Einleitung: Ein Deutschland in Europa
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Einleitung: Ein Deutschland in Europa
Band 10. Ein Deutschland in Europa 1989 – 2009 Der Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa im Jahre 1989 und der zwei Jahre darauf folgende Zerfall der Sowjetunion stellten eine derart markante Zäsur in der Geschichte des 20. Jahrhunderts dar, dass sie von vielen auch als Zeitenwende postuliert wird. Der britische Historiker Eric J. Hobsbawm trug dem Gewicht dieser Ereignisse Rechnung, als er das 20. Jahrhundert prägnant auf die Formel des „kurzen Jahrhunderts“ brachte und es auf den Zeitraum von 1914 bis 1991 beschränkte.1 Die Zeitenwende der Jahre 1989-1991 markierte nicht nur den Niedergang des Kommunismus als alternative Herrschaftsform in Europa, sondern auch das Ende des Kalten Krieges, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland, Europa, ja die Welt in feindliche Lager geteilt hatte. Die Ereignisse dieser Jahre schlugen dann auch weltweit Wellen: Demokratische Freiheitsbewegungen erhielten neuen Auftrieb und manche Beobachter verglichen die Bedeutung der Umbrüche des Jahres 1989 mit der französischen Revolution des Jahres 1789. Die Rede war vom „Zeitalter der Demokratie“ und dem Ende einer durch den Wettstreit der Ideologien geprägten Geschichte. Der Siegeszug der liberalen Demokratie war vermeintlich angetreten.2 Doch die Euphorie war kurzlebig. Als das durch den Kalten Krieg austarierte internationale System ins Wanken kam, gesellten sich zu den bestehenden neue kriegerische Auseinandersetzungen von Jugoslawien bis Zaire hinzu. Der internationale Terrorismus nahm neue Formen an, und so manche Gesellschaften scheiterten an den Herausforderungen einer Demokratisierung. Was sich in den vergangenen Jahrzehnten als „der Westen“, einschließlich seiner Bündnissysteme NATO und Europäische Union (EU), etabliert hatte, musste und muss sich, nicht ohne Schwierigkeiten, an die neuen Gegebenheiten anpassen.3 Zehn Jahre nach den friedlichen Revolutionen, die 1989 die Welt begeisterten, wurde ihrer kaum mehr gedacht, doch ihre historische Bedeutung bleibt bestehen. 4 Als zentrale Macht im Herzen Europas kam Deutschland in diesem so genannten kurzen Jahrhundert eine Schlüsselstellung zu. Während in der ersten Hälfte auf nationaler Ebene 1 Systembrüche vom Kaiserreich zur Weimarer Republik und schließlich zum Dritten Reich bestimmend waren, brandmarkte sich Deutschland international durch expansionistische Kriege und systematische Massenvernichtungen von Millionen Menschen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Deutschland jenes Territorium, auf dem Beginn und Ende des Kalten Krieges ausgemacht werden konnten und das an der Frontlinie des Systemwettbewerbs eine besondere Stellung einnahm. Die Teilung Deutschlands in zwei Staaten war dafür symbolhaft. Die Implosion der kommunistischen Herrschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa erlaubte Deutschland die Wiederherstellung eines Nationalstaates in allseits akzeptierten Nachkriegsgrenzen, ein Vorgang, der von vielen schon als illusionär abgeschrieben worden war. Zeitgleich brachte die Geschichtszäsur der Jahre 1989-1991 eine Neujustierung der internationalen Politik. Die Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 war zunächst von gegensätzlichen Erwartungen geprägt. Während sie für die einen alte Befürchtungen hinsichtlich deutscher Sonderwege und erneuter deutscher Dominanz in Europa heraufbeschwor, sahen andere darin eine Chance für Deutschland, als „normaler“ Staat wie andere Staaten auch in der Weltgemeinschaft anerkannt zu werden. Wie sich Deutschland entwickeln würde, wurde deshalb auch international mit Interesse verfolgt. Zunächst jedoch war das Land von den Schwierigkeiten der Vereinigung vereinnahmt. Die Übertragung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme der Bundesrepublik auf die ehemalige DDR erwies sich als schwieriger und langwieriger als erwartet und offenbarte mentale und kulturelle Reibungsflächen zwischen Ost und West. Die wirtschaftlichen Herausforderungen der Vereinigung verlangsamten den seit den achtziger Jahren eingeforderten, aber immer wieder verzögerten Umbau der deutschen Wirtschafts- und Sozialsysteme und machten ihn umso dringlicher und schwieriger.5 In diesem abschließenden Band der Edition „Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern“ soll die Entwicklung Deutschlands seit 1989 nachvollzogen werden. Viele der Herausforderungen, mit denen Deutschland konfrontiert ist, betreffen jedoch auch andere postindustrielle Staaten. Wie kann man den Risiken moderner Gesellschaften und dem Globalisierungsdruck begegnen? Wie kann der Wohlfahrtsstaat reformiert werden, ohne gesellschaftliche Polarisierungen und Verteilungskämpfe heraufzubeschwören? Wie kann die Integration Europas vorangebracht werden und welche Rolle hat Europa im Gefüge der Weltmächte?6 2 Für Deutschland haben die Jahre seit 1990 eine besondere Bedeutung, da die politischen Entwicklungen das eingespielte Gleichgewicht von Kontinuität und stetigem, aber in der Regel bedächtigem Wandel in Frage stellten. Nicht nur die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität der Vereinigung brachte Enttäuschungen mit sich. Globalisierung und Europäisierung erzwangen zusätzlich rapide Veränderungen, die viele Politiker und Bürger überforderten, da sie in ihrer Virulenz so nicht antizipiert worden waren und neue Lösungsansätze sowie Denkund Verhaltensmuster voraussetzten. Parallel dazu hat die Zeit nach 1990 den internationalen Status und Spielraum Deutschlands sukzessive erweitert. Die Entwicklung zu einer Mittelmacht, deren Interessen nicht mehr nur auf Europa konzentriert sind, sondern zunehmend auch global definiert werden, ging im Vergleich zu den innenpolitischen Zerwürfnissen auf der Basis eines breiten Konsenses der politischen Akteure vor sich. Die Bonner Republik (1949-1990) wurde sukzessive von der Berliner Republik abgelöst. Der Begriff der Berliner Republik entstand im Zusammenhang mit der Hauptstadtdebatte und stand zunächst symbolhaft für Befürchtungen, dass mit dem Umzug des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin auch eine Abkehr von der postnationalistisch orientierten „geglückten Demokratie“ der „alten“ Bundesrepublik vonstatten gehen könnte.7 Inzwischen wird der Ausdruck vor allem dazu benutzt, um festzustellen, dass mit der Wiedervereinigung (und dem Regierungsumzug nach Berlin) eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik stattgefunden hat. In dieser Einführung werden die wichtigsten Diskussionsschwerpunkte der vergangenen Jahre thematisch gebündelt vorgestellt.8 Gemeinsam mit den Dokumenten wollen wir dem Leser einen Einblick in die maßgeblichen Entwicklungstendenzen der Innen-, Außen-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geben und deren teilweise kontroversen Charakter vermitteln. Debatten über Erfolg oder Misserfolg der Vereinigung, die Ursachen, Antworten und Wirkungen politischer und wirtschaftlicher Reformen oder die außenpolitische Rolle der Bundesrepublik sind oft ausgeprägt, da die persönliche Betroffenheit unmittelbar ist und die Gleichzeitigkeit von Ereignis und Bewertung notgedrungen längerfristige Perspektiven vernachlässigt. Einführung und Dokumententeil belegen die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung sowie den Übergangscharakter der vergangenen zwei Jahrzehnte. 