrie schon Standard beim Herstellen von Triebwerkskomponenten aus Titanlegierungen und beim Verarbeiten von Cr-Ni-Co-Basiswerkstoffen. Maschinenbauer fertigen mit dem Hochdruck-Wasserstrahl Zahnräder, Flansche und multifunktionale Halter; Anlagenbauer führen 3DSchnitte an Rohren oder Kesselböden aus. Designer und Künstler lassen aus unterschiedlichen Metallen Wappen, Metallschriftzüge, Figuren oder Muster für ›Metall-Intarsien‹ herausarbeiten. 31 © 2007 Carl Hanser Verlag, München www.metall-infocenter.de/BIF Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. SPECIAL Schweißen und Schneiden weder robotergeführte Abrasivschneidköpfe ein oder arbeitet mit Schneidtischen, bei denen zusätzlich zu den drei Achsen X,Y und Z noch eine Rotations- und eine Schwenkachse installiert sind. So lassen sich sehr komplexe Schnittfiguren erzeugen. Eine nach dem Druckübersetzer-Prinstoff aufzubrechen, wird zip arbeitende hydraulische Hochbeim Wasserstrahlschneiden druckpumpe ist das Herzstück einer Bewegungsenergie (kinetiWasserstrahl-Schneidanlage. Mit eische Energie) in Zerspanem Elektromotor angetrieben, ernungsarbeit umgesetzt. Eine zeugt sie primärseitig einen Öldruck typische Anlage zum Abrabis zu 210 bar und gibt ihn an den sivschneiden besteht aus eiDruckübersetzer weiter, der ihn sener vorgeschalteten Sandzuführung für die Abrasivversorgung so- kundärseitig auf das Zwanzigfache erhöht und auf den Schneidwasserkreiswie oftmals auch einer lauf überträgt. Pumpen mit einer Leiskonventionellen Wasserenthärtung. tung von 10 bis 150 kW erzeugen so Als Schneidwasser eignet sich normales, enthärtetes Leitungswasser. Destil- einen Auslegungsdruck bis 4200 bar. Der Volumenstrom beträgt 1,5 bis liertes oder gänzlich entionisiertes 15,2 l/min Hochdruckwasser, das Wasser ist dagegen ungeeignet – es über spezielle, teilweise flexible Hochwürde die Kompodruckleitungen an den Schneidkopf nenten im Hochgelangt. Um jedoch einen Wasserdruckbereich strahl zum Schneiden von Metallen schädigen. Den verwenden zu können, sind besondere Maßnahmen erLanglebig: Aufgrund einer innoforderlich. Hierzu vativen metallischen Abdichtung Marc Mezger: »Reikonnte bei diesem Druckübersetzer im HSEC-Design (Hard Seal End Cap) die Anzahl der nes WasserstrahlVerschleißteile reduziert werden. Außerdem verlängerte schneiden, auch sich die Laufzeit und der Wartungsaufwand nahm ab Pur-Wasserschneiden genannt, eignet sich nur zum Trennen weicher WerkKern des Systems bilden die Hochstoffe wie Holz, Papier, Kunststoff druckpumpeneinheit, ein oder mehreund Leder oder auch von Lebensmitre Abrasivschneidköpfe sowie ein teln. Für Metalle und andere harte Schneidtisch mit Wasserauffangtank. Stoffe reicht die Energie nicht aus. Letzterer lässt sich optional mit einem Erst die Zugabe von Abrasivstoffen Abrasiv-Austragsystem zur automatimacht aus dem Wasserstrahl ein schen Reststoffentsorgung sowie eiSchneidwerkzeug, dem kein Werkstoff nem Abwasserfilter ausstatten. Bei den Schneidtischen für zweidimen- widersteht.« sionale Schnitte führt eine CNC einen Neuer Druckübersetzer oder mehrere parallel angeordnete spart zwei Dichtungssätze ein Schneidköpfe in X-Y-Richtung über das meist tafel- oder plattenförmige Das Abrasivschneidkopf-System Material. Um auf Unebenheiten ›Active Autoline‹ von KMT beispielsreagieren zu können, haben diese Arweise besteht aus einem pneumatisch beitstische häufig eine zusätzliche gesteuerten Nadelventil und einem DüHöhenverstellung in Z-Richtung. Die senrohr, an dessen Ende der eigentliche Werkstücke liegen dabei ohne Schneidkopf eine kleine Edelsteindüse Einspannvorrichtungen lose auf einem fixiert, meist aus Diamant oder Saphir. Gitterrost über dem mit Wasser geDer Druck von 4200 bar presst das füllten Tank. So kann der durch das Wasser durch diese enge Düse und beWerkstück hindurchgehende Wasserschleunigt es dabei auf zwei- bis dreifastrahl seine Energie durch Verwirbeln che Schallgeschwindigkeit. Der noch im Wasserbecken abbauen. Für mehrreine Wasserstrahl schießt in die