Angelika Plum Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte

Transcription

Angelika Plum Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte
Kunstgeschichte
Angelika Plum
Die Karikatur im Spannungsfeld
von Kunstgeschichte
und Politikwissenschaft
Eine ikonologische Untersuchung
zu Feindbildern in Karikaturen
Shaker Verlag
DIE KARIKATUR IM SPANNUNGSFELD VON
KUNSTGESCHICHTE
UND
POLITIKWISSENSCHAFT
EINE IKONOLOGISCHE UNTERSUCHUNG ZU
FEINDBILDERN IN KARIKATUREN
Von der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Philosophie genehmigte Dissertation
vorgelegt von
Plum, Angelika, MA
aus
Setterich, Kreis Aachen
Referent: Universitätsprofessor Dr. Hans Holländer
Korreferent: Universitätsprofessor Dr. Helmut König
Tag der mündlichen Prüfung: 12. Dezember 1997
D 82 (Diss. RWTH Aachen)
Berichte aus der Kunstgeschichte
Angelika Plum
Die Karikatur im Spannungsfeld
von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft
Eine ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in Karikaturen
D 82 (Diss. RWTH Aachen)
Shaker Verlag
Aachen 1998
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Plum, Angelika:
Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft:
Eine ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in Karikaturen/
Angelika Plum. –Als Ms. gedr.Aachen: Shaker, 1998
(Berichte aus der Kunstgeschichte)
Zugl.: Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 1998
ISBN 3-8265-4159-6
Copyright Shaker Verlag 1998
Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen
oder vollständigen Wiedergabe, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und der Übersetzung, vorbehalten.
Als Manuskript gedruckt. Printed in Germany.
ISBN 3-8265-4159-6
ISBN 0946-395X
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Inhalt
0
Einleitung: Der Mythos vom kritischen und aufklärerischen
„Wesen“ der Karikatur
7
1
Die Karikatur und ihre Rezeption in der Wissenschaft
27
1.1
Begriffsbestimmung
27
1.2
Die Karikatur in Ästhetik und Kunstwissenschaft vom
Klassizismus bis zum 20. Jahrhundert
33
1.3
Psychologische Forschungsansätze
40
1.4
Geistesgeschichtliche Forschungsansätze
42
1.5
Karikatur und Kunstgeschichte: Weiterhin ein schwieriges Verhältnis 49
1.5.1
1.5.2
1.5.3
1.5.4
1.5.5
1.5.6
1.5.7
Funktion contra Kunst
Karikatur, Kunst und Können
Die Karikatur als Wegbereiterin moderner Kunststile
Die Karikatur als Pressezeichnung
Der Karikaturist als Künstler
Karikatur und Stil
Die Karikatur als "auf die Gasse übertragene Kunst"
58
60
61
62
65
68
72
2
Zum Zusammenhang zwischen Karikaturen, Stereotypen und
Feindbildern
77
2.1
Stereotyp: Begriff und Theorie
78
2.2
Stereotype in Karikaturen
81
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
Übertreibung oder Hyperbel
Reduktion
Metapher
Synekdoche, Allegorie, Typisierung und Klischee
83
89
91
95
2.3
Feindbild: Begriff und Theorie
104
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.3.4
Wahrnehmungsstrukturierende Funktion von Feindbildern
Feindbild und Selbstbild
Identifikation und Systemstabilisierung
Handlungskonsequenzen
105
107
109
111
5
3
Die Archetypen der Feindbildkarikaturen
113
3.1
Der Feind als Witzfigur: Humor in der Karikatur
114
EXKURS 1: Feindbildkarikaturen in Napoleonischer Zeit
3.2
Der Feind als Bestie: Grauen in der Karikatur
EXKURS 2: Feindbildkarikaturen im Ersten Weltkrieg
3.3
123-125
130
133-144
Der Feind in bedrohlicher Perspektive
EXKURS 4: Feindbildkarikaturen im Kalten Krieg
3.5
121
Der Feind als Negativ-Bild: Antithetische Kampfbilder
EXKURS 3: Feindbildkarikaturen im Nationalsozialismus
3.4
115-116
145
148-153
Der Feind als Plutokrat: Kapital in der Karikatur
EXKURS 5: Feindbildkarikaturen im Kommunismus
155
156-162
3.6
Der Feind als Tod: (Un)Sterblichkeit in der Karikatur
164
3.7
Der Feind als apokalyptischer Reiter: Endzeitliches in der Karikatur
168
3.8
Der Feind als Spieler: Risiko in der Karikatur
170
EXKURS 6: Nach dem Kalten Krieg: Das Feindbild "Süd"
3.9
177-183
Orientalismen in der Karikatur
184
3.10 Der Feind als Fanatiker: Wahnsinn und Chaos in der Karikatur
187
4
Analytische Karikaturen
201
5
Zur Wirksamkeit und zum aufklärerischen Potential von
Karikaturen
207
Anhang
221
Abbildungen
Abbildungsnachweise
Künstlerverzeichnis
Literaturverzeichnis
223
359
363
371
6
0
Einleitung: Der Mythos vom kritischen und aufklärerischen
„Wesen“ der Karikatur
Die Analyse von Karikaturen ist eine Domäne der KunsthistorikerInnen1, die sie
(entsprechend ihrer Disziplin) unter ästhetischen oder eben kunstgeschichtlichen
Gesichtspunkten begreifen und dabei eine Berücksichtigung der politischen
Bezüge weitgehend vermissen lassen, während Sozialwissenschaftler das
Potential der Karikaturen als Konkretisierung gesellschaftlicher und politischer
Symptome nur unzureichend erkennen. Der Mangel einer gesellschaftstheoretisch fundierten Untersuchung von Karikaturen wird deutlich. So wie die
Kunstgeschichte zuwenig Rücksicht auf die politischen Tendenzen nimmt, die
sich in der Karikatur ausdrücken, so ist die Politikwissenschaft zu wenig um den
Bereich des Künstlerischen bzw. Ikonischen bemüht. Auch hier tun sich Defizite
auf.
Durch ihr Vermögen, komplexe Sachverhalte „auf den Punkt“ zu bringen, kann
die Karikatur Tatbestände augenfällig darstellen und sie in prägnanter Weise
dem Betrachter nahebringen. Sie kann politische Hintergründe „klar“ machen
und damit Aufklärungsarbeit leisten. Dieses Potential hat ihr ein bestimmtes
Image eingebracht. In Publikationen wird die Karikatur zumeist als ein politisch
kritischer Ausdruck aufgefaßt, der Entlarvung betreibt und aufklärerische
Ambitionen hat. Diese Auffassung von der Karikatur durchzieht die
Fachliteratur wie ein roter Faden. Fast durchweg wird die Karikatur als Mittel
der Aufklärung begriffen, progressiv, gegen überholte Konventionen kämpfend,
stets bemüht, Mißstände zu benennen und ihre wahren Ursachen zu entlarven.
Die Tradierung einer solchen Vorstellung von der Karikatur bis in die
Gegenwart hinein läßt sich als Mythos bezeichnen. Die Karikatur wird
mythologisiert, wenn es als ihr „Wesens“-merkmal gilt, daß sie grundsätzlich
kritisch und unbestechlich ist. Die mythologisierte Karikatur wird in eine Sphäre
entrückt, die sie bar jeder Trivialität oder interessen- und machtpolitischen
Dependenz erscheinen läßt.2
1
2
Auf die Endung „Innen“ wird aufgrund der besseren Lesbarkeit des Textes im weiteren
verzichtet. Begriffe wie „Kunsthistoriker“ oder „Karikaturist“ etc. werden in dieser
Arbeit geschlechtsneutral verwandt.
Mythen dienen dazu, Abstrakta anschaulich zu machen und Mehrdeutiges zu
konkretisieren. Dies geschieht, indem das entsprechende Phänomen auf ein „Bild“ (der
anglikanische Terminus „Image“ ist treffender) festgelegt und die Vorstellungen so
zementiert werden.
7
Als Problemaufriß soll anhand einer Montage von Zitaten gezeigt werden, daß
in der Literatur die Losungen von der immer kompromißlosen, die Wahrheit ans
Licht bringenden Karikatur geradezu klassisch sind (zur Betonung des
subjektiven Charakters der jeweiligen Betrachtungsweise wird im folgenden
hauptsächlich mit Zitaten gearbeitet).
In dem Moment, in dem die Karikatur eine gewisse Aufmerksamkeit als
künstlerisches oder journalistisches Medium erhält, wird sie bereits verklärt. Seit
der Jahrhundertwende wird der Topos von der mutig für Wahrheit und
Fortschritt streitenden Karikatur kolportiert - so in einem Zeitungsartikel von
1908, in dem es heißt:
„Die Eigenschaften der Karikatur machen diese besonders wirkungsvoll in
den Händen einer energischen, nach vorwärts drängenden Opposition. [...]
Diese Voraussetzungen finden sich aber nur, wo um die Ideale der
Zukunft gerungen wird. Andererseits sind die Hauptmächte und Hauptbundesgenossen der Reaktion die festwurzelnden alten Vorurteile und die
überwundenen Begriffe, mit denen sie ihre historisch nicht mehr
gerechtfertigten Anschauungen und Vorrechte stützen und verteidigen die dankbarsten Objekte jeder tiefgreifenden Kritik. [...] Ebenso
folgerichtig ist freilich aus denselben Gründen, daß von den reaktionären
Parteien die Satire höchst selten zu einer schneidenden Waffe gemacht
worden ist.“3
Diese Vorstellung von der Karikatur wird ebenfalls deutlich, wenn der
Kunsthistoriker und spätere Bundespräsident THEODOR HEUSS in einem zwei
Jahre später erscheinenden Artikel von der Karikatur sagt, sie sei
„überwiegend radikal, demokratisch, teils antimonarchisch, teils
antiklerikal gefärbt. [...] Freilich nicht durchgehend, aber doch im Grundcharakter; denn dem Konservatismus fehlt seiner Natur nach die Stoßkraft
positiver Kritik.“4
Solche Meinungen zur Karikatur sind kein euphorisches Produkt des noch
jungen 20. Jahrhunderts. Auch ein halbes Jahrhundert später, nach den
Erfahrungen zweier Weltkriege mitsamt ihrer verheerenden Propaganda, ist das
3
4
8
Ohne Verfasserangabe: Die Karikatur. Ihr Wesen, ihre historische Rolle, ihr
internationaler Charakter. In: Vorwärts (Berlin) v. 26.11.1903.
Heuss, Theodor: Zur Ästhetik der Karikatur. In: Der Deutsche in seiner Karikatur. Hrsg.
v. Friedrich Bohne. Stuttgart 1963, S. 169-190 (im folgenden: Heuss 1910/1963); hier: S.
181. Heuss veröffentlichte diesen Aufsatz 1910 in: Patria. Bücher für Kultur und
Freiheit, Bd. 10. Hrsg. v. Friedrich Naumann. Berlin-Schöneberg 1910, S. 113-133. Ein
Neudruck erschien 1954 anläßlich seines siebzigsten Geburtstages, hrsg. v. d. Gesellschaft der Bibliophilen. Stuttgart 1954.
Positiv-Image der Karikatur weiterhin präsent. Gleichgültig, aus welcher Warte
die Karikatur betrachtet wird, ihr wird das Prädikat „kritisch“ verliehen. Aus
sozialistischer Sicht beschreibt J OACHIM UHLITZSCH 1953 in einem Aufsatz das
seiner Meinung nach Besondere der Karikatur:
„Sie ist nicht eine bloße humorvolle Zeichnung, die amüsieren will,
sondern sie ist eine furchtbare Waffe gegen alle antihumanistischen
Bestrebungen der reaktionären Kräfte der Gesellschaft. Das Lachen, das
sie hervorruft, leiht dem, der sich der Vergänglichkeit aller reaktionären
Mächte bewußt geworden ist, Kraft und Mut, wie sie andererseits den
Feind des Fortschrittes und der Menschlichkeit demaskiert, erschreckt und
lähmt.“5
So heißt es denn auch 1955 in einer in der DDR erscheinenden Monographie
über den polnisch-französischen, kommunistischen Karikaturisten LOUIS
MITELBERG, die Karikatur sei die „Kunst der Wachsamkeit“ und MITELBERG
„einer der Wachsamsten“ dieser Zunft, er sei ein „Röntgenologe, der seine
´Patienten´ gegen deren Willen vor dem Schirm der Wahrheit durchleuchtet“ 6.
Auch auf „demokratischer“ Seite stehen die Publizisten dieser Einschätzung in
nichts nach. GEORG RAMSEGER leitet sein 1955 verfaßtes Buch über Karikaturen
mit folgenden Worten ein:
„Der Karikaturist sitzt immer zwischen den Stühlen. [...] Der Karikaturist
ist ein Mann, der den Mut hat, es sich mit allen zu verderben. [...] Das
Verletzte ist es, das ihn auf die Barrikade jagt - die verletzte Scham, der
verletzte Anstand, die verletzte Unschuld, Wahrheit, Würde.“7
Hier wird ein Bild des Karikaturisten als Krieger der Wahrheit und Aufklärung,
als Anwalt der Unterdrückten entworfen. Laut RAMSEGER „rettet“ der
Karikaturist „das kritische Element in einem konformistischem Zeitalter“8
(womit er die Gegenwart meint). Der Karikaturist wird von ihm als politische
„Vorhut“ bezeichnet:
„Wenn der Karikaturist heute den Manager, den Funktionär, den
Lobbyisten, wenn er die Prototypen der Unterhaltungsindustrie, den
Produzenten, den Star, den Schlagerkomponisten, wenn er Vertreter eines
kommerziellen Parlamentarismus, den blind nur im Sinne der Interessen
5
6
7
8
Uhlitzsch, Joachim: Die Wirkung der realistischen Karikatur. In: Volkskunst, 1953, Nr.9,
S. 18-20; hier: S. 13.
Heynowski, Walter (Hrsg.): Louis Mitelberg. Das Vierte Reich. Berlin (DDR) 1955 (im
folgenden: Heynowski 1955), o. S.
Ramseger, Georg: Duell mit der Geschichte. Oldenburg/Hamburg 1955 (im folgenden:
Ramseger 1955), S. 2.
Ramseger 1955, S. 9.
9
funktionierenden Politiker, Kirchenmann oder Militär - wenn er allen
diesen noch verschwommenen, noch nicht fixierten, aber wirkenden
Gestalten ahnungsvoll Kontur gibt, dann erfüllt er die Aufgabe des
Propheten, des Kanzelredners, des Savonarola unserer Epoche.“9
Diese pathetischen Worte spiegeln die mythologisierte Auffassung von der
Karikatur. RAMSEGER schränkt allerdings ein, daß diese Leistung, dieser „hohe
Gipfel der prophetischen Anklage“ nur dann vom Karikaturisten erreicht wird,
wenn der aktuelle Anlaß in einer Form karikiert wird, die eine überzeitliche
Anklage darstellt.10 Von der Bestimmung des Karikaturisten besitzt RAMSEGER
eine hohe Meinung. Dies wird deutlich, wenn dessen Funktion benannt wird:
Der Karikaturist soll ein
„Sandstrahlgebläse gegen die verschmierten Fassaden der politischen
Lüge, Salzsäure für die plakatverklebten Fliesen der Propaganda, Dampfhammer gegen die Schweinsledertüren des Funktionär-Kalküls - und uns
allen der Bimssteinlieferant für die schmutzigen Hände [sein].“11
Auch in einem Karikaturen-Band, den RAMSEGER ein Jahr später herausgibt, ist
jener Tenor gegeben, und einmal mehr wird das schon bekannte Bild gezeichnet:
„Man ist gewohnt, Karikatur mit ´Zerrbild´ zu übersetzen. Man vergleicht
sie also gern mit den Scherzen des Lachkabinetts auf dem Jahrmarkt,
jenen gebogenen Spiegeln, in die die Wirklichkeit zwar hineinfällt, ohne
ihnen aber wieder zu entkommen. Gebogene Spiegel müssen lügen.
Karikatur lügt nie. Sie enthüllt. Die Karikatur ist ein Spiegel, in dessen
magischer Unendlichkeit der Putz und die Tünche aller Lügen
abgeschlagen werden, die Gesellschaft, Institutionen und Personen
erfanden. [...] In der Spiegelfläche der Karikatur vollzieht sich die
Entzerrung der Wirklichkeit. Keiner gibt sich, wie er ist. Jeder spielt seine
Rolle. Ja, wer weiß, wer er ist? Wer kann unterscheiden zwischen sich und
seinem Kostüm? In der Wirklichkeit finden die Verkleidungen statt, die
der Karikaturist gelassen abreißt und wegwirft, damit aus der Wirklichkeit
Wahrheit werde.“12
9
10
11
12
10
Ramseger 1955, S. 10.
Ramseger grenzt die tagespolitische Karikatur aus dieser Ehrung aus: „Wie er [der
Karikaturist - A.P.] sich in unser aller ungeschriebenen Auftrag der Bösen erwehrt, das
macht seinen Stil aus. Hier gibt es eine Art leichter Truppe, die das Tagesgeschehen
anfällt, die die Scharmützel liefert, die, im Dienste großer Zeitungen, das politische
Ereignis des Tages anbohrt und auf seinen Gehalt hin prüft. Was diese Vorausabteilung
der Karikatur in den Tageszeitungen leistet, ist das schnelle Gefecht, der kurze
Feuerstoß.“ Ramseger 1955, S. 11.
Ramseger 1955, S. 13.
Ramseger, Georg (Hrsg.): Ohne Putz und Tünche. Deutsche Karikaturisten und die
Kultur. Oldenburg/Hamburg 1956, S. 15.
Die Tradition bezüglich des moralischen Images von der Karikatur, die diese
Beispiele bereits zu erkennen geben, setzt sich ungebrochen fort. Auch in Zeiten
der politischen Protestbewegungen mit ihren Kämpfen gegen das Establishment
wird die Karikatur als progressives Element begriffen. WERNER KRÜGER, der
die Karikatur als Medium der politischen Bildung im Schulunterricht untersucht,
hält ihre Relevanz für den sozialkundlichen Unterricht schon deshalb für
gegeben, weil
„die politische Karikatur als spezifisches Medium in einem Fachgebiet
gelten muß, das sich ja vor allem der rationalen Aufklärung und dem
autonomen Denken verpflichtet weiß und deshalb ein Anschauungsmittel
bevorzugen muß, bei dem kritische Distanz und Aktivierung intellektueller Fähigkeiten als Wirkungsfaktoren schon implizite vorausgesetzt
werden dürfen.“13
Der Unterricht, der sich die Erziehung zum politisch kritischen Menschen zur
Aufgabe gestellt hat, soll also von der Karikatur, die sich ihrerseits
„Aufklärung“ und „autonomes Denken“ auf die Fahnen geschrieben hat, zehren.
In dem Anspruch, den die Karikatur schon bei der Rezeption an die
intellektuelle Beteiligung des Betrachters stellt, sieht KRÜGER die Einschätzung
der Karikatur als Mittel der Aufklärung und des kritischen Denkens bestätigt.
Die Karikatur in ihrer Reduktion erfordere vom Betrachter bereits im
Augenblick der optischen Wahrnehmung eine Ergänzung und Deutung der
Darstellung und insofern eine aktive intellektuelle Mitarbeit. Damit siedelt er die
Karikatur in einer mentalen Sphäre an, die sie als Moment des Intellekts, der
Reflexion und der Progressivität auszeichnet.14
Als demokratisches Informationsmittel wird die Karikatur von LUTZ RÖSSNER
dargestellt. In seinem 1971 herausgegebenen Buch, das als Anleitung für die
Verwendung von Karikaturen im Unterricht gedacht ist, behauptet er:
„so kann eine vielseitige Konfrontation mit verschiedenen, insbesondere
auch in ihrer Aussage gegensätzlichen Karikaturen das Informiertsein
fördern, das Wissen erhöhen und somit die Findung eines selbstbestimmten Urteils, Standorts erleichtern. [...] Im Hinblick auf eine
vielseitige Information bzw. insbesondere auf die Findung eines
selbstbestimmten Urteils gegenüber gesellschaftlich-politischen Problemen, Standorten und Personen (Repräsentanten) hat die Karikatur
13
14
Krüger, Werner: Karikatur als Medium der politischen Bildung. Opladen 1969 (im
folgenden: Krüger 1969), S. 25.
Vgl.: Krüger 1969, S. 25.
11
einen weiteren wichtigen Vorzug: Sie verhindert blinde Autoritätsgläubigkeit.“15
Hier ist also wieder eine verklärte Vorstellung von Demokratie gegeben und
eine nicht minder verklärte Vorstellung davon, was die Karikatur zu leisten
imstande ist. Zwar verweist RÖSSNER selbst auf den Ausspruch des Schriftstellers und Philosophen LUDWIG MARCUSE: „Der Glaube an das Gedruckte ist
seit Gutenberg einer der mächtigsten Aberglauben der Welt“.16 Doch dies macht
ihn nicht skeptisch gegenüber der Karikatur, sondern er legt ihre Funktion
jenseits aller Manipulation auf Aufklärung fest, indem er noch einmal betont,
die Karikatur stehe kritisch Autoritäten gegenüber, denn sie habe eine
kathartische Kraft,
„die uns freisetzt aus der Unterordnung unter das Erhabene. Die Karikatur
führt insbesondere die ´Großen´ des öffentlichen Lebens, die nur allzuleicht ein Meinungsbildungs-Monopol kraft Amts erlangen, auf ihre
´Gewöhnlichkeit´ zurück, auf ihre Normalität, und so wird auch der
normale Umgang mit ihnen erleichtert; die Karikatur kann uns an der
gehorsamen Unterwerfung hindern!“17
Allen Theorien über Manipulation durch die Medien (und dazu gehören auch die
Karikaturen) zum Trotz gilt hier die Karikatur als Garant einer freien und
selbstbestimmten Meinungs- und Urteilsbildung; „sie mindert Fremdbestimmung und erhöht somit Selbstbestimmung“18.
Auch BERND BORNEMANN klassifiziert in einem Katalogtext von 1972 die
Karikatur als Element der Aufklärung und als demokratisch, indem er sie als
„ein unentbehrliches demokratisches Regulativ“19 bezeichnet:
„Die Karikatur ist insofern eine wahre demokratische Kunstform, als sie
a) die Anliegen des Volkes gegen seine Unterdrücker wahrnimmt (Gillray,
Daumier, Grosz, Heartfield usw.), b) in billigen und jedermann
zugänglichen Publikationsorganen erscheint. Die letzte Bedingung ist
heute, dank allgemein zugänglichen Medien, mehr denn je gegeben.“20
15
16
17
18
19
20
12
Rössner, Lutz: Karikaturen zu Politik und Zeitgeschichte. Frankfurt 1971 (im folgenden:
Rössner 1971), S. 43.
Marcuse, Ludwig: Mein 20. Jahrhundert. München 1960, S. 89. Zitiert nach: Rössner
1971, S. 43.
Rössner 1971, S. 49.
Rössner 1971, S. 49.
Bornemann, Bernd: Theorie der Karikatur. In: Karikaturen - Karikaturen? Kunsthaus
Zürich 1972, S. 5-23 (im folgenden: Bornemann 1972); hier: S. 8.
Bornemann 1972, S. 8. Gleichzeitig wägt er aber ihr aktuelles demokratisierendes Moment ab. Die Karikatur spiele diesbezüglich „nur mehr eine bescheidene Rolle“, da die
Als Zeichner, die politisch etwas bewirken wollen und sich als Mittler der
Aufklärung verstehen, stellt KLAUS VÖLKER in einem Artikel von 1975 die
Karikaturisten aus der linken Szene dar:
„Rainer Hachfeld, Walter Kurowski, Arno Ploog, Clodwig Poth, Stefan
Siegert, Ernst Volland und Guido Zingerl [...] vermitteln [..] wieder einen
Begriff von politischer Karikatur, der mehr und anderes beinhaltet, als nur
prominente Politiker zu zeichnen. Gesellschaftliche Verhältnisse und
Prozesse durchschaubar zu machen und die Wahrheit ins Bild zu bringen,
betrachten diese Künstler als ihre Aufgabe. Außer auf den Lacherfolg
hoffen sie auch auf den Lernerfolg ihrer Arbeiten.“21
HERBERT UPPENDAHL äußert sich zur Funktion der Karikatur eher
einschränkend. Schließlich habe die nationalsozialistische Karikatur gezeigt, daß
sie sehr wohl Instrument einer menschenverachtenden Politik sein könne.
Solcherlei reaktionäre Tendenzen in der Karikatur seien allerdings marginal im
Vergleich zum Gros der Karikaturen, das denn doch als progressiv einzustufen
sei:
„Gleichwohl gilt es, der ethischen Didaxis der politischen Karikatur
Rechnung zu tragen, wie sie etwa auch von Ifland nachhaltig vertreten
worden ist. Jeder Karikaturist - so Ifland - sei vor allem daran interessiert,
´die Welt zu verbessern´, und das selbst dann, wenn er dieses Ziel offiziell
negiere. Die Negation ändere nichts an der unterschwelligen Intention.“ 22
INGRID und GÜNTER OESTERLE bewerten in einem Text von 1980 die Absicht,
die der Karikaturist verfolgt, als grundsätzlich aufklärerisch. Sie sehen die
Karikatur im „Bündnis mit der Wahrheit“23 die Wirklichkeit entschleiernd.
Auch in unserem Jahrzehnt lebt diese Vorstellung von der Karikatur weiter. Um
einige Positionen anzuführen sei beispielsweise auf WOLFGANG MARIENFELD
verwiesen, der in seinem Buch von 1991 in der Karikatur mehr als nur eine
21
22
23
heutigen, sich gegen das Establishment auflehnenden, den Klassenkampf weiter
tragenden Karikaturisten nicht (mehr) dem Volk aus der Seele sprechen.
Völker, Klaus: Die Wirklichkeit ist oft die größere Übertreibung. In: Frankfurter Rundschau, 1975, Nr. 182 (im folgenden: Völker 1975), Feuilleton S. III.
Uppendahl, Herbert (Hrsg.): Die Karikatur im historisch-politischen Unterricht.
Freiburg/Würzburg 1978 (im folgenden: Uppendahl 1978), S. 10.
Oesterle, Günter / Oesterle, Ingrid: Gegenfüßler des Ideals - Prozessgestalt der Kunst Mémoire processive der Geschichte. Zur ästhetischen Fragwürdigkeit von Karikatur seit
dem 13. Jahrhundert. In: Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und
äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979.
Gießen 1980, S. 1980, S. 90 (im folgenden: Oesterle 1980).
13
„witzige Illustration zum Geschehen“24 erkennt. In seiner Definition kommt (wie
in der Fachliteratur überhaupt) der aufklärerische Anspruch zum Ausdruck:
„Sie [die Karikatur] möchte die Sachverhalte entwirren, ihres Rankenwerks entkleiden, auf den entscheidenden Punkt hin durchleuchten, die
verborgene Wahrheit aufdecken, den Widerspruch zwischen Schein und
Sein bloßlegen.“25
Ähnlich liest sich die im selben Jahr geäußerte Auffassung HERWIG
GURATZSCHs von der Karikatur:
„Der Künstler [= der Karikaturist - A.P.] tritt mit dem Anspruch auf, uns
hinter die Dinge blicken zu lassen. Seine Pose ist die des Philosophen und
Querulanten: er kennt die Wahrheit sehr wohl und scheut sich nicht, sie
bekannt zu machen; die des Pathologen und Spielverderbers: er legt die
geheimen Übel, Geschwülste, Verspannungen des Zeitgeistes bloß, ohne
den Patienten wieder zuzunähen; die des Hofnarren, Possenreißers,
Seiltänzers: er leistet sich die derbsten Späße und halsbrecherischsten
Verknüpfungen - und kann dennoch mit Toleranz rechnen.“26
Anfügen läßt sich die Einschätzung von WALTER KOSCHATZKY, der die
Karikatur in einem Katalogtext von 1992 betrachtet als
„Auflehnung gegen Macht und Waffe gegen Überwältigung zunächst
einmal, dann als Aufschrei gegen Unmenschlichkeit, erschütternde
Ohnmacht, Anklage von Schein und Trug; bald geht es darum, den Verfall
der Sitten und Unmoral offenzulegen, dann die Winkelzüge der Politik zu
demaskieren, soziales Elend anzuprangern, aber nicht minder Dünkel und
Dummheit bloßzustellen, die Torheit bornierter Menschen und deren
Mißgeschicke schonungslos dem Gelächter preiszugeben.“27
Auch der Nachrichtenredakteur REINER LATSCH und der Karikaturist GERHARD
MESTER stimmen in ihrer Einleitung zu einem 1993 erschienenen Band über
Karikaturen in den Tenor ein:
„Karikatur übertreibt, verformt, verzerrt, verspottet, ist aber ehrlich:
Karikatur kritisiert die Wirklichkeit [...] Die Sicht ist immer die von unten
24
25
26
27
14
Marienfeld, Wolfgang: Die Geschichte des Deutschlandproblems im Spiegel der
politischen Karikatur. Hrsg. v. d. Niedersächsischen Landeszentrale für politische
Bildung. Hannover/Bonn 1991 (im folgenden: Marienfeld 1991), S. 2.
Marienfeld 1991, S. 2.
Guratzsch, Herwig: Vorwort. In: Karikaturen der Gegenwart. Europäische Künstler.
Hrsg. v. Herwig Guratzsch. Wilhelm-Busch-Museum Hannover v. Nov. 1991 - März
1992. Stuttgart 1991, S. 9-15 (im folgenden: Guratzsch 1991); hier: S. 14.
Koschatzky, Walter: Die Kunst der Karikatur. In: Karikatur und Satire. Fünf Jahrhunderte
Zeitkritik. Hrsg. v. Walter Koschatzky. Kunsthalle der Hypo-Stiftung München v.
5.6.1992-13.10.1992. München 1992, S. 11-27 (im folgenden: Koschatzky 1992); hier: S.
16.
nach oben, nur so entfaltet Karikatur ihre Wirkung. [...] Satire findet sich
immer auf der Seite der Machtlosen; Bild als Waffe ist ein Kampfmittel
der Schwachen gegen die Übermächtigen.“28
Die Vorstellung von einer selbstverständlichen „ideological correctness“, wie
man den Topos von der „höheren“ Werten fröhnenden Karikatur nennen könnte,
liest man allenthalben in der Literatur. So spricht erst jüngst W ALTHER KEIM
von der Karikatur als freiheitlichen Idealen verpflichtetes Medium:
„Karikatur will bloßstellen, verzerren, auch verletzen, aber es fließt kein
Blut wie bei den Kampfbildern im Dritten Reich. Karikaturen sind immer
auf der Seite der Freiheit.“29
Beispiele für solche Auffassungen von der Karikatur, wie sie hier
wiedergegeben sind, ließen sich noch beliebig nennen. Durchweg wird bei
sämtlichen Stimmen eine Meinung von der Karikatur deutlich, die auf die
Gleichung Karikatur = Aufklärung zu reduzieren ist. Eine propagandistisch
mißbrauchte oder reaktionäre oder opportunistische Karikatur wird in der
Literatur zumeist ausgeklammert. Hin und wieder werden solche Tendenzen in
der Karikatur von den Autoren abgewogen.
Um eine Relativierung des progressiven Moments, das der Karikatur unterstellt
wird, bemüht sich ERNST H. GOMBRICH:
„Die Waffen, die ihr Arsenal enthält, können für das Gute wie für das
Böse eingesetzt werden. Der Karikaturist kann die Welt mythologisieren,
oder er kann versuchen, gefährliche Illusionen unschädlich zu machen. Er
kann gedankenlos Phrasen so groß aufblasen, daß sie zur Wirklichkeit
28
29
Latsch, Reiner / Mester, Gerhard (Hrsg.): Brüder zur Sonne, zur Freiheit. Karikaturen
über soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Köln 1993 (im folgenden: Latsch / Mester
1993), S. 2. Die beiden Autoren überdenken das Image, in dessen Fahrwasser sie hier
noch schwimmen, an anderer Stelle selbst: „Heute ist Karikatur anerkannt, zunehmend
auch vereinnahmt. Selbst Birnen werden vom demokratischen Hofstaat in Bonn
gesammelt und nicht mehr verboten. Minister laden die Zeichner zum kalten Büffet,
Versicherungen sponsern Cartoonbände - wieder ist es schick. Die Bilderflut verdrängt
den Text und Tiefgang, Witz statt Wahrheit gilt als Qualitätsmerkmal. Und dennoch,
solange Karikatur die Mißstände immer noch beim Namen nennt, solange die politische
Zeichnung nicht zur bloßen Unterhaltung verkommt, so lange bleibt Karikatur im
demokratischen Willensbildungsprozeß hilfreich und notwendig - als Mahnung und Anklage zugleich.“ Latsch / Mester 1993, S. 3.
Keim, Walther in einem Interview mit Bernd Müllender. In: die tageszeitung v.
12.4.1996, S. 13.
15
werden, oder er kann sie zum Platzen bringen, indem er ihre hohle
Rhetorik der nackten Wirklichkeit gegenüberstellt.“30
Der Karikaturist ARNO PLOOG stellt 1972 in einem Interview mit der Zeitschrift
„tendenzen“ die Forderung auf, der progressive Karikaturist dürfe nicht Vorurteile bestätigen, wie das oft in „reaktionären“ Zeitungen der Fall sei, wo mit
Pauschalurteilen gearbeitet werde, die auch in der Karikatur vorhanden seien. Im
Gegensatz zu dem bequemen Verfahren, mittels Bestätigung vorhandener
Vorurteile die „Lacher zu erzielen“, soll die progressive Karikatur Aufklärung
betreiben, indem sie Vorurteile gerade abbaut. Hierin sieht PLOOG den
qualitativen Unterschied zwischen „progressiver“ und „reaktionärer“
Karikatur.31
Die Funktion der Karikatur macht FRANZ W. SEIDLER in seiner 1982
erschienenen Monographie von dem Herrschaftssystem abhängig, in dem sie
wirkt. In totalitären Systemen sei die Karikatur ein „propagandistischer oder
ideologischer Knüppel, direkter, einfallsloser und witzloser als in Demokratien“32, wo sie ein oppositionelles Mittel sei. Auch hier wird die Karikatur
also als demokratisches Regulativ gesehen. Die gesellschaftliche Funktion, die
der Karikatur damit innewohnt, führt zu Ansprüchen an den Karikaturisten. Er
muß in der Lage sein, die politischen Vorgänge kritisch und analytisch zu
betrachten. Diese Fähigkeit wird ihm von SEIDLER zugestanden:
„Satirikern und Karikaturisten fällt es schwer, die Gegenwart zu bejahen.
Sie haben einen Blick für die negativen Seiten der historischgesellschaftlichen Entwicklung. Die positiven Ansätze werden ignoriert.
Ihnen kommt es auf die Schwachstellen und Angriffspunkte an. Die
Unzufriedenheit der Karikaturisten mit der Welt, in der sie leben, macht
sie hellsichtig und missionarisch. Sie lehnen es ab, die Dinge objektiv zu
sehen. Ihr Streben gilt einer besseren Welt.“33
30
31
32
33
16
Gombrich, Ernst H.: Das Arsenal der Karikaturisten. Vortrag an der Duke University,
North Carolina, 1962; gleichzeitig Beitrag zum Ausstellungskatalog „Bild als Waffe“.
Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm-Busch-Museum
Hannover v. 2.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch
/ Ch. Schölzl. München 1984, S. 384-401 (im folgenden: Gombrich 1962/1984); hier: S.
401.
Vgl.: Ploog, Arno in einem Interview mit der Zeitschrift „tendenzen“. In: tendenzen, Jg.
13, 1972, Nr. 83, S. 23.
Seidler, Franz W.: Das Militär in der Karikatur. München 1982 (im folgenden: Seidler
1982), S. 2.
Seidler 1982, S. 10.
Aus der positiven Intention wird bei SEIDLER eine politische Kraft. Die
Karikatur sei nicht nur „Orchesterbegleitung zum Stück auf der Weltbühne“,
wie HEUSS sie genannt hat, sondern sie agiere selbst auf diesen Brettern und
nehme „Anteil am Kampf“. 34
In bezug auf Karikaturen aus totalitären Staaten wird der aufklärerische
Anspruch der Karikatur also relativiert. So wird darauf hingewiesen, daß die
Nationalsozialisten die Möglichkeiten der Karikatur auszunutzen wußten. Dieses
Abwägen gilt jedoch nicht für die Karikatur in Demokratien. Im „Lexikon der
Kunst“ wird die Karikatur „hauptsächlich“ kritisch eingestellt genannt35, was
immerhin eine Einschränkung ist, doch wenige Zeilen tiefer lesen wir, wo diese
Relativierung angesetzt wird, nämlich wieder bei den nationalsozialistischen
Karikaturen. Die nationalsozialistische Karikatur wird in der Literatur immer
wieder wie ein „Ausrutscher“ behandelt. FRANZ SCHNEIDER beispielsweise
beschreibt in seinem Buch von 1988 die Verwertung der Karikatur im Dritten
Reich:
„Denn der Nationalsozialismus hatte sehr wohl die Chance erkannt,
welche die Karikatur im Dienste der Propaganda bot: ´Die Karikatur geht
ihrem Wesen nach auf groteske, ironische und manchmal auch zynische
Wirkungen aus. Sie regen mehr das Lach- als das Denkvermögen an, und
wer die Lacher auf seiner Seite hat, hat bekanntlich immer recht.´ Joseph
Goebbels hat dies geschrieben. Als Ziel der Propagandastrategie entpuppte sich, den Gegner lächerlich zu machen, um ihn durch
Lächerlichkeit zu vernichten.“36
Doch das von SCHNEIDER konstatierte Prinzip, daß die Karikatur den Rezipienten zu einer „Denkleistung“ anregt und somit an den Verstand gerichtet ist
und wahre Sachverhalte entschleiert, ist von dieser Feststellung nicht berührt,
denn solcherlei propagandistische Instrumentalisierung der Karikatur, wie der
Nationalsozialismus sie betrieb, sei eine Pervertierung der Karikatur. Eine
solche In-Dienst-Nahme der Karikatur als Waffe „entfremde“ die Karikatur
ihrer selbst. „In die Gefahr solcher Entfremdung gerät die bloße Freude an der
Erniedrigung des Gegners als Ausdruck des Hasses.“37 In diesen Fällen kann sie
34
35
36
37
Seidler 1982, S. 21.
„Die Karikatur ist eine militante, eine hauptsächlich kritisch eingestellte Kunstgattung.“
Lexikon der Kunst, Bd. III. Leipzig 1991. Hrsg. v. Harald Olbrich (im folgenden:
Lexikon der Kunst 1991), S. 649.
Schneider, Franz: Die politische Karikatur. München 1988 (im folgenden: Schneider
1988), S. 30. Zitat Joseph Goebbels: Kampf um Berlin. München 1939 (16./12. Aufl.), S.
201.
Schneider 1988, S. 32.
17
den Anspruch auf Aufklärung oder „Denkleistung“ nicht erfüllen, dann handelt
es sich aber nach Meinung SCHNEIDERs auch nicht mehr um Karikaturen:
„Und vor allem ist die Karikatur ihrem Ursprung nach ´Geist´. Imitative
Gedankenlosigkeit und Scheuklappenintelligenz können sich zwar formal
karikaturistischer Mittel bedienen. Karikatur im Sinne eines
Qualitätsbegriffs ist damit aber nicht erreicht.“38
Hier wird offensichtlich, daß unterschieden wird zwischen der „wahren“
Karikatur, die aufklärerische Qualitäten besitzt, und jenen Karikaturen, die
instrumentalisiert werden für propagandistische Zwecke. Letztere zählt
SCHNEIDER nicht als Karikaturen, sondern eher als Unfälle. „Generell“ gelte für
die Karikatur: „das Wesen der Karikatur wird nicht nur durch formale Kriterien
oder Sachinhalte bestimmt, sondern auch durch das moralische Kriterium der
Wahrung der Menschenwürde.“39
Doch es gibt auch Skepsis an der oben genannten Gleichung Karikatur =
Aufklärung. So ist beispielsweise in MICHEL RAGONs Buch „Witz und Karikatur
in Frankreich“ (1961) zu lesen:
„Wenn die Karikatur auch mitunter eine großmütige und gerechtigkeitsliebende Gesinnung zeigt (wie bei Daumier), oder, noch
seltener, erzieherisch wirkt, so ist sie doch leicht geneigt, sich genauso
rückständig zu gebärden wie das Publikum, dem sie schmeicheln will.“40
RAGON zählt Beispiele für eine reaktionäre Karikatur auf. Mit „seltener Ausdauer“ sei in der Karikatur sowohl über technische als auch politische
Innovationen gelästert worden:
„über die Eisenbahn, die Telegraphie, die asphaltierten Straßen, das
Fahrrad, die Emanzipation der Frauen, das Auto usw. Cham griff erbittert
den Impressionismus an. Die Wochenzeitschrift Punch forderte zur
Unterdrückung Indiens auf und nahm Partei gegen Turner und Hume.
Chauvinismus und Karikatur scheinen erklärte Bündnispartner zu sein.
Und der Antisemitismus? Angefangen bei mittelalterlichen Skulpturen
und Stichen, wo Jude, Wucherer und Schwein ein und dasselbe
verkörpern, bis zu den Beiträgen bekannter Zeichner wie Steinlen, Forain
und Caran d´Ache zur Affäre Dreyfus: nicht nur der Chauvinismus,
sondern auch der Antisemitismus scheint für die Gesinnung vieler
Karikaturisten bezeichnend zu sein.“41
38
39
40
41
18
Schneider 1988, S. 132.
Schneider 1988, S. 32.
Ragon, Michel: Witz und Karikatur in Frankreich. Hamburg 1961 (frz. Erstausgabe:
1960, im folgenden: Ragon 1960/1961), S. 12.
Ragon 1960/1961, S. 12.
Ebenfalls UWE TIMM hält es in einem 1972 verfaßten Artikel für voreilig,
Karikaturen an sich als aufklärerisch und emanzipativ auszugeben. Dieses Image
sieht er in Nazi-Witzen über Juden und den „Iwan“ revidiert: „Die Karikatur ist
also keineswegs eine zeichnerische Form, die notwendig entlarvt, sondern sie
kann sehr wohl auch verdecken und verschleiern.“42 Diese Gefahr sieht
schließlich auch VÖLKER:
„Solange die Karikatur ihre aufklärerische, wider den Stachel löckende
Funktion erfüllt, sind ihr alle Mittel erlaubt, darf sie auch plump und
unfein sein. Karikatur kann aber auch zur unlauteren Gegenpropaganda
ausarten und der Sache des Unrechts, der Niedertracht und Feigheit
dienen. In diesem Fall verschleiert sie die Wahrheit, appelliert sie an
bestehende Vorurteile und macht mit den Herrschenden gemein.“43
WILLEM LANGEVELD beargwöhnt ebenfalls die ideologische Lauterkeit manch
eines Karikaturisten und kritisiert, daß dem zuwenig Aufmerksamkeit
entgegengebracht wird. Auch er konstatiert, daß allgemein der Glaube herrscht,
die Karikaturisten würden progressive oder humanistische Positionen beziehen.
Als Gegenbeispiel nennt er einen der bedeutendsten englischen Karikaturisten
des 19. Jahrhunderts, JAMES GILLRAY (1757-1815), der die Seiten wechselte und
von den Whigs zu den Torys überging und zwar aus ökonomischen Gründen,
denn er wurde finanziell unterstützt von der Regierung. Wirtschaftliche
Motivationen macht er auch bei dem deutsch-norwegischen Zeichner des
Simplicissimus, THOMAS THEODOR HEINE (1867-1948), aus, der (wie auch
andere Verleger deutscher Satiremagazine) sich zu Beginn des Ersten
Weltkriegs völlig von ihren vorherigen politischen Standpunkten ab- und dem
Nationalismus zuwenden. LANGEVELD unterstellt, daß, wenn Karikaturisten eine
mehr oder weniger feste Anstellung bei einer Zeitung haben, sie dann auch dem
Verlagshaus oder dem Chefredakteur Konzessionen machen müssen. Insofern
ist das vermeintliche Freidenkertum der Karikaturisten durchaus gebunden. Die
Karikatur schwebt keineswegs über den Dingen.44
Einige Beispiele von Karikaturen, in denen längst gewonnene Schlachten
geschlagen werden, zählt MATHIAS SCHREIBER auf. So werden Personen
42
43
44
Timm, Uwe: Die politische Karikatur. In: tendenzen-Sonderheft, 1972, S. 11-20 (im
folgenden: Timm 1972); hier: S. 11.
Völker 1975, o.S.
Vgl.: Langeveld, Willem: Political Cartoons as a Medium of Political Communication.
In: International Journal of Political Education, 1981, Nr. 4, S. 343-371 (im folgenden:
Langeveld 1981); hier: S. 355.
19
diffamiert, die bereits politisch erledigt sind.45 Insofern ist der Karikaturist hier
nicht Aufklärer, er rüttelt nicht die Öffentlichkeit wach, sondern er wird erst in
dem Moment einem Mächtigen gegenüber kämpferisch, wenn dieser schon
seiner Macht oder Stellung entledigt ist. Der Karikaturist riskiert also nichts.
SCHREIBER kommentiert diese Fälle: „Im Kampf der Streitbilder haben die
Karikaturisten den Mächtigen häufiger gehuldigt als widerstanden.“46 Trotzdem
sagt er: „Der Ruhm der unbequemen, aufsässigen Karikatur ist dennoch
gerechtfertigt“47
Kritischer zum Image, das die Karikatur genießt, äußert sich MICHAEL KLANT:
„Wohlbemerkt sind Bildsatiren nicht a priori fortschrittlich. [...] Noch
immer wird die formal progressive Funktion der Karikatur in ihrer
Geschichtsschreibung überbetont, obwohl sie auch von der konservativen
und reaktionären Gegenseite benutzt wird.“48
Auch MICHAELA VEITH schlägt vor, die Karikatur mit mehr Vorsicht zu
betrachten:
„Wichtig scheint es mir festzuhalten, daß die Kritik, die also der
politischen Karikatur als Wesensmerkmal innewohnt, nicht mit einem
ewig progressiven Standpunkt verwechselt wird. Der Karikaturist nimmt
durch seine politische Karikatur Stellung, doch wo er diese bezieht, ist
seine Angelegenheit (möglicherweise auch die seines Auftraggebers).“49
HANNES HAAS, der die Karikaturen der Satirezeitschrift Kikeriki der 20er und
30er Jahre auf ihren Antisemitismus hin untersucht, bemerkt ebenfalls, daß die
Karikaturen häufig nicht von der Fähigkeit zur kritischen Analyse zeugen:
„Satire und Karikatur sind im Positiven wie im Negativen der ideale Ort
für Stereotypenbildung, der Reduktion komplexer Wirklichkeiten auf
45
46
47
48
49
20
Z.B. eine Karikatur von 1871, in der der Vetter Napoleons III. verhöhnt wird, zu einem
Zeitpunkt, als sein mächtiger Cousin schon gestürzt war und selbst in den Karikaturen
„verrissen“ wurde; oder eine Karikatur von 1899, die Emile Zola angreift aufgrund seiner
Verteidigung des jüdischen Offiziers Dreyfus, während dieser bereits wegen
Verleumdung verurteilt war.
