Einleitung: Ein Deutschland in Europa

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Einleitung: Ein Deutschland in Europa
Band 10. Ein Deutschland in Europa 1989 – 2009
Der Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa im Jahre 1989 und der zwei
Jahre darauf folgende Zerfall der Sowjetunion stellten eine derart markante Zäsur in der
Geschichte des 20. Jahrhunderts dar, dass sie von vielen auch als Zeitenwende postuliert wird.
Der britische Historiker Eric J. Hobsbawm trug dem Gewicht dieser Ereignisse Rechnung, als er
das 20. Jahrhundert prägnant auf die Formel des „kurzen Jahrhunderts“ brachte und es auf den
Zeitraum von 1914 bis 1991 beschränkte.1 Die Zeitenwende der Jahre 1989-1991 markierte
nicht nur den Niedergang des Kommunismus als alternative Herrschaftsform in Europa,
sondern auch das Ende des Kalten Krieges, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland,
Europa, ja die Welt in feindliche Lager geteilt hatte. Die Ereignisse dieser Jahre schlugen dann
auch weltweit Wellen: Demokratische Freiheitsbewegungen erhielten neuen Auftrieb und
manche Beobachter verglichen die Bedeutung der Umbrüche des Jahres 1989 mit der
französischen Revolution des Jahres 1789. Die Rede war vom „Zeitalter der Demokratie“ und
dem Ende einer durch den Wettstreit der Ideologien geprägten Geschichte. Der Siegeszug der
liberalen Demokratie war vermeintlich angetreten.2
Doch die Euphorie war kurzlebig. Als das durch den Kalten Krieg austarierte internationale
System ins Wanken kam, gesellten sich zu den bestehenden neue kriegerische
Auseinandersetzungen von Jugoslawien bis Zaire hinzu. Der internationale Terrorismus nahm
neue Formen an, und so manche Gesellschaften scheiterten an den Herausforderungen einer
Demokratisierung. Was sich in den vergangenen Jahrzehnten als „der Westen“, einschließlich
seiner Bündnissysteme NATO und Europäische Union (EU), etabliert hatte, musste und muss
sich, nicht ohne Schwierigkeiten, an die neuen Gegebenheiten anpassen.3 Zehn Jahre nach
den friedlichen Revolutionen, die 1989 die Welt begeisterten, wurde ihrer kaum mehr gedacht,
doch ihre historische Bedeutung bleibt bestehen. 4
Als zentrale Macht im Herzen Europas kam Deutschland in diesem so genannten kurzen
Jahrhundert eine Schlüsselstellung zu. Während in der ersten Hälfte auf nationaler Ebene
1
Systembrüche vom Kaiserreich zur Weimarer Republik und schließlich zum Dritten Reich
bestimmend waren, brandmarkte sich Deutschland international durch expansionistische Kriege
und systematische Massenvernichtungen von Millionen Menschen. In der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts war Deutschland jenes Territorium, auf dem Beginn und Ende des Kalten
Krieges ausgemacht werden konnten und das an der Frontlinie des Systemwettbewerbs eine
besondere Stellung einnahm. Die Teilung Deutschlands in zwei Staaten war dafür symbolhaft.
Die Implosion der kommunistischen Herrschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa erlaubte
Deutschland die Wiederherstellung eines Nationalstaates in allseits akzeptierten
Nachkriegsgrenzen, ein Vorgang, der von vielen schon als illusionär abgeschrieben worden
war. Zeitgleich brachte die Geschichtszäsur der Jahre 1989-1991 eine Neujustierung der
internationalen Politik.
Die Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 war zunächst von gegensätzlichen
Erwartungen geprägt. Während sie für die einen alte Befürchtungen hinsichtlich deutscher
Sonderwege und erneuter deutscher Dominanz in Europa heraufbeschwor, sahen andere darin
eine Chance für Deutschland, als „normaler“ Staat wie andere Staaten auch in der
Weltgemeinschaft anerkannt zu werden. Wie sich Deutschland entwickeln würde, wurde
deshalb auch international mit Interesse verfolgt. Zunächst jedoch war das Land von den
Schwierigkeiten der Vereinigung vereinnahmt. Die Übertragung der politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Systeme der Bundesrepublik auf die ehemalige DDR erwies sich als schwieriger
und langwieriger als erwartet und offenbarte mentale und kulturelle Reibungsflächen zwischen
Ost und West. Die wirtschaftlichen Herausforderungen der Vereinigung verlangsamten den seit
den achtziger Jahren eingeforderten, aber immer wieder verzögerten Umbau der deutschen
Wirtschafts- und Sozialsysteme und machten ihn umso dringlicher und schwieriger.5
In diesem abschließenden Band der Edition „Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern“
soll die Entwicklung Deutschlands seit 1989 nachvollzogen werden. Viele der
Herausforderungen, mit denen Deutschland konfrontiert ist, betreffen jedoch auch andere
postindustrielle Staaten. Wie kann man den Risiken moderner Gesellschaften und dem
Globalisierungsdruck begegnen? Wie kann der Wohlfahrtsstaat reformiert werden, ohne
gesellschaftliche Polarisierungen und Verteilungskämpfe heraufzubeschwören? Wie kann die
Integration Europas vorangebracht werden und welche Rolle hat Europa im Gefüge der
Weltmächte?6
2
Für Deutschland haben die Jahre seit 1990 eine besondere Bedeutung, da die politischen
Entwicklungen das eingespielte Gleichgewicht von Kontinuität und stetigem, aber in der Regel
bedächtigem Wandel in Frage stellten. Nicht nur die Diskrepanz zwischen Erwartung und
Realität der Vereinigung brachte Enttäuschungen mit sich. Globalisierung und Europäisierung
erzwangen zusätzlich rapide Veränderungen, die viele Politiker und Bürger überforderten, da
sie in ihrer Virulenz so nicht antizipiert worden waren und neue Lösungsansätze sowie Denkund Verhaltensmuster voraussetzten. Parallel dazu hat die Zeit nach 1990 den internationalen
Status und Spielraum Deutschlands sukzessive erweitert. Die Entwicklung zu einer Mittelmacht,
deren Interessen nicht mehr nur auf Europa konzentriert sind, sondern zunehmend auch global
definiert werden, ging im Vergleich zu den innenpolitischen Zerwürfnissen auf der Basis eines
breiten Konsenses der politischen Akteure vor sich.
Die Bonner Republik (1949-1990) wurde sukzessive von der Berliner Republik abgelöst. Der
Begriff der Berliner Republik entstand im Zusammenhang mit der Hauptstadtdebatte und stand
zunächst symbolhaft für Befürchtungen, dass mit dem Umzug des Regierungssitzes von Bonn
nach Berlin auch eine Abkehr von der postnationalistisch orientierten „geglückten Demokratie“
der „alten“ Bundesrepublik vonstatten gehen könnte.7 Inzwischen wird der Ausdruck vor allem
dazu benutzt, um festzustellen, dass mit der Wiedervereinigung (und dem Regierungsumzug
nach Berlin) eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik stattgefunden hat.
In dieser Einführung werden die wichtigsten Diskussionsschwerpunkte der vergangenen Jahre
thematisch gebündelt vorgestellt.8 Gemeinsam mit den Dokumenten wollen wir dem Leser einen
Einblick in die maßgeblichen Entwicklungstendenzen der Innen-, Außen-, Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik geben und deren teilweise kontroversen Charakter vermitteln. Debatten
über Erfolg oder Misserfolg der Vereinigung, die Ursachen, Antworten und Wirkungen
politischer und wirtschaftlicher Reformen oder die außenpolitische Rolle der Bundesrepublik
sind oft ausgeprägt, da die persönliche Betroffenheit unmittelbar ist und die Gleichzeitigkeit von
Ereignis und Bewertung notgedrungen längerfristige Perspektiven vernachlässigt. Einführung
und Dokumententeil belegen die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung sowie den
Übergangscharakter der vergangenen zwei Jahrzehnte.
