Gefährdungen beim kontrollierten selektiven Rückbau von Anlagen

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Dipl.-Min. Silvester Siegmann
- Sicherheitsingenieur Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
Universitätsklinikum Düsseldorf
Gefährdungen beim kontrollierten selektiven
Rückbau von Anlagen und Gebäuden
S. Siegmann
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
Gefährdungen beim kontrolliert selektiven Rückbau von Anlagen und Gebäuden
Tödliche Arbeitsunfälle in Prozent nach Branchen
Branche
1992
1996
2001
Eisen und Stahl
5,2
2,9
2,9
Fahrzeugbau
2,8
3,1
2,1
Handel und Kreditwesen
2,8
2,1
2,3
Dienstleistungen
5,2
7,9
7,3
Verkehr
7,0
9,5
10,0
Ausbau- und
Bauhilfsgewerbe
9,5
10,1
8,5
Bauhauptgewerbe
31,8
28,1
28,5
Tödliche Arbeitsunfälle in Prozent nach Arbeitsbereichen
Arbeitsbereich
1992
1996
2001
Fahrzeug- und
Maschinenbau
0,52
0,58
0, 29
Kfz-Instandhaltung
1,73
1,74
1,17
Verkehr
2,77
2,32
2,35
Transport, Förderung
26,47
23,02
27,27
Handel, Dienstleistungen
1,9
1,35
2,35
Recycling
0,17
1,35
1,17
Baustellen
31,83
38,49
29,91
Charakteristische Merkmale
von selektivem Abbruch und
verwendungsorientiertem Rückbau
•
•
•
•
•
ein hoher Anteil manueller Tätigkeiten
die Anwendung mehrerer Abbruchverfahren an einem Objekt
die Notwendigkeit, das Abbruchobjekt zu betreten oder zu befahren
ein häufig gleichzeitiges Neben- und Übereinanderarbeiten
ein umfangreicher Transport bzw. Zwischenlagerung von
Abbruchmaterial
• die rasche und häufige Veränderung statischer Gegebenheiten
• Arbeiten in kontaminierten Bereichen
Häufig auftretende Gefährdungen bei selektivem
Abbruch und verwendungsorientiertem Rückbau
(Unfälle)
• Abstürze :
–
–
–
–
von freigelegten Gebäudekanten
durch ungesicherte Öffnungen
durch morsche Decken
bei Einsturz von Gebäudeteilen
• Getroffen und Erschlagenwerden:
– durch fallende Teile
– durch Einsturz von Gebäudeteile
• Stürze auf der Ebene
– durch Stolpern über Abbruchmaterial
– durch Ausrutschen
– durch Umknicken
Häufig auftretende Gefährdungen bei selektivem Abbruch und
verwendungsorientiertem Rückbau
(arbeitsbedingte Erkrankungen oder Berufskrankheiten)
•
Gefahrstoffe :
– Stäube
– Schwermetalle
– Asbest
– biologische Schadstoffe
•
physische Belastungen:
– Heben und Tragen schwerer Lasten
– Zwangshaltung
– Lärm
– Klima
•
psychische Belastungen
– Hektik
– Mangel an Sachkenntnis
– Monotonie bestimmter Arbeiten
Systematik des Auftretens
Stoff
Baustoff
Hilfsstoff
Betriebsstoff
Abfall
Kontamination
Asbest
sehr häufig
selten
nie
selten
möglich (Staub)
KMF
sehr häufig
kaum
nie
häufig
möglich (Staub)
PAK
sehr häufig
häufiger
selten
kaum
selten
PCB
nie
häufiger
häufig
kaum
selten
kaum
häufiger
nie
selten
selten
nie
nie
häufig
häufig
häufig
sehr häufig
häufiger
nie
kaum
nie
Schwermetalle
KW`s
Bitumen
Welche sind die häufigsten Stoffe bei der Gruppe
Faserschadstoffe (Gefahrstoffe)
Asbest
schwach gebunden
Asbestkordel, Spritzasbest, Asbestpappe
Asbest
fest gebunden
Welleternit, AZ-Fassadenplatten, Fensterbänke
Böden mit Kleber (Floor-Flex)
KMF
Matten
Deckenplatten, Dämmatten, Füllung von BS-Türen
KMF
Isolierungen
Heizungsrohre, Kessel, Behälter
nur KMF der alten Generation
Welche weiteren Stoffe sind zu erwarten?