Schreiber, Mathias: Das allzu menschliche Tier. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr.
252 v. 29.10.1983 (im folgenden: Schreiber 1983).
Schreiber 1983.
Klant, Michael (Hrsg.): Universität in der Karikatur. Hannover 1984 (im folgenden:
Klant 1984), S. 9.
Veith, Michaela: Journalismus in schwarz-weiß. Untersuchung des journalistischen Arbeitsalltags der Karikaturisten in der Tagespresse. (Diplomarbeit im Fachbereich
Journalistik, Universität Dortmund). 1986 (im folgenden: Veith 1986), S. 46.
einige wenige, immer wiederkehrende Symbole, Signalbotschaften, redundante Merkmale, Accessoires und Ambientes.“50
Konsequenterweise empfiehlt MICHAEL RINGL einen regelmäßigen Wettbewerb
um die „dümmste Karikatur des Jahres“. In einer fiktiven Preisverleihung für
1996 „würdigt“ er WALTER HANEL als Karikaturisten, der „in beeindruckender
Weise bewiesen [hat], daß jemand, der aber auch nicht die geringste Spur einer
Ahnung von den Dingen des Lebens hat, sich zum Hausmeister seines Fachs
hochdienen kann“51. Der Autor des ironischen Artikels prangert einen plakativen
Umgang mit Allegorien und das Aufgreifen von Phrasen an, die eine
tatsächliche politische Analyse vermissen lassen.
Als Essenz der gegebenen Darstellung von Fiktionen über die Karikatur
kristallisiert sich die Dominanz eines positiven Bildes heraus. Diese allgemein
herrschende Vorstellung des prinzipiell kritischen Phänomens „Karikatur“ wird
in der vorliegenden Arbeit einer kritischen Betrachtung unterzogen, verbunden
mit der Frage, ob die Karikatur diesem Image, das ihr gemeinhin nachgesagt
wird, gerecht wird. In Karikaturen sind psychische Dispositionen der
Gesellschaft fixiert. Begreift man die „Bilder“ in Karikaturen als visuelle
Knotenpunkte im Netz der Wahrnehmung und Kommunikation, so wird
deutlich, daß sie nicht in erster Linie Ausdruck einer subjektiven Meinung sind,
sondern Spiegel kollektiver Vorstellungen.
Zwar werden einzelne, historisch eng eingegrenzte Erscheinungsformen der
Karikatur kritisch behandelt. Vor allem über Karikaturen des III. Reiches ist
einiges geschrieben worden, was konkret auf die ideologische Verwendbarkeit
der Karikatur verweist. Auch kommunistische Karikaturen hat man unter diesem
Gesichtspunkt gesehen. So gibt es etliche Werke, die sich mit Karikaturen im
Ersten und Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen, weil sie monokausal Vehikel
für Vorurteile und Feindbilder sind. Doch gilt dieser differenzierte Blick nicht
für die Karikatur im allgemeinen. Die Forschung beschäftigt sich nur in solchen
Fällen mit der Karikatur als Ideologie-Träger, in denen ihre Instrumentalisierung
für totalitäre Zwecke ganz offensichtlich ist, und dann verweist man sie in den
50
51
Haas, Hannes: Die Publizistik des Vorurteils. Antisemitismus in Karikatur und Satire am
Beispiel des „Kikeriki“. In: Medien und Zeit, Jg. 3, 1988, H. 3, S. 3-7 (im folgenden:
Haas 1988); hier: S 3.
Ringel, Michael: Schon jetzt gewählt: Die dümmste Karikatur des Jahres. In: die
tageszeitung v. 26.11.1996, S. 20.
21
Bereich der Propaganda und schließt sie somit aus dem Gegenstandsbereich der
Karikatur aus. Indem derartige Karikaturen wie ein „Unfall“ in der Geschichte
des „von Natur aus“ kritischen und aufklärerischen Mediums gehandelt werden,
unterscheidet man zwischen Propaganda und Karikaturen. Die (mehr oder
weniger) wissenschaftlich orientierten Publikationen sind dementsprechend der
Karikatur gegenüber eher unkritisch.
„Es gibt eine Fülle von Arbeiten über künstlerisch und politisch
erfolgreiche Satiriker und Karikaturisten, die Geschichte des Versagens
dieser Genres und seiner moralischen Schuld ist noch nicht
geschrieben.“52
In bezug auf anti-aufklärerische Tendenzen in der Karikatur ist die Forschung
zumeist blind. In der Literatur wird weitgehend ignoriert, daß die Karikatur
nicht immer nur Hintergründe offenlegt und zur (Auf-)Klärung eines politischen
Sachverhalts beitragen will, sondern sehr schnell auch Agitation betreibt und
unter Zuhilfenahme psychologischer Mittel lediglich an Emotionen rührt, statt
an den Verstand. In diesen Fällen leistet die Karikatur einer verkürzten,
irrationalen Sicht der tatsächlich komplexen Wirklichkeit Vorschub.
Um diesem Aspekt gerecht zu werden, soll hier das „Versagen“ der politischen
Karikatur - gemessen an den hohen Vorschußlorbeeren, die ihr zuteil werden thematisiert werden. Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, Karikaturen
unter einer veränderten Perspektive zu betrachten. Dabei soll insbesondere die
Korrelation zwischen Karikaturen und Stereotypen bzw. Feindbildern dargelegt
werden, um die tatsächliche politische Bedeutung von Karikaturen zu
betrachten.
Karikaturen arbeiten immer mit Typisierungen bzw. Stereotypen und Klischees
und damit mit Verallgemeinerungen, die eine Reduktion der tatsächlichen
Vielschichtigkeit sind. Gerade wenn diese Methode des Karikierens näher
betrachtet wird, müßte offensichtlich werden, daß die Karikatur mitnichten das
ist, als was sie immer gesehen wird, nämlich ein Moment der Enthüllung der
Wahrheit, eine Pionierin der Aufklärung. Eine drastische Form von
Typisierungen und Stereotypisierungen sind Feindbilder. Die Geschichte der
politischen Karikatur ist gleichzeitig eine Geschichte von Feindbildern in
Karikaturen, denn in dem Moment, in dem die Karikatur als politisches
Ausdrucks- und Kampfmittel benutzt wird, fungiert sie als Austragungsort
politischer Gegnerschaften. Somit ist kontinuierlich eine Verknüpfung von
52
22
Haas 1988, S. 3.
Karikatur und Feindbildern gegeben. Es bedarf theoretischer Einschübe aus der
Feindbildforschung, um die politische Dimension von solchen Karikaturen, die
Vorurteile und Feindbilder aufgreifen und verstärken, erfassen zu können.
Die Fachliteratur widmet sich nur marginal der Manifestation von Klischees und
Feindbildern in Karikaturen. Die Autoren, die sich unter diesem Aspekt der
Karikaturen annehmen, kommen aber nicht aus der kunstgeschichtlichen
Disziplin, sondern haben zumeist ein historisches, psychologisches oder
politologisches Interesse, so daß den nicht-kunsthistorischen Analysen
ikonologische Gesichtspunkte fehlen. Eine fundierte Berücksichtigung der
Bedeutung von Stereotypen und Feindbildern in Karikaturen, die diesem
Gegenstand auf kunsthistorischer und politologischer Ebene gerecht wird, fehlt
bislang. Entsprechend mündet diese Arbeit in eine Analyse der Motive bzw. der
Archetypen in Feindbild-Karikaturen. Klassische Bildbeschreibungen oder
Stilanalysen erscheinen in diesem Zusammenhang obsolet, da kunsthistorische
Ansätze zur Karikaturenbetrachtung in der Literatur bereits erschöpfend
behandelt wurden. Die vorliegende Arbeit ist keine Untersuchung der
historischen oder der zeitgenössischen Karikatur schlechthin, es wird auch kein
repräsentativer Überblick über die aktuelle Situation der Karikatur gegeben.
Ebenfalls steht nicht das Werk einzelner Karikaturisten im Vordergrund,
sondern dies ist ein Versuch, Charakteristisches und Auffälliges der in der
meinungsbildenden (vorwiegend deutschen) Presse verankerten Karikatur
aufzuzeigen. Zu diesem Zweck wird eine Phänomenologie von Motiven
aufgestellt. Die Karikaturen werden daraufhin untersucht, ob und in welcher
Form sie Feindbilder präsentieren, ob sich tradierte „Bilder“ halten, auch bei
wechselnder Tendenz, oder ob eine neue Ikonographie entsteht, ein
Paradigmenwechsel feststellbar ist. Dabei werden in Exkurs-Form geschichtliche Stationen aufgezeigt, in denen sich entsprechende Feindbildkarikaturen
manifestieren.
Eine Bestandsaufnahme der Pressekarikaturen verdeutlicht, daß bestimmte
„Archetypen“ von Feindbildern vorkommen, die eine lange Tradition in der
Geschichte der Karikatur haben. Der Feind als lächerliche Figur, als Bestie, als
direkte oder globale Bedrohung, als Plutokrat, als Tod, etc. sind klassische
Motive in Feindbildern und als solche aus friedenspädagogischer Sicht von der
ARBEITSGEMEINSCHAFT FRIEDENSPÄDAGOGIK (1983) und von dem Psychologen
SAM KEEN (1986) auch unter Berücksichtigung von Karikaturen behandelt
23
worden.53 Offensichtlich sind die Feindbild-Archetypen konstant in Karikaturen
vorhanden. Diese Ikonographie besteht über die kriegerischen Konflikte hinweg.
In der vorliegenden Untersuchung wird vor allem den jüngsten Tendenzen der
Feindbildkarikaturen Rechnung getragen. Beispiele zeitgenössischer Karikaturen belegen, daß auch hier (und nicht nur in den einschlägig bekannten
historischen Propaganda-Karikaturen) Feindbilder propagiert werden. Dabei
bestätigt sich, daß sich direkte ikonographische Linien ziehen lassen zwischen
historischen Feindbildkarikaturen bzw. Plakaten oder Illustrationen und
heutigen. Es wird deutlich, daß auch in zeitgenössischen Karikaturen ein ganzer
Motiv-Katalog zu finden ist, dessen Vorläufer mühelos bis zum Ersten
Weltkrieg (und darüber hinaus zuweilen sogar bis zu den Napoleonischen
Kriegen) zurückzuverfolgen sind.
Neben der Feststellung, daß die klassischen Traditionen ungebrochen sind,
lassen sich auch Motiv-Zäsuren feststellen. Auffallend ist die Renaissance einer
Bildformel, die den Feind als (Gegen-) Spieler darstellt - beispielsweise haben
Visualisierungen von Wortspielen, die sich offensichtlich den Karikaturisten
anläßlich des Zweiten Golfkrieges aufdrängen, Konjunktur. Die Charakterisierung des Feindes als desjenigen, der sein Spiel treibt, die gerade das taktische
und intellektuelle Vermögen des Feindes als Gefahr benennt, ist in den
Karikaturen der 90er Jahre unseres Jahrhunderts, die den Feind topographisch
im Süden (Naher Osten und „Dritte Welt“) orten, relativ häufig zu finden.
53
24
1983 erschien die Broschüre „Das Bild vom Feind“, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik e.v., München 1983 (im folgenden: AGFP 1983), in der
eine recht grobe Unterscheidung von Feindbildtypen vorgenommen wird. Die Behandlung der einzelnen Typen („Tod / Gerippe“, „Tier / Bestie / Ungeheuer“, „Monster“,
„Verbrecher / Räuber / Gangster“, „Militarist“, „Untermenschen“, „Lächerliche Figuren“
und „Abstrakte / Anonyme Bedrohung“ hat eher exemplarischen Charakter und leistet
keine tatsächliche Analyse von Karikaturen - vor allem keine kunsthistorische. Eine
differenziertere Einteilung von Feindbildern in Archetypen bringt Sam Keen in seinem
1986 veröffentlichten Buch „Bilder des Bösen. Wie man sich Feinde macht“,
Weinheim/Basel 1987, amerik. Erstausgabe: 1986 (im folgenden: Keen 1986/1987). Er
klassifiziert die Feindtypen wie folgt: „Der Feind als Fremder“, „Der Feind als
Angreifer“, „Der gesichtslose Feind“, „Der Feind als Feind Gottes“, „Der Feind als
Barbar“, „Der gefräßige Feind“, „Der Feind als Verbrecher“, „Der Feind als Folterer“,
„Der Feind als Vergewaltiger“, „Der Feind als Bestie, Kriechtier, Insekt und
Krankheitserreger“, „Der Feind als Tod“, „Der Feind als gleichwertiger Gegner“, „Der
Feind als Abstraktum“. Keens Ansatz bei der Bearbeitung ist ein sozialpsychologischer
bzw. friedenspolitischer. Dementsprechend ist seine Untersuchung auch keine Kunstund Politikwissenschaft verbindende Methode und keine Betrachtung der Karikaturen
unter ikonologischen Gesichtspunkten.
Im Widerspruch dazu steht eine konträr angelegte neue Archetypus-Generation,
der hier besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird: Der Feind wird als
geifernder Despot in Szene gesetzt, als Bombenleger und Terrorist. Beachtlich
ist, daß in diesem Zusammenhang ein Motiv aufersteht, das zu Beginn des
Kalten Krieges in sowjetischen Karikaturen äußerst beliebt war: Der Vergleich
mit Hitler wird bemüht, um das (vermeintlich) irrationale Wesen des Feindes
zum Ausdruck zu bringen. In den Karikaturen der 90er Jahre kristallisiert sich
weiterhin ein Moment heraus, das früher lediglich marginal war: Der Feind wird
mit Dunkelheit und Chaos identifiziert.
Als Komplementärmethode zu den in bezug auf die politischen Aspekte
unzureichenden rein formalkritischen Analysen wird die Diskursanalyse
(ursprünglich eine Methode zur Analyse von Texten) vorgestellt. Die Diskursanalyse befaßt sich mit der Stereotypie von „Bildern“ in der Sprache, mit ihrer
Verbreitung, ihrer Wiederholung, ihrer Entwicklung und ihrer funktionalen
Beziehung zu Verhaltensweisen. Sie eignet sich zur Untersuchung von
(scheinbar) non-verbalen Karikaturen, da die Karikatur das Medium ist, in dem
sich Bilder aus dem Sprachgebrauch konkretisieren. „Bilder“ in Karikaturen
gehen mit „Bildern“ im Wortsinne einher. Es wird der Frage nachgegangen,
wofür das verwendete Vokabular Symptom ist.
Vor dem Hintergrund einer Untersuchung, die thematische Tendenzen in
Feindbildkarikaturen aufzeigt und nach dem Zusammenhang zwischen
Karikatursujet und der jeweiligen politischen „Großwetterlage“ fragt, ist die
Annahme von der grundsätzlich kritischen und aufklärerischen Karikatur zu
relativieren.
Indem (oft propagandistisch-plakativ statt analytisch-subtil) Politik in Form von
Feindbild-Karikaturen dramaturgisch aufbereitet wird, ist die Karikatur nicht mit
ihrem Ruf, ein aufklärendes Medium zu sein, vereinbar. In der aktuellen
Politikwissenschaft wird in immer stärkerem Maße der Zusammenhang
zwischen Wirklichkeitswahrnehmung und Konstituierung von Realität durch
Diskurse und Medien erkannt. Die Medien stellen „Bilder“ von der Realität her.
An dieser Produktion sind Karikaturen beteiligt. Im Falle von Feindbildkarikaturen tragen die Bilder dazu bei, Bedrohungsängste zu schüren. Dies
schafft eher eine größere Distanz zwischen den Kulturen, anstatt Einfühlung,
Reflexion und Verstehen beim Betrachter zu fördern.
25
Bei der Beschäftigung mit Karikaturen im Kontext mit Feindbildern wird
deutlich, daß die Karikatur nie den Anspruch der „Reinheit“ und Unbestechlichkeit erfüllt hat. Dies ist eine Fiktion, die sich bis heute in der
Forschung hält, auch wenn zeitgenössische Karikaturen-Beispiele zeigen, daß
Karikaturen auch gegenwärtig propagandistische Züge haben und sich mitunter
in Vorurteilen ergehen und so helfen, diese zu verbreiten und in den Köpfen der
Menschen festzusetzen. So zeigt sich, daß sich die Karikatur durchaus nicht
immer kritisch zu herrschenden Systemen verhält, sondern sehr wohl vom
politischen „mainstream“ bestimmt ist und in dem Spektrum zwischen Kritik
und Propaganda nicht eindeutig anzusiedeln ist. Damit geht sie nicht mit ihrem
aufklärerischen Anspruch konform.
Doch lassen sich die Karikaturen nicht „über einen Kamm scheren“. In einem
Kapitel über analytische Karikaturen wird gezeigt, daß es daneben auch
Karikaturen gibt, für die ein intellektueller Anspruch geltend gemacht werden
kann, wenn die Darstellungen so angelegt sind, wie es dem Image der Karikatur
entspricht: wenn Hintergründe aufgedeckt werden und dem Rezipienten eine
tiefere Einsicht in die politischen Gegebenheiten gewährt wird. Daran
anschließend ist darüber nachzudenken, inwieweit die Karikatur selbst politische
Prozesse in Gang setzten kann insofern, als sie die Wahrnehmung politischer
Gegebenheiten manipuliert.
Bevor angesichts permanent vorhandener Feindbilder in den Karikaturen eine
Relativierung des Positiv-Images, das die Karikatur heute genießt, erfolgt, dient
im ersten Kapitel der Arbeit die Vergegenwärtigung dessen, welchen
Stellenwert die Karikatur unter welchen Prämissen in Ästhetik und Forschung
einnahm und –nimmt als Grundlage für die Einordnung der Bedeutung der
Karikatur als Gegenstand aktueller Wissenschaft. Das erste Kapitel dieser
Untersuchung ist entsprechend wissenschaftshistorisch angelegt.
26
1
Die Karikatur und ihre Rezeption in der Wissenschaft
Parallel mit der Entwicklung des Phänomens „Karikatur“ vollzieht sich die des
Begriffs. Sowohl die Geschichte des einen wie die des anderen ist in der
kunstgeschichtlichen Forschung bereits ausführlich dargestellt worden. Die
Klärung der Begriffsgeschichte ist hauptsächlich das Verdienst von GERD
UNVERFEHRT.54 Interessant als Grundstein für die weitere Beschäftigung mit
Karikaturen ist, in welchen inhaltlichen und raum-zeitlichen Zusammenhängen
sich der Terminus „Karikatur“ entwickelt und wie der Karikaturbegriff heute
besetzt ist.
1.1
Begriffsbestimmung
Das Wort „Karikatur“ leitet sich ab vom italienischen „caricare“ („laden“,
„überladen“, „übertreiben“, „stark auftragen“). Der heutige Gebrauch des
Begriffs „Karikatur“ ist zweideutig. Zum einen verstehen wir darunter die in
wenigen Strichen erzielte, übertriebene Porträtzeichnung. Doch auch die
ausführlichere, komponierte Bildsatire fällt unter den Begriff Karikatur55. Die
gleiche Bezeichnung für zwei so ganz unterschiedliche Bildformen ergibt sich
aus der Tradition der Karikatur, die ihre Vorläufer sowohl in den realistisch und
minutiös gezeichneten Schand- und Schmähbildern des Mittelalters hat als auch
54
55
Vgl.: Unverfehrt, Gerd: Karikatur. Zur Geschichte eines Begriffs. In: Bild als Waffe.
Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm-Busch-Museum
Hannover v. 7.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch
/ Ch. Schölzl. München 1984, S. 345-354 (im folgenden: Unverfehrt 1984).
Diese beiden Phänomene werden in anderen Sprachen allerdings begrifflich getrennt: Das
englische Wort „caricature“, das niederländische „Karikatuur“ und das französische
„portrait chargé“ bezeichnen die Porträtzeichnung. Die aufwendiger gezeichnete, szenische Satire heißt im Englischen „cartoon“, im Niederländischen „Spotprent“ und im
Französischen „caricature“. Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 354. Der Name „cartoon“ bürgerte
sich im Anglikanischen für Karikaturen ein, wobei der Begriff in den USA eine
Modifikation erfahren hat, da er mittlerweile eher gezeichnete Witze meint statt
politische Karikaturen. Vgl.: Grünewald, Dietrich: Die Karikatur im Unterricht.
Geschichte, Analysen, Schulpraxis. Weinheim/Basel 1979 (im folgenden: Grünewald
1979), S. 11 und Husemann, Harald: Ich denke, also denke ich in Stereotypen, deshalb
karikiere ich, also bin ich. In: Coping with the Relations. Deutsch-britische Karikaturen
von den fünfziger bis zu den neunziger Jahren. Hrsg. v. Goethe-Institut, London und der
Universität Osnabrück. Osnabrück 1993, S. 20-29 (im folgenden: Husemann 1993); hier:
S. 22f.
27
in den reduktionistischen, abstrahierenden Skizzen manieristischer Künstler. Die
Ambivalenz des Begriffs entspricht den unterschiedlichen Erscheinungsformen
der Karikatur. Die karikaturistischen Bildinstrumentarien und auch die Medien
sind vielgestaltig, so daß die Karikatur nicht als eine streng festgelegte
Erscheinungsform begriffen werden kann, sondern als ein karikaturistisches
Verfahren, „dessen Grundmerkmale - Überspitzen und Reduzieren - teilweise
voneinander getrennt neue mediale Verbindungen eingegangen sind.“56
Bei aller Beliebigkeit im Umgang mit diesen Begriffen ist zu unterscheiden
zwischen Comic und Cartoons, die gezeichnete Witze sind und damit „visuelle
Konsumgüter“57, und der Karikatur, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie eine
Kritik impliziert. Damit grenzt man das eine auf den Bereich der Unterhaltung,
das andere auf den des Politischen ein.58 Die Abgrenzung der Karikatur von
anderen Gattungen der (mehr oder weniger) humoristischen Zeichenkunst, darf
jedoch nicht als Rangzuordnung interpretiert werden, sondern als
Sensibilisierung für disparate Ausprägungen der graphischen Satire. Comic,
Cartoon, Plakat, Bildsatire, Witzzeichnung oder Trompe-l´œil haben die gleiche
Tradition. Gleichzeitig mit der Karikatur entwickelt sich das Genre des
moralischen Sittenbildes in Zyklen59. Solche Bilderzählungen führen zum
heutigen comic strip und Zeichentrickfilm. 60 Daneben entwickeln sich andere
Gattungen wie z.B. das gezeichnete Bonmot, das Vorläufer unseres Cartoons ist.
Die sozialkritische und politische Karikatur ist nur eine Variante der
zeichnerischen Satire. Die vielfältigen Definitionsversuche in der Literatur
veranschaulichen, daß die Begriffsbestimmung nach wie vor nicht eindeutig
ist.61 Als kleinster gemeinsamer Nenner läßt sich allenfalls die Aussage
56
57
58
59
60
61
28
Herding, Klaus: Karikaturen-Perspektiven. In: Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane
des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v.
13.10.1979. Gießen 1980, S. 353-386 (im folgenden: Herding 1980); hier: S. 358.
Bornemann 1972, S. 7.
Letztlich ist jedoch jede Zeichnung politisch. „Wenn heute jemand in einem
Schmuddelschundblatt einen kleinen Chauviwitz macht mit einer Sexbombe, die abends
in der Bar sitzt, wo gleichzeitig der Bodenkrieg [im Zweiten Golfkrieg - A.P.] beginnt,
dann ist auch das politisch. Er wird seine Gründe haben.“ Weigle, Fritz (alias F.W.
Bernstein) in einem Interview mit Harald Neckelmann. In: die tageszeitung v. 10.4.1991
(im folgenden: Weigle 1991), S. 17.
Man denke an die Bilderfolgen des britischen „Karikaturisten“ des 18. Jahrhunderts,
William Hogarth (1697-1764) und an die Bildmoritat bzw. Bilderzählung, deren
berühmtester Vertreter hierzulande wohl Wilhelm Busch (1832-1908) ist.
Vgl.: Hofmann 1953, S. 951.
Die Schwierigkeiten, die der Versuch einer Definition bereitet, lassen sich folgendermaßen beschreiben: „Was ist eigentlich Karikatur? Merkwürdigerweise ist die in der
festhalten, daß die Karikatur die Konzentration auf ein übertriebenes, ungemein
augenfälliges Bild und eine Mischung von Komik und Grauen ist.62
Zur Benennung von zeichnerischen Produkten taucht der Begriff „caricatura“
zum erstenmal 1646 auf. In einem vom päpstlichen Haushofmeister GIOVANNI
ANTONIO MASSANI verfaßten Vorwort zu einer Mappe von Radierungen63 sagt
dieser, er habe die Begriffe „caricatura“ und „ritrattini carichi“ („übertriebene
Bildnisse“) von dem bolognesischen Künstler ANNIBALE CARRACCI (15601609) als Bezeichnungen übernommen64. Die Radierungen nach CARRACCIs
Zeichnungen geben „den Menschen auf der Straße“ wieder. Ihr Sujet sind
Handwerker, Bettler, Gaukler, Händler, etc., ins Häßliche übertrieben dargestellt
(Abb. 1). Diese „caricatura“ hat nichts mit mittelalterlichen Schandbildern zu
tun, den szenisch angelegten, ausführlich gezeichneten Satiren, die in Italien
unter dem Terminus „pittura infamata“ gefaßt wurden, sondern diese neuartigen,
in wenigen Strichen vollzogenen Zeichnungen sind Porträts.65 ANNIBALE
CARRACCI, der wie sein Bruder AGOSTINO (1557-1602) ansonsten in seinem
Werk ausgesprochen einem Schönheitsideal nachstrebt, wendet sich in seinen
62
63
64
65
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts begonnene Diskussion um diese Frage noch immer
nicht beendet. Künstler, Philologen, Ästhetiker, Psychologen, Kunsthistoriker sowie
Publizisten und andere Dilettanten bemühten sich nach- und nebeneinander um
Definitionen. Eine eindeutige Antwort wurde nicht gefunden. Rückschauend kann gesagt
werden, und solch ein Umblick führt tief in die Geschichte der unfreiwilligen Komik,
daß alle diese Erklärungen jeweils nur für bestimmte Karikaturen zutreffen.“ Schwarz,
Waltraut: Die politische Karikatur. In: Civis. Zeitschrift für christlich- demokratische
Politik, 1957, Nr. 29, S. 17-18 (im folgenden: Schwarz 1957); hier: S. 17. Eine ähnliche
Meinung bezüglich irgendwelcher Bestrebungen, den Begriff zu bestimmen, wird auch
andernorts vertreten: „Zu den ziemlich komischen Umgangsformen mit der Karikatur
gehört der Versuch, sie zu definieren. [...] Verabreden wir uns doch, unter einer
Karikatur eine Zeichnung zu verstehen, die meist in der Presse erscheint und
gekennzeichnet ist von den drei großen G: Grafik, Gritik und Gomik.“ Weigle, Fritz
(unter dem Pseudonym F.W. Bernstein): Zu schöner Mißgestalt verhelfen. In: 70 Mal die
volle Wahrheit. Ein Querschnitt durch die bundesdeutsche Karikatur der Gegenwart.
Kassel v. 19.6.-20.9.1987. Hrsg. v. Achim Frenz / Claus Heinz / Uli Müller / Andreas
Sandmann. Hamburg 1987, S. 16-17; hier: S. 16f.
Vgl.: Thomsen, Christian W.: Menschenfresser. Eine kannibalische Text-Bild-Dokumentation. Wien 1983 (im folgenden: Thomsen 1983), S. 177.
Es handelt sich um Radierungen Simon Guillains nach Zeichnungen von Annibale
Carracci.
Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 345.
Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 354.
29
Zeichnungen den „niedrigen, minderwertigen und mit Mängeln behafteten
Dingen“66 zu.
Mit Entstehung des Begriffs beginnt auch eine schriftliche Beschäftigung mit
dem, was er bezeichnet. So führt MASSANI aus, was es mit ANNIBALE
CARRACCIs Zeichnungen auf sich hat: Die übertriebenen Figuren zeichnet er
nach der Natur. Er greift in der Natur vorgefundene, von ihr selbst
hervorgebrachte Mängel auf und übersteigert diese. Die Darstellungen gründen
sich also auf Naturanschauung. In der Natur gibt es weder ideale Schönheit noch
vollkommene Häßlichkeit. Ebenso wie ein Maler die ideale Schönheit nicht von
der Natur abmalt, sondern sie in seinem Gemälde komponiert, aus einzelnen
schönen Teilen zusammensetzt und so eine Vollkommenheit erreicht, die in der
Natur nicht gegeben ist, so gehe es in den „ritrattini carichi“ darum, eine
perfekte Mißgestalt zu schaffen.67 Der Karikaturist strebt eine „perfetta
deformità“ an, die totale Negation der vollkommen schönen Gestalt.68
Eine modifizierte Einschätzung der Karikatur begegnet in einer 1713 erschienenen Biographie des italienischen Architekten und Bildhauers G IANLORENZO
BERNINI (1598-1680): Er habe Bildnisse zum Scherz deformiert,
„jedoch nur in jenen Teilen, wo die Natur selbst auf irgendeine Weise
gefehlt hatte, und ohne seinem Vorbild die Ähnlichkeit zu nehmen, gab er
es auf dem Papier sehr ähnlich und seinem innersten Wesen entsprechend
wieder, obwohl man sah, daß er einen Teil bemerkenswert verändert und
übertrieben hatte.“69
Bedeutend in diesem Zitat ist die Formulierung „seinem innersten Wesen
entsprechend“. Die neue Qualität der Karikatur liegt nun in ihrem Vermögen,
den Charakter des Karikierten offenzulegen. BERNINI geht es weniger darum, ein
äußeres Erscheinungsbild auf die Spitze getrieben wiederzugeben, sondern
66
67
68
69
30
Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 346.
Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 346 und Panofsky: „Dem ganz entsprechend wird nun auch das
negative Phänomen der Häßlichkeit in einem neuen Sinne verstanden [...]. [Dem
Künstler] wird nun die durchaus metaphysische Aufgabe zugewiesen, die unterhalb der
Erscheinung verborgenen Prinzipien ihr gegenüber wieder zur Geltung zu bringen.“
Panofsky Erwin: Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie.
Leipzig 1924. Hier verwandte Fassung: (Studien der Bibliothek Warburg). Hrsg. v. Fritz
Saxl. Berlin 1960 (im folgenden: Panofsky 1924/1960), S. 53.
Vgl.: Hofmann, Werner: Die Karikatur von Leonardo bis Picasso. Wien 1956 (im
folgenden: Hofmann 1956), S. 15.
Domenico Bernini. Zitiert nach: Brauer, Heinrich / Wittkower, Rudolf: Die Zeichnungen
des Gianlorenzo Bernini. (Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Bd. 9).
Berlin 1931 (im folgenden: Brauer / Wittkower 1931), S. 182.
vielmehr um Charakterstudien. Seine Zeichnung des Kardinals Scipione
Borghese, die etwa 1650 entsteht, ist als eine solche Studie der Persönlichkeit
des Karikierten zu begreifen (Abb. 2). Die Karikatur erhält eine Stoßrichtung auf
ein bestimmtes charakterliches Merkmal einer Person hin.
Bis Mitte des 17. Jahrhunderts bleibt die Karikatur ausschließlich eine italienische Angelegenheit. 1665 geht BERNINI nach Frankreich an den Hof Ludwigs
XIV. und verblüfft dort durch das Verfahren, mit wenigen Strichen übertriebene
Bildnisse zu zeichnen, mit dem Zweck der Verhöhnung einer Person. Die gefürchteten Karikaturen werden von den Franzosen „portrait chargé“ genannt70.
Durch diesen Import der karikierenden Methode wird das Phänomen Karikatur
über italienische Grenzen hinausgetragen.
Zu Zeiten PIERLEONE GHEZZIs (1674-1755) ist es in italienischen wohlhabenden
Kreisen „in“, sich karikieren zu lassen, so daß er „hauptberuflich“ Karikaturen
zeichnen kann. Seine Porträtkarikaturen sind allerdings dem an der „hohen“
Kunst orientierten Geschmack seiner Kunden angepaßt: Zumeist erlaubt er sich
keine Porträts in nur wenigen Strichen, sondern zeichnet die physiognomischen
Verzerrungen sehr detailreich.71 Seine Don Saverio Brunetti da Corinaldo und
Don Giovanni Battista Ruelle „aufs Korn nehmende“ Federzeichnung von 1720
ist ein Beispiel für seinen Stil (Abb. 3).
In Italien und Frankreich dient auch im 18. Jahrhunderts der Karikaturbegriff
unverändert der Benennung des Phänomens, das ANNIBALE CARRACCI meinte,
nämlich die übertriebene Porträtkarikatur. Der Terminus findet Eingang in
Wörterbücher - wie auch das Wort „chargé“, das synonym verwandt wird. Das
Wort „caricature“ erscheint in England zum ersten Mal 1686 in der „Bibliotheca
abscondita“ von SIR THOMAS BROWNE. Doch unter diesem Begriff versteht er
nicht Porträtkarikatur im Sinne der Brüder CARRACCI, sondern zunächst die
Verzerrung menschlicher Züge ins Tierische. Hier wird Karikatur begriffen als
willkürliche Vereinigung des Disparaten. Darunter fallen Formverzerrungen und
Formenkombinationen, Bilderrätsel, Kinderzeichnungen und überhaupt alles,
was disproportioniert erscheint.72 Unter dem Begriff „outré“ faßt so auch der
englische Karikaturist WILLIAM HOGARTH (1697-1764) sämtliche
70
71
72
Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 347f.
Vgl.: Döring, Jürgen: Zum Katalog / Vereinfachung. In: Bild als Waffe. Mittel und
Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm-Busch-Museum Hannover v.
7.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch.
Schölzl. München 1984, S. 12-17 und 63-69 (im folgenden: Döring 1984); hier: S. 67.
Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 348.
31
zeichnerischen Formverzerrungen zusammen. Die bewußte Formverknappung,
die zuvor als das Charakteristikum der Karikatur erkannt wurde, lehnt HOGARTH
als Dilettantismus ab73. Seine sozialkritischen satirischen Kupferstiche nennt
HOGARTH selbst „comic history painting“. Zwar wird auch bei ihm das
Dargestellte mittels komischer Übertreibung der Lächerlichkeit preisgegeben
und eine Bloßstellung aktueller Verhältnisse betrieben - so wie in dem Blatt
„Scolars at a Lecture“ von 1731 (Abb. 4) -, womit heutige Karikaturen durchaus
in den Graphiken HOGARTHs inhaltlich ihre Vorläufer haben, doch seine
Arbeiten sind detailreich und minutiös ausgeführt. Dies ist eine Angleichung an
die akademische Kunst, um eine Chance zu haben, die gezeichnete Satire als
künstlerischen Ausdruck zu etablieren. Zudem entstehen solche satirischen
Zeichnungen nun als Kupferstich-Drucke. Dieses Medium setzt eine andere
zeichnerische Motorik voraus als die Federzeichnung (da beim Kupferstich die
Zeichnung in die Metallplatte gestochen werden muß, verliert sie im Vergleich
zur Federzeichnung an Spontaneität). Obwohl HOGARTH sich gegen die
Bezeichnung „Karikaturist“ wehrte, werden er und seine Nachfolger heute unter
diesem Begriff gefaßt, weil sie ihr Thema inhaltlich (wenn auch nicht formal)
komisch und übertrieben darstellen.
Das Wort „Karikatur“ wird nun international gebraucht, wobei die Bedeutung
zum einen die des CARRACCI-Begriffs ist, zum anderen die des englischen
„comic painting“, womit die szenisch angelegte zeichnerische Satire gemeint ist.
Die satirischen Blätter, die im weiteren nun „Karikaturen“ genannt werden,
erhalten jetzt ihre öffentliche Funktion. Zunächst in Form von einzelnen
Blättern, die in den Schaufenstern der Druckereien ausgehangen und verkauft
werden, richtet sich die gezeichnete Kritik an ihr Publikum. Somit besteht der
Kreis, in dem die Karikatur wirkt, bereits bevor sich die Karikatur mit dem
Journalismus paart nicht mehr nur aus Künstlerkollegen und einzelnen
Sammlern, sondern mittlerweile wird sie der räsonnierenden Öffentlichkeit
dargeboten. Aus dem einstigen Ateliereinfall ist ein Sprachrohr für die politische
Meinungsäußerung geworden. Eine solche öffentliche Bloßstellung - auch in
Zyklen - haben in England z.B. HOGARTH, THOMAS ROWLANDSON (1756-1827,
vgl. Abb. 122 und 129), GILLRAY und GEORGE CRUIKSHANK (1792-1878) betrieben.
73
32
Das geht aus einer Schrift seines Freundes Henry Fielding von 1742 hervor und wird
1758 in Hogarths Erklärung zum Gerichtshof (abgedruckt im London Chronicle vom
5./7. Sept. 1758 und in der Monthly Review vom Sept. 1758) bestätigt. Vgl.: Unverfehrt
1984, S. 348f.
Nach dem Vorkommen des Begriffs „Karikatur“ in Enzyklopädien läßt eine
wissenschaftliche Untersuchung der Karikatur noch auf sich warten, bis schließlich vor dem Hintergrund klassizistischer ästhetischer Vorstellungen die
Karikatur von Kunsttheoretikern „entdeckt“ wird.
1.2
Die Karikatur in Ästhetik und Kunstwissenschaft vom Klassizismus
bis zum 20. Jahrhundert
Die Geschichte der Erforschung der Karikatur entwickelt sich analog zu der
ästhetischen Bedeutung, die man ihr beimißt. Ästhetik und Kunstwissenschaft
tun sich lange schwer mit der Karikatur. Die Kunsttheorie bezieht die Karikatur
als Forschungsgegenstand dann ein, wenn sie in ästhetischen Klassizismustheorien als Gegenpol dienen soll.74 Abhängig vom klassizistischen Normenkorsett, etabliert sie sich als Gegenstand kunstwissenschaftlicher Forschung
vorerst als exotische Randerscheinung. Der Begriff „Karikatur“ taucht bei
JOHANN JOACHIM WINCKELMANN zum ersten Mal im Kontext einer Ästhetik
auf. Er gibt der Karikatur innerhalb seines Klassizismuskonzepts eine
antithetische Rolle zum klassischen Ideal. Die ästhetischen Konzepte des 18.
Jahrhunderts sind der idealen Schönheit verschworen. Harmonie gilt als der zu
erstrebende Ausdruck der Kunst. In dieser Auffassung gibt es nur Platz für
Idealisierungen. WINCKELMANN, der in seinen „Gedanken über die Nachahmung
der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst“ (1755) jenes auf
Nachahmung der griechischen Antike (und nicht der Natur) beruhendes
klassisches Ideal entwickelt, das zur „Programmschrift neuklassizistischer
Kunstanschauung“75 wird, erwartet vom Künstler, daß sich in seinem Werk die
74
75
Mit der Bedeutung der Karikatur in der Ästhetik haben sich besonders Günter und Ingrid
Oesterle beschäftigt. Vgl.: Oesterle 1980, S. 87-130 und vgl.: Oesterle, Günter: „Mit sich
zugleich etwas Anderes darzustellen“. Die Entdeckung der Dialogizität der Karikatur in
der spätidealistischen Ästhetik von Karl Rosenkranz und Friedrich Theodor Vischer. In:
Die Karikatur zwischen Republik und Zensur. Bildsatire in Frankreich 1830-1880. Eine
Sprache des Widerstands? Hrsg. v. Raimund Rütten / Ruth Jung / Gerhard Schneider.
Marburg 1991, S. 153-158 (im folgenden: Oesterle 1991).
Pochat, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie. Von der Antike bis zum 19.
Jahrhundert. Köln 1986 (im folgenden: Pochat 1986), S. 403. Die Bedeutung Winckelmanns für die Geschichte der Ästhetik verdeutlicht Kultermann an der Rezeption seines
Hauptwerks „Geschichte der Kunst des Altertums“ (1764): „Nicht allein die Tatsache,
daß Kunstgeschichte als wissenschaftliche Disziplin mit diesem Werk seinen Ausgang
nahm, auch die auf eine neue Basis gestellte Anschauung von Kunst überhaupt war eine
33
ideale Schönheit manifestiert und auch die innere moralische Größe, die er in
der antiken Kunst wahrnimmt, verkörpert wird. Gemäß dieser Anschauung
fungiert die Karikatur bei WINCKELMANN als Anti-Beispiel. Ideal und Karikatur
sind ein Oppositionspaar.76 Die „Entdeckung“ der Karikatur lediglich als
Widerpart zum Klassischen bedeutet also keine echte Würdigung der Karikatur
als eigenständiges Phänomen der Kunst. Ihr gilt „eher wissenschaftliche Abdenn Zuwendung“77.
Dennoch ist einem wissenschaftlichen Interesse der Boden bereitet. Die nun
einsetzende geschichtliche Betrachtung der Karikatur vollzieht sich zunächst in
Form von Zusammenstellungen von Karikaturen als Zeitdokumente in
Sammlungen und in kunstkritischen Kommentaren zu einzelnen Werken. Neben
diesen „historiographischen Versuchen“78 erscheinen erste Abhandlungen, in
denen die Grundlagen des Karikaturzeichnens vermittelt werden.
Die Karikatur erfährt zum ersten Mal eine wissenschaftliche Untersuchung als
Gattung 1813 mit der in London erscheinenden Gesamtdarstellung „An
Historical Sketch of the Art of Caricaturing“ von J.P. MALCOLM. Hier ist ein
Karikaturbegriff gegeben, der sämtliche Phänomene der darstellenden Kunst, in
der Erfindung und Deformierung der geschauten Natur im Zentrum stehen,
umfaßt. Als Karikaturen lassen sich demnach auch Ungeheuergestalten der
Antike und mittelalterliche Fratzen an Kapitellen bezeichnen - eine Auffassung,
die die Karikatur auch an die Seite des Lapidaren und Naiven stellt.
76
77
78
34
revolutionäre Neuerung und wurde von den Zeitgenossen als solche aufgenommen.“
Kultermann, Udo: Kleine Geschichte der Kunsttheorie. Darmstadt 1987, S. 99f.
Vgl.: Oesterle 1991, S. 153f.
Oesterle 1980, S. 91. „Wem die Welt als vernünftiger Sinnzusammenhang erscheint, in
dem das Schöne die höchste Stelle einnimmt, der erlebt alles Niedrige als komisch, alles
Alltägliche als grotesk - dem muß sich schließlich die Karikatur als gefährlicher Verstoß
gegen die Regel und als provozierender Widerspruch darstellen, kurz: als eine ´Art
Ausschweifung der Einbildungskraft´, wie es in der ´Encyclopédie´ von 1751 heißt, mit
der man nur zur Unterhaltung und Belustigung Umgang haben dürfte. Das Zerrbild
wurde aus dem Weihebezirk der Kunst gedrängt, seine Bedrohung gebannt, indem man
es auf das ´Komische´ festlegte, wo es keinen Schaden zu stiften vermochte.“ Hofmann
1956, S. 9. Gemeint ist die „Encyclopédie ou Dictionnaire raisonnée des sciences, des
arts et des métiers“ von Diderot und d´Alembert (1751-1780). Hier wird die Karikatur als
„libertinage d´imagination“ charakterisiert. Vgl.: Schmied, Wieland: Wegbereiterin der
modernen Kunst. In: Neue Deutsche Hefte, Jg. 4, 1957, Nr. 40, S. 728-735 (im
folgenden: Schmied 1957); hier: S. 728.
Hofmann 1956, S. 9.
Von der Strenge der klassizistischen Ästhetik zeugt, daß die Karikatur lediglich
im Anhang ästhetischer Betrachtungen Platz hat - so in dem Aufsatz „Über das
Erhabene und Komische“ (1837), den F RIEDRICH THEODOR VISCHER als Appendix seiner „Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen“ (1846-1857) beifügt. Er
erkennt die ästhetische „Immanenz“ der Karikatur, denn sie muß in der
Gestaltung des Disharmonischen konsequent einem Prinzip Folge leisten. Alle
Einzelheiten sind trotz Übertreibung aufeinander abgestimmt, sind insofern
harmonisch. Er betrachtet die Karikatur also durchaus unter ästhetischem
Blickwinkel. Sie kann die Schwelle der klassizistischen Ästhetik jedoch nicht
überwinden, da sie tendenzbehaftet ist.79 Immerhin stellt VISCHER an die
wissenschaftliche Untersuchung der Karikatur die gleichen Ansprüche, wie an
jeden anderen Gegenstand der Kunstwissenschaft.80 Damit betreibt er eine
gewisse Aufwertung der Karikatur.
KARL ROSENKRANZ schreibt 1853 eine „Ästhetik des Häßlichen“, in der er auch
die Karikatur ansiedelt. Für ihn war es an der Zeit für eine Wissenschaft des
Häßlichen, und zwar, um die Wissenschaft zu komplettieren, nicht etwa um des
Häßlichen selbst willen. Das Häßliche wird als das Pendant zum Schönen
gehandelt, so wie das Begriffspaar „Recht“ und „Unrecht“ ein Verhältnis von
Antipoden bezeichnet.81 Die Karikatur ist der Extrempunkt der verschiedenen
Stufen des Häßlichen von der Formlosigkeit und Asymmetrie, über die
„Incorrectheit“ bis zur „Deformität der Verbildung“82. Auf diese Weise gibt
ROSENKRANZ der Karikatur immerhin überhaupt einen Platz unter den Künsten.
Er gesteht ihr zu, daß sie den allgemeinen Gesetzen der Kunst Folge leisten muß
(was bereits eine progressive Anschauung ist). Die Ästhetik ROSENKRANZ´, die
er „mitten im borniertesten Klassizismus zu schreiben die Souveränität hatte“83,
79
80
81
82
83
Vgl.: Oesterle 1991, S. 156f.
In einem Kapitel seiner Veröffentlichung „Altes und Neues“ (1881) kommt zum
Ausdruck, daß Vischer anscheinend die Defizite in der wissenschaftlichen Bearbeitung
der Karikatur als gravierend empfindet. Er drückt den Wunsch nach einer umfassenden
Untersuchung der Geschichte der Karikatur aus, die er selbst sich außerstande zu leisten
sieht, denn ein solches Unterfangen setzt disziplinüberschreitende Kenntnisse voraus.