3
1. Von der Teilung zur Einheit
Angespornt durch die Liberalisierung der kommunistischen Regierungen in der Sowjetunion,
Polen und Ungarn, erhofften auch die Bürger der DDR politische Zugeständnisse ihrer
Regierung. Als diese ausblieben und die DDR-Regierung stattdessen borniert auf der
Richtigkeit ihres eingeschlagenen autoritären Weges bestand, ergriffen die Bürger die Initiative.
Im Herbst und Winter 1989/90 erzwangen erst Massenausreisen von DDR-Bürgern auf dem
Umweg über benachbarte kommunistische Länder und dann Demonstrationen in den Städten
der DDR lange erhoffte politische Konzessionen, einschließlich einer Ablösung der alten
kommunistischen Führungsriege um Erich Honecker. Bürgerproteste trotzten der Regierung in
schneller Abfolge die Öffnung der Berliner Mauer, an dem so genannten Runden Tisch die
Verhandlung mit oppositionellen Kräften und die Zulassung neuer Parteien ab.
Der Ruf nach politischer Beteiligung, der sich in der Parole „Wir sind das Volk“ kundtat, schlug
mit dem Ausruf „Wir sind ein Volk“ in die Forderung nach der politischen Vereinigung
Deutschlands über. Die Ergebnisse der ersten demokratischen Wahl im März 1990 zugunsten
der „Allianz für Deutschland“ sowie der anhaltende Ausreisestrom in Richtung Bundesrepublik
intensivierten das Interesse an einem schnellen Zusammengehen der beiden deutschen
Staaten. Vorstellungen von einem „Dritten Weg“ einer reformierten DDR wurden damit eine
Absage erteilt. Praktisch über Nacht war die Vereinigung der beiden deutschen Staaten in den
Bereich des Greifbaren gerückt.
Die Ereignisse überschlugen sich und das Gefühl, die Gunst der Stunde ausnutzen zu müssen,
forcierte innerdeutsche wie internationale Verhandlungen.9 Eine Lösung der deutschen Frage
hing von der Zustimmung der alliierten Mächte ab und internationale Vorbehalte gegen die
Vereinigung Deutschlands wurden nicht nur von der Sowjetunion, sondern auch von westlichen
Bündnispartnern mit mehr (Großbritannien) oder weniger (Frankreich) Vehemenz artikuliert. In
den „Zwei plus Vier“ Gesprächen zwischen den Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien
und der Sowjetunion mit Vertretern der beiden deutschen Staaten übernahm die amerikanische
Regierung eine entscheidende Führungsrolle.10 Bedenken der sowjetischen Regierung unter
Mikhail Gorbatschow zunächst gegen eine Vereinigung an sich, dann gegen eine NATOMitgliedschaft eines vereinten Deutschlands und schließlich in Fragen des Abzugs sowjetischer
Truppen aus dem Gebiet der DDR wurden durch Verhandlungsgeschick und großzügige
finanzielle Angebote an die politisch und wirtschaftlich stark geschwächte Sowjetunion aus dem
Wege geräumt. Nach anfänglichem Zögern räumte Bundeskanzler Helmut Kohl mit der
4
Anerkennung der Oder-Neiße-Linie polnische Befürchtungen bezüglich einer Revision der
deutschen Nachkriegsgrenzen aus dem Weg. Gemessen an den sonst üblichen
Aufnahmekriterien stimmte die Europäische Gemeinschaft schnell und unbürokratisch zu, das
Beitrittsgebiet der Bundesrepublik auf die ehemalige DDR auszuweiten.
Die anhaltende Ausreisewelle aus der DDR in Richtung Westen sowie die Erwartungen der
DDR-Bürger, möglichst schnell in den Genuss politischer Freiheit und wirtschaftlichen Konsums
zu kommen, erhöhten den politischen Druck. Die westdeutsche Regierung begegnete ihm mit
einer ungewöhnlichen Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse im Bundeskanzleramt und
im Innenministerium.11 Mit der politisch motivierten, aber wirtschaftlich schwer vertretbaren
günstigen Umtauschquote von 1:1 für Löhne und Gehälter und 1:2 für höhere Sparguthaben
fand am 1. Juli 1990 die Wirtschafts- und Sozialunion statt, der am 3. Oktober die Vereinigung
der beiden deutschen Staaten folgte. Die Vertreter beider deutschen Staaten hatten sich im
Vereinigungsvertrag darauf geeinigt, den Zusammenschluss gemäß Artikel 23 des
Grundgesetzes durchzuführen. Die damit eingeschlagene Richtung erlaubte die Inkorporierung
der ehemaligen DDR in die bestehende Bundesrepublik, während Artikel 146 die Möglichkeit
geboten hätte, eine Republik auf der Grundlage einer neuen Verfassung zu bilden. Damit einher
ging die Übertragung westdeutscher Institutionen, Symbole und Gesetze auf die ehemalige
DDR.12 Im Zuge der Verwaltungsumstrukturierung wurden die 1952 aufgelösten Länder der
DDR wiederhergestellt. Zumindest der Intention nach waren Kontinuität und nicht Wandel
angesagt. Für diese Tendenz waren viele Gründe verantwortlich: gefühlter wie realer Zeitdruck,
unzureichende Planung für den Eventualfall einer Vereinigung, aber auch die Überzeugung,
dass sich das westdeutsche politische und wirtschaftliche System bewährt hatte.13
2. Die Vereinigungskrise
Alle Regimewechsel sind mit einem hohen Grad an Unsicherheit verbunden, da unklar ist, wer
zu den Gewinnern oder Verlierern der Transformation gehören wird. Euphorie schlägt oft
schnell in Ernüchterung um; parallel dazu nimmt die Bereitschaft ab, sich politisch zu
engagieren. Diese Entwicklungen gelten auch für die ehemalige DDR, obgleich die Vereinigung
mit der demokratisch gefestigten und wirtschaftlich überlegenen Bundesrepublik die Folgelasten
für die Bürger der ehemaligen DDR abfedern und die Bürger der alten Bundesrepublik
möglichst wenig belasten sollte. Dennoch war der bereits im Frühjahr 1991 einsetzende
Vereinigungsschock umfassender und langwieriger als von vielen erwartet.
5
Wie sollte man mit den Verantwortlichen und den Opfern des alten Regimes umgehen, die
bankrotte Staatswirtschaft in eine profitable Marktwirtschaft überführen, DDR-Institutionen nach
westdeutschem Muster ab- und umbauen? In allen diesen Fragen prallten die Meinungen
aufeinander, wobei sich diese Unterschiede oft nur vordergründig an Ost-West-Gegensätzen
festmachten. Zudem bestimmte die Dominanz Westdeutschlands in allen politisch, wirtschaftlich
wie auch gesellschaftlich relevanten Fragen den Vereinigungsprozess. Das Wort von der
Vereinigungskrise machte die Runde. Die antizipierte Folgenlosigkeit der Vereinigung für die
alte Bundesrepublik wurde von manchen erhofft, von anderen kritisiert.14 Jedoch zeigte sich
schnell, dass Deutschland als Ganzes von der Vereinigung betroffen sein würde. Politisch
veränderten sich unter anderem die Parteienlandschaft und die damit verbundenen
Koalitionszwänge. Die immer wieder totgesagte Nachfolgepartei der SED, die Partei des
Demokratischen Sozialismus (PDS), konnte sich binnen weniger Jahre als östliche
Regionalpartei etablieren, vermeintliche und wirkliche Verlierer der Vereinigung in das politische
System integrieren und westdeutsche Politiker frustrieren. Sie bekommt – nunmehr integriert in
die Partei Die Linke – in den Gebieten der ehemaligen DDR regelmäßig die zweitgrößte Anzahl
der Wählerstimmen.
