Quellensammlung - Transparency International

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Quellensammlung - Transparency International
Quellensammlung Demokratieabbau an deutschen Hochschulen
Erstellt als Arbeitsmaterial der AG Wissenschaft im Transparency International Deutschland e.V.
von G.-U. Tolkiehn
Die Propagandamaterialien für Demokratieabbau sind umfangreich, aufwändig und
professionell aufgemacht. Einige wesentliche Produzenten sind die Bertelsmann-Stiftung mit
den ihr verbundenen Organisationen CHE gGmbH (der breiten Öffentlichkeit vor allem durch
das mittlerweile zunehmend als grober Unfug erkannte1 so genannte „Hochschulranking“2
bekannt) und CHE Consult GmbH, der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft e.V. und
die Hochschulrektorenkonferenz (www.hrk.de), diese auch als Gesellschafter des CHE, aber
auch wirtschaftsnahe Expertengruppierungen wie der sog. „Aktionsrat Bildung e.V.“.
Besondere Erwähnung verdient das von Detlef Müller-Böling im Jahr 2000 veröffentlichte
Büchlein „Die entfesselte Hochschule“3, sozusagen die zentrale Kampfschrift der allgemeinen
„Staat schlecht – Markt gut“- Bewegung zur Ökonomisierung des Hochschulbereichs. Zur
Hochschuldemokratie sind seine beiden zentralen Sätze (a.a.O s. 67) diese: „So wichtig und
grundlegend demokratische Prinzipien für ein Staatswesen und eine Gesellschaft auch sind – sie können nicht
den primären Zweck einer Hochschule darstellen. Demokratie ist allenfalls ein abgeleitetes Ziel, das aber
Wissenschaftlichkeit und höchste Qualität nicht konterkarieren darf.“ An
diesem Werk orientieren sich
bis heute die Hochschulpolitik des Bundes (die sich 2007 konsequent selbst abgeschafft hat,
was aber von der aktuellen Regierungskoalition als Fehler erkannt wurde) sowie auch die
KMK und die Landeshochschulgesetzgebungen (z.B. der § 63 Abs. 2 (Findungskommission
für Präsidentschaftskandidaten) des aktuellen BbgHG), leider teilweise auch der
Wissenschaftsrat.
Weitere, zugegeben lieblos ausgewählte Werke dieser Stoßrichtung sind die Quellen4,5,6,7,8,9
Bei der Gesamtschau wird deutlich, dass die Entdemokratisierung nur eines verschiedener
Mittel ist (weitere sind Verschlechterung der Bezahlung, variable Gehaltsbestandteile und
Befristung der Arbeitsverhältnisse, Lehre durch prekär Beschäftigte), um die bisher
bestehende Autonomie (Eigengesetzlichkeit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit) der
Hochschulen zu zerstören und stattdessen eine Heteronomie (Fremdbestimmtheit,
Abhängigkeit vom Willen anderer) einzurichten, die von den Betreibern jedoch als
Autonomie bezeichnet und propagiert wird. Dieses perfide Wording (ebenso auch beim sog.
„Hochschulfreiheitsgesetz“, dazu sehr gut10) und die Vorgehensweise (Entmachtung der
Selbstverwaltungsorgane und Beleihung der Exekutivorgane mit All-Zuständigkeit) erinnern
G.-U. Tolkiehn, Version 03/2015
durchaus schon an die Vorgehensweise der NSDAP 1933 (Rektoren als „Hochschulführer“)11.
Nur geht die Machtübernahme diesmal nicht von einer Regierungspartei aus. Zur ernsten
Frage „Von wem dann?“ unterhaltsam Georg Schramm12.
Doch es gibt zunehmend auch kritische Stimmen – wenn auch mit deutlich geringerer
medialer und finanzieller Schlagkraft ausgestattet.
Das erste Buch, das diese Entwicklungen im Hinblick auf die Auswirkungen auf das
Bildungssystem umfassend beschreibt und kritisch analysiert, ist Liessmanns äußerst
empfehlenswerte „Theorie der Unbildung“13. Ebenfalls sehr lesenswert ist die detailreiche
Übersicht mit vielen Quellenangaben über die Entwicklung seit Anfang der neunziger Jahre
von Clemens Knobloch in seinem Buch „Wir sind doch nicht blöd – Die unternehmerische
Hochschule“14. Einen kürzeren Einblick, den man online lesen kann, gibt seine Ringvorlesung
in Hamburg von 2009 „Vom Lockruf zum Goldrausch“15. Bekannt auch von Richard Münch
u.a. „Akademischer Kapitalismus“16 oder neu das Plädoyer aus der mittlerweile geläuterten
Sicht eines der “Begünstigten“: „Bildung statt Bologna!“17 von Dieter Lenzen.