PCB
Gefahrstoff ab 50 mg/kg
Kondensatoren, Transformatoren, Anstriche,
Beschichtungen, Fugen, Kitte
PCP
Grenzwert ChemVerbV 5 mg/kg
Holzschutz
PAK
Gefahrstoff ab 50 mg/kg BaP
Dachpappen und Schweißbahnen, Fußbodenplatten, Anstriche und Beschichtungen, Kleber
Metalle Arsen, Blei, Cadmium, Chrom VI,
Chrom, Kupfer, Quecksilber, Zink
Farben, Holzschutz, Fliesen, Beschichtungen,
Abfälle, Verunreinigungen
KW
bituminöse Baustoffe, Betriebsmittelreste,
Abfälle, Verunreinigungen
Kohlenwasserstoffe (Heizöl, Diesel,
Fette, Bohröle u.a.)
Asbestanwendungen in der Bauwirtschaft
Bekannte Anwendungen
Spritzasbest
Eher unbekannte Anwendungen
Asbest als Füllstoff
Asbestzement
AZ-Platten
AZ-Rohre
Farben
Kleber
Mörtel / Putze
Spachtelmassen
asbesthaltige
Isolierungen
Dichtungen und Packungen
Bodenbeläge
Flexplatten
CV-Beläge
(nach Dr. Goergens, Bau-BG)
Asbest in Fußbodenbelägen und Estrichen
In den siebziger Jahren hatten asbesthaltige Bodenbeläge einen
Marktanteil von ca. 20 % !
Eingebaut wurden:
- Cushion-Vinyl-Beläge
- Floor-Flex-Platten / Vinyl-Asbest Fliesen
- Asphalt-Tiles / Asbesthartfliesen
Erst ab Mitte der 80´er durften diese Produkte nicht mehr
eingebaut werden
Aufbau von CV-Belägen
dekorative Nutzschicht
aus geschäumtem PVC
Asbesthaltige Pappe als
Tragschicht
Die asbesthaltigen
Bodenplatten
treten in den
verschiedensten
Farben auf
Achtung:
Nicht nur die Flex-Platten, sondern auch die
Schwarz-braunen Bitumenkleber können asbesthaltig sein.
Werden derartige Kleberreste abgeschliffen, treten sehr
hohe Asbestfaserkonzentrationen auf.
Kleber unter Flex-Platten
Asbesthaltige Fußbodenkonstruktionen und Bodenbeläge
Im eingebauten Zustand geht von den Materialien keine
Gefahr aus, da i.d.R. keine Fasern freigesetzt werden.
Beim Ausbau (herausbrechen, schleifen etc. ) werden
die vorher eingebundenen Fasern freigesetzt.
Bei unsachgemäßem Arbeiten bestehen erhebliche
Gefährdungen für die Handwerker und die Raumnutzer.
Die Schindeln im Außenbereich der Gaube
bestehen aus asbesthaltigem Baustoff.
•Hier keine Asbestanteile
•beide Arten sensorisch
nicht zu unterschieden
•Beprobung und
Untersuchung der Platten
vor dem Rückbau
unbedingt notwendig
Asbesthaltige Buntputze
Die Heizungsrohre in
älteren Gebäuden (BJ
vor ca. 1950) sind häufig
mit einer asbesthaltigen
Kieselgurisolierung
versehen. Häufig ist die
Isolierung bereits stark
verwittert und es sind
bereits große Mengen
Asbestfasern freigesetzt
worden.
In der Wand verlegte
Abwasserohre aus
Asbestzement
Ältere
Brandschutztüren
weisen häufig zwei
Gefahrstoffvorkommen auf:
Asbestpappe im
Schlossbereich und
eine Füllung mit
künstlicher
Mineralfaser (KMF),
aber auch Asbest.
Duschkabinen:
Trennwände aus
Abestzement.
Fensterbank (schwarz)
mit Asbestbüscheln)
aber auch in „grün“
ganz aus
Asbestzement.
Steinholzestrich ist ein
sehr tückisches
Baumaterial, da er in
Einzelfällen
Asbestgehalte bis 10 %
aufweisen kann. Da es
sich meist um größere
Flächen handelt,
werden bei
unsachgemäßer
Vorgehenswiese große
Fasermengen in den
Baustellenbereich
freigesetzt.
TRGS 519
- Asbest Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten Ausgabe: Januar 2007
•Nach gegenwärtigen Kenntnisstand sind bei ASI-Arbeiten Spitzenbelastungen durch Asbestfasern (Chrysotil / Amphibolasbeste) die Regel.