3 1. Von der Teilung zur Einheit Angespornt durch die Liberalisierung der kommunistischen Regierungen in der Sowjetunion, Polen und Ungarn, erhofften auch die Bürger der DDR politische Zugeständnisse ihrer Regierung. Als diese ausblieben und die DDR-Regierung stattdessen borniert auf der Richtigkeit ihres eingeschlagenen autoritären Weges bestand, ergriffen die Bürger die Initiative. Im Herbst und Winter 1989/90 erzwangen erst Massenausreisen von DDR-Bürgern auf dem Umweg über benachbarte kommunistische Länder und dann Demonstrationen in den Städten der DDR lange erhoffte politische Konzessionen, einschließlich einer Ablösung der alten kommunistischen Führungsriege um Erich Honecker. Bürgerproteste trotzten der Regierung in schneller Abfolge die Öffnung der Berliner Mauer, an dem so genannten Runden Tisch die Verhandlung mit oppositionellen Kräften und die Zulassung neuer Parteien ab. Der Ruf nach politischer Beteiligung, der sich in der Parole „Wir sind das Volk“ kundtat, schlug mit dem Ausruf „Wir sind ein Volk“ in die Forderung nach der politischen Vereinigung Deutschlands über. Die Ergebnisse der ersten demokratischen Wahl im März 1990 zugunsten der „Allianz für Deutschland“ sowie der anhaltende Ausreisestrom in Richtung Bundesrepublik intensivierten das Interesse an einem schnellen Zusammengehen der beiden deutschen Staaten. Vorstellungen von einem „Dritten Weg“ einer reformierten DDR wurden damit eine Absage erteilt. Praktisch über Nacht war die Vereinigung der beiden deutschen Staaten in den Bereich des Greifbaren gerückt. Die Ereignisse überschlugen sich und das Gefühl, die Gunst der Stunde ausnutzen zu müssen, forcierte innerdeutsche wie internationale Verhandlungen.9 Eine Lösung der deutschen Frage hing von der Zustimmung der alliierten Mächte ab und internationale Vorbehalte gegen die Vereinigung Deutschlands wurden nicht nur von der Sowjetunion, sondern auch von westlichen Bündnispartnern mit mehr (Großbritannien) oder weniger (Frankreich) Vehemenz artikuliert. In den „Zwei plus Vier“ Gesprächen zwischen den Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion mit Vertretern der beiden deutschen Staaten übernahm die amerikanische Regierung eine entscheidende Führungsrolle.10 Bedenken der sowjetischen Regierung unter Mikhail Gorbatschow zunächst gegen eine Vereinigung an sich, dann gegen eine NATOMitgliedschaft eines vereinten Deutschlands und schließlich in Fragen des Abzugs sowjetischer Truppen aus dem Gebiet der DDR wurden durch Verhandlungsgeschick und großzügige finanzielle Angebote an die politisch und wirtschaftlich stark geschwächte Sowjetunion aus dem Wege geräumt. Nach anfänglichem Zögern räumte Bundeskanzler Helmut Kohl mit der 4 Anerkennung der Oder-Neiße-Linie polnische Befürchtungen bezüglich einer Revision der deutschen Nachkriegsgrenzen aus dem Weg. Gemessen an den sonst üblichen Aufnahmekriterien stimmte die Europäische Gemeinschaft schnell und unbürokratisch zu, das Beitrittsgebiet der Bundesrepublik auf die ehemalige DDR auszuweiten. Die anhaltende Ausreisewelle aus der DDR in Richtung Westen sowie die Erwartungen der DDR-Bürger, möglichst schnell in den Genuss politischer Freiheit und wirtschaftlichen Konsums zu kommen, erhöhten den politischen Druck. Die westdeutsche Regierung begegnete ihm mit einer ungewöhnlichen Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse im Bundeskanzleramt und im Innenministerium.11 Mit der politisch motivierten, aber wirtschaftlich schwer vertretbaren günstigen Umtauschquote von 1:1 für Löhne und Gehälter und 1:2 für höhere Sparguthaben fand am 1. Juli 1990 die Wirtschafts- und Sozialunion statt, der am 3. Oktober die Vereinigung der beiden deutschen Staaten folgte. Die Vertreter beider deutschen Staaten hatten sich im Vereinigungsvertrag darauf geeinigt, den Zusammenschluss gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes durchzuführen. Die damit eingeschlagene Richtung erlaubte die Inkorporierung der ehemaligen DDR in die bestehende Bundesrepublik, während Artikel 146 die Möglichkeit geboten hätte, eine Republik auf der Grundlage einer neuen Verfassung zu bilden. Damit einher ging die Übertragung westdeutscher Institutionen, Symbole und Gesetze auf die ehemalige DDR.12 Im Zuge der Verwaltungsumstrukturierung wurden die 1952 aufgelösten Länder der DDR wiederhergestellt. Zumindest der Intention nach waren Kontinuität und nicht Wandel angesagt. Für diese Tendenz waren viele Gründe verantwortlich: gefühlter wie realer Zeitdruck, unzureichende Planung für den Eventualfall einer Vereinigung, aber auch die Überzeugung, dass sich das westdeutsche politische und wirtschaftliche System bewährt hatte.13 2. Die Vereinigungskrise Alle Regimewechsel sind mit einem hohen Grad an Unsicherheit verbunden, da unklar ist, wer zu den Gewinnern oder Verlierern der Transformation gehören wird. Euphorie schlägt oft schnell in Ernüchterung um; parallel dazu nimmt die Bereitschaft ab, sich politisch zu engagieren. Diese Entwicklungen gelten auch für die ehemalige DDR, obgleich die Vereinigung mit der demokratisch gefestigten und wirtschaftlich überlegenen Bundesrepublik die Folgelasten für die Bürger der ehemaligen DDR abfedern und die Bürger der alten Bundesrepublik möglichst wenig belasten sollte. Dennoch war der bereits im Frühjahr 1991 einsetzende Vereinigungsschock umfassender und langwieriger als von vielen erwartet. 