„Beides, Kunst und Leben müßte der Starke, der diese Arbeit wagen wollte, so tief
verstehen, daß er ebenso fähig wäre, eine Geschichte des Ideals - des ästhetischen wie
des sittlich religiösen - zu schreiben, denn das Komische ist das umgekehrte Ideal“.
Vischer, Friedrich Theodor: Altes und Neues. Stuttgart 1881, S. 150.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg 1853. Hier verwandte Fassung:
Faksimile Darmstadt 1973 (im folgenden: Rosenkranz 1853), S. IV.
Rosenkranz 1853, S. IV.
Gorsen, Peter: Das Prinzip Obszön. (rororo sexologie). Hrsg. v. Hans Giese. Reinbek
1969 (im folgenden: Gorsen 1969), S. 16.
35
läßt sich begreifen als Beginn neuzeitlicher Bemühungen, in der Wissenschaft
Phänomene wahrzunehmen und zu untersuchen, die zuvor verpönt waren. Sein
Verdienst liegt darin, die Erscheinungsformen des Häßlichen ästhetisch
enttabuisiert und ernstgenommen zu haben. Dennoch verläßt er den Boden der
Klassik nicht, denn nur innerhalb der tradierten Ästhetik gelingt es ihm, einen
Ort für die nicht dem Ideal entsprechenden Erscheinungen zu finden.84
Allmählich werden die Interessensgegenstände der klassizistischen Ästhetik
abgelöst. Neben die höfische Kunst, die sich in Huldigung der Mythologie
ergeht und in dieser pathetischen Repräsentationskunst eine Scheinwelt bannt,
bildet sich nun ein zweiter Strang in der Kunst immer stärker aus: Die
prosaische Kunst der volkstümlichen Bilderreigen und Sittenbilder wendet sich
dem Alltäglichen zu, so daß realistische Tendenzen und ein Interesse an
einfachen und intimen Dingen deutlicher hervortreten.85
Mit der Romantik ereignet sich ein Wandel in der Bewertung der Karikatur, als
nun ihre Sinnbildhaftigkeit erkannt wird. Im Fahrwasser von Vorstellungen, in
denen das Gefühl den höchsten Ausdruckswert erhält, in denen das Gewaltige,
das Tiefempfundene und Überwältigende in der Kunst bewundert wird,
dezimiert sich das negative Bild von der Karikatur. Die Diskrepanz zwischen
einem ästhetischen Ideal und Verzerrung wird der Karikatur nicht mehr
angelastet, sondern als ihr Vermögen betrachtet, Einbildungskraft und Reflexion
zu entwickeln. Die Karikatur wird nun begriffen als Sichtbarmachung des
Verborgenen, als Aufklärung, als spontane Verbindung von Ahnung mit
Reflexion.86 Im Zuge der Romantik werden der Karikatur also tiefsinniger
künstlerischer Ausdruck und eigene ästhetische Qualitäten zugebilligt. Sie wird
somit als ein eigenständiges Kunstwerk begriffen. Dem folgt die
wissenschaftliche Einverleibung der Karikatur.
Eine „Histoire de la Caricature Antique“ und in einem zweiten Band eine
„Histoire de la Caricature Moderne“ wird 1865 von dem französischen Schriftsteller JULES CHAMPFLEURY geschrieben. Die beiden Bände umfassen die
Spanne von der Antike bis zum 19. Jahrhundert, bis zu dem französischen
Karikaturisten HONORÉ DAUMIER (1808-1879). Damit ist die Karikatur selbst
Sujet der Forschung. CHAMPFLEURY setzt in seiner Geschichte der Karikatur
bereits bei antiken Graffiti an und wendet sich im zweiten Band der
84
85
86
36
Vgl.: Gorsen 1969, S. 16f.
Vgl.: Hofmann 1956, S. 42.
Vgl.: Oesterle 1980, S. 98.
zeitgenössischen Karikatur zu. Er fühlt sich berufen, der Karikatur mit diesen
beiden Büchern endlich die ihr gebührende Aufmerksamkeit zuteil werden zu
lassen.87
Ebenfalls 1865 erscheint THOMAS WRIGHTs „History of Caricature and
Grotesque“. Während CHAMPFLEURY eine völlig neue Wertung der Karikatur
liefert, läßt sich die gleichzeitige Arbeit WRIGHTs als „konventionell“
bezeichnen88, denn sein Karikaturbegriff bleibt der konservativen Ästhetik
verhaftet. Auch er begreift Harmonie als eigentliche Aufgabe der Kunst und
siedelt die Karikatur zusammen mit Kinderzeichnungen, stümperhaften
Versuchen oder urgeschichtlichen Höhlenmalereien als jenseits der Erfüllung
des Ideals an.89
Ungewohnte Beachtung erhält die Karikatur in RICHARD MUTHERs „Geschichte
der Malerei im XIX. Jahrhundert“ (München 1893/94). HUGO von
HOFMANNSTHAL schätzt an diesem 3-bändigem Werk, daß der bislang bei
Veröffentlichungen über Kunstwerke übliche Rahmen akademischer Werke
gesprengt wird, weil alles eingeschloßen wird, „wovon wir nur je Formen- und
Farboffenbarungen empfingen“90. Der Karikatur wird in avantgardistischem
Maße Aufmerksamkeit zuteil, denn auch Karikaturisten wie den Franzosen
PAUL GAVARNI (Pseudonym für HIPPOLYTE–GUILLAUME-SULPICE CHEVALIER,
1804-1866) und DAUMIER werden einige Seiten gewidmet.
87
88
89
90
Les hommes sérieux [...] médisent de la caricature et ne savent quelles rigeurs invoquer
contre elle. C´est ce qui m´a fait prendre sa défense dans ces deux volumes, sans cacher
toutefois les torts d´un art qui, placé sur un terrain déjà étroit, court risque d´être entraîné
dans les chemins voisins qui sont ceux de la haine et de la calomnie.“ Champfleury, Jules
(alias Jules Fleury-Husson): Histoire de la Caricature Moderne. Paris 1865, S. 315.
Vgl. Schmied 1957, S. 731.
Vgl.: Schmied 1957, S. 728.
Hofmannsthal, Hugo von: Die malerische Arbeit unseres Jahrhunderts (1894). In: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Bd. 1, Prosa. Hrsg. v. Herbert Steiner. Frankfurt a.M.
1956 (im folgenden: Hofmannsthal 1894/1956), S. 142. In seiner Kritik der Bände
Muthers über die Malerei äußert Hofmannsthal Genugtuung darüber, daß der
tatsächlichen Kunst Gerechtigkeit widerfahre und die Historienmalerei disqualifiziert
werde. Hofmannsthal fordert dazu auf, die Bedeutung der Karikatur zu erkennen: „Aber
während sich die ´große´ Malerei der ersten Hälfte des Jahrhunderts mehr und mehr dem
lebendigen Leben entfremdet, im Kolorit alter Meister nach historischen Anekdoten
leblose Puppen in schönkomponierten Gruppen darstellt, bemächtigt sich unscheinbar der
Bleistift der Zeichner und Karikaturisten des wirklichen Lebens, hält seine Gebärden und
Grimassen, seinen charakteristischen Ausdruck in Lust und Schmerz fest und zieht zuerst
das moderne Leben in den Kreis der Kunst.“ Hofmannsthal 1894/1956, S. 145.
37
1901 verfaßt EDUARD FUCHS den ersten seiner beiden Bände der „Karikatur der
europäischen Völker“. Im Vorwort charakterisiert er seine Arbeit als „erste
systematische, mit den Hilfsmitteln der modernen Wissenschaft und Technik
ausgerüstete Forschungsreise in ein Gebiet, in welches die Menschen bisher
immer nur Vergnügungsfahrten unternommen haben.“91 FUCHS´ Werk ist zum
ersten Mal ein Versuch, die Karikatur vollständig zu erfassen. Das besondere an
diesem Ansatz ist die Tatsache, daß die Gestaltungsmittel der Karikatur als
bewußte künstlerische Formsetzung gewürdigt werden. Hier wird verdeutlicht,
daß die Karikatur ein eigenes System künstlerischer Ausdrucksmittel entwickelt
hat. Willkür und Albernheit herrschen nur scheinbar in ihr. Tatsächlich gibt es
nichts Zufälliges in der Karikatur. Jeder Strich, jede Form ist klar auf ein
bestimmtes Ziel ausgerichtet. Der Karikaturist stellt an die Karikatur gleiche
kompositorische Maßstäbe, wie der Historienmaler an sein Werk. Die Karikatur
als „bewußtes Hervorheben des Charakterisierenden einer Erscheinung,
Abstrahieren von dem Nebensächlichen, dem Allgemeinen“ 92 definierend,
ordnet FUCHS sie eindeutig dem Bereich der Künste zu. Dies sei durch eine
„sehr interessante Beobachtung“ gerechtfertigt: „Jenes Hervorheben ist nämlich
im letzten Grunde das, was Kunst immer thut.“93 Dieser Karikaturbegriff geht
(wieder) auf den Aspekt der Naturanschauung ein als Grundlage für die bewußte
Übertreibung, deren Produkt ein gekonntes künstlerisches Ergebnis ist. Bei
FUCHS ist eine volle ästhetische Emanzipation der Karikatur als Kunstgattung
erreicht. Sie ist eine künstlerische Darstellung, eine Gattung innerhalb der
Künste, die sich von dilettantischen Zufallsprodukten unterscheidet.94 Entgegen
einer auf alle möglichen satirischen oder grotesken Erscheinungen ausgedehnte
Verwendung des Begriffs „Karikatur“ faßt FUCHS in Anlehnung an ANNIBALE
CARRACCI den Karikaturbegriff wieder enger.95
91
92
93
94
95
38
Fuchs, Eduard: Die Karikatur der europäischen Völker. Bd. 1. Berlin 1901. Hier
verwandte Fassung: 4. Auflage, München 1921 (im folgenden: Fuchs 1901/1921) S. V.
Fuchs 1901/1921, S. 4.
Fuchs 1901/1921, S. 4.
Vgl.: Fuchs 1901/1921, S. 2f.
„Nach dieser Festsetzung des Begriffs Karikatur darf man somit strenggenommen nicht,
so wie es gewöhnlich geschieht, jede mögliche durch Bild und Text unser Lachen
erzeugende und satirisch wirken sollende Darstellung mit dem Namen Karikatur
bezeichnen. Karikieren ist eine ganz bestimmt umgrenzte Art der Anwendung der
zeichnerischen Mittel. Aber dieser Rahmen ist, wenn man auch alle anderen
zeichnerischen Formen, deren sich die Satire bedient, ausschließen würde, doch nicht
klein. Dieser Rahmen umfaßt eine endlos lange Skala des Ausdrucks, vom feinen
geistreichen Pointieren eines einzelnen charakterisierenden Zuges bis zur grotesken
Überladung, für die es scheinbar gar keine Grenze gibt.“ Fuchs 1901/1921, S. 8
FUCHS mißt der Karikatur eine ganz neue künstlerische Bedeutung bei. Er
betrachtet sie als Pionierin für zukünftige Ausdrucksmittel und Tendenzen in der
Kunst überhaupt. Die Karikatur ist Teststrecke für die Avantgarde, was den
Gebrauch zeichnerischer Mittel und Abstraktionen angeht, aber auch in
inhaltlicher Hinsicht, weil sie bisher verschmähte Themen für die „hohe“ Kunst
vorkostet. Für ihn steht die gesamte zeitgenössische Kunst unter dem Einfluß
der Karikatur. Insofern dient ihm die Erforschung der Karikatur als Folie für die
Erforschung der Kunst der Gegenwart. Doch nicht nur für die Entwicklung der
Kunst selbst ist die Karikatur von Wichtigkeit, sondern auch für das Verhältnis
von Kunst und Rezipient, denn die Karikatur ist für ihn „auf die Gasse
übertragene Kunst“96. Im Gegensatz zur akademischen Kunst, die von einer Elite
für eine Elite produziert wird, betrachtet er die Karikatur als eine Kunst, die sich
an die Masse richtet, aber nicht von Personen aus der Masse produziert wird. So
wird sie zur Vermittlerin zwischen Kunst und Volk.97
Mit dem Eintritt in das 20. Jahrhundert kann die Karikatur also endlich einen
Platz in der kunstgeschichtlichen Disziplin beanspruchen. Es ist auffallend, daß
nach dem Erscheinen der Arbeit FUCHS´ über die ersten beiden Jahrzehnte des
Jahrhunderts hinweg eine Fülle von Zeitungsartikeln die Karikatur (vorzugsweise ihr „Wesen“) zum Thema hat, wissenschaftliche Untersuchungen aber
allem Anschein nach bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts nicht mehr
angeregt wurden.
Die allmähliche wissenschaftliche Annäherung an die Karikatur ist letztlich
auch im Kontext einer Tradition zu sehen, wie ABY M. WARBURG (1866-1929)
sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts initiiert. Der „Kunsthistoriker von Beruf und
polyhistorischer Grenzgänger zwischen den Wissenschaften von Berufung“98
bezieht sich zwar nicht ausgesprochen auf die Karikatur, leistet aber
übergeordnet Pionierarbeit mit seiner „Hinwendung zu einer mit den Problemen
96
97
98
(Hervorhebung im Original). Doch auch Fuchs kann sich der Ausweitung des Begriffs
nicht entziehen. Als Anpassung an den allgemeinen Sprachgebrauch schlägt er vor, nicht
so streng in der Handhabung des Begriffs zu sein und, um Verwirrung zu vermeiden, ihn
durchaus auf jede gezeichnete Satire anzuwenden.
Fuchs 1901/1921, S. 16.
Vgl.: Fuchs 1901/1921, S. 16f.
Kipphoff, Petra: Das Labor des Seelenarchivs. In: Die Zeit, Nr. 17 v. 21.4.1995 (im
folgenden: Kipphoff 1995), S. 59.
39
des Alltagslebens verbundenen Position“99. Er befreit das Kunstwerk „aus der
Isolierung, in die es durch eine rein ästhetische und formale Methode oft
gebracht wurde“100, indem er sich gegen die ansonsten in der Kunstgeschichte
konstruierten Grenzen zwischen rein-künstlerischen und nicht-künstlerischen
Werken wendet. WARBURG, der 1926 die legendäre kulturwissenschaftliche
Bibliothek in Hamburg gründete101, schuf eine Forschungsstätte, die sich rasch
den Ruf einer umfassenden Erforschung geistes- und kulturgeschichtlicher
Strömungen erwarb. Für WARBURG ist die Kunst nicht autonom, sondern
Dokument des jeweiligen zeitgeschichtlichen Hintergrundes. Das Kunstwerk ist
„Teil eines größeren Zusammenhangs, für den er den Begriff ´soziales
Gedächtnis´ prägte.“102
Gleichzeitig sind gegensätzliche Positionen in der Ästhetik zu beobachten:
Kunsthistoriker wie HEINRICH WÖLFFLIN und JULIUS von SCHLOSSER glauben an
die Autonomie des Kunstwerks, an seine Unabhängigkeit von einem
zeitgeschichtlichen Hintergrund und an das Verständnis des Werks durch das
bloße, unvoreingenommene Sehen. Dabei wird unterschieden zwischen
Kunstwerken, die in ihrer Singularität und Kontextlosigkeit erhaben sind und
aktualitätsgebunder Massenkunst, die profan ist.103 Trotz solcher Standpunkte
setzt sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ein erweiterter Kunstbegriff durch, was
auch für die Karikatur eine Emanzipation mit sich bringt.
1.3
Psychologische Forschungsansätze
Die Warburgsche Auffassung von der Kunstwissenschaft bereitet einer
Disziplinerweiterung den Boden. Die Wissenschaftler wenden sich neuen
Methoden zu. Nachdem SIGMUND FREUD seine Untersuchungen über die
psychologische Bedeutung des Witzes angestellt hat, wird in den 30er Jahren
99
100
101
102
103
40
Knuth, Michael: Studien zu Problemen der kunstwissenschaftlichen Analyse von
Karikaturen/Pressezeichnungen. (Diss.) Berlin (DDR) 1979 (im folgenden: Knuth 1979),
S. 17.
Knuth 1979, S. 17.
Diese Bibliothek ging 1933 nach London ins Exil. Heute ist sie wiederum in Hamburg
beheimatet, dem kunstgeschichtlichen Seminar der Universität unter der Leitung von
Martin Warnke angeschlossen.
Kipphoff 1995, S. 59.
Vgl.: Knuth 1979, S. 18.
vor allem von ERNST KRIS und ERNST H. GOMBRICH eine Forschungslinie
initiiert, die sich mit den psychologischen Aspekten der Karikatur beschäftigt.104
Der Kunsthistoriker KRIS (der zur Psychoanalyse überwechselt) und dessen
Schüler GOMBRICH, einer der Direktoren der Warburg-Bibliothek, verbinden
kunsthistorische mit FREUDs psychoanalytischen Erkenntnissen.105 Sie legen die
Anwendbarkeit psychoanalytischer Begriffe auf das künstlerische Phänomen
Karikatur dar und untersuchen die psychologischen Mechanismen, mit denen die
Karikatur seit je her ihre Wirkung entfalten kann. Charakteristika der Karikatur
wie Doppeldeutigkeit, Transformation und Verdichtung sind der Psychoanalyse
ebenfalls vertraut. Das Autorengespann weist auf die bildmagische Wirkung von
Bildern hin. Erfahrungen der Psychologie vermitteln, daß Bilder im Bewußtsein
eine andere Rolle spielen als Worte. Bilder wurzeln tiefer. In Träumen greift das
Unbewußte auf sie ebenso zurück wie auf Gefühle.106 Obwohl es sich bei der
karikaturistischen Verzerrung um einen Witz handelt, lebt unter der Oberfläche
von Spiel und Spaß archaische Bildmagie weiter. Karikatur ist eben nicht ein
unschuldiges Spiel der Transformation von Formen, sondern dank der
zeichnerischen Fähigkeit des Künstlers verwandelt sich das Bild vom
Karikierten. Er ist in dem Bild des Künstlers interpretiert, und in Form dieser
Interpretation ist Kritik und Aggression eingeschlossen. Das Opfer transformiert
sich tatsächlich in den Augen der Betrachter, die den Karikierten nun so sehen,
wie der Karikaturist ihn vorführen will. Und dieser Eindruck von der Person
bleibt haften.107
GOMBRICH hält neben dem Aspekt der Bildmagie ebenso die Unterscheidung
zwischen Ähnlichkeit und Äquivalenz für ein grundlegendes Motiv der
Karikatur. Die Karikatur betreibt eine Divergenz in ihren einzelnen Teilen, aber
eine Äquivalenz zum Karikierten als ganzes Bild.108 Dieses Verfahren treibt der
104
105
106
107
108
Vgl.: Kris, Ernst: Die Psychologie der Karikatur. Erste Veröffentlichung des Aufsatzes:
1935. Hier verwandte Fassung in: Die ästhetische Illusion. Phänomene der Kunst aus der
Sicht der Psychoanalyse. Frankfurt a.M. 1977 (im folgenden: Kris 1935/1977) und vgl.:
Kris, Ernst / Gombrich, Ernst H.: The principles of caricature. Reprinted from the British
Journal of Medical Psychology, 1938, H. 3-4, S. 319-342 (im folgenden: Kris / Gombrich
1938).
Während Herding in der Arbeit Gombrichs und Kris´ keine wirkliche Innovation, eher
eine Popularisierung der Ergebnisse Freuds sieht (vgl.: Herding 1980, S. 381), ist ihren
Forschungen laut Hofmann die Kenntnis der geistesgeschichtlichen Wurzeln der
Karikatur zu verdanken.
Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 339.
Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 339f.
Vgl.: Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Stuttgart/Zürich 1978 (im folgenden:
Gombrich 1978), S. 376.
41
französische Verleger und Graphiker CHARLES PHILIPON (1806-1862) in seiner
1831 gezeichneten Metamorphose auf die Spitze (Abb. 5). Zu sehen ist die
Verwandlung vom realistischen Porträt des wenig geliebten Königs LouisPhilippe bis zur Birne („poire“ bedeutet in der französischen Umgangssprache
auch „Dummkopf“)109. Damit initiiert PHILIPON eine Tradition in der Karikaturzeichnung. Trotz der Abwandlung einzelner Details weicht die Darstellung der
Person als Ganzes nur wenig von ihrem Vorbild ab, so daß dem Betrachter
automatisch eine Formübereinstimmung zwischen dem Gesicht des Königs und
einer Birne oktroyiert wird. Die Karikatur verschafft der Physiognomie LouisPhilippes eine neue Interpretation, die sie nicht mehr abschütteln kann.
Die Linie der Karikaturforschung, die einen wahrnehmungspsychologischen
Ansatz verfolgt, wird in den 50er Jahren von WERNER HOFMANN und in den
70er Jahren von DIETRICH GRÜNEWALD fortgesetzt. 110
1.4
Geistesgeschichtliche Forschungsansätze
Ausgehend von Überlegungen RUDOLF WITTKOWERs und HEINRICH BRAUERs111
befassen sich GOMBRICH, KRIS und schließlich WERNER HOFMANN damit, wie
die Karikatur historisch zu bestimmen sei. Es beginnt eine Diskussion, die seit
den 50er Jahren die Karikaturforschung kennzeichnet, seit HOFMANN sowohl
den Begriff als auch das Phänomen „Karikatur“ im 16. Jahrhundert verankert.
Es geht dabei um die Klärung der historischen bzw. philosophischsoziologischen Determinanten des Entstehens der Karikatur.
109
110
111
42
Zu der interessanten Geschichte dieser Zeichnung vgl.: Döring, Jürgen: Die Presse ist
vollkommen frei. La Caricature und die Zensur. In: La Caricature. Bildsatire in
Frankreich aus der Sammlung v. Kritter. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und
Kulturgeschichte Münster v. 16.6.1980-10.5.1980, Kunstsammlung der Universität
Göttingen v. 26.10.1980-7.12.1980, Gutenberg-Museum Mainz v. 20.4.1981-7.6.1981.
Münster 1980, S. 27-43 und 97-99; hier: S. 97. Die gezeichnete Birne als Reduzierung
des Konterfeis des Königs auf seine charakteristische Kopfform mit der ebenso
charakteristischen Haartolle wird zum Symbol für den sogenannten „Bürgerkönig“,
dessen Herrschaft sich durch Korruption und Repressalien v.a. gegen die Presse
auszeichnet. Andere Zeichner seiner Zeit (z.B. Daumier) umgehen durch solcherlei
graphische Spielereien die Zensur, denn nach verschiedenen Prozessen darf LouisPhilippe nicht mehr in Karikaturen dargestellt werden.
Vgl.: Hofmann, Werner: Bemerkungen zur Karikatur. In: Merkur, Jg. VII, 1953, H. 10
(im folgenden: Hofmann 1953); vgl.: Hofmann 1956 und vgl.: Grünewald 1979.
Vgl.: Brauer / Wittkower.
BRAUER und WITTKOWER lokalisieren 1931 im Zusammenhang ihrer
Bearbeitung der Zeichnungen BERNINIs die Geburt der Karikatur im Umkreis
einer philosophischen Haltung, wie sie im Bologneser Kreis der CARRACCI
gegeben war.112 Allerdings schreiben sie die eigentliche Erfindung der Karikatur
BERNINI zu. Die Karikaturen der CARRACCI gelten ihnen als experimentelle
Vorstufen zu der von ihnen so genannten „reinen“ Karikatur, die ihre Wirkung
aus der bloßen Zeichnung bezieht und die, indem sie allein ein Blatt füllt, eine
abgeschlossene Aussage vermittelt. In diesem Sinne sei erst BERNINI der
Begründer der Karikatur, wie wir sie heute verstehen113 (Abb. 2).
Diese These bezüglich des geistigen Ursprungs der Karikatur im Manierismus
wird dann 1938 von KRIS und GOMBRICH, 1947 von DENIS MAHON114 und seit
den 50er Jahren von HOFMANN wieder aufgegriffen. Für diese Autoren sind
jedoch die CARRACCI mit ihren hyperbolischen Porträtzeichnungen die Erfinder
der karikierenden Reduktion und damit die Erfinder der Karikatur. KRIS und
GOMBRICH liefern - sich auf BRAUER und WITTKOWER berufend - eine
historische Einordnung der Karikatur, nach der sie Produkt einer gewissen
Geisteshaltung ist, die erst im Zuge einer im Manierismus wurzelnden
Liberalisierung und Individualisierung des Menschen und des Künstlers im
Besonderen anzutreffen ist.115
Weder in der klassischen Antike noch im Mittelalter oder in der Renaissance
war die Karikatur als bewußte Zerstörung der Gesichtszüge einer Person mit
dem Ziel des Lächerlich-Machens bekannt. Komische oder groteske Kunst gab
es sehr wohl. Seit der Antike wurden Bettler, Sklaven, Bucklige oder Alte
übertrieben dargestellt, doch handelt es sich nicht um Verzerrungen eines
konkreten Vorbildes, sondern vielmehr um Phantasien über groteske Typen. Sie
sind eher Genreskizzen. Karikaturen aber müssen das Kriterium erfüllen, daß sie
ein zeichnerisches Abkürzungsverfahren darstellen, und daß sie außerdem auf
bestimmte Personen zielen. Deshalb läßt sich bei den satirischen und
112
113
114
115
Vgl.: Brauer / Wittkower 1931, S. 180f.
Vgl.: Brauer / Wittkower 1931, S.182f.
Vgl.: Mahon, Denis: Studies in Seicento Art and Theory. (Studies Of The Warburg
Institute, Vol. 16). London 1947, S. 116, Anm. 27 und S. 259-263, Anm. 43-47.
„Art in the time of Carracci and of Poussin no longer meant a simple ´imitation of nature´
as Aristotle had put it. It meant to them penetration of the innermost essence of reality, to
´ideas´ in a platonic sense (Panofsky, 1924). It was no longer skill alone that made the
artist, but the gift of vision which enabled him to see the everlasting truth of ideas
beyond the veil of nature.“ Kris / Gombrich 1938, S. 321f.
43
übertriebenen Darstellungen aus der Antike nicht von Karikaturen sprechen.116
Auch die verzerrten und auf uns komisch wirkenden Bilder der mittelalterlichen
Kunst haben nichts mit Karikaturen gemein, denn das Komische ist im
Mittelalter ein Sinnbild des Teuflischen und als solches ein integrierter
Bestandteil einer Welt, die alle Daseinsbereiche in das Transzendente
einschließt. Komik und Verzerrung gehören genauso zum religiösen Weltbild
wie das Erhabene.117 Zwar bediente man sich im Mittelalter und in der
Renaissance aggressiver Schmäh- und Spottbilder, um ein Opfer zu demütigen.
Diese Schmähungen sind allerdings nicht als Karikaturen zu bezeichnen. Sie
benutzen nicht bewußt das Mittel der Verzerrung.
Dies ist auch der Fall bei den Schmähzeichnungen der Reformationszeit, die
z.B. Luther in Form eines Wolfes zeigen, in denen sich aber keine
„Wölfischkeit“ ausdrückt.118 Entsprechendes gilt auch für die graphischen
Angriffe der Gegenseite. In einem um 1521 zu datierenden Holzschnitt
beispielsweise sind der Papst und neben ihm andere Widersacher Luthers
Gegenstand der Verunglimpfung. Statt mittels einer Verzerrung ihrer Porträts
sind die Charaktere der durch die Beschriftung identifizierbaren Dargestellten
durch Tierköpfe versinnbildlicht (Abb. 6). Obwohl die politischen Graphiken
des Lutherschen Zeitalters den Anspruch von Kritik und Vernichtung des
Gegners haben - wie später die politische Karikatur - unterscheiden sie sich von
dieser durch ihr Verfahren: Den Zweck der Propaganda erfüllen beide, doch die
Reformationssatire ist in ihrer Bildsprache noch einer ausführlichen und
textunterstützten Darstellungsweise verhaftet, während die Karikatur sich durch
ihr reduktionistisches Zeichenverfahren auszeichnet. Die sogenannte Reformationssatire ist aber in technischer Hinsicht bereits Vorläufer der späteren
politischen Karikatur, weil beide die Druckgraphik als ihr Medium wählen. Die
Graphik ist Träger des politischen Kampfes. Mit der Entwicklung des Holzstichs
kann die gezeichnete Satire in einer größeren Auflage produziert werden. Wie
116
117
118
44
Vgl.: Lucie-Smith, Edward: Die Kunst der Karikatur. Weingarten 1981 (im folgenden:
Lucie-Smith 1981), S. 22.
Dabei muß berücksichtigt werden, „daß sich die mittelalterlich-christliche Welt einer
Gestaltungsfreiheit bediente, die ihre Rechtfertigung nicht, wie später die Karikatur, aus
der subjektiven Phantasie der Künstlerlaune bezog, sondern aus der allgemeinen Struktur
des Weltbildes ableitete. Allein diese Erwägung verbietet es, die oftmals ungezwungen
anmutende Ausdruckssprache des Mittelalters kurzerhand für die Karikatur und deren
bewußte ´Leichtfertigkeit´ in Anspruch zu nehmen.“ Hofmann 1956, S. 26.
Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 326-329.
die politische Karikatur bedarf sie einer optimal großen Verbreitung, um als
Kritik möglichst wirksam zu sein.
Bildsatiren wie z.B. die Blätter des Franzosen JACQUES CALLOT (1592-1635),
die sich großer Popularität erfreuten und entsprechend breit produziert wurden,
fallen ebenso nicht unter den Begriff „Karikatur“. Sie stellen ihr Sujet zwar
vergröbert und vereinfacht dar, doch nicht aufgrund der Absicht, durch ein
künstlerisches Abkürzungsverfahren Wesensmerkmale der Dargestellten
herauszuarbeiten, sondern um mit dem ornamentalen Charakter physiognomischer Verzerrungen zu spielen.119 Der Bezug auf ein bestimmtes Ereignis,
eine bestimmte Person oder eine weitere Zielsetzung (z.B. eine moralische)
fehlt. Vor allem aber handelt es sich nicht um Reduktionen, um hyperbolische
Zeichnungen, die aus wenigen Strichen bestehen. CALLOTs um 1622 entstandenen Radierungen aus der Reihe der „Gobbi“ verdeutlichen den
Unterschied zur eigentlichen Karikatur (Abb. 7). Diese Form der Bildsatire
bereitet allerdings die Karikatur insofern vor, als „sie die öffentliche Meinung
bilden hilft, sich also dorthin wendet, wo später die Karikatur ihr Publikum
finden wird.“120
In der Renaissance sind Komik und das Absurde aus dem „Weihebezirk der
Kunst“ (HOFMANN) gedrängt. Die Idealisierung der Welt im Kunstwerk schließt
alles aus, was nicht dem Ideal entspricht. Die von LEONARDO da VINCI (14521519) zwischen 1485 und 1490 gezeichneten grotesken Köpfe (Abb. 8) sind
keineswegs Karikaturen, sondern Ausdruck einer naturwissenschaftlichen Beschäftigung mit allen Phänomenen der Natur. Es sind keine satirischen oder
verunglimpfenden Zeichnungen, sie sollten nicht komisch wirken, sondern es
sind Studien absonderlicher Formen der Natur oder deren kombinatorischer
Möglichkeiten.121 Die vereinfachte Zeichnung, die mit wenigen Strichen auskommt, ist bei AGOSTINO CARRACCI das gesuchte Ergebnis, während es sich bei
LEONARDO dabei noch um den Ausgangspunkt handelt.122
Obwohl es den Künstlern früherer Zeitalter sicher nicht an zeichnerischer
Geschicklichkeit mangelte, ihr Spiel mit den Gesichtszügen des Opfers zu
119
120
121
122
Vgl.: Hofmann, Werner: Die Karikatur - eine Gegenkunst. In: Bild als Waffe. Mittel und
Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Hannover, Wilhelm-Busch-Museum v.
7.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch.
Schölzl. München 1984, S. 355-383 (im folgenden: Hofmann 1984); hier: S. 363.
Hofmann 1956, S. 40.
Vgl.: Hofmann 1956, S. 18.
Vgl.: Döring 1984, S. 65.
45
treiben, entwickelt sich das, was die Karikatur ausmacht, nämlich mit den
graphischen Mitteln der Verzerrung, Reduktion und Verdichtung einen
spottenden Angriff auf eine konkrete Person zu unternehmen, erst in einer
späteren historischen Epoche. Das Aufkommen der Karikatur ist an bestimmte
philosophische Entwicklungen gebunden: Der Zeitpunkt, zu dem die Karikatur
zum ersten Mal erscheint, nämlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ist
markiert durch einen vollständigen Wechsel der Rolle des Künstlers und seiner
Stellung in der Gesellschaft. Dies bezieht sich auf seine soziale Zugehörigkeit
und insbesondere auf den Umstand, daß er nicht länger als Handwerker gilt. Er
wird vielmehr als Schöpfer betrachtet. Der Künstler ist nun nicht länger an
festgelegte Muster gebunden, wie im Mittelalter, noch ist er zur Nachahmung
der Wirklichkeit verpflichtet. Er teilt nun das Recht der Dichter, eine Realität
selbst zu formen. Mehr als das Vermögen der technischen Fähigkeiten machen
nun die Gabe der Vorstellungskraft, die Inspiration und Erfindung den Künstler
aus. Der Imitator wird zum Schöpfer, „from a disciple of nature its master“123.
Das Kunstwerk selbst ist die Verwirklichung einer Vision. Die Realisierung ist
nur ein mechanischer Prozeß, der zu dem eigentlichen ästhetischen Wert nichts
mehr hinzufügt. Der Platonismus liefert den Hintergrund dieser Ästhetik, und
entsprechend wird der Künstler nun nicht als Imitator der bloßen Realität
gesehen, sondern er „hintergeht“ die Wirklichkeit und visualisiert die „Ideen“,
das Wesen der Dinge.124 Kraft seines künstlerischen Genies, das der Vision fähig
ist, vermag der Künstler sein Bewußtsein für die Idee der Wahrheit und
Schönheit zu öffnen und sie mit seiner Hand in einem Kunstwerk zu
verwirklichen. Seine „invenzione“ gilt jetzt als sein wertvollstes Vermögen. 125
Auf die Karikatur bezogen resultiert daraus:
123
124
125
46
Kris / Gombrich 1938, S. 331.
Zur Bedeutung des Idee-Begriffs vgl.: Panofsky 1924/1960.
Gombrich und Kris verweisen auf die Bewertung, die seinerzeit die unvollendeten
Marmorblöcke der „Sklaven“ Michelangelos erfuhren: Ihr fragmentarischer Zustand
erhöht eher ihren künstlerischen Wert, weil sie in dieser Form näher am Zustand der
Konzeption sind. Ebenfalls die Skizze wird nun als direktes Dokument der Inspiration
geachtet. Gleichzeitig gewinnen künstlerische Produkte an Ansehen, die ein scheinbar
bedeutungsloses Spiel mit den Formen betreiben. Phantastische und groteske Ornamente,
in früheren Zeiten nur Muster oder Füllungen, erreichen nun im Manierismus Freiheit
und Autonomie. Das phantastische Spiel mit Formen und deren Zweideutigkeiten und
mit Metamorphosen erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Es entwickelt sich eine
Tradition der Formvertauschungen und -kombinationen, die oft Mensch-TierVerknüpfungen zeigen. Von hier aus und begleitet von mehr oder weniger
wissenschaftlichen physiognomischen Traktaten entwickeln sich auch Mensch-Tier-
„By the seventeenth century the portrait painter´s task was to reveal the
character, the essence of the man in an heroic sense. The caricaturist has a
corresponding aim. He does not seek the perfect form but the perfect
deformity, thus penetrating through the mere outward appearance to the
inner being in all its littleness or ugliness.“126
Indem die Karikatur die äußere Erscheinung verzerrt und übertreibt, betont sie
die schwächsten Züge des Karikierten und entlarvt mit der Zerstörung der
äußeren Form sein inneres Wesen. Obwohl einzelne Züge übersteigert und
gänzlich unrealistisch dargestellt werden, ähnelt das Ergebnis dem wahren
Charakter des Opfers. Anstatt ein objektives Porträt der Außenwelt zu geben,
ersetzt der Künstler es durch seine subjektive Vision.127 Das ist eine „wahrere“
Ähnlichkeit, als dies eine Imitation sein kann. Die Karikatur zeigt mehr vom
Wesentlichen und ist damit „wahrer“ als die Realität selbst.128
An diese Auffassung knüpft HOFMANN an. Seine Leistung in bezug auf die
Erforschung der Karikatur liegt in der Herstellung eines Zusammenhangs
zwischen Schönheitsideal und Karikatur, wodurch er die Festlegung der
Karikatur als manieristisches Phänomen bestätigt. Ausgerechnet die Brüder
AGOSTINO und ANNIBALE CARRACCI, Begründer einer Schule in Bologna, die in
eklektischer Weise danach strebt, im Rückgriff auf die Meister der klassischen
Epoche „aus deren Stil ein gereinigtes, lehrbares Ideal zu destillieren“129,
erfanden die Porträtkarikatur. Die CARRACCI schufen die Karikatur als
künstlerischen Protest zum ästhetischen Ideal, als artistischen Gegenentwurf
gegen die ideale Schönförmigkeit, für die die italienische Renaissance die
Regeln aufgestellt hat.130 Indem die Karikatur verzerrt, bricht sie mit dem
geltenden Schönheitskanon. Erst nachdem ein Dogma vom Edlen und Schönen
aufgestellt worden ist, kann es bewußt gebrochen werden, und die Karikatur als
126
127
128
129
130
Vergleiche zu den Vorläufern der Karikaturen. Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 332 und
334.
Kris / Gombrich 1938, S. 322.
Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 338.
Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 320f.
Hofmann 1953, S. 950.
„Die Proklamation des Häßlichen als einer künstlerischen Ausdruckskategorie ist ebenso
alt wie die Inthronisierung des Gegenbegriffs, des Idealschönen. Sie fällt in die
Geburtsstunde des europäischen Klassizismus, sie ist, so paradox es klingen mag, das
Werk seiner Begründer. [...] Ihr Interesse am Alltäglichen und Gewöhnlichen sollte
weitreichende Konsequenzen haben: ihm entsprang die Erfindung der Karikatur.“
Hofmann, Werner: Ist die Karikatur am Ende? In: Der Monat. Eine internationale
Zeitschrift, Jg. 11, 1959, H. 128, S. 54-60 (im folgenden: Hofmann 1959); hier: S. 54.
47
solch ein Bruch erkannt und eingeordnet werden.131 Entsprechend ereignet sich
dieser Bruch und mit ihm die Karikatur erst in einer Epoche, die auf die
Renaissance folgt.132
Das Zerrbild ist zunächst als eine Art Privatsache des Künstlers in
Skizzenbüchern zu finden. Hier hat er den Spielraum, sich vom Regelgebäude
zu entfernen. In dieser Sphäre wird dann schließlich im Zuge des Manierismus,
in dem der Künstler als subjektiv wahrnehmend begriffen wird, aus dem
übertriebenen Bild als Studie eine bewußte Verletzung von Regel und Kanon.
Die Karikatur ist eine Kuriosität, über die man in Künstler- und
Interessiertenkreisen diskutiert und die als solche gesammelt wird.133 Die
Renaissance-Forderung nach Eindeutigkeit und Klarheit weicht einer Skepsis
den Dingen gegenüber, die sich künstlerisch in der Abkehr von den Bindungen
der Renaissance-Ästhetik ausdrückt.134 Gleichzeitig ereignet sich der
beschriebene Bedeutungswandel in der Auffassung vom Künstler. Im Zuge
dieser Entwicklungen entsteht die Karikatur.135 Zwar wurde HOFMANNs
Bestimmung der Karikatur, wie er sie bereits 1953 zum Ausdruck bringt und in
seinen späteren Veröffentlichungen bekräftigt, vielfach kritisiert136, dennoch:
131
132
133
134
135
136
48
„Nicht die der Wirklichkeit zugewandten Venezianer - man denke an die ´Alte Frau´ des
Giorgione (Venedig, Accademia) - noch weniger die Nordländer mit ihrer Vorliebe für
das Charakteristisch-Häßliche konnten die Karikatur ´erfinden´, sondern ein
künstlerisches Bewußtsein, das sowohl um die ideale Gesetzlichkeit der Erscheinungsform als auch um deren Gegensatz wußte. Das Wissen um Regel und Kanon mußte deren
bewußter Verletzung vorausgehen.“ Hofmann 1956, S. 18.
Vgl. hierzu Panofsky, der seinerseits von dem „Protest gegen die Regeln“ als
Charakteristikum des Manierismus spricht. Panofsky 1924/1960, S. 39-56.
Vgl.: Hofmann 1953, S. 951f.
Vgl.: Hofmann 1956, S. 21.
Vgl.: Hofmann 1956, S. 27.
Es gibt durchaus unterschiedliche Positionen zu der These, die Karikatur sei erst im
Manierismus entstanden. Hofmanns Ansatz wird beispielsweise von Waltraut Schwarz
kritisiert. Sie hält diese Datierung für einen philologischen Irrtum, da von dem Wort
„caricare“ ausgegangen wird. Tatsächlich habe es eine Karikatur „avant la lettre“
gegeben, was bei solcher „etymologischer Akribie“ untergegangen sei. Schwarz beklagt
die Vernachlässigung von Inhalten vor lauter Formalismus und vermißt die
Berücksichtigung früherer Zeichnungen. Sie definiert Karikatur als „künstlerische
Ausdrucksform der Kritik, die in bestimmten Epochen möglich wird und sich dann gegen
alles und jedes richtet.“ Schwarz 1957, S. 17. Damit begreift sie die Karikatur als ein
überzeitliches Phänomen, das eben auch schon vor dem Manierismus existierte. Auch
Uppendahl geht davon aus, daß das Entstehen des Begriffs von der Erscheinung
unabhängig ist: „Als Ursprungsland der politischen Karikatur gilt allerdings nicht Italien,
sondern vielmehr das Ägypten der Zeit Ramses´ III. Ein aus dieser Zeit erhaltenes
Papyros zeigt einen Löwen, der mit einer Antilope Schach spielt [es handelt sich hier
Daß sich die Begriffsfestlegung HOFMANNs in der kunstgeschichtlichen
Forschung durchgesetzt hat, ist letztlich daran zu sehen, daß sie 30 Jahre später
in dem Katalog „Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf
Jahrhunderten“ (1984) fast unverändert eine neue Veröffentlichung erfährt und
zwar in einem Kontext, der die Karikaturforschung auf der Höhe ihrer Zeit
repräsentiert.137
1.5
Karikatur und Kunstgeschichte: Weiterhin ein schwieriges
Verhältnis
Das Besondere an den Untersuchungen von Kunsthistorikern wie HOFMANN und
GOMBRICH ist der Umstand, daß sie den Blick über den eigentlichen Gegenstand
„Karikatur“ hinaus richten. Ein derart breit angelegter Ansatz wird in der
Karikaturforschung über einen langen Zeitraum nicht mehr angestrebt.
Wissenschaftler betrachten die Karikatur fast ausschließlich unter Einzelgesichtspunkten - so läßt sich beispielsweise seit Ende der 60er Jahre der Beginn
einer Reihe von Autoren ausmachen, die überprüfen, inwiefern die Karikatur zur
137
nicht um Schach, sondern um Senet - A.P.]. Das der Karikatur zugrundeliegende
Phänomen selbst ist mithin nahezu 3000 Jahre älter als der Versuch, diese Phänomen auf
den Begriff zu bringen.“ Uppendahl 1978, S. 9. Für Michel Melot bedeutet die Datierung
Hofmanns einen „Verzicht auf jede Untersuchung der ´vorklassischen´ Karikatur“, was
zu dem Schluß führen kann, es habe vor 1600 keine Karikatur gegeben - für ihn ein
Fehlschluß. Vgl.: Melot, Michel: Die Karikatur. Das Komische in der Kunst. Stuttgart
1975 (im folgenden: Melot 1975), S. 10. Den Gegensatz zwischen den Auffassungen
relativiert Wilhelm Boeck, indem er zugesteht, daß Zeichnungen aus früheren Epochen
wie der Antike und dem Mittelalter heute als Karikaturen empfunden werden mögen.
Dennoch wurde nicht nur der Terminus „Karikatur“ erst im 17. Jahrhundert erfunden,
sondern „auch die besondere Gattung, die er bezeichnet, nahm erst damals ihren Anfang
und ist durch die verschiedensten Bedingungen an die geistige Entwicklung der Neuzeit
gebunden.“ Boeck, Wilhelm: Inkunabeln der Bildniskarikatur bei Bologneser Zeichnern
des 17. Jahrhunderts. Stuttgart o.J. (1968), S. XI. Auch Edward Lucie-Smith bestätigt die
Hofmannsche Datierung mit der Äußerung, karikaturistische Elemente würden später in
antike und mittelalterliche Werke hineininterpretiert, dabei fehle es den satirischen
Zeichnungen an der erforderlichen Stoßrichtung bzw. dem Bezug auf bestimmte
Personen. Vgl.: Lucie-Smith 1981, S. 26.
Trotz dieser Forschungslage erscheint noch 1995 eine Veröffentlichung unter dem Titel:
„Deutsche Karikaturen vom Mittelalter bis heute“ von Gisold Lammel. Metzlar/Weimar
1995 (im folgenden: Lammel 1995).
49
Vermittlung politischer Bildung tauglich ist.138 Sowohl in Dissertationen als
auch in Veröffentlichungen überhaupt wird die Karikatur in der Regel im
Kontext des Werkes eines Künstlers, im Zusammenhang einer bestimmten
Zeitschrift oder im Rahmen einer historisch mehr oder weniger eng begrenzten
Epoche behandelt.
In den 70er Jahren nimmt jedoch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der
Karikatur zu. Zu erklären ist diese Konjunktur mit der Tatsache, daß nach zwei
Dekaden, die im Zeichen der Massenmedien gestanden haben, eine
wissenschaftliche Aufarbeitung dessen beginnt, was die „Trivialkunst“ hervorgebracht hat. Daß sich die Kunstgeschichte nun mit der „niederen“ Kunst und
dabei auch mit der Karikatur beschäftigt, ist determiniert durch die medialen
Erfahrungen. Außerdem wird infolge der APO-Bewegung die politische Apathie
der Nachkriegszeit von einem neuen politischen Interesse und Bewußtsein
abgelöst. Das bewirkt auch eine stärkere Aufmerksamkeit für die Karikatur als
politisches Medium. Es läßt sich gleichzeitig eine Revision des Kunstbegriffs
konstatieren.