Die Arbeitsgesellschaft der DDR – die Erwerbstätigenquote lag mit 90 Prozent mehr als 20
Prozent über der westdeutschen – wurde durch Massenentlassungen ihrer Grundlage und
damit viele ostdeutsche Bürger eines Teils ihrer Identität beraubt. Innerhalb kurzer Zeit mussten
mehr als zwei Drittel der ostdeutschen Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wechseln oder wurden in
die vorzeitige Pensionierung entlassen. Vor allem Frauen waren hart betroffen; deren
Beschäftigtenquote reduzierte sich von 80 Prozent auf ca. 50 Prozent.15 Bis heute anhaltende
Transferzahlungen von West nach Ost in Milliardenhöhe garantieren Sozialleistungen und
gewaltige Investitionen in die Infrastruktur; das wirtschaftliche Ost-West-Gefälle besteht aber
weiter. Die von Helmut Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“, in denen eine
funktionierende und wettbewerbsfähige Wirtschaft die marode Planwirtschaft der DDR ersetzen
sollte, trafen nicht ein. Nicht nur Massenproteste folgten. Getragen von dem Gefühl des
Umbruchs und der Unsicherheit, nahm zum Beispiel zu Beginn der neunziger Jahre die
Geburtenrate in den neuen Bundesländern so rapide ab wie sonst nur nach Kriegszeiten.16 Vor
allem junge Bürger aus den ländlichen Regionen Ostdeutschlands zog es in den Westen des
Landes. Die Desillusionierung tat sich in politischer, sozialer und kultureller Distanz zwischen
6
West- und Ostdeutschen kund; die Wortschöpfungen Ossi und Wessi fingen diese Entfremdung
symbolhaft, wenn auch stereotypisch, ein.
Erfolg oder Scheitern der Vereinigung und der Transformation Ostdeutschlands angemessen zu
beurteilen, ist schwierig. Die Prozesse waren facettenreich und die damit verbundenen
Tendenzen oft gegensätzlich; schließlich variiert die Beurteilung je nach persönlicher
Betroffenheit und thematischem Bezugspunkt.17 Regelmässig bejaht eine große Mehrheit der
Deutschen die Richtigkeit der Entscheidung, Deutschland zu vereinigen18 Seit Mitte der
neunziger Jahre stehen Ost-West-Gegensätze bewusst nicht mehr im Zentrum der nahezu
ausschließlich von westlichen Medien gelenkten öffentlichen Diskussion. Die weitgehende
Ausblendung der nach wie vor bestehenden Probleme aus den Schlagzeilen hat deren
potentielle politische Sprengkraft vermindert, doch deren Lösung nicht befördert. Der Aufbau
Ost gehört schon lange nicht mehr zur „Chefsache“.19 Die doppelt so hohen Arbeitslosenzahlen
in den neuen Bundesländern, die stetige Migration vom Osten in den Westen und die nach wie
vor notwendigen Transferleistungen von West nach Ost weisen auf weiterhin existierende
Problemlagen hin. Die Feiern anlässlich des 20. Jahrestages des Falls der Berliner Mauer
waren dennoch vorwiegend von dem Gefühl geprägt, schwierige Transformationsprozesse
erfolgreich gemeistert zu haben.
3. Normalität und Identität
Wenn auch unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, war nach 1949 das Streben nach
Normalität ein Kennzeichen beider deutscher Staaten, doch gerade die Zweistaatlichkeit stellte
dies lange Zeit ebenso in Frage wie die Bürde der nationalsozialistischen Vergangenheit. Der
Schatten der Vergangenheit bleibt bestehen, doch bot sich mit der Wiedervereinigung eine
Chance, dem Ziel einer angenommenen nationalstaatlichen Normalität näher zu kommen.
Antworten auf die Frage, ob Deutschland inzwischen ein normaler Staat geworden ist, hängen
nach wie vor von der Perspektive des Betrachters ab, doch nehmen die Zeichen dafür zu, dass
sich das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Staat und das der Welt zu den Deutschen heute
unkomplizierter gestaltet als in der Vergangenheit.20 Aber Veränderungen sind graduell und
nicht absolut; ihre Wahrnehmung ist notwendigerweise subjektiv und wird durch die
Unbestimmtheit des Begriffs der Normalität erschwert.
7
Die turbulente Geschichte Deutschlands hatte zur Folge, dass Flaggen und nationale Feiertage
oft wechselten, und Gedenkstätten von nationaler Bedeutung gibt es heute relativ wenige.21 Die
Propaganda des Dritten Reiches missbrauchte Nationalismus und Patriotismus in exzessivem
Maße zu ihren Zwecken. Das Zur-Schau-Stellen nationaler Symbole war denn auch im
Nachkriegsdeutschland lange suspekt und Stolz auf das Vaterland wurde kaum politisch
begründet. Heute rangiert Stolz auf das politische System gleichberechtigt neben Wissenschaft,
Kultur und Wirtschaft, den nationalen Eigenschaften und Sozialgesetzgebung. Die intendierte
Usurpierung des Themas Nationalstolz durch eine Minderheit der radikalen Rechten wird immer
häufiger untergraben. Der Übergang zu neuen Inhalten und Formen des Patriotismus wurde
nicht zuletzt auch durch einen Generationswechsel erleichtert. Vor einem Jahrzehnt gehörte
noch annähernd ein Drittel der Bundestagsabgeordneten der Kriegsgeneration an; in der 16.
Wahlperiode (2005-2009), waren es nur noch 15 von 614 Abgeordneten.
Erinnerungsthemen haben in Deutschland stets Konjunktur, wobei die kontroverse Aufarbeitung
der kommunistischen Diktatur in der DDR die zentrale Rolle des Holocaust als Grundpfeiler der
Gedächtniskultur nicht verdrängt hat. Fast alle der geschichtsträchtigen Themen, die in den
letzten Jahren kontrovers diskutiert wurden – angefangen von der Rezeption der
Wehrmachtausstellung und des Buches von Daniel Goldhagen, die Walser-Bubis-Debatte, die
Entschädigung von Zwangsarbeitern, die Opfer-Täter-Diskussion bis hin zum HolocaustMahnmal in Berlin und dem geplanten Zentrum gegen Vertreibungen –, können nur unter dem
Gesichtspunkt dieser Hierarchisierung von Erinnerung verstanden werden. Dennoch bleibt die
„doppelte Vergangenheitsbewältigung“ von nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur
ein Thema. Während sich über Jahrzehnte ein weithin akzeptierter Erinnerungskonsens über
das Dritte Reich und den Holocaust etabliert hat, dauert die Diskussion darüber an, wie die
zweite deutsche Diktatur bildungspolitisch vermittelt und historiographisch angemessen beurteilt
werden kann. Die intensiv und kontrovers geführte öffentliche Aufarbeitung der DDRVergangenheit machte sich zunächst vor allem an der Mitarbeit in der Staatssicherheit der DDR
(Stasi), dann am repressiven Regimecharakter der DDR fest. Bis heute stehen sich in der
ehemaligen DDR kontrastierende und oft emotional aufgeladene Erinnerungswelten gegenüber,
während im Westen DDR-Geschichte nur selektiv auch als gesamtdeutsche Geschichte
angenommen wird.22
Mit der Vereinigung rückte nicht nur die historische Auseinandersetzung mit der DDR, sondern
auch die Frage nach dem Miteinander der ost- und westdeutschen Bürger in das Rampenlicht.
