forschungsschwerpunkt psychologische ästhetik
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FORSCHUNGSSCHWERPUNKT PSYCHOLOGISCHE ÄSTHETIK UND KOGNITIVE ERGONOMIE AN DER FAKULTÄT FÜR PSYCHOLOGIE Stand Oktober 2008 1 FORSCHUNGSSCHWERPUNKT: PSYCHOLOGISCHE ÄSTHETIK UND KOGNITIVE ERGONOMIE INHALT 03 VORWORT 05 01. DER FORSCHUNGSSCHWERPUNKT PSYCHOLOGISCHE ÄSTHETIK UND KOGNITIVE ERGONOMIE 08 02. METHODEN UND EXPERIMENTE 09 2.1 Theoretische Grundlagen 12 2.2 Praxis 15 03. PSYCHOLOGISCHES LABOR 18 04. MITGLIEDER DES FORSCHUNGSSCHWERPUNKTES (FSP) 19 4.1 Mitglieder des FSP 22 4.2 Organisationsstruktur der 4 FSP an der Fakultät für Psychologie 23 05. FORSCHUNGSKOOPERATIONEN NATIONAL UND INTERNATIONAL 25 06. GESCHICHTE DER PSYCHOLOGISCHEN ÄSTHETIK 26 6.1 Zur Geschichte der psychologischen Ästhetik 43 6.2 Weiterführende Literatur 44 07. AKTIVITÄTEN 45 7.1 Forschungsprojekte 46 7.2 Ausgewählte Publikationen zum FSP 49 7.3 Gastvorträge 50 08. FORSCHUNGSSCHWERPUNKT UND LEHRE 54 09. GLOSSAR 57 IMPRESSUM 2 VORWORT GRÜNDUNG UND ENTWICKLUNG DES FORSCHUNGSSCHWERPUNKTES PSYCHOLOGISCHE ÄSTHETIK UND KOGNITIVE ERGONOMIE Das Schöne ist mittlerweile fast allgegenwärtig. In Mode, Design, als Gegenstand von „Schönheits-“ Operationen und als Ästhetisches in der Kunst. Die Rolle des Schönen ist zwar schon seit Gründung der akademischen Psychologie ein Thema, so richtig ins Zentrum des Interesses gerät es aber erst jetzt wieder, da die Psychologie zu ahnen scheint, dass es die affektiven Bewertungen, die Emotionen sind, die wesentlich zum Verständnis menschlichen Erlebens beitragen. An der Fakultät für Psychologie wurde der Forschungsschwerpunkt psychologische Ästhetik und kognitive Ergonomie (des Weiteren als FSP bezeichnet), neben drei anderen Forschungsschwerpunkten, im November 2004 im Rahmen des Entwicklungsplans der Universität Wien begründet. Die Aufgabe des Forschungsschwerpunktes ist es, neue Forschungsfelder zu öffnen, die Forschung zu stärken und die bestehenden Fächer zu garantieren. Es sollen über ihn in einschlägigen Forschungsbereichen Trends in “Exzellenz“ gesetzt werden. Psychologische Ästhetik und kognitive Ergonomie Evolutions- und kulturpsychologische Theorien aus der sozialen Kognitionsforschung sowie ein Modell der ästhetischen Erfahrung bei der Kunstbetrachtung liefern den Rahmen für den Forschungsschwerpunkt. Anhand ästhetischer Verarbeitung liefert der Forschungsschwerpunkt Beiträge zum Grundverständnis menschlichen Erlebens sowie deren Transfer in Anwendungsfelder. Untersucht werden Fragestellungen zu einfachen Präferenzen, biologischen Grundlagen von Schönheit und Attraktivität, der Anmutung von Kunst (Malerei, Musik, Architektur) und innovativem Design. Dabei bedienen wir uns einer breiten Palette von Forschungsmethoden und Ansätzen, das empirische Vorgehen bedient sich u. a. der Methoden der kognitiven Psychologie und der Neuropsychologie. Der Beitrag der kognitiven Ergonomie ist der Transfer von psychologisch-ästhetischen Theorien auf die Designanmutung und –evaluation, in denen es besonders relevant ist dynamische Adaptionen, interindividuelle Unterschiede und ästhetisch motivierte Präferenzen zu verstehen. So erforschen wir, warum Innovationen gefallen und wie sich Präferenzen über die Zeit verändern. Die vorliegende Broschüre informiert über den aktuellen Stand der Forschung und die bisherigen Leistungen des Forschungsschwerpunkts, es werden die einzelnen Mitglieder und Forschungskooperationen aufgezeigt. Wir stellen in dieser Broschüre unsere Methoden und Labore und ausgewählte Fragestellungen vor. 3 Interessierten Studierenden soll durch diese Broschüre zudem die Möglichkeit gezeigt werden, die Themenstellungen und Forschungsergebnisse des FSP für ihr Studium zu nutzen und daran zu partizipieren. Ziel des Forschungsschwerpunktes ist es, die Vernetzung auf der Ebene von Forschung und Lehre interdisziplinär als auch international weiter auszubauen und einen wichtigen Beitrag für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Wien zu leisten! Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre dieser Broschüre viel Vergnügen Univ.- Prof. Dr. Helmut Leder Sprecher des Forschungsschwerpunktes 4 1. DER FSP PSYCHOLOGISCHE ÄSTHETIK UND KOGNITIVE ERGONOMIE 5 Mission Statement Forschungsschwerpunkt "Psychologische Ästhetik und kognitive Ergonomie" Warum bevorzugen Personen bestimmte Objekte? Welche Objekte sind es, die als schön oder angenehm empfunden werden? Und was sind die sozialen und kulturellen Vorbedingungen ästhetischen Erlebens und Verhaltens? Diese Fragen bilden den Forschungsfokus im Forschungsschwerpunkt Psychologische Ästhetik und Kognitive Ergonomie an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Darin bündeln wir Forschung, die die Prozesse untersucht, die an ästhetischen Erlebnissen mit bildender Kunst und anderen visuellen Phänomenen, inklusive Design, Architektur und menschlichen Gesichtern, beteiligt sind. Der Forschungsschwerpunkt (kurz „FSP“) fasst psychologische Ästhetik bewusst relativ weit. So umfassen die wissenschaftlichen Fragestellungen z. B. Untersuchungen zur sublimen Präferenz, dem ästhetischen Genuss bei der Betrachtung von Kunstwerken und dem Verständnis und Wertschätzen von innovativem Produktdesign. Die bisherige Forschung ist stark vom Arbeitsbereich Allgemeine Psychologie koordiniert, der durch die Neuberufung von Helmut Leder erst seit Ende 2004 in seiner jetzigen Mitarbeiterstruktur etabliert wurde. Auch eine enge sozialpsychologische und neuropsychologische Forschungsperspektive ist für das Forschungsprogramm angestrebt. Die Basis der aktuellen kognitiv-psychologischen Forschung bildet ein Modell der ästhetischen Erfahrung, das von der Arbeitsgruppe entwickelt wurde (siehe Kapitel 2.1 Theorie: Modell des ästhetischen Erlebens). So versucht der FSP, sich der Faszination, die Kunst für viele Menschen bedeutet, von experimentalpsychologischer Seite her anzunähern. Der FSP ist nicht nur eingebunden in ein internationales Forschungsnetzwerk, sondern kooperiert auch vor Ort mit Kunstakademien und Museen. Die aktuelle Grundlagenforschung zur psychologischen Ästhetik umfasst eine Vielzahl von Fragestellungen: Wir untersuchen Präferenzen („warum gefällt Ihnen das?“), die Verarbeitung von Stil und Eingängigkeit in der Kunst, den Zusammenhang von Informationen, die zu einem Kunstwerk gegeben werden und seinem Gefallen. Wir erforschen emotionale Grundlagen ästhetischer Erfahrungen, die Verarbeitung von Gesichtsschönheit, und inwieweit Experten die Dinge anders beurteilen. Dabei suchen wir Austausch mit angrenzenden Fächern, wie der Kulturpsychologie und den biologischen Wissenschaften. Kognitive Ergonomie wiederum stellt ein angewandtes Feld der Ästhetik dar. Sie beschäftigt sich mit dem Design und der Innovation von Konsumgütern, wie z. B. Autos oder Handys. Ausgangspunkt ist die Idee, dass die Funktionalität von Objekten untrennbar mit emotionalen und sinnlichen As6 pekten verbunden ist. In unserem Forschungsschwerpunkt behandeln wir unter dem Thema im Wesentlichen Fragen der Designwahrnehmung und Wirkung. Hier untersuchen wir unter anderem Fragen nach der Wirkung von Innovation, wem sie warum gefällt und wie sich Produktanmutungen über die Zeit verändern. Auf beiden Gebieten, der Ästhetik und der kognitiven Ergonomie, umfasst der FSP Methoden und Theorien aus dem Bereich der Kognitiven Psychologie und Neuro-Kognitionswissenschaft, sowie Forschungen mit quantitativen Methoden. Im Sinne einer möglichst ergiebigen Forschung bestehen Kooperationen mit Experten aus anderen Gebieten, darunter Neurobiologie, Humanethologie, Design, Kunst- und Kulturwissenschaften und Philosophie. Univ.- Prof. Dr. Helmut Leder und PD Dr. Claus-Christian Carbon 7 2. METHODEN UND EXPERIMENTE 8 2.1 Theoretische Grundlagen Annahmen eines Modells der ästhetischen Erfahrung aus kognitionspsychologischer Perspektive Grundpfeiler einer erfolgreichen Wissenschaft sind die zugrundeliegenden Theorien der Forscher. Welches Gebiet könnte geeigneter sein, um Ästhetik zu erforschen, als die Kunst? Nie war Kunst allgegenwärtiger. Große Ausstellungen ziehen heute hunderttausende von Besuchern an und so wird der kulturelle Wert einer Stadt nicht unwesentlich durch die großen Kunstmuseen mitbestimmt. Was passiert, wenn wir Kunst betrachten? Einer der theoretischen Pfeiler unsere Forschung zur Ästhetik ist ein Modell, mit dem wir beschreiben, welche psychologischen Prozesse ein Mensch durchläuft, wenn er an einem Kunstwerk ästhetische Erfahrungen erlangt. Wie kann man sich so ein Modell vorstellen? Abb.: Modell der ästhetischen Erfahrung von Leder, H., Belke, B., Oeberst, A., & Augustin, D. (2004). Die theoretische Grundlage für den FSP bildet das Modell der ästhetischen Erfahrung von Leder, Belke, Oeberst und Augustin (2004)1. Es wurde spezifisch für experimentelle Untersuchungen zur visuellen Wahrnehmung von Kunstwerken entwickelt. 1 Leder, H., Belke, B., Oeberst, A., & Augustin, D. (2004). A model of aesthetic appreciation and aesthetic judgements. British Journal of Psychology, 95, 489-508. 9 Es stellt fünf Stadien des Kunsterlebens vor, von denen jede sequentielle Verarbeitungsstufe mit einem bestimmten Typus der kognitiven Analyse verbunden ist. Begleitend läuft ein in unterschiedlichem Maße bewusster oder unbewusster affektiver Bewertungsprozess mit, der durch kulturell und lebensgeschichtlich erlernte Bewertungsmuster bedingt ist. Bei den angeführten Stadien perzeptuelle Analyse, implizite Gedächtnisintegration, konkrete Klassifikation, kognitive Bewältigung und Evaluation handelt es sich nicht um eine stringente und stufenweise fortschreitende Verarbeitung, sondern um einen Wahrnehmungsprozess der im Verlauf der Verarbeitung auch wieder auf frühere Phasen zurück fallen kann, wodurch Rückkoppelungseffekte möglich sind. Diese sind im Modell als Feedbackschleifen gekennzeichnet. Ferner ist der affektive Ausgangszustand in dem sich das Individuum zu Beginn des Wahrnehmungsvorgangs befindet von Bedeutung. Als „Input“ wird ein Kunstwerk der modernen bildenden Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts angenommen, das durch seinen kulturellen Kontext definiert wird. Das heißt, Kunsterleben findet dann statt, wenn der Betrachter weiß, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Das heißt, ein erster Schritt muss das Kunstwerk erst einmal als solches identifizieren. 1. Die erste Verarbeitungsstufe der perzeptuellen Analyse (Perceptual Analysis) bildet die sinnliche Wahrnehmung. Hier geht es um das Erkennen von Merkmalserfassung und Gestaltbildungsvorgängen auf denen die wesentlichen Variablen, wie Komplexität, Kontrast, Farbe, Symmetrie, Ordnungsfaktoren und Gruppierungseffekte wahrgenommen werden. Diese Merkmale beeinflussen natürlich schon die ästhetische Reaktion, beispielsweise durch die Präferenzen für bestimmte Farben. 2. In der zweiten Verarbeitungsstufe, der impliziten Gedächtnisintegration (Implicit Memory Integration) geht es um die Integration von unbewussten Gedächtnisinhalten. Es kommt zu Aspekten der Vertrautheit oder Fremdheit, aber auch zur Wahrnehmung von Prototypikalität, d. h. dem Ausmaß, in dem ein Wahrnehmungsgegenstand den Vorstellungen eines “Typus“ entspricht. Auf dieser Ebene wird deutlich, wie vorher erworbene Erfahrungen über das Gedächtnis auf neue Bewertungsvorgänge Einfluss nehmen und es zu Rückkoppelungseffekten innerhalb des Modells kommen kann. 3. Auf der dritten Verarbeitungsstufe, der konkreten Klassifizierung (Explicit Classification), geht es um das Erfassen inhaltlicher Bedeutungen und der Zuordnung von Stilen. Über die jeweilig zur Verfügung stehenden Gedächtnisinhalte kommen Beurteilungskriterien ins Spiel. Diese Stufe ist auch durch den Übergang von automatischer Perzeption zu bewusster Verarbeitung gekennzeichnet. Kunstwerke können nämlich auf verschie10 dene Arten verarbeitet werden. Man kann sich bei einem Gemälde auf das beziehen, was dargestellt wird, aber auch auf die Art, wie die Dinge dargestellt werden (“verfremdet, expressiv, abstrahiert“, den Stil). 