Eine Zunahme der Präsenz der Karikatur in Ausstellungen markiert seit Beginn
der 70er Jahre einen neuen Aufschwung der wissenschaftlichen Bearbeitung
dieser Kunstform.139 Nach und nach finden sich Institutionen, die sich der
138
139
50
Damit beschäftigen sich: Krüger, Werner: Karikatur als Medium der politischen Bildung.
Opladen 1969 · Krause, Alfried: Die politische Karikatur im Geschichtsunterricht.
Berlin (DDR) 1975 · Brucher, Ambros: Die Verwendung von Karikaturen im
Geographieunterricht. In: Geographie im Unterricht, 1976, H. 7 · Uppendahl, Herbert
(Hrsg.): Die Karikatur im historisch-politischen Unterricht. Freiburg/Würzburg 1978 ·
Grünewald, Dietrich: Karikatur im Unterricht. Geschichte, Analysen, Schulpraxis.
Weinheim/Basel 1979 · Fritz, Jürgen: Satire und Karikatur. Fächerübergreifender
Unterricht in Deutsch, Politik, Kunst, Musik. Braunschweig 1980 · Krüger, Herbert /
Krüger, Werner: (Hrsg.): Geschichte in Karikaturen von 1848 bis zur Gegenwart.
Stuttgart 1981 · Loch, Werner / Görres, Karl: Politische Karikatur und ihr Einsatz im
Unterricht. Limburg 1985 · Sangs, Heribert: Die Karikatur. Didaktische Hinweise zu
Einsatzmöglichkeiten im Unterricht. Darmstadt 1985
Ernst, Wolfgang:
·
Historiograffiti. Karikatur als Geschichtsschreibung. In: Kritische Berichte, Jg. 17, 1989,
Nr. 1. Die Zeitschrift „Geschichte lernen“ widmete 1990 eine Ausgabe der Karikatur
als pädagogisches Medium.
Hier eine Auflistung von Ausstellungen, die sich übergreifend mit der Karikatur
beschäftigten. Ausstellungen zu einzelnen Themen der Karikatur oder Werkaustellungen
sind hier nicht genannt: 1972: Karikaturen - Karikaturen? Kunsthaus Zürich · 1972:
Zeitgenossen karikieren Zeitgenossen. Kunsthalle Recklinghausen · 1977: Satire und
Karikatur. Gesamthochschule Siegen · 1978: Bizarr, grotesk, monströs. Ausstellung
zeitgenössischer Karikaturisten. Kestner-Gesellschaft Hannover · 1979: Karikaturen.
Karikatur verschreiben. Im thüringischen Greiz beispielsweise entsteht 1975 das
„Satiricum“140. In der BRD ist das Wilhelm-Busch-Museum/Deutsches Museum
für Karikatur und kritische Grafik in Hannover das einzige Museum, das
ausschließlich Karikaturen als Sammlungsgegenstand hat und regelmäßig
Karikaturenausstellungen veranstaltet.141
140
141
Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches
Seminar, Universität Hamburg · 1983: Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern
1600-1930. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster ·
1984: Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. WilhelmBusch-Museum Hannover · 1986: Bilderwelten. Satirische Illustrationen aus der
Sammlung von Kritter. Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund · 1987: 70
mal die volle Wahrheit. Ein Querschnitt durch die bundesdeutsche Karikatur der
Gegenwart. Kassel · 1991: Karikaturen der Gegenwart. Europäische Künstler.
Wilhelm-Busch-Museum Hannover · 1992: Karikatur und Satire. Fünf Jahrhunderte
Zeitkritik. Kunsthalle Hypo-Stiftung München (eigene Zusammenstellung der
Aufzählung).
Es handelt sich um eine aus der fürstlichen Sammlung Reuß hervorgegangene Kollektion
historischer und zeitgenössischer Karikaturen seit dem 17. Jahrhundert als Bestandteil
der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung. Trotz der beachtlichen Sammlung
aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert setzt sich die Hälfte des Bestandes aus Karikaturen
der letzten 50 Jahre zusammen. Es wurde als zentrales Karikaturenmuseum der DDR
gegründet, wenn auch seine Lage eher peripher zu nennen ist. In Zusammenarbeit mit
dem Satiremagazin „Eulenspiegel“ und dem Verband bildender Künstler, Sektion
Karikatur und Pressezeichnung, fanden hier von 1980 bis 1990 Biennalen zum
zeitgenössischen karikaturistischen Schaffen in der DDR statt. Mit der „Wende“ kam das
„Aus“ für das Karikaturenmuseum, weil es als Relikt der DDR begriffen wurde und die
Biennalen als Leistungsschau. Der Direktor, Gotthard Brandler, rettete das Satiricum
jedoch hinüber in die wiedervereinigte BRD als Archiv für die DDR-Zeitgeschichte und
als „Fundus der DDR-Kulturgeschichte“. Vgl.: Köhler, Peter: Documenta der Karikatur.
In: die tageszeitung v. 20.8.1994, S. 14. Im August 1994 ereignete sich die erste
Triennale, in der Cartoons und Karikaturen aus Ost- und Westdeutschland ausgestellt
wurden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang eine weitere Initiative, die seit 1994
Karikaturenausstellungen veranstaltet: Die „Cartoonfabrik Köpenick e.V.“. Sie begreift
sich als Verein zur Förderung von Cartoonisten und Karikaturisten und veranstaltet seit
1992 einen jährlichen „Köpenicker Kultursommer“.
In der Direktionszeit von Friedrich Bohne (1957-1978) und zunehmend unter der Leitung
von Herwig Guratzsch seit 1978 erweitert das Wilhelm-Busch-Museum seine 1930
entstandene Sammlung, indem sie verstärkt durch historische und zeitgenössische
kritische Graphik angereichert wird. Neben den Katalogen wird eine Schriftenreihe (das
Jahrbuch der Wilhelm-Busch-Gesellschaft) publiziert als wissenschaftliches Forum der
Karikaturforschung. Das Wilhem-Busch-Museum nimmt für sich in Anspruch, durch
seine Tätigkeit progressiv dazu beigetragen zu haben, „jenen Kunstzweig, der lange am
Rande der sogenannten Hochkunst stand - die Karikatur - in der allgemeinen
Einschätzung aufzuwerten.“ Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Deutsches Museum für
Karikatur und kritische Grafik (Bestandskatalog). Braunschweig 1990, S. 12.
51
Gleichzeitig mit der erstarkten Beteiligung der Karikatur an Ausstellungen
erweitert sich der Markt für Karikaturen. Karikaturisten bringen Bildbände mit
ihren Arbeiten heraus. Personen- oder themenbezogene Karikaturenbände
werden mitunter sogar von institutioneller Seite editiert (z.B. veröffentlichte das
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung bereits mehrfach Karikaturen-Anthologien). Auch Fachzeitschriften widmen der Karikatur ganze
Sonderhefte142. Dabei wird jedoch auch deutlich, daß es noch immer Probleme
mit der Akzeptanz der Karikatur als Kunst gibt.
Obwohl Autoren wie GOMBRICH und HOFMANN die Merkmale der Karikatur in
prägnanter Weise charakterisieren und damit für die kunsthistorische Untersuchung der Karikatur die Weichen gestellt haben, erfährt die Karikatur in der
universitären Praxis noch immer keine ihr angemessene Beachtung:
Kunsthistoriker tun sich schwer, von den Höhen der Meisterwerke in die
Niederungen für den massenhaften Konsum produzierter Zeichnungen
hinabzusteigen. Betrachtet man die Relation zwischen Karikatur und Kunst, so
zeigt sich, daß es auch in der aktuellen Situation keine eindeutige
wissenschaftliche Position zur Karikatur gibt. Offensichtlich bietet das Sujet
„Karikatur“ in der Kunstwissenschaft noch immer Anlaß für Kontroversen.
FUCHS prognostizierte 1901, die Karikatur werde in Zukunft in der Wissenschaft
volle Gleichberechtigung erfahren:
„Werden die lebenden und die kommenden Geschlechter die Sünden der
Vergangenheit zu den ihrigen machen? Nein. Diese Zeiten nahen bereits
ihrem sicheren Ende. Der Hofnarr S. Majestät Publikum, wofür der
Karikaturist einst von den meisten angesehen wurde, hat seinen Rang
gewechselt, er ist daran, sich das volle Bürgerrecht in der Kunst zu
erwerben. [...] Sie [die Karikaturisten] werden von diesem Rang nicht
mehr verdrängt werden. Heute weiß man, daß sie die unwiderstehliche
Avantgarde des Morgen sind, des Kommenden, in Kunst und im Leben.
Und wie die strenge Hierarchie der ernsten Kunst vor dem Stift des
Satirikers kapituliert hat, so wird es auch die Wissenschaft wohl thun
müssen.“143
Diese Erwartungen haben sich jedoch keineswegs erfüllt. 1970 erscheint ein
Artikel von HOFMANN, dem er ganz programmatisch den Titel „Zu
kunsthistorischen Problemen der Comic Strips“ gibt. Er beklagt hierin, daß
massenhafte Rezeption und Kunst noch immer als sich einander ausschließende
142
143
52
Z.B.: tendenzen, Jg. 13, 1972, Nr. 83 · Bildende Kunst, Jg. 22, 1974, Nr. 10 · Kunst
und Unterricht, 1977, Nr. 43 · Oxford Art Journal, Jg. 8, 1985, Nr. 1.
Fuchs 1901/1921, S. 475.
Phänomene betrachtet werden.144 Diese Feststellung ist auf die Beziehung der
Wissenschaft zur Karikatur übertragbar. Daß Karikatur noch lange nicht
selbstverständlich auch als Kunst aufgefaßt werden muß, wird deutlich an einer
Bemerkung zur Zürcher Ausstellung „Karikaturen - Karikaturen?“ (Kunsthaus
1972). In der Besprechung wird lobend hervorgehoben, daß durch die Präsentation von Karikaturen in einer so großen Kunstausstellung der Öffentlichkeit
demonstriert wird, daß Karikatur Kunst ist. Der „Normalverbraucher“, der
Karikatur nicht unter die Kategorie „Kunst“ faßt, wird nun eines besseren
belehrt.145 Der gleiche Aspekt ist im selben Jahr einem Katalogbeitrag zur
Ausstellung „Kunstpreis Junger Westen ´72“ (Kunsthalle Recklinghausen) zu
entnehmen. Die Tatsache, daß Kunstpreise an Karikaturisten verliehen werden,
laufe auf „die längst fällige Aufwertung der Karikatur in der öffentlichen
Meinung hinaus“146.
Die Kategorien „Gebrauchswert“ und „Ausstellungswert“ sind zu überdenken.
Die Drucke von DAUMIER beispielsweise wurden bereits seinerzeit in Mappen
gesammelt. Damit waren sie ein Sammler- und Kunstliebhaberobjekt und
eindeutig Kunst. Was aber, wenn die Karikaturen eine solche „Weihe“ nicht
erfahren hätten und lediglich in den Zeitschriften La Caricature und Le
Charivari erschienen wären, wo sie „einen massenhaften Konsum zu
befriedigen hatten?“147 Auch auf die heutige Situation bezogen zeigt sich, daß
Zeichnungen zumeist erst in dem Moment als „Kunst“ betitelt werden, wenn sie
in Sammlermappen erscheinen oder in Museen ausgestellt werden, während in
Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte Karikaturen (selbst wenn sie vom
selben Zeichner stammen) unter dieser Kategorie keine Berücksichtigung
finden. Damit ist immer noch ein Kunstbegriff gegeben, den HOFMANN
„monolithisch“ und „überheblich“ nennt.148
In seiner Rede zur Karikaturen-Ausstellung „Bizarr-Grotesk-Monströs“
(Kestner-Gesellschaft, Hannover 1978) macht der Karikaturist LORIOT (alias
144
145
146
147
148
Vgl.: Hofmann, Werner: Zu kunsthistorischen Problemen der Comic Strips. In: Vom
Geist der Superhelden. Comic Strips. Zur Theorie der Bildergeschichte. Redaktion: Hans
Dieter Zimmermann. München 1973, S. 64-81 (1. Auflage: Berlin 1970, im folgenden:
Hofmann 1970/1973); hier: S. 64.
Vgl.: Ausstellungsbesprechung in „Turicum“, September 1972. Hier verwandte Fassung
in: Karikaturen - Karikaturen? Kunsthaus Zürich 1972, S. 162.
Bohne, Friedrich: Zur Situation des Karikaturisten. In: Kunstpreis Junger Westen ´72.
Recklinghausen 1972 (im folgenden: Bohne 1972), o.S.
Hofmann 1970/1973, S. 65.
Vgl.: Hofmann 1970/1973, S. 65.
53
VICCO VON BÜLOW) auf die Stellung der Karikatur als „kulturellen Außenseiter“
aufmerksam. Er bezeichnet die Ausstellung als Wagnis, weil man Karikaturisten
„in gefährlicher Nachbarschaft zur leichten Muse“ wähnt.149 LORIOT sinnt über
das „jungfräuliche Verhältnis zwischen Kunstbetrachtung und Karikatur“ nach
und empfiehlt, die Etikettierung der Sparten in der Kunst so zu handhaben, wie
dies in der Musik geschieht. Dort verfügt man über die Einteilung in E-Musik
(ernste Musik) und U-Musik (Unterhaltung). Durch solcherlei Kennzeichnung
seitens der Plattenfirmen entfällt die lästige Frage nach der Zuständigkeit, wie
die Kunstkritiker und Kolumnisten sie z.B. bei Karikaturen-Ausstellungen
haben: „Jeder Musikkritiker weiß seitdem, daß die ´Götterdämmerung´ etwas
ganz anderes ist als beispielsweise ´Pack die Badehose ein´“150. Zwar machen
manche Künstler dieser sauberen Einteilung einen Strich durch die Rechnung so z.B., wenn der Jazz so „cool“ wird, daß man nicht mehr weiß, ob das „U“
noch gerechtfertigt ist. Auch die Klassiker vermögen einen noch zu verwirren,
wenn Mozart selbst seine Divertimenti doch ausdrücklich zur Unterhaltung
geschaffen hat, wir sie aber zur ernsten Musik rechnen. LORIOT beschreibt, daß
früher feststand, was Kunst ist und was nicht: „Die Mona Lisa hatte mit
Mickymaus eben doch wenig Gemeinsames, und der Mann mit dem Goldhelm
war mit bloßem Auge von Snoopy zu unterscheiden.“151 Selbst Grenzgänger wie
DAUMIER oder TOULOUSE-LAUTREC wurden eindeutig in die Kategorie „EMalerei“ eingeordnet, da in ihren Werken humoristische Elemente marginal
sind. Die Karikatur hatte ihren festen Platz in der „U-Spalte“. Nun jedoch muß
man feststellen, daß es mit der eleganten Trennung der Künste vorbei ist. Im
Zuge des Gebrauchs neuer Materialien und Praktiken in der Kunst seit den 60er
Jahren, in der sich nun ein „erweiterter“ Kunstbegriff manifestiert, laufen die
Kriterien der Kunstbetrachtung aus dem Ruder, und es
„nahte das Verhängnis. Seriöse Maler, die auf sich hielten, legten ihren
Pinsel aus der Hand, griffen zu Hammer und Nagel, Lötkolben, Bohrer,
Kreissäge, Spaten, Diaprojektor und okkupierten im Handumdrehen ein
Terrain, das als Zielgebiet auch der Karikaturist hätte vor Augen haben
können. Der hingegen begann, völlig überraschend, Originalzeichnungen
anzubieten, handsigniert, und als die langsam knapp und teuer wurden,
fertigte er auch satirische Siebdrucke und Lithos, signiert und numeriert.
149
150
151
54
Loriot (alias Vicco von Bülow): Bizarr-Grotesk-Monströs. Rede zur Ausstellung zeitgenössischer Karikaturisten in der Kestner-Gesellschaft in Hannover am 17.2.1978. Hier
verwandte Fassung in: Bernsteins Buch der Zeichnerei. Hrsg. v. F.W. Bernstein. Zürich
1989, S. 225-226 (im folgenden: Loriot 1978/1989); hier: S. 226.
Loriot 1978/1989, S. 226.
Loriot 1978/1989, S. 226.
Ehe man sich´s versah, war ein Steinberg-Original so teuer wie eine Handzeichnung von Klee. Das war nicht vorgesehen. Die Kunstbetrachtung sah
geniert zur Seite, das Verhältnis zur Karikatur blieb platonisch und somit
ohne Folgen.“152
Die Karikatur läßt sich also nach wie vor nicht eindeutig an die Seite anderer
Objekte der Kunstgeschichte stellen. Nicht nur in klassizistischen Zeiten wurde
der Karikatur abgesprochen, daß sie Kunst ist. Auch heute gibt es mitunter noch
das Bedürfnis nach Rechtfertigung, wenn die satirische Zeichnung zum Gegenstand einer kritischen oder kunsttheoretischen Besprechung wird:
„Und deshalb wird es so bleiben, daß sich auch in Zukunft niemand im
Ernst für die komische Zeichnung verantwortlich fühlen wird, weder der
Kunst- noch der Literaturkritiker. Daß die sich, wenn sie überhaupt was
sagen, weiterhin halbherzig und schulterklopfend aus der Affäre ziehen.
Indem sie dem komischen Zeichner beispielsweise attestieren, daß er im
Grunde seines Herzens eigentlich ein ernsthafter Künstler sei, der bei
Licht betrachtet... Er sei der ´Michelangelo der Karikatur´ hörte ich
während einer Buchmesse den Schreiber Herbert Rosendorfer dem
Zeichner Hans Georg Rauch ins Gesicht salben. Darunter tun sie es
nicht.“153
Anstrengungen, sich ausdrücklich mit für Massenmedien und für die visuelle
Alltagskultur produzierten Kunst-Objekten auseinanderzusetzen, gibt es beispielsweise von Seiten des Greizer Museums „Satiricum“. Indem der
Kunstrezipient als Teil einer modernen Welt begriffen wird, die von den Bildern
der Massenmedien geprägt ist, soll einem neuen Anspruch der
152
153
Loriot 1978/1989, S. 226 (Hervorhebung im Original). Interessant ist, wie Loriot sich die
zukünftige Position der Karikatur im Ausstellungswesen und damit die seiner eigenen
Kunst vorstellt: „Und doch... sehe ich da nicht gegen Ende des kommenden Jahrhunderts
diese endlose Menschenschlange, die sich um mehrere New Yorker Häuserblocks
windet? Mit Klappstühlen und Schlafsäcken hat sie bei eisigem Wind die Nacht
durchwacht, um erst gegen 9 Uhr morgens Einlaß im Metropolitan Museum zu finden.
Dann schiebt sich die geduldige Menge zwei Stockwerke hoch in jenen repräsentativen
Saal, der für das Künstlerische Ereignis des Jahres völlig ausgeräumt und renoviert
worden ist. Im Zentrum des Riesenraumes steht eine einzige Vitrine aus Panzerglas, an
der die Menschen entblößten Hauptes schweigend vorbeidefilieren. Eine diskret
angebrachte Starkstromleitung und vierzig Polizeibeamte in Zivil sichern das
angestrahlte Kleinod. Es ist ein stockfleckiges Blatt aus meinem Notizblock, 9 x 12 cm,
darauf ein Nasenmännchen in Bleistift, nicht signiert, mit Expertise der KestnerGesellschaft.“ Loriot 1978/1989, S. 226.
Gernhardt, Robert: 10 Sätze betreffs Komik, Komische Zeichnung, Bildende Kunst und
Literatur nebst einem Zusatz. In: Die Neue Frankfurter Schule. 25 Jahre Scherz, Satire
und schiefere Bedeutung aus Frankfurt am Main. Hrsg. v. W.P. Fahrenberg. Frankfurt
a.M. 1987, S. 385-386 (im folgenden: Gernhardt 1987); hier: S. 385.
55
Kunstwissenschaft genüge getan werden.154 Demgegenüber warnte noch 1985
WILLIBALD SAUERLÄNDER vor der Gefahr einer Gleichmachung der gehobenen
ästhetischen Erfahrung mit alltäglicher Wahrnehmung155. Auch MARTIN
WARNKE vertritt einen eher konservativen Kunstbegriff, wenn er 1986 vor einer
Inflation des Kunstbegriffs mahnt:
„Wenn man alle visuellen Angebote, die mit der Absicht einer Wirkung
hervorgebracht sind, für Gegenstände der Kunstgeschichte hält, dann ist
nicht mehr allein die Entstehung aus einem individuellen Schöpfungsakt,
sondern der Tatbestand einer augensinnlichen Einflußnahme maßgebend.“156
Doch die Kunstgeschichte muß der Tatsache, daß sich die Grenzen ihres
Gegenstandes verwischen, Rechnung tragen. Nach einer langen Tradition eines
exklusiven Kunstbegriffs beginnen wir nach den Erfahrungen der letzten
Jahrzehnte nun allmählich, uns solcher Einschränkungen zu entledigen. Die
ästhetische Distanz, die die Kunstgeschichte aufgebaut hat, ist im Schwinden.
Damit läßt sich aber das Problem nicht leugnen: „Soll die Kunstwissenschaft die
Qualitas-Dimension aufgeben zugunsten eines gleichmacherischen Kunstbegriffs?“157 Diese Prognose ist für HARALD OLBRICH, den Herausgeber der
„Greizer Studien“, zu radikal. Er propagiert nicht Gleichmacherei, sondern
Erweiterung. Die Kunstgeschichte muß sich in ihren Methoden und in ihrer
Quantität öffnen. Sie muß wegkommen vom Eurozentrismus und ihr Interesse
auch stofflich ausweiten, ihr Material vergrößern. OLBRICH verweist auf „einige
Beispiele unerschrockenen kunstwissenschaftlichen Grenzgängertums“158 und
nennt neben WARBURG auch FUCHS. Gerade in den Arbeiten von FUCHS ist ein
frühes Bemühen, sittengeschichtlich-soziologische Kunstgeschichte zu
betreiben, zu sehen. Entsprechend fordert B ORNEMANN eine „mehr ikonographisch-soziologisch statt formal-stilkritisch ausgerichtete, weniger
´klassische´ Kunstgeschichte“.159 Ein solcher Anspruch folgt dem Plädoyer für
154
155
156
157
158
159
56
Vgl.: Harald Olbrich (Hrsg.): Greizer Studien. Materialien und Texte zur visuellen
Alltagskultur, Karikatur, Pressezeichnung und verwandter Bereiche. Greiz 1989 (im
folgenden: Olbrich 1989), S. 5f.
In seinem Aufsatz: Der Kunsthistoriker angesichts des entlaufenen Kunstbegriffs. Entfällt
das Paradigma einer Disziplin? In: Jahrbuch des Zentralinstituts für Kunstgeschichte,
1985, Bd. 1, S. 375-399. Vgl.: Olbrich 1989, S. 6.
Warnke, Martin: Gegenstandsbereiche der Kunstgeschichte. In: Kunstgeschichte. Eine
Einführung. Hrsg. v. Hans Belting / Heinrich Dilly / Wolfgang Kemp / Willibald
Sauerländer / Martin Warnke. Berlin 1985. Zitiert nach: Olbrich 1989, S. 6.
Olbrich 1989, S. 7.
Olbrich 1989, S. 7.
Bornemann 1972, S. 7.
eine methodische Grenzerweiterung, das WARBURG 1920 auf dem Internationalen Kunsthistorikerkongreß in Rom hielt.
Das 1979 an der Universität Hamburg veranstaltete Symposium „Karikaturen Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens“ leitet seinen Titel
von der Maxime WARBURGs ab, den die „wirkungsgeschichtlichen Brechungen
im Alltag, die Funktionen des Bildes als ´Gerät´ in seiner praktischen Anwendung“ interessierten, „weil sie nervöse Auffassungsorgane des
zeitgenössischen inneren und äußeren Lebens sind“160. Die Arbeiten der
Teilnehmer des Symposiums stehen in einer Tradition, „die in Karikaturen
feinnervige Verarbeitungsinstrumente der Wirklichkeit erkennt und in diesem
Kontext ihre künstlerischen Mittel analysiert.“161 Kulturwissenschaftliche
Ambitionen, wie WARBURG sie vorgegeben hat, dienen als Vorbild. Gegenseitige Anstöße der Nachbardisziplinen Geschichte, Ethnologie, Literatur-,
Kultur- und Kunstwissenschaft sind mittlerweile häufiger zu konstatieren.
Insofern befinden sich die Wissenschaften auf dem Weg zur
disziplinüberschreitenden Offenheit, die sich WARBURG gewünscht hatte.
Dennoch bleibt die Karikatur als Forschungsgegenstand der Kunstgeschichte
eine schwer faßbare Sondererscheinung. Noch 1991 sieht sich GURATZSCH im
Vorwort zum Katalog einer Karikaturen-Ausstellung im Wilhelm-BuschMuseum veranlaßt, ausdrücklich zu betonen, daß Karikatur Kunst ist. In der
Anerkennung der Karikatur „allen Diffamierungsversuchen, die ihren Weg
durch die Geschichte begleitet haben“162 zum Trotz, sieht er das Anliegen der
Ausstellung. Und noch 1992 schreibt KOSCHATZKY in seinem Aufsatz zum
Ausstellungskatalog „Fünf Jahrhunderte Zeitkritik“: „Es dürfte nur von wenigen
bezweifelt werden, daß Karikatur auf einer niedrigeren Ebene rangiert als die
hohe Kunst. Mir ist es eine große Freude, mich zu diesen wenigen zu zählen.“163
Es ist offensichtlich, worin sich die Zurückhaltung der Kunsthistoriker
gegenüber der Karikatur begründet. Zumeist sieht sich die Kunstgeschichte
lediglich dann in die Pflicht genommen, die Karikatur zu beachten, wenn sich
„große“ Künstler als Karikaturisten betätigen. Die Kunstgeschichte delegiert die
Erforschung der Karikatur lieber an die Politikwissenschaft oder die
160
161
162
163
Herding, Klaus / Otto, Gunter: Vorwort. In: Nervöse Auffassungsorgane des inneren und
äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979.
Gießen 1980, S. 7-11; hier: S. 8.
Herding 1980, S. 375 (Hervorhebung im Original).
Guratzsch 1991, S. 9.
Koschatzky 1992, S. 11.
57
Geschichtswissenschaft, da es ihr einerseits zu aufwendig ist, die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe zu erarbeiten und andererseits auch
die Mühe gescheut wird, die Karikaturen in ihre Ästhetik einzubauen.164 Gerade
der zeitliche Abstand zu den Ereignissen, auf die die Karikatur Bezug nimmt,
bereitet der Kunstgeschichte Schwierigkeiten. Das Interesse an der Karikatur
schwindet, sobald „uns inzwischen das Objekt der satirischen Begierde
abhanden gekommen ist und die komische Paradoxie zwischen Vorbild und
Zerrbild sich nicht wieder herstellen lassen will“.165
Aus den genannten Gründen ist die bisherige Erforschung der Karikatur vor
allem als Pressezeichnung mangelhaft. Vielleicht sind die Kunsthistoriker ja
tatsächlich noch „zu nah am Geschehen dran, als daß [sie] etwas merkten“ 166,
nämlich daß viele der satirischen Arbeiten Kulturgeschichte mit anderen Mitteln
schreiben. HELMUT GRILL spricht davon, daß erst in Zukunft die kunsthistorische Bedeutung der satirischen Kunst überhaupt (nicht nur die der
Karikatur) erkannt werden wird. Als „Zeitzeugen von starker ethischer
Mahnkraft“ werde die satirische Kunst Eingang in Sammlungen und Museen
finden.167 Doch bislang ist die Grillsche Erkenntnis „Was soll sie [die satirische
Kunst - A.P.] anderes sein als Kunst“168 noch nicht unbedingt bis in die
Wissenschaft vorgedrungen.
1.5.1 Funktion contra Kunst
Bei der Frage nach dem Kunstgehalt von Karikaturen wird in erster Linie das
Argument ihrer Funktionsgebundenheit angeführt. Die Karikatur wird als
„angewandte Kunst“ aufgefaßt, die ihre Legitimation nur aus der Wirkung
bezieht169. Die Karikatur hat offensichtlich eine Funktion und steht somit
Forderungen nach einer Autonomie der Kunst entgegen. So ist für die „Tatsache
164
165
166
167
168
169
58
Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 384.
Nobis, Beatrix: Diabolika mit Verfallsdatum. In: Süddeutsche Zeitung v. 26.11.1991 (im
folgenden: Nobis 1991).
Grill, Helmut: Der gestrichelte Weltschmerz. Spiegelbilder des Zeit-Geistes. In:
Karikatur und Satire. Fünf Jahrhunderte Zeitkritik. Hrsg. v. Walter Koschatzky. Kunsthalle der Hypostiftung München v. 5.6.1992-18.10.1992, S. 28-32 (im folgenden: Grill
1992); hier: S. 32.
Vgl.: Grill 1992, S. 32.
Grill 1992, S. 32.
Vgl.: Guratzsch 1991, S. 13.
einer kaum vorhandenen kunstwissenschaftlichen Bearbeitung von Populärgraphik und Pressezeichnung neben dem Nachwirken eines von der bürgerlichen
Gesellschaft entwickelten ästhetischen Kunstverständnisses“170 die Funktion der
Karikatur verantwortlich zu machen. Ein Anspruch wie „l´art pour l´art“ kann
für den Karikaturisten nicht maßgebend sein - im Gegenteil: sein Bestreben ist
das Engagement, das Erzielen einer Wirkung. Gerade die „fehlende Aura, Kunst
sein zu müssen“171 hat der Karikatur ihre Funktion erleichtert. Sie hat ungestört
unmittelbar Bezug genommen.
Der Karikaturist besitzt nicht die sprichwörtliche künstlerische Freiheit. Die
Eindeutigkeit der Absicht der Karikatur macht es scheinbar schwierig, sie als
Kunst zu deklarieren, so daß sicherheitshalber Unterscheidungen wie „hohe“
und Trivialkunst herangezogen werden. Doch den Aspekt der Funktion als
Ausgrenzungskriterium zu wählen, wird zum Eigentor: Die Karikatur verfährt
nicht anders, als Kunst überhaupt, die nie funktionsfrei ist. Insofern ist die
Bestimmung des Kunstwerkes als ein autonomes zweifelhaft, „denn die
Konsequenz dieser Forderung würde ja alle Auftragskunst ausgrenzen“172. Ein
Objekt aufgrund seiner primären, offensichtlichen Funktionsgebundenheit aus
dem Bereich der Kunst auszugrenzen, ist also ein kunsttheoretischer
Trugschluß.173
Nach den (zweifelhaften) Versuchen der Unterscheidung zwischen der „ernsten“
Kunst und der Karikatur ist auch eine Übereinstimmung zwischen beiden zu
konstatieren, nämlich in der Absicht, eine Aussage zu vermitteln. Lediglich die
Technik, diese zu transportieren, unterscheidet sich.174 Also sind auch auf
anderer Ebene (nicht nur auf der der Funktion) Kunst und Karikatur nicht
widersprüchlich: auf der Ebene des „Könnens“. „Karikatur ist Kunst insoweit,
170
171
172
173
174
Knuth 1979, S. 22.
Knuth 1979, S. 20.
Langemeyer, Gerhard: Einleitung. In: Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in
fünf Jahrhunderten. Hannover, Wilhelm-Busch-Museum v. 7.10.1984-2.1.1985 Hrsg. v.
O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch. Schölzl. München 1984, S. 7-12 (im
folgenden: Langemeyer 1984); hier: S. 10.
Koschatzky sagt dazu: „Und ich weiß auch, daß nicht jedes Alltagsthema, rasch spöttisch
hingekritzelt, künstlerische Bedeutung besitzt. Aber ich bin überzeugt, daß es sie besitzen
kann.“ Koschatzky 1992, S. 11.
Vgl.: Lucie-Smith 1981, S. 11.
59
als Kunst von Können kommt. Karikatur erfordert stets eine in den Dienst eines
bestimmten Zwecks gestellte künstlerische Fähigkeit.“175
1.5.2 Karikatur, Kunst und Können
Da die Karikatur auf der gleichen künstlerischen Anschauung beruht, wie jedes
andere Kunstwerk auch, sie „als Kunstübung die Mittel, Werkzeuge, Fertigkeiten und Beobachtungen des Künstlers erfordert“176, nur ein „Zuviel“ an
bestimmten Merkmalen ihres Gegenstandes darstellt, ist sie gleichberechtigt an
die Seite anderer Kunstgattungen zu stellen. Die künstlerische Versiertheit in der
Technik ist geradezu Voraussetzung, um in der Lage zu sein, das reduktionistische Verfahren anzuwenden.177 Eine Reduktion, wie sie in der aus
wenigen Strichen bestehenden Karikatur gegeben ist, erfordert nicht nur
Abstraktionsfähigkeit, sondern ein hohes zeichnerisches Können. Die Reduktion
gründet sich „auf dem sicheren Fundament üblicher künstlerischer Tätigkeit.
Was als Definition guter Karikatur gelten darf - inhaltliche und formale
Zuspitzung, Konzentration auf das Wesentliche, schlagbildartige Ausdrucksweise -, gilt gemeinhin auch als Indiz für künstlerische Qualität.“178 Da der
Karikaturist bewußt die herkömmlichen Kunstregeln mißachtet, ist seine
„Kritzelei“ Methode. Der „Kritzel-Stil“ (die aus wenigen Strichen bestehende
Zeichnung) wird zum Signal für satirische Absichten. Seine Unbedarftheit ist
nur scheinbar, „tatsächlich aber ein ausgewähltes künstlerisches Mittel. Daß sich
eine komische Kunst das Medium der Schnellzeichnung wählt, bietet sich an:
„Es gibt viele komische Zeichnungen, wenige komische Ölbilder, kaum
komische Plastiken. Offenbar besteht eine Relation zwischen Arbeitsaufwand und Effekt - für einen Lacher lohnt es sich nicht, monatelang an
175
176
177
178
60
Schwalbe, Hans-Hermann: Die Grundlagen für die publizistische Bedeutung der
Karikatur in Deutschland. (Diss.) Berlin 1937 (im folgenden: Schwalbe 1937), S. 24.
Heuss 1910/1963, S. 170.
„Wenn er [Rembrandt] nicht zum Beispiel die Darstellung schimmernder Goldborten,
wie sie zu seiner Zeit die festliche Kleidung verzierten, bis ins minuziöseste Detail
beherrscht hätte, hätte er niemals darangehen können, herauszufinden, wieviel er
weglassen durfte, falls nur der Beschauer gewillt war, ihm auf halbem Wege entgegenzukommen. Auf dem berühmten Bildnis seines kunstverständigen Gönners Jan Six
genügte schließlich ein einziger Pinselstrich, um den Betrachter eine Goldborte sehen zu
machen, aber bis diese an Zauberei grenzende Vereinfachung gelang, werden wohl
ungezählte Versuche nötig gewesen sein!“ Gombrich 1978, S. 365.
Langemeyer 1984, S. 10.
einem Stein herumzuhämmern. Auch bei komischen Ölbildern stört der
mangelnde Sinn für Ökonomie. Den pinkelnden und greinenden, vom
Adler entführten ´Ganymed´ hätte Rembrandt billiger haben können. Eine
Zeichnung hätte es auch getan.“179
Die Zeichnung BERNINIs vom Kardinal Scipione (Abb. 2) ist ein Beispiel dafür,
daß die schnell gezeichnete Form nicht die Suche nach der festen Gestalt,
sondern das Ziel ist. Während eine Skizze eine vorläufige Form ist, ist die
Karikatur die endgültige. Ausgehend von der reduktionistischen und stark
verfremdeten Porträtkarikatur, die ein Blatt für sich allein in Anspruch nimmt
und deshalb am Beginn der Selbständigkeit der Karikatur steht, wird der
„Kritzel-Stil“ schließlich zum Charakteristikum der Karikaturen. Die Zeichnung
in wenigen Strichen ist nur vermeintlich primitiv, tatsächlich aber ein Ausdruck
neuer künstlerischer Freiheiten, rein subjektiv darzustellen. KRIS und GOMBRICH
haben dargelegt, wie künstlerisch diese „Primitivität“ ist und mit welcher Mühe
sie in der Geschichte des künstlerischen Schaffens erworben wurde.180 Nicht
zuletzt die zeichnerischen Ansprüche, denen der Karikaturist genügen muß, um
die hohen Erwartungen des Rezipienten an eine geistreiche Formulierung und
einen besonderen Witz des Einfalls zu decken, verlangen nach einer
Überwindung der „spätbürgerlichen Aufspaltung in eine sogenannte
anspruchslose, unterhaltende und in eine sogenannte anspruchsvolle Kunst“181.
1.5.3 Die Karikatur als Wegbereiterin moderner Kunststile
Ein weiterer Aspekt, der zur Nobilitierung der Karikatur beiträgt, ist ihre
Vorreiterfunktion bezüglich innovativer Darstellungsformen, die später Eingang
in die avantgardistische Kunst finden. Wie bereits FUCHS bemerkte, kommt der
Karikatur das Verdienst zu, Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts den Boden
bereitet zu haben. HOFMANN greift diese These auf und wendet sie auf die
einzelnen Kunststile des 20. Jahrhunderts an: Die genaue Wirklichkeitsbeobachtung, die der Karikatur zugrunde liegt, bereitet im 19. Jahrhundert den
Realismus vor. So wie Motive, die die Karikatur der Alltagswelt entleiht, bei
Realisten und Impressionisten wieder auftauchen, so ist das Übersteigerte und
179
180
181
Gernhardt 1987, S. 385.
Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 341.
Olbrich, Harald: Karikatur heute. In: Bildende Kunst. Sonderheft 1974, S. 470-472 (im
folgenden: Olbrich 1974); hier: S. 472.
61
Extreme, das in der Karikatur erst zum Ausdrucksträger wurde, im
Expressionismus wieder anzutreffen. Schließlich läutete die Karikatur mit ihrer
Art, Merkmale zu Formzeichen zu reduzieren, die abstrakte Kunst ein.182 Die
Karikatur bringt ein neues Formempfinden mit sich, denn das Abkürzungsverfahren des Karikaturisten bedeutet Reduzierung auf elementare Formen. Dies
ist „das Ausdrucksmittel eines neuen Kunstwollens, dessen Ziel die Verdichtung
der Erscheinungswelt zur Ausdrucksformel sein wird“183. Zur Charakterisierung
des Wesentlichen der Karikatur hat HOFMANN das Wort von der „Umsetzung
der Wirklichkeit in die Chiffre“184 geprägt. Bedingungen hierfür sind gleichermaßen die Fähigkeit des Karikaturisten zur Wahrnehmung der Realität und zur
Abstraktion.
Während in den 50er Jahren von HOFMANN die Rolle der Karikatur bezüglich
der Kunststile der klassischen Moderne aufgezeigt wird, verdeutlicht Ende der
80er Jahre der amerikanische Künstler MIKE KELLEY ihre Relevanz für die
jüngsten Tendenzen in der Kunst. Er spürt die Prinzipien der Karikatur nicht nur
bei den Expressionisten oder Konstruktivisten auf, sondern auch in der zeitgenössischen Kunst und betont somit die Bedeutung dieser „essentials“ für die
Kunst überhaupt. Dies ist auch für KELLEY Anlaß, darauf hinzuweisen, daß eine
Unterscheidung zwischen „hoher“ und „niedriger“ Kunst nicht zulässig ist.185
1.5.4 Die Karikatur als Pressezeichnung
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts, mit dem technisch vollentwickelten Verfahren
der Lithographie (1798 von ALOIS SENEFELDER erfunden), das eine schnelle und
preiswerte Möglichkeit bietet, Drucke in unbegrenzter Auflagenhöhe zu
reproduzieren, etabliert sich die Karikatur in der Presse. Durch die Lithographie
ist für den Künstler eine Methode geschaffen, direkt mit Pinsel, Feder oder
Kreide auf dem Stein als Druckträger zu arbeiten und damit seinen Entwurf
182
183
184
185
62
Vgl.: Hofmann 1953, S. 950 und vgl.: Hofmann 1956, S. 55-57.
Hofmann 1956, S. 54. Die Einschätzung der Vorreiterfunktion der Karikatur für die
moderne Kunst wird 1957 von Schmied wieder angesprochen. Ausführlich macht er die
Auswirkung der „Errungenschaften“ der Karikatur auf die einzelnen „Ismen“ der
modernen Kunst deutlich. Vgl.: Schmied 1957, S. 733f.
Hofmann 1956, S. 54.
Vgl.: Kelley, Mike: Foul perfection: Thoughts on caricature. In: Artforum, Jg. 27, 1989,
Nr. 5, S. 92-99.
zügig umzusetzen und so ein spontanes Reagieren auf tagespolitische
Geschehnisse zu gewährleisten.
Der von LOUIS JACQUES MANDÉ DAGUERRE und JOSEPH NICÉPHORE NIEPCE
1839 entwickelte chemisch-optische Vorgang der Daguerreotypie ermöglicht
abermals eine wesentlich einfachere Reproduktion von Vorlagen, initiiert den
offset-Druck und beschleunigt die Entwicklung von Zeitschriften zu
Massenmedien. In der Presse kann die Graphik ihre Möglichkeiten der
Kommunikation optimal ausnutzen: Sie erreicht den einzelnen und die Menge
gleichermaßen. Das Zeitungswesen, das seine Käuferschaft aus dem Bürgertum
rekrutiert, boomt. Es werden sogar Zeitschriften gegründet, die ausschließlich
der Karikatur gewidmet sind. Künstler werden zu Berufskarikaturisten.
Zunächst in England (wo das Recht auf freie Meinungsäußerung 1689 als eines
der Grundrechte in der Bill of Rights garantiert wird, nachdem das englische
Bürgertum sich seine Rechte erstritten hat) und in Frankreich (wo im Zuge der
Revolution von 1789 ebenfalls die Grundrechte und mit ihnen die
Meinungsfreiheit verankert werden) und schließlich etwas zögerlich im
deutschen Sprachraum (wo weniger liberale Tendenzen, dafür eine rigidere
Zensur herrschen) entfaltet sich die Karikatur in ihrer Symbiose mit dem
Journalismus, der ihr eine größtmögliche Verbreitung bietet, zum politischen
Kampfmittel. Doch die Geschichte der satirischen Presse ist begleitet von immer
wiederkehrender Unterdrückung ihrer Rechte.186
Bis zum Zweiten Weltkrieg ist die Karikatur in Deutschland hauptsächlich in
der satirischen Presse vertreten. In der Nachkriegszeit ändert sich das. Nach dem
Vorbild des angelsächsischen „editorial cartoons“, der mit der britischen
Besatzungsmacht nach Deutschland kommt, bildet sich die redaktionelle
Karikatur heraus, die in der Tagespresse aktuelle Ereignisse kommentiert. Die
186
Es sei an dieser Stelle auf Arbeiten verwiesen, die sich mit der Zensur beschäftigen und
die zumeist frühe satirische Zeitschriften des 19. Jahrhunderts untersuchen: Vgl.:
Wendel, Friedrich: Das neunzehnte Jahrhundert in der Karikatur. Berlin 1925 · Max,
Hubert: Die Satire in der französischen Publizistik unter besonderer Berücksichtigung
des französischen Witzblattes. Die Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahre 1880.
(Schriftenreihe Zeitung und Leben, Bd. 7). Hrsg. v. Karl d´Ester. München 1934 · Piltz,
Georg: Die Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976 · Kiel-Remer,
Margarete: Die liberale Epoche Louis-Philippes (1830-1835) im Spiegel kritischer
Werke Barbiers, Daumiers, Dumas´ und Stendhals. (Diss.) Würzburg 1977 · BayerKlötzer, Eva-Susanne: Die Tendenzen der französischen Karikatur 1830-1848. (Diss.)
Würzburg 1980 · Bilderwelten I. Satirische Illustrationen aus der Sammlung von
Kritter. Dortmund, Museum für Kunst und Kulturgeschichte. 1986.
63
Karikaturisten wenden sich verstärkt an die breite Öffentlichkeit. Sie finden ihr
Forum in den für sie reservierten Plätzen der großen überregionalen Zeitungen
und Magazine, der sogenannten opinion press. Fast jede Zeitung „hält“ sich
mindestens einen Karikaturisten.
Der Anspruch des Zeichners an die Rezeption ist bei der Karikatur im Vergleich
zu anderen künstlerischen Produkten eine Besonderheit, da das Motiv der
Verbreitung maßgebend ist. Soll die Karikatur in einer Zeitung gedruckt werden,
muß sie den technischen und formalen Anforderungen des Mediums Folge
leisten. Die künstlerische Freiheit des Zeichners ist damit eingeschränkt.
Reduziert ist diese Freiheit auch durch die Notwendigkeit der tagespolitischen
Brisanz des Themas. Dieser Umstand beschert der Karikatur den Ruf, sie habe
nur eine kurze Haltbarkeit, ihr künstlerischer Ausdruck sei nicht von Dauer, sie
teile „die Kurzlebigkeit als ein Charakteristikum alles in Zeitungen
Gedruckten“187. Ihr könne keine Dauerhaftigkeit beschieden sein, denn da sie der
Gegenwart gelte, trage „jedes dieser gezeichneten Diabolika sein Verfallsdatum
mit sich“188. In diesem Zusammenhang ist das Bild von der „Marsriegel-Schule“
treffend, die die Position vertritt, Karikaturen seien - wie der Verzehr eines
Schoko-Riegels - ein „Ex-und-hopp-Amüsement“189. Die durch den zeitlichen
Abstand verschleierte oder gar unzugängliche Aussage eines Kunstwerks ist
jedoch in der Kunstwissenschaft allgegenwärtig und nicht nur auf politische
Karikaturen zu beziehen.
Dennoch kann die Karikatur als Kunstwerk über den Tag hinaus Bedeutung
gewinnen. Ein Fall, der für die Unsterblichkeit steht, die eine Pressezeichnung
erlangen kann, ist die Karikatur „Dropping The Pilot“ von JOHN TENNIEL (18201914), die 1890 in dem englischen Satiremagazin Punch erschien (Abb. 9). Das
Motiv dieses Druckes wurde dermaßen oft zitiert, daß das Wilhelm-BuschMuseum in Hannover zum 100. Geburtstag der Karikatur sogar eine Ausstellung
veranstaltete, die eigens der Rezeption dieser Karikatur gewidmet war.190. Das
Thema „Der Lotse geht von Bord“ begegnet einem auch in der gegenwärtigen
Karikatur immer wieder. Um eine jüngere Variante des Sujets als Beispiel für
187
188
189
190
64
Lucie-Smith 1981, S. 13.
Nobis 1991, o.S.
Husemann 1993, S. 20.