8
Man kann kritisieren, dass Deutschland im Gefolge der Vereinigung die Chance vertan hat, sich
um den Aufbau einer gemeinsamen Identität zu bemühen. Weder eine neue Verfassung, noch
neue Symbole oder ein groß angelegtes Projekt seien in die Wege geleitet worden.23 Plakativ
mit den Begriffen des „Besserwessi“ und „Jammerossi“ versehen, zeigte sich schnell, dass ein
Abbau der „Mauer in den Köpfen“ und die Annäherung unterschiedlicher politischer
Orientierungen und Verhaltensmuster in Ost und West Zeit beanspruchen würde.24 Dabei sollte
jedoch nicht übersehen werden, dass im regional stark gefärbten Deutschland politische
Präferenzen und Verhaltensmuster nicht nur von Ost-West-Gegensätzen, sondern auch von
beträchtlichen Nord-Süd-Kontrasten gekennzeichnet sind.
4. Deutschland in der Welt
Die Vereinigung Deutschlands und die in ihrem Gefolge erreichte volle Souveränität haben die
Rolle der Bundesrepublik als europäische Mittelmacht schrittweise gestärkt und ihren
Handlungsspielraum vergrößert. Mit einer Bevölkerung von 82 Millionen ist Deutschland das
bevölkerungsreichste Land westlich von Russland und die wichtigste Wirtschaftskraft Europas.
Der internationale Druck, der bereits gegen Ende der „alten“ Bundesrepublik zugenommen
hatte, die außenpolitische Zurückhaltung zugunsten größerer Beteiligung auf der Weltbühne
aufzugeben, nahm aufgrund des Golf-Krieges im Jahre 1991 und des gewaltsamen Zerfalls
Jugoslawiens in den neunziger Jahren sprunghaft zu. Gedämpft wurde er durch anfängliche
Befürchtungen, dass Deutschland zur beherrschenden Macht Europas aufsteigen könnte.
Als Markenzeichen der deutschen Außenpolitik gelten nach wie vor Kontinuität und ein breiter
Konsensus aller wichtigen politischen Kräfte, wobei Frankreich und die USA als
Basiskoordinaten dienen. Kontinuität und Konsens zeigen sich vor allem bei der inzwischen zur
Staatsräson avancierten Verpflichtung zum Multilateralismus, d.h. dem Bemühen, internationale
Probleme auf dem Wege der Kooperation mit anderen Regierungen und internationalen
Organisationen und nicht im nationalstaatlichen Alleingang zu lösen. Diese Politik bindet
Deutschland insbesondere an die EU und erleichtert seine Mitwirkung im Konzert der Mächte.
Erwartungen hinsichtlich einer engagierten und erweiterten internationalen Rolle sind im In- und
Ausland gestiegen. Diese wurden insbesondere im Bereich der Sicherheitspolitik durch
konkrete Aktionen in die Tat umgesetzt. Die Bundeswehr hat sich von einer reinen
Verteidigungsarmee zu einer Einsatzarmee entwickelt, deren Soldaten auf verschiedenen
9
Kontinenten in Missionen von NATO, EU und UN tätig sind. Diese Übernahme militärischer
Verantwortung in Krisengebieten der Welt geschah zeitgleich mit einer Verkleinerung der
Streitkräfte von 340.000 auf 250.000 Soldaten. Die Umorientierung der Rolle der Streitkräfte ist
trotz des verbreiteten Pazifismus relativ reibungslos vor sich gegangen, auch wenn die Mehrheit
der Bevölkerung den Auslandseinsätzen der Bundeswehr mehrheitlich ablehnend
gegenübersteht. Deutschlands Selbstverständnis als Zivilmacht bleibt weiter bestehen.
Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs wurde die Mittellage Deutschlands im Herzen
Europas Chance und Risiko zugleich. Sie war Risiko, da die Durchlässigkeit der Grenzen
Einwanderungsängste schürte und Befürchtungen hinsichtlich möglicher negativer
wirtschaftlicher und politischer Nebeneffekte heraufbeschwor. Sie war aber auch Chance, die
Beziehungen zu den östlichen Nachbarn auszuweiten und Deutschland mit demokratischen
Bündnispartnern zu umgeben. Deutsche Politiker machten sich deshalb von Anfang an zu
Advokaten einer Osterweiterung von NATO und EU.
Gilt Konsens und pragmatische Anpassung ganz allgemein für die deutsche Außenpolitik, so
trifft dies noch ausgeprägter auf die Europapolitik zu. Die demokratischen Revolutionen in
Mittel- und Osteuropa zwangen die westeuropäischen Politiker zeitgleich eine Vertiefung der
Integration und eine Erweiterung des Beitrittsgebietes der Europäischen Union vorzunehmen.
Mit dem Vertragswerk von Maastricht (1992) wurden eine gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik, Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik und die Schaffung einer
Währungsunion postuliert. Um den intendierten Integrationsschub auch sprachlich zur Geltung
zu bringen, wurde die Europäische Gemeinschaft in Europäische Union umbenannt. Die Zahl
der Mitgliedsstaaten vergrößerte sich zwischen 1995 und 2004 von zwölf auf 25. Bulgarien und
Rumänien traten 2007 der EU bei; weitere Kandidaten stehen bereits vor der Tür. Diese
weitreichenden und rasanten Veränderungen werfen vermehrt Fragen nach der Finalität der EU
auf, was sowohl ihre Kompetenzen, ihr Demokratieverständnis und ihre territoriale Größe
angeht. Nach den gescheiterten Volksentscheiden zum Europäischen Verfassungsvertrag in
Frankreich und den Niederlanden im Sommer 2005 legte die EU notgedrungen eine
Reflexionsphase ein. Während der Ratspräsidentschaft Deutschlands im ersten Halbjahr 2007
wurden wichtige Aspekte des gescheiterten Verfassungsvertrages in den Vertrag von Lissabon
integriert, der nach der Ratifizierung in den Mitgliedsländern am 1. Dezember 2009 in Kraft trat.
10
Die Bundesrepublik hat seit der Vereinigung in gewohnter Manier die Initiativen der EU
unterstützt und diese in vielen Bereichen, wie bei der Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa
und dem Engagement in Südosteuropa, lanciert.25 Insgesamt gilt nach wie vor, dass sich
Deutschlands Bürger mehrheitlich mit Europa identifizieren.26 Allen voreiligen Todesmeldungen
zum Trotz besteht auch nach der territorialen Ausweitung der EU das Tandem FrankreichDeutschland als Motor der EU weiter. Das Tempo der europäischen Integrationspolitik und ihre
räumliche Ausweitung, Streitigkeiten um Einzelfragen und Sorge um deutsche Interessen haben
bei der deutschen Bevölkerung, ähnlich wie bei den Bürgern in anderen europäischen Staaten,
eine größere Skepsis gegenüber der EU hervorgerufen. Diese Skepsis ist jedoch mit
grundsätzlicher Akzeptanz der Entscheidungen verbunden, auch wenn sie, wie im Falle der
Einführung des Euro, der gemeinsamen europäischen Währung, unbeliebt waren. Das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon (2009) hat zumindest gesetzlich
eine Ausweitung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in EU-Angelegenheiten
veranlasst. Kritiker bemängelten die Stärkung des Nationalstaates, die dadurch zum Ausdruck
kam, während Befürworter begrüßten, dass der europäischen Integration deutlichere Grenzen
gesetzt wurden. Mit der Eurokrise des Jahres 2010 hat die Skepsis gegenüber einer von den
politischen Eliten forcierten Europäischen Union neue Nahrung erhalten.