4. In der vierten Verarbeitungsstufe, der kognitiven Bewältigung (Cognitive Mastering) kommt es u. a. zu einer kunstspezifischen Interpretation. Hier versucht der Betrachter zu verstehen, was ihm das Kunstwerk bedeuten kann, was mögliche Interpretationen sind. Gerade im 20. Jahrhundert ist das Wissen dann oft genauso wichtig, wie das sinnliche Wahrnehmen. 5. Der abschließende Prozess der Bewertung (Evaluation) umfasst nun die Bewertung des Ganzen. Habe ich etwas verstanden, spricht es mich an? Wichtig auf dieser Stufe ist auch der Umgang mit Ambiguität, d. h. der Mehrdeutigkeit des Kunstobjektes. Der ganze Prozess wird von sich ständig steigernden emotionalen Zuständen begleitet, die ihrerseits bewertet werden und zu einer ästhetischen Emotion führen. Die emotionale Reaktion kann im günstigsten Fall, durch gelungene Deutungen und Lösungen, als Genuss empfunden werden. Sind die Stufen durchlaufen, entsteht neben einer ästhetischen Emotion (wohl einem guten Gefühl) auch ein ästhetisches Urteil, nun kann man sagen, ob einem das Kunstwerk gefällt. Obwohl das Modell der ästhetischen Erfahrung hinsichtlich experimenteller Untersuchungen zur visuellen Wahrnehmung entwickelt wurde, ist es auch grundsätzlich auf alle anderen Formen der ästhetischen Wahrnehmung übertragbar. Dieses Modell wurde auch von Allesch in seinem Buch Einführung in die psychologische Ästhetik2 als integrativer Ansatz beschrieben. Download des deutschen Textes von Belke, B & Leder, H. (2006). Annahmen eines Modells der ästhetischen Erfahrung aus kognitionspsychologischer Perspektive, in: Sonderforschungsbereich 626 (Hrsg.): Ästhetische Erfahrung: Gegenstände, Konzepte, Geschichtlichkeit. Berlin. unter den Onlineveröffentlichungen der Freien Universität Berlin: www.sfb626.de/veroeffentlichungen/online/aesth_erfahrung/aufsaetze/belke_l eder.pdf 2 Allesch, C. G. (2006). Einführung in die psychologische Ästhetik. Wien: WUV 11 2.2 Praxis Beispiele für Anwendungsfragestellungen 1. Betrachtung von Bildern: Wahrnehmung und Gefallen In vielen Lebensbereichen werden Bilder eingesetzt, zur Werbung, in der Kunst in Ausstellungen und Galerien. Auch Konsumgüter werden oft als Bilder präsentiert, und stehen somit auch für das Objekt. Wir haben in unseren Labors die Möglichkeit, zu messen, wo ein Betrachter zuerst hinschaut, wie lange bestimmte Merkmale betrachtet werden, und in welcher Reihenfolge Dinge betrachtet werden. Dabei kann man auch messen, worin sich zwei Produkte unterscheiden, und die Betrachtung welcher Merkmale dazu führt, dass etwas besonders gut gefällt. Die Messung von Augenbewegungen kann dabei Erkenntnisse liefern, die den Betrachtern gar nicht bewusst sind, da sie selbst häufig nicht sagen können, wohin sie geschaut haben. Wir können somit z.B. die Effizienz von Werbe- und Informationsbotschaften, aber auch die Wirkung eines Bildes oder eines Designentwurfes messen. Mit Hilfe von Augenbewegungskameras können wir das genaue Blickverhalten („Eyetracking“) der Zielpersonen erfassen und anschaulich machen: Æ Welche Bereiche fixieren Personen überhaupt? Welche Bereiche „springen“ als erstes ins Auge? Wie häufig und wie lange werden bestimmte Bereiche fixiert? Die Pupillengröße ist ein entscheidender Hinweis darauf, wie stark die Aufmerksamkeit der Person auf ein bestimmtes Objekt ist. Da die Pupillengröße nicht willentlich beeinflusst werden kann, ist die Erfassung der Pupillengröße („Pupillometrie“) eine essentielle Variable, da sie nicht von sozialer Erwünschtheit oder anderen störenden Faktoren verzerrt wird. Typische Fragestellungen, die durch diese Technik beantwortet werden können: Æ Welche Bereiche erregen am meisten Aufmerksamkeit? Was gefällt dem Betrachter besonders gut? 2. Gefallen von innovativen Produktdesigns Ein wesentliches Merkmal einer wettbewerbsstarken Ökonomie ist das Vorhandensein von Innovationen. Gerade im Sektor Produktdesign ist die Rolle technischer aber auch gestalterischer Designinnovationen nicht zu überschätzen. In einigen Studien (Leder & Carbon, 2005) haben wir aber gefunden, dass spontane Beurteilungen innovative Produkte keineswegs bevorteilen: Unsere Betrachter bevorzugten eher klassische Designs. Erst nach einer kurzen, aber intensiven Phase der Beschäftigung wurden die innovati12 ven Designs zunehmend bevorzugt, und sie wurden sogar weiterhin gleich innovativ eingeschätzt (Carbon & Leder, 2005). Welche Fragen interessieren uns in unserem Forschungsschwerpunkt? Bevor Produkte die Marktreife erreichen, werden sie vielfältigen Tests und Evaluationen ausgesetzt. Das Ziel ist, die Akzeptanz und die künftige Marktpersistenz zu optimieren. Um ein möglichst aussagekräftiges Bewertungsportfolio zu erhalten, orientiert man sich üblicherweise an typischen Konsumenten. Wie verändert sich das Gefallen über die Zeit? Wir können das Gefallen von innovativen Produktdesigns messen und Vorhersagen über die Akzeptanz von Designs in der Zukunft treffen. Unsere Forschung im Bereich Designevaluation kann zeigen, dass typische Konsumenten gerade in Hinblick auf innovative und neuartige Designs überfordert sind; sie benötigen erst eine Phase des Verstehens von und Beschäftigens mit neuen Produkten, ansonsten können sie nicht adäquat einschätzen. Im Alltag geschieht genau dies: Konsumenten beschäftigen sich intensiv mit Produkten und deren Wettbewerbern, sie tauschen sich mit anderen Konsumenten aus und testen Produkte. Diese Phase können wir mit der von uns entwickelnden repeated evaluation technique (RET, Carbon & Leder, 2005) simulieren, um so aussagekräftigere Einschätzungen von Produkten zu erlangen. Es hilft, die Akzeptanz von Produkten besser vorherzusagen. Was mögen Kunden wirklich? Welche Designs gefallen zwar auf den ersten Blick, überzeugen aber nicht auf Dauer? Wie hoch wird die Akzeptanz von Produktdesigns in der Zukunft sein? Welche Produktdesigns werden auch in Zukunft die Aufmerksamkeit erhalten? Welche Designs sind auch morgen noch akzeptiert? Der zusätzliche Einsatz von neurophysiologischen Testverfahren (EDA und Messung von Augenbewegungen) hilft, auch unbewusste Bewertungsprozesse, die nicht von sozialen Prozessen überdeckt werden, sichtbar zu machen. Muss man Kunst verstehen, um sie zu mögen? Wir haben erforscht, dass es sehr schnell geht die Qualitäten von Kunstwerken zu erkennen. Schon nach einem Bruchteil einer Sekunde kann man sagen, ob zwei Kunstwerke denselben Stil haben, noch schneller geht es jedoch den Inhalt grob zu erkennen (Augustin et al., 2008). Wir haben auch gezeigt, dass es eine Besonderheit der Kunst ist, dass man sie vielleicht nicht vollständig verstehen muss: Auch ein gewisses Maß an Ambiguität lässt sich durchaus gut an. Und wir haben genauer erforscht, welche zusätzlichen Informationen zu einem gesteigerten Kunsterleben führen. So werden abstrakte Kunstwerke besser verstanden (und gefallen auch besser), wenn man zu13 sätzlich neue Informationen darüber erhält, wie die Kunstwerke gemalt wurden. 4.Haptische Qualitätseinschätzungen In den letzten Jahren haben wir ein Labor zur Messung von haptischen Erfahrungen aufgebaut. Wir können erforschen, wie verschiedene Oberflächen wahrgenommen werden und auch welche Oberflächen besonders attraktiv sind. In vielen Anwendungsfeldern ist die haptische Qualität von Produkten sehr wichtig. Dies umfasst Sicherheitsaspekte (z. B. guter Grip bei sicherheitsrelevanten Bedienungssettings), Bedienaspekte (z. B. Schalterqualitäten) und Wohlfühleffekte (z. B. Materialität von Sitzbezügen). Wir können haptische Qualitätseinschätzungen messbar machen und so wichtige Impulse für das Design von Produkten mit haptischen und taktilen Qualitäten geben: Unsere Forschung im Bereich Haptik kann zeigen, dass typische Konsumenten haptische Qualitäten kaum einschätzen können. Man kann diese Einschätzungsqualität jedoch stark verbessern, indem man sowohl szenariobasierte Settings verwendet als auch die von uns entwickelte RET einsetzt. Dadurch erreicht man deutlich verbesserte Vorhersagequalitäten für die Einschätzung von haptischen Qualitäten. Æ Welche Materialität sollte eine Produktoberfläche aufweisen, damit der Anwender diese als positiv erlebt? Welche Qualitäten sollten für spezifische Produkte innerhalb bestimmter Settings verwendet werden? Welches Ansprechverhalten sollen die Schalter im Bedienpanel von MP3-Playern der Zukunft besitzen? Dies sind ein paar Beispiele für die Fragen, die wir mit unseren Methoden im Forschungsschwerpunkt untersuchen. PD Dr. Claus-Christian Carbon und Univ.- Prof. Dr. Helmut Leder 14 3. PSYCHOLOGISCHES LABOR 15 EXPERIMENTALAUSSTATTUNGEN In unseren Labors sind wir auf die Untersuchungsmethoden der modernen Kognitions- und Wahrnehmungspsychologie spezialisiert. Neben klassischen Experimenten am Computer, mit Messungen der Reaktionszeit und Bewertung von dargebotenen Reizen, setzen wir auch verschiedene psychophysiologische Messungen ein. 1. HARDWARE-AUSSTATTUNG 1.1. EYETRACKING (Augenbewegungserfassung) Ein stationärer Eyetracker: iView XTM High-Speed 1250 System (SMI, http://www.smivision.com) Ein mobiler Eyetracker: iView XTM HED (SMI, http://www.smivision.com) Ein System zur Bewegungserfassung: Fasttrack® Motion Tracker (Polhemus, http://www.polhemus.com) 1.2. MESSUNG VON EEG (Elektroenzephalogramm), EOG (Elektrookulogramm) EDA (Elektrodermale Aktivität) Ein stationärer Verstärker: Refa8 32 Channel Amplifier (TMSi, http://www.tmsi.com) 8 mobile Aufzeichnungsgeräte: Mobi8-BP 12 Channel Amplifier (TMSi, http://www.tmsi.com) 16 1.3. 3D-VERMESSUNG VON GESICHTERN Eine Di3D 3D Face Camera FTP001 (Dimensional Imaging Ltd., http://www.di3d.com) 1.4. BEHAVIORALE MESSUNGEN 3 PCs (potentiell 14 PCs) 10 Macs Button Boxes zur Erfassung von Reaktionszeiten im ms-Bereich Ein VoiceKey (zur Erfassung von Reaktionszeiten über akustische Signale) 1.5. EINGABEEINHEITEN 2 Grafiktabletts: Intuos3 A4 (Wacom, http://www.wacom.com) 1.6. PRÄSENTATIONSAPPARATUREN hochauflösende Beamer Fahrsimulation 1.7. HAPTIKLABOR Sensotact-V2-Referenzsystem Testungen in realem Fahrzeugsetting BlindSight-TactileBox 1.8. FILESERVER Ein Intel Core 2 Duo S775 E6400, 2GB, 1.4 TB, Linux Ein Apple Power Mac G4, 320MB, 500GB, Mac OS X 10.3.9 2. EXPERIMENTELLE PROZEDUREN RET (Repeated Evaluation Technique) 17 4. MITGLIEDER DES FSP 18 4.1 MITGLIEDER DES FSP INSTITUT FÜR PSYCHOLOGISCHE GRUNDLAGENFORSCHUNG ARBEITSBEREICH: ALLGEMEINE PSYCHOLOGIE Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Helmut Leder Sprecher des FSP http://psychologie.univie.ac.at/grundlagenforschung Ästhetik - Design- Gesichtswahrnehmung - Kunst PD Dr. Claus-Christian Carbon http://www.experimental-psychology.de/ Empirische Ästhetik, Designanmutung, HCI, Ergonomie und angewandte kognitive Forschung. Ab 10.09.2008 karenziert. Dr. Ulrich Ansorge Unterschwellige Wahrnehmung, visuelle Aufmerksamkeit Gastprofessor vom 1.10.2008 bis 31.7.2009 Dr. Matthew Arthur Paul Entscheidungsbeeinflussung von Stimulusmaterial im Zusammenhang mit Formgefallen Mag. Martina Jakesch Kunstwahrnehmung und Haptik Pablo Tinio, MMA Ästhetik, Präferenzen, komplexe Bildbearbeitung Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Slunecko Kulturpsychologie, Bildanalyse Ao. Univ.-Prof. Dr. Rainer Maderthaner Architekturwahrnehmung 19 Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Hergovich http://homepage.univie.ac.at/andreas.hergovich/php/ Anmutungsforschung - Gesichtsattraktivität Dr. Dorothee Augustin Kunstwahrnehmung, Ästhetik Mitarbeit 2004-2007 Dr. Florian Hutzler Wahrnehmung, Augenbewegungsmessung Mitarbeit 2004-2007 Mag. Gernot Gerger Dynamische Aspekte der ästhetischen Verarbeitung, Physiologische Messungen Projektmitarbeiter. Mag. Stella Färber Dynamische Aspekte der ästhetischen Verarbeitung, Physiologische Messungen Projektmitarbeiterin. Dipl.