5 Wie sollte man mit den Verantwortlichen und den Opfern des alten Regimes umgehen, die bankrotte Staatswirtschaft in eine profitable Marktwirtschaft überführen, DDR-Institutionen nach westdeutschem Muster ab- und umbauen? In allen diesen Fragen prallten die Meinungen aufeinander, wobei sich diese Unterschiede oft nur vordergründig an Ost-West-Gegensätzen festmachten. Zudem bestimmte die Dominanz Westdeutschlands in allen politisch, wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich relevanten Fragen den Vereinigungsprozess. Das Wort von der Vereinigungskrise machte die Runde. Die antizipierte Folgenlosigkeit der Vereinigung für die alte Bundesrepublik wurde von manchen erhofft, von anderen kritisiert.14 Jedoch zeigte sich schnell, dass Deutschland als Ganzes von der Vereinigung betroffen sein würde. Politisch veränderten sich unter anderem die Parteienlandschaft und die damit verbundenen Koalitionszwänge. Die immer wieder totgesagte Nachfolgepartei der SED, die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), konnte sich binnen weniger Jahre als östliche Regionalpartei etablieren, vermeintliche und wirkliche Verlierer der Vereinigung in das politische System integrieren und westdeutsche Politiker frustrieren. Sie bekommt – nunmehr integriert in die Partei Die Linke – in den Gebieten der ehemaligen DDR regelmäßig die zweitgrößte Anzahl der Wählerstimmen. Die Arbeitsgesellschaft der DDR – die Erwerbstätigenquote lag mit 90 Prozent mehr als 20 Prozent über der westdeutschen – wurde durch Massenentlassungen ihrer Grundlage und damit viele ostdeutsche Bürger eines Teils ihrer Identität beraubt. Innerhalb kurzer Zeit mussten mehr als zwei Drittel der ostdeutschen Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wechseln oder wurden in die vorzeitige Pensionierung entlassen. Vor allem Frauen waren hart betroffen; deren Beschäftigtenquote reduzierte sich von 80 Prozent auf ca. 50 Prozent.15 Bis heute anhaltende Transferzahlungen von West nach Ost in Milliardenhöhe garantieren Sozialleistungen und gewaltige Investitionen in die Infrastruktur; das wirtschaftliche Ost-West-Gefälle besteht aber weiter. Die von Helmut Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“, in denen eine funktionierende und wettbewerbsfähige Wirtschaft die marode Planwirtschaft der DDR ersetzen sollte, trafen nicht ein. Nicht nur Massenproteste folgten. Getragen von dem Gefühl des Umbruchs und der Unsicherheit, nahm zum Beispiel zu Beginn der neunziger Jahre die Geburtenrate in den neuen Bundesländern so rapide ab wie sonst nur nach Kriegszeiten.16 Vor allem junge Bürger aus den ländlichen Regionen Ostdeutschlands zog es in den Westen des Landes. Die Desillusionierung tat sich in politischer, sozialer und kultureller Distanz zwischen 6 West- und Ostdeutschen kund; die Wortschöpfungen Ossi und Wessi fingen diese Entfremdung symbolhaft, wenn auch stereotypisch, ein. Erfolg oder Scheitern der Vereinigung und der Transformation Ostdeutschlands angemessen zu beurteilen, ist schwierig. Die Prozesse waren facettenreich und die damit verbundenen Tendenzen oft gegensätzlich; schließlich variiert die Beurteilung je nach persönlicher Betroffenheit und thematischem Bezugspunkt.17 Regelmässig bejaht eine große Mehrheit der Deutschen die Richtigkeit der Entscheidung, Deutschland zu vereinigen18 Seit Mitte der neunziger Jahre stehen Ost-West-Gegensätze bewusst nicht mehr im Zentrum der nahezu ausschließlich von westlichen Medien gelenkten öffentlichen Diskussion. Die weitgehende Ausblendung der nach wie vor bestehenden Probleme aus den Schlagzeilen hat deren potentielle politische Sprengkraft vermindert, doch deren Lösung nicht befördert. Der Aufbau Ost gehört schon lange nicht mehr zur „Chefsache“.19 Die doppelt so hohen Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern, die stetige Migration vom Osten in den Westen und die nach wie vor notwendigen Transferleistungen von West nach Ost weisen auf weiterhin existierende Problemlagen hin. Die Feiern anlässlich des 20. Jahrestages des Falls der Berliner Mauer waren dennoch vorwiegend von dem Gefühl geprägt, schwierige Transformationsprozesse erfolgreich gemeistert zu haben. 3. Normalität und Identität Wenn auch unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, war nach 1949 das Streben nach Normalität ein Kennzeichen beider deutscher Staaten, doch gerade die Zweistaatlichkeit stellte dies lange Zeit ebenso in Frage wie die Bürde der nationalsozialistischen Vergangenheit. Der Schatten der Vergangenheit bleibt bestehen, doch bot sich mit der Wiedervereinigung eine Chance, dem Ziel einer angenommenen nationalstaatlichen Normalität näher zu kommen. Antworten auf die Frage, ob Deutschland inzwischen ein normaler Staat geworden ist, hängen nach wie vor von der Perspektive des Betrachters ab, doch nehmen die Zeichen dafür zu, dass sich das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Staat und das der Welt zu den Deutschen heute unkomplizierter gestaltet als in der Vergangenheit.20 Aber Veränderungen sind graduell und nicht absolut; ihre Wahrnehmung ist notwendigerweise subjektiv und wird durch die Unbestimmtheit des Begriffs der Normalität erschwert. 7 Die turbulente Geschichte Deutschlands hatte zur Folge, dass Flaggen und nationale Feiertage oft wechselten, und Gedenkstätten von nationaler Bedeutung gibt es heute relativ wenige.21 Die Propaganda des Dritten Reiches missbrauchte Nationalismus und Patriotismus in exzessivem Maße zu ihren Zwecken. Das Zur-Schau-Stellen nationaler Symbole war denn auch im Nachkriegsdeutschland lange suspekt und Stolz auf das Vaterland wurde kaum politisch begründet. Heute rangiert Stolz auf das politische System gleichberechtigt neben Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft, den nationalen Eigenschaften und Sozialgesetzgebung. Die intendierte Usurpierung des Themas Nationalstolz durch eine Minderheit der radikalen Rechten wird immer häufiger untergraben. Der Übergang zu neuen Inhalten und Formen des Patriotismus wurde nicht zuletzt auch durch einen Generationswechsel erleichtert. Vor einem Jahrzehnt gehörte noch annähernd ein Drittel der Bundestagsabgeordneten der Kriegsgeneration an; in der 16. Wahlperiode (2005-2009), waren es nur noch 15 von 614 Abgeordneten. Erinnerungsthemen haben in Deutschland stets Konjunktur, wobei die kontroverse Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in der DDR die zentrale Rolle des Holocaust als Grundpfeiler der Gedächtniskultur nicht verdrängt hat. Fast alle der geschichtsträchtigen Themen, die in den letzten Jahren kontrovers diskutiert wurden – angefangen von der Rezeption der Wehrmachtausstellung und des Buches von Daniel Goldhagen, die Walser-Bubis-Debatte, die Entschädigung von Zwangsarbeitern, die Opfer-Täter-Diskussion bis hin zum HolocaustMahnmal in Berlin und dem geplanten Zentrum gegen Vertreibungen –, können nur unter dem Gesichtspunkt dieser Hierarchisierung von Erinnerung verstanden werden. Dennoch bleibt die „doppelte Vergangenheitsbewältigung“ von nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur ein Thema. Während sich über Jahrzehnte ein weithin akzeptierter Erinnerungskonsens über das Dritte Reich und den Holocaust etabliert hat, dauert die Diskussion darüber an, wie die zweite deutsche Diktatur bildungspolitisch vermittelt und historiographisch angemessen beurteilt werden kann. Die intensiv und kontrovers geführte öffentliche Aufarbeitung der DDRVergangenheit machte sich zunächst vor allem an der Mitarbeit in der Staatssicherheit der DDR (Stasi), dann am repressiven Regimecharakter der DDR fest. Bis heute stehen sich in der ehemaligen DDR kontrastierende und oft emotional aufgeladene Erinnerungswelten gegenüber, während im Westen DDR-Geschichte nur selektiv auch als gesamtdeutsche Geschichte angenommen wird.22 Mit der Vereinigung rückte nicht nur die historische Auseinandersetzung mit der DDR, sondern auch die Frage nach dem Miteinander der ost- und westdeutschen Bürger in das Rampenlicht. 