Veränderungen der deutschen Außenpolitik sind in erster Linie Reaktionen auf eine Wandlung
des internationalen Umfeldes und nicht das Ergebnis gezielter, neuer Strategien, wobei die
Meinungen auseinander gehen, ob es sich dabei lediglich um Anpassungen oder bereits um
Neuausrichtungen deutscher Außen- und Europapolitik handelt.27 Deutschland ist wieder
Mittelmacht und versteht sich auch als „Mitführungsmacht“. Die außenpolitische Maxime der
Selbstbeschränkung, die die alte Bundesrepublik kennzeichnete, ist weiter vorherrschend, doch
wird sie vermehrt um Zeichen der Selbstbehauptung ergänzt. Diese Politik wurde insbesondere
von Bundeskanzler Gerhard Schröder lanciert, der deutsche Interessen auf internationaler
Bühne offener und selbstbewusster artikulierte als noch seine Amtsvorgänger.28 Seine
vehemente Ablehnung einer deutschen Beteiligung am Krieg gegen den Irak und dessen
gelungene Funktionalisierung im Wahlkampf des Herbstes 2002 führte zu beträchtlichen
transatlantischen Irritationen. Allerdings lag beiden Seiten an Schadensbegrenzung, der durch
den Regierungswechsel in Deutschland im Jahre 2005 von Gerhard Schröder zu Angela Merkel
und dann drei Jahre später in den USA von George W. Bush zu Barack Obama beschleunigt
wurde. Der weltpolitische Einfluss der Bundesrepublik bleibt im Unterschied zu ihrer
europäischen Rolle immer noch begrenzt. Deutschlands Bestrebungen nach einem ständigen
11
Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen scheiterten nicht zuletzt im Gefolge der
transatlantischen Störungen am Widerstand der USA. Andererseits wird Deutschland immer
mehr in weltpolitischen Fragen, so zum Beispiel im Konflikt mit Iran, konsultiert und in
Entscheidungen mit einbezogen. Die Austarierung der deutschen Außenpolitik bleibt im
Gange.29
5. Der Abbau des Reformstaus
Nach einem durch die Vereinigung belebten kurzen wirtschaftlichen Aufschwung wurde die
Bundesrepublik schnell von den ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Problemen der
vorhergehenden Jahrzehnte eingeholt. Mit der Vereinigung und dem Beharren auf Kontinuität
wurde ein nahtloser Übergang von der alten zur neuen Bundesrepublik und die Erhaltung
politischer Stabilität erleichtert, aber auch eine wichtige Chance vertan, Reformvorhaben im
Bereich der Wirtschafts- und Sozialsysteme anzugehen. Diese Strategie sollte sich rächen.
Wie kaum ein anderes Thema füllte das Einklagen von wichtigen Reformen jahrelang die Seiten
der Zeitungen und die Reden der Meinungsmacher. Im Unterschied zu den Reformen der
sechziger und siebziger Jahre, die mit einer Ausweitung des Angebots – von Demokratie,
Sozialleistungen und Bildung – breite Unterstützung fanden, implizieren Reformen heute für
viele die Bereitschaft zum Wettbewerb und die Furcht vor Verlust an Sozialleistungen. Sie rufen
deshalb Widerstände und immer wieder auch Protest hervor. Angesichts hoher Staatsschulden,
nachhaltiger struktureller Arbeitslosigkeit, langsamen Wirtschaftswachstums, niedriger
Geburtsraten und der Alterung der Bevölkerung sowie globalen Wettbewerbs wurde praktisch
kein Politikfeld von dem Ruf nach Reformbedarf ausgenommen. Zur Disposition stehen und
standen unter anderem die Finanzierung der Renten und der Gesundheitsversicherung, ein
Umbau der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, eine Erneuerung der Bildungspolitik sowie eine
Neustrukturierung der Bund-Länder-Beziehungen.
Bereits 1997 wurde das geflügelte Wort vom „Reformstau“ geboren und zum Wort des Jahres
gekürt; zu ihm gesellten sich weitere Kurzformeln wie „Lähmung“, „deutsche Krankheit“ oder
„gefesselte Republik“. Diese Ausdrücke versuchten ein Befinden einzufangen, das von
Widersprüchlichkeiten durchsetzt war. Trotz der Identifikation von Problemen und des
artikulierten Reformwillens würden die Problemlösungen nicht den Erwartungen entsprechen.
Verschiedene Gründe wurden dafür angeführt. Für die einen lag es vor allem an der so
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genannten Politikvernetzungsfalle, die das politische System der Bundesrepublik beherrsche,
d.h. der Abhängigkeit verschiedener Politikebenen voneinander, um zu Entscheidungen zu
gelangen. Dieses System verlange eine Verhandlungsdemokratie, die breiten Konsens sucht
und deshalb meist nur im Schneckentempo vorankommt. Das Verhältnis von Bundestag und
Bundesrat und die Funktionalisierung des Bundesverfassungsgerichts als politisches Instrument
wurden kritisch kommentiert. Andere betonten, dass die politische Klasse zu sehr in
eingefahrenen Denkmustern verharre, Reformstrategien dem Bürger nur unzureichend
vermitteln und keine Führungsrolle übernehmen würde. Die Reformdebatte wurde ideologisiert
und zu parteipolitischem Gerangel genutzt. Die Haltung der Bürger selbst ist nicht frei von
Widersprüchen. Zum einen kritisieren sie die offensichtliche Impotenz der Politik; zum anderen
verteidigen sie aber ihre Besitzstände vehement. 30 Je weniger geschah, desto bedrohlicher
wurden die Zukunftsszenarien.
Im Zeichen der Globalisierung und Europäisierung gilt, dass Beurteilungen – ob positiv oder
negativ – in internationale Vergleichsdaten eingebettet werden. Erfolg wird nicht zuletzt daran
gemessen, in welchem Maße Deutschlands Wirtschafts- und Sozialsysteme sich im
internationalen Vergleich bewähren und auf nationaler Ebene Prinzipien des Wettbewerbs mit
sozialer Gerechtigkeit vereinen können. Bei internationalen Vergleichen spielt es durchaus eine
Rolle, welche Vergleichsdaten man heranzieht: Will man zum Beispiel betonen, dass die
deutsche Wirtschaft den Herausforderungen der Globalisierung begegnet, dann empfiehlt es
sich, die Rolle Deutschlands als Exportweltmeister oder die Höhe der ausländischen
Direktinvestitionen hervorzuheben. Glaubt man, dass Deutschland auf dem Weltmarkt nach wie
vor nicht wettbewerbsfähig ist, dann helfen Zahlen zu den hohen Lohnnebenkosten, der
Inflexibilität des Arbeitsmarktes und langsamem Wirtschaftswachstum, um dies zu belegen. So
hilfreich Vergleichsdaten sind, um Deutschlands wirtschaftliche Leistungskraft und
Wettbewerbsfähigkeit in der Welt zu verorten, so wenig berücksichtigen sie nationale
Charakteristika, die im Falle Deutschlands die vereinigungsbedingte Sonderlage und eine
starke Identifikation mit den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigen müssen.
Kommt man einmal von der Fixierung auf Wirtschaftsdaten ab und schließt Reformen im
Wehrbereich, in der Bildung, in der Gesellschaftspolitik mit ein, so zeigt sich das Bild ebenfalls
facettenreicher, als in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen wird.