-Ing. Andreas Gartus Methode und EDV Support Univ.-Ass. MMag. DDDr. Martin Voracek Institut für Psychologische Grundlagenforschung, Arbeitsbereich Methodenlehre http://homepage.univie.ac.at/martin.voracek/ Evolutionspsychologische Aspekte und biologische Grundlagen physischer Attraktivität und der Personenwahrnehmung; Methoden der Synthese und Integration empirischer Forschungsergebnisse (Meta-Analyse). 20 Brigitte Flatschacher Institutssekretariat Mag. Bibiane Florianz Dokumentationsassistentin Projekte, Werkverträge Mag. Sabine Koch Dokumentationsassistentin INSTITUT FÜR KLINISCHE, BIOLOGISCHE UND DIFFERENTIELLE PSYCHOLOGIE ARBEITSBEREICH: BIOLOGISCHE PSYCHOLOGIE Univ.-Prof. Dr. Herbert Bauer http://brl.psy.univie.ac.at/people/faculty/herbert-bauer/ Untersuchungen biopsychologischer Aspekte nicht bewusster neurophysiologischer Gedächtnis- und Wahrnehmungsprozesse im Zusammenhang mit der psychologischen Ästhetik und kognitiven …………..Ergonomie. Univ.-Doz. Mag.rer.nat. Dr. Peter Walla www.neuroconsult.at Mein Beitrag bezieht sich auf die biopsychologischen Aspekte neurophysiologischer Prozesse im Zusammenhang mit der psychologischen Ästhetik und kognitiver Ergonomie. INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE, BILDUNGSPSYCHOLOGIE UND EVALUATION ARBEITSBEREICH: BILDUNGSPSYCHOLOGIE UND EVOLUTION Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Alfred Schabmann http://psychologie.univie.ac.at/bildungspsychologie/ mitarbeiterinnen/alfred-schabmann/ Spezialist für Modellierung komplexer Datenstrukturen, Evaluation des ästhetischen Modells von Leder et al. 2004. 21 4.2 ORGANISATIONSSTRUKTUR DER 4 FSP AN DER FAKULTÄT FÜR PSYCHOLOGIE Fakultät für Psychologie Dekanat EDV und Technik Institut für Psychologische Grundlagenforschung Arbeitsbereiche: Allgemeine Psychologie Sozialpsychologie Methodenlehre Institut für Entwicklungspsychologie und Psychologische Diagnostik Arbeitsbereiche: Entwicklungspsychologie Psychologische Diagnostik Studienprogrammleitung Institut für Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation Arbeitsbereiche: Wirtschaftspsychologie Bildungspsychologie und Evaluation Institut für Klinische, Biologische und Differentielle Psychologie Arbeitsbereiche: Klinische Psychologie Biologische Psychologie Differentielle Psychologie Die vier Forschungsschwerpunkte an der Fakultät für Psychologie Die Themenfelder stammen aus dem international anerkannten Fächerkanon der wissenschaftlichen Psychologie: Allgemeine und Experimentelle Psychologie, Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie, Biologische Psychologie, Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, Entwicklungspsychologie, Klinische und Gesundheitspsychologie, Methodenlehre und Evaluation, Psychologische Diagnostik, Sozialpsychologie. An der Fakultät für Psychologie wird die Profilbildung in der Forschung als ein dynamischer Prozess verstanden. Die Fakultät verfolgt in einem Entwicklungsprozess die angestrebte Schärfung des Forschungsprofils sowie ein ausgewogenes Verhältnis von Anwendungs- und Grundlagenorientierung innerhalb der etablierten Forschungsschwerpunkte. FSP Psychologische Ästhetik und kognitive Ergonomie FSP Entscheidungen in Arbeit, Organisation und Wirtschaft FSP Life Long Learning: Förderung von Lebenslangem Lernen in Bildungsinstitutionen 22 FSP Funktionelle Neuroanatomie der Interaktion von Emotion und Kognition 5. FORSCHUNGSKOOPERATIONEN NATIONAL UND INTERNATIONAL 23 KOOPERATIONSPARTNER NATIONAL UND INTERNATIONAL Ford Forschungszentrum Aachen, DE. LOE Language of Emotion Cluster, FU Berlin, DE. Univ.- Prof. Dr. Arthur Jacobs, FU Berlin, DE. PD Dr. Gyula Kovacs, Universität Regensburg, Deutschland und Budapest University of Technology and Economics, HU. Dr. Stephen Langton, University of Stirling, UK. Prof. Dr. Jan Schoormanns, Delft University of Technology, NL. Prof. Dr. Paul Hekkert, Delft University of Technology, NL. Prof. Jeff Smith, University of Otago, NZ. Prof. Lisa Smith, University of Otago, NZ. Prof. Dr. Piotr Winkielman, UCSD San Diego, US. Marc Wittmann PhD, UCSD San Diego, US. Prof. Norbert Schwarz, University of Ann Arbor, US. Prof. Irving Biederman Ph. D., University of Southern California USC, Los Angeles, US. Prof. Dr. Paul Locher, Montclair, State NJ, US. 24 6. GESCHICHTE DER PSYCHOLOGISCHEN ÄSTHETIK 25 6.1 ZUR GESCHICHTE DER PSYCHOLOGISCHEN ÄSTHETIK „Die Vertrautheit, mit der das Kunstwerk uns anrührt, ist zugleich und auf rätselhafte Weise Erschütterung und Einsturz des Gewohnten“ Hans-Georg Gadamer1 Die psychologische Ästhetik hat, wie die Psychologie selbst, ihre Wurzeln in der Philosophie; der deutschsprachige Kulturraum des 18. und 19. Jahrhunderts kann als die Wiege der psychologischen Ästhetik bezeichnet werden. Im Folgenden wird die historische Entwicklung dieser Disziplin aufgezeigt, unter Berücksichtigung der geisteswissenschaftlichen Bereiche Philosophie, Musik- und Kunstwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der wissenschaftlichen Atmosphäre Wiens. Alexander Gottlieb Baumgarten, der Ahnherr der psychologischen Ästhetik Die Einführung der Ästhetik als eigenständige philosophische Disziplin geht auf den deutschen Philosophen Alexander Baumgarten (1714-1767) zurück. In seiner Tätigkeit als Professor an der Universität in Frankfurt a. d. Oder erscheint 1750/58 die zweibändige Schrift Aesthetica2, die auch von Immanuel Kant für seine Vorlesungen zur Ästhetik herangezogen wurde. Baumgarten verstand diese Disziplin als eine Wissenschaft von der sinnlichen Erfahrung (scientia cognitionis sensitivae). Die Definition dieses Begriffes ist bei ihm nicht auf den engeren Bereich der künstlerischen Produkte oder auf das „Schöne“ reduziert, und es geht auch nicht um eine „Wissenschaft vom Schönen und von den Künsten“3, wie sie einem spekulativen, normativen Verständnis entspricht. Er bezieht sich mit seiner Benennung auf die seit der griechischen Antike (Aristoteles) gängige Unterscheidung der Erfahrungsmöglichkeiten, die Unterscheidung zwischen aísthesis (sinnliche Wahrnehmung, Erfahrung die durch die Sinne vermittelt wird) und nóesis (geistige Erfahrung, jene Form die durch abstrakte Reflexion unabhängig von den Sinnen erfahrbar wird). In dieser Zuordnung ist die Erkenntnis enthalten, dass Wissen und Bewusstseinsinhalte sowohl durch den Gebrauch der Sinne, also Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken, als auch durch den Verstand erfahrbar sind. Eine logische Figur kann z.B. nicht mit den Sinnen gesehen, gehört, ertastet, gerochen oder geschmeckt werden, sie kann nur durch die geistige Einsicht (nóesis) erfasst werden. Die Ästhetik, die sich mit Zitiert nach Allesch, C. (2006). Psychologische Ästhetik. Wien: WUV, 8. Baumgarten, A. G. (1970). Aesthetica. Repr. D. Ausg. Frankfurt/Oder (1750/1758). Hildesheim: Olms. 3 so die Konzeption des bedeutenden spätidealistischen Philosophen – und Zeitgenossen Fechners – F. Th. Vischer (1807-1887), in der Nachfolge Hegels und Platons. 1 2 26 den Gesetzen und Bedingungen der sinnlichen Erfahrung beschäftigt, entwickelt sich somit als eine Paralleldisziplin zur Logik. Baumgarten hat mit dieser Benennung der Ästhetik die bis heute gebräuchliche Definition dieser Disziplin festgelegt. Immanuel Kant und die „kritische Wende“ Der subjektive Charakter des „ästhetischen Urteils“, in Baumgartens Systematik bereits angelegt, wird zentral in Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft4 (1790), der letzten seiner „drei Kritiken“, behandelt. Kant (1724-1804), der zeitlebens als Professor in Königsberg wirkte, hat die Philosophie in seiner „kritischen Wende“ mit dem Einbezug des Subjektiven auf eine völlig neue Basis gestellt. Das ästhetische oder Geschmacksurteil wird von Kant ausschließlich im urteilenden Subjekt, nicht im beurteilten Objekt verankert; es bleibt somit streng subjektiv, was auch zur Folge hat, dass daraus keine allgemeine Regel (Norm) für die Beurteilung des Objekts gewonnen werden kann. Die Wende zur Empirie Gustav Theodor Fechner (1801-1887), der Begründer der Psychophysik, entwickelte 1860 die ersten psychologischen Experimente zur ästhetischen Wahrnehmung. Sein erster Forschungsgegenstand war die ästhetische Wirkung von Proportionen des „goldenen Schnitts“. Die Ergebnisse seiner Experimente publizierte er in seiner 1871 erschienenen Schrift Zur experimentalen Aesthetik5. Der Dresdner Holbeinstreit als erstes Experiment Ebenfalls im Jahr 1871 fand in Dresden, zusammen mit der großen Holbein Ausstellung, der kunstwissenschaftliche Holbein-Kongress statt. Fechner entwickelte ein psychologisches Experiment für die Besucher, die die beiden zugleich ausgestellten und Holbein zugeschriebenen Gemälde Madonna des Bürgermeisters Meyer besichtigen wollten. Er erstellte einen Fragebogen zur subjektiven Beurteilung der beiden Gemälde. Seine Ergebnisse wurden noch im selben Jahr in der Schrift Über die Echtheitsfrage der Holbein’schen Madonna publiziert6. Wenn auch die Kunstforschung zu einem anderen Resultat gelangte als er, so lag doch dem in Dresden abgehaltenen HolbeinKongress7 der gleiche Impuls zugrunde, nämlich die Ablehnung der spekulativen, normativen Ästhetik, die sich am „Schönen“ orientiert und daher dem subjektiven Zugang Fechners verschlossen bleibt. Anhand dieses Streites 4 Kant, I. (2006). Kritik der Urteilskraft (1790). Nachdruck Hamburg: Meiner. Fechner, G. Th. (1978).Zur experimentalen Aesthetik. Beigebunden zu G. Th. Fechner, Vorschule der Ästhetik (1871). Nachdruck Hildesheimer: Olms. 6 Fechner, G. Th. (1871). Über die Echtheitsfrage der Holbein’schen Madonna. Leipzig: Breitkopf & Härtel. 7 Kultermann, U. (1996). Geschichte der Kunstgeschichte. München: Prestel-Verlag. 5 27 werden die philosophisch entgegengesetzten Standpunkte, induktiv (a posteriori) versus deduktiv (a priori), exemplarisch ablesbar. Die Gründungsschrift: Vorschule der Ästhetik Im Jahr 1876 ließ Gustav Theodor Fechner seine „Gründungsschrift“ der psychologischen Ästhetik mit dem Titel Vorschule der Aesthetik8 veröffentlichen. Die Schrift war eine Kampfansage, mit der Fechner den Verfechtern der spekulativen Ästhetik, die zumeist noch in Deutschland vertreten wurde, entgegentrat. Es ist ein Infragestellen der normativen Grundlagen des „Guten, Wahren und Schönen“, der deduktiven Ästhetik. Fechner forderte eine induktive Ästhetik, eine Ästhetik „von unten“, die von den Einzelphänomenen auf das Allgemeine abzielt, statt „von oben“, vom Allgemeinen auf das Besondere, wovon die deduktive Ästhetik ausgeht. Er begründete damit die experimentelle Ästhetik, die bis heute von seinem empirischen Ansatz geprägt ist. Wilhelm Wundt – die Etablierung des Experiments 1879 konnte in Deutschland durch den Physiologen Wilhelm Wundt (18321920) das erste Institut für Experimentelle Psychologie an der Universität Leipzig, damals noch innerhalb der Philosophischen Fakultät, gegründet werden. Wundt gilt als Begründer der Psychologie als eigenständige Wissenschaft. Anerkannt blieb er in seiner Bedeutung durch die Einführung des Experiments, der Anwendung physiologischer und statistischer Methoden, die Wundt u. a. während seiner Assistententätigkeit im physiologischen Labor von Hermann von Helmholtz übernommen und weiterentwickelt hatte. In seiner Schrift Grundzüge der physiologischen Psychologie9 legte er seine Ansichten dar. Die Bewusstseinspsychologie Wundts geht primär von den elementaren Sinnesempfindungen aus; mit den Mitteln der Assoziation konstruiere das Bewusstsein die komplexen Wahrnehmungseindrücke. Der ästhetische Gegenstand wird als die Summe der Reizwirkungen der ihn aufbauenden Komponenten verstanden. Wundt führte in Leipzig Untersuchungen zur Wirkung der Farben auf das emotionale Erleben durch, die zu den Pionierarbeiten der psychologischen Ästhetik zählen. Die Rezeption von Fechner in Österreich Eine entscheidende Weiterentwicklung der Ideen Fechners im Bereich der Psychophysik lieferte der Physiker, Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Ernst Mach (1838-1916), der 1895 mit dem Programm der antimetaphysischen und auf Erfahrung gestützten Philosophie auf einen der damals drei Lehrstühle der Philosophischen Fakultät berufen wurde. 