8 Man kann kritisieren, dass Deutschland im Gefolge der Vereinigung die Chance vertan hat, sich um den Aufbau einer gemeinsamen Identität zu bemühen. Weder eine neue Verfassung, noch neue Symbole oder ein groß angelegtes Projekt seien in die Wege geleitet worden.23 Plakativ mit den Begriffen des „Besserwessi“ und „Jammerossi“ versehen, zeigte sich schnell, dass ein Abbau der „Mauer in den Köpfen“ und die Annäherung unterschiedlicher politischer Orientierungen und Verhaltensmuster in Ost und West Zeit beanspruchen würde.24 Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass im regional stark gefärbten Deutschland politische Präferenzen und Verhaltensmuster nicht nur von Ost-West-Gegensätzen, sondern auch von beträchtlichen Nord-Süd-Kontrasten gekennzeichnet sind. 4. Deutschland in der Welt Die Vereinigung Deutschlands und die in ihrem Gefolge erreichte volle Souveränität haben die Rolle der Bundesrepublik als europäische Mittelmacht schrittweise gestärkt und ihren Handlungsspielraum vergrößert. Mit einer Bevölkerung von 82 Millionen ist Deutschland das bevölkerungsreichste Land westlich von Russland und die wichtigste Wirtschaftskraft Europas. Der internationale Druck, der bereits gegen Ende der „alten“ Bundesrepublik zugenommen hatte, die außenpolitische Zurückhaltung zugunsten größerer Beteiligung auf der Weltbühne aufzugeben, nahm aufgrund des Golf-Krieges im Jahre 1991 und des gewaltsamen Zerfalls Jugoslawiens in den neunziger Jahren sprunghaft zu. Gedämpft wurde er durch anfängliche Befürchtungen, dass Deutschland zur beherrschenden Macht Europas aufsteigen könnte. Als Markenzeichen der deutschen Außenpolitik gelten nach wie vor Kontinuität und ein breiter Konsensus aller wichtigen politischen Kräfte, wobei Frankreich und die USA als Basiskoordinaten dienen. Kontinuität und Konsens zeigen sich vor allem bei der inzwischen zur Staatsräson avancierten Verpflichtung zum Multilateralismus, d.h. dem Bemühen, internationale Probleme auf dem Wege der Kooperation mit anderen Regierungen und internationalen Organisationen und nicht im nationalstaatlichen Alleingang zu lösen. Diese Politik bindet Deutschland insbesondere an die EU und erleichtert seine Mitwirkung im Konzert der Mächte. Erwartungen hinsichtlich einer engagierten und erweiterten internationalen Rolle sind im In- und Ausland gestiegen. Diese wurden insbesondere im Bereich der Sicherheitspolitik durch konkrete Aktionen in die Tat umgesetzt. Die Bundeswehr hat sich von einer reinen Verteidigungsarmee zu einer Einsatzarmee entwickelt, deren Soldaten auf verschiedenen 9 Kontinenten in Missionen von NATO, EU und UN tätig sind. Diese Übernahme militärischer Verantwortung in Krisengebieten der Welt geschah zeitgleich mit einer Verkleinerung der Streitkräfte von 340.000 auf 250.000 Soldaten. Die Umorientierung der Rolle der Streitkräfte ist trotz des verbreiteten Pazifismus relativ reibungslos vor sich gegangen, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung den Auslandseinsätzen der Bundeswehr mehrheitlich ablehnend gegenübersteht. Deutschlands Selbstverständnis als Zivilmacht bleibt weiter bestehen. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs wurde die Mittellage Deutschlands im Herzen Europas Chance und Risiko zugleich. Sie war Risiko, da die Durchlässigkeit der Grenzen Einwanderungsängste schürte und Befürchtungen hinsichtlich möglicher negativer wirtschaftlicher und politischer Nebeneffekte heraufbeschwor. Sie war aber auch Chance, die Beziehungen zu den östlichen Nachbarn auszuweiten und Deutschland mit demokratischen Bündnispartnern zu umgeben. Deutsche Politiker machten sich deshalb von Anfang an zu Advokaten einer Osterweiterung von NATO und EU. Gilt Konsens und pragmatische Anpassung ganz allgemein für die deutsche Außenpolitik, so trifft dies noch ausgeprägter auf die Europapolitik zu. Die demokratischen Revolutionen in Mittel- und Osteuropa zwangen die westeuropäischen Politiker zeitgleich eine Vertiefung der Integration und eine Erweiterung des Beitrittsgebietes der Europäischen Union vorzunehmen. Mit dem Vertragswerk von Maastricht (1992) wurden eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik und die Schaffung einer Währungsunion postuliert. Um den intendierten Integrationsschub auch sprachlich zur Geltung zu bringen, wurde die Europäische Gemeinschaft in Europäische Union umbenannt. Die Zahl der Mitgliedsstaaten vergrößerte sich zwischen 1995 und 2004 von zwölf auf 25. Bulgarien und Rumänien traten 2007 der EU bei; weitere Kandidaten stehen bereits vor der Tür. Diese weitreichenden und rasanten Veränderungen werfen vermehrt Fragen nach der Finalität der EU auf, was sowohl ihre Kompetenzen, ihr Demokratieverständnis und ihre territoriale Größe angeht. Nach den gescheiterten Volksentscheiden zum Europäischen Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden im Sommer 2005 legte die EU notgedrungen eine Reflexionsphase ein. Während der Ratspräsidentschaft Deutschlands im ersten Halbjahr 2007 wurden wichtige Aspekte des gescheiterten Verfassungsvertrages in den Vertrag von Lissabon integriert, der nach der Ratifizierung in den Mitgliedsländern am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. 10 Die Bundesrepublik hat seit der Vereinigung in gewohnter Manier die Initiativen der EU unterstützt und diese in vielen Bereichen, wie bei der Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa und dem Engagement in Südosteuropa, lanciert.25 Insgesamt gilt nach wie vor, dass sich Deutschlands Bürger mehrheitlich mit Europa identifizieren.26 Allen voreiligen Todesmeldungen zum Trotz besteht auch nach der territorialen Ausweitung der EU das Tandem FrankreichDeutschland als Motor der EU weiter. Das Tempo der europäischen Integrationspolitik und ihre räumliche Ausweitung, Streitigkeiten um Einzelfragen und Sorge um deutsche Interessen haben bei der deutschen Bevölkerung, ähnlich wie bei den Bürgern in anderen europäischen Staaten, eine größere Skepsis gegenüber der EU hervorgerufen. Diese Skepsis ist jedoch mit grundsätzlicher Akzeptanz der Entscheidungen verbunden, auch wenn sie, wie im Falle der Einführung des Euro, der gemeinsamen europäischen Währung, unbeliebt waren. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon (2009) hat zumindest gesetzlich eine Ausweitung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in EU-Angelegenheiten veranlasst. Kritiker bemängelten die Stärkung des Nationalstaates, die dadurch zum Ausdruck kam, während Befürworter begrüßten, dass der europäischen Integration deutlichere Grenzen gesetzt wurden. Mit der Eurokrise des Jahres 2010 hat die Skepsis gegenüber einer von den politischen Eliten forcierten Europäischen Union neue Nahrung erhalten. Veränderungen der deutschen Außenpolitik sind in erster Linie Reaktionen auf eine Wandlung des internationalen Umfeldes und nicht das Ergebnis gezielter, neuer Strategien, wobei die Meinungen auseinander gehen, ob es sich dabei lediglich um Anpassungen oder bereits um Neuausrichtungen deutscher Außen- und Europapolitik handelt.27 Deutschland ist wieder Mittelmacht und versteht sich auch als „Mitführungsmacht“. Die außenpolitische Maxime der Selbstbeschränkung, die die alte Bundesrepublik kennzeichnete, ist weiter vorherrschend, doch wird sie vermehrt um Zeichen der Selbstbehauptung ergänzt. Diese Politik wurde insbesondere von Bundeskanzler Gerhard Schröder lanciert, der deutsche Interessen auf internationaler Bühne offener und selbstbewusster artikulierte als noch seine Amtsvorgänger.28 Seine vehemente Ablehnung einer deutschen Beteiligung am Krieg gegen den Irak und dessen gelungene Funktionalisierung im Wahlkampf des Herbstes 2002 führte zu beträchtlichen transatlantischen Irritationen. Allerdings lag beiden Seiten an Schadensbegrenzung, der durch den Regierungswechsel in Deutschland im Jahre 2005 von Gerhard Schröder zu Angela Merkel und dann drei Jahre später in den USA von George W. Bush zu Barack Obama beschleunigt wurde. Der weltpolitische Einfluss der Bundesrepublik bleibt im Unterschied zu ihrer europäischen Rolle immer noch begrenzt. Deutschlands Bestrebungen nach einem ständigen 11 Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen scheiterten nicht zuletzt im Gefolge der transatlantischen Störungen am Widerstand der USA. Andererseits wird Deutschland immer mehr in weltpolitischen Fragen, so zum Beispiel im Konflikt mit Iran, konsultiert und in Entscheidungen mit einbezogen. Die Austarierung der deutschen Außenpolitik bleibt im Gange.29 5. Der Abbau des Reformstaus Nach einem durch die Vereinigung belebten kurzen wirtschaftlichen Aufschwung wurde die Bundesrepublik schnell von den ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Problemen der vorhergehenden Jahrzehnte eingeholt. Mit der Vereinigung und dem Beharren auf Kontinuität wurde ein nahtloser Übergang von der alten zur neuen Bundesrepublik und die Erhaltung politischer Stabilität erleichtert, aber auch eine wichtige Chance vertan, Reformvorhaben im Bereich der Wirtschafts- und Sozialsysteme anzugehen. Diese Strategie sollte sich rächen. Wie kaum ein anderes Thema füllte das Einklagen von wichtigen Reformen jahrelang die Seiten der Zeitungen und die Reden der Meinungsmacher. Im Unterschied zu den Reformen der sechziger und siebziger Jahre, die mit einer Ausweitung des Angebots – von Demokratie, Sozialleistungen und Bildung – breite Unterstützung fanden, implizieren Reformen heute für viele die Bereitschaft zum Wettbewerb und die Furcht vor Verlust an Sozialleistungen. Sie rufen deshalb Widerstände und immer wieder auch Protest hervor. Angesichts hoher Staatsschulden, nachhaltiger struktureller Arbeitslosigkeit, langsamen Wirtschaftswachstums, niedriger Geburtsraten und der Alterung der Bevölkerung sowie globalen Wettbewerbs wurde praktisch kein Politikfeld von dem Ruf nach Reformbedarf ausgenommen. Zur Disposition stehen und standen unter anderem die Finanzierung der Renten und der Gesundheitsversicherung, ein Umbau der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, eine Erneuerung der Bildungspolitik sowie eine Neustrukturierung der Bund-Länder-Beziehungen. Bereits 1997 wurde das geflügelte Wort vom „Reformstau“ geboren und zum Wort des Jahres gekürt; zu ihm gesellten sich weitere Kurzformeln wie „Lähmung“, „deutsche Krankheit“ oder „gefesselte Republik“. Diese Ausdrücke versuchten ein Befinden einzufangen, das von Widersprüchlichkeiten durchsetzt war. Trotz der Identifikation von Problemen und des artikulierten Reformwillens würden die Problemlösungen nicht den Erwartungen entsprechen. Verschiedene Gründe wurden dafür angeführt. Für die einen lag es vor allem an der so 12 genannten Politikvernetzungsfalle, die das politische System der Bundesrepublik beherrsche, d.h. der Abhängigkeit verschiedener Politikebenen voneinander, um zu Entscheidungen zu gelangen. Dieses System verlange eine Verhandlungsdemokratie, die breiten Konsens sucht und deshalb meist nur im Schneckentempo vorankommt. Das Verhältnis von Bundestag und Bundesrat und die Funktionalisierung des Bundesverfassungsgerichts als politisches Instrument wurden kritisch kommentiert. Andere betonten, dass die politische Klasse zu sehr in eingefahrenen Denkmustern verharre, Reformstrategien dem Bürger nur unzureichend vermitteln und keine Führungsrolle übernehmen würde. Die Reformdebatte wurde ideologisiert und zu parteipolitischem Gerangel genutzt. Die Haltung der Bürger selbst ist nicht frei von Widersprüchen. Zum einen kritisieren sie die offensichtliche Impotenz der Politik; zum anderen verteidigen sie aber ihre Besitzstände vehement. 30 Je weniger geschah, desto bedrohlicher wurden die Zukunftsszenarien. Im Zeichen der Globalisierung und Europäisierung gilt, dass Beurteilungen – ob positiv oder negativ – in internationale Vergleichsdaten eingebettet werden. Erfolg wird nicht zuletzt daran gemessen, in welchem Maße Deutschlands Wirtschafts- und Sozialsysteme sich im internationalen Vergleich bewähren und auf nationaler Ebene Prinzipien des Wettbewerbs mit sozialer Gerechtigkeit vereinen können. Bei internationalen Vergleichen spielt es durchaus eine Rolle, welche Vergleichsdaten man heranzieht: Will man zum Beispiel betonen, dass die deutsche Wirtschaft den Herausforderungen der Globalisierung begegnet, dann empfiehlt es sich, die Rolle Deutschlands als Exportweltmeister oder die Höhe der ausländischen Direktinvestitionen hervorzuheben. Glaubt man, dass Deutschland auf dem Weltmarkt nach wie vor nicht wettbewerbsfähig ist, dann helfen Zahlen zu den hohen Lohnnebenkosten, der Inflexibilität des Arbeitsmarktes und langsamem Wirtschaftswachstum, um dies zu belegen. So hilfreich Vergleichsdaten sind, um Deutschlands wirtschaftliche Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit in der Welt zu verorten, so wenig berücksichtigen sie nationale Charakteristika, die im Falle Deutschlands die vereinigungsbedingte Sonderlage und eine starke Identifikation mit den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigen müssen. Kommt man einmal von der Fixierung auf Wirtschaftsdaten ab und schließt Reformen im Wehrbereich, in der Bildung, in der Gesellschaftspolitik mit ein, so zeigt sich das Bild ebenfalls facettenreicher, als in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen wird. Dass der Reformelan immer wieder blockiert und unterminiert wurde, wird nicht bestritten, doch wird dem politischen System inzwischen Fortschritt bei der Bewältigung der Aufgaben 13 attestiert.31 Reformpolitik in Deutschland ist in der Regel ein behutsamer Anpassungsprozess, der alte Strukturen modifiziert, um sie effektiver zu machen. Radikale Einschnitte sind dagegen selten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Kumulierung von kleineren Reformschritten durchaus weitreichende, auch strukturelle Konsequenzen zeitigen kann. Die Räder