•Eine Technische Richtkonzentration (TRK) für diese Arbeiten mit definiertem
Bezug auf den Stand der Technik kann nicht aufgestellt werden.
•Für ASI-Arbeiten zunächst alle Schutzmaßnahmen nach der
Gefahrstoffverordnung gefordert.
•Ausnahmen werden zugelassen, wenn Ermittlungen ergeben haben, dass
die Asbestfaserkonzentration am Arbeitsplatz unter 15.000 Fasern/m3 liegt.
Die häufig auftretenden
Deckenplatten
bestehen aus
künstlicher Mineralfaser
(KMF) alter Machart
Beim Rückbau sind
die Platten unter
Beachtung der
Vorgaben der TRGS
521 zu entfernen.
Dazu gehört, dass
das Material sofort
in geeigneten
Behältnissen
verpackt wird. Auf
dem Bild ist eine
Freisetzung von
Fasern in den
Arbeitsbereich
kaum zu
verhindern.
Technische Regeln für Gefahrstoffe
TRGS 521 - Faserstäube
Ausgabe: Mai 2002
(BArbBl. 5/2002 S. 96)
Teil 1: Anorganische Faserstäube
Dieser Teil enthält Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Stoffen, Zubereitungen
und Erzeugnissen, die anorganische Faserstäube freisetzen können oder zu einer
faserbedingten Einwirkung auf die Haut, die Augen und die oberen Atemwege
führen können.
Teil 2: Organische Faserstäube
Teil 2 der TRGS 521 gilt für den Umgang mit Stoffen, Zubereitungen und
Erzeugnissen, wenn organische Faserstäube entstehen oder freigesetzt werden
und eine über die ubiquitäre Luftverunreinigung ("Hintergrundbelastung")
hinausgehende Exposition vorliegt.
Bei Entkernungsarbeiten oder
sonstigen handwerklichen Arbeiten in
Räumen mit hoher
Taubenkotverschmutz
ung kamen
eingesetzte
Arbeitnehmer zu
Tode.
An der Wand waren
Ölfarben (2 mg PCB).
Im Putz darunter aber
100mg PCB durch
Diffusion aus den
Ölfarben.
In jeder Leuchtstoffröhre
sind ca. 10 mg Quecksilber
vorhanden. Bei einer
Zerstörung durch
unsachgemäßen Umgang
wird damit eine nicht zu
vernachlässigende Menge
Quecksilber in den
Baustellenbereich
freigesetzt.
In den Kleinkondensatoren von Elektrogeräten, die Anfang
der 80er Jahre hergestellt worden sind,
sind in der Regel PCB
Gehalte von 50 - 200
g. Eine Zerstörung
kann im Arbeitsbereich daher zu
relevanten PCBKonzentrationen
führen.
Erkundung kontaminierter Gebäude
Recherche der
Bau- und Nutzungsgeschichte
Probennahme
Bewertung der Erkundungsergebnisse
Gefährdungen – Entsorgung
Rückbau
Erstellung eines Rückbau- und Entsorgungskonzepts
Erstellung eines Arbeitschutzkonzepts
Genehmigung
Ausschreibung und Vergabe
Ausführung und fachgutachterliche Überwachung
Abschlussdokumentation
Ein Nichtbeachten der gesetzlichen Forderungen hat neben den bekannten
arbeitsschutzrechtlichen auch abfallrechtliche Konsequenzen:
• Ordnungswidrigkeit (nach Ordnungswidrigkeitengesetz – OwiG in
Verbindung mit den jeweiligen Spezialgesetzen wie z.B.
Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG).
Folge: Bußgeld- oder Verwarnungsverfahren, Ahndung durch Untere
Abfallwirtschaftsbehörde, Bußgeldhöhe bis 50.000,- Euro (nach
Bußgeldkatalog NRW), Eintragung in das Gewerbezentralregister Berlin.
• Straftat (nach 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches – StGB und weiteren
Gesetzen wie z.B. Chemikaliengesetz – ChemG).
Folge: Strafverfahren, Ahndung durch Staatsanwaltschaft, Strafmaß: Freiheitsstrafen bis zu 10 Jahren oder Geldstrafen, Eintragung in das Bundeszentralregister.

Gefährdungen beim kontrollierten selektiven Rückbau von Anlagen

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