Dass der Reformelan immer wieder blockiert und unterminiert wurde, wird nicht bestritten, doch
wird dem politischen System inzwischen Fortschritt bei der Bewältigung der Aufgaben
13
attestiert.31 Reformpolitik in Deutschland ist in der Regel ein behutsamer Anpassungsprozess,
der alte Strukturen modifiziert, um sie effektiver zu machen. Radikale Einschnitte sind dagegen
selten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Kumulierung von kleineren Reformschritten
durchaus weitreichende, auch strukturelle Konsequenzen zeitigen kann. Die Räder der
Politikmühlen drehen sich langsam, doch Steuer- und Rentenreform, ein Umbau der Kapitalund Arbeitsmärkte und des Hochschulsystems und nicht zuletzt eine Reihe von Gesetzen, die
gesellschaftliches Umdenken im Verhältnis zwischen den Geschlechtern und zu Ausländern
voranbrachten, haben die Republik nachhaltig verändert.32
6. Politik im vereinten Deutschland
Das eingeklagte Reformdilemma beherrschte über Jahre die Tagespolitik, verstärkte die
Politikverdrossenheit und unterminierte das kollektive Selbstbewusstsein der Deutschen. Dabei
begann es 1990 durchaus verheißungsvoll. Die deutsche Wirtschaft boomte unter dem Einfluss
der Vereinigung, die Deutschen feierten die Vereinigung ihres Landes und die Rückkehr einer
vollen internationalen Souveränität. Politisch gewährte ein optimistischer Zeitgeist Helmut Kohl
die Wiederwahl zum Bundeskanzler im Dezember 1990. Dieser Optimismus verschwand jedoch
schnell: der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft und die Auseinandersetzungen um die
Transformation Ostdeutschlands sowie die Zunahme rechtsextremistischer und
ausländerfeindlicher Aktivitäten im Zusammenhang mit einem stetigen Anstieg von Aussiedlern
und Asylbewerbern forderten die Regierung Kohl heraus. 1994 wurde sie trotz der
Vereinigungsfrustrationen gerade noch einmal wiedergewählt. Nach sechzehn Jahren im Amt
war es jedoch 1998 nach Ansicht der meisten Wähler Zeit für einen Regierungswechsel. Mit
Helmut Kohls Abgang ging eine Ära zu Ende. Helmut Kohl wird als treibende Kraft der
Modernisierung der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU), überzeugter
Europäer, unter dessen Federführung eine gemeinsame Währung verhandelt wurde, und
Vereinigungskanzler in Erinnerung bleiben. Kohls Involvierung in und Handhabung des
1999/2000 aufgedeckten Finanzskandals um illegale Spenden auf CDU-Parteikonten werfen
jedoch nachträglich einen Schatten auf seine Amtsjahre.
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde 1998 eine Regierung durch die Stimmen
der Wähler und nicht durch das Koalitionsmanövrieren der Parteien abgewählt. Im Unterschied
zu 1969, als der Antritt einer sozialliberalen Koalition für manche die Grundpfeiler der Republik
erschütterte, wurde die Bildung einer Koalition zwischen der Sozialdemokratischen Partei
14
Deutschlands (SPD) und Bündnis 90/Die Grünen von den Verlierern mit demokratischer
Gelassenheit hingenommen. Gemeinsam war beiden Regierungswechseln das Gefühl der
Aufbruchstimmung. 1998 war jedoch mehr als nur ein Regierungswechsel: An der Spitze der
Politik vollzog sich ein Generationenwechsel von der Kriegs- auf die Nachkriegsgeneration. Die
so genannte 68er-Generation hatte sich erste politische Sporen in den rebellischen sechziger
Jahren verdient und war den Marsch durch die Institutionen angetreten. Nun waren einige ihrer
Vertreter, allen voran Gerhard Schröder und Joschka Fischer, an der Macht.
Wie bei der sozialliberalen Koalition der Jahre 1969-1982 vereinnahmten die unterschätzten
Mühen des politischen Alltags und interne Parteiquerelen das Regierungsgeschäft der rotgrünen Regierung. Politikblockaden zwischen Bund und Ländern erschwerten wie schon in den
letzten Jahren der Kohl-Regierung die Umsetzung von Reformen. Politik konnte erfolgreich oft
nur dann gemacht werden, wenn informelle Beratungsgremien eine Agenda vorstellten, die
dann von einer ebenso informellen großen Koalition zwischen den beiden großen Parteien SPD
und CDU verhandelt wurde. Praktisch alle großen Politikvorhaben der letzten Jahre –
angefangen von der Wehrstrukturkommission über die Zuwanderungskommission bis hin zu der
Föderalismuskommission und den Renten- und Arbeitsmarktkommissionen – basierten auf
diesen Verfahren.
Überfällige Liberalisierungen glückten trotz aller Schwierigkeiten. Dazu gehören ein moderneres
Staatsbürgerschaftsrecht, das unter bestimmten Bedingungen eine doppelte Staatsbürgerschaft
zulässt (1999), ein Partnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare (2001) und, nach
vierjährigem Verhandeln, endlich ein Zuwanderungs- und Integrationsgesetz (2005). Auch in
anderen Bereichen, wie der Reform der Bundeswehr, der Steuern und der Sozialsysteme,
wurden wichtige Änderungen vorgenommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte seine
Regierungsarbeit, so versprach er 1998, jedoch gerade am Abbau der Arbeitslosigkeit messen
lassen. Seit vielen Jahren bewegt das Thema der Arbeitslosenzahlen wie kein anderes die
politischen Gemüter. In einem politischen Kraftakt Schröders wurde im März 2003 die Agenda
2010, ein mehrstufiges Arbeitsmarktprogramm, verabschiedet. Vor allem Kürzungen des
bisherigen Arbeitslosengeldes sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
(Hartz IV) führten zu bundesweiten Protesten. Frustrierte SPD-Mitglieder und Gewerkschaftler
gründeten die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), die sich im Januar
2005 als Partei etablierte. Hohe Arbeitslosenzahlen, die im Mai 2005 bei 4,8 Millionen (11,6
Prozent) lagen, interne Parteiauseinandersetzungen um Wirtschafts- und Sozialpolitik, eine
15
Niederlage nach der anderen bei Landtagswahlen, die in der sozialdemokratischen Hochburg
Nordrhein-Westfalen besonders empfindlich ausfiel, veranlassten Bundeskanzler Gerhard
Schröder, vorzeitige Bundestagswahlen anzukündigen. Eine fingierte Vertrauensfrage, in der
Schröder absichtlich die Abstimmung im Bundestag verlor, ebnete den Weg für vorgezogene
Bundestagswahlen im September 2005.
Die ungeliebte Vision einer offiziellen Großen Koalition zwischen CDU, ihrer bayerischen
Schwesterpartei der Christlich-Sozialen Union Deutschlands (CSU) und SPD wurde seit 1998
immer wieder an die Wand gemalt und nach der vorgezogenen Bundestagswahl vom
September 2005 Wirklichkeit. Sie wurde aber auch als Politikchance begriffen, überfällige
Reformen, die seit Jahren diskutiert werden, in die Tat umzusetzen. Dass eine Frau aus der
ehemaligen DDR, Angela Merkel, als Bundeskanzlerin seit Herbst 2005 an der Spitze der
Regierung steht, war nur kurz von Neuigkeitswert und von symbolischer, aber kaum von
politischer Bedeutung. Die Große Koalition wurde im September 2009 durch eine Koalition von
CDU/CSU und FDP abgelöst. Die Wahl der Koalitionspartner setzt Kontinuität voraus, die
jedoch trügerisch ist. In den letzten beiden Jahrzehnten haben die Volksparteien CDU/CSU und
SPD kontinuierlich Stimmen an die kleinen Parteien Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die
FDP verloren. Langfristig öffnet das neue Koalitionsmöglichkeiten zwischen CDU/CSU und
Bündnis 90/Die Grünen oder zwischen CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, die heute schon
auf Länderebene praktiziert werden. Mit anderen Worten: die Parteienlandschaft hat sich seit
1990 stark verändert. Rechtsradikale Parteien haben bis heute nicht den Sprung in den
Bundestag geschafft, doch die Verbindung der Regionalpartei PDS mit einer populistischen
Linkspartei im Westen, die sich 2007 zu einer neuen Partei Die Linke zusammengeschlossen
haben, hat die Konkurrenz um Wählerstimmen links von der Mitte angeheizt. Nie zeigte sich das
deutlicher als bei den Bundestagswahlen im September 2009, als die SPD das schlechteste
Wahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik einstecken musste.