der Politikmühlen drehen sich langsam, doch Steuer- und Rentenreform, ein Umbau der Kapitalund Arbeitsmärkte und des Hochschulsystems und nicht zuletzt eine Reihe von Gesetzen, die gesellschaftliches Umdenken im Verhältnis zwischen den Geschlechtern und zu Ausländern voranbrachten, haben die Republik nachhaltig verändert.32 6. Politik im vereinten Deutschland Das eingeklagte Reformdilemma beherrschte über Jahre die Tagespolitik, verstärkte die Politikverdrossenheit und unterminierte das kollektive Selbstbewusstsein der Deutschen. Dabei begann es 1990 durchaus verheißungsvoll. Die deutsche Wirtschaft boomte unter dem Einfluss der Vereinigung, die Deutschen feierten die Vereinigung ihres Landes und die Rückkehr einer vollen internationalen Souveränität. Politisch gewährte ein optimistischer Zeitgeist Helmut Kohl die Wiederwahl zum Bundeskanzler im Dezember 1990. Dieser Optimismus verschwand jedoch schnell: der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft und die Auseinandersetzungen um die Transformation Ostdeutschlands sowie die Zunahme rechtsextremistischer und ausländerfeindlicher Aktivitäten im Zusammenhang mit einem stetigen Anstieg von Aussiedlern und Asylbewerbern forderten die Regierung Kohl heraus. 1994 wurde sie trotz der Vereinigungsfrustrationen gerade noch einmal wiedergewählt. Nach sechzehn Jahren im Amt war es jedoch 1998 nach Ansicht der meisten Wähler Zeit für einen Regierungswechsel. Mit Helmut Kohls Abgang ging eine Ära zu Ende. Helmut Kohl wird als treibende Kraft der Modernisierung der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU), überzeugter Europäer, unter dessen Federführung eine gemeinsame Währung verhandelt wurde, und Vereinigungskanzler in Erinnerung bleiben. Kohls Involvierung in und Handhabung des 1999/2000 aufgedeckten Finanzskandals um illegale Spenden auf CDU-Parteikonten werfen jedoch nachträglich einen Schatten auf seine Amtsjahre. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde 1998 eine Regierung durch die Stimmen der Wähler und nicht durch das Koalitionsmanövrieren der Parteien abgewählt. Im Unterschied zu 1969, als der Antritt einer sozialliberalen Koalition für manche die Grundpfeiler der Republik erschütterte, wurde die Bildung einer Koalition zwischen der Sozialdemokratischen Partei 14 Deutschlands (SPD) und Bündnis 90/Die Grünen von den Verlierern mit demokratischer Gelassenheit hingenommen. Gemeinsam war beiden Regierungswechseln das Gefühl der Aufbruchstimmung. 1998 war jedoch mehr als nur ein Regierungswechsel: An der Spitze der Politik vollzog sich ein Generationenwechsel von der Kriegs- auf die Nachkriegsgeneration. Die so genannte 68er-Generation hatte sich erste politische Sporen in den rebellischen sechziger Jahren verdient und war den Marsch durch die Institutionen angetreten. Nun waren einige ihrer Vertreter, allen voran Gerhard Schröder und Joschka Fischer, an der Macht. Wie bei der sozialliberalen Koalition der Jahre 1969-1982 vereinnahmten die unterschätzten Mühen des politischen Alltags und interne Parteiquerelen das Regierungsgeschäft der rotgrünen Regierung. Politikblockaden zwischen Bund und Ländern erschwerten wie schon in den letzten Jahren der Kohl-Regierung die Umsetzung von Reformen. Politik konnte erfolgreich oft nur dann gemacht werden, wenn informelle Beratungsgremien eine Agenda vorstellten, die dann von einer ebenso informellen großen Koalition zwischen den beiden großen Parteien SPD und CDU verhandelt wurde. Praktisch alle großen Politikvorhaben der letzten Jahre – angefangen von der Wehrstrukturkommission über die Zuwanderungskommission bis hin zu der Föderalismuskommission und den Renten- und Arbeitsmarktkommissionen – basierten auf diesen Verfahren. Überfällige Liberalisierungen glückten trotz aller Schwierigkeiten. Dazu gehören ein moderneres Staatsbürgerschaftsrecht, das unter bestimmten Bedingungen eine doppelte Staatsbürgerschaft zulässt (1999), ein Partnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare (2001) und, nach vierjährigem Verhandeln, endlich ein Zuwanderungs- und Integrationsgesetz (2005). Auch in anderen Bereichen, wie der Reform der Bundeswehr, der Steuern und der Sozialsysteme, wurden wichtige Änderungen vorgenommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte seine Regierungsarbeit, so versprach er 1998, jedoch gerade am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen. Seit vielen Jahren bewegt das Thema der Arbeitslosenzahlen wie kein anderes die politischen Gemüter. In einem politischen Kraftakt Schröders wurde im März 2003 die Agenda 2010, ein mehrstufiges Arbeitsmarktprogramm, verabschiedet. Vor allem Kürzungen des bisherigen Arbeitslosengeldes sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV) führten zu bundesweiten Protesten. Frustrierte SPD-Mitglieder und Gewerkschaftler gründeten die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), die sich im Januar 2005 als Partei etablierte. Hohe Arbeitslosenzahlen, die im Mai 2005 bei 4,8 Millionen (11,6 Prozent) lagen, interne Parteiauseinandersetzungen um Wirtschafts- und Sozialpolitik, eine 15 Niederlage nach der anderen bei Landtagswahlen, die in der sozialdemokratischen Hochburg Nordrhein-Westfalen besonders empfindlich ausfiel, veranlassten Bundeskanzler Gerhard Schröder, vorzeitige Bundestagswahlen anzukündigen. Eine fingierte Vertrauensfrage, in der Schröder absichtlich die Abstimmung im Bundestag verlor, ebnete den Weg für vorgezogene Bundestagswahlen im September 2005. Die ungeliebte Vision einer offiziellen Großen Koalition zwischen CDU, ihrer bayerischen Schwesterpartei der Christlich-Sozialen Union Deutschlands (CSU) und SPD wurde seit 1998 immer wieder an die Wand gemalt und nach der vorgezogenen Bundestagswahl vom September 2005 Wirklichkeit. Sie wurde aber auch als Politikchance begriffen, überfällige Reformen, die seit Jahren diskutiert werden, in die Tat umzusetzen. Dass eine Frau aus der ehemaligen DDR, Angela Merkel, als Bundeskanzlerin seit Herbst 2005 an der Spitze der Regierung steht, war nur kurz von Neuigkeitswert und von symbolischer, aber kaum von politischer Bedeutung. Die Große Koalition wurde im September 2009 durch eine Koalition von CDU/CSU und FDP abgelöst. Die Wahl der Koalitionspartner setzt Kontinuität voraus, die jedoch trügerisch ist. In den letzten beiden Jahrzehnten haben die Volksparteien CDU/CSU und SPD kontinuierlich Stimmen an die kleinen Parteien Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die FDP verloren. Langfristig öffnet das neue Koalitionsmöglichkeiten zwischen CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen oder zwischen CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, die heute schon auf Länderebene praktiziert werden. Mit anderen Worten: die Parteienlandschaft hat sich seit 1990 stark verändert. Rechtsradikale Parteien haben bis heute nicht den Sprung in den Bundestag geschafft, doch die Verbindung der Regionalpartei