Vgl.: „Zum 100. Geburtstag der Karikatur ´Der Lotse geht von Bord´“. Wilhelm-BuschMuseum Hannover v. 11.11.1990-20.1.1991. Bielefeld 1990. Zu Beispielen von Zitaten
der Karikatur Tenniels vgl. auch Schneider 1988, S. 41, 107 und 109 und vgl. Smula,
Hans-Jürgen: Der Lotse geht von Bord. Karikatur als historisches Zitat. In: Geschichte
lernen, 1990, Nr. 18, S. 46-52.
die ungebrochene Adaption der Tennielschen Bildfindung zu zeigen, mag hier
eine Zeichnung des Berliner Karikaturisten KLAUS STUTTMANN dienen (Abb.
10).191 Der Untertitel der Karikatur „Der Lotse verläßt das Boot“ ist ein direktes
Zitat und nimmt somit eindeutig Bezug auf TENNIEL - allerdings nur inhaltlich.
Formal ist die Szene modifiziert. Der Titel der Karikatur TENNIELs wurde zum
„geflügelten Wort“.192 Das Beispiel dieses Motivs zeigt, daß die Karikatur
genauso ikonographische Traditionen und Modifikationen aufweist, wie die
Kunst überhaupt, trotz des tagespolitischen Bezugs der Zeichnung.
1.5.5 Der Karikaturist als Künstler
Im Gegensatz zum „freien“ Künstler hat der Karikaturist mehr oder weniger
regelmäßig seinen Auftrag zu erfüllen und seine Arbeiten dem Verleger oder
Redakteur abzuliefern. Der Wandel in der Bestimmung der Karikatur läßt sich
mit den Worten HEUSS´ ausdrücken: „was vorher die Betätigung einer freien
Laune war, die sich Objekt und Stimmung frei aussuchte, kommt nun in ein
Geschäftssystem“193. Der Karikaturist muß sich an redaktionellen Vorgaben
orientieren; seine Zeichnung muß erst vom Chefredakteur „abgenommen“
werden, der sie unter identikativen oder juristischen Bedenken disqualifizieren
kann, denn der Beitrag soll beim Leser „ankommen“; er soll nicht verprellt
werden.
Die Karikaturisten besitzen in der deutschen Presselandschaft einen relativ
niedrigen Rang. Der Vergleich mit Honoraren, die Kollegen im Ausland
beziehen, zeigt, daß der Karikaturist in unserem Land am unteren Ende der
Journalistenhierarchie angesiedelt ist. Außerdem findet sich in den Impressen
kein Hinweis auf Urheberrechte ihrer Produkte, wie es doch beispielsweise für
Photographien üblich ist. Diese Indizien für die stiefmütterliche Behandlung der
191
192
193
Sie illustriert einen Artikel der „taz“ vom 27. Januar 1995, der sich mit der Zukunft der
FDP auseinandersetzt. Hier ist zwar auch ein Boot dargestellt, das ist aber bereits bis zum
Meeresgrund gesunken, und Klaus Kinkel verläßt keineswegs aus freier Überlegung
heraus das Boot (wie Bismarck), sondern versucht, sich an die Oberfläche zu retten.
So ist am 1. Mai 1992 in der Wochenzeitung „Die Zeit“ der Leitartikel über Genschers
Rücktritt mit diesem Karikaturtitel überschrieben. Vgl.: Sommer, Theo: Der Lotse geht
von Bord. In: Die Zeit, Nr. 19 v. 1.5.1992, Titelseite. Entsprechend betitelt ist auch in der
„Frankfurter Rundschau“ vom 24. Juni 1995 ein Artikel über den Rücktritt des britischen
Außenministers Douglas Hurd. Vgl.: Frankfurter Rundschau, Nr. 144 v. 24.6.1995, S. 3.
Heuss 1910/1963, S. 175.
65
Zeichner bestätigt der Karikaturist FRITZ WOLF, der seine eigene Position
innerhalb des Journalisten-Kollegiums als „Pausenclown“ charakterisiert.194
So in die Kategorien des Journalismus integriert, zeigt die Arbeit des
Karikaturisten zunächst Parallelen zu der des Journalisten. Zwar schafft der
Karikaturist ein journalistisches und ein künstlerisches Produkt zugleich,
dennoch ist er eindeutig nicht als Journalist, sondern als Künstler zu begreifen.
Sein Metier ist die Schnellzeichnung, die eigenen Gestaltungsprinzipien
unterworfen ist und sich nicht mit zeitgenössischen Trends in der Kunst
vergleichen läßt. Doch die Verarbeitung des Themas in der Karikatur ist von der
Findung der Bildidee bis zur technischen Ausführung künstlerisch.195 Und wie
jeder Künstler muß auch der Karikaturist über gewisse psychologische
Fähigkeiten verfügen:
„Der große Karikaturist bedarf der Intuition wie der echte Künstler; durch
eine einzige Linie vermag er eine Seele zu entlarven. [...] er vermag - noch
mehr - das Wesen eines Menschen zu erhellen, indem er es in einen
historischen Bereich hinüberdeutet, mit dem jener in seiner Wirklichkeit
nichts zu schaffen hat, vielleicht aber in einer höheren Sphäre der
Wahrheit.“196
Auch dem Karikaturisten selbst werden (in Analogie zur langen Tradition von
Künstlerlegenden) gewisse psychische Merkmale unterstellt. Sie „machen“ ihn
erst zum Karikaturisten:
„Er ist höhnisch und menschenfeindlich und geht durch die Welt mit dem
Willen, in jeder Seele den Keim des Schlechten und des Widerlichen zu
finden [...] Es liegt eine gewisse unheimliche Versuchung darin, sich
beständig mit den Menschen zu beschäftigen, nicht mit Gegenständen, mit
Gedanken, mit der Natur - der Karikaturist ist dieser Gefahr ganz verfallen.
[...] Und mit der Welt zerstört er sich selbst in Hohn und Haß.“197
194
195
196
197
66
Vgl.: Hachfeld, Rainer: Die Pausenclowns. In: die tageszeitung v. 17.4.1996 (im
folgenden: Hachfeld 1996), S. 15.
Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich der Frage, wer Karikaturist wird, lassen sich nicht
aufstellen. Nach einer Recherche von Bornemann haben fünfzig von achtzig Karikaturisten der Gegenwart eine Ausbildung in einem künstlerischen Metier abgeschlossen,
elf ein Architekturstudium, neun ein anderes Hochschulstudium und wiederum neun eine
vollkommen anderes geartete Ausbildung. Vgl.: Bornemann 1972, S. 16. Häufig sind die
Karikaturisten Autodidakten oder sie absolvierten eine Schule für angewandte Kunst.
Weniger häufig besuchten sie eine Akademie der Schönen Künste. Vgl.: Bohne 1972,
o.S.
Lucka, Emil: Vom Sinn der Karikatur. In: Deutsche Allgemeine Zeitung v. 21.11.1926
(im folgenden: Lucka 1926), o.S.
Lucka 1926, o.S.
Ebenfalls um die Psyche des Karikaturisten - allerdings mit einer abweichenden
Auffassung - geht es auch, wenn ihm ein besonderer Idealismus angedichtet
wird.198 Demnach wäre der Reiz des Widerspruchs zu konstatierten Mißständen
der Motor der „Berufung“ des Karikaturisten. Was er in seiner Umwelt wahrnimmt, widerspricht seinem Ideal und fordert seinen Einwand heraus, der sich
dann in der verzerrenden Zeichnung entlädt. Dann bedarf der Karikaturist aber
auch des Glaubens an die Erziehbarkeit der Menschen als Voraussetzung, um zu
einer besseren Welt gelangen zu können. Dieser Optimismus, die persönlichen
Erkenntnisse in Form der Karikatur an andere weiterzugeben, kann als Motivation der Karikaturisten aufgefaßt werden. Gerade der Konflikt zwischen Ideal
und Realität, zwischen seiner Auffassung und seiner Umwelt, gebiert nach
dieser Vorstellung den Karikaturisten. Das Zeichnen von Karikaturen wird zum
Befreiungsakt aus diesem Dilemma.199 Die Einschätzungen der psychischen
Motive des Karikaturisten reichen also von der Auffassung, er sei ein
Misanthrop, bis dahin, er sei der Idealist schlechthin.200
Als besondere Fähigkeit des Karikaturisten gilt sein Vermögen, das jeweils
Wesentliche einer Erscheinung erfassen und dies in einem Kürzel reduziert
wiedergeben zu können. Dazu bedarf es eines geschulten Blicks für das
Charakteristische des betrachteten Gegenstandes und der Vorstellungskraft, wie
die überspitzte Interpretation des Geschauten in der Zeichnung verwirklicht
werden soll. Unabhängig davon muß der Karikaturist die Publikumswirksamkeit
seiner Zeichnung bedenken. Mit diesen gestalterischen Problemen muß sich der
Karikaturist genauso beschäftigen, wie jeder andere Künstler auch. Nicht nur
nach der Qualität des zeichnerischen Handwerks sind die Karikaturen zu
beurteilen, sondern unabhängig davon auch nach der Verarbeitung der Idee. Es
besteht die Forderung an die Karikatur, daß sie eine intellektuelle Erwartung
198
199
200
So heißt es beispielsweise in einer Ausstellungsbesprechung von 1927: „Denn im Grunde
sind diese Karikaturisten fast alle, die großen mehr, die kleinen weniger, heimliche Idealisten, vielleicht echtere Idealisten als mancher andere, der es nur aus Bequemlichkeit
ist.“ „Meister der Karikatur seit 1800“. Ausstellungsbesprechung in: Hannoverscher
Anzeiger, Nr. 237, v. 9.10.1927.
Vgl.: Nemitz, Fritz: Vom Wesen der Karikatur. In: Illustrierte Zeitung, Nr. 4421, 1929, S,
796.
Auffallend ist, daß gerade in den 20er Jahren Autoren über die psychischen Dispositionen
des Karikaturisten spekulieren - allerdings nur im Rahmen von einzelnen Zeitungsartikeln und nicht im Sinne größerer wissenschaftlicher Arbeiten.
67
erfüllt.201 Neben die zeichnerische Gestaltung der Linien und des Bildaufbaus
tritt die Komponente der Originalität und Witzigkeit des Einfalls.
Die Kreation der Karikatur ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit eines
Künstlers, denn der Karikaturist schafft Formeln, die eine Eigendynamik
gewinnen, d.h. sie werden zu Symbolen, derer andere Karikaturisten sich
bedienen. Die Kollegen schöpfen gleichsam aus einem Fonds an Formen,
Gestalten und Symbolen, die - einmal erfunden - eine Tradition begründen.
Hinzu kommt, daß der Karikaturist die Formen vereinfacht, er reduziert das
Geschaute auf wenige Striche, und „eben darum ist seine Kunst, sobald deren
Verfahren aufgedeckt ist, ´entzaubert´ und kann in Lehrbüchern kodifiziert
werden.“202 Traktate zum Lehren dieser Technik vergleicht HOFMANN mit
Rezeptbüchern. Zwar ist die Karikatur an sich ein Widerspruch zur Ästhetik des
Schönen und ein Protest gegen deren Gesetzmäßigkeiten, sie hat allerdings ihre
eigenen. Sie erfindet im Protest eine Norm, „in der ihre Formensprache mit einer
verbindlichen Grammatik versehen wird.“203
1.5.6 Karikatur und Stil
Für die Angewohnheit der Kunstgeschichte, die Kunst in Stilepochen mit ihren
„Ismen“ einzuteilen, ist die Karikatur ungeeignet. Eine Stilentwicklung, adäquat
der ansonsten in der Kunst sich vollziehenden, ist bei der Karikatur nur latent
vorhanden, weil ihre jeweilige Ausdrucksform sich nach dem Zweck richtet und
deshalb eine gewisse Unabhängigkeit von zeitgenössischen Stilrichtungen zeigt.
Losgelöst von Stilkategorien lassen sich aus dem karikaturistischen Tun
einzelne „Handschriften“ herauskristallisieren.204 Künstler wie DAUMIER oder
GUSTAVE DORÉ (1832-1883) unterscheiden sich durch ihren eigenen Stil von
201
202
203
204
68
Vgl.: Guratzsch 1991, S. 13.
Hofmann 1984, S. 369.
Hofmann 1984, S. 369. Schon Fuchs hatte von der der Karikatur eigenen Sprache und
von der ihr eigenen Grammatik gesprochen.
Zur Erläuterung, was unter dem Begriff „Handschrift“ zu verstehen ist: „Handschrift des
Künstlers nennt man die seinen Werken eigentüml. techn. und v.a. formalen Besonderheiten, in denen Zeittypisches, spezifisch techn. Möglichkeiten und der bes. Ausdruck
des Künstlers zusammenfließen. [...] Die H[andschrift] d[es] K[ünstlers] hat zeitbedingte
Elemente, die dem allg. Stand der künstler. Wiedergabe entsprechen (vermittelt durch
Schule oder Werkstatt), stellt jedoch eine individuelle Modifikation dar.“ Lexikon der
Kunst 1991, S. 122.
anderen Zeichnern.205 Die Skala des Ausdrucks reicht von dem mehr oder
weniger „naiven“ Kritzelstil bis zur expressiven oder sogar manierierten
Linienführung.
Will man die Karikaturen innerhalb ihres Genres verschiedenen Stilkategorien
zuordnen206, so lassen sich verschiedene Umgangsweisen mit der Linienführung
unterscheiden: DAUMIER läutet den „dynamischen Stil“ ein (Abb. 11), der sich
durch einen Wechsel von schwungvollen Linien und Flächen auszeichnet. Vor
allem künstlerischen Ansprüchen verpflichtet ist der „ästhetisch-betonte Stil“,
der vorzugsweise von Simplicissimus-Zeichnern wie BRUNO PAUL (1874-1966)
und OLAF GULBRANSSON (1873-1958) vertreten wurde (Abb. 12). Der virtuose,
teilweise ornamentale Umgang mit Linie und Bildaufbau lassen die
zeichnerische Qualität vor der Aussage dominieren.207 Auf Verzerrung und
Abstraktion verzichtet der „naturalistische Stil“. Er stellt seinen Gegenstand in
einer veristischen Zeichnung dar. Dieser Stil wird zumeist in PositivKarikaturen favorisiert, so z.B. während des Nationalsozialismus von OSKAR
GARVENS (1874-1951, Abb. 66) oder in ideologisch motivierten kommunistischen Karikaturen.208 ALFRED KUBIN (1877-1959) und ANDREAS PAUL WEBER
(1893-1980) sind Protagonisten eines Stils, der erst in einem verwirrenden und
bizarren horrorvacui der Striche den Ausdruck findet. Mit diesem „groteskverwirrenden Stil“ suchen die Zeichner den Inhalt zu ergänzen, ein Gefühl des
Unheimlichen zu vermitteln und eine mahnende Wirkung zu entfalten (Abb.
266). Auch die Photomontage ist ein häufig vertretener Karikatur-Stil, der,
durch Da-Da beeinflußt, in den 20er Jahren als Collage von Photographien
und/oder Zeichnungen aufkommt. JOHN HEARTFIELD (Pseudonym für
205
206
207
208
Die Handschrift eines Karikaturisten kann sogar zum politischen Programm werden: „Es
fällt auf, daß die Zeichner der nationalsozialistischen Brennessel, die im Kopieren nicht
kleinlich waren und viele Arbeiten (selbst Zeichnungen der Käthe Kollwitz) inhaltlich
umfunktionierten, den Stil von George Grosz nicht nachahmten. Offensichtlich ist Grosz´
Strich so charakteristisch, daß er schon unabhängig vom Inhalt den Lesern der damaligen
Zeit seine sozialistische Parteinahme vermittelte. Ähnliches trifft wohl auf einen der
Hauptzeichner des sozialistischen Wahren Jakob der Weimarer Zeit, Karl Holtz, zu.
Auch seine Handschrift ist charakteristisch, und sicher liegt hier der Grund, warum Holtz
selbst unpolitisch humoristische Zeichnungen im Simplicissimus des Dritten Reiches
nicht veröffentlichen durfte.“ Grünewald 1979, S. 110 (Hervorhebung im Original).
Vgl.: Grünewald 1979, S. 112ff. Auch Reumann vollzieht eine solche Einteilung. Vgl.:
Reumann, Kurt: Das antithetische Kampfbild. Beiträge zur Bestimmung seines Wesens
und seiner Wirkung. (Diss.) Berlin 1966 (im folgenden: Reumann 1966).
Vgl.: Grünewald 1979, S. 114.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 116.
69
HELLMUTH FRANZ JOSEPH HERZFELD209, 1891-1968) machte die Technik der
Photomontage zum Ausdrucksmittel seiner Karikaturen (Abb. 135 und Abb.
240)210. Seine Nachfolge hat er heute z.B. in den Arbeiten des Graphikers KLAUS
STAECK gefunden, dessen Spezialität politische Plakate sind. Aber auch
Magazine wie Der Spiegel, Der Stern und Focus zeigen häufig karikierende
Photomontagen als Titelbilder. Ihre Wirkung zieht die Photomontage aus der
Verfremdung von Dokumentarphotos bekannter Personen. Damit färbt auf die
Karikatur die Authentizität ab, die dem Photo unterstellt wird.211
Während im 19. Jahrhundert die Karikaturen noch vergleichsweise detailreich
ausgeführt waren, sind die Zerrbilder unserer Zeit asketischer gezeichnet. In der
Pressezeichnung begegnen wir dem Stil, der einerseits drucktechnisch die
ökonomischste Variante ist und andererseits einem kritisch-analysierenden
Schlagzeilencharakter entspricht: dem „kurzschriftartigen Stil“. Details und
Nebensächlichkeiten gänzlich weglassend, streben die heutigen Karikaturisten
nach einer graphischen Reduktion und Vereinfachung der Linien.212 Die farbige
Karikatur ist in diesem Metier nicht anzutreffen. Es besteht eine gewisse
Notwendigkeit des Pressezeichners, sich einen schematisierten Stil zuzulegen,
um schnell auf Ereignisse reagieren zu können und um in der Tagespresse
aktuell zu sein.
Der Karikaturist zeichnet zunächst (mit Zeichenstift, Feder, Kreide, Tusche,
mittels Computermau, „touchscreen“ oder wie es ihm ansonsten beliebt) einen
Entwurf, der (meist in mehreren Stationen) zur Reproduktionsvorlage heranreift.
Der Pressezeichner stellt heute selbst keine Druckplatte her. Die Zeichnung wird
nicht von ihm selbst reproduziert, sondern als Druckvorlage in ein
209
210
211
212
70
Er anglisierte seinen Namen aus Protest gegen den deutschen Chauvinismus. Vgl.:
Flemig, Kurt: Karikaturisten-Lexikon. München 1993 (im folgenden: Flemig 1993), S.
110.
Die gleiche Technik verwandte der Photograph Erwin Blumenfeld, ein Zeitgenosse
Heartfields, der zwar nicht als Karikaturist zu begreifen ist, der aber ebenfalls mittels
Photomontage die Absicht hatte, „das Unsichtbare sichtbar“ zu machen, und dessen
Hitler-Portät, das hinter dem Konterfei des Diktators einen verwesenden Schädel zum
Vorschein kommen läßt, von den Alliierten 1943 als Flugblatt in ihrer Anti-HitlerPropaganda eingesetzt wurde. Vgl.: Ihle, Pascal: Ikonen des Grauens - die Hitler-Bilder
von Erwin Blumenfeld. In: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 58 v. 11.3.1997, S. 32.
„Unser Vorurteil, das Foto dokumentiere Wirklichkeit, wird partiell auf die Collage
übertragen. So wird die Interpretation und Kritik der Fotosatire in ihrem Wahrheitsanspruch verstärkt. Dokumentationspartikel der Realität vermitteln zusammengefügt den
Blick hinter die gewohnte Fassade.“ Grünewald 1979, S. 116.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 113.
Druckklischee umgesetzt. Egal, ob die Zeichnung dem Computer direkt via
Datenübertragung eingespeist wird, oder ob sie zuerst noch gescannt werden
muß, der Druckcomputer verfährt mit den ihm eingegebenen Daten gleich: Mit
den gespeicherten Daten steuert dieser Computer eine Laserdiode, die die
Tonwerte photoelektrisch von der Zeichnung abtastet und in die Druckplatten
jene winzigen Vertiefungen einbrennt, die dann die Druckfarbe auf das Papier
übertragen (bei einzelnen Systemen sind sogar die Druckplatten überflüssig; sie
arbeiten - ähnlich wie Kopierer - mit Toner, der zunächst auf eine Trommel und
dann auf das Papier übertragen wird). Zur Reproduktion in der Zeitung wird die
Vorlage des Karikaturisten auf ein passendes Maß verkleinert maschinell in ein
Kunststoffklischee graviert, wobei die ganz feinen Striche verlorengehen. Dieses
Offset-Druck-Verfahren vermag es nicht, Tonwerte wiederzugeben. Dazu bedarf
es der wesentlich aufwendigeren Autotypie (Rasterätzung). Die Zwischentöne in
der Zeichnung - wie die Lithographie sie noch vorweisen kann - fallen weg; der
Schwarz-Weiß-Kontrast und die scharfe Linie sind dominierende Träger der
Darstellung. Genau dieser Zustand, den an der kräftigen Zeichnung orientierten
Druck, wird von HEYNOWSKI als das eigentliche künstlerische Original
bezeichnet: „Das eigentliche Original deshalb, weil es die Qualität der
hunderttausendfachen Reproduktion in der Presse und damit die Wirksamkeit
der Zeichnung bestimmt.“213
Das Reproduktionsverfahren der Zeitungspresse bestimmt die Drucktechnik, in
der die Vorlage des Zeichners umgesetzt wird. Damit kann sich der Karikaturist
die Drucktechnik mitsamt der Charakteristika ihrer Produkte nicht wie ein
„freier“ Graphiker aussuchen, wodurch sein graphisch-künstlerischer Spielraum
enger ist. Er kann nicht aus unterschiedlichen „Ausdruckssprachen“ diverser
technischer Medien wie Radierung, Holzschnitt, Lithographie etc. wählen.
Deshalb kann es bei der Beurteilung von Karikaturen nicht darum gehen, die
ihnen inhärente zeichnerische Qualität gegen andere zeichnerische Produkte der
historischen oder der „hohen“ Kunst auszuspielen.
Die Frage nach der künstlerischen „Handschrift“ ist in diesem Rahmen der
technischen Bedingungen und der Gebundenheit an Aktualität eine besondere.
Was die sogenannten „zeitbedingten Elemente“ einer „Handschrift“ anbelangt,
lassen sich Gemeinsamkeiten im Zeichenstil der Pressegraphiken schon durch
ihr reduktionistisches Verfahren konstatieren. Dennoch sind ihre Produkte
keineswegs gleich, sondern eine „Handschrift“ ist an ihnen ablesbar. Für den
213
Heynowski 1955, o. S.
71
Karikaturisten besteht sogar eine Notwendigkeit, sich durch einen
unverwechselbaren Stil bzw. einen für ihn typischen „Strich“ einen „Namen“
aufzubauen als Erkennungsmerkmal. Das Entwickeln von Identifikationsmerkmalen oder „Markenzeichen“ ist Voraussetzung für den Bekanntheitsgrad
des Zeichners. In der Identifizierbarkeit der Karikatur liegt der Gradmesser nicht
nur für den existentiellen Erfolg des Zeichners, sondern auch für die
Wirksamkeit seiner Zeichnungen.214
Für SCHWALBE ist nicht die künstlerische Form bei der Karikatur das
Entscheidende. Sie ist lediglich „würzende Beigabe“. Die Karikatur kann
„künstlerisch wertvoll“ sein, muß es aber nicht, denn das künstlerische Niveau
ist nicht ausschlaggebend für die Absicht und ihre Wirkung.215 In bezug auf die
publizistische Funktion der Karikatur kann ein künstlerischer Anspruch sogar
eher hinderlich sein, weshalb ästhetische Kriterien kein Maßstab für die Qualität
einer Karikatur sind. Deshalb sei es unsinnig, die Karikatur nach künstlerischen
oder ästhetischen Gesichtspunkten bewerten zu wollen. Die Aussage FUCHS, die
Karikatur sei „auf die Gasse übertragene Kunst“, ist laut SCHWALBE somit nicht
haltbar.216 Wie an anderer Stelle bereits beschrieben, meint FUCHS eine Kunst,
die die „Masse“ der Menschen direkt anspricht, vergleichbar der Kirchenkunst
früherer Epochen, ohne daß die Rezipienten sich zur Kunstbetrachtung
entschließen müssen, ohne daß die Aufnahme von Kunst bewußt getätigt wird.
1.5.7 Die Karikatur als „auf die Gasse übertragene Kunst“
Nun gibt es verschiedene Auffassungen darüber, welcher kunsttheoretische
Stellenwert der Rezeption von Karikaturen zukommen soll. Es geht dabei um
die Frage, ob sie als Kunst wahrgenommen wird, und wie dies in Beziehung zu
setzen ist zum Verhältnis von Betrachter und Kunst im allgemeinen. Die
ästhetische Würdigung der Karikatur als Kunst ist für HEUSS notwendig, „weil
heute die Karikatur im Gewand des Witzblattes die Kunstform ist, die
214
215
216
72
Vgl.: Fecht, Thomas (Hrsg.): Politische Karikatur in der BRD. Reinbek 1974, S. 8f.
„Die publizistische Wirksamkeit etwa der Karikatur im Kladderadatsch des 19. Jh. nahm
in dem Maße ab, als die künstlerische Qualität des Blattes zunahm. [...] Das soll nicht
etwa heißen, daß ´guter Künstler´ immer gleichbedeutend ist mit ´schlechter Karikaturist´. Im Gegenteil. Der Künstler ist für die Karikatur nicht zu entbehren. Wohl aber
das Künstlerische.“ Schwalbe 1937, S. 26.
Vgl.: Schwalbe 1937, S. 25, Anmerk. 45.
ununterbrochen und am ausgedehntesten ein Publikum findet“.217 Dieser
Gedanke ist insofern folgerichtig, als davon auszugehen ist, daß der Zeitungsleser der Karikatur zwangsläufig ausgesetzt ist, gleichgültig, ob er sie nun
rezipieren möchte oder nicht. Die Karikatur ist eine Kunst, die auf jeden Fall ihr
Publikum findet, und zwar ein sehr breit gefächertes, was von der zeitgenössischen Kunst ansonsten wohl kaum behauptet werden kann. „Die Kunst
ist eine Sprache“ - sagt IRING FETSCHER - und wie bei jeder Sprache bedarf es
des Verstehens zwischen Sprechenden und Hörenden bzw. zwischen Kunst und
Rezipient. Diese selbstverständliche Wechselseitigkeit ist nicht mehr unbedingt
gegeben, wenn in voneinander isolierten Gruppen die verschiedensten
„Sprachen“ gesprochen werden. Die Kommunikation zwischen Künstler und
Betrachter ist demgemäß eingeschränkt. Nur eine spezielle Zielgruppe
„versteht“ die ohnehin nur für sie produzierte Kunst. „Immer häufiger begegnen
wir dem Phänomen der Esoterik, der ´Kunst für die Eingeweihten´, für die
wenigen wirklichen oder vermeintlichen Kenner“ konstatiert FETSCHER und
stellt weiterhin fest, daß die Kunst „bei aller prinzipieller Freiheit - als bloßer
Luxus an den Rand gedrängt wird und zur Sache weniger Experten
verkommt“.218 Betrachtet man den Kunstbetrieb der Gegenwart, dann bestätigt
sich, daß sich die Rezipienten von Kunst nur aus einem sehr kleinen Teil der
Bevölkerung rekrutieren, der zudem in einer elitären Schicht angesiedelt ist, da
sich die zeitgenössische Kunst und ihre Vermarktung an ein entsprechend
gebildetes und vermögendes Bürgertum wenden.
„In den Werken der jüngsten Gegenwart wird die Sprache der Farben, des
Materials und der Formen von philosophischen Chiffren und
Konnotationen überlagert und dominiert. Der Abstraktionsprozeß, der am
Anfang unseres Jahrhunderts zu absoluter Form, zu komprimierter
Ästhetik fand, hat eine Verfremdung durch schwergewichtige Gedanklichkeit, eine Aufblähung durch Zufuhr von interpretatorischen, psychologischen, didaktischen, moralischen, sozial-romantischen Nährstoffen und
Treibmitteln erfahren. Das Kunstwerk strotzt nun von sinnpotenzierter
Gravität, hochgezüchtetem Intellektualismus, aber auch von quälender
Schwangerschaft (für die meist vergeblich nach Geburtshilfe Ausschau
gehalten wird).“219
Die „Inthronisation unübersteigbarer Denkmonumente“ und die Unzugänglichkeit des Inhalts der Kunstwerke haben zur Folge, daß „die überwiegende
217
218
219
Heuss 1910/1963, S. 190.
Fetscher, Iring: Kunst und Macht. In: Information der Hochschule der Künste, 1979, S. 38; hier: S. 7.
Guratzsch 1991, S. 15.
73
Mehrheit der Zuschauer zu Unmündigen erklärt“220 wird. Die „hohe“ Kunst hat
ihren Ort nur noch im Gefolge der Interessen einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe und fungiert somit als Identifikationsmoment eben dieser
Bevölkerungsgruppe und nicht der Menschen überhaupt. Diese Kunst ist elitär
und auch nur deshalb und solange für den Betrachterkreis interessant, wie sie es
bleibt. Völlig anders verhält es sich mit der Karikatur.
„Wer geht in die Museen, und wie viele verlassen die Museen mit einem
Mehr an künstlerischer Einsicht? Alle besuchen die jährlichen
Kunstausstellungen, aber was haben sie davon? Die Karikatur kommt zu
jedem; er kann ihr so schwer entgehen wie den Fotografien des
´Weltspiegels´ und der ´Woche´. [...] Da bleibt wenig neben der Karikatur,
die als Zeugnis eines bestimmten Kunstwillens und formalen Könnens den
Durchschnittsbürger regelmässig erreicht.“221
Eine Wertschätzung der Karikatur auf ästhetischem Gebiet ist deshalb so
wichtig, weil sie die einzige Kunstform ist, die heute noch eine breite Rezeption
erfährt, selbst wenn der Betrachter ihrer unfreiwillig und ohne sie als Kunst zu
deklarieren anschauig wird. Damit ist die Karikatur doch „auf die Gasse
übertragene Kunst“. Jeder, auch der an Kunst nicht Interessierte, begegnet der
Kunst in Form von Plakaten und Zeitungskarikaturen täglich. Diese „Galerie der
Straße und der Zeitungen“ (SCHMIED) formt den Geschmack des
(unfreiwilligen) Betrachters. SCHMIED wagt darüber hinaus die These, die Kunst
der Plakate und Karikaturen, in der sich bestimmte künstlerische Ausdrucksmittel manifestieren, könne zum Verständnis der modernen Kunst beitragen. Er
nennt die Karikatur eine „sehr demokratische Sache“, weil sie eine Kunst ist, die
allen „gehört“. Deshalb ist sie „Kunst für das Volk“. 222 Der Karikaturist GUIDO
ZINGERL begreift vor allem unterprivilegierte Schichten als von der „hohen“
Kunst ausgeschlossen, in der Karikatur aber repräsentiert.223
Das Bildbedürfnis breiter Schichten wird durch die zeitgenössische Kunst nicht
mehr befriedigt. Gemeinsam mit der Karikatur wird diese „Marktlücke“ von der
Bilderzählung und dem Film wieder ausgefüllt, wobei diese Bilderwelt die
220
221
222
223
74
Guratzsch 1991, S. 15, Anmerkung.
Heuss 1910/1963, S. 190.
Schmied 1957, S. 735.
„Der Schnittpunkt aber, wo sich die arbeitende Klasse optisch dargestellt sieht, ihre
Identität findet, wo sie den Künstler das erste Mal braucht, wo der Künstler das erste Mal
spürt, daß er der Arbeiterklasse nützlich ist, der Schnittpunkt nämlich, wo sich zuallererst
der gemeinsame Weg zeigt: Das ist die Karikatur im Klassenkampf.“ Zingerl, Guido:
Karikatur und Klassenkämpfe. In: tendenzen, Jg. 13, 1972, Nr. 83, S. 1-10 (im
folgenden: Zingerl 1972); hier: S. 10.
gesamte Skala vom Banalen bis zum Erhabenen abdeckt.224 HOFMANN spricht
von einer kollektiven Sehnsucht der „Konsumenten“, die den Drang befriedigen
wollen,
„die Dinge einmal in ihrer konkreten Situation, in ihrer Zuständlichkeit zu
sehen. Man will Konflikte erleben, die dem Alltäglichen entspringen, man
will die Bilderwelt des Hier und Jetzt, die konzentrierte Tatsächlichkeit
auskosten, eine Wirklichkeit, in der jeder sich selbst zu sehen vermag. So
gesehen stellt heute die Karikatur einen Akt der Versinnlichung dar,
indem sie versucht, der Welt ihr ´mittleres Maß´ der Anschaulichkeit
wiederzugeben.“225
Die „Hochkunst“ hat insofern versagt, als sie keine normative Kraft mehr ist.
Aufgrund ihrer Kopflastigkeit, die jenseits des Nachvollziehbaren liegt, mangelt
es ihr an Kommunikation mit der Realität. GURATZSCH mokiert sich, die Kunst
erhebe selbst den Schluck aus der Kaffeetasse zur mythenschweren
Daseinsbewältigung. Dementsprechend konstatiert er einen Wandel im
Bedeutungsverhältnis von „hoher“ Kunst und Karikatur:
„In dem Maße nämlich, in dem moderne Kunst unverständlicher
geworden ist, weil sie zunehmend mit Interpretationsschwierigkeiten ihrer
Betrachter zu kämpfen hat, erlebt die Karikatur, die im wesentlichen ihren
vertrauten Kodex an Mitteln und Motiven beibehielt, dank ihrer
Verständlichkeit eine enorme Aufwertung.“226
Er sieht seine These belegt durch die Resonanz und Nachahmungsbemühungen
an anderen Orten, die das bislang einzige Museum, das systematisch zeitgenössische satirische Zeichnungen ankauft (das Wilhelm-Busch-Museum in
Hannover) in steigendem Maße findet. Auch auf wissenschaftlicher Ebene
registriert er eine Karriere der Karikatur: „Mühelos ließen sich zwanzig
Lehrstuhlinhaber und ebenso viele Museumsleiter allein in Deutschland nennen,
die der Karikatur heute erhöhte Aufmerksamkeit schenken.“227 Dies wirkt sich
224
225
226
227
Vgl.: Hofmann 1984, S. 383.
Hofmann 1984, S. 383.
Guratzsch 1991, S. 14.
Guratzsch 1991, S. 14. Beispielsweise beschäftigt sich ein Graduiertenkolleg an der Universität Hamburg, Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde mit politischer Ikonographie und dabei u.a. mit Karikaturen. Das von Guratzsch konstatierte Interesse
bedeutet jedoch nicht, daß es Lehrstühle für Karikaturenanalyse oder -zeichnen gibt.
Zwar wurden einzelne Gastdozenturen an Karikaturisten vergeben (so 1971 an Klaus
Staeck an der Gesamthochschule Kassel und 1973 an der Universität Gießen, und Hans
Traxler erhielt an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach einen Lehrauftrag), doch
im Verzeichnis deutscher Lehr- und Forschungsstätten (Vademecum, Bd. 1 und 2. Hrsg.
v. Raabe Fachverlag für Wissenschaftsinformation. Bonn 1994, 11. Auflage) ist kein
Lehrstuhl für Karikatur vermerkt. Der Karikaturist (unter dem Pseudonym F.W.
75
wiederum auf den Kunstmarkt aus, auf dem die Karikatur als Sammelobjekt
boomt.228 Die Karikatur muß kompensieren, daß sich die moderne Kunst
ansonsten von der sichtbaren Realität entfernt. „Der kommunikativen
Kunstrichtung Karikatur steht der auffällige Verlust an Kommunikationsfähigkeit in den Werken des ´ernsthaften´ Kunstschaffens gegenüber.“ 229
Spätestens angesichts des Vakuums, das die „hohe“ Kunst nicht auszufüllen
imstande ist, wird die Bedeutung der Karikatur offensichtlich und damit
gleichzeitig der Bedarf an ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung – auch unter
dem Aspekt ihres politischen Potentials.
228
229
76
Bernstein) und Professor für Karikatur und Bildergeschichte an der Hochschule der
Künste Berlin, Fritz Weigle, ist der einzige deutsche Professor, der innerhalb eines
Kunst- oder Ästhetik-Fachbereichs über Karikaturen lehrt, nämlich im Fachbereich
„Ästhetische Erziehung, Kunst- und Kulturwissenschaften“.
Vgl.: Guratzsch 1991, S. 15.
Guratzsch 1991, S. 15.
2
Zum Zusammenhang zwischen Karikaturen, Stereotypen
und Feindbildern
Die Karikatur ist ein bevorzugtes Medium für Feindbilder. Sie wird in die
Propaganda eingebunden. Das ist auch bei aktuellen Karikaturen nicht anders.
Das Verhältnis der Feindbilder zu Karikaturen ist das der Benennung und
Bebilderung. Indem der Feind auf das Papier gebannt wird, wird er konkret,
bekommt ein Gesicht und läßt sich beim Namen nennen. Durch die
Konkretisierung des Feindes im Bild wird er zum greifbaren Gegenüber. War er
vorher zumeist ein Abstraktum, so wird er mit der Abbildung gleichsam erst
geschaffen.230 Bilder (und Karikaturen) vom Feind sind somit ein Faktor bei der
Produktion von Feindbildern.
Die Feinde wechseln im Laufe der Geschichte. Vor dem Hintergrund der
Ablösung alter Feindbilder durch neue soll hier untersucht werden, ob und wie
sich mit wechselndem Personal der Feindbilder auch die Motive ändern.
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts entwickeln sich aus ehemaligen Feinden
Freunde. LUIS MURSCHETZ zeigt in der Karikatur „Männerfreunde“ vom Februar
1996 (Abb. 13) diese mittlerweile veränderte „Gefühlslage“ sehr treffend (wobei
er mit Merkur als Aufziehfigur auf den Punkt bringt, daß die „Freundschaft“ auf
wirtschaftlichen Interessen beruht). Durch den Wegfall alter Gegnerschaften
droht ein Feindbild-Vakuum zu entstehen. Ein neues Feindbild muß gefunden
werden, was auch im Zuge des sich verschärfenden Nord-Süd-Konflikts und
spätestens mit dem Zweiten Golfkrieg rasch geschieht.
Es scheint einen immerwährenden Bedarf an Feindbildern zu geben. Die
psychosozialen Hintergründe von Feindbildern sollen im folgenden reflektiert
werden. Bevor eine Phänomenologie der Feindbildtypen vorgenommen wird, ist
es zunächst sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, was es mit Stereotypen und
230
Das heißt, „daß es sehr wohl Feindbilder gibt, die den Feind als Feind erst hervorbringen,
die ihn nicht bloß konturieren und kenntlich machen, sondern überhaupt erst
konstituieren.“ Münkler, Herfried: Politische Bilder. Politik der Metaphern. Frankfurt
a.M. 1994 (im folgenden: Münkler 1994), S. 30. Selbst wenn vorausgesetzt wird,
Feindschaft sei in der Psyche des Menschen veranlagt (muß also nicht erst durch
Bebilderung geschaffen werden) und wartet nur auf ein Objekt, auf das sie sich richten
kann, dann bleibt dennoch die Verantwortung der Abbildung des Feindes, denn „der
bestimmte Name und die Art der Bilder [sind] dafür ausschlaggebend, ob Frieden
möglich ist oder nicht.“ Münkler 1994, S. 22f.
77
Feindbildern aus psychologischer und politologischer Sicht auf sich hat und
welche immanente Bedeutung sie für Karikaturen haben.
2.1
Stereotyp: Begriff und Theorie
Die Karikatur arbeitet mit Übertreibung, mit Reduktion, also Zuspitzung auf ein
bestimmtes Merkmal hin, mit Metaphern, Symbolen und Synekdochen. An diese
Linie schließt sich das Verfahren der Typisierung an. Die Typisierung ist in
unserem Kontext von besonderem Interesse. Die Termini „Typisierung“ und
„Stereotypisierung“ können als Synonyme behandelt werden, denn das
karikaturistische Mittel der Typisierung entspricht dem, was auch Stereotype
leisten:
„Stereotypie in der Typisierung ist gegeben, wenn eine Visualisierung für
einen bestimmten Typ nicht als Einzelfall auftritt, sondern regelmäßig zur
Typisierung einer Gruppe bzw. eines Gruppenangehörigen eingesetzt
wird, wobei es gleichgültig ist, ob dies mittels Betonung physischer
(Gesichtszüge, Leibumfang bzw. Körpergröße und -statur) oder anderer
Merkmale geschieht (z.B. Kleidung, Kopfbedeckung). Die Kennzeichnung kann auch unter Nutzung von Emblemen und Symbolen erfolgen.“231
Genau diese Verfahren sind in der Karikatur allgegenwärtig, weshalb es
unabdingbar ist, sich mit der Bedeutung von Stereotypen näher zu beschäftigen.
Der Begriff „Stereotyp“ meint verallgemeinernde, klischeehafte und
vereinfachende Vorstellungen. Stereotype sind „geistige Schubladen“ und lassen
sich als das „starre Festhalten an bzw. die Wiederholung von immer denselben
Haltungen und Sätzen bzw. Vorstellungen“ definieren.232 Der Terminus
231
232
78
Handl, Haimo L.: Stereotypie in der Massenkommunikation am Beispiel von Karikaturen. In: Angewandte Sozialforschung, Jg. 16, 1990/91, H. 1/2, S. 101-107 (im
folgenden: Handl 1990/91); hier: S. 101.
Vgl.: Flohr, Anne Katrin: Feindbilder in der internationalen Politik. Ihre Entstehung und
Funktion. (Bonner Beiträge zur Politikwissenschaft, Bd. 2). Münster 1991 (im folgenden:
Flohr 1991), S. 23. Vgl. auch: Barres, Egon: Vorurteile. Theorie - Forschungsergebnisse
- Praxisrelevanz. Opladen 1978, S. 65: „Das Phänomen, daß sich Urteile und Attitüden
innerhalb von zahlenmäßig größeren Gruppen gegenüber anderen sozialen Gruppen oder
auch gegenüber der eigenen sozialen Gruppe häufig stark ähneln [...] bezeichnet man mit
dem Ausdruck ´Stereotypisierung´, die Sachverhalte solcher ähnlicher Urteile oder
Attituden als Stereotypen.“ Ergänzen läßt sich diese Begriffsbestimmung mit der
Einschätzung Hofstätters: „Stereotype präsentieren sich zwar als Aussagen über
Bestände, wir werden ihnen aber wohl nur gerecht, wenn wir sie als ´Erwartungen´
„Stereotyp“ steht in mehr oder weniger großer Nähe zu anderen Begriffen wie
„Meinung“, „Image“, „Vorurteil“, „Einstellung“ und „Feindbild“.233 Er geht auf
WALTER LIPPMANN zurück234, der ihn in die Sozialpsychologie einführte als
Bezeichnung von „pictures in our heads“235. Demnach sind Stereotype oder
Vorurteile Vorstellungen, denen keine eigene Anschauungen bzw. keine
Erfahrungen oder Verifizierungen an der Realität vorausgehen, sondern sozial
vermittelte Bilder.
Das Wahrnehmen und Denken in Stereotypen kann „ökonomisch“ im Sinne von
zeit- und energiesparend genannt werden, weil wir die Komplexität der
Erscheinungswelt mittels Stereotypisierung bewältigen, indem wir den Phänomenen ein grobes Raster auflegen, nach dem wir das Geschaute einordnen und
auf diese Weise damit umgehen können.236 Der psychologische Faktor bei der
Stereotypisierung wird von LIPPMANN damit erklärt, daß sie es uns ermöglicht,
ein einfaches Weltbild zu erstellen, das zunächst keinen Anspruch auf
Genauigkeit oder Vollständigkeit bietet, das aber den Dingen und Menschen
einen festen Platz und feste Verhaltensweisen und Potentiale zuordnet. Damit
werden die Erscheinungen dieser Welt übersichtlich und berechenbar, womit ein
Gefühl der Sicherheit, der Kalkulierbarkeit und der Vertrautheit einhergeht.
Stereotype befriedigen das Bedürfnis nach einer strukturierten Schwarz-WeißWelt, in der es keine Grauzonen, keine Überraschungen oder Risiken gibt, in der
wir uns auskennen und in der wir uns zu Hause fühlen können.237 Stereotype
dienen also dazu, ohne weiteren (Denk-)Aufwand die Dinge zu begreifen und zu
handhaben. Man braucht sie, um mit komplexen, undurchsichtigen und
unberechenbaren Gegebenheiten unmittelbar fertig zu werden.
233
234
235
236
237
auffassen, die wir hinsichtlich einer Menschengruppe hegen.“ Hofstätter, Peter R.: Das
Denken in Stereotypen. Göttingen 1960 (im folgenden: Hofstätter 1960), S. 12.
Übereinstimmungen ergeben sich auch mit dem Begriff „Stigmatisierung“: Der
soziologische Stigma-Begriff „bezeichnet ein negativ bewertetes Merkmal, durch das
sich eine Person oder Personengruppe von anderen Gesellschaftsmitgliedern unterscheidet. Merkmale können sowohl äußerliche Kennzeichen als auch Verhaltenseigenschaften sein. Ein solches Merkmal wird oft zum Ausgangspunkt negativer
Bewertung der ganzen Persönlichkeit. Den Prozeß der Verallgemeinerung negativer
Bewertungen nennt man Stigmatisierung. Diese werden von Emotionen begleitet und
sind äußerst resistent gegen konträre Informationen.“ Flohr, Anne Katrin: Fremdenfeindlichkeit. Biosoziale Grundlagen von Ethnozentrismus. Opladen 1994, S. 86.
Vgl.: Lippmann, Walter: Die öffentliche Meinung. München 1964 (Erstausgabe: New
York 1922) (im folgenden: Lippmann 1922/1964).
Hofstätter 1960, S. 7.
Vgl.: Lippmann 1922/1964, S. 67.
Vgl.: Lippmann 1922/1964, S. 72.