8 9 Fechner, G. Th. (1978). Vorschule der Aesthetik (1876). Hildesheim: Olms. Wundt, W. (1908). Grundzüge der physiologischen Psychologie (1873/1874). 3 Bände. Leipzig: Engelmann. 28 Mach bezieht sich in seiner Schrift Die Analyse der Empfindungen von 1886 auf den „Psychophysischen Parallelismus“ Fechners10, der besagt dass das „Psychische“ und „Physische“ relationale Eigenschaften des Menschen sind. Der Unterschied liegt in der Perspektive, die „Selbsterscheinung“ und die „Fremderscheinung“ betreffend, also die Beziehung, die eine Erscheinung zu demjenigen hat, dem sie gegeben ist. In der Analyse der Empfindungen stellt Mach eine Interaktion zwischen Innenwelt (Welt 1) und Außenwelt (Welt 2) her, welche von einem realistischen Weltbild, frei von jedem Idealismus, ausgeht und der Psychologie den Weg als naturwissenschaftliche Disziplin öffnet: „Mit einem Worte, zu allen psychisch beobachtbaren Einzelheiten von B [irgend einer Empfindung] haben wir die zugeordneten physikalischen Einzelheiten von N [denselben Nervenprozeß)] aufzusuchen11“. Mach kommt in seinen Ausführungen der heutigen Ansicht sehr nahe, dass die kognitiven Fähigkeiten des Menschen ein Produkt der synergetischen Tätigkeit der neuronalen Netze des Gehirns und der Sinnesorgane sind12. Seine Arbeiten waren wegweisend für die Gestalttheorie von Christian von Ehrenfels und die sich entwickelnde Gestaltpsychologie. Auch Oswald Külpe (1862-1915), der Begründer der Würzburger Schule der Denkpsychologie, orientierte sich an Mach mit der Definition der Psychologie in seiner Schrift von 1893 Grundriss der Psychologie. Auf experimenteller Grundlage dargestellt. „Die Abhängigkeit der ‚Erlebnisse’ vom körperlichen Individuum zu untersuchen, bedeutet nichts anderes, als zu allen psychologisch beobachtbaren Einzelheiten die zugeordneten beobachtbaren physiologischen Einzelheiten aufzufinden“13. Franz Brentano (1838 - 1917), deutscher Philosoph und Psychologe, stammte aus einer der bedeutendsten deutschen katholischen Intellektuellenfamilien. Die Geschwister seines Vaters waren die Schriftsteller Clemens Brentano und Bettina von Arnim. Brentano war von 1874 - 1880 Professor an der Universität Wien und danach bis 1895 Privatdozent. Auch er setzte sich, knapp zehn Jahre nach Erscheinen der Vorschule zur Ästhetik, im Rahmen seiner Vorlesung an der Wiener Universität im Studienjahr 1885/86 eingehend mit der induktiven Ästhetik Fechners auseinander (veröffentlicht aus dem Nachlass 1956)14. Vorangegangen war ein reger Briefwechsel mit Fechner, in dem Brentano besagte induktive Ästhetik einer sachlich-kritischen Auseinandersetzung unterzog. 10 Heidelberger, M. (2000). Fechner und Mach zum Leib-Seele-Problem. In: Andreas Arndt & Walter Jaeschke: Philosophie und Wissenschaft nach 1848. Hamburg: Meiner, 53-67. 11 Mach, E. (1886). Beiträge zur Analyse der Empfindungen. Jena: G. Fischer. Sechste Auflage unter dem Titel: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen, 49. 12 Leinfellner, W. (1988). Physiologie und Psychologie – Ernst Machs "Analyse der Empfindungen". In: Rudolf Haller und Friedrich Stadler (Hrsg.). Ernst Mach – Werk und Wirkung. Wien: Hölder. 13 Benetka, G. (2002). Denkstile der Psychologie. Wien: WUV, 145. 14 Brentano, F.: Grundzüge der Ästhetik. Aus dem Nachlass herausgegeben von F.Mayer-Hillebrand (1959). Bern: A. Franke. 29 Brentano führte den Begriff der „Intentionalität“ in seiner Arbeit Psychologie vom empirischen Standpunkte15 ein. Kerngedanke seiner „Aktpsychologie“ ist, dass jeder Wahrnehmungsakt und generell jedes Erleben „intentional“ in dem Sinne ist, dass sein Inhalt „auf etwas gerichtet“ ist, auf einen „Gegenstand“ Bezug nimmt. Sein Begriff ist in Abgrenzung zur induktiven Psychologie zu verstehen. Die „Aktpsychologie“ erwies sich als Weichenstellung zur phänomenologischen Psychologie Edmund Husserls. Die phänomenologische Ästhetik Als Schüler Brentanos machte Edmund Husserl (1859-1938, Ordinariat in Freiburg bis 1928) den Begriff der „Intentionalität“ zu einem zentralen Konzept der Phänomenologie – als neue philosophische Disziplin. Somit erweiterte er diesen Gedanken auf eine transzendentale Phänomenologie hin, welche sich zur Aufgabe machte, die Möglichkeiten von Bewusstseinsakten zu klären. Er modifizierte den Begriff der noesis – den Denkprozess – durch eine neue Kategorie: das noema, bzw. Denkurteil. Diese Unterscheidung zwischen Denkakt und Inhalt wird in der Phänomenologie konstitutiv bleiben (Heidegger, Sartre, Merleau-Ponty). Der intentionalistische Ansatz ist auch durch die Brentanoschüler Carl Stumpf (1848-1936) und Alexius Meinong (1853-1920) weiterentwickelt worden. Carl Stumpf schrieb 1868 seine Dissertation an der Universität Göttingen und habilitierte sich ebendort im Jahre 1870. Er unterrichtete in Göttingen, wurde Professor in Würzburg und später in Prag, Halle, München und schließlich in Berlin. Er entwickelte eine Tonpsychologie, die er in seinem gleichnamigen Werk von 188316 darstellte. Stumpf legte den Grundstein der Konsonanzforschung, indem er die musikalische Wahrnehmung nicht mehr in Perzeption und Apperzeption unterteilte, sondern von einer Verschmelzung der Tonwahrnehmung ausging. Alexius Meinong (1853-1920) wurde nach kurzer Lehrtätigkeit an der Wiener Universität im Jahr 1882 an die Universität Graz berufen. Er konnte 1894 das erste österreichische experimentalpsychologische Laboratorium an der Universität Graz einrichten und begründete die „Grazer Schule der Gegenstandstheorie“. Darin erweiterte Meinong den von seinem Lehrer Brentano eingeführten Begriff der Intentionalität. Er kommt zu der Unterscheidung zwischen Akt – Vorstellen, Denken, Fühlen, Begehren –, Inhalt des Aktes – Objekte, Objektive, Dignitative und Desiderative –, und dem Gegenstand, bzw. auf den Sachverhalt, auf den er gerichtet ist. 15 Brentano, F. (1955-68). Psychologie vom empirischen Standpunkt (1874), 3 Bde. Nachdruck Hamburg: Meiner. 16 Stumpf, C. (1883). Tonpsychologie. Erster Band. Leipzig: Hirzel. 30 Sein Schüler, der österreichische Philosoph Christian von Ehrenfels (18591932) veröffentlichte 1890 seine Schrift Über Gestaltqualitäten17. Die auf Aristoteles zurückgehende postulierte Hauptthese besagt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Diese Schrift hatte großen Einfluss auf Philosophie und Psychologie und ist unter der Bezeichnung „Gestalttheorie“ in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Er prägte die Definition, nach der eine „Gestalt“ ein Ganzes sei, das über die Eigenschaften der „Übersummativität“ und der „Transponierbarkeit“ verfüge. Das Demonstrationsbeispiel der Gestalttheorie ist die Melodie. Die Summe der nacheinander wahrgenommenen Töne bildet einen „Vorstellungskomplex“, der zwar ohne die ihn bildenden Einzeltöne nicht bestehen kann, aber eben mehr ist als die bloße Summe der Einzeltöne, da er als Melodie empfunden wird. In diesem Vorstellungskomplex wird eine Qualität sichtbar, die in den Einzeltönen, die dem Komplex zugrunde liegen, nicht sichtbar wird. Diese Gestaltqualität bleibt auch dann erhalten, wenn die Melodie in eine andere Tonart transponiert wird. In den an Ehrenfels anschließenden Forschungen haben sich die zwei Gestaltmerkmale „Übersummativität“ und „Transponierbarkeit“ durchgesetzt und wesentlich zur Formulierung der späteren Gestaltgesetze beitragen. Die Berliner Schule der Gestaltpsychologie Die Begriffe der Übersummativität und Transponierbarkeit wurde von den Berliner Schülern Carl Stumpfs und Begründern der Berliner Schule der Gestaltpsychologie, Max Wertheimer (1880-1943), Kurt Koffka (1886-1941), Wolfgang Köhler (1887-1967) und Kurt Lewin (1890-1947), aufgegriffen und weiterentwickelt. Die an der Phänomenologie orientierte Gestaltpsychologie sieht, im Gegensatz zur Assoziationspsychologie Wundts, den im Bewusstsein vorhandenen komplexen Wahrnehmungseindruck als das Primäre. Im Folgenden sind einige der wichtigsten Gestaltprinzipien aufgeführt: Die Gestaltpsychologie versteht unter dem Begriff der Übersummativität, dass das Dominierende in der Wahrnehmung ein ganzheitlicher, gesamthafter Eindruck sei, ein Ensemble. Die ästhetische Wirkung einer Landschaft z.B. ist eine Ensemblewirkung und kann nicht einfach aus den sie charakterisierenden Eigenschaften summiert werden. Die Wahrnehmung wird daher im Sinne von Ehrenfels als übersummativ gekennzeichnet. Ein weiterer wichtiger theoretischer Begriff ist das Prägnanzprinzip oder die Prägnanzregel. Eine „gute Gestalt“ die auf ein Idealbild der Wahrnehmung verweist, erzeugt den Eindruck der „Geschlossenheit“. Weniger gelungene Gestalten erzeugen eine Präferenzreaktion, d.h. sie werden in „gute Gestalten“ umgedeutet. Die Elemente des Wahrnehmungsfeldes werden 17 von Ehrenfels, C. (1890). Über Gestaltqualitäten. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 14, 249-292. 31 nicht alle in der gleichen Ebene wahrgenommen, sondern einige Strukturen werden hervorgehoben, andere treten zurück. Bei dem Figur-Hintergrund-Verhältnis einer zweidimensionalen Abbildung kann es, wenn dem Hintergrund ebenfalls eine figurative Bedeutung zugeschrieben werden kann, zu einem Auffassungswechsel, bzw. Gestaltwechsel kommen. Das Figur-Hintergrund-Verhältnis „kippt“. Wohlbekannte Beispiele multistabiler Wahrnehmungen stellen so genannte Vexierbilder dar, die dem Betrachter zum Beispiel einerseits eine Vase, andererseits zwei Gesichter präsentieren. Das Prinzip Ordnung in der Kunstwissenschaft Die im Wahrnehmungsfeld als ungeordnetes Material erscheinenden Elemente werden strukturiert, differenziert und gruppiert. Mit solchen Fragestellungen zum „Prinzip Ordnung“ hat sich auch Ernst Gombrich (1909-2001), britischer Kunsthistoriker österreichischer Herkunft, beschäftigt und in seinen Werken auf kunstwissenschaftliche Probleme angewendet. Sein einschlägiges Werk mit dem Titel Art and Illusion18 erschien 1960. Eine interdisziplinäre Untersuchung des Themas Wahrnehmung auf den Gebieten Kunstgeschichte, Psychologie und Philosophie findet sich in Gombrichs Buch Kunst, Wahrnehmung und Wirklichkeit19. Wesentliche Beiträge zu speziellen Fragen der Kunst aus der Sicht der psychologischen Ästhetik haben weiters Kurt Koffka und Rudolf Arnheim geliefert. Rudolf Arnheim (1904-2007) studierte an der Berliner Universität bei Wolfgang Köhler, damals Direktor des Psychologischen Instituts, sowie bei Max Wertheimer, Kurt Koffka und Kurt Lewin. In seinem 1954 erschienenen Hauptwerk Art and Visual Perception: A Psychology of the Creative Eye20 geht Arnheim auf die Phänomene der visuellen Wahrnehmung und der bildenden Kunst ein. Der Einfluss der Denkpsychologie Karl Bühler (1879-1963) war einer der ersten, Anfang des 20. Jahrhunderts, der sich auf die Forschung zur Gestalttheorie konzentrierte. Bühler promovierte 1903 zum Dr. med. bei Johannes von Kries in Freiburg, und ein Jahr darauf in seinem Zweitstudium, der Psychologie, zum Dr. phil. bei Clemens Bäumker an der Universität Straßburg. Anschließend verbrachte er einen zweijährigen Studienaufenthalt bei Carl Stumpf in Berlin. Ab 1906 war er als Assistent in Würzburg bei Oswald Külpe tätig, und 1907 habilitierte er sich dort mit der Schrift Tatsachen und Probleme zu einer Psy18 Gombrich, E. (1986). Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung (1960). Stuttgart: Belser. 