PDS mit einer populistischen Linkspartei im Westen, die sich 2007 zu einer neuen Partei Die Linke zusammengeschlossen haben, hat die Konkurrenz um Wählerstimmen links von der Mitte angeheizt. Nie zeigte sich das deutlicher als bei den Bundestagswahlen im September 2009, als die SPD das schlechteste Wahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik einstecken musste. Die Koalition der „neuen Möglichkeiten“ mit ihren Schwerpunkten „Sanieren, Investieren und Reformieren“, so Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatte zur Durchsetzung ihrer Agenda die dazu nötigen Stimmen in beiden Häusern des Parlaments. Doch die Bundeskanzlerin hatte bei ihrer Amtseinführung auch von der Politik der „kleinen Schritte“ gesprochen. Allen Unkenrufen zum Trotz überlebte die Große Koalition die Legislaturperiode von vier Jahren und konnte am Ende auf Erfolge verweisen. Überfällige Reformen wurden verabschiedet, darunter die Föderalismusreformen, die Erhöhung des Rentenalters, die Senkung der Lohnzusatzkosten 16 unter 40 Prozent sowie, mit der Einführung des Elterngeldes und dem Versprechen von mehr Kindertagesstätten, auch eine Liberalisierung der Familienpolitik. Gerade als das Wirtschaftswachstum zunahm und die Arbeitslosenzahlen und Staatsschulden abnahmen, traf die internationale Finanzkrise 2008/09 auch Deutschland. Vereint wie selten zuvor zogen die Koalitionspartner an einem Strang und verabschiedeten Konjunkturpakete und Bankenreformen, die entscheidend zur Stabilisierung der Wirtschaft beitrugen. Doch die Bilanz der Großen Koalition ist nicht nur positiv. In vielen Politikbereichen zeigte sich, dass politische Struktur und Mentalitäten Kompromisslösungen erschweren. Selbst in Bereichen, in denen Fortschritte erzielt wurden, wie im Bereich der Gesundheitsreform, ist eine Reform der Reform nur eine Frage der Zeit. Auch wenn ideologische Abgrenzung immer wieder zur Schau gestellt wurde, die Koalitionsarbeit war pragmatisch. Am Ende, als sich CDU und SPD im Wahlkampf gegenüberstanden, hatten sich die Koalitionspartner so eingespielt, dass sich der gewohnte harte ideologische Schlagabtausch nicht einstellen wollte. Der Wahlkampf war auf wenige Wochen beschränkt und kam nie richtig in Fahrt. Die Gesellschaft der Bundesrepublik ist heterogener und in ihrer Zusammensetzung älter geworden. Das befördert lange schmorende und nur teilweise gelöste Politikprobleme wie die Frage der Zuwanderung und der Integration von Ausländern sowie die Familienpolitik immer wieder in das Rampenlicht. Zu diesen ungelösten Problemen gehört auch gewalttätiger Rechtsradikalismus, der insbesondere in den neuen Bundesländern immer wieder von sich Reden macht. 7. Übergänge: Von der Bonner zur Berliner Republik Im Jahr 1990 wurde von den Politikern der Bundesrepublik Deutschland innen- und außenpolitische Kontinuität beschworen. Von der Warte des Jahres 2010 aus gesehen, zeigt sich jedoch, dass sich für die Bundesrepublik und ihre Bürger viel mehr verändert hat, als man vor zwei Jahrzehnten voraussehen konnte. Die Vereinigung kam mit rasanter Geschwindigkeit und ihre Konsequenzen betrafen die Bürger der ehemaligen DDR in nahezu allen Lebensbereichen. Politische, wirtschaftliche und soziale Reformen in Gesamtdeutschland kamen im Vergleich dazu eher zögerlich voran, sind aber in ihren langfristigen Auswirkungen nicht weniger wichtig. Gleichzeitig nahmen der außenpolitische Spielraum und das internationale Gewicht Deutschlands schrittweise zu. 17 Der oftmals wahrgenommenen Krisenhaftigkeit der Jahre steht entgegen, dass trotz aller Schwierigkeiten die Bürger in Ost und West zu einem Modus der Gemeinsamkeiten gefunden haben, ohne die demokratische Grundordnung ins Wanken zu bringen. Auf der internationalen Bühne hat Deutschland seinen Platz als verantwortlicher und kooperativer Staat in Europa und der Welt gefestigt und erfolgreich Ängste hinsichtlich einer neuen Vormachtstellung Deutschlands in Europa entschärfen können. Die Normalisierung des internationalen Status der Bundesrepublik hat wichtige Fortschritte gemacht und das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat spiegelt ein neues Nationalbewusstsein wider, das Kritik und Stolz, Heimatliebe und weltpolitische Offenheit in individuell gefärbte Gemengelagen einbringt. Der Abschied von der Bonner Republik und die Ankunft in der neuen Bundesrepublik war kein abrupter Vorgang, sondern eine evolutionäre Anpassung an neue nationale wie internationale Bedingungen entlang eines Kontinuums. Es ist leichter, retrospektiv die Charakteristika der Bonner Republik als bereits jene der Berliner Republik zu bestimmen.33 Die vergangen zwei Jahrzehnte waren eine Zeit des Übergangs, die gerade dann eintrat, als man sich in der alten Bundesrepublik eingerichtet hatte. Auch deshalb waren viele politische Entscheidungen in erster Linie Antwort auf Änderungen im nationalen und internationalen Umfeld und nicht Teil einer Strategie, sieht man davon ab, dass stets versucht wurde, Wandel mit Kontinuität in Einklang zu bringen. Helga A. Welsh und Konrad H. Jarausch 1 Eric J. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (München, 1995). 2 Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte (Berlin, 1992). 3 Gunter Hofmann, Familienbande. Die Politisierung Europas (München, 2005); Timothy Garton Ash, Free World. America, Europe, and the Surprising Future of the West (New York, 2004). 4 Aleksander Smolar, „History and Memory: The Revolutions of 1989-1991”, Journal of Democracy 12, 3 (Juli 2001), S. 5-19. 5 Gerhard A. Ritter, Der Preis der deutschen Einheit. Die Wiedervereinigung und die Krise des Sozialstaates (München, 2006). 18 6 Paul Nolte, Riskante Moderne. Die Deutschen und der neue Kapitalismus (München, 2006); Ulrich Beck und Edgar Grande, Das kosmopolitische Europa. Gesellschaft und Politik in der Zweiten Moderne (Frankfurt am Main, 2004). 7 Den Begriff der „geglückten Demokratie“ entnehmen wir Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart (Stuttgart, 2006). 8 Siehe auch Konrad H. Jarausch, „Anfänge der Berliner Republik (1990-2005)“, in Ulrich Hermann et al., Hg., Kleine Deutsche Geschichte (Stuttgart, 2006), S. 463-96. 9 Konrad H. Jarausch, Die unverhoffte Einheit 1989-1990 (Frankfurt am Main, 1995) und ders., The Rush to German Unity (New York, 1994); Wolfgang Jäger, Die Überwindung der Teilung. Der innerdeutsche Prozeß der Vereinigung 1989/90 (Stuttgart, 1998); Charles S. Maier, Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus (Frankfurt am Main, 1999); Hanns Jürgen Küsters und Daniel Hofmann, Hg., Dokumente zur Deutschlandpolitik. Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (München, 1998). 10 Philip Zelikow and Condoleezza Rice, Sternstunde der Diplomatie. Die deutsche Einheit und das Ende der Spaltung Europas (Berlin, 1997); Werner Weidenfeld mit Peter M. Wagner und Elke Bruck, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90 (Stuttgart, 1998); Mary Elise Sarotte, 1989: The Struggle to Create Post-Cold War Europe (Princeton, NJ, 2009). 