Auch in der HRK gab es bereits kritische Stimmen, so z.B. die Rede von L. Zechlin18
Weitere kritische Artikel zu mit Demokratieabbau19 und Fremdbestimmung
zusammenhängenden Themen (auch der Akkreditierungsplage) sind in der Quellensammlung
weiter unten aufgeführt.
Die für den Wissenschaftsbereich ungewohnte Machtfülle in (zunehmend
außerwissenschaftlichen) Händen von „Hochschulmanagern“ und „Hochschulräten“ bei
gleichzeitigem Versuch einer fremdgesteuerten umfassenden Neuorientierung des
Hochschulsektors bringt natürlich auch erhöhte Korruptionsgefahren (Missbrauch
anvertrauter Macht) mit sich. Dieser Aspekt wird speziell von uns weiter genau beobachtet
und ggf. skandalisiert werden.
G.-U. Tolkiehn, Version 03/2015
Weitere kritische Publikationen:
(Die Texte der Quellen ohne Link liegen uns vor, viele werden auch von google gefunden)
K.P. Liessmann „Geisterstunde – Die Praxis der Unbildung – Eine Streitschrift“, Zsolnay (2014)
G.-U. Tolkiehn „Wenn nur noch Zahlen zählen“, Die Neue Hochschule 1-2014, S. 6-9
Marion Schmidt „Unter Beobachtung“, Financial Times Deutschland, 30. 11. 2012
Sven Becker „L’Uni, c’est moi“ Uni SPIEGEL 6/2012, pp.14-18
M. Hagner (Hrsg.) „Wissenschaft und Demokratie“, edition unseld, Suhrkamp (2012)
S. Kühl „Der Mythos von der unternehmerischen Hochschule“ FAZ, 27. 5. 2012 http://www.faz.net/frankfurterallgemeine-zeitung/beruf-und-chance/hochschule-der-mythos-von-der-unternehmerischen-universitaet11759995.html
G. Köhler, GEW, „Die Soziale Dimension des europäischen Hochschulraums“ in: „Lebensraum Hochschule :
Grundfragen einer sozial definierten Bildungspolitik“, pp. 31-41, Festschrift für Albert von Mutius aus Anlass
des 70. Geburtstags, H. U. Erichsen (Hrsg.), Reckinger (2012).
F. Raith und F. Grell „Normiertes Studieren – Die vermarktete Hochschule“ Blätter 4/2012 pp 94-98
http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/april/normiertes-studieren
B. M. Kehm „Reform der internen Hochschulstrukturen“, Die Neue Hochschule 1/2011, pp 16-21
W. Lieb „Warum sich Gewerkschaften so schwer tun, der „unternehmerischen Hochschule“ ein fortschrittliches
Leitbild entgegenzusetzen“ 25. 1. 2011 http://www.nachdenkseiten.de/?p=8113
M. Spiewak „Psychische Belastung – Prof. Dr. Depressiv“ Zeit Online 3. 11. 2011,
http://www.zeit.de/2011/45/Professoren-Burnout
W. Lieb „Das Paradigma der Unternehmerischen Universität und der Wettbewerbssteuerung der Hochschule“
28. 1. 2011 http://www.nachdenkseiten.de/?p=8139
M. Hartmann „Die Exzellenzinitiative und ihre Folgen“ in Leviathan 38-3, VS Verlag für Sozialwissenschaften
(2010) pp 369-387 http://link.springer.com/article/10.1007/s11578-010-0091-9
Jens Jessen: „Unterwegs zur Plutokratie“ Die Zeit Nr. 36, 1. 9. 2011 S. 49-50
Andrea Maurer „Anmerkungen zu Richard Münch: Die akademische Elite“, in „Unsichere Zeiten (2010), pp
851-854 http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-92035-1_79
H. Mücke „Die Ökonomisierung des Hochschulalltags“ Die Neue Hochschule 2-3/2009, p. 8
„Schöne neue Hochschulwelt“ GEW, Privatisierungsreport 6 (2008)
http://www.gew.de/Binaries/Binary34669/080415_GEW-Priva-6-final.pdf
R. Münch „Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz“ Suhrkamp (2007),
Kurzer Abriss hier: http://www.zeit.de/2007/40/Akademischer-Kapitalismus
G.-U. Tolkiehn, Einwände gegen den Entwurf des BbgHG vom Juli 2008,
https://www.asta.uni-potsdam.de/2008/09/einwaende-gegen-den-regierungsentwurf-von-prof-dr-guenter-ulrichtolkiehn/
W. Lieb „Von der Freiheit der Wissenschaft zur „unternehmerischen Hochschule“ 13. 6. 2007
http://www.nachdenkseiten.de/?p=2405
R. Weiskopf „Unter der Hand. Aspekte der Gouvernementalisierung der Universität im Zuge der
Hochschulreform“ pp.171-186, in: „Management von Universitäten“, H. Welte et al. (Hrsg.), Rainer Hampp