19 Gombrich, E. H., Hochberg, J. & Black, M. (1977). Kunst, Wahrnehmung, Wirklichkeit. Frankfurt/Main: Suhrkamp. 20 Arnheim, R. (2000). Kunst und Sehen. Eine Psychologie des schöpferischen Auges. Berlin: de Gruyter. 32 chologie der Denkvorgänge. Der Text gilt als grundlegend für die Würzburger Schule und löste die heftige Bühler-Wundt-Kontroverse aus. 1909 habilitierte er sich auch in Bonn, und wurde dort außerordentlicher Professor; während dieser Zeit in Bonn forschte Bühler intensiv im Bereich der Gestaltpsychologie. Von 1912-1915 lehrt er dann an der Universität München, und leistete als Arzt während des Ersten Weltkrieges Kriegsdienst. Nach 1918 war er zunächst ordentlicher Professor an der TH Dresden, und dann ab 1922 (bis 1938) ordentlicher Professor für Psychologie an der Philosophischen Fakultät in Wien. Die Ergebnisse seiner methodisch experimentellen Untersuchungen auf der Basis der von Christian von Ehrenfels 1890 formulierten Gestaltqualitäten, veröffentlichte er 1913 in seiner Schrift Die Gestaltwahrnehmungen. Experimentelle Untersuchungen zur psychologischen und ästhetischen Analyse der Raum- und Zeitanschauung21. Er formulierte damit als erster das Prinzip des „Gestaltsehens“. Aus den Stellungnahmen von Karl Bühler22 und Otto Selz23 in der Zeitschrift für Psychologie von 1926, die sich auf den Beitrag von Koffka „Psychologie“ im Lehrbuch der Philosophie von Max Dessoir24 beziehen, ist detailliert erkennbar, wie eng die Arbeiten der beiden Wissenschaftler zur Wahrnehmungs- und Denkpsychologie mit den späteren Forschungen der Berliner Schule zur Gestalttheorie zusammenhängen und ihnen nachhaltige Impulse verliehen haben25. Karl Bühler nimmt 1927 im Vorwort seiner Schrift Die Krise der Psychologie nochmals Bezug auf die Auseinandersetzung mit Koffka: Nach meinen eigenen Arbeiten über Gestalten wäre es überflüssig zu versichern, wie hoch ich die Bedeutung des Gestaltgedankens für die Psychologie einschätze; meine Kritik richtet sich erstens gegen die drohende Überdehnung des Begriffes im Rahmen der psychologischen Probleme selbst und zweitens gegen seine Übertragung auf das Gebiet der Physik. […] und wogegen ich mich sachlich wendete, war eine Nachlässigkeit im Zitieren und eine Verzeichnung des historischen Bildes vom Werdegang der neuesten Psychologie.26 21 Bühler, K. (1913). Die Gestaltwahrnehmungen. Experimentelle Untersuchungen zur psychologischen und ästhetischen Analyse der Rum-und Zeitanschauung. Stuttgart: Verlag von W. Spemann. 22 Bühler, K. (1926). Die „Neue Psychologie“ Koffkas. Zeitschrift für Psychologie, 99, 145-159. 23 Selz, O. (1926). Zur Psychologie der Gegenwart. Eine Anmerkung zu Koffkas Darstellung. Zeitschrift für Psychologie, 99, 160-198. 24 Koffka, K. (1925). Psychologie. In Max Dessoir (Hg.), Lehrbuch der Philosophie. Bd. 2: Die Philosophie in ihren Einzelgebieten. Berlin: Ullstein. 25 1927 erschien Koffkas Antwort auf die Artikel von Bühler und Selz in der Zeitschrift Psychologische Forschung, 9, 163-183 mit dem Titel Bemerkungen zur Denkpsychologie. 26 Bühler, K. (1927). Die Krise der Psychologie. Jena: Fischer, VI. 33 Brunswik bezeichnet in seiner problemgeschichtlichen Arbeit über die Prinzipienfragen der Gestalttheorie27 Bühler als deren eigentlichen Begründer, da er den („psychistischen“) Ansatz der „Grazer Schule“ mit der Psychophysik der Gestalten überwindet. Bühlers Buch von 1913 sei das „erste größere Werk auf dem Forschungsgebiete“ gewesen28. Charlotte Bühler schrieb in ihrer postumen biographischen Skizze über Karl Bühler: 1913, mehrere Jahre, bevor Köhler, Wertheimer und Koffka ihre Gestalttheorie entwickelten, führte Karl in experimentellen Untersuchungen den Nachweis, daß die Gestaltwahrnehmungen spezifischen Gesetzen folgen und nicht auf die Summe von Reaktionen auf singuläre Sinnesreize reduziert werden dürfen. In diesem Zusammenhang entstand auch Karls Buch über „Wahrnehmung“, bei dem es sich um eine theoretische Studie voll von Forschungsideen handelt, die sein Schüler Egon Brunswik zu einem späteren Zeitpunkt weitergeführt hat.29 Und Adorno geht noch einen Schritt weiter, indem er nach Bühlers Tod an Charlotte Bühler schrieb: es fehle Karl Bühlers Leben „nicht an einem Hauch von Tragik: daß einige ganz entscheidende Konzeptionen der modernen Psychologie, die er mindestens gleichzeitig mit anderen hatte, nicht so an seinen Namen gebunden sind, wie es sich geziemte“. Diese Bemerkung trifft in besonderem Maße auf Bühlers Arbeiten zur Gestaltpsychologie zu, die von der Forschung bis heute kaum zur Kenntnis genommen wurden, jedoch zu den wichtigsten Beiträgen aus der Frühzeit der Gestalttheorie gehören.30 Die Gründung des Psychologischen Instituts in Wien 1922 trat Karl Bühler das Ordinariat mit der Bezeichnung Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der experimentellen Psychologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien an. Bühler stellte als Bedingung für seine Berufung die Errichtung eines psychologischen Instituts mit dazugehörigem Laboratorium. Seine Wünsche wurden erfüllt. Seiner Frau Charlotte Brunswik, E. (1929). Prinzipienfragen der Gestalttheorie. In Egon Brunswik, Charlotte Bühler, Hildegard Hetzer, Ludwig Kardos, Josef Krug & Alexander Willwoll, Beiträge zur Problemgeschichte der Psychologie. Festschrift zu Karl Bühler’s 50. Geburtstag. Jena: G. Fischer. 28 Benetka, G. (1995). Psychologie in Wien. Wien: WUV, 92. 29 Bühler, C. (1984). Karl Bühler. Eine biographische Skizze. In: Achim Eschbach (Hrsg.). Bühler-Studien. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. 30 So nachzulesen auf der Ankündigungsseite des Verlages Velbrück-Wissenschaft, Weilerswist, zur geplanten Veröffentlichungsreihe Bühler Werke Bd. 2 durch Achim Eschbach (Hrsg.). 27 34 Bühler wurde 1929 eine a. o. Professur verliehen. Sie prägte das Bild des Instituts auf dem neuen Forschungsgebiet der Kinder- und Jugendpsychologie. 1927 wurde Egon Brunswik (1903-1955) Assistent bei Karl Bühler. Brunswik legte 1933 seine Dissertation bei Karl Bühler vor, sein Zweitbegutachter war Moritz Schlick, der gleichzeitig mit Karl Bühler den Lehrstuhl für Naturphilosophie (Philosophie der induktiven Wissenschaften) an der Philosophischen Fakultät erhalten hatte. Moritz Schlick, der Begründer des Wiener Kreises und neben Rudolf Carnap u. a. einer der führenden Vertreter des Logischen Empirismus, lud auch Karl und Charlotte Bühler als Vortragende in diesen Zirkel ein. 1927 fand ein erstes Treffen zwischen Moritz Schlick und Ludwig Wittgenstein statt. Auf Wittgensteins Wunsch wurde auch das Ehepaar Bühler eingeladen31. In dieser Begegnung nahm die „logische Analyse der Sprache“ weitere Gestalt an. Unbestritten ist der Beitrag Bühlers zur Sprachtheorie, der ihn als einen der bedeutendsten Sprachtheoretiker des 20. Jahrhunderts ausweist. Sein Organon-Modell wurde von Roman Jakobson (1896-1982), einem der Hauptvertreter der strukturellen Linguistik, rezipiert und ausgebaut. Es gehört damit zum Kanon der modernen Sprachwissenschaft. Das Institut unter der Leitung des Ehepaares Bühler bestand sehr erfolgreich bis in das Jahr 1938. Durch den Einmarsch der Nationalsozialisten 1938 wurde dieser Forschungsinstitution ein jähes Ende bereitet. Charlotte Bühler befand sich zum Zeitpunkt des Einmarsches auf einer Vortragsreise in Oslo. Karl Bühler wurde von der Gestapo für kurze Zeit inhaftiert. Ihm gelingt durch Intervention seiner Frau die Flucht nach Norwegen. 1940 emigrierte Karl Bühler in die USA. Seine Frau folgt ihm kurze Zeit später. Karl Bühler fand mit Hilfe des „Committee für Displaced Foreign Psychologist“ der American Psychological Association (APA), dessen Mitglied auch Max Wertheimer war, eine Stelle am St. Scholastica College in Duluth im Nordosten des Bundesstaates Minnesota32. Noch im selben Jahr wechselte Karl Bühler zum St. Thomas College in St. Paul, Minnesota. Charlotte Bühler konnte in St. Paul an einem College für Frauen unterrichten. 1945 wird Karl Bühler eine klinische Professur der Psychiatrie an der University of Southern California (Los Angeles) angeboten. Charlotte Bühler wird eine Stelle als Chefpsychologin am Los Angeles County Hospital angeboten. Die Bühlers übersiedeln daraufhin nach Los Angeles. Charlotte Bühler lehrte ebenfalls von 1950 bis zu ihrer Emeritierung 1958 als Professorin für Psychiatrie an der University of Southern California (Los An- 31 32 Stadler, F. (1997). Studien zum Wiener Kreis. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Mandler, J. M. & Mandler, G. (1969). The Diaspora of Experimental Psychology: The Gestaltists and others. In: D. Fleming und B. Bailyn (Ed.), The Intellectual Migration: Europe and America, 1930-1960. Cambridge, Mass: Harvard University Press, 371-419. 35 geles). Nach ihrer Emeritierung unterhielt Charlotte Bühler eine Privatpraxis in Beverly Hills33. Karl Bühler konnte sich aufgrund der damals vorherrschenden Richtung des Behaviorismus nicht in adäquater Weise in der amerikanischen Forschung etablieren. Seine Schriften wurden erst wieder nach seinem Tod, unter dem Einfluss der kognitiven Wende, aktuell. Politische Zäsur und die Umsetzung der Gestaltpsychologie in Amerika Die politischen Verhältnisse in Deutschland ab 1933, in Österreich ab 1938 und der Zweite Weltkrieg bedeuten eine einschneidende Zäsur in der Entwicklung der psychologischen Ästhetik. In Deutschland wurden, neben vielen anderen bedeutenden Wissenschaftlern, die Vertreter der gestaltpsychologischen Schule schon früher zur Emigration gezwungen wie Max Wertheimer, Kurt Koffka, Wolfgang Köhler, Kurt Lewin und Rudolf Arnheim, 1938 folgten Karl und Charlotte Bühler. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 erlischt das öffentliche Interesse an ästhetischen Fragen. Aufgrund schon bestehender, sehr guter wissenschaftlicher Beziehungen in Amerika, war es den Vertretern der Berliner Schule der Gestaltpsychologie möglich, wissenschaftliche Positionen an amerikanischen Institutionen zu erhalten und ihre Arbeit dort fortzusetzen. Max Wertheimer lehrte ab 1933 an der New School for Social Research (New York). Kurt Koffka war ab 1935 am Smith College (Massachusetts) tätig und Wolfgang Köhler trat 1935 eine Professur am Swarthmore College (Pennsylvania) an. Kurt Lewin war ab 1933 an verschiedenen Universitäten tätig wie der Cornell University (Ithaka, New York); University of Iowa (Iowa); University of California (Berkeley); Massachusetts Institute of Technology, MIT (Boston, Massachusetts) und später an der Harvard University (Boston, Massachusetts). Nur Kurt Lewin gelang es sich in akademisch führenden Positionen zu etablieren. Obwohl die exilierten Vertreter der Berliner Schule der Gestaltpsychologie, mit Ausnahme von Kurt Lewin, an keinen führenden akademischen Institutionen lehrten, haben sie durch ihre Schülergeneration in Amerika der im Entstehen begriffenen Kognitionsforschung zur Infragestellung der damals vorherrschenden Position des Behaviorismus verholfen. Zu dieser Schülergeneration gehörte Rudolf Arnheim, der schon in Berlin Assistent bei Max Wertheimer war. Arnheim hielt von 1942 - 1969 Vorlesungen an der New School for Social Research. 1968 wurde er Professor für Kunstpsychologie am Carpenter Center for the Visual Arts der Harvard University. Von 1974 bis 1984 lehrte er als Dozent für Kunstpsychologie am kunsthistorischen Institut der University of Michigan in Ann Arbor. Arnheim 33 Ash, M. G. (1988). Österreichische Psychologen in der Emigration. Fragestellungen im Überblick. In: F. Stadler (Hrsg). Vertriebene Vernunft II. Wien: Jugend und Volk, 252-267. 