11 Wolfgang Schäuble, Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Dirk Koch und Klaus Wirtgen (Stuttgart, 1991); Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung (Berlin, 1991); Claus J. Duisberg, Das deutsche Jahr. Einblicke in die Wiedervereinigung1989/90 (Berlin, 2005). 12 Wade Jacoby, Imitation and Politics: Redesigning Modern Germany (Ithaca, NY, und London, 2000). 13 Stellvertretend für eine Fülle an Literatur seien hier genannt: Gerhard Lehmbruch, „Die deutsche Vereinigung: Strukturen und Strategien“, Politische Vierteljahresschrift 32 (1991), S. 585-604; Roland Czada, „Schleichweg in die ‚Dritte Republik’. Politik der Vereinigung und politischer Wandel in Deutschland“, Politische Vierteljahresschrift 35, 2 (1994), S. 245-70. 14 Wolf Lepenies, Folgen einer unerhörten Begebenheit. Die Deutschen nach der Vereinigung (Berlin, 1992). 15 Raj Kollmorgen, „Das Ende Ostdeutschlands? Zeiten und Perspektiven eines Forschungsgegenstandes“, Berliner Debatte Initial 14, 2 (2003), S. 12. 16 Rainer Hufnagel, „Leere Wiegen Ost. Zum dramatischen Rückgang der Geburtenziffern in den Neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung“, in ders. und Titus Simon, Hg., Problemfall Deutsche Einheit. Interdisziplinäre Betrachtungen zu gesamtdeutschen Fragestellungen (Wiesbaden, 2004), S. 147-154; Nicholas Eberstadt, „Demographic Shocks in Eastern Germany, 1989-1993“, Europe-Asia Studies 46, 3 (1994), S. 519-33. 19 17 Siehe zum Beispiel die Gegenüberstellung der gegenseitigen Positionen in Raj Kollmorgen, Ostdeutschland. Beobachtungen einer Übergangs- und Teilgesellschaft (Wiesbaden, 2005) und die Beiträge in Hannes Bahrmann und Christoph Links, Hg., Am Ziel vorbei. Die deutsche Einheit – Eine Zwischenbilanz (Berlin, 2005) und den anregenden Essay von Richard Schröder, „Lob der Einheit. Richard Schröder um 3. Oktober 2006“, Der Spiegel, Nr. 40, 2006, S. 50-51. 18 Forschungsgruppe Wahlen e.V., Hg., Politbarometer Extra – Deutsche Einheit (Mannheim, September 2004) und Politbarometer Extra – 20 Jahre Mauerfall (Mannheim, November 2009). 19 Thomas Kralinski, „Warum der Westen den Osten braucht“, Berliner Republik, Heft 3 (2003), S. 10; Zum 15. Jahrestag des Mauerfalls: Vom gemeinsamen Anliegen zur Randnotiz – DDR, Wiedervereinigung und der Prozeß der Deutschen Einheit im Spiegel der Medien. MedienInhaltsanalyse 1994-2004 der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Forschungsinstituts Medien Tenor. 20 Steve Crawshaw, Ein leichteres Vaterland. Deutschlands Weg zu einem neuen Selbstverständnis. Aus dem Englischen von Hartmut Schickert (Frankfurt am Main und New York, 2005); Volker Kronenberg, Patriotismus in Deutschland. Perspektiven für eine weltoffene Nation (Wiesbaden, 2005). 21 Peter Reichel, Schwarz-Rot-Gold. Kleine Geschichte deutscher Nationalsymbole nach 1945 (München, 2005); Etienne François und Hagen Schulze, Hg., Deutsche Erinnerungsorte (München, 2001). 22 Norbert Frei, „Der Einnerungstisch ist reich gedeckt. Geschichtsaufarbeitung in Deutschland: Die DDR-Diktatur wird vorbildung erforscht. Doch die Ergebnisse dürfen nicht politische instrumentalisiert werden“, Die Zeit, Nr. 14, 26. März 2009. 23 Michael Naumann, „Toward the Berlin Republic – Past, Present, and Future“, in Dieter Dettke, Hg., The Spirit of the Berlin Republic (New York and Oxford, 2003), S. 236-37. 24 Siehe dazu jetzt J.W. Falter et al., Hg., Sind wir ein Volk? Ost- und Westdeutschland im Vergleich (München, 2006). 25 Zu verschiedenen Aspekten der Rolle Deutschlands in Europa siehe das Sonderheft der Zeitschrift German Politics (14. Jg., Nr. 3, September 2005) From Modell Deutschland to Model Europa: Europe in Germany and Germany in Europe sowie Kenneth Dyson und Klaus H. Goetz, Hg., Germany, Europe and the Politics of Constraint (Oxford, 2003). 26 Elisabeth Noelle-Neumann und Thomas Petersen, „Die Bürger in Deutschland“, in Werner Weidenfeld, Hg., Europa-Handbuch. Bd. II: Die Staatenwelt Europas. Dritte, aktualisierte und überarbeitete Auflage (Gütersloh, 2004), S. 32-51. 27 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, „Deutsche Leadership in der Europäischen Union? Die Europapolitik der rot-grünen Bundesregierung 1998-2002“, in dies. et al., Deutsche Europapolitik von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder (Opladen, 2002), S. 196. 28 Helga Haftendorn, Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und Selbstbehauptung. 1945-2000 (Stuttgart und München, 2001). 20 29 Hans-Peter Schwarz, Republik ohne Kompaß. Anmerkungen zur deutschen Außenpolitik (Berlin, 2005). Siehe auch Regina Karp, „The New German Policy Consensus“, The Washington Quarterly, 29, 1 (Winter 2005-2006), S. 61-82. 30 Ausführlich dazu u.a. Helga A. Welsh, „German Policymaking and the Reform Gridlock“, in David P. Conradt et al., Hg., Precarious Victory. The 2002 German Federal Election and its Aftermath (New York und Oxford, 2005), S. 205-219; Hans Vorländer, Hg., Politische Reform in der Demokratie (Baden-Baden, 2005). 31 Die Literatur zu diesem Thema ist so inzwischen so zahlreich, dass hier nur einige jüngere Publikationen aufgeführt werden sollen. Klaus F. Zimmermann, Hg., Deutschland was nun? Reformen für Wirtschaft und Gesellschaft (München, 2006); Peter Bofinger, Wir sind besser als wir glauben. Wohlstand für alle (Reinbek bei Hamburg, 2006); Franz Walter, „Die ungleichzeitige Wirklichkeit. Eine Besichtigung der deutschen Gesellschaft im Jahr 2005“, Internationale Politik, 60 (Oktober 2005), S. 6-13. Zur Reformdebatte siehe auch die Beiträge in Simon Green und William E. Paterson, Hg., Governance in Contemporary Germany. The Semisovereign State Revisited (Cambridge, UK, 2005) und Jürgen Kocka, Hg., Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Sozialwissenschaftliche Essays. WZB Jahrbuch 2006 (Berlin, 2007). Siehe z.B. Perry Anderson, „A New Germany?”, New Left Review, 57 (May/June, 2009), S. 540; auf deutsch: „Ein neues Deutschland? Die Bundesrepublik 20 Jahre nach dem Mauerfall“, Mittelweg, 36, 4, S. 3-40. 32 33 Roland Czada, „Nach 1989. Reflexionen zur Rede von der ‚Berliner Republik’“, in Roland Czada und Hellmut Wollmann, Hg., Von der Bonner zur Berliner Republik. 10 Jahre Deutsche Einheit. Sonderheft von Leviathan 19/1999, S. 13-45. Gunter Hofmann, Abschiede, Anfänge. Die Bundesrepublik – eine Anatomie (München, 2002); Hans Jörg Hennecke, Die dritte Republik. Aufbruch und Ernüchterung (München, 2002); Werner Süß, Hg., Deutschland in den neunziger Jahren. Politik und Gesellschaft zwischen Wiedervereinigung und Globalisierung (Opladen, 2002); Winand Gellner und John D. Robertson, Hg., The Berlin Republic. German Unification and a Decade of Changes (London und Portland, OR, 2003); James Sperling, Hg., Germany at Fifty-Five. Berlin ist nicht Bonn? (Manchester, UK, und New York, 2004). 21