79
Davon ausgehend, daß der Mensch darauf angewiesen ist, „aus einer
chaotischen Fülle von Informationen ein Ordnungssystem aufzubauen, das ihm
hilft, Erfahrungen einzuordnen, Gegenwärtiges richtig zu beurteilen und
Zukünftiges möglichst genau abzuschätzen“238, kann Stereotypisierung auch als
eine psychologisch zwingende und sinnige Konstante für den Menschen
dargestellt werden, die außerdem kulturell geformt ist - und von kulturellen
Determinanten kann sich das Individuum nicht (völlig) lossagen. So gibt es
Forschungsansätze, die Stereotypisierungen nicht negativ bewerten, weil sie als
unvermeidlich gesehen werden239, ihnen ein größerer Realitätsgehalt unterstellt
wird oder weil ihre orientierungs- und identifikationsstiftende Funktionen als
Positivum aufgefaßt werden.240 Nach dieser Auffassung werden Stereotypien
nicht als Verzerrungen der Wahrnehmung und als irrationale Affekte klassifiziert, die es mittels Aufklärung zu bekämpfen gelte.
Zwar muß zugestanden werden, daß die schablonenhaften Vorstellungen über
Andersdenkende, „Andersgeartete“ und Fremde von einem Ordnungs- und
Sicherheitsbestreben herrühren und damit in der Psyche des Menschen verankert
sind. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß aufgrund der psychologischen
Erklärbarkeit die politischen Dimensionen verharmlost werden.241 Der Vorgang
238
239
240
241
80
Spillmann, Kurt R. / Spillmann, Kati: Feindbilder. Entstehung, Funktion und Möglichkeiten ihres Abbaus. Zürich 1989 (im folgenden: Spillmann/Spillmann 1989), S. 29.
Vgl.: Ostermann, Änne: Das Freund-Feind-Schema als stereotypes Perzeptionsmuster
internationaler Politik. (Diss.) Frankfurt 1977 (im folgenden: Ostermann 1977), S. 115.
Vgl.: Bausinger, Hermann: Name und Stereotyp. In: Festschrift für R. Schroubek.
(Münchener Beiträge für Volkskunde, Bd. 8). Hrsg. v. Institut für vergleichende Volkskunde der Universität München. München 1988, S. 13; und vgl.: Manz, Wolfgang: Das
Stereotyp. Zur Operationalisierung eines sozialwissenschaftlichen Begriffs. (Kölner
Beiträge zur Sozialforschung und angewandten Soziologie, Bd. 8). Hrsg. v. René König /
Erwin K. Scheuch. Meisenheim am Glan 1974 (im folgenden: Manz 1974), S. 7f. Vgl.
auch: Spillmann/Spillmann 1989, S. 30: „Stereotypien sind zunächst einmal Kategorien,
die die soziale Umwelt in verständliche und überschaubare Einheiten aufteilen, damit
Chaos verhindern und eine auf gemeinsamen Werten, Erwartungen und Vorstellungen
aufgebaute Organisation und ein entsprechend sinnvolles Verhalten in der sozialen
Umwelt möglich machen.“
„Dahinter verbirgt sich die Angst, daß die Öffnung nach außen, das Gewährenlassen des
Neuen, Andersartigen Besitzstände schmälert, Sand ins Getriebe der ´guten´ und
´bewährten´ Normalität streut, Stabilität und Ordnung gefährdet und sozialen Wandel mit
zweifelhaftem Ausgang fördert. Die Emotionen, auf denen negative Vorurteile und feindliche Gefühle basieren, beinhalten also immer ein konservatives Moment, nämlich den
ausgeprägten Wunsch nach Erhaltung des Gewohnten bzw. in seiner aggressiven
Variante: nach dessen (gewaltsamer) Durchsetzung gegenüber anderen.“ Schöneberg,
Ulrike: Vorurteile - Feindbilder. Wurzeln und Dynamik. In: Das Ende der Gemütlichkeit.
(Schriftenreihe Arbeitshilfen für die politische Bildung. Hrsg. v. d. Bundeszentrale für
der Stereotypisierung ist zwar psychologisch vorgegeben, dennoch darf er nicht
als positives, weil naturgegebenes Merkmal des Menschen weiterer Betrachtung
entzogen werden.242
Stereotypisierung ist politisch steuerbar und läßt sich hervorragend zu
politischen Zwecken einsetzen. Ein prägnantes Beispiel ist der Rassismus des
Nationalsozialismus, der schließlich zum Genozid an Juden führte. In unserem
Zusammenhang sollen primär Stereotype untersucht werden, in denen sich
kollektive Vorstellungen und Urteile über andere Völker und Nationen akkumulieren und die - wie noch zu sehen sein wird - politische Relevanz haben.
2.2
Stereotype in Karikaturen
Die ausführliche Einleitung in den Gegenstand der Stereotypisierung dient dazu,
sich der Karikatur aus diesem Blickwinkel anzunähern, denn eindeutig besteht
eine Korrelation zwischen Stereotypen und Karikatur:
„Ein Bereich scheint von seiner Art her unabdingbar mit Stereotypie verbunden und hat von daher ein besonderes Naheverhältnis zum Vorurteil:
die Karikatur. [...] Die Karikatur ist nicht Abbild, sondern visuelle Darstellung eines komplexen Textes. Verallgemeinerungen, Stereotypen,
242
politische Bildung, Bd. 316). Bonn 1993, S. 37-50 (im folgenden: Schöneberg 1993);
hier: S. 39.
„Daraus, daß es sich bei stereotypen Systemen um generell vorhandene Formen der Perzeption von Realität handelt, folgt nicht, daß die Verzerrungen, der sie bei gegebenen
gesellschaftlichen Strukturen unterliegen, gleichsam als Naturkonstanten akzeptiert
werden müßten. [...] Stereotype Kategorien sind in der Tat ubiquitäre Formen der
Wahrnehmung. Aber aus ihrer Ubiquität folgt nicht ihre Notwendigkeit.“ Ostermann
1977, S. 124. Deshalb läßt sich bezüglich der Analyse von Stereotypen die gleiche
Empfehlung anwenden, die Brassel-Moser bei Vorurteilen ausspricht: „Gezeigt hat sich
dabei, dass Vorurteile nicht einfach aus unserem Wahrnehmen und Erkennen wegdenkbare Elemente sind. Gerade deshalb ist aber notwendig, ihre Mechanismen und
Funktionen zu hinterfragen. Insbesondere dort, wo negativ gebündelte Vorurteile sich zu
Feindbildern verdichten, besteht ein erhöhter Reflexionsbedarf. [...] So können wohl
Vorurteile gegen bestimmte Gruppen oder Nationalitäten kritisiert werden, die Neigung
zur Vorurteilshaftigkeit aus dem Wunsch zur Abgrenzung gegen andere ist damit aber
noch nicht offengelegt, geschweige denn beseitigt.“ Brassel-Moser, Ruedi: Vorurteil im
Feindbild - Vorbild im Feindurteil. Überlegungen zu Vorurteilen, Selbst- und Feindbildern in der Schweiz. Hrsg. v. Forum für praxisbezogene Friedensforschung. Basel
1989 (im folgenden: Brassel-Moser 1989), S. 123.
81
Vorurteilshaltungen, Images, Projektionen werden transportiert bzw.
manifestieren sich darin.“243
Im Katalog zu der vom Londoner Goethe-Institut gemeinsam mit der
Osnabrücker Universität im Dezember 1993 veranstalteten Ausstellung „Coping
with the Relations“, die das wechselseitige Bild der Deutschen und Engländer
behandelte, werden die Begriffe „Karikaturen“ und „Stereotype“ sogar als Synonyme gehandhabt.244 Beide zeichnen sich durch Verallgemeinerung und
Überzeichnung aus. Der Karikaturist konzentriert sich auf Stereotype und
betreibt so nicht nur eine Hervorhebung, sondern auch eine Verstärkung. Die
Ausstellung nimmt diese Eigenschaft von Karikaturen zum Anlaß, das deutschbritische Verhältnis zu reflektieren und gleichzeitig das Denken in Klischees zu
verdeutlichen.
Den Anteil, den die Medien, aber auch die Literatur und die Kunst, an der
Etablierung von Stereotypen und Feindbildern haben, beschreibt HEINRICH
BÖLL:
„Wie sind die Bilder voneinander entstanden? Ich fürchte, das
Geschriebene in jeder Form, Journalistik, Publizistik, auch die sogenannte
schöne Literatur, spielen da keine erfreuliche Rolle. Schon bei der bloßen
Verwendung einer Nationalitätsbezeichnung tauchen Bilder auf, die wir
meistens nicht einmal mehr kontrollieren und auch nicht mehr korrigieren
können.“245
Die Auffassung BÖLLs, die „schöne Literatur“ habe - sicherlich unbeabsichtigt manches Mal die Propaganda mitgetragen, die Kriege vorbereitet und damit das
niedrigste Niveau der Propaganda erreicht246, läßt sich auf die Kunst im allgemeinen und auf die Karikatur im besonderen übertragen. Betrachtet man die
Methoden der Karikaturisten unter wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkten, so wird offensichtlich, daß die Karikatur Mittel wie Symbole und
Typisierungen zum „Zünden“ braucht. Sie dienen als Informationen auf den
ersten Blick. Dieser Vorgang funktioniert nicht über die ratio, nicht der Verstand
oder die Reflexion werden zunächst angesprochen, sondern es geht um ein
rasches - eben unreflektiertes - Einordnen des Dargestellten. Es wird sozusagen
243
244
245
246
82
Handl 1990/1991, S. 101.
Vgl.: Hartmann, Peter: Vorwort. In: Coping with the Relations. Deutsch-britische
Karikaturen von den fünfziger bis zu den neunziger Jahren. Hrsg. v. Goethe-Institut,
London und der Universität Osnabrück. Osnabrück 1993, S. 6-7; hier: S. 6.
Böll, Heinrich: Feindbild und Frieden (1982). In: Schriften 1982-1983. München 1987
(im folgenden: Böll 1982/1987), S. 25-32; hier: S. 25.
Vgl.: Böll 1982/1987, S. 27.
eine „Schublade“ im Kopf aufgezogen. Dazu werden Klischees verinnerlicht; sie
gehen uns „ins Blut über“; sie prägen Einstellungen. Deshalb ist es gefährlich, es
so zu halten, wie im Katalog „Coping with the Relations“ vorgeschlagen wird:
„Es liegt vielleicht in der Natur des klaren Federstrichs und der
Notwendigkeit, sofortiges Wiedererkennen zu ermöglichen, daß Karikatur
und Cartoon sich bildlicher Stereotype bedienen müssen. Der Cartoon ist
stereotyp in der Quintessenz. Akzeptieren wir Lippmanns Argument, daß
Stereotype zum Los des Menschen seit dem Sündenfall gehören, so
können wir uns ruhig in das Unvermeidliche ergeben und witzige und
gehässige Cartoons auf die gleiche Weise genießen, wie die anderen
läßlichen Sünden, welche unserem Leben etwas Würze geben.“247
Bei den Typisierungen geht es jedoch nicht nur um (mehr oder weniger) lustige,
harmlose, nicht ernst zu nehmende Äußerlichkeiten, sondern um Wesensmerkmale, die unterstellt werden. Karikaturen, die eigentlich als kritisch,
aufklärerisch und aufmüpfig gelten, transportieren mitunter Platitüden und
Vorurteile. Und genau in diesem Moment sind sie alles andere als kritisch und
haben mit Aufklärung wohl kaum noch etwas zu tun. Bei Stereotypen handelt es
sich um immer gleiche Bilder, die stellvertretend für die Beschreibung eines
Zusammenhanges als Kürzel dienen. Somit sind sie eine Reduktion eines
Phänomens auf ein bestimmtes Bild, das ohne eine Analyse des Gegenstandes,
den es zeichnet, auskommt, und das allgemein und kontinuierlich rezipiert wird
und sich (scheinbar) immer wieder selbst bestätigt. Stereotypisierung ist also
eine anti-aufklärerische Handlung. Das Abtun landläufiger Stereotype mit dem
Hinweis, sie seien eben „dumme Sprüche“, ist eine Verharmlosung. Es empfiehlt sich statt dessen, ihnen größte Aufmerksamkeit zu schenken. Um diesen
Zusammenhang deutlich zu machen, werden im folgenden die karikaturistischen
Darstellungsmittel und ihre wahrnehmungspsychologischen Implikate behandelt.
2.2.1 Übertreibung oder Hyperbel
Karikaturen sind (wie die Etymologie des Wortes bereits besagt) Übertreibungen. Ein besonders hervorstechendes äußerliches Merkmal wird zum
Erkennungszeichen. Dies setzt das bereits beschriebene Abstraktionsvermögen
247
Husemann 1993, S. 26.
83
des Karikaturisten voraus.248 Die „Intensivierung der Darstellung repräsentativer
Merkmale eines Karikaturobjekts durch Übertreibung“249 wird sogar als die
Technik der Karikatur schlechthin bezeichnet. Bei der - zumeist ins Häßliche
gehenden - Übersteigerung geht es nicht um eine Verzerrung des Dargestellten
aufgrund eventueller körperlich häßlicher Merkmale, sondern um die Kennzeichnung eines abstoßenden bzw. abgelehnten Verhaltens. Der Zeichner
ignoriert die anatomische Realität und entwickelt „auf der Basis der Realität
Phantasie“250. Mit der Überbetonung will der Karikaturist den oder das
Dargestellte lächerlich machen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit des
Betrachters erregen, um ihn für die Kritik empfänglich zu machen. Der
Betrachter muß die inhaltliche Übertreibung ablösen, damit sich der Kern des
Problems herausschält.251 Die Übertreibung (Hyperbel) kann von der gering
verstärkten Wiedergabe eines Merkmals bis hin zur grotesken Überladung
reichen.
Dabei ist die Karikatur kein Produkt der freien Phantasie, sondern sie ist an die
Realität gebunden und grenzt sich somit von der Groteske ab, die hier
vollkommen frei ist und als ornamentales Spiel mit Formen ihren eigentlichen
Gegenstand verläßt.252 In der Karikatur sind die Antagonismen Abhängigkeit
und Freiheit vereint. Abhängig ist die Karikatur durch ihre Bindung an ein
Vorbild. Dem Karikaturisten geht es darum, durch Übertreibung das von ihm
Karikierte lächerlich zu machen und bloßzustellen. Dazu muß die Karikatur
ihrem Gegenstand derart verhaftet bleiben, daß der oder das Dargestellte
erkennbar ist. Der Karikaturist ist somit zu striktem Wirklichkeitsbezug
genötigt. Gleichzeitig besitzt die Karikatur in ihrer Skizzenhaftigkeit eine
einzigartige Freiheit des Ausdrucks. So bedarf sie sowohl der abstrahierenden
248
249
250
251
252
84
Vgl.: Hofmann 1953, S. 955.
Vgl.: Quintus, Vera: Karikatur als Wirkungsmittel im oppositionellen Chanson
Berangers. Frankfurt a.M. 1983 (im folgenden: Quintus 1983), S. 96.
Fischer, Guenter: Einige psychologische Gesichtspunkte der Karikatur und der Satire. In:
Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus, Jg. 13, 1985, Nr. 4, S. 236-241 (im
folgenden: Fischer 1985); hier: S. 237.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 91f.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 12 und Hofmann: „Dort, wo es gilt, das Unvereinbare zu
formen, tritt sie [die Karikatur] ihr Vermögen an die Groteske ab: die formensprengende
Einbildungskraft eines Rabelais, diese fortgesetzte Evokation von Ungeheuerlichkeiten,
kann mit den Mitteln der Karikatur nicht mehr bewältigt werden; dort wo die Phantasie
sich an der Begründung einer Welt des Traumhaft-Irrealen versucht und sich der
Imagination alle Schranken öffnen, ist für die Karikatur kein Handlungsort mehr.“
Hofmann 1956, S. 33.
Reduktion auf das Pointierte als auch des Realismus, denn der „Karikaturist lebt,
wie jeder Revolutionär, von dem System, das er angreift.“253
Besonders in der Verzerrung der Physiognomien drückt der Karikaturist sein
satirisches Anliegen aus.254 Die Charakterisierung des Feindes als das Böse und
als Gefahr setzt zumeist bei der Physiognomie an. Die Verzerrung der Gesichtszüge in der Darstellung zur Fratze kann vom psychologischen Ansatz her als
Akt der Erleichterung begriffen werden: Die eigene, „im Gefängnis des
Unbewußten eingesperrte und rumorende Aggressivität“255 entlädt sich, indem
diese Aggression nach außen, in die Gesichtszüge einer anderen Person,
projiziert wird. In der nichtaufgeklärten Welt verstand der einzelne die Natur als
beseelt. Dämonen u.ä. hatten den gleichen Realitätsgehalt wie er selbst. Eine
entsprechende Kompensation mittels Götzen- und Geisterbilder, die er in seinem
unmittelbaren Lebensbereich errichtete oder im Christentum durch den Dualismus von Gott und Teufel bewerkstelligen konnte, fehlt dem durch die
bürgerliche Aufklärung auf ratio geeichten Menschen. Er muß auf solcherlei
Aggressionsableiter verzichten und verarbeitet seine nach wie vor vorhandenen
Ängste und Aggressionen (die nun „psychisch“ geworden sind), indem er sie
z.B. in Form von Verzerrung des Gesichts einer anderen Person nach außen
verlagert.256
Die Tradition der Verzerrung der Physiognomien und die damit verbundene
Verunglimpfung des politischen Gegners genießt stetige Präsenz in den
Karikaturen. Sie dient nur nebenbei dem Lächerlich-Machen. Eine noch relativ
harmlose Variante physiognomischer Verzerrung zeigt ein Plakat aus dem
Ersten Weltkrieg von 1917, entworfen von dem Deutschen R OBERT LEONARD
(Abb. 14). Das Nationalstereotyp „John Bull“ wird hier aufgegriffen, indem dem
englischen Feind die Gesichtsmerkmale der gleichnamigen Hunderasse, des
Bullterriers, ins Gesicht gezeichnet werden (zur Bekräftigung gab der Zeichner
den Hund noch als Zugabe). Drastischer, an Nazi-Karikaturen erinnernd, ist eine
253
254
255
256
Hofmann 1984, S. 358.
Melot hat auf die lange Tradition physiognomischer Studien und Theorien über Prinzipien der Mimik aufmerksam gemacht. Vgl.: Melot 1975, S. 42-53.
Marks, Stephan: Hüter des Schlafs. (Diss. Giessen 1981). Berlin 1983 (im folgenden:
Marks 1983), S. 12.
Vgl.: Marks 1983, S. 13 und 15. „In seiner Propaganda [der des Faschismus - A.P.]
wurde dieser alte Mechanismus der Projektion und der alte Glaube an Teufel, Hexe und
andere dämonische Nachtwesen aufgegriffen. [...] Aus dem ´mittelalterlichen´ Glauben
an den Teufel wurde die ´moderne´ politische Meinung und das Vorurteil - von der
offiziellen Propaganda unterstützt.“ Marks 1983, S. 16.
85
lange vor dem Holocaust der Nazis, nämlich 1905, entstandene Karikatur mit
dem Schriftzug „Das jüdische Pferd, oder: wie der Herr so´s Gescherr“, die
BENNO BERNEIS als Holzschnitt anfertigte (Abb. 15).
Besonders deutlich wird die Funktion der physiognomischen Hyperbolisierung
im Antisemitismus. Sie betreibt eine Charakterisierung des Gegners als
Untermensch, wobei keine reale Person karikiert wird, sondern „der“ Jude. Das
Plakat, das in den besetzten Niederlanden für den Film „Der ewige Jude“ (1940)
warb, steht stellvertretend für Karikaturen, die auf diese Weise während der
Nazi-Herrschaft die Juden diffamieren (Abb. 16). Für die nationalsozialistische
Karikatur ist die Typisierung, die sich mit „kontradiktorischem Gegensatzdenken verbindet“257 charakteristisch. Entsprechend der Einteilung in Überund Untermenschen, die mit dem Selbstbild als germanischen Herrenmenschen
einhergeht, wird der Gegner in Typisierungen eingeteilt nach Nationalität, Rasse
oder Klasse. Bei der NS-Karikatur sind es vor allem „Rassetypen“, die zum
Einsatz kommen. Die „Rassenkunde“, die nach nationalsozialistischem Wissenschaftsverständnis äußere und Charakterunterscheidungen liefert, bildet die
Grundlage. „Der“ Jude ist als Repräsentant einer Rasse angesiedelt. Als
Antithese tritt zum Übermenschen der Untermensch, der als Gegensatz zum
„nordischen“ den „ostischen“ oder „jüdischen“ Typ verkörpert. Der spätere
Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, ALFRED ROSENBERG, hat in seinem
Buch „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ (München 1930), das dem
Nationalsozialismus die pseudowissenschaftliche Legitimation für die völkische
Ideologie lieferte, auch das gewünschte charakterliche Bild des Untermenschen
formuliert (bemerkenswert ist, daß ROSENBERG in der gesamten Kunstgeschichte
von der griechischen Antike über VAN EYCK bis VELASQUEZ Beispiele
ausmacht, in denen er die nordische „Rasse“ als Schönheitsideal bestätigt sieht,
wobei er den jeweiligen Künstlern unterstellt, der Rassegedanke sei auch ihre
Intention gewesen). Der „Rassetypus des rein ostischen dunklen Menschen“ sei:
„abergläubisch, kulturunfähig, schwunglos, materialistisch; bis zu einem
gewissen Grade ´treu´, meistens jedoch nur unterwürfig“258.
„Weder Jan van Eyck noch Michelangelo konnten ihr Ideal von Hoheit,
Kraft und Würde durch ein jüdisches Rassenantlitz verkörpern. Man stelle
sich bloß ein Gesicht mit krummer Nase, hängender Lippe, stechenden
schwarzen Augen und Wollhaaren vor, um sogleich die plastische
257
258
86
Reumann 1966, S. 108.
Rosenberg, Alfred: Der Mythos des 20. Jahrhunderts. München 1930. Hier verwandte
Fassung: 33.-34. Auflage, München 1934 (im folgenden: Rosenberg 1930/1934), S. 290.
Unmöglichkeit der Verkörperung des europäischen Gottes durch einen
jüdischen Kopf (geschweige denn durch eine jüdische ´Gestalt´) zu
empfinden.“259
Wie das Feindbild „Jude“ dann tatsächlich aussah, ist hinlänglich bekannt: klein,
feist, mit ausgeprägter Hakennase, manchmal mit dunkler Brille versehen, weil
er sich nicht in die „verschlagenen“ Augen sehen lassen will, bevölkert er
Karikaturen und Plakate. Vom Karikaturisten jener Zeit wird erwartet, daß er
„den“ Juden „angemessen“ darstellt.260
Die Tragweite der faschistischen Unterscheidung zwischen Über- und
Untermenschen für die Karikatur kommt anhand einer Themenstellung, wie sie
1932 für eine Dissertation möglich war, zum Ausdruck. K ARL JOHANN AUGUST
RÜGHEIMER verfaßte eine Promotionsschrift mit dem Titel: „Über den
Zusammenhang von Körperbau und Charakter nach Befunden aus der
Karikatur“261. Ein solches Thema verweist bereits auf den ideologischen
Hintergrund. RÜGHEIMER stellte sich die Aufgabe, an den in Karikaturen
vorkommenden Typen rassenkundliche, sowohl physiologische als auch
charakterliche Unterscheidungen der Menschen vorzunehmen. Diese Methode
setzt voraus, daß die Karikatur die Wirklichkeit objektiv wiedergibt - eine
Annahme, die für RÜGHEIMER Geltung hatte. Die Tatsache, daß seinerzeit eine
solche Dissertation verfaßt wurde, zeigt, welchen Stellenwert man dem
karikaturistischen Mittel der Verunglimpfung der Physiognomien für die
damalige Zeit beimessen muß und verdeutlicht die Brisanz, die dieses Verfahren
der Karikaturisten hatte, wenn man glaubte, die übersteigerten, ins absolut
Negative verzerrten Darstellungen hätten einen derartigen Realitätsgehalt. 262
Aber nicht nur Juden waren (und sind) Gegenstand der Diffamierung durch
Verzerrung der Gesichtszüge. Zu allen Zeiten wird die Hyperbolisierung der
Gesichter eingesetzt, um den Gegner bestialisch oder bösartig darzustellen. Die
Palette der Intentionen reicht von der eben beschriebenen Deklassierung des
259
260
261
262
Rosenberg 1930/1934, S. 294.
„Es darf z.B. nicht vorkommen, daß der Zeichner Murr in der ´Brennessel´ den jüdischen
Bolschewisten Bela Khun porträtiert, ohne sich scheinbar ein entsprechendes Photo
verschafft zu haben, so daß das Ergebnis eine völlig unähnliche, fast sympathische
Darstellung dieses roten Massenschlächters ist.“ Mjölnir (alias Hans Schweitzer):
Politisches Denken - Voraussetzung für die politische Zeichnung. In: Deutsche Presse,
Jg. 26, Nr. 17 v. 25.4.1936, S. 193-194 (im folgenden: Mjölnir 1936); hier: S. 193.
Rügheimer, Karl Johann August: Über den Zusammenhang von Körperbau und Charakter
nach Befunden aus der Karikatur. (Diss. Leipzig 1932). Würzburg 1932.
Vgl.: Reumann 1966, S. 114.
87
politischen Gegners zum Untermenschen bis hin zur weniger aggressiven bloßen
Steigerung der Physiognomien. Mit der Überzeichnung der Gesichter geht
häufig zumindest eine Unterscheidung in sympathisch und unsympathisch
einher.
Eine von FRITZ BEHRENDT gezeichnete Karikatur von 1971 ist ein Beispiel, in
dem Israel durch einen eindeutig positiv gezeichneten und in keiner Weise
verzerrten jungen David repräsentiert wird, während die Gesichter der Vertreter
anderer Nationen übertriebene Physiognomien vorweisen (Abb. 17). Das Gefälle
in der Überzeichnung der Gesichter ist deutlich. Markant ist vor allem „der“
Araber, der ungleich schlechter „abschneidet“ hinsichtlich seiner Gesichtszüge,
die ihn unzweifelhaft als obskur und hinterhältig ausweisen: Arafat, als Vertreter
der arabischen Welt, ist ein häßlicher kleiner Gnom, der dazu noch heimtückisch
zum Tritt gegen David ausholt (derjenige, dem diese Aggression gilt, sieht
dagegen wie ein Peter Pan aus.)
Eine weitere Karikatur BEHRENDTs aus dem Jahre 1987 veranschaulicht, wie die
Überzeichnung der Physiognomie zur Typisierung gerät (Abb. 18). Bei den
Verhandlungspartnern, die sich hier gegenüberstehen, handelt es sich um
denkbar große Gegensätze: Einem seriös gekleideten Mann, dessen
intellektueller und rationeller Charakter durch die Brille betont wird (er hat den
„Durchblick“) stehen lauter unrasierte, ungepflegte, verlotterte Typen
gegenüber, denen offensichtlich der „Durchblick“ fehlt. Es ist nur ein kleiner
Schritt, bis aus solchen Typisierungen Feindbilder werden.
WEIGLE beschreibt, wie die Hyperbolisierung des Feindes in der Praxis des
Karikaturisten aussieht:
„Wir machen regelrechte Karikierübungen [im Zeichenunterricht mit den
Studierenden - A.P.], zum Beispiel einen Bösen zeichnen. Im Dezember
waren das Variationen über Saddam, als er mit den ersten Bildern gleich
der Bösewicht war. Mit allen Klischees aus der Sicht von uns Mitteleuropäern: unrasiert, also unzuverlässig und ein finsterer Blick. Erst
probierten wir noch seine Kampfuniform. Aber die Guten, der dicke
Schwarzkopf und die anderen, trugen noch albernere Uniformen. Das ging
dann nicht mehr. Oft vertreten ist bei den Karikaturen das Fremdartige
von Saddam: der Kameltreiber, der Araber, der von unten. Auch die
Aufrechtesten der Zunft können da die Sau rauslassen.“263
263
88
Weigle 1991, S. 17.
Die verunglimpfende Porträtkarikatur scheint zur Prägung eines Feindbildes
unumgänglich zu sein.264 Doch neben der Karikatur, die den Karikierten als
Typus zeichnet und daraus ihre Aussage zieht (wie in Abb. 17 die
Identifizierung Arafats in erster Linie durch die Konstellation und durch seine
Kennzeichnung als Araber geleistet wird), gibt es auch die Form der Karikatur,
die ein tatsächliches Porträt des Gemeinten anstrebt, indem seine individuellen
Gesichtszüge herausgearbeitet werden. Im Vergleich zu den vorherigen
Beispielen sind die im September 1988 veröffentlichte, den irakischen Diktator
Saddam Hussein zeigende Karikatur des israelisch-amerikanischen Karikaturisten RENAN LURIE (Abb. 19), und die beiden im Februar 1996 erschienenen
Karikaturen des Amerikaners DAVID LEVINE, welche die serbischen Führer
Slobodan Miloševic (Abb. 20) und Radovan Karadzic (Abb. 21) darstellen,
individuelle Porträts. Sie zeichnen sich durch eine wirkliche Herausstellung der
Physiognomie des Menschen, der karikiert wird, aus, und nicht durch
Propagierung eines Typus, den es in der Realität gar nicht gibt - und dies,
obwohl es sich bei den Dargestellten um „Feinde“ handelt.
2.2.2 Reduktion
Übertreibung oder Verzerrung wird auch durch Reduzierung erreicht. Die
Reduktion ist insofern eine Hyperbel, als sie durch das Weglassen von
Nebensächlichkeiten und die Zuspitzung auf besondere Charakteristika hin eine
Überbetonung des Wenigen, das dargestellt ist, bezweckt. Die Reduktion oder
Vereinfachung verdichtet den zeichnerischen Ausdruck in einer wenige Striche
264
Herding kritisiert die Praxis der Karikaturisten, mittels Verzerrung der Physiognomien zu
arbeiten. Er betrachtet dieses Verfahren als überkommen und konstatiert einen Mangel an
Innovation und Ausdruckssuche in der heutigen politischen Karikatur: „Indessen ist die
politische Karikatur hinter ihre formalen Möglichkeiten zurückgefallen: das Wechselspiel von Verhüllung und Enthüllung, welches schon bei Hogarth neugierdestiftend
gewirkt hatte.“ Herding 1980, S. 363. „Auch durch Verzicht auf ein plakatives Ausspielen ihres Stoffes, nämlich durch Allusion und partielles Versteckspiel, könnte
politische Karikatur Wirkung erzielen; auf die Verzerrung der Gesichtszüge ist sie [...]
nicht angewiesen. Aber diese Enthaltsamkeit wird heute selten geübt.“ Herding 1980, S.
363f.
89
umfassenden Graphik. Gerade aus der Verdichtung resultiert zumeist die
komische Wirkung der Karikatur.265
Heute, in einer medial geprägten Zeit, in der die Konterfeis der Politiker durch
das Fernsehen jedem bekannt sind, kann die Karikatur die Reduktion von
Physiognomien unzweideutig nutzen. Ein hervorragendes Beispiel ist die
Illustration zu einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit vom März 1995
(Abb. 22). Zu sehen sind lediglich buschige Augenbrauen, doch sie ersetzen das
komplette Abbild des Finanzministers Theo Waigel voll und ganz. Auch ohne
den Kontext des Artikels, der sich mit der Waigelschen Finanzpolitik
beschäftigt, findet die Identifizierung der Augenbrauen mit dem Minister
automatisch statt.
In der Reduktion liegt eine besondere Qualität, weil sie die Fähigkeit zur
analytischen Wahrnehmung voraussetzt und ebenso die künstlerische Kompetenz, das Wahrgenommene pointiert umzusetzen, erfordert. Das
karikaturistische Abstraktionsverfahren ist gleichsam die Umkehrung der
Empfehlung LEONARDOs, zufällige Formen (Wolken, Mauerflecken) als
Anregung für die Phantasie zu benutzen. Nach LEONARDO lassen sich in jede
zufällig geschaute Form konkrete Dinge hineinsehen. Daran soll der Künstler
seine Phantasie schulen. Die Vieldeutigkeit zufälliger Formen läßt sich für
verschiedenste Darstellungen benutzen. L EONARDO empfiehlt, dies in einer
Skizze zu testen und schließlich zur endgültigen, perfekten Form zu kommen.
Während sich dieser Vorgang von der undifferenzierten Form zur konkreten
vollzieht, verläuft er beim Karikieren umgekehrt: Der Karikaturist geht von der
komplexen Form aus und reduziert, verdichtet sie. 266 Im Abkürzungsverfahren
des Karikaturisten steckt - um die Begriffe HOFMANNs zu verwenden - die
elementare, reduzierte Formchiffre.267
265
266
267
90
Vgl.: Bornemann 1972, S. 10. Ein Beispiel ist die von Charles Philipon vorgenommene
Reduzierung des Bürgerkönigs Louis-Philippe auf dessen birnenähnliche Kopfform, so
daß die bloße Zeichnung einer Birne stellvertretend für den König steht (Abb. 5).
Vgl.: Hofmann 1956, S. 19f.
Vgl.: Hofmann 1984, S. 382. Die Vorliebe der Karikaturisten für das reduktionistische
Verfahren hat wahrnehmungspsychologische Gründe. Die Reduzierung auf wenige
Striche gewährt eine bereitwilligere, eingängigere Rezeption. Vgl.: Gombrich 1962/1984,
S. 391.
2.2.3 Metapher
Zur Identifizierung des Karikierten dienen nicht nur die Übertreibung
bestimmter Merkmale und die Reduktion auf diese Charakteristika. Ebenfalls
Attribute (z.B. Abzeichen wie Hakenkreuz, Wappen oder Flaggen) kennzeichnen, wer gemeint ist. Die Montage historischer Embleme in einen neuen
Zusammenhang läßt diese zum Symbol für ein Phänomen schlechthin werden.
Beispielsweise wurde das ursprünglich positiv besetzte, dem Sonnenkult
zugehörige Zeichen des Hakenkreuzes (nach dem Ende der Nazi-Herrschaft)
zum Symbol für faschistoide und menschenverachtende Politik. Eine Karikatur
HANELs vom August 1992 (Abb. 23) zeigt ein Beispiel, in dem einzelne Zeichen
(auf dem Arm) den Dargestellten als Rechtsextremisten ausweisen.268
Die besondere Wirkung solcher Metaphern in der Karikatur besteht darin, daß
ein Vergleich ins Bild übertragen wird. Aktuelle Akteure werden in einen
tatsächlich nicht existierenden Kontext gebracht, in eine Szenerie transplantiert,
die bestimmte Assoziationen weckt und die dargestellte Situation mit dem, was
von einer anderen Situation bekannt ist, gleichsetzt. Ein komplizierter
Sachverhalt kann so komprimiert in ein einleuchtendes Bild verwandelt werden.
Der Vergleich, der bei der überraschenden Verbindung zweier Themen entsteht,
die man ansonsten nicht miteinander in Verbindung gebracht hätte, muß für den
Rezipienten logisch sein.
Die Wirkung von Metaphern in Karikaturen resultiert daraus, daß die Bilder in
der Zeichnung in aller Deutlichkeit dem Betrachter „ins Auge springen“. Beim
Umblättern einer Seite bemerkt man eine Illustration mitsamt den in ihr
enthaltenen einzelnen Metaphern mit einem Blick. Geschriebene Metaphern im
Text erfordern erst Lesen. Eine Aussage im Text läßt sich leicht „überblättern“,
an der Karikatur „kommt man nicht vorbei“. Es ist die Praxis der Karikaturisten,
abstrakte Begriffe zu personifizieren und anschaulich zu machen. In der antiken
Kultur beispielsweise wurde die Kluft zwischen der Bezeichnung eines
268
Diese Abbildung eignet sich gut, um die Verwendung von Metaphern in Karikaturen zu
veranschaulichen, weil gerade die Metapher des Eisernen Kreuzes Anstoß erregte. Unter
der Überschrift „Mißbrauchte Symbole“ ging der Redaktion der FAZ eine Beschwerde in
Form eines Leserbriefs ein, die einen unreflektierten Gebrauch des „Hohheitszeichens
der Bundeswehr“ beklagte. Der Autor verwahrte sich gegen eine Verbindung dieses
Symbols im Zusammenhang mit der Darstellung von Rechtsextremismus und
bemängelte die Willkürlichkeit, mit der seiner Meinung nach der Karikaturist das
Attribut benutzt, was nach Auffassung des Briefschreibers von einem Mangel an
Geschichtsbewußtsein zeuge. Vgl.: Leserbrief „Mißbrauchte Symbole“. In: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 4.9.1992, S. 9.
91
Abstraktums und der Vorstellung einer Realität mit Selbstverständlichkeit
überwunden. So ist Nike nicht nur die Göttin des Sieges, sondern auch der Sieg
selbst.269 Der Metapher als Abstraktion, als abgekürzter Ausdrucksweise für
komplizierte Sachverhalte, gelingt es, schwierig darstellbare Phänomene bildlich
faßbar zu machen. Diese Leistung vollbringt die gezeichnete Metapher in
stärkerem Maße als die sprachliche. Das Besondere an der politischen Karikatur
ist ihr Vermögen, Begriffe und Schlagworte aus dem politischen Wortschatz im
übertragenen Sinne abzubilden. Der Karikaturist läßt den Rezipienten
Abstraktionen als etwas real Greifbares auffassen. Dies ist eine Bekräftigung
dessen, was in der Sprache bereits angelegt ist.270 Die gesehenen Symbole
dringen augenblicklich in das Unbewußte ein und können synchron zur
„eigenen“ Meinung werden. Dieses „Einnisten“ der Bilder im Unbewußten
verstärkt sich noch bei häufiger Wiederholung der verwendeten Symbole.
Vor allem der Mensch-Tier-Vergleich (wobei den Tieren irgendwelche
Eigenschaften unterstellt werden und diese selbst dann zum Symbol für eine
Eigenart werden; z.B. der Esel steht für Dummheit, der Elefant für
Dickhäutigkeit, die Ratte für gefährlicher Parasit) oder der Bezug auf
Wappentiere als Repräsentanten der Nationen, aber auch Metaphern aus der
Märchen- und literarischen Welt, kommen zur Anwendung. In die gleiche
Kategorie gehören auch Allegorien, die abstrakte Begriffe greifbar machen, und
die uns in Form der Freiheitsstatue als Symbol für die US-amerikanische
Vorstellung von Freiheit oder in Form eines Skeletts als Symbol für Tod in den
Karikaturen begegnen. Zwar benutzt jede Kultur und jede Sprache variierende
Metaphern; allen eigen ist jedoch die unmittelbare Verständlichkeit in einer
Gruppe, die den selben Sprach- bzw. Kulturbesitz hat.
Neben der Anspielung auf eine aktuelle Situation sind also immer auch zeitlose
Elemente in einer Karikatur präsent. Am Beispiel einer Zeichnung von
DAUMIER, die 1871 im Charivari erschien, läßt sich die Verbindung von
Aktualität und Zeitlosigkeit demonstrieren (Abb. 24). Zu sehen ist ein durch
Sonnenfinsternis verdunkeltes Segment des Erdballs, bezeichnet mit „Europe“,
wobei dieses Ereignis durch einen riesigen Preußenhelm hervorgerufen wird.
Die halb verdeckte Sonne trägt die Aufschrift „Liberté“. Unabhängig von der
Kennzeichnung der dargestellten Antagonismen durch den Schriftzug bzw. den
preußischen Helm weiß der Betrachter, daß hier etwas Dunkles, Unheilvolles
269
270
92
Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 387.
Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 386.
oder sogar Fürchterliches im Gange ist, weil hier Metaphern benutzt werden,
denen man eine Allgemeingültigkeit zugestehen kann. D AUMIER arbeitet mit
dem antithetischen Paar Licht und Finsternis als Symbol für die Antipoden Gut
und Böse. Dieses Motiv hat eine fast getreue Vorgängerin in einer 1870 im
Wiener „Kikeriki“ erschienenen Karikatur, die den deutschen Adler an die Stelle
des Helms setzt (Abb. 25). Diesmal fällt der Schatten auf Deutschland statt auf
Europa, doch wieder ist es die Freiheit, die verdunkelt wird. GOMBRICH nennt
solche Metaphern „universell“ oder „natürlich“, weil diese Symbolik eine
Tradition seit der Antike aufweist, ungeachtet des religiösen oder politischen
Gebrauchs. Das Licht als Symbol des Guten ist seit Platon in der
abendländischen Philosophie präsent, das Christentum ist mit diesem
Symbolgehalt durchsetzt, und in der Aufklärung kommt es verstärkt zur
Anwendung („siècle des lumières“). „Natürlich“ sind diese Metaphern, weil sie
eine intuitive Reaktion auslösen. Spontan wird das Helle mit positiven
Assoziationen und das Dunkle mit negativen rezipiert. „Man kann sich schwer
eine Sprache vorstellen, in der eine helle Zukunft düster oder eine düstere
Stimmung hell genannt würde.“271 GOMBRICH spricht von „schlafenden
Metaphern“ der Sprache, die „Wasser auf die Mühle“ des politischen Karikaturisten sind bzw. „Waffen in seinem Arsenal“272. Der Karikaturist ist wie der
Rezipient auf eine bestimmte Einordnung von Metaphern geeicht. Wenn er mit
den Antagonismen hell und dunkel, groß und klein, schön und häßlich arbeitet,
kann er sich darauf verlassen, daß beim Betrachter die entsprechenden Assoziationen freigesetzt werden.
Der wahrnehmungspsychologische Ansatz GOMBRICHs wird in jüngster Zeit in
der Diskursanalyse wieder aufgegriffen und weitergeführt. Diese Analysemethode nennt solche Metaphern „Kollektivsymbole“ und geht über den
wahrnehmungspsychologischen Ansatz hinaus, indem sie nicht nur auf die
Symbolik aufmerksam macht, sondern untersucht, mit welcher politischen
Motivation und Intention sie verwendet werden und ihre kollektive Wirkung
271
272
Gombrich 1962/1984, S. 397. Gombrich treibt die Metaphorik auf die Spitze, um zu
verdeutlichen, daß bildnerische Darstellungen dem bilderreichen Stil der Rhetorik folgen:
„Weiter können wir (oder können wir nicht) für die ganze Welt den Polizisten spielen, im
Schatten der Atombombe leben, unsere Segel nach dem Wind der Zeit richten, dieser
Gruppe die Hände reichen oder jene überflügeln; der Weg, der vor uns liegt, ist natürlich
steil, aber die Zukunft ebenso strahlend, wenn es uns nur gelingt, Fallstricken auszuweichen, Abgründe zu vermeiden und ein Abgleiten zu verhindern.“ Gombrich
1962/1984, S. 387.
Gombrich 1962/1984, S. 387.
93
analysiert (dazu im Zusammenhang mit dem Feindbild „Süd“ mehr). GOMBRICH
beschäftigt sich mit der „Rolle des Bildes im geistigen Haushalt des
Menschen“,273 der Ansatz der Diskurstheorie wendet sich - um diese Begriffe
aufzunehmen - der Rolle der Bilder im politischen Haushalt zu und hat somit
eine größere Reichweite.
Die Beständigkeit bestimmter Metaphern in den Karikaturen zeigt, daß die
Bildsprache ausgesprochen traditionell bleibt. Es wird aus einem erstaunlich
überzeitlichem Reservoir an Bildformeln geschöpft, was aber keinen Mangel an
Originalität oder einen Anachronismus in bezug auf die aktuelle politische Lage
bedeutet, sondern der Karikaturist trägt mit der Benutzung eines traditionellen
Vokabulars dem Umstand Rechnung, daß er möglichst eindeutig verstanden
werden will.274 Das Material, aus dem der Zeichner schöpft, nennt KNUTH
„Ikonosphäre“275.
Die Karikatur erlebt den Widerspruch, daß sie einmal „bewußte Setzung eines
künstlerischen Subjekts“276 und andererseits ein Aufgreifen von außersubjektiven Formeln ist. Die Arbeit des Karikaturisten ist in ihrer Verwendung
von Metaphern zweischneidig: Die Idee zum Bild entspringt seiner subjektiven
Auffassung - sein Produkt (die Karikatur) ist insofern originär. Aber der
Karikaturist greift Metaphern aus einem bestimmten Kanon auf.277 Er ist an ein
feststehendes, geradezu konventionelles Zeichenrepertoire gebunden, will er
beim Betrachter den beabsichtigten Effekt erzielen. Den Fonds im Kopf des
Betrachters muß der Karikaturist mit seinem Zeichengebrauch bedenken, wenn
er verstanden werden und Reaktionen auslösen will. Sowohl auf denotativer
Ebene (das Identifizieren eines dargestellten Gegenstandes) wie auf konnotativer
Ebene (die Aufladung dieses Gegenstandes mit einer über ihn selbst
hinausgehenden Bedeutung) muß der Betrachter die Zeichnung entschlüsseln
können.278 Die Karikatur bedarf in ihren Zeichen einer raschen Dekodierung, um
273
274
275
276
277
278
94
Gombrich 1962/1984, S. 384.
Vgl.: Langemeyer 1984, S. 10 und vgl.: Döring 1984, S. 14.
Vgl.: Knuth 1979, S. 69.
Hofmann 1956, S. 28.
Vgl.: Hofmann 1953, S. 955.
Die der Massenkommunikationsforschung entliehenen Begriffe „Rezipient“ und
„Kommunikator“ sind hier einsetzbar, obwohl im Fall der Karikatur kein eindeutiges
gegenseitiges Verhältnis von „Sender“ und „Empfänger“ vorliegt (wie bei der
Kommunikation immer vorausgesetzt wird). Während die Übermittlung einer
Information vom Sender zum Empfänger und umgekehrt verläuft, erfolgt das
Transferieren einer Botschaft bei der Karikatur scheinbar in einer Einbahnstraße. Doch
auch vom einzelnen „Konsumenten“ der Karikatur geht eine indirekte Beeinflussung des
eindeutig in ihrer Aussage zu sein. Das, was der Rezipient mit den Zeichen
verbindet, muß entsprechend eingeschränkt sein. Der Karikaturist darf also nicht
zu komplexe hermeneutische Ansprüche an den Empfänger haben, denn er muß
auf ein unmittelbares Verstandenwerden setzen. „So kann es dem Karikaturisten
gelingen, den psychischen Resonanzboden seiner Rezipienten zu treffen.“ 279
Diese automatische Rezeption erzielt der Karikaturist durch die Verwendung der
Formeln, derer sich die Karikatur schon immer bedient. Dabei nutzt er
bestimmte jeweils zivilisationsgeschichtlich entwickelte Signale wie bestimmte
Gesten (beispielsweise eine Verbeugung als Zeichen der Achtung und Unterwürfigkeit), die der Betrachter als das verbucht, was der Karikaturist damit auch
meint. Beispiele aus dem Zeichenfundus unserer Kultur mit konstantem
Symbolwert, die sich durch permanente Verwendung in der Karikatur etabliert
haben, (wie der Zylinder, die Zigarre und die Dickleibigkeit als Kennzeichnung
des Unternehmers, obwohl heute niemand mehr einen Zylinder trägt und der
Rezipient den Kapitalisten dergestalt nicht aus eigener Anschauung kennt) sind
geläufig. Der Hut impliziert bereits alles, was sich mit dem Begriff
„Kapitalismus“ verbinden läßt, so daß eine solche minimalistische Darstellung
ausreicht, um Aussagen über äußerst komplexe Phänomene zu treffen.280
2.2.4 Synekdoche, Allegorie, Typisierung und Klischee
Eine gesteigerte Form von Metaphern sind Synekdochen. Der Terminus meint
die Setzung eines engeren Begriffs für den umfassenden. Ein dick gefüllter
Geldbeutel z.B. signalisiert Reichtum, ein leerer Teller Hunger und Armut.