Die Koalition der „neuen Möglichkeiten“ mit ihren Schwerpunkten „Sanieren, Investieren und
Reformieren“, so Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatte zur Durchsetzung ihrer Agenda die
dazu nötigen Stimmen in beiden Häusern des Parlaments. Doch die Bundeskanzlerin hatte bei
ihrer Amtseinführung auch von der Politik der „kleinen Schritte“ gesprochen. Allen Unkenrufen
zum Trotz überlebte die Große Koalition die Legislaturperiode von vier Jahren und konnte am
Ende auf Erfolge verweisen. Überfällige Reformen wurden verabschiedet, darunter die
Föderalismusreformen, die Erhöhung des Rentenalters, die Senkung der Lohnzusatzkosten
16
unter 40 Prozent sowie, mit der Einführung des Elterngeldes und dem Versprechen von mehr
Kindertagesstätten, auch eine Liberalisierung der Familienpolitik. Gerade als das
Wirtschaftswachstum zunahm und die Arbeitslosenzahlen und Staatsschulden abnahmen, traf
die internationale Finanzkrise 2008/09 auch Deutschland. Vereint wie selten zuvor zogen die
Koalitionspartner an einem Strang und verabschiedeten Konjunkturpakete und
Bankenreformen, die entscheidend zur Stabilisierung der Wirtschaft beitrugen. Doch die Bilanz
der Großen Koalition ist nicht nur positiv. In vielen Politikbereichen zeigte sich, dass politische
Struktur und Mentalitäten Kompromisslösungen erschweren. Selbst in Bereichen, in denen
Fortschritte erzielt wurden, wie im Bereich der Gesundheitsreform, ist eine Reform der Reform
nur eine Frage der Zeit. Auch wenn ideologische Abgrenzung immer wieder zur Schau gestellt
wurde, die Koalitionsarbeit war pragmatisch. Am Ende, als sich CDU und SPD im Wahlkampf
gegenüberstanden, hatten sich die Koalitionspartner so eingespielt, dass sich der gewohnte
harte ideologische Schlagabtausch nicht einstellen wollte. Der Wahlkampf war auf wenige
Wochen beschränkt und kam nie richtig in Fahrt.
Die Gesellschaft der Bundesrepublik ist heterogener und in ihrer Zusammensetzung älter
geworden. Das befördert lange schmorende und nur teilweise gelöste Politikprobleme wie die
Frage der Zuwanderung und der Integration von Ausländern sowie die Familienpolitik immer
wieder in das Rampenlicht. Zu diesen ungelösten Problemen gehört auch gewalttätiger
Rechtsradikalismus, der insbesondere in den neuen Bundesländern immer wieder von sich
Reden macht.
7. Übergänge: Von der Bonner zur Berliner Republik
Im Jahr 1990 wurde von den Politikern der Bundesrepublik Deutschland innen- und
außenpolitische Kontinuität beschworen. Von der Warte des Jahres 2010 aus gesehen, zeigt
sich jedoch, dass sich für die Bundesrepublik und ihre Bürger viel mehr verändert hat, als man
vor zwei Jahrzehnten voraussehen konnte. Die Vereinigung kam mit rasanter Geschwindigkeit
und ihre Konsequenzen betrafen die Bürger der ehemaligen DDR in nahezu allen
Lebensbereichen. Politische, wirtschaftliche und soziale Reformen in Gesamtdeutschland
kamen im Vergleich dazu eher zögerlich voran, sind aber in ihren langfristigen Auswirkungen
nicht weniger wichtig. Gleichzeitig nahmen der außenpolitische Spielraum und das
internationale Gewicht Deutschlands schrittweise zu.
17
Der oftmals wahrgenommenen Krisenhaftigkeit der Jahre steht entgegen, dass trotz aller
Schwierigkeiten die Bürger in Ost und West zu einem Modus der Gemeinsamkeiten gefunden
haben, ohne die demokratische Grundordnung ins Wanken zu bringen. Auf der internationalen
Bühne hat Deutschland seinen Platz als verantwortlicher und kooperativer Staat in Europa und
der Welt gefestigt und erfolgreich Ängste hinsichtlich einer neuen Vormachtstellung
Deutschlands in Europa entschärfen können. Die Normalisierung des internationalen Status der
Bundesrepublik hat wichtige Fortschritte gemacht und das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat
spiegelt ein neues Nationalbewusstsein wider, das Kritik und Stolz, Heimatliebe und
weltpolitische Offenheit in individuell gefärbte Gemengelagen einbringt.
Der Abschied von der Bonner Republik und die Ankunft in der neuen Bundesrepublik war kein
abrupter Vorgang, sondern eine evolutionäre Anpassung an neue nationale wie internationale
Bedingungen entlang eines Kontinuums. Es ist leichter, retrospektiv die Charakteristika der
Bonner Republik als bereits jene der Berliner Republik zu bestimmen.33 Die vergangen zwei
Jahrzehnte waren eine Zeit des Übergangs, die gerade dann eintrat, als man sich in der alten
Bundesrepublik eingerichtet hatte. Auch deshalb waren viele politische Entscheidungen in
erster Linie Antwort auf Änderungen im nationalen und internationalen Umfeld und nicht Teil
einer Strategie, sieht man davon ab, dass stets versucht wurde, Wandel mit Kontinuität in
Einklang zu bringen.
Helga A. Welsh und Konrad H. Jarausch
1
Eric J. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts
(München, 1995).
2
Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte (Berlin, 1992).
3
Gunter Hofmann, Familienbande. Die Politisierung Europas (München, 2005); Timothy Garton
Ash, Free World. America, Europe, and the Surprising Future of the West (New York, 2004).
4
Aleksander Smolar, „History and Memory: The Revolutions of 1989-1991”, Journal of
Democracy 12, 3 (Juli 2001), S. 5-19.
5
Gerhard A. Ritter, Der Preis der deutschen Einheit. Die Wiedervereinigung und die Krise des
Sozialstaates (München, 2006).
18
6
Paul Nolte, Riskante Moderne. Die Deutschen und der neue Kapitalismus (München, 2006);
Ulrich Beck und Edgar Grande, Das kosmopolitische Europa. Gesellschaft und Politik in der
Zweiten Moderne (Frankfurt am Main, 2004).
7
Den Begriff der „geglückten Demokratie“ entnehmen wir Edgar Wolfrum, Die geglückte
Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur
Gegenwart (Stuttgart, 2006).
8
Siehe auch Konrad H. Jarausch, „Anfänge der Berliner Republik (1990-2005)“, in Ulrich
Hermann et al., Hg., Kleine Deutsche Geschichte (Stuttgart, 2006), S. 463-96.
9
Konrad H. Jarausch, Die unverhoffte Einheit 1989-1990 (Frankfurt am Main, 1995) und ders.,
The Rush to German Unity (New York, 1994); Wolfgang Jäger, Die Überwindung der Teilung.
Der innerdeutsche Prozeß der Vereinigung 1989/90 (Stuttgart, 1998); Charles S. Maier, Das
Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus (Frankfurt am Main, 1999);
Hanns Jürgen Küsters und Daniel Hofmann, Hg., Dokumente zur Deutschlandpolitik. Deutsche
Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (München, 1998).
10
Philip Zelikow and Condoleezza Rice, Sternstunde der Diplomatie. Die deutsche Einheit und
das Ende der Spaltung Europas (Berlin, 1997); Werner Weidenfeld mit Peter M. Wagner und
Elke Bruck, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90 (Stuttgart,
1998); Mary Elise Sarotte, 1989: The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton, NJ,
2009).
11
Wolfgang Schäuble, Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte.
Herausgegeben und mit einem Vorwort von Dirk Koch und Klaus Wirtgen (Stuttgart, 1991);
Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung (Berlin, 1991); Claus J. Duisberg, Das
deutsche Jahr. Einblicke in die Wiedervereinigung1989/90 (Berlin, 2005).
12
Wade Jacoby, Imitation and Politics: Redesigning Modern Germany (Ithaca, NY, und London,
2000).
13
Stellvertretend für eine Fülle an Literatur seien hier genannt: Gerhard Lehmbruch, „Die
deutsche Vereinigung: Strukturen und Strategien“, Politische Vierteljahresschrift 32 (1991), S.