(2005) http://www.uibk.ac.at/iol/organisation/team/weiskopf/weiskopf.pdf
G.-U. Tolkiehn, Version 03/2015
Quellen
1
Wolfgang Lieb „Das CHE-Ranking 2009/10 ist alles andere als ein Studienführer“
http://www.nachdenkseiten.de/?p=3932 27. 5. 2013
2
CHE Hochschulanking 2013/14, http://ranking.zeit.de/che2013/de/ 27. 5. 2013
3
D. Müller-Böling, „Die entfesselte Hochschule“, Verlag Bertelsmann-Stiftung (2000).
http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/publikationen_2915.htm
(Interessenten kann ich eine durchsuchbare Version der pdf-Datei zur Verfügung stellen.)
4
V. Meyer-Guckel et al. „Handbuch Hochschulräte – Denkanstöße und Erfolgsfaktoren für die Praxis“
Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung in Kooperation mit dem CHE
http://www.che.de/downloads/Handbuch_Hochschulraete.pdf
5
„Nationale Tagung zur Bedeutung des Forschungsratings als Instrument zur strategischen Steuerung und
Kommunikation“ Wissenschaftsrat und Stifterverband, gefördert vom BMBF, am 21. 9. 2012
6
A. Lindner „Qualität durch Wettbewerb und Autonomie – Landeshochschulgesetze im Vergleich“
Stifterverband, August 2002
7
A. Frank et al „Rolle und Zukunft privater Hochschulen in Deutschland“, Studie des Stifterverbands mit
McKinsey & Co
8
M. Erhardt et al.(Hrsg.) „Leitlinien für die deregulierte Hochschule – Kodex guter Führung“ Stifterverband –
Heinz Nixdorf Stiftung (2008), 177 S.
http://www.stifterverband.org/publikationen_und_podcasts/positionen_dokumentationen/leitlinien_fuer_die_der
egulierte_hochschule/leitlinien_deregulierte_hochschulen.pdf
9
„Forum Hochschulräte“ http://www.forum-hochschulraete.de/
10
W. Lieb „Verstoßen die Hochschulräte im „Hochschulfreiheitsgesetz“ NRW gegen die
Wissenschaftsfreiheit?“ http://www.nachdenkseiten.de/?p=11535
11
Caroline Weißert „Die Universität Rostock im Wandel von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus“
(Bachelorarbeit), S. 38, GRIN Verlag (2010)
http://books.google.de/books?id=cwEDlhJQiGcC&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false
12
Georg Schramm: „Wer regiert hier eigentlich?“ http://www.youtube.com/watch?v=urvK7_OCpjQ
13
K. P. Liessmann „Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft“, Zsolnay, 17. Aufl. (2008)
14
C. Knobloch „Wir sind doch nicht blöd – Die unternehmerische Hochschule“, Westfälisches Dampfboot, 2.
Aufl. (2012)
15
Clemens Knobloch „Vom Lockruf zum Goldrausch: Bertelsmann und die Stiftungen in der Hochschulpolitik“
Ringvorlesung Uni Hamburg, 1. 12. 2009
http://praesidentenfindung.wachsender-widerstand.de/BertelsmannHamburg.pdf
16
R. Münch: „Akademischer Kapitalismus – Über die politische Ökonomie der Hochschulreform“, Suhrkamp,
1. Aufl., 2011
17
D. Lenzen „Bildung statt Bologna!“, Ullstein (2014)
18
L. Zechlin „Rede auf der HRK Mitgliederversammlung am 24. 4. 2012“ http://www.unidue.de/imperia/md/content/politik/zechlin/rede_hrk.pdf
19
M. Huber „Universitätsreform und Entdemokratisierung“ 21.5. 2010 http://www.unileipzig.de/~powision/wordpress/magazin/ausgabe-7-engagier-dich/michael-huber/
G.-U. Tolkiehn, Version 03/2015