36 übernimmt eine wichtige Brückenfunktion in der Vermittlung zwischen europäischer und amerikanischer Kultur. Sein Werk bildet eine Systematik der bildenden Künste auf Basis der Gestalttheorie. Bei Kurt Koffka, der schon 1927 eine Gastprofessur am Smith College innehatte, studierte für kurze Zeit auch James J. Gibson (1904 - 1979). Gibson lehrte von 1929 - 1949 am Smith College und von 1949 an bis zu seinem Tode an der Cornell University. Sein Werk The Perception of the Visual World 34 hatte großen Einfluss auf den Gebieten Design und Ergonomie. Ulric Neisser (geb. 1928 in Kiel) kam mit seinen Eltern 1931 in die USA und studierte später bei Wolfgang Köhler. Er promovierte 1956 an der Harvard University. In der Folge lehrte er an der Brandeis University, Emory University und der Cornell University. Sein Buch Kognitive Psychologie aus dem Jahr 1967 war ein Schlüsselwerk der kognitiven Wende in der Psychologie Gustav Bergmann (1906 -1987) studierte Mathematik und Philosophie an der Universität Wien. Durch Besuche im Wiener Kreis kam er mit dem Logischen Empirismus in Verbindung. 1930 wurde er Assistent bei Albert Einstein in Berlin und auf dessen Empfehlung 1939 Assistenzprofessor bei Kurt Lewin an der University of Iowa. Bergmann gehörte in Wien zum engeren Zirkel des Wiener Kreises. Mit Kurt Lewin arbeitete er an einer Untersuchung über die mathematische Darstellung der Lewin’schen psychologischen Feldtheorie. 1940 wurde Bergmann Assistenz Professor, ab 1950 ordentlicher Professor für Philosophie und Psychologie am Department of Philosophy der University of Iowa. Bergmann übte erheblichen Einfluss auf die zeitgenössische Philosophie aus, speziell des linguistic turn35. Unter der Leitung von Kurt Lewin und Gustav Bergmann wurde das Department of Philosophy der University of Iowa zu einer der führenden Institutionen der USA. Egon Brunswik erhielt 1936, während seiner Tätigkeit am Institut für Psychologie in Wien, den Ruf an die University of California (Berkeley), wo er bis zu seinem frühzeitigen Tod im Jahr 1955 lehrte. Er gilt als Begründer des ökologischen Ansatzes in der Psychologie (vergl. S. 42). Entwicklung und Neuorientierung nach 1945 Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte sich das Wissenschaftsfeld völlig neu. Die Psychologie ordnete sich in ihrem Gegenstands- und Methodenverständnis zunehmend den Naturwissenschaften zu und grenzte sich damit von der Philosophie und den übrigen Geisteswissenschaften ab. Sie folgte außerdem dem allgemeinen Trend zur Spezialisierung innerhalb der Psychologie, bzw. der Einzelwissenschaften generell36. Gibson, J. J. (1950). The Perception of the Visual World. Boston: Houghton Mifflin. Sandbothe, M. (2000). Die pragmatische Wende des linguistic turn. In: Mike Sandbothe (Hrsg.) Die Renaissance des Pragmatismus. Aktuelle Verflechtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. 36 vergl. Allesch, C. G. (2006). Einführung in die psychologische Ästhetik. Wien: WUV. 34 35 37 Situation in Deutschland nach 1945 Nachdem Max Wertheimer 1933 mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Deutschland in die U.S.A. emigriert war, wurde Wolfgang Metzger (1899 - 1979) zum stellvertretenden Leiter des Frankfurter Instituts für Psychologie, dessen Leiter Wertheimer seit 1931 war, ernannt. Metzger hatte in Berlin bei Max Wertheimer und bei Wolfgang Köhler studiert. 1931 folgte er Wertheimer nach Frankfurt, wo er sich 1932 habilitierte. Wolfgang Metzger versuchte die gestalttheoretische Tradition in Deutschland zu bewahren. Seine Hauptwerke, u. a. Gesetze des Sehens37, wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er stand in Verbindung zu gestalttheoretisch orientierten Forschern und Wissenschaftlern in Amerika, Japan und Italien. Zur ersten Schülergeneration der Berliner Schule der Gestaltpsychologie in Deutschland gehört auch Kurt Gottschaldt (1902 - 1991), der seine Dissertation bei Köhler und Koffka schrieb. 1947 erhielt er eine Professur an der späteren Humboldt-Universität zu Berlin. Das fast völlig zerstörte Psychologische Institut baute er zu einem der seinerzeit größten und leistungsfähigsten psychologischen Institute in Europa aus. Ab 1962 lehrte er an der Universität Göttingen. Situation im angloamerikanischen Raum nach 1945 In Amerika bildete sich erst in den späten Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch den anglokanadischen Psychologen Daniel E. Berlyne (1924 1977), Professor an der Universität von Toronto, ein weiterer wichtiger Ansatz für die psychologische Ästhetik heraus: Die new experimental aesthetics. Dieser Ansatz kann als neobehavioristisch charakterisiert werden, da die wesentlichen Arbeiten Berlynes aus einer Zeit stammen (1968 - 1974), als die im angloamerikanischen Raum vorherrschende behavioristische Richtung in der Psychologie bereits durch die „kognitive Wende“ abgelöst war. Sein wichtiges Werk dazu wurde 1960 mit dem Titel Conflict, Arousal and Curiosity38 veröffentlicht. New experimental aesthetics Der evolutionsbiologische Ansatz Daniel E. Berlynes definierte die empirische psychologische Ästhetik als eine Lehre von den lustbetonten Erlebnisreaktionen und deren spezifischen Auslösern, ein Spezialfall einer allgemeinen „Hedonik“. Kollative Reizeigenschaften, wie Komplexität, Neuheit, Ambiguität, Unbekanntheit, Uneinheitlichkeit u. a. bilden zusammen mit dem Faktor Reizintensität und ökologischen Hinweisfunktionen das Aktivierungspotential (arousal potential) eines ästhetischen Reizes. Dieser hervorgerufene Erregungszu37 38 Metzger, W. (1953). Gesetze des Sehens. 2. Aufl. Frankfurt/M.: Kramer. Berlyne, D. E. (1974). Konflikt, Erregung, Neugier. Zur Psychologie der kognitiven Motivation. Stuttgart: Klett-Cotta. 38 stand wird zunächst als lustvoll, als ansteigender hedonischer Wert beobachtet. Nach Überschreiten eines Maximums wird der Reiz jedoch als immer weniger positiv und schließlich negativ im Sinne von Unlust empfunden, der hedonische Wert sinkt ab. Diese Theorie beschreibt eine umgekehrt U-förmige Abhängigkeitsbeziehung zwischen dem „hedonischen Wert“ eines Gegenstandes und dem Ausmaß des Aktivierungspotentials, das durch die ihm anhaftenden „kollativen“ Reizvariablen bewirkt wird. Bis heute bauen experimentelle Studien in der psychologischen Ästhetik in einem beachtlichen Ausmaß direkt oder indirekt auf dem Berlyne’schen Ansatz auf, obwohl Berlyne die new experimental aesthetics als experimentellen Ansatz im Sinne des Behaviorismus entwickelt hatte. Kognitive Wende, Cognitive Science Der Behaviorismus, der sich in seiner Ausrichtung streng gegen die psychologische Forschungsmethode der Introspektion richtete, wollte sich in seinen Methoden nur auf die Erforschung des Verhaltens beschränken. Als Metapher für kognitive Prozesse, nach John B. Watson (1878-1958, amerikanischer Psychologe, der die psychologische Schule des Behaviorismus begründete), steht die „Black Box“. Alle im Gehirn ablaufenden Prozesse, die nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden direkt messbar, beschreibbar und reproduzierbar sind und daher auch nicht objektivierbar, können somit nicht Forschungsgegenstand sein. Die „Wende“ setzte mit einem Symposium ein, das von der Special Interest Group in Information Theory am Massachusetts Institute of Technology (MIT), im September 1956 organisiert wurde und die Konzeption für die spätere „Cognitive Science“ lieferte. 1978 initiierte die Sloane Foundation ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das den Titel „Cognitive Science“ trug. Damit war der Name geprägt. Sechs Disziplinen waren beteiligt: Psychologie, Linguistik, Neurowissenschaften, Computerwissenschaften, Anthropologie und Philosophie. Dieses Projekt beeinflusste nachhaltig die interdisziplinäre Forschung. Wissenschaftler wurden mit anderen Forschungsgebieten bekannt und lernten Erkenntnisse aus anderen Bereichen in ihre eigene Disziplin zu integrieren39. Informationstheorie und Computerwissenschaft Die Entwicklung des Informationsverarbeitungsansatzes in den Fünfziger und Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. war mit wichtigen Fortschritten in den Computerwissenschaften und auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz verbunden. Der informationstheoretische Ansatz sah das Gehirn als ein informationsverarbeitendes System das prinzipiell wie ein Computer arbeite. Es sollte daher eine abstrakte Beschreibung der geistigen Fähigkeiten mög39 Miller, A. G. (2003). The cognitive revolution: a historical perspective.Trends in Cognitive Sciences. 7, 141144. 39 lich sein, ohne direkt das Gehirn zu untersuchen. Die „Black-Box“ wurde einsehbar und durch das „Computermodell des Geistes“ abgelöst. Zu den frühen Vertretern dieses Ansatzes gehört James J. Gibson (19041979). Er wurde durch seinen Lehrer Kurt Koffka mit den Fragen zur Gestaltpsychologie bekannt gemacht. Gibson zählt zu den Pionieren des kognitiven Ansatzes, äußerte sich aber auch schon früh kritisch dazu. Er vertrat die These, dass die Wahrnehmung nicht primär durch die Objekte der Wahrnehmung bestimmt werden, sondern auch durch die Wahrnehmungserwartungen und -bereitschaften mit denen das Subjekt seiner Lebensumwelt gegenübertritt. Die Sinne des Menschen wären – Gibson zufolge – nicht nur Instrumente einer passiven Reizverarbeitung, sondern aktive Systeme zur Suche nach bedeutsamen und lebensdienlichen Wahrnehmungsinhalten. In den vom Computer abgeleiteten hierarchisch-mechanischen Theorien der Informationsverarbeitung vermisste er auch deren ökologische Valenz, die Übertragbarkeit von Laborexperimenten auf alltägliche Lebenssituationen. Gibson stand in engem Austausch u. a. mit Wolfgang Metzger und Ernst Gombrich. Ulric Neisser nahm die Kritik Gibsons in seinem 1976 erschienenen Buch Congnition and Reality40 auf. Er kritisierte die von der Informationstheorie ausgelöste Begeisterung hinsichtlich der perfekten Modellierbarkeit kognitiver Abläufe durch Computerprogramme und deren Festhalten am Konzept von Informationsverarbeitung, das auf der modellhaften Übertragung von technisch-maschinell realisierten Informationsverarbeitungsvorgängen beruht. Kritik erfolgte auch schon 1969 von Rudolf Arnheim in seiner Schrift Visual Thinking41. Der Computer beginne „von unten“ (bottom up), von den einzelnen Elementen des Wahrnehmungsgegenstands ausgehend. Die Informationsverarbeitung des Menschen jedoch erfolge „von oben“ (top down) durch das Erfassen eines Wahrnehmungsfeldes. In seinem schon 1958 veröffentlichten Aufsatz Emotion and Feeling in Psychology and Art42 äußert er sich kritisch zum traditionellen Emotionsbegriff in der Psychologie und versucht einen neuen theoretischen Ansatz der ästhetischen Erfahrung unter Berücksichtigung von Emotionen und Gefühlen zu entwickeln. Kognitive Neurowissenschaft und Wahrnehmungspsychologie In neuerer Zeit haben sich interdisziplinäre Forschungskooperationen zwischen der Neurowissenschaft – einem Wissenschaftsbereich, der den Aufbau und die Funktionsweise von Nervensystemen untersucht – und der Kognitionswissenschaft, Psychologie und Philosophie gebildet. 40 Neisser, U. (1996). Kognition und Wirklichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta. Arnheim, R. (2001). Anschauliches Denken. Köln: DuMont. (Deutsche Übersetzung). 