585-604; Roland Czada, „Schleichweg in die ‚Dritte Republik’. Politik der Vereinigung und
politischer Wandel in Deutschland“, Politische Vierteljahresschrift 35, 2 (1994), S. 245-70.
14
Wolf Lepenies, Folgen einer unerhörten Begebenheit. Die Deutschen nach der Vereinigung
(Berlin, 1992).
15
Raj Kollmorgen, „Das Ende Ostdeutschlands? Zeiten und Perspektiven eines
Forschungsgegenstandes“, Berliner Debatte Initial 14, 2 (2003), S. 12.
16
Rainer Hufnagel, „Leere Wiegen Ost. Zum dramatischen Rückgang der Geburtenziffern in
den Neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung“, in ders. und Titus Simon, Hg.,
Problemfall Deutsche Einheit. Interdisziplinäre Betrachtungen zu gesamtdeutschen
Fragestellungen (Wiesbaden, 2004), S. 147-154; Nicholas Eberstadt, „Demographic Shocks in
Eastern Germany, 1989-1993“, Europe-Asia Studies 46, 3 (1994), S. 519-33.
19
17
Siehe zum Beispiel die Gegenüberstellung der gegenseitigen Positionen in Raj Kollmorgen,
Ostdeutschland. Beobachtungen einer Übergangs- und Teilgesellschaft (Wiesbaden, 2005) und
die Beiträge in Hannes Bahrmann und Christoph Links, Hg., Am Ziel vorbei. Die deutsche
Einheit – Eine Zwischenbilanz (Berlin, 2005) und den anregenden Essay von Richard Schröder,
„Lob der Einheit. Richard Schröder um 3. Oktober 2006“, Der Spiegel, Nr. 40, 2006, S. 50-51.
18
Forschungsgruppe Wahlen e.V., Hg., Politbarometer Extra – Deutsche Einheit (Mannheim,
September 2004) und Politbarometer Extra – 20 Jahre Mauerfall (Mannheim, November 2009).
19
Thomas Kralinski, „Warum der Westen den Osten braucht“, Berliner Republik, Heft 3 (2003),
S. 10; Zum 15. Jahrestag des Mauerfalls: Vom gemeinsamen Anliegen zur Randnotiz – DDR,
Wiedervereinigung und der Prozeß der Deutschen Einheit im Spiegel der Medien. MedienInhaltsanalyse 1994-2004 der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des
Forschungsinstituts Medien Tenor.
20
Steve Crawshaw, Ein leichteres Vaterland. Deutschlands Weg zu einem neuen
Selbstverständnis. Aus dem Englischen von Hartmut Schickert (Frankfurt am Main und New
York, 2005); Volker Kronenberg, Patriotismus in Deutschland. Perspektiven für eine weltoffene
Nation (Wiesbaden, 2005).
21
Peter Reichel, Schwarz-Rot-Gold. Kleine Geschichte deutscher Nationalsymbole nach 1945
(München, 2005); Etienne François und Hagen Schulze, Hg., Deutsche Erinnerungsorte
(München, 2001).
22
Norbert Frei, „Der Einnerungstisch ist reich gedeckt. Geschichtsaufarbeitung in Deutschland:
Die DDR-Diktatur wird vorbildung erforscht. Doch die Ergebnisse dürfen nicht politische
instrumentalisiert werden“, Die Zeit, Nr. 14, 26. März 2009.
23
Michael Naumann, „Toward the Berlin Republic – Past, Present, and Future“, in Dieter Dettke,
Hg., The Spirit of the Berlin Republic (New York and Oxford, 2003), S. 236-37.
24
Siehe dazu jetzt J.W. Falter et al., Hg., Sind wir ein Volk? Ost- und Westdeutschland im
Vergleich (München, 2006).
25
Zu verschiedenen Aspekten der Rolle Deutschlands in Europa siehe das Sonderheft der
Zeitschrift German Politics (14. Jg., Nr. 3, September 2005) From Modell Deutschland to Model
Europa: Europe in Germany and Germany in Europe sowie Kenneth Dyson und Klaus H. Goetz,
Hg., Germany, Europe and the Politics of Constraint (Oxford, 2003).
26
Elisabeth Noelle-Neumann und Thomas Petersen, „Die Bürger in Deutschland“, in Werner
Weidenfeld, Hg., Europa-Handbuch. Bd. II: Die Staatenwelt Europas. Dritte, aktualisierte und
überarbeitete Auflage (Gütersloh, 2004), S. 32-51.
27
Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, „Deutsche Leadership in der Europäischen Union? Die
Europapolitik der rot-grünen Bundesregierung 1998-2002“, in dies. et al., Deutsche
Europapolitik von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder (Opladen, 2002), S. 196.
28
Helga Haftendorn, Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und
Selbstbehauptung. 1945-2000 (Stuttgart und München, 2001).
20
29
Hans-Peter Schwarz, Republik ohne Kompaß. Anmerkungen zur deutschen Außenpolitik
(Berlin, 2005). Siehe auch Regina Karp, „The New German Policy Consensus“, The
Washington Quarterly, 29, 1 (Winter 2005-2006), S. 61-82.
30
Ausführlich dazu u.a. Helga A. Welsh, „German Policymaking and the Reform Gridlock“, in
David P. Conradt et al., Hg., Precarious Victory. The 2002 German Federal Election and its
Aftermath (New York und Oxford, 2005), S. 205-219; Hans Vorländer, Hg., Politische Reform in
der Demokratie (Baden-Baden, 2005).
31
Die Literatur zu diesem Thema ist so inzwischen so zahlreich, dass hier nur einige jüngere
Publikationen aufgeführt werden sollen. Klaus F. Zimmermann, Hg., Deutschland was nun?
Reformen für Wirtschaft und Gesellschaft (München, 2006); Peter Bofinger, Wir sind besser als
wir glauben. Wohlstand für alle (Reinbek bei Hamburg, 2006); Franz Walter, „Die
ungleichzeitige Wirklichkeit. Eine Besichtigung der deutschen Gesellschaft im Jahr 2005“,
Internationale Politik, 60 (Oktober 2005), S. 6-13. Zur Reformdebatte siehe auch die Beiträge in
Simon Green und William E. Paterson, Hg., Governance in Contemporary Germany. The
Semisovereign State Revisited (Cambridge, UK, 2005) und Jürgen Kocka, Hg.,
Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Sozialwissenschaftliche Essays. WZB Jahrbuch 2006 (Berlin,
2007).
Siehe z.B. Perry Anderson, „A New Germany?”, New Left Review, 57 (May/June, 2009), S. 540; auf deutsch: „Ein neues Deutschland? Die Bundesrepublik 20 Jahre nach dem Mauerfall“,
Mittelweg, 36, 4, S. 3-40.
32
33
Roland Czada, „Nach 1989. Reflexionen zur Rede von der ‚Berliner Republik’“, in Roland
Czada und Hellmut Wollmann, Hg., Von der Bonner zur Berliner Republik. 10 Jahre Deutsche
Einheit. Sonderheft von Leviathan 19/1999, S. 13-45. Gunter Hofmann, Abschiede, Anfänge.
Die Bundesrepublik – eine Anatomie (München, 2002); Hans Jörg Hennecke, Die dritte
Republik. Aufbruch und Ernüchterung (München, 2002); Werner Süß, Hg., Deutschland in den
neunziger Jahren. Politik und Gesellschaft zwischen Wiedervereinigung und Globalisierung
(Opladen, 2002); Winand Gellner und John D. Robertson, Hg., The Berlin Republic. German
Unification and a Decade of Changes (London und Portland, OR, 2003); James Sperling, Hg.,
Germany at Fifty-Five. Berlin ist nicht Bonn? (Manchester, UK, und New York, 2004).
21