dimensionale Schnitte setzt man entMischkammer des Schneidkopfs, in Flexible Schnittführung: Zusätzliche Rotations- und Schwenkachsen ermöglichen es, auf MehrachsenSchneidtischen hochgenaue Schrägschnitte zu realisieren Jüngste Anwendungsmöglichkeiten zielen auf Metallschäume, sogenannte zellulare Metalle, die das Gewicht von Werkzeugmaschinen reduzieren können und als Strukturbauteile die Funktion von Schallabsorbern oder Flammensperren übernehmen. Komplexe Schnittkonturen sind einfach herstellbar Im Gegensatz zu thermischen Verfahren, bei denen Brenngase, Strom oder Laserlicht die Energie liefern, um die chemischen Bindungskräfte im Werk- Hersteller KMT Waterjet Systems ist ein Tochterunternehmen der schwedischen KMT AB, Ronneby. Weltweit arbeiten bei KMT mehr als 200 Spezialisten. Über 6000 Systeme sind bereits installiert und jährlich kommen etwa 500 bis 600 neue hinzu. Die Niederlassung in Bad Nauheim betreut den europäischen Markt, Afrika, das westliche Asien sowie China. Sie unterhält ein Versuchtechnikum sowie einen Lohnschneidbetrieb, in dem sich Kundenversuche realisieren lassen. Das Unternehmen konzentriert sich auf die stete Weiterentwicklung der Hochdruckkomponenten von WasserstrahlSchneidanlagen und versteht sich als einer der wichtigsten Kooperationspartner führender OEM-Anbieter und Anlagenbauer auf dem Gebiet der Wasserstrahl-Schneidtechnik. KMT Waterjet Systems GmbH 61231 Bad Nauheim Tel. 0 60 32/9 97-0 Fax 0 60 32/9 97-2 74 www.kmtgroup.com 32 © Carl Hanser Verlag, München BLECH InForm 1/2007 IT hilft: Leistungsfähige Schneidprogramme auf der Basis von CAD-Daten können WasserstrahlMehrkopfanlagen so steuern, dass mit optimaler Schneidleistung, Schnittfolge und größtmöglicher Blechausnutzung getrennt wird der sich ein dosiert zugeführter, scharfkantiger Abrasivsand durch Injektionswirkung mit dem Wasserstrahl vermengt – ähnlich dem Prinzip des Parfumzerstäubers. Die Fokussierdüse am Ende des Schneidkopfes sorgt für eine innige Durchmischung sowie für die Gleichrichtung des Gemenges. Primär dient sie als Beschleunigungsstrecke für die Abrasivpartikel, die hier auf einer definierten Strecke – vom Strahl mitgerissen – ihre maximale Geschwindigkeit erreichen. Das Ergebnis ist ein hochenergetisches Abrasivstoff-WasserLuft-Gemisch zum Präzisionsschneiden fast aller Werkstoffe. Erst vor Kurzem hat KMT die Wartungsfreundlichkeit des Druckübersetzers mit der Einführung des HSEC-Designs weiter verbessert. Wolfgang Emrich: »Das wichtigste Merkmal des neuen Druckübersetzers ist das sogenannte Hard Seal End Cap Design (HSEC). Bei dieser Bauart ersetzt eine rein metallische Abdichtung die konventionellen Dichtungen im Bereich des Dichtkopfes. So sparen wir pro Hochdruckzylinder ein Dichtungspaket ein, also pro Druckübersetzer zwei Dichtungssätze. Die patentierte Hochdruckdichtung ›Hyperlife‹ sichert eine besonders lange Laufzeit der Anlage. Insgesamt haben wir durch SPECIAL die neue Technik die Anzahl der Verschleißteile reduziert und die Laufzeit verlängert. Eine komplette Demontage des Druckübersetzers für Wartungsarbeiten ist nicht notwendig. Dichtungsund Ventilkopfwechsel eines Hochdruckzylinders lassen sich in einem Schritt innerhalb von etwa 15 min durchführen – das entspricht einem Zeitvorteil von rund 30 Prozent gegenüber der älteren Bauweise.« Das Anwendungspotenzial des Wasserstrahlschneidens ist längst noch nicht ausgeschöpft. Es liegt an den Konstrukteuren, Designern und Anwendern, die Möglichkeiten dieser Technik auszuloten und in der Produktgestaltung und Fertigungsplanung zu berücksichtigen. Ein erster Schritt hierzu können Versuche mit Originalwerkstoff bei einem Lohnschneidunternehmen sein, das über Wasserstrahlschneidtechnik verfügt – oder im Technikum eines kompetenten Anlagenherstellers. ■ HANS P. FRITSCHE Redaktionsbüro Fritsche, Bad Nauheim [email protected] © 2007 Carl Hanser Verlag, München www.metall-infocenter.de/BIF Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. Schweißen und Schneiden BLECH InForm 1/2007 33