42 Arnheim, R. (1980). Emotion und Gefühl in der Psychologie der Kunst (1958). In R. Arnheim, Zur Psychologie der Kunst. Frankfurt/M.: Ullstein, 220-242 41 40 Spezielle Entwicklungen der Neurowissenschaft (Neuroscience) unter anderem auf dem Gebiet der sogenannten „Bildgebenden Verfahren“, helfen die zugrunde liegenden komplexen Hirnfunktionen besser zu verstehen und geben Aufschluss über neuronale Verarbeitungen von Reizen im Gehirn. Ein Beispiel ist die Methode der Elektroenzephalographie (EEG), die es ermöglicht, das elektrische Feld, welches durch die Aktivität von Nervenzellen erzeugt wird, zu messen. Mit Hilfe von Messungen der elektrodermalen Aktivität (EDA), um ein anderes Beispiel zu nennen, lässt sich der Hautleitwert im Rahmen von psychophysiologischen Experimenten messen, um den – auf einen bestimmten Reiz bezogenen – Erregungszustand festzustellen. Ein „Fenster in das Gehirn“ ist die moderne Magnetresonanztomographie (MRT), mit ihr kann ein Reiz im Gehirn genau verortet werden. Das Gehirn kann heute im lebendigen Zustand und in seiner Aktion studiert werden. Die Forschung ist nicht mehr auf Spekulationen angewiesen. Die Neurowissenschaften liefern daher sowohl Anstöße für die wissenschaftliche Untersuchung von ästhetischen Fragen, als auch von Begriffen wie Emotionen, Bewusstsein, und Gedächtnis. In diesem Zusammenhang können Emotionen und Gefühle, als messbare Körperzustände, in die Forschung einbezogen werden. Sie ermöglichen den Einblick in einen komplexen geistigen Bewertungsprozess, mit darauf folgenden dispositionellen Reaktionen. Eines der führenden Forschungszentren auf diesem Gebiet befindet sich heute am Department of Psychology an der California University (San Diego, UCSD), das 1965 von George Mandler (geb. 1924 in Wien) gegründet wurde und mit dem der FSP in Verbindung steht. George Mandler spielte eine maßgebliche Rolle während der Kognitiven Wende43. Er lieferte einschlägige Beiträge zur Analyse der Sprache der Psychologie und deren Wissenschaftstheorie44 sowie zum Thema Kognition, Gedächtnis und Emotion. Heute ist die psychologische Ästhetik, auch aus wirtschaftlicher Sicht interessant, z. B. in den Bereichen Design, Werbung und Kunst. Damit erhält diese Disziplin völlig neue Richtungen: es sind nicht nur Wissenschaftsdisziplinen, wie etwa die Medizin, oder technische Wissenschaften, sondern auch eine breite Palette der verschiedensten Wirtschaftsbranchen, wie beispielsweise die Design-, Elektronik- und Automobilindustrie, an Forschungsergebnissen zur psychologischen Ästhetik interessiert. Ausblick Der FSP ästhetische Psychologie und kognitive Ergonomie positioniert sich innerhalb dieser weit gefächerten wissenschaftlichen Denk- und Forschungsrichtungen. 43 44 Mandler, G. (1984). Cognitive Psychology. An Essay in Cognitive Science. Hillsdale: Erlbaum. Mandler, G., & Kessen, W. (1959). The Language of Psychology. New York: John Wiley & Sons, Inc. Reprinted in Science Editions. 41 Aufgrund der geschichtlichen Verbindung der Fakultät für Psychologie der Universität Wien mit dem Psychologischen Institut vor 1938 stellt sich die Frage nach inhaltlichen Forschungsbezügen zu den Arbeiten von Egon Brunswik und Karl Bühler. Karl Bühler entwickelte eine eigene Axiomatik in kritischer Auseinandersetzung zu den Arbeiten Wundts und legte in seinem Organon-Modell45 eine der Grundlagen für eine moderne Sprach-, Zeichen-, und Kommunikationswissenschaft. Als Grundmodell der Kommunikation und Vorläufermodell zur Informationstheorie hat es in wesentlicher Hinsicht bis heute seine Gültigkeit behalten. Egon Brunswik betonte die Bedeutung der Umwelt für das nach gültigen Informationen suchende Subjekt und stand daher Laborversuchen kritisch gegenüber. Auf ihn geht das probabilistische Modell der Brunswik’schen Linse46 zurück. Bildlich gesprochen geht vom Umweltobjekt ein Fächer von mehrdeutigen Hinweisreizen aus, die vom Beobachter wieder mit einem bestimmten Grad an Wahrscheinlichkeit zu einem Urteil zusammengeführt werden. Er gilt als Begründer des ökologischen Ansatzes in der Psychologie47. Das Modell der ästhetischen Erfahrung von Leder et al. (2004) kann unter Bezugnahme auf das Bühler’sche Grundmodell, bzw. generell den Kontext der Semiotik, sowie der Wechselwirkung zwischen den Menschen und der von ihnen geschaffenen Symbolwelt untersucht werden, wobei auch die Frage nach der ökologischen Valenz und Urteilsfindung im kulturellen Umfeld gestellt werden kann. Der FSP lässt sich daher nicht nur im historischen Längsschnitt, sondern auch im Querschnitt der aktuellen Disziplinen, wie Informationstheorie, Neurowissenschaften und Semiotik verankern und steht innerhalb dieses Gefüges in einem offenen multidisziplinären und vielseitig produktiven Forschungskontext. Mag. Sabine Koch 45 Bühler, K. (1999). Sprachtheorie. Stuttgart: Lucius & Lucius. Brunswik, E. (1952). The conceptual Framework of Psychology. (International Encyclopedia of Unified Science, Volume 1, Number 10). Chicago: The University of Chicago Press. 47 Fischer, K. R. & Stadler, F. (1997). Wahrnehmung und Gegenstandswelt. Zum Lebenswerk von Egon Brunswik (1903-1955), (Hrsg.) Band 4 der Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis. New York: Springer. 46 42 6.2 Weiterführende Literatur Zum historischen und interdisziplinären Kontext der psychologischen Ästhetik Allesch, C. G. (1987). Geschichte der psychologischen Ästhetik. Göttingen: Hogrefe. Allesch, C. G. (2006). Einführung in die psychologische Ästhetik. Wien: WUV. Ash, M. G. (1995). Gestalt Psychology in German culture, 1890-1967. Cambridge University Press: Cambridge, MA. Benetka, G. (1995). Psychologie in Wien. Wien: WUV. Benetka, G. (2002). Denkstile der Psychologie. Wien: WUV. Berlyne, D. E. (1974). Konflikt, Erregung, Neugier. Zur Psychologie der kognitiven Motivation. Stuttgart: Klett-Cotta. Brunswik, E. (1952). The conceptual Framework of Psychology. (International Encyclopedia of Unified Science, Volume 1, Number 10). Chicago: The University of Chicago Press. Bühler, K. (1913). Die Gestaltwahrnehmungen. Stuttgart: Spemann. Bühler, K. (1934). Sprachtheorie. Jena: Gustav Fischer. Fischer, K. R. & Stadler, F. (1997). Wahrnehmung und Gegenstandswelt. Zum Lebenswerk von Egon Brunswik (1903-1955), (Hrsg.) Band 4 der Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis. New York: Springer. Fleming, D. & Bailyn, B. (1969). The Intellectual Migration: Europe and America, 1930-1960. Cambridge/Mass: Harvard University Press. Gombrich, E., Hochberg, J. & Black, M. (1977). Kunst, Wahrnehmung, Wirklichkeit. Frankfurt/ Main: Suhrkamp Verlag. Gombrich, E. H. (1986). Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung (1960). Stuttgart: Belser. Leder, H. (2002). Explorationen in der Bildästhetik. Lengerich: Papst. Leder, H. & Vitouch, O. (2006). Kunst- und Musikpsychologie. In: Kurt Pawlik (Hrsg.) Handbuch der Psychologie. Heidelberg: Springer, 895-901. Lück, H. E. & Miller, R. (2005). Illustrierte Geschichte der Psychologie (Hrsg.). Weinheim und Basel: Beltz. Mandler, G. (2007). A history of modern experimental psychology: From Wundt and James to cognitive science. Cambridge, MA: MIT Press. Metzger, W. (1953). Gesetze des Sehens. Frankfurt/Main: Kramer. 43 7. AKTIVITÄTEN 44 7.1 FORSCHUNGSPROJEKTE „Psychologie der Ästhetik: Die Dynamik von Ästhetik und Gefallen“ (Leder&Carbon; FWF - Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, 2006-2009) „Psychological evaluation of switches haptics in car interiors” (Carbon&Leder; Henry Ford Stiftung, 2006-2009) "Cognitive Maps of Europe" Kognitive Karten Europas: zwischen historischen Ressentiments und zukünftigen Herausforderungen. (PD Dr. Claus-Christian Carbon, Stadt Wien, MA7 Kultur und Wissenschaft, 2008) 45 7.2 AUSGEWÄHLTE PUBLIKATIONEN ZUM FSP Grundlagen psychologischer Ästhetik Leder, H. (2002). Explorationen in der Bildästhetik. Lengerich: Papst. Leder, H. (2003). Familiarity versus fluency. Determinants of cognitive and visual preference. Empirical Studies of the Arts, 21, 165-175. Leder, H., Belke, B., Oeberst, A., & Augustin, D. (2004). A model of aesthetic appreciation and aesthetic judgements. British Journal of Psychology, 95, 489-508. Stich, C., Knäuper, B., Eisermann, J., & Leder, H. (2007). Aesthetic Properties of Everyday Objects. Perceptual and Motor Skills, 104, 1139-1168. Voracek, M., Fisher, M. L., Rupp, B., Lucas, D., & Fessler, D. M. T. (2007). Sex differences in relative foot length and perceived attractiveness of female feet: Relationships among anthropometry, physique, and preference ratings. Perceptual and Motor Skills, 104, 1123-1138. Fisher, M. L., & Voracek, M. (2006). The shape of beauty: Determinants of female physical attractiveness. Journal of Cosmetic Dermatology, 5, 199204. Swami, V., Arteche, A., Chamorro-Premuzic, T., Furnham, A., Stieger, S., Haubner, T., & Voracek, M. (2008). Looking good: Factors affecting the likelihood of having cosmetic surgery. European Journal of Plastic Surgery, 30, 211-218. Voracek, M., & Fisher, M. L. (2002). Shapely centrefolds? Temporal change in body measures: Trend analysis. British Medical Journal, 325, 14471448. Voracek, M., & Fisher, M. L. (2006). Success is all in the measures: Androgenousness, curvaceousness, and starring frequencies in adult media actresses. Archives of Sexual Behavior, 35, 297-304. Grundlagen der Wahrnehmung und Kognition Carbon, C. C. (2008). Famous faces as icons. The illusion of being an expert in the recognition of famous faces. Perception, 37, 801-806. Carbon, C. C., & Leder, H. (2005a). Face adaptation: Changing stable representations of familiar faces within minutes? Advances In Cognitive Psychology, 1, 1-7. Carbon, C. C., & Leder, H. (2005b). When feature information comes first! Early processing of inverted faces. Perception, 34, 1117-1134. 46 Carbon, C. C., & Leder, H. (2006a). The Mona Lisa effect: is 'our' Lisa fame or fake? Perception, 35, 411-414. Carbon, C. C., & Leder, H. (2006b). When faces are heads: View-dependent recognition of faces altered relationally or componentially. Swiss Journal of Psychology, 65, 245-252. Carbon, C. C., Schweinberger, S. R., Kaufmann, J. M., & Leder, H. (2005). The Thatcher illusion seen by the brain: An event-related brain potentials study. Cognitive Brain Research, 24, 544-555. Carbon, C. C., Strobach, T. Langton, S., Harsányi, G., Leder, H., & Kovacs, G. (2007). Adaptation effects of highly familiar faces: immediate and long lasting. Memory & Cognition, 35, 1966-1976. Hutzler, F., Braun, M., Võ, M. L.-H., Engl, V., Hofmann, M., Dambacher, M., Leder, H., & Jacobs, A. M. (2007). Welcome to the real world: Validating fixation-related brain potentials for ecologically valid settings. Brain Research, 1172, 123-129. Leder, H. & Carbon, C. C. (2005). When context hinders! Context superiority versus learn-test-compatibilities in face recognition. Quarterly Journal of Experimental Psychology: Human Experimental Psychology, 58A, 235250. Leder, H., & Carbon, C. C. (2006). Face-specific configural processing of relational information. British Journal of Psychology, 97, 19-29. Ruck, N., & Slunecko, T. (in press). A portrait of a dialogical self. Picture theory and the dialogical self. The International Journal of Dialogical Science. Volume 3. Slunecko, T., & Hengl, S. (2007). Language, cognition, subjectivity – a dynamic constitution. In: J. Valsiner & A. Rosa (eds.) The Cambridge Handbook of Social-Cultural Psychology. Cambridge University Press, 40-61. Psychologie und Kunst Augustin, M. D., & Leder, H. (2006). Art expertise: A study of concepts and conceptual spaces. Psychology Science, 48, 135-156. Augustin, M. D., Leder, H., Hutzler, F., & Carbon, C. C. (2008). Style follows content. On the microgenesis of art perception. Acta Psychologica, 128, 127-138. Belke, B., Leder, H., & Augustin, M. D. (2006). Mastering style. Effects of explicit style-related information, art knowledge and affective state on appreciation of abstract paintings. Psychology Science, 48, 115-134. 47 Kuchinke, L., Trapp, S., Jacobs, A. M., & Leder, H. (in press). Pupillary responses in art appreciation: effects of aesthetic emotions. Psychology of Aesthetics, Creativity and the Arts. Leder, H. (2007). Kunst: Zufall als Methode? Eine psychologische Betrachtungsweise. In: A. Zeilinger et al. (Hrsg). Der Zufall als Notwendigkeit. Wiener Vorlesungen. Wien: Picus Verlag, 51-70. Leder, H., & Belke, B. (2007). Art and Cognition. In C. Dorfman, P. Martindale, P. Locher & V. Petrov. (Eds.), Evolutionary and Neurocognitive Approaches to Aesthetics, Creativity and the Arts. Baywood Press, 149-163. Leder, H., Carbon, C. C., & Ripsas, A.