Fungieren die Symbole dazu, den oder das Dargestellte als Angehörigen einer
bestimmten (z.B. nationalen, sozialen oder ethnischen) Gruppe auszuweisen,
dann läßt sich von einer Verallgemeinerung oder auch Typisierung sprechen.
Ein typisierendes Mittel in der Karikatur ist beispielsweise die Darstellung einer
Lederhose und eines Bierseidels zur Kennzeichnung einer Person als Deutscher,
wie der englische Karikaturist EMMWOOD (Pseudonym für JOHN MUSGRAVEWOOD) sie 1973 in der Karikatur „I love you“ vornimmt (Abb. 26). Dieserart
279
280
Senders aus, denn der Karikaturist ist gezwungen, eine Bildsprache zu wählen, die vom
Betrachter verstanden wird. Er stimmt seine Bildgestaltung auf den Empfänger ab. Vgl.:
Grünewald 1979, S. 67.
Fischer 1985, S. 240.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 79.
95
Typisierungen sind nicht zu verwechseln mit Allegorien. Im vorliegenden Fall
wird „der“ Deutsche durch einen Typ repräsentiert, und nicht durch eine
Allegorie (wie die Germania).
Allegorien dienen - zumindest bei den europäischen Staaten - als Symbol für
ganze Nationen. Frankreich wird in der Karikatur durch die „französische
Marianne“ vertreten. Ein Beispiel liefert das mit „Halt, weiter sollst du nicht
kommen“ untertitelte Flugblatt aus den Tagen der Pariser Kommune (Frühjahr
1871, Abb. 27)281. Das Attribut der Marianne ist (wie das der Allegorie der
„Liberté“) die phrygische Mütze.282
Eine ganz andere Kopfbedeckung trägt der „deutsche Michel“. Diesen
Stellvertreter für „den“ Deutschen ziert die Zipfelmütze, die ihn als gutmütig bis
tumb charakterisiert. FELIX MUSSILs Karikatur vom März 1983 zeigt ihn mit der
Marianne (Abb. 28). Der Michel ist die älteste der Nationalallegorien (seit 1525
belegt283) und leitet sich von dem Schutzpatron der Deutschen ab, dem Erzengel
Michael, der sich als christliche Entsprechung des germanischen Wotan
(„michel“ = groß) interpretieren läßt.284 In der Karikatur ist der Michel vor allem
281
282
283
284
96
Bauer-Heyd führt die Identifikation der schönen Frauenfigur mit der französischen
Republik auf das Jahr 1820 zurück. „La Marianne“ nannte sich eine Vereinigung, die
sich für die Wiedereinführung republikanischer Ideen stark machte. Nach deren
Zerschlagung blieb das Bild der Marianne als Repräsentantin der französischen Nation.
Vgl.: Bauer-Heyd, Walter: Die Nationaltypen in der politischen Karikatur. In: Pester
LLoy, Budapest, v. 15.10.1938 (im folgenden: Bauer-Heyd 1938), o.S. Lammel dagegen
nennt 1792 als Geburtsjahr der Figur. Offiziell sei seinerzeit die Marianne als
Personifikation der Freiheit proklamiert worden, um bisherige monarchistische
Standbilder und Insignien abzulösen. Vgl.: Lammel 1995, S. 17. Jedenfalls ist die
Marianne die jüngste der Nationalitätsallegorien und spätestens seit der Julirevolution
Sinnbild Frankreichs.
„Darin lebt der ´Pileus´ der Antike fort, der bei den Römern das Zeichen der Libertas
war, den die Freigelassenen trugen und den das Volk nach Cäsars und Neros Tod
aufsetzte. [...] In der großen Französischen Revolution hatte die kegelförmige Kappe die
Form der phrygischen Mütze angenommen, weil diese von den Galeerensträflingen
getragen wurde. Die Künstler der Julimonarchie konnten hier anknüpfen.“ Lankheit,
Klaus: Die Leiden der Freiheit. Über einige Karikaturen aus der Julimonarchie. In: La
Caricature. Bildsatire in Frankreich 1830-1835 aus der Sammlung v. Kritter. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster v. 16.3.-10.5.1980,
Kunstsammlung der Universität Göttingen v. 26.10.-7.12.1980, Gutenberg-Museum
Mainz v. 20.4.-7.6.1981, S. 15-25; hier: S. 15.
Vgl.: Lammel 1995, S. 14.
Vgl.: Riha, Karl: Der deutsche Michel. Zur Ausprägung einer nationalen Allegorie im 19.
Jahrhundert. In: Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren
Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen
1980, S. 186-205; hier: S. 189.
seit dem Vormärz 1848 präsent. Schnell degeneriert die Zipfelmütze zur
Schlafmütze - wie in einer Karikatur aus dem Eulenspiegel von 1849 zu sehen
ist (Abb. 29). Der Michel ist zumeist ein taten- und hilfloser Zuschauer der
Ereignisse. So zeichnet ihn auch MUSSIL im März 1970 (Abb. 30). Doch seine
Einfältigkeit läßt sich noch bis zur Blindheit steigern. Die Karikatur HANELs
„Frühling in Hoyerswerda“ von 1993 veranschaulicht das treffend (Abb. 31).
Die Personifizierung „John Bull“ steht für die englische Nation. Die Karikatur
„Wir werden die Erde beherrschen“, 1896 in der französischen Zeitschrift
Charivari erschienen, zeigt ihn an der Seite Uncle Sams (Abb. 32). John Bull ist
ein dickleibiger, derber Typ.285 Die amerikanische Nation wird durch die eher
hagere Gestalt des „Uncle Sam“ verkörpert.286 Die „stars and stripes“ der
amerikanischen Flagge werden zu Sams Hose und übergroßem Zylinder. Diese
jahrhundertealten Nationaltypen sind heute so allgegenwärtig wie eh und je.
Auch Tiere finden in Karikaturen als Repräsentanten der Nationen Verwendung,
vor allem, wenn es um die Verherrlichung der eigenen Nation geht. Dann sind
sie - den Wappentieren entsprechend und mit positiven Assoziationen
verbunden (Stärke, Mut, Stolz etc.) - in heroisierender Weise dargestellt (der
britische Löwe, der russische Bär, der deutsche Adler, der amerikanische Adler,
der doppelköpfige österreichische Adler usw.). In dem Farbdruck „Im
Friedenszirkus“ aus dem Wahren Jakob vom November 1918 sind sie alle
versammelt (Abb. 33). In Karikaturen dienen sie zumeist einem kritischen
Angriff gegen eine andere europäische und damit ebenbürtige Nation. In der
belgischen Karikatur „La Rage Germanique“ von 1914 ist der deutsche Adler
zur rasenden, blutgierigen Bestie avanciert (Abb. 34). Nichteuropäische
Nationen manifestieren sich in Karikaturen zwar ebenfalls häufig als Tier, doch
handelt es sich dann nicht um Wappentiere oder um die den Staaten eigenen
Emblem-Tiere, sondern um Verkörperungen bestimmter Eigenschaften, die
285
286
Die Figur geht auf eine Satire von 1712 zurück (geschrieben von dem Leibarzt der
englischen Königin), in der die Figur des John Bulls der Wortführer Englands ist. „Seine
große, gedrungene Gestalt und sein ungeschminkt offenes Auftreten“ ließen ihn zum
„Inbegriff britischen Wesens schlechthin“ avancieren. Bauer-Heyd 1938, o.S.
Wiederum ist ungeklärt, woraus sich diese Gestalt ableitet. „Uncle Sam“ ist zum einen
ein Akronym aus dem Namen des Staates bzw. aus den Wörtern „United States of
America“. Zum anderen verweist der Name auf einen Pionier der amerikanischen TreckGeneration: der Handelsmann und Regierungsbeauftragte Sam Wilson (vgl: Bauer-Heyd
1938, o.S). Lammel datiert das Entstehen der Figur recht präzise: die Zeit des zweiten
Krieges zwischen Nordamerika und England (1812-1814). Vgl.: Lammel 1995, S. 17.
97
nicht positiv, sondern eindeutig negativ besetzt sind (z.B. Asien als schlauer und
hinterhältiger Tiger)287.
Wenn nicht eine Nation als Ganzes, sondern eine „Mentalität“ bzw. ein einem
Volk unterstellter Charakterzug gemeint ist, dann begegnen wir in den Karikaturen nicht Allegorien, sondern Typisierungen. E MMWOODs „Deutscher“ in der
Lederhose (Abb. 26) ist ein Beispiel dafür.
Die Typisierung ist eine Methode der Karikatur, der hier besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden soll. So wie bei Synekdochen einzelne
Attribute ein Ganzes symbolisieren, so dienen Typen als Stellvertreter für
Personen einer bestimmten (nationalen, ethnischen etc.) Provenienz. Ein
besonderes Merkmal, mit dem eine Gruppe von anderen unterschieden wird,
steht stellvertretend für den Personenkreis und dient als „Etikett“ zur
Wiedererkennung.288 Auf diese Weise werden bestimmte Attribute zum
charakteristischen Erkennungszeichen bestimmter Personenkreise und
schließlich automatisch als Synonym dafür wahrgenommen.289 Wie die
Synekdochen etablieren sich solche Typisierungen durch immer wiederkehrende
Verwendung als ein in der Bedeutung feststehender Typ im Bewußtsein der
Rezipienten und erfüllen ihre Aufgabe, eine rasche Dekodierung zu
gewährleisten, umso besser, je schneller sie erkannt und eingeordnet werden.290
Typisierung bedeutet eine Ökonomie der Darstellung,
„da anhand eines einzelnen überzeichneten Vertreters eines Typs die
Charakterisierung anderer dazugehöriger Personen vom Rezipienten selbst
vorgenommen werden kann. Der Karikierende erspart sich weitere
Erläuterungen, da Eigenschaften und Verhaltensweisen evoziert
werden.“291
Stereotype Bilder sind nützlich für das „Durchschlagen“ der Karikatur. Sie
sorgen für die augenblickliche Aufnahme der Information, die der Karikaturist
287
288
289
290
291
98
Vgl.: Auer, René Robert: Die Darstellung des Außereuropäers in der europäischen
Karikatur. Unveröffentlichte Semesterarbeit am ethnologischen Seminar der Universität
Bern. Sommersemester 1966 (im folgenden: Auer 1966), S. 17.
„Denn in Wirklichkeit sind wir ursprünglich nicht für die Wahrnehmung des Ähnlichen,
sondern für die Wahrnehmung des Unähnlichen programmiert - für die Abweichung von
der Norm, die hervorsticht und im Geist haften bleibt.“ Gombrich, Ernst H.: Kunst,
Wahrnehmung und Wirklichkeit. Frankfurt a.M. 1977 (im folgenden: Gombrich 1977),
S. 22.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 81.
Heuss nennt solche Verallgemeinerungen „Schriftzeichen der satirischen Verkehrssprache“ Heuss 1910/1963, S. 178.
Quintus 1983, S. 79.
vermitteln will. Es wird gar nicht erst argumentiert oder gar zum Nachdenken
angeregt, sondern der Betrachter wird dazu gebracht, das Dargestellte unmittelbar in seinen „Wissensschatz“ einzureihen. Das Bild wird erkannt und
eingeordnet in den Bestand dessen, was der Rezipient bisher wahrgenommen
und gespeichert hat. Hier geht es dem Karikaturisten nicht darum, über den
Verstand etwas im Bewußtsein des Betrachters zu bewirken, sondern um ein
rasches schematisches Einordnen des Dargestellten in ein Klischee als ersten
Schritt der Aufnahme der Karikatur.
Die Verwendung von Typisierungen oder von „Bildtopoi“292 ist faktisch die
Grundlage von Karikaturen. Die Zuspitzung auf markante Merkmale, die
schlagwortartige Verwendung von Bildformeln, der Zwang, daß das Dargestellte
erkannt und die Karikatur verstanden werden muß, die Gebundenheit an tradierte Ausdrucksformen, die ständige Wiederholung von Symbolen und
Versatzstücken laufen (automatisch) auf das Einschleifen von Typen hinaus.293
Damit ohne großes Nachdenken klar ist, wer oder was gemeint ist, arbeitet die
Karikatur immer mit Typisierungen, und zwar immer mit den gleichen. Eine
Typisierung legt eine Gruppe auf ein bestimmtes Klischee fest. Zwar hat die
Karikatur immer mit Typen gearbeitet, z.B. zur Darstellung eines Berufsstandes
oder einer Lebenshaltung, wenn „der“ Professor oder „der“ Spießer thematisiert
wird, doch wenn solche stereotype Kürzel eingesetzt werden zur Definition
„des“ Bayern, „des“ Afrikaners oder „des“ Juden, dann spricht SCHNEIDER von
einem „Unbehagen“, das sich bei ihm einstellt.294 Bilder wie „der“ Wilde mit
herausgestellter negroider Physiognomie und lediglich mit Lendenschurz
bekleidet oder „der“ Russe, im Pelz gewandet und verlaust oder „der“
Engländer, steif und aristokratisch, drängen sich auf.295 Dementsprechend haben
in den Karikaturen alle Russen Vollbärte und tragen Pelzmützen. Brisant ist
dabei die Verallgemeinerung, welche die Verwendung des Singulars („der“
Russe beispielsweise) mit sich bringt. Der einzelne russische Staatsangehörige
ist in den Karikaturen nicht existent. Es scheint so, als gäbe es keine Individuen
mit individuellen Charaktereigenschaften, sondern nur eine kollektive
„Volksseele“ und eine kollektive „Mentalität“.
292
293
294
295
Diesen Begriff benutzt Pohlmann. Vgl.: Pohlmann, Alfred: Bildüberlieferung in der
politischen Ereigniskarikatur. In: Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern 16001930. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte v. 11.9.-13.11.1983,
S. 39-52 (im folgenden: Pohlmann 1983).
Vgl.: Reumann 1966, S. 108.
Vgl.: Schneider 1988, S. 12.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 96.
99
Entstanden sind nationalitätsbedingte Typisierungen bzw. Stereotype aus einem
zivilisatorischen Gefälle heraus, wie es jahrhundertelang in der europäischen
Geschichte bestand. Süd- und westeuropäische Kulturkreise haben nord- und
osteuropäische wegen ihres angeblich geringeren Zivilisationsgrades und
primitiverer Lebensformen verachtet und dies mit deren Charakter verknüpft. So
entstanden Nationalstereotype, die durch Adjektive wie „faul“, „gefräßig“,
„stinkend“ etc. gekennzeichnet sind. Den so charakterisierten Nationen wurde
(und wird) Kultur, Bildung und gewandtes Auftreten abgesprochen. Aus solchen
Stereotypen nähren sich Feindbilder.296
Typisierungen werden zum Gemeingut, obwohl es in der Realität diese Typen
gar nicht gibt. Die realen Erscheinungen haben oft wenig Übereinstimmungen
mit ihrer Wiedergabe in der Karikatur. Attribute, die heute gar nicht mehr
präsent sind, werden in der Karikatur tradiert und verallgemeinert. Während
Hyperbeln Zuspitzungen auf ein real existierendes (äußeres) Merkmal sind, sind
Typisierungen Zuspitzungen auf ein Klischee hin. Die Birnenform als Symbol
für Helmut Kohl hat tatsächlich Ähnlichkeit mit dessen Kopfform - sie ist eine
Übertreibung der Realität. Klischees jedoch haben nichts mit der Wirklichkeit
zu tun. Die Deutschen, die Lederhosen tragen, prägen nicht gerade das
Straßenbild. Nun mag zugestanden werden, daß Karikaturisten nun mal
irgendwelche Zeichen einsetzen müssen, und die ja auch einigermaßen witzig
sein sollen, wenn aber Klischees ein unvermeidliches Abfallprodukt von
Karikaturen sind, geraten Typisierungen, die wohlgemerkt nicht mit den
tatsächlichen Phänomenen übereinstimmen, also unrealistisch sind, jedoch
ständig als Etikett dienen, und zwar konstant und dabei ja auch mit Inhalten
besetzt sind, zur groben Verallgemeinerung. Daraus wiederum kann resultieren,
daß sich durch diese Vereinfachung und Übertreibung in den Darstellungen
Vorurteile verfestigen. Es besteht die Gefahr, daß der Betrachter diese
Vorurteilsbildung auf die Realität überträgt.297 Das Verfahren, mit
Typisierungen bzw. Stereotypen zu arbeiten, rückt die Karikatur in die Nähe von
Propaganda. Der Karikaturist geht auf die Stereotype, die der Betrachter im
Kopf hat, ein, er nutzt den Wahrnehmungsmechanismus und spielt mit der
Wirkung von Typisierungen. Er schraubt damit die Spirale des Aufgreifens
bestehender Vorurteile und des gleichzeitigen Verstärkens eben dieser
Ressentiments weiter.298 Das Sich-Bedienen im Typen-Vorrat der
296
297
298
100
Vgl.: Münkler 1994, S. 26.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 95.
Vgl.: Seidler 1982, S. 21f.
Karikaturgeschichte bedeutet nicht unbedingt eine Spiegelung der tatsächlichen
Substanz der kritisierten Person oder Politik, sondern bietet eine pauschale
Einordnung des Dargestellten in eine vorgegebene Form. Die Komplexität der
politischen Konstellationen und Probleme bleibt davon unberührt.
„In was unterscheidet sich der Vertreter des Gewerkschaftsbundes von
jenem des Arbeitgeberverbandes am Tisch gegenüber? Ist denn der dicke
Kapitalist mit Zigarre und Melone, der in der Barrikaden- und Klassenkampfrhetorik streiklustiger Gewerkschaftsblätter sein autoritäres
Unwesen treibt, tatsächlich ein brauchbarer Watschenmann für die Widrigkeiten des kapitalistischen Produktionsprozesses? Im hilflosen
Selbstzitat zeigt die politische Karikatur ihre Unfähigkeit zur zeitgenössischen Verwandlung.“299
Nicht nur Personen, Gruppen oder Nationen werden in den Karikaturen typisiert,
sondern auch die Verhältnisse, unter denen sie auftreten. Das Umfeld wird der
typisierten Vorstellung angepaßt, andere Verhältnisse existieren nicht.300 Bei der
Verallgemeinerung handelt es sich um eine karikaturistische Notwendigkeit der
Dekodierbarkeit und um ein unkritisches Propagieren von Vorurteilen zugleich.
Dieser Teufelskreis läßt sich folgendermaßen beschreiben:
„Die Merkmale dienen als Formel der Verstärkung und der automatischen
Rezeption, der Übermittlung von Emotionen wie unsympathisch, brutal.
Erst wo der Symbolwert des Typs nicht mehr als solcher erkannt wird, der
Typ verallgemeinert auf Wirklichkeit übertragen wird, verfestigen sich
Vorurteile.“301
Die Neigung der Karikatur zu Typisierungen ist letztlich ein Widerspruch zum
„ernsten Fragespiel der Satire“302, da es sich um unzulässige Verallge299
300
301
302
Precht, Richard David: Witzlose Wächter. In: Die Zeit, Nr. 15 v. 5.4.1996, S. 59. Precht
kritisiert auch die kontinuierlich praktizierte Verwendung des Michels und verdeutlicht
an dieser Figur das reflektionslose Fortleben einmal geprägter Typisierungen:
„Unbeschadet der Mordwerke von Auschwitz“ dient „der leibhaftige Anachronismus
dieser schlafmützigen Biedermeiergestalt“ nach wie vor als Personifizierung der
Deutschen. Vgl.: Precht 1996, S. 59.
Vgl.: Reumann 1966, S. 238.
Grünewald 1979, S. 96. Die Einschätzung Uppendahls unterscheidet sich von der
Grünewalds. Mit der Synekdoche werde der Karikaturist dem grundlegenden Prinzip der
allgemeinen Kommunikationslehre gerecht, „wonach Zeichen jeweils nur die Bedeutung
haben können, die ein Mensch nach seinen individuellen Erfahrungen in sie hineinlegen
kann.“ Uppendahl 1978, S. 10. Wenn Uppendahl von dem „im Akkulturationsprozeß
erworbenen Meinungsblock des mitteleuropäischen Rezipienten“ spricht, zu dem „Topoi
wie der Deutsche Michel oder der Russische Bär gehören“ (Uppendahl 1978, S. 10),
steht das im Widerspruch zu dem Vorherigen. Akkulturation bedeutet dann Übernahme
von Klischees und steht einer individuellen Erfahrung entgegen.
Reumann 1966, S. 108.
101
meinerungen handelt, die von starren Vorstellungen ausgehen, und die jede
Entwicklung und jede Tendenz ignorieren und somit auch eine Beweglichkeit
des Urteils vereiteln303. Das „Denkleistungsprinzip“, das der Karikatur inhärent
ist, ist durch Typisierung gefährdet. Mit der stereotypen Wiederholung wird
„das Verfremdete, also das durch künstlich-künstlerische Fremdmachung nachdenkenswert Gewordene, bereits wieder selbstverständlich.“304 Das Resultat der
Wiederholung von Typisierungen sind Klischees. Durch die Kette
Verfremdung-Typisierung-Klischee wird das ursprüngliche karikaturistische
Mittel der Verfremdung pervertiert durch „Einebnung der originären
karikaturistischen Absicht.“305
In den Karikaturen lassen sich Klischeebilder ausmachen, die Meinungen
herstellen und Einstellungen prägen. Zwar bedauert die englische Zeitung
Independent, im Zuge der „political correctness“ würden die Karikaturisten sich
heutzutage nicht mehr erlauben, Nationalitäten zu typisieren. Da alle Europäer
gleich aussehen müssen und man dem Waliser nicht mal mehr sein
Nationalemblem, den Lauch, an den Hut stecken dürfe, sei die Karikatur fade
geworden.306 Doch solcherlei „Fairness“, „die ohnehin dem Genre fremd ist,
findet sich nirgends, am wenigsten in britischen Karikaturen zum Thema
Deutschlandbild.“307
Im Kontext der Londoner Ausstellung „Coping with the Relations“, die das sich
in Karikaturen manifestierende Bild der Engländer von den Deutschen und
umgekehrt zum Thema hat, wird offensichtlich, daß das Stereotyp „des“
Deutschen selbst 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch das
einer mit Knobelbechern, Pickelhaube und Hakenkreuz versehenen Figur ist.308
303
304
305
306
307
308
102
„Picasso und andere Künstler unserer Zeit haben sich gegen das Mißverständnis
verwahrt, ihre Abstrahierungen als Typisierungen anzusehen. Typisierungen verabsolutieren das Gängige, Durchschnittliche. Sie leisten also das Gegenteil von dem, was
Satire erreichen soll: neue Perspektiven zu erschließen.“ Reumann 1966, S. 286.
Schneider 1988, S. 86.
Schneider 1988, S. 86.
Vgl.: Thomas, Gina: Bei den Krauts ist ein Gen locker. In: Frankfurter Allgemeine
Zeitung, Nr. 23 v. 28.1.1994 (im folgenden: Thomas 1994), S. 36.
Thomas 1994, S. 36.
Vgl.: Thomas 1994, S. 36. Den Titel ihres Aufsatzes leitete Thomas aus einer Sentenz der
englischen Zeitung Mail ab, wo anläßlich der Diskussion um das Bomber-HarrisDenkmal zu lesen stand: „Ich glaube, die Deutschen sind kollektiv gestört. Ich glaube, sie
haben ein Gen locker.“ Der gleiche Tenor ist im Spectator anzutreffen, in dem davon die
Rede war, dem deutschen Charakter wohne eine Art Verrücktheit inne. Unter all der
Ordnungs-Passion lauere eine gefährliche Instabilität. Vgl.: Kroencke, Gerd: Pickelhaube, Hakenkreuz. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 21 v. 27.1.1994 (im folgenden:
Eine Karikatur aus der Sun vom April 1987 des Karikaturisten BERNARD
COOKSON ist ein prägnantes Beispiel für diese Sicht der „Krauts“ (Abb. 35). Ein
Blick in den „Giftschrank“ des archivierten Materials macht deutlich, „wie
solche Abziehbilder in britischen Zeitungen kultiviert werden.“309 Gleichgültig,
ob es um das Gebaren deutscher Touristen geht - wie in einer Karikatur von
BILL CALDWELL, die im Juni 1992 im Daily Star erschien (Abb. 36) - oder um
einen Streik der Müllabfuhrmänner (eher ein deutsch-innenpolitisches Ereignis)
- wie in einer Karikatur von JAK (Pseudonym für RAYMOND JACKSON, Abb. 37)
für den Evening Standard vom April 1992 -, der Stechschritt entlarvt, daß es
sich bei den in den Karikaturen Dargestellten um Deutsche handeln muß. Erst
recht im konkreten Fall verstimmter britisch-deutscher Beziehungen wird mittels
des Stechschritts die direkte Parallele heutiges (wiedervereinigtes) Deutschland
und das Deutschland des Dritten Reiches gezogen. So geschieht es auch in der
im Januar 1991 im Today erschienen Karikatur von DAVE GASKILL (Abb. 38).310
Genau die Falle der Wahrnehmung, die uns ein klischeehaftes Bild von anderen
Nationen liefert, thematisiert der deutsche Karikaturist JUPP WOLTER in einer
Karikatur vom Juli 1990, in der er Maggie Thatcher zu Helmut Kohl sagen läßt:
„Dear Helmut, wir Briten haben es nicht so dick, daß wir uns alle vierzig Jahre
eine neue Brille leisten könnten!“ (Abb. 39).
Die Gefahr liegt darin, daß wir Typisierungen in unser Denken übernehmen.
Wir übertragen die Karikatur, das verzerrte Bild, zurück auf die Realität. Die
Typisierungen verselbständigen sich. Obwohl niemand (mehr) ernsthaft behaupten wird, man werde mit einer „deutschen“, „italienischen“ oder
„schwarzen“ Mentalität geboren, „wird immer wieder der Nationalcharakter
beschworen, insbesondere bei Krisen oder Ungewißheiten“311. Umfragen bei
309
310
311
Kroencke 1994), S. 13. Thomas erkennt in dem englischen Deutschlandbild ein
Instrument, den Deutschen ihre Vergangenheit vorzuhalten und dadurch einen gewissen
Druck bei aktuellen Debatten wie z.B. beim Maastricht-Vertrag ausüben zu können.
„Britischen Zeitungslesern wurde suggeriert, die teutonischen Horden hätten die Wehrmacht durch die Mark ersetzt.“ Gleichzeitig biete der permanente Bezug auf den Zweiten
Weltkrieg den Engländern die Gelegenheit, ihre eigene Vergangenheit zu rühmen.
Kroencke 1994, S. 13.
Etwas bitter stellt Kroencke fest, daß demgegenüber das England-Klischee der
Deutschen, das aus Vorstellungen von Nebel, Gentlemen mit Stockschirmen und EdgarWallace-Filmen besteht, ausgesprochen harmlos, ja freundlich ist. Vgl.: Kroencke 1994,
S. 13.
Husemann 1993, S. 26 (Hervorhebung im Original).
103
Kindern und Jugendlichen, wie sie sich „den“ Spanier, „den“ Franzosen, „den“
Engländer usw. vorstellen, bestätigen, daß die Klischees verinnerlicht werden.312
Solcherart Klischeebilder betreffen nicht nur den europäischen Nachbarn.
Wesentlich stärker ausgeprägt sind sie in bezug auf Nationen der sogenannten
„Dritten Welt“. In der Karikatur begegnen wir beispielsweise dem Turban, wenn
ein Inder dargestellt werden soll. Vorzugsweise trägt dieser auch noch ein
Nagelbrett mit sich herum. Das Produkt der Typisierung des Karikaturisten ist
ein fiktives Bild (z.B. das Bild, daß alle Inder Turbane tragen). Es entsteht ein
Klischee, das tatsächlich keinen Realitätsgehalt hat, denn nur eine Minderheit in
Indien, die Sikhs, tragen überhaupt Turbane. Stereotype werden angesprochen,
die der Betrachter bereits im Kopf hat. Somit bestätigt der Karikaturist
Vorurteile und setzt einen Teufelskreis in Gang: Wenn wir uns einen Inder
„denken“, dann denken wir womöglich an jemanden mit einem Turban. Die
Klischeebilder nisten sich in unseren Köpfen ein. Das Entscheidende dabei ist,
daß die aufgegriffenen Äußerlichkeiten weit weniger brisant sind als die
Charaktere, die mit dem Äußeren verbunden werden. Die Etablierung der
Klischees, ihre permanente Wiederholung und die Besetzung der Bilder mit
Inhalten seitens der Betrachter führen dazu, daß eine Übertragung des Bildes auf
die Realität stattfindet. Der Betrachter glaubt beispielsweise, daß Inder Turbane
tragen, impliziert damit eine fremde, überlebte Bindung an Religion oder
Konventionen, hält Inder für rückständig und begreift ihre Gedanken- und
Lebenswelt als inkompatibel mit der eigenen und faßt eine entsprechende
Einstellung ihnen gegenüber, die sich zumindest in Ressentiments,
schlimmstenfalls in Fremdenfeindlichkeit, äußert. Aus der Verzerrung ist
Wirklichkeit geworden.
2.3
Feindbild: Begriff und Theorie
Vorurteile finden ihre massivste und gefährlichste Ausprägung in Feindbildern.
Feindbilder lassen sich als „pathologisches Extrem“ der Stereotype begreifen.313
Ebenso wie Stereotype sind Feindbilder schablonenhafte Vorstellungen.
„Feindbilder werden wie alle sozialen Vorurteile, im Laufe des Sozialisationsprozesses erworben, also gelernt. Das heißt: bestimmte
312
313
104
Vgl.: Husemann 1993, S. 24f.
Vgl.: Spillmann/Spillmann 1989, S. 30.
Meinungsführer (Massenmedien, Politiker, Erzieher) erzeugen kollektive
Vorurteile und Feindbilder.“314
MÜNKLER unterscheidet zwei Kategorien von Feindbildern: Zu der ersten zählen
Feindbilder, die an Einstellungen und Verhaltensweisen festgemacht werden.
Wenn jemand sich zu diesen bekennt, wird er zum politischen Feind. Die
Feindbilder der zweiten Kategorie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie sich
nicht auf ein politisch handelndes Individuum beziehen, sondern auf ganze
Gruppen, denen man spezielle Eigenschaften zuordnet. Die Gruppen werden
nach bestimmten „angeborenen“ oder kulturell erworbenen Charakteristika
klassifiziert. Jeder, der sich als Angehöriger einer solchen Gruppe erweist, wird
zum Feind.315 Die Kennzeichnung eines Feindes aufgrund seiner Zugehörigkeit
zu einer bestimmten „Mentalitäts-Gruppe“ impliziert die Konstruktion eines
„Nationalcharakters“. Dieser Nationalcharakter, der zum Feind abstempelt,
würde bedeuten, daß die entsprechenden Eigenschaften kulturell - oder mehr
noch: genetisch - determiniert sind. Nicht aufgrund eines konkreten politischen
Bekenntnisses wird derjenige zum Feind, sondern aufgrund seiner
„angeborenen“ Disposition. Damit ist er ein Erb- oder auch „Erzfeind“. Der
Feind kann nichts dafür, daß er Feind ist. Darüberhinaus kann er sich dieser
Bestimmung auch nicht entziehen. Er wird immer Feind bleiben. 316
Die beiden Feindbild-Kategorien schließen einander nicht aus, sondern
vermischen sich. Feindbilder, die sich auf eine politische Einstellung des
Gegenübers gründen, werden häufig mit Gruppen-, Religions- und
Nationalstereotypen gekoppelt und umgekehrt.
2.3.1 Wahrnehmungsstrukturierende Funktion von Feindbildern
Auch bei Feindbildern handelt es sich um eine Kategorisierung der Welt, denn
sie liefern die Systematik zur Aufnahme von Informationen über die Welt. Sie
sind - wie Stereotype - Bilder, die unsere Eindrücke ordnen und somit die
Verarbeitung der Wahrnehmung unterstützen.317 Wie Vorurteile überhaupt, sind
314
315
316
317
AGFP 1983, S. 8.
Vgl.: Münkler 1994, S. 30.
Vgl.: Münkler 1994, S. 31.
„Bei einer Begegnung mit anderen Menschen muß das Individuum nicht jedesmal neu
erforschen, was es mit diesem Menschen auf sich hat. Ihm genügt das Wissen um seine
Nationalität, seinen Beruf oder seine Rassenzugehörigkeit. Dieses Wissen bestimmt, was
105
Feindbilder stark simplifizierende Schwarz-Weiß-Klischees, die sich auf bereits
existente Vorstellungen stützen und wiederum eine selektive - lediglich schon
bestimmte Annahmen bestätigende - Wahrnehmung zulassen. Eine neutrale
Sicht der politischen und sozialen Wirklichkeit wird unmöglich. Somit verzerrt
das Feindbild die Wirklichkeit318. Entsprechend den Stereotypen haben
Feindbilder die Aufgabe, unverständliche oder befremdliche und bedrohliche
Geschehnisse zu ordnen. Doch Feindbilder sind wesentlich stabiler als
Stereotype. Sie unterscheiden sich von Stereotypen darin, daß sie nicht mehr nur
Orientierungshilfen sind, sondern Orientierungsdiktate; sie haben einen „quasi
diktatorischen Einfluß auf das Denken, Handeln und die Weltsicht einer
Person“319.
Adäquat der Vorurteilsforschung geht die Feindbildforschung davon aus, daß
Feindbilder dadurch gekennzeichnet sind, daß die Wirklichkeit und ihre
Wahrnehmung nicht übereinstimmen. 320 Während Stereotype noch einen gewissen Spielraum lassen, modifiziert oder revidiert werden zu können, bleiben
Feindbilder relativ resistent gegen Verifizierung, selbst wenn Informationen
vorliegen, die die Vorstellungen korrigieren müßten.321 Das rührt daher, daß sich
Feindbilder unabhängig von der Realität ausprägen. Sie konstituieren sich nicht
aus einer persönlichen oder konkret gemachten Erfahrung, sondern sie existieren
jenseits von Erfahrungswerten. Sie sind Vorher-Urteile, Vorstellungen, die
318
319
320
321
106
das Individuum bei anderen Menschen wahrnimmt.“ AGFP 1983, S. 7. „Es ist
offensichtlich ein unvermeidbarer Tatbestand, daß wir im Alltag ständig solche Bilder
entwerfen. [...] Um uns in der Umwelt zurechtzufinden und unsere Ziele zu erreichen,
konstruieren wir uns eine subjektive Realität in der Weise, daß die Welt für uns einen
Sinn ergibt.“ Lilli, Waldemar: Entstehung und Funktion von Feindbildern aus sozialpsychologischer Sicht. In: Feindbilder im Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus
Psychologie und anderen Humanwissenschaften. (Schriftenreihe des Arbeitskreises
Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung, Nr. 3). Hrsg. v. Gert
Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein / Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987,
S. 16-31 (im folgenden: Lilli 1987); hier: S. 17.
Vgl.: AGFP 1983, S. 8.
Schöneberg 1993, S. 40.
Vgl.: Ostermann 1977, S. 104.
Nach dem Konsistenz-Prinzip neigt der Mensch dazu, „seine Urteile so auszurichten, daß
sie ein geschlossenes Bild abgeben. Es gilt die Annahme, daß zu einem bestehenden Bild
in aller Regel passende, dieses Bild bestätigende, es abrundende Informationen bevorzugt
werden. Dieses Streben nach Konsistenz ist ein Schutz-Mechanismus, der verhindert, daß
wir die Bilder, die wir uns machen, angesichts widersprechender Informationen fortwährend ändern müßten, was sehr großen und deshalb gerne vermiedenen Aufwand
erfordern würde. Je extremer diese Bilder sind - und beim Feindbild haben wir es mit
einer extremen Form zu tun -, desto stärker ist ihre Stabilität oder ihre Resistenz gegen
Änderung.“ Lilli 1987, S. 21.
entstehen, bevor überhaupt ein entsprechender datenliefernder Kontakt mit dem
Objekt des Vorurteils zustande gekommen ist. Bei diesem Vorgang bilden schon
vorhandene Vorurteile (wie z.B. rassistische oder antisemitische) den Nährboden, auf dem sich die Feindbilder entwickeln. So, wie Feindbilder nichts mit
den tatsächlichen Menschen, Gruppen und Völkern, gegen die sie sich richten,
zu tun haben brauchen, so stellt sich eben auch nicht das Bedürfnis nach
Überprüfung der „Bilder“ an der Wirklichkeit ein. Feindbilder werden also nicht
an der Realität überprüft, sondern an mehr oder weniger latenten Vorurteilen
bzw. „Bildern“, die man bereits vom Objekt des Feindes hat. Das, was man an
einem Feind wahrnimmt, sind nicht reale Merkmale, sondern „ergänzende,
hinzufügende, ordnende, strukturierende Zuschreibungen“322.
Kennzeichnend für Feindbilder ist ihr ausgeprägt negativer Charakter. In ihrer
wesentlich stärkeren emotionalen Aufladung gehen Feindbilder über die
psychologischen und politischen Implikate von Stereotypen hinaus. Hier ist der
sogenannte „Halo-Effekt“ relevant. Dieser Terminus aus der Psychologie steht
für ein „Ausstrahlen“ eines einzelnen bekannten Merkmals auf ein Gesamtes
(auf den Charakter einer Person, einer Gruppe, einer Nation überhaupt), „d.h.,
daß von diesem einen bekannten Merkmal auf die Gesamtheit des Objekts oder
einer Person geschlossen wird“323. Für Feindbilder heißt das, daß alle Einzelurteile zusammengefaßt werden zu einem einheitlichen negativen Urteil, das
keine Differenzierungen zuläßt. Der Feind entspricht immer diesem Paket
negativer Urteile.324
2.3.2 Feindbild und Selbstbild
Dem Denken in Freund-Feind-Schemata liegt außerdem der Mechanismus der
Projektion zugrunde. In der Psychoanalyse bezeichnet dieser Begriff eine Form
der Angstabwehr bzw. der Konfliktbewältigung. Bestimmte Charaktermerkmale, die man bei sich selbst ausmacht, die jedoch nicht mit dem Selbstbild
322
323
324
Wulff, Erich: Zur Entstehung und zur Wirkung von Feindbildern. In: Feindbilder im
Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften.
(Schriftenreihe des Arbeitskreises Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung, Nr. 3). Hrsg. v. Gert Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein /
Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987, S. 108-119; hier: S. 108.
AGFP 1983, S. 11.
Vgl.: Ostermann 1977, S. 106.
107
übereinstimmen, weil es sich um Fehler, Schwächen oder Unzulänglichkeiten
handelt, werden anderen untergeschoben, auf andere Menschen oder Gruppen
projiziert. Somit kann sich der einzelne „psychische Entlastung“325 bereiten,
indem die Angst vor den eigenen, unkontrollierbaren Trieben, Gefühlen und
Bedürfnissen in der Verurteilung und Bekämpfung solcher Unzulänglichkeiten
und negativen Züge beim Feind entladen werden kann.326
Zur Projektion kommt der Aspekt der Spiegelbildlichkeit hinzu: Dem SchwarzWeiß- bzw. Gut-Böse-Denken entspricht die Vorstellung, daß die negativen
Eigenschaften, die man dem Feind unterstellt, einem selbst wesensfremd sind.
„Aus dieser Sicht erscheinen die Tugenden des einen, zum Beispiel Sparsamkeit, Fleiß, Treue oder Engagement, als die Untugenden des anderen, also
Knausrigkeit, krankhafter Ehrgeiz, Vetternwirtschaft oder Herrschsucht.“327
Jedes Feindbild impliziert dementsprechend ein Bild vom Selbst als qualitatives
Gegenstück.
„Ein zentraler psychodynamischer Vorgang bei der Entstehung und
Fixierung von Vorurteilen besteht darin, daß mit Hilfe der Fremderniedrigung eine Selbstidealisierung vorgenommen wird. Je größer die
Distanz von Unterdrückern und Unterdrückten auf diese Weise wird, desto
weniger fällt der Einspruch des Gewissens ins Gewicht, wenn das Haßobjekt ohne Rücksicht auf den Respekt behandelt wird, der nach den
Spielregeln der eigenen Gruppe zu zollen ist.“328
Im Selbstbild ist immer schon ein Feindbild enthalten und umgekehrt. Man kann
sich beispielsweise nur als Demokratie verstehen, wenn man ein Bild von einem
konträren Phänomen besitzt (von einer Oligarchie, Monarchie oder von Totalitarismus) und dies als ablehnungswürdig sieht. Der Verzicht auf ein Feindbild
ist also identisch mit dem Verzicht auf ein Selbstbild.329 Erst Heterostereotype,
also die Unterscheidung von „Fremden“, liefern die „Daten“, an denen ein
„Wir“ festgemacht werden kann.330
Feindbilder sind also für das Individuum wichtig, weil sie als Abhebung vom
negativen Selbst und zur Erhöhung des Selbstbildes benutzt werden. Sind
Feindbilder unabdingbar für den Menschen? KEEN charakterisiert den Menschen
325
326
327
328
329
330
108
Vgl.: Flohr 1991, S. 69.
Vgl.: Ostermann 1977, S. 130.
Schöneberg 1993, S. 40.
Mitscherlich, Alexander / Mitscherlich, Margarete: Die Unfähigkeit zu trauern. München
1967, S. 151.
Vgl.: Münkler 1994, S. 23.
Vgl.: Hofstätter 1960, S. 16.
als „Homo hostilis“, als „feindselige Spezies“, als „feind-erfindendes Lebewesen“, was jedoch keineswegs bedeutet, der Mensch könne ohne Feinde nicht
existieren und er könne den Trieb, sich Feinde zu „basteln“ nicht ablegen. Im
Gegenteil: KEEN ruft zu einer „Erziehung von Homo amicus“ auf und zeigt
damit, daß es nur eine Frage der Erziehung, der politischen Bildung, der
Aufklärung und des politischen Willens ist, das Feinddenken aufzugeben. 331
2.3.3 Identifikation und Systemstabilisierung
Vorurteile und Feindbilder fungieren nicht nur als rasche Orientierungshilfe und
Chaos- bzw. Angstabwehr für den einzelnen Menschen. Sie werden auch auf der
politischen Ebene instrumentalisiert. Es handelt sich nicht nur um eine arglose
Form einer psychologisch determinierten Wahrnehmung, sondern diese Wahrnehmung wird von bestimmten gesellschaftlichen Interessen bzw. von einer
politischen Führung gesteuert.
Auch bezüglich großer Gruppen wie Volk oder Nation bietet erst die Markierung des Feindes die Koordinaten der Selbstdefinition.332 Die Kategorisierung
in „Ihr“ und „Wir“, verbunden jeweils mit der Zuordnung negativer bzw. in
bezug auf die eigene Gruppe positiver Qualitäten, wird begleitet von Emotionen,
da die outgroup als minderwertig, „primitiv“, bedrohlich, gefährlich und
feindlich eingestuft wird. Diese Gefühle lassen sich massenpsychologisch
nutzen.333
Da Feindbilder dazu dienen, die nationale und gesellschaftliche Identifikation zu
verstärken, fungieren sie gleichzeitig als Systemstabilisierung. Die beschriebenen psychologischen Mechanismen, die beim einzelnen wirken, bilden den
331
332
333
Vgl.: Keen 1986/1987, S. 9.
Für Umberto Eco ist das Phänomen der Feindbilder eines von 14 Merkmalen, die
„Urfaschismus“ charakterisieren. Die Tatsache, im selben Land geboren zu sein,
verschafft eine Identität in Abgrenzung zu Menschen, die eben woanders geboren sind
und kann zum „Kristallisationspunkt“ für Faschismus werden. Vgl.: Eco, Umberto:
Urfaschismus. In: Die Zeit, Nr. 28 v. 7.7.1995, S. 47-48; hier S. 48.
„Schließlich beinhaltet die Grenzziehung verdeckt oder offen die Bereitschaft, Werte,
Privilegien und Ansprüche der ´Wir´-Gruppe gegenüber ´anderen´ zu verteidigen bzw.
für die der Eigengruppe versagten, ihr ´rechtmäßig´ aber zustehenden Positionen und
Vorteile zu kämpfen.“ Schöneberg 1993, S. 40.
109
Boden, auf den auf der politischen Ebene Inhalt und Form der Feindbilder
gesetzt werden.
Die gesellschaftliche Funktion von Feindbildern liegt in der gefahrlosen Abfuhr
von Triebspannungen nach außen. Feindbilder eignen sich zur Ablenkung von
negativen Merkmalen der eigenen Gesellschaft.334 Die Aggression richtet sich
nicht auf den innergesellschaftlichen Ursprung von Schwierigkeiten, Ungerechtigkeiten, Unfrieden oder Not, sondern wird abgelenkt auf einen äußeren
Feind. Diese Funktion von Feindbildern kann manipulativ eingesetzt werden
bzw. Feindbilder lassen sich bewußt herstellen.335 Die politische Funktion von
Feindbildern ist ihr Vermögen, das nationale Selbstverständnis zu unterstützen
und die Zustimmung zur politischen Führung zu untermauern, was eine
Bejahung des eigenen Systems nach sich zieht. Feindbilder sind Integrationsideologien. Beck nennt Feindbilder eine „interne Präsenz der externen Instanz“:
„In allen bisherigen Demokratien gibt es zwei Arten von Autorität: die
eine geht vom Volke, die andere geht vom Feinde aus. Feindbilder integrieren. Feindbilder ermächtigen. Feindbilder haben höchste Konfliktpriorität. Sie erlauben es, alle anderen gesellschaftlichen Gegensätze zu
überspielen, zusammenzuzwingen. Feindbilder stellen sozusagen eine
alternative Energiequelle für den mit der Entfaltung der Moderne knapp
werdenden Rohstoff Konsens dar.“336
334
335
336
110
„Feindbilder sind intellektuelle Waffen, Meta-Waffen: Worte, in deren Horizont Gewalt
selbstverständlich wird. Sie ermöglichen, auf ein Außen abzuwälzen, was im Innern
wenigstens miterzeugt wird. Der Andere, der Fremde, der Feind ist schuld, wo ansonsten
alle Externa - Gott, Natur - entgleiten.“ Beck, Ulrich: Der feindlose Staat. In: Politik
ohne Projekt. Hrsg. v. Siegfried Unseld. Frankfurt a.M. 1993, S. 106-122 (im folgenden:
Beck 1993); hier: S. 111.