-L. (2006). Entitling Art: Influence of different types of title information on understanding and appreciation of paintings. Acta Psychologica, 121, 176-198. Lengger, P. G., Fischmeister, F. P., Leder, H., & Bauer, H. (2007). Functional Neuroanatomy of the Perception of Modern Art. A Dc-Eeg-Study on the Influence of Stylistic Information on Aesthetic Experience. Brain Research, 1158, 93-102. Psychologie und Design Carbon, C. C., & Leder, H. (2005c). Innovation in design and aesthetics: How attributes of innovation influence attractiveness in the long run. Perception, 34, 8. Carbon, C. C., & Leder, H. (2007). Design Evaluation: From typical problems to state-of-the-art solutions. Thexis, 2007(2), 33-37. Carbon, C. C., Hutzler, F., & Minge, M. (2006). Innovation in design investigated by eye movements and pupillometry. Psychology Science, 48, 173186. Carbon, C. C., Michael, L., & Leder, H. (in press). Design evaluation by combination of repeated evaluation technique and measurement of electrodermal activity (EDA). Research in Engineering Design. Hekkert, P., & Leder, H. (2007). Product Aesthetics. In R. Schifferstein & P. Hekkert (Eds.). Product Experience. New York: Elsevier. Leder, H., Carbon, C. C., & Kreuzbauer, R. (2007). Product-Design Perception and Brand Strength. Thexis, 2007(2), 4-7. 48 7.3 GASTVORTRÄGE 2005-2008 Prof. Dr. Christof Körner, Karl-Franzens-Universität Graz, AT Blickbewegungsexperimente zum Gedächtnis bei der wiederholten visuellen Suche. Prof. Dr. Daphna Oyserman, University of Michigan, US Culture as Situated Cognition. Prof. Dr. Norbert Schwarz, University of Michigan, US The feeling of thinking: Beauty, judgement, and choice. Prof. Dr. Mike Burton, University of Glasgow, UK Recognising real faces: What should be on your passport photo? Prof. Dr. Piotr Winkielman, UCSD San Diego, US Why Do We Like Things? Prof. Dr. Paul Hekkert, Delft University of Technology, NL Metaphors in design: Communication and appreciation. Prof. Dr. Shigeru Akamatsu, Hosei University, Tokyo, JP Impressions of 3D Faces. OA Dr. Andreas Lüschow, Charité-Universitätsmedizin Berlin, DE Frühe neurophysiologische Korrelate bei normaler Gesichtererkennung und angeborener Gesichtsblindheit (Prosopagnosie). Prof. Dr. G. Schwarzer, Justus-Liebig-Universität Gießen, DE Bedeutung sozialer und visueller Informationen bei der Entwicklung der Gesichtserkennung. Prof. Dr. G. Marty, University of the Balearic Islands, ES Aesthetic judgement, familiarity and art education. Prof. Dr. O. Huber, University of Fribourg, CH Entscheiden unter Risiko - jenseits des Glückspiel-Paradigmas. Prof. Dr. I. Biederman, University of Southern California, US The neural basis of perceptual and cognitive pleasure. 49 8. FORSCHUNGSSCHWERPUNKT UND LEHRE 50 LEHRVERANSTALTUNGEN Die Vorlesungen Allgemeine Psychologie I-IV werden zyklisch im Sommer- und Wintersemester abgehalten. Die Vorlesungen I und III beinhalten die Grundlagen zur Allgemeinen Psychologie, wie Wahrnehmung, Sprache, Gedächtnis, Motivation etc. Die Vorlesungen II und IV beziehen sich direkt auf die Themen des FSP: „Psychologische Ansätze der Ästhetik“, in „Anwendungsfeldern der kognitiven Psychologie“, darunter auch Bezüge zum Design. Die Proseminare legen Grundlagen. Sie sind standardisiert und vermitteln Fertigkeiten wie Literatursuche und Einführungen zum wissenschaftlichen Lesen und Schreiben. Am Beispiel englischer Fachartikel werden spezifische Themen aufbereitet, in Kurzvorträgen präsentiert und inhaltlich diskutiert. Einige dieser Proseminare werden bereits vollständig in Englisch gehalten. Darüber hinaus findet Lehre zum FSP im Fachliteraturseminar als Vorbereitung zur Diplomarbeitsphase und im Forschungsseminar als Begleitung in der Diplomarbeitsphase statt. In den Forschungspraktika, werden praktische Forschungsfertigkeiten, spezifische Methoden und Inhalte vermittelt. Die Veranstaltungen im Doktoratsstudium behandeln neben allgemeinen methodischen Ansätzen auch ausgewählte aktuelle Themen der psychologischen Ästhetik und Designwahrnehmung die im Rahmen dieser Veranstaltung gelesen und kritisch diskutiert werden. Aktuelle Details finden Sie unter dem Link: http://online.univie.ac.at/vlvz?extended=Y 51 SOKRATES Outgoing: PD Dr. Claus Carbon: Universität Warschau, Humboldt-Universität zu Berlin Incoming: Dipl.- Psych. Grit Herzmann von der Humboldt-Universität zu Berlin ERASMUS Informationen: Forschungsservice und Internationale Beziehungen Informationen unter: http://international.univie.ac.at/de/portal/mobilitaet/studierende/ OUTGOING: Joint Study Programme der Universität Wien Zielgruppe: Studierende der Universität Wien nach Absolvierung des ersten Studienabschnittes (für Bakkalaureatsstudierende: mindestens 2 Semester). Bei Studierenden des 1. Studienabschnitts wird es nach Abschluss des 2. Semesters empfohlen. Zielsetzung: Studieren an einer ausländischen Universität ohne Studiengebühren im Rahmen eines Austauschprogramms. Höhe: Lebenshaltungskosten können teilweise durch Stipendien abgedeckt werden. Dauer: zwischen einem Semester und einem Studienjahr. Einreichtermine: laufend abhängig vom Zielland. Einreichstelle: DLE Forschungsservice und Internationale Beziehungen der Universität Wien. Alle Joint Study Abkommen d. h. alle Austauschabkommen inklusive des Bewerbungsformulares finden Sie unter: http://international.univie.ac.at/de/portal/mobilitaet/studierende/jointstudy/ueb erblick/ INCOMING Zielgruppe: Studierende, die einen Teil ihres Studiums an der Universität Wien absolvieren möchten und noch nie mit dem EU Programm LLP/ERASMUS im Ausland studiert haben. Zielsetzung: Vertiefung der akademischen Fachkenntnisse und Erweiterung um neue Ansätze; Erleben der Europäischen Dimension. Voraussetzungen: 1. Studium an einer Universität im EU/EWR-Raum, bzw. der Schweiz oder 52 der Türkei; 2. Bilaterale LLP/ERASMUS Vereinbarung zwischen den Universitäten; 3. Offizielle Nominierung des/der Studierenden von der Heimatuniversität; 4. Anrechenbarkeit der Studienleistungen an der Heimatuniversität. Dauer: 3 bis 12 Monate, abhängig von der bilateralen Vereinbarung zwischen den Universitäten Höhe des Stipendiums: von Staat zu Staat unterschiedlich; Studiengebühren werden aufgrund der bilateralen ERASMUS Vereinbarungen an der Gastuniversität erlassen. Bewerbungsfristen: 1. Juli (für das folgende Wintersemester) 1. Jänner (für das folgende Sommersemester) Akademischer Kalender: Wintersemester: 1. Oktober bis 31. Jänner Sommersemester: 1. März bis 30. Juni Allgemeine Anfragen: FORSCHUNGSSERVICE UND INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN UNIVERSITÄT WIEN Informationen unter: http://international.univie.ac.at/de/portal/mobilitaet/studierende/ Ansprechperson am Institut für Psychologische Grundlagenforschung: Fachliche Anfragen: Univ.- Prof. Dr. Helmut Leder Anschrift: Fakultät für Psychologie Institut für Psychologische Grundlagenforschung Liebiggasse 5 A-1010 Wien Email: [email protected] Telefonnummer: +43 1 4277 47821 53 9. GLOSSAR 54 GLOSSAR B: Begriffe; E: Experimente; I: Instrumente; M: Methode B Ambiguität: Begriff der Semiotik: Ein Zeichen hat mehrere Bedeutungen, z. B. Kippbilder bzw. Vexierbilder B Ästhetisches Urteil: Ursprünglich als ästhetische Kategorie von Kant als Grundlage der subjektiven Ästhetik definiert B Fluency Affect: Qualität bestimmter ästhetischer Phänomene, die in der Wahrnehmung besonders eingängig sind B Gesichtsstimuli: Reize in Form von Gesichtern, die während des Experiments den Versuchspersonen vorgegeben werden B Kognitive Ergonomie: Kognitive Ergonomie stellt ein angewandtes Feld der Ästhetik dar. Es beschäftigt sich mit dem Design und der Innovation von Konsumgütern, wie z. B. Autos oder Handys. Ausgangspunkt ist die Idee, dass die Funktionalität von Objekten untrennbar mit emotionalen und sinnlichen Aspekten verbunden ist. B Neuronale Korrelate: Hirnphysiologische Aktivität, die durch bestimmte Reize ausgelöst wird und anhand unterschiedlicher Messmethoden aufgezeichnet und analysiert werden kann (z. B. EEG, MEG, fMRI, …) B Priming: Erzeugung gerichteter Aufmerksamkeit E Behaviorale Experimente: Experimente in denen Verhaltensdaten (z. B. Reaktionszeiten) erhoben werden I 3D Stimuli: Dreidimensionale Stimuli I CT: Computertomographie/Schnittbildgebendes Verfahren. Die Computertomographie (v. griech. τομή "Schnitt" und γράφειν "schreiben"), Abkürzung CT, ist die rechnerbasierte Auswertung einer Vielzahl aus verschiedenen Richtungen aufgenommener Röntgenaufnahmen eines Objektes, um ein dreidimensionales Bild zu erzeugen (Voxeldaten). Es handelt sich dabei um ein schnittbildgebendes Verfahren. I Eyetracking: Augenbewegungsmessungsinstrument I Mobile EDAS: Mobiler Eyetracker, mit dem Blickverhalten in realen Situationen (z. B. beim Museumsbesuch) aufgezeichnet werden kann I EEG: Elektroenzephalographie/ Biofeedback-Gerät/ Bildgebendes Verfahren. Die Funktion des Gehirns basiert hauptsächlich auf der Interaktion von stark vernetzten Neuronen über elektrische Impulse (Neuronales Netz). Die Elektroenzephalografie (EEG, von griechisch ἐγκέφαλον 55 „Gehirn“, γράφειν „schreiben“) ist eine Methode der medizinischen Diagnostik zur Messung der summierten elektrischen Aktivität des Gehirns durch Aufzeichnung der Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche. Das Elektroenzephalogramm (ebenfalls EEG abgekürzt) ist die graphische Darstellung dieser Schwankungen I EDA: Elektrodermale Aktivität (Hautwiderstandsmessung) . Biofeedback-Gerät/ Bildgebendes Verfahren ist bedingt durch die typische Erhöhung des Sympathikotonus bei emotional-affektiven Reaktionen. Dabei kommt es zu einer erhöhten Schweißsekretion, die ein kurzzeitiges Absinken des elektrischen Leitungswiderstandes der Haut bewirkt. Dadurch kommt es zu einer Zunahme der Hautleitfähigkeit (Hautleitwert). Mit Hilfe von Messungen der elektrodermalen Aktivität lassen sich psychophysische Zusammenhänge objektivieren I Facial EMG: Elektromyographie/ Biofeedback-Gerät/ Bildgebendes Verfahren EMG ist in der Humanmedizin eine elektrophysiologische Methode der Diagnostik in der Neurologie, bei der die elektrische MuskelAktivität gemessen wird I MRT: Eine Alternative zur CT stellt die Magnetresonanztomographie (MRT) dar, die auch als Kernspintomographie bezeichnet wird. Die beiden Hauptvorteile dieses Verfahrens gegenüber der CT sind, dass keine schädliche Röntgenstrahlung verwendet wird und die Möglichkeit, Organe und Gewebe auch ohne Kontrastmittel mit hohem Weichteilkontrast abzubilden. Nachteile sind unter anderem der höhere Anschaffungspreis der MRT-Geräte und längere Untersuchungszeiten M Feldforschung: Eine empirische Forschungsmethode zur Erhebung empirischer Daten mittels Beobachtung und Befragung in alltäglichen Lebenssituationen M RET: Repeated Evaluation Technique 56 IMPRESSUM Für den Inhalt verantwortlich und Copyright: Universität Wien Fakultät für Psychologie Institut für Psychologische Grundlagenforschung Liebiggasse 5 A-1010 Wien Österreich Konzept und Redaktion: Univ.-Prof. Dr. Helmut Leder & Mag. Sabine Koch Bildernachweis: Deckblatt: Universität Wien, Fakultät für Psychologie. Seite: 5, 8, 15, 18, 50, 54: Universität Wien, Fakultät für Psychologie Seite: 44: Carbon, C. C., Hutzler, F., & Minge, M. (2006). Innovation in design investigated by eye movements and pupillometry. Psychology Science, 48, 173-186, S.182. Seite: 9: Leder, H., Belke, B., Oeberst, A., & Augustin, D. (2004). A model of aesthetic appreciation and aesthetic judgements. British Journal of Psychology, 95, 489-508. Seite: 23: Ash, M. G. (1995). Gestalt Psychology in German culture, 18901967. Cambridge University Press: Cambridge, MA, 180. Seite: 25: Mach, E. (1911). Analyse der Empfindungen. Jena: Gustav Fischer, 15 57 58