„Es läßt sich also sagen, daß Vorurteile und Feindbilder wichtige Faktoren der
psychischen Herrschaftssicherung in einer Gesellschaft sind. In den modernen kapitalistischen Gesellschaften treten an die Stelle der direkten Gewalt immer mehr die
subtilen, elaborierten Formen der psychischen Herrschaftssicherung.“ Nicklas, Hans: Die
politische Funktion von Feindbildern. In: Feindbilder im Dienste der Aufrüstung.
Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften. (Schriftenreihe des
Arbeitskreises Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung, Nr.
3). Hrsg. v. Gert Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein / Rüdiger Zimmermann.
Marburg 1987, S. 32-37 (im folgenden: Nicklas 1987); hier: S. 34.
Beck 1993, S. 109 (Hervorhebung im Original).
2.3.4 Handlungskonsequenzen
Mit diesen Determinanten allein ist die Rolle von Feindbildern noch nicht ausgeschöpft. Feindbilder sind nicht bloß Gedanken. Sie geben auch Handlungsanweisungen.
„Diese Bilder können das eigene politische und militärische Handeln
stärker beeinflussen als objektive politische und militärische Daten. Bedeutsam an Feindbildern ist daher, daß sie die Politik gestalten können,
selbst wenn sie weitgehend realitätsfern sind.“337
Wichtig bei der Bestimmung, welche Bedeutung Feindbilder haben, ist deshalb
die Auseinandersetzung mit ihrer handlungsprovozierenden Funktion, denn die
Bilder steuern nicht nur, wie über bestimmte Menschen oder Nationen gedacht
wird, sondern auch, wie man ihnen gegenüber empfindet, sich zu ihnen verhält.
Neben der Instrumentalisierung von Feindbildern für innenpolitische Interessen
bzw. zur Systemstabilisierung ist die Ausnutzung der dazugehörigen Emotionen
für außenpolitische Ambitionen besonders prägnant. Dabei ist wesentlich, daß
Feindbilder auf Bedrohungsvorstellungen fußen (erst das Gefühl der Bedrohung
macht aus einem Widersacher einen Feind), wobei es gleichgültig ist, ob die
Bedrohung militärischer, ideologischer, kultureller, wirtschaftlicher oder technologischer Art ist.338
Die integrative Funktion von Feindbildern, die Evokation eines „Wir-Gefühls“
mit dem Ziel, einen Zusammenschluß der Bevölkerung zum gemeinsamen
Handeln oder zumindest zur Unterstützung der Aktionen ihrer Stellvertreter
gegenüber dem Außen zu erreichen, kann eine konkrete Mobilisierung nach sich
ziehen. Feindbilder können dazu dienen, eine Art „Enthemmung“ bei der
Bevölkerung zu erreichen, um Aufrüstung oder eine militärische Handlung
einzuleiten.
„Die psychischen Strukturen können in Dienst gestellt werden, um
Menschen dazu zu bringen, für fremde Interessen zu leiden und zu
sterben. Die Errichtung der paranoiden Wahnsysteme der heutigen Sicherheitspolitik - SDI ist so irrational wie die Astrologie - wäre nicht möglich
337
338
Sommer, Gert: Vorwort. In: Feindbilder im Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus
Psychologie und anderen Humanwissenschaften. (Schriftenreihe des Arbeitskreises
Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung, Nr. 3). Hrsg. v. Gert
Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein / Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987,
S. 10-12; hier S. 10.
Vgl.: Flohr 1991, S. 31. „Als ´Feind´ gilt der, von dem ich annehme, daß er mich und
meine Absichten bedroht. Daß diese Definition an der Perzeption festgemacht ist,
bedeutet, daß die Frage, ob die Bedrohung real oder irreal ist, zunächst keine Rolle
spielt.“ Ostermann 1977, S. 110.
111
ohne die Ausbeutung der menschlichen Psyche durch die kalkulierte
Errichtung der Freund-Feind-Schemata.“339
Das konzentrierte Erstellen und Aufkommen von Feindbildern war immer
wieder Ankündigung einer nachfolgenden kriegerischen Auseinandersetzung.
Durch verstärkte Feindbildpropaganda vorbereitet, wird eine Gewaltbereitschaft
mobilisiert, mit dem Effekt, daß bei Zuspitzung eines Konfliktes ein
bereitwilliger kämpferischer Einsatz erfolgt, ohne zeitraubende Reflexion des
einzelnen. Im Falle einer Mobilisierung suggerieren Feindbilder der
Bevölkerung, daß eine kriegerische Handlung unumgänglich ist. CORA STEPHAN
bezeichnet Feindbilder als eine „ziemlich moderne Erscheinung“ bzw. als ein
Produkt demokratischer Systeme, da zu Zeiten des Feudalismus eine
Rechtfertigung von Kriegen unnötig war.340 In der Moderne aber werden
Aggressionen geächtet und mißbilligt, weshalb man erst ein Feindbild braucht,
um das Volk auf einen Krieg einzustimmen. Der Feind muß entsprechend
gefährlich dargestellt werden, um die hohe „zivile“ Schwelle zu überwinden,
bevor in Demokratien zu Waffen gegriffen wird. Dazu bedarf es einer
entsprechenden Propaganda. Um die Schwelle, gegen einen Gegner zu den
Waffen zu greifen, zu überwinden und die Bevölkerung auf einen Einsatz auf
den Schlachtfeldern vorzubereiten, wird der Feind als Aggressor dargestellt nicht zuletzt in Karikaturen.
339
340
Nicklas 1987, S. 35.
Daß moderne, demokratische Gesellschaften ein Feindbild brauchen, „weil etwas so
fragiles und schwebendes wie eine Demokratie ohne eine kräftige Dosis von aggressiver
Abgrenzung nicht lebensfähig sei“, ist für Cora Stephan eine zu stark konstruierte
Hypothese. Feindbilder seien zwar systemstabilisierend, jedoch nicht zwingend
existenznotwendig. Sie räumt allerdings ein, daß zu Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs
die Präsenz von Vorurteilen und Feindbildern zunimmt. Vgl.: Stephan, Cora:
Ambivalenzen. In: Merkur. Unterschiede. Über Kulturkämpfe. Jg. 49, 1995, H. 9/10, S.
794-803 (im folgenden: Stephan 1995); hier: S. 797. Generell sieht Stephan die Warnung
vor Feindbildern als „Ausdruck einer Kultur, die ihr Glück unverdient glaubt. Sie zeigt
aber auch, wie sich überlegen fühlt, wer sich solche Schuldgefühle leisten kann.“
Stephan 1995, S. 797. Für Stephan jedenfalls steckt hinter den wissenschaftlichen
Ambitionen, dem Phänomen Feindbild nachzugehen, das latente Schuldgefühl, „an allem
Übel der Welt schuld zu sein“ und das wiederum ist für sie Zeichen eines westlichen
Größenwahnsinns, der „ähnlich herablassende Züge [trägt] wie die imperialistischen
Kreuzzüge der Vergangenheit“. Stephan 1995, S. 798.
112
3
Die Archetypen der Feindbildkarikaturen
Betrachtet man Feinddarstellungen in Karikaturen, so zeigt sich, daß der Feind
kontinuierlich in ganz bestimmten Erscheinungsformen vorkommt. Solche über
alle Zeiten und über den Wechsel von Gegnerschaften hinweg beständigen
Bildformeln zur Darstellung von Feinden lassen sich deshalb „archetypisch“
nennen.341 Das Stereotyp des Feindes hat immer gewisse Charakteristika wie
„dumm“, „böse“, „grausam“ etc. Diese Kennzeichen oder Typen werden
tradiert. Sie entsprechen geprägten Vorstellungen, die in unterschiedlichen
geschichtlichen Epochen und in unterschiedlichen Gegenden ihre Gültigkeit
bewahren. Die zugrundeliegenden wahrnehmungspsychologischen Mechanismen greifen schließlich überall und jederzeit.
„Meine Ausgangsfrage gilt dem, was C.G. Jung den ´Archetyp´ des
Feindes genannt haben würde. Wir werden herausfinden, daß Kriege
kommen und gehen, daß die Feindvorstellung jedoch - eigenartigerweise
unter verschiedensten Bedingungen - ein bestimmtes Standardrepertoire
von Bildern aufweist, die zur Entmenschlichung des Feindes verwendet
werden. Was Propaganda angeht, sind wir alle Platoniker; wir wenden
zeitlose Archetypen auf sich wandelnde Ereignisse an.“342
Diese Formulierung ist auf Karikaturen übertragbar. Bei der Feststellung der
Traditionsformeln läßt sich ein Katalog von Feindbild-Archetypen in
Karikaturen aufstellen oder - wie KEEN es ausdrückt - eine „Phänomenologie der
Feindvorstellung“343.
Zu den „klassischen“ Motiven der Feindbilder in Karikaturen gehören
Darstellungen, die den Feind als lächerliche Figur, als Bestie, als Tier oder in
der Gestalt des Todes abbilden. Diese, für historische Karikaturen teilweise
bereits untersuchten, Archetypen sind auch in der zeitgenössischen Karikatur
präsent. In der Motiv-Ansammlung wird deutlich, daß die Vorläufer der
Bildformeln zum Teil bis zum Ersten Weltkrieg oder gar bis zu den
Napoleonischen Kriegen zurückzuverfolgen sind.
Die Ikonographie der aktuellen Karikaturen zeigt, daß neben den oben
genannten einschlägigen Archetypen auch - zumindest in dieser Fülle ungewohnte Motive auftauchen. Zunächst läßt sich die hohe Frequenz
bestimmter Bildformeln konstatieren: Wir sehen den Feind, wie er sein Spiel
341
342
343
Vgl.: AGFP 1983, S. 11 und vgl.: Marks 1983, S. 253.
Keen 1986/1987, S. 12.
Keen 1986/1987, S. 12.
113
treibt (in den Golfkriegen frönt er natürlich dem Golfspiel - in Umsetzung des
Wort“spiels“) und wie er als taktierender Spieler eine raffinierte Bedrohungsmacht darstellt. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Ära der Feindbildkarikaturen, die den Feind als geifernden und größenwahnsinnigen Despoten
zeigen, dessen Attribut vorzugsweise Bomben sind, und der sich damit eher als
Terrorist ausweist denn als Staatsmann. Eine größere Gegensätzlichkeit der
Darstellung ist kaum möglich: Der Feind ist einmal als Spieler kalkulierend und
gewieft, dann, in gleichzeitig entstandenen Karikaturen, begegnet er dem
Betrachter als jemand, der eher dem Wahnsinn verfallen ist. Hier darf natürlich
die Anspielung auf Hitler nicht fehlen, wie sie zuletzt in sowjetischen
Karikaturen der Frühzeit des Kalten Krieges Usus war und nun wieder häufig
anzutreffen ist. Wahnsinn, Chaos, „mittelalterliche“ Dunkelheit sind denn auch
Motive, die die zeitgenössischen Feindbildkarikaturen kennzeichnen.
3.1
Der Feind als Witzfigur: Humor in der Karikatur
In Karikaturen gibt es verschiedene Abstufungen von Feindbilddarstellungen.
Zunächst geht es oft „nur“ um das Lächerlich-Machen eines Gegners. Mit der
Verunglimpfung des Gegners als lächerliche Figur wird das Gefühl eigener
Überlegenheit vermittelt. Diese Darstellungen erreichen keine solche Dramatik
wie die anderen Typen der Feindbilddarstellungen und entspringen eher einem
Sieges-Optimismus. Das Arbeiten mit Angst-Emotionen ist hier (noch) nicht
nötig. Das Motiv der Lächerlichkeit des Feindes ist in der ganzen Geschichte der
Feindbildkarikaturen zu verfolgen.344
344
114
„Breite und intensive Verspottung kriegerischer Leitfiguren ist etwas, das über
Jahrhunderte gleich bleibt, nur unterschieden durch die Bildsprache der jeweiligen
Epoche: ob es sich im 17. Jahrhundert um den Fürstbischof von Münster, Anfang des 19.
Jahrhunderts um Napoleon oder im ersten Weltkrieg um Kaiser Wilhelm II. handelt.“
Kessemeier, Siegfried: Politische Geschichte und Bildsatire. In: Ereigniskarikaturen.
Geschichte in Spottbildern 1600-1930. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und
Kulturgeschichte Münster v. 11.9.-13.11.1983, S. 15-26 (im folgenden: Kessemeier
1983); hier: S. 17.
EXKURS 1: Feindbildkarikaturen in Napoleonischer Zeit
Die direkte In-Dienst-Nahme der Karikatur zur Feindbildpropaganda und hierbei
vor allem das Lächerlich-Machen des Feindes tritt schon bei den
Napoleonischen Kriegen deutlich zu Tage. Vor allem englische Karikaturisten
engagieren sich im Kampf gegen Napoleon.345 Angeregt durch englische
Karikaturen wird das Feindbild „Napoleon“ zum Initiator der außenpolitischen
Karikatur in Deutschland - allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Herrschaft des
Korsen bereits im Niedergang begriffen war („als Ausdruck nachträglicher
Rache“346). Zuvor war die Repression der freien Meinungsäußerung in
Deutschland so drastisch, daß erst in dem Augenblick, als sich der Karikaturist
gegen einen äußeren Feind wenden durfte, auch eine außenpolitische Karikatur,
und zwar als Feindbildkarikatur, entstehen konnte.
1804 krönt Napoleon Buonaparte sich zum Kaiser der Franzosen. Er versäumt
nicht, sich der politischen Möglichkeiten der Karikatur zu bedienen.347 1808 ist
Napoleon I. auf dem Gipfel seiner Macht. Er hat große Teile Europas besetzt.
Der französischen Besatzungsmacht wird mit entsprechender Feindseligkeit
begegnet. Als Napoleon ein Wirtschaftsembargo gegen England verhängt, wird
er zum vorrangigen Karikatur-Objekt englischer Zeichner. Eine englische
Karikatur von 1803, „Die französischen Freiwilligen auf dem Weg zur
Eroberung Großbritanniens“, ist eine Attacke gegen Napoleon, die mit der
reinen Ridikülisierung des Gegners arbeitet (Abb. 40).
Unzählige historische Bildbeispiele zum Motiv der lächerlichen Figur in
Karikaturen ließen sich aufführen. Eine Karikatur aus der jüngeren
Vergangenheit, die sich in Darstellungsform und Intention vergleichen läßt,
stammt von dem amerikanischen Karikaturisten DANZIGER. Diese 1992 in der
345
346
347
Thomsen schildert die Instrumentalisierung der Karikatur in diesem Umfeld: „Gillray ist
aber auch ein Beispiel dafür, daß Satire und Karikatur in ihrer politischen Ausrichtung in heutiger Terminologie gesprochen - links und rechts dienstbar gemacht werden
können und satirische Temperamente nicht mit Naturnotwendigkeit nach links neigen.
Begabte Spötter gibt es auch unter den Konservativen. Zunächst ein erbarmungsloser
Kritiker der Regierung, wandelt sich Gillray unter dem Eindruck der französischen
Revolution und ihrer Greuel zum Nationalisten, ja Chauvinisten, der [...] England und
damit den status quo verteidigt und zum Befürworter der Pittschen Regierungspolitik
wird, wozu auch eine Jahrespension von £ 200 beigetragen haben dürfte.“ Thomsen
1983, S. 174.
Schmoll, J.A.: Macht und Ohnmacht der politischen Karikatur. In: Simplicissimus
München 1896-1944. Hrsg. v. Carla Schulz-Hofmann. München 1977, S. 13-22 (im
folgenden: Schmoll 1977); hier: S. 17.
Vgl.: Lucie-Smith 1981, S. 71.
115
International Herald Tribune erschienene Karikatur ist eine zeitgenössische
Variante des Themas (Abb. 41).
************************
Der Archetyp des lächerlichen Feindes lenkt den Blick auf die Rolle des Humors
in der Karikatur. Es stellt sich zunächst die Frage, wieso es den Karikaturisten
ein Anliegen sein könnte, den Karikierten lächerlich zu machen bzw. welcher
Effekt aus der Komik gezogen wird.
SIGMUND FREUD befaßt sich in seiner Schrift „Der Witz und seine Beziehung
zum Unbewußten“ (1912) mit der Analyse des Witzes. Er unterscheidet unabhängig von der Witztechnik - zwei Formen der Komik: Die einfache Form
ist die Komik als Selbstzweck.348 Mit ihr ist keine Absicht verbunden, sie ist
reine Lust am Austoben des Unsinns.349 Die zweite Form der Komik ist die
tendenziöse, die aggressiv vorgeht und eine Stoßrichtung hat. Die tendenziöse
Komik bereitet Lust, weil sie ein Ventil schafft. Durch gesellschaftliche
Reglementierungen sind offene Aggressionen und das handgreifliche Austragen
von Feindseligkeiten ausgeschaltet. Es bedarf deshalb einer Technik, in Form
von Schmähung des Gegners die Aggression auszuleben. Der Witz ist eine
solche Technik. An ihm beteiligt sind drei Parteien: Diejenige, die den Witz
produziert, diejenige, die im Witz lächerlich gemacht wird und eine dritte Partei,
der der Witz dargebracht wird (das Publikum).350
Im Kontext von FREUDs Abhandlung über den Witz findet auch die Karikatur
am Rande Erwähnung. Die Witz-Technik der Karikatur ist die Überzeichnung
herausragender Merkmale, mit dem eine Herabsetzung einhergeht. Besonders
deutlich wird der psychologische Effekt dieser Technik bei der Karikatur einer
hochgestellten Persönlichkeit: Die Degradierung des Erhabenen zu etwas
Gewöhnlichem oder sogar Niederem erspart den „Mehraufwand“ eines
feierlichen Zwanges, den man ansonsten dem Höhergestellten gegenüber
348
349
350
116
Freud nennt diese Witzform auch „harmlos“. Vgl.: Freud, Sigmund: Der Witz und seine
Beziehung zum Unbewußten. Leipzig/Wien 1912 (im folgenden: Freud 1912), S. 75.
Vgl.: Freud 1912, S. 107.
„Der Witz wird uns gestatten, Lächerliches am Feind zu verwerten, das wir
entgegenstehender Hindernisse wegen nicht laut oder nicht bewußt vorbringen durften,
wird also wiederum Einschränkungen umgehen und unzugänglich gewordene
Lustquellen eröffnen. Er wird ferner den Hörer durch seinen Lustgewinn bestechen,
ohne strengste Prüfung unserer Partei zu nehmen.“ Freud 1912, S. 87 (Hervorhebung im
Original).
empfindet. Außerdem verursacht der Widerspruch zwischen der gewohnten
Würde der Person und ihrer Lächerlichkeit eine „Aufwandsdifferenz, die durch
Lachen abgeführt werden kann“351. Nach psychoanalytischer Sicht führt die
Überzeichnung zur Entlarvung, die dem Betrachter den Lustgewinn dadurch
verschafft, daß ihm der Vorstellungsaufwand abgenommen wird. Letztes Glied
der Kette Überzeichnung - Herabsetzung - Entlarvung ist also der Lustgewinn.
FREUD vergleicht die Mechanismen, die beim tendenziösen Witz vorliegen, mit
denen der Traumdeutung und macht hier eine Parallele aus.352 Sowohl im Traum
als auch im Witz treffen disparate Elemente bzw. bildhafte Vorstellungen
zusammen und ergeben ein neues Ganzes, das in dieser Form ungewohnt und
fremd, zuweilen sogar unheimlich anmutet. Wie der Traum hat der Witz einen
manifesten und einen latenten Inhalt. Im Traum ereignet sich ein Verziehen und
Verzerren des Latenten in einen manifesten Inhalt. Die Traumdeutung ist die
Umkehrung dieses Prozesses. Der manifeste Inhalt wird sozusagen „geknackt“.
Die Ähnlichkeit zum Mechanismus, dessen sich die Karikatur bedient, ist
offensichtlich: Auch sie verzerrt, gibt eine latente Aussage in einer anderen
Form wieder. Doch geschieht dies nicht in einer solchen Vollkommenheit wie
im Traum, da die Karikatur ihrem Vorbild verhaftet bleiben muß, das Latente
muß identifizierbar sein. Deshalb ist die Karikaturdeutung schneller zu
vollziehen als die Traumdeutung. Das Karikatur-“Knacken“ muß prompt
erfolgen, um den Lustgewinn zu evozieren.
KRIS verwendet den aus der Freudschen Traumdeutung stammenden Begriff
„Primärvorgang“. Im Traum entzieht sich das Unbewußte der Kontrolle des
Bewußtseins oder der Logik, das „Ich“ hat seine Herrschaft aufgegeben, und es
regiert der Primärvorgang. Dieser ist jedoch im Witz und in der Karikatur der
Sphäre des Ichs angehörig. Das „Ich“ wird nicht abgelöst, sondern der
Primärvorgang bleibt eine Funktion des Ichs.353 Wie FREUD, so setzt auch KRIS
beim Lustprinzip an. Die Karikatur bereitet einen dreifachen Lustgewinn, da sie
auf den infantilen Scherz und spielerischen Nachahmungsdrang zurückgeht, da
sie lustvolle Ersparnis am Vorstellungsaufwand ist und weil ihr Effekt auch
Trieb- und Wunscherfüllung ist durch die Ersparnis an Unterdrückungsenergie.
351
352
353
Freud 1912, S. 175.
Vgl.: Freud 1912, S. 143f.
Vgl.: Kris 1935/1977, S. 149.
117
Diese Form der Bemächtigung ist mit archaischem Bildzauber zu vergleichen.
Ein Befreiungslachen wird provoziert.354
Der Psychologe HEINZ WIESBROCK kritisiert diesen Ansatz und verweist auf
entgegengesetzte Formen der Karikatur, bei denen die Darstellung von
Faszination, Respekt, Furcht oder Haß zeugt. Es handelt sich dabei um
Überhöhung und Dämonisierung. Nicht erlösendes Lachen wird provoziert,
sondern ein „unabgeleiteter Angst- und Faszinationsdruck, der allerdings seelische Gegenwehr auslösen kann und mitunter - siehe die politische Karikatur auslösen soll.“355 Damit sind wir bei einer Diskussion angelangt, die erörtert, ob
die Karikatur tatsächlich komisch ist. Die Bedeutung des Humors für die
Karikatur wird kontrovers behandelt.
Ebenso wie in der Komik ist für die Karikatur als „bildliche Ausprägung der
Komik“356 der Lachen provozierende Widerspruch zum Gewohnten, zu Logik
und Verstand ausschlaggebend. Die Karikatur bedient sich des real vorhandenen
Widerspruchs zum Ideal, der durch die überhöhte Darstellung in der Karikatur
erst vom Rezipienten erkannt wird, um einen „inneren Ruck“, ein „AhaErlebnis“ zu provozieren.357 So erreicht sie ihre beabsichtigte Wirkung:
Nachdenken, Sichbesinnen, Selbsterkenntnis. Der Karikaturist befriedigt aus
seiner Position des Besserwissers das Bedürfnis nach Überlegenheit. Durch die
Rezeption hat der Betrachter Anteil an der vom Karikaturisten betriebenen
Entlarvung von Fehlern und Schwächen.358 Der komische Effekt mag als
Belohnung der intellektuellen Leistung, die der Rezipient zu erbringen hat,
gelten. Das Dekodieren und Verstehen der Karikatur erhält als Gegenwert oder
als Satisfaktion die Pointe. Das Lachen bietet den Anreiz, die Karikatur zu
verstehen.359 In diesem Sinne ist die Aufgabe der Karikatur gewissermaßen
Existenzhilfe, weil sie mittels der Komik bzw. des psychologisch betrachtet
befreienden Lachens einen Abstand zu ihrem Objekt aufbaut. Der karikierte
Tatbestand wird verlacht, und gleichzeitig wird er bei der Betrachtung der
kritisierten Unvernunft die eigene Vernunft erhöht.
354
355
356
357
358
359
118
Vgl.: Kris 1935/1977, S. 145-161.
Wiesbrock, Heinz: Zur Psychologie der Karikatur. In: Bericht über den 21. Kongreß der
deutschen Gesellschaft für Psychologie in Bonn 1957. Göttingen 1958, S. 159-166; hier:
S. 162.
Bornemann 1972, S. 8.
Vgl.: Fischer 1985, S. 236.
Vgl.: Seidler 1982, S. 9.
Vgl.: Schneider 1988, S. 26.
Doch der Anteil der Komik an der Karikatur ist zu relativieren. Das LächerlichMachen kann eine Aufgabe der Karikatur sein, aber das Lächerliche ist nur eine
ihrer Erscheinungsformen, denn es bleibt die aggressive Absicht der Anprangerung und Eliminierung eines Mißstandes.360 Die Karikatur ist also nicht
zwingend eine Erscheinungsform des Komischen, denn einzelne Karikaturen,
wie DAUMIERs Lithographie „La Rue Transnonain“ aus dem Jahre 1834
beispielsweise (Abb. 42), werden als „Spitzenleistungen des tragischen
Ausdrucks“ betitelt, „der einem Vergleich zu jeder anderen Ausdruckskunst
visueller Kunst standhält.“361 Die Karikatur muß also nicht komisch sein, aber
wenn sie es ist, hat sie doch immer einen ernsten Hintergrund. Oft ist sie „nicht
einmal auf befreiendes Gelächter, sondern auf Erschrecken und Entsetzen
ausgerichtet.“362 Karikatur und Komik werden mitunter sogar gänzlich
voneinander geschieden,
„denn hier gibt es nichts zu lachen. Hier gibt es kein Schenkelschlagen. Es
ist einer der fatalsten Sprüche, den man für einen Karikaturisten
bereithalten kann: der vom ´befreienden Lächeln´. Unter der Falschmünzerlosung vom ´befreienden Lächeln´ wird uns gerade so viel Sand in
die Augen gestreut, daß wir nicht mehr verpflichtet sind, sie
offenzuhalten. Es ist der Trick der Konformisten, die Wahrheit unter Preis
zu verkaufen, aus jedem Hieb eine neckische Kitzelei zu machen, damit
keiner auf den Gedanken kommt: hier nimmt jemand seine Sache ernst.
[...] Der Humor war nie der Nenner der Karikatur. Der Nenner der
Karikatur ist immer nur das Leid, immer nur die Qual über die Wunden,
die der Mensch sich selber schlägt.“363
Für unser Thema interessiert das Komische, wenn es politische Relevanz hat364.
Die gesellschaftlichen Faktoren des Lachens betrachtend, läßt sich konstatieren,
360
361
362
363
364
„Die großen Zerrbilder sprechen ein Todesurteil, dessen ethischer Ernst sich nicht damit
begnügt, sein Opfer lächerlich zu machen. Es gibt bei Hogarth, Goya und Daumier einen
Grad der Entblößung und Entlarvung, den nur der Unverstand komisch finden kann.“
Hofmann 1956, S. 12.
Lucie-Smith 1981, S. 7.
Marienfeld 1991, S. 7.
Ramseger 1955, S. 11.
Obwohl die Relevanz der Komik für die Karikatur sehr unterschiedlich bewertet wird,
soll hier keine weitere Beschäftigung mit Theorien über das Komische erfolgen. Zur
Vertiefung solcher Ansätze sei hier auf andere Arbeiten verwiesen. Vgl. die
Dissertationen von Rudolf Gronarz: Karikatur und Beleidigung. (Diss. Bochum 1933)
Heidelberg 1934 und Charlotte Ilona Schmitz: Zum Problem der Beleidigung durch
Karikaturen. (Diss.) Köln 1969. Es mag ein Zufall sein, daß gerade die Forschung, die
sich unter juristischen Gesichtspunkten mit der Karikatur beschäftigt, ausführlich auf
solche theoretische Fragen eingeht. Eine weitere Dissertation zum Thema „Zur
Witzigkeit von Karikaturen“ legte Bernhard P. Woschek vor (Diss. Duisburg 1990)
119
daß im Mittelalter das Lachen ein Element von Freiheit und Widerstand ist, zur
Überwindung von Furcht vor Autorität und Verboten.365 Man ist an UMBERTO
ECOs Roman „Der Name der Rose“ (1980) erinnert, in dem auf die gleiche
Funktion des Lachens eingegangen wird. Verfolgt man die „Gesellschaftsfähigkeit“ des Lachens im Laufe der Jahrhunderte und die Entwicklung der
Komik als kritisches und politisches Moment, so läßt sich zusammenfassen, daß,
wie auch immer Komik oder Humor sich manifestieren, dem Lachen ein herrschaftskritisches Moment innewohnt, „weil es sich als nicht domestizierbarer
Affekt der Kontrolle entzog“.366 Die Komik ist somit ein taktisches „Mittel der
Freiheitserweiterung“.367
Scheinbar apolitisch mutet die Funktion des Lachens an, die JANOWSKI ihm gibt:
Für ihn bedeutet Lachen Befreiung und Versöhnung mit der eigenen Situation,
ja sogar Kapitulation vor dem jeweiligen Ungemach, dessen man nicht Herr zu
werden in der Lage ist. Doch er stellt den Bezug zwischen Humor und Kritik
selbst her (ohne jedoch speziell die Karikatur zu meinen): Die Kritik ist alles
andere als ein „Ausweichen ins Exil“, als was sich das Lachen begreifen läßt.
Kritik dient der Weltverbesserung, der Aufklärung. Indem sich die Kritik des
Humors bedient, versöhnt sie sich gerade soweit mit dem, was sie anprangert,
daß das eigentliche Ziel nicht verraten wird.368 Als Reaktion auf die Schärfe
dessen, wie es in der Welt zugeht, kann die Komik eine Katalysatorfunktion
einnehmen, so daß sich mit dem Lebensernst leichter leben läßt, weil der Witz
durch Lächerlich-Machen dessen, was normalerweise hohe Achtung besitzt, und
durch Einbringen von Elementen, die ansonsten keine Autorität genießen, eine
Art Ausgleich schafft.369 Genau dies geschieht in der Karikatur.
365
366
367
368
369
120
Moers 1991. Auch auf die Ausführungen Reumanns zur Theorie des Lachens in seiner
Dissertation (Reumann 1966) sei in diesem Zusammenhang aufmerksam gemacht.
Vgl.: Cippitelli, Claudia: Plädoyer für eine Lachkultur. In: medium, Jg. 24, 1994, Sonderheft Humor und Satire im Fernsehen, S. 4-5 (im folgenden: Cippitelli 1994); hier: S. 4.
Cippitelli 1994, S. 4.
„Was im Scherz gesagt ist, gilt nicht als Ernst, auch wenn es ernst ist und ernstgenommen
wird. Der Humor bildet die Verpackung und als Verpackung eine besondere Schutzschicht. Der Freiraum des Spaßes ist größer als der Freiraum des Ernstes, auch wenn der
Spaß nur die Form des Spaßes und den Inhalt des Ernstes hat. Die Karikatur hat mit den
größten Freiraum, den eine publizistische Darstellungsform überhaupt haben kann.“
Schneider 1988, S. 26 (Hervorhebung im Original).
Vgl.: Janowski, Hans Norbert: Fluchtgesten? Über Lachen und Erkenntnis. In: medium,
Jg. 24, 1994, Sonderheft Humor und Satire im Fernsehen (im folgenden: Janowski 1994),
S. 5.
Vgl.: Janowski 1994, S. 5f.
Das bloße Lächerlich-Machen des Feindes zum Zwecke der psychischen
Entlastung, aber auch zu seiner Erniedrigung bei gleichzeitiger Stärkung des
eigenen Selbstvertrauens, markiert einen Pol auf der Skala der FeindbildKarikaturen. Am entgegengesetzten Ende stehen Darstellungen, die den Feind
als Bestie zeichnen. Solche Karikaturen kommen einem Aufruf zur Vernichtung
des Gegners gleich, denn diese extreme Form der Kennzeichnung des Gegners
hat nicht nur die Funktion, den Feind auf aggressivste Weise zu diffamieren,
sondern diese Karikaturen dienen auch dazu, auf emotionaler Basis Ängste zu
schüren und dem Betrachter ein Gefühl größter Bedrohung zu vermitteln und
damit seine Bereitschaft zum physischen Eliminieren des Gegners zu steigern.
3.2
Der Feind als Bestie: Grauen in der Karikatur
Sehr beliebt in Feindbildern sind Motive aus der Reihe Unmensch - Ungeheuer Bestie. Diese Bilder beschwören die unbändige Gefahr, die vom Feind ausgeht,
so daß eine Legitimation für den Kampf gegen ihn gefunden ist. Die
Bestialisierung des politischen Gegenspielers bedeutet, daß er bildlich aus der
Gruppe des Homo sapiens ausgewiesen wird. Er wird zum Un-Menschen, dem
man zwingend unter anderen Kriterien (militärisch) begegnen muß. Um im
wahrsten Sinne mit aller Gewalt gegen einen Feind anzugehen, um Soldaten
dazu zu mobilisieren, im Kampf ihr Leben zu opfern und um das Töten anderer
Menschen in einen Akt des Patriotismus zu konvertieren, bedarf es der
Ausschaltung gewisser Hemmungen. Durch die Darstellung des Feindes als
Bestie wird er entmenschlicht. Wenn der Gegner nicht mehr als Mensch
betrachtet wird, weil er Attribute des Gemeinen, Brutalen und Grauenhaften in
einer Dimension erhält, die ihn dehumanisiert, ist die entsprechende Aggression
angefacht, um Vorbehalte gegen den Kampf und das Töten abzubauen.
Vor allem im Ersten Weltkrieg, der im Vergleich zu späteren Kriegen noch
wesentlich stärker durch den Kampf Mann gegen Mann gekennzeichnet ist, wird
dieser Aspekt der Propaganda deutlich. Diese „Qualität“ der Agitation ist
waffentechnologisch bedingt: Noch steht der bajonettbewehrte Soldat in der
Frontlinie oder im Schützengraben dem Feind direkt gegenüber. Um das
Bajonett in den Leib eines Menschen zu stoßen, zu dem er sich unmittelbar visà-vis befindet, braucht es eine große Portion Haß. Während in dieser Zeit der
Dienst am Vaterland die konkrete Tötung ihm gegenüberstehender Menschen
bedeutet, stellt später der „Druck auf den roten Knopf“ eine Abstraktion des
121
Tötens dar. In den Soldaten (und auch in der Bevölkerung, die das ideelle
Rückgrat liefert) muß entsprechend Haß geschürt werden, um Ängste und
Skrupel zu überwinden. Der Gedanke, daß der Feind ein Mensch ist, der
genauso fühlt und leidet, vermindert den Haß, den der Soldat braucht, um zu
verdrängen, daß er selbst Leid bringt und selbst Urheber von Grauen ist.370
Karikaturen, die den Feind bestialisieren, erfüllen die Kriterien der Propaganda,
deren Sinn ist, „das Denken zu lähmen, sorgfältige Unterscheidungen zu
verhindern und Individuen darauf zu konditionieren, sich als Masse zu verhalten“.371 Aber ist es nicht gerade die vielbeschworene Absicht der Karikatur,
Denken erst anzuregen und den Betrachter durch das Offenlegen von
Hintergründen zu einem eigenständigen, Urteil zu befähigen? Statt dessen
begegnen wir in Karikaturen, die den politischen Gegner als Bestie zeigen, der
Entmenschlichung des Feindes. In diesen Zusammenhang gehören Darstellungen, die den Feind als Vampir, Kannibalen oder Moloch zeigen. Anstatt
eine Reihe von Bildbeispielen „klassischer“ Ungeheuer, wie sie die
Karikaturgeschichte durchziehen, auftreten zu lassen, soll hier eine ganz
bestimmte Sparte des Themas „Feind als Bestie“ vorgestellt werden, um für
diese Tradition der Karikatur zu sensibilisieren: Der Feind als blutrünstiger,
frauenraubender Gorilla und Meuchelmörder.
Bilder, in denen politische Gegner zu einem Primaten degradiert werden, sind
eine Form der Bestialisierung. Die karikierte Person oder Nation scheint
entwicklungsgeschichtlich auf einer Stufe zu stehen, die vor dem Homo sapiens
liegt. Damit ist der Feind (noch) kein Mensch. Der Primat in den Karikaturen ist
ein bestialisches Ungetüm. Im Ersten Weltkrieg wurde dieses Motiv besonders
häufig verwandt. Diese Bildformel wird wechselseitig eingesetzt, ist mal gegen
die Deutschen gerichtet (Abb. 43), mal gegen die Alliierten (Abb. 44). Die
Deutschen rutschen in einer Lithographie des Engländers WILLIAM HENRY
DYSON (1883-1938) von 1915 auf der entwicklungsgeschichtlichen Skala noch
eine Stufe tiefer: Sie sind schon keine Primaten mehr, sondern Bomber fliegende
Affen (Abb. 45). Das gleiche Motiv verwendet der Brite Sir DAVID ALEXANDER
CECIL LOW (1891-1963) im Zweiten Weltkrieg wiederum im Kampf gegen die
Deutschen (Abb. 46).
370
371
122
Vgl.: Keen 1986/1987, S. 24.
Keen 1986/1987, S. 24.
EXKURS 2: Feindbildkarikaturen im Ersten Weltkrieg
Die Dienstbarmachung der Karikatur zur Feindbildpropaganda schließt sich an
den deutsch-französischen Krieg 1870/71 an und wird im Ersten Weltkrieg
bewußt als psychologische Strategie ausgebaut. Im Ersten Weltkrieg wird die
Karikatur in neuem Ausmaß instrumentalisiert. Sie wird zur deutschen Feindbildpropaganda gegen Frankreich und England eingesetzt und umgekehrt und
dient auch nach dem Krieg dem allgemeinen Nationalismus. Die Karikatur wird
zum „kriegerischen Nebenschauplatz“.372
Mit folgenden Sätzen wird ein Artikel in der Kreuzzeitung vom 28.7.1918
eingeleitet, der die Rolle der Karikatur im Ersten Weltkrieg zum Thema hat:
„Die Karikatur ist wegen ihrer Suggestionskraft und mithin ihres
Einflusses auf die Menge, die ja in der Mehrzahl aus schwachen Köpfen
besteht, eins der Hauptmittel unserer Gegner, die Stimmung der eigenen
Völker zu heben und die Neutralen zu gewinnen.“373
Die Karikatur wird hier als politisches Dokument und eindeutig auch als ein
politisches Mittel betrachtet. Die Wertschätzung, welche die Karikatur im Ersten
Weltkrieg erhält, wird offensichtlich, wenn Karikaturisten zu offiziellen
Kriegskünstlern ernannt und von den Regierungen finanziell unterstützt
werden.374 Die Karikatur wird im Krieg zur geistigen Mobilmachung gegen den
Feind eingesetzt. Kritik an eigenen Fehlern leistet man sich in solchen Zeiten
nicht. Deutlich wird dies anhand der satirischen Zeitschriften Le Rire und
Lustige Blätter, die im Ersten Weltkrieg ihr Erscheinen einstellten, da sie
ansonsten zur Propaganda eingesetzt worden wären. Doch die Redaktion der
Zeitschrift Simplicissimus nahm die Aufgabe, den Kampf der eigenen Nation
durch das Schüren des Hasses gegenüber dem Feind zu unterstützen, an.375
Mit seinem Buch „Das Bild als Narr. Die Karikatur in der Völkerverhetzung“
(München 1918) richtet FERDINAND AVENARIUS das Augenmerk auf
Karikaturen aus dem seinerzeit feindlichen Frankreich und England. In seiner
Schrift macht er darauf aufmerksam, daß die Karikaturen der Entente als
politisch wichtige Erscheinungen aufzufassen sind. Er schätzte die Wirkungs-
372
373
374
375
Langemeyer 1984, S. 10.
Ohne Verfasserangabe: Die Karikatur im Kriege. In: Kreuzzeitung, Nr. 380 v. 28.7.1918,
o.S.
Vgl.: Husemann 1993, S. 24.
Vgl.: Reumann 1966, S. 226.
123
kraft von Karikaturen sehr hoch - ja sogar als kriegsentscheidend - ein.376
AVENARIUS bezeichnet Karikaturen als den besten „Schädelblähstoff der
Welt“.377 Entsprechend wird in Deutschland in der Zeit zwischen den beiden
Weltkriegen eine schlagkräftigere Propaganda gefordert (und zwar als Lehre aus
der Niederlage im Ersten Weltkrieg), weil man der Propaganda der Franzosen
einen großen Anteil am Sieg zuschreibt. Der Verdacht liegt nahe, daß die hohe
Einschätzung (um nicht zu sagen Überschätzung) der Wirkung der Karikatur
durch die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg daher rührt, daß man die eigene
Niederlage im Krieg zu erklären versucht. 1923 schreibt Karl d´E STER in einem
Artikel für die Kölner Volkszeitung, ein Bild wirke in der Presse des Auslandes
(die deutsche scheint er nicht mit einzubeziehen) oft mehr als ein Leitartikel,
und er bezeichnet „Spott und Satire in Wort und Bild“ als „stets wirksame
Hilfsmittel im politischen Kampfe“378. Wie schon zuvor AVENARIUS, so hält
auch d´ESTER „das feindliche Spottbild“ für ein „Hindernis der Völkerversöhnung“ und beklagt die Drastik der Darstellungen. Beide Autoren gehen
davon aus, daß die Karikatur selbst in Zeiten, wo die Fronten geklärt sind,
durchaus eine meinungsbildende Macht ist. Andererseits wird der außenpolitischen Karikatur umgekehrt eher eine innenpolitische Wirkung unterstellt:
Ein ohnehin bestehendes Feindbild wird in der Karikatur reproduziert und trifft
kaum tatsächlich den Feind, statt dessen aber verschafft sie dem eigenen Volk
Bestätigung und Kampfesmut, so daß der psychologische Faktor im eigenen
Lager wesentlich ist.379
376
377
378
379
124
Vgl.: Avenarius, Ferdinand: Das Bild als Narr. Die Karikatur in der Völkerverhetzung.
Was sie aussagt und was sie verrät. München 1918 (im folgenden: Avenarius 1918).
Reumann verdeutlicht, wie unterschiedlich die Auffassungen von dem Wirkungspotential
der Karikaturen sind: „Wenn in Deutschland über die Wirkung von der Karikatur
gesprochen wird, bewegt sich die Diskussion meistens zwischen zwei Extremen. Die
eine Seite wird z.B. von Erich Ludendorff vertreten, der unter dem Eindruck des 1917
und 1918 allmählich erlahmenden deutschen Kampfwillens von der kriegsentscheidenden Wirkung der französischen und englischen Propaganda sprach. Auch Sir
Campbell Stuart, der englische Propagandadirektor, hat dem Northcliffeschen
Propagandafeldzug eine fast kriegsentscheidende Wirkung zugeschrieben, während die
französischen Fachleute etwas vorsichtiger die Ansicht vertraten, daß ihre
Weltkriegspropaganda den deutschen Zusammenbruch nicht bewirkt, aber beschleunigt
hätte.“ Reumann 1966, S. 219.
Avenarius, Ferdinand: Die Weltkarikatur in der Völkerverhetzung. München/Berlin 1921,
S. 3.
d´Ester, Karl: Das feindliche Spottbild als Hindernis der Völkerversöhnung. In: Kölner
Volkszeitung v. 24.12.1923, o.S.
„So ist es bezeichnend, daß in der ersten Hälfte des 1. Weltkrieges eine reich illustrierte
Broschüre über Karikaturen auf die Kriegsereignisse der deutschen, aber auch der
Die Karikatur kümmert sich auch um innenpolitische Belange. Vor allem sozial
engagierte Zeitschriften wie der Wahre Jakob und ab 1919 eine weitere linksgerichtete Zeitschrift, bezeichnenderweise mit dem Titel Die Pleite, machen in
ihren Karikaturen auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam. Als Organ der
KPD wird der Knüppel herausgegeben, der GEORGE GROSZ (1893-1959) und
HEARTFIELD als Karikaturisten beschäftigt. Ebenfalls eine satirische Zeitschrift
der Weimarer Republik ist Eulenspiegel / Roter Pfeffer.380 Mit dem Publizieren
satirischer Zeitschriften boomt zwar die Karikatur in den 20er Jahren, ihre
progressive politische Kraft wird jedoch von HAAS angezweifelt. Beispielhaft
untersucht er den Antisemitismus in der österreichischen satirischen Presse der
ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, daß die
Karikatur mehr und mehr zu einem „bürgerlich-urbanen Familienhumor“
degeneriert ist.381 Mit dem Ersten Weltkrieg ist die Karikatur bitterer und
aggressiver geworden. Doch die Funktion, vielschichtige und differenzierte
politische Zusammenhänge nachzuvollziehen und das Komplexe „durch
kritische Reduktion einfach verständlich auf den Punkt, die Pointe zu
bringen“,382 erfüllt die Karikatur nicht. Statt dessen bedient sie sich einfacher
Schemata:
„meist ersetzte rabiat vereinfachendes Feindbilddenken fehlenden
Überblick und mangelnden Esprit. Was im mündlichen Diskurs, in der
politischen Auseinandersetzung, kaum möglich war, - in den Witzblättern
fand es statt. Stereotype Simplifizierungen in Karikaturen und Satiren
verstärkten Spannungen und Gegensätze zwischen rivalisierenden Gesellschaftsschichten und Ideologien. Die traditionellen Chiffren der visuellen
Übersetzung der Karikaturisten wichen zunehmend einfacher strukturierten Aggressionsmustern. Haß führte die Feder der Zeichner und
Texter.“383
************************
380
381
382
383
internationalen Presse offiziell in Deutschland erscheinen konnte [gemeint ist die von
Ernst Schulz-Besser: Die Karikatur im Weltkrieg. Leipzig, o.J., um 1916 - A.P.]: Man
fühlte sich ganz sicher, glaubte an Sieg und gab daher auch die satirischen Äußerungen
der Gegner und der Neutralen dem eigenen Volk zum besten. [...] Die eigentliche
Absicht war, die Deutschen selbst durch gegnerische Karikaturen davon zu überzeugen,
daß man sie in der ganzen Welt fürchtete.“ Schmoll 1977, S. 15f.
Vgl.: Satire und Karikatur. Projektseminar und Ausstellung an der Gesamthochschule
Siegen, Wintersemester 1976/1977, o.S. Der „Eulenspiegel“ wurde in Anknüpfung an
seine proletarische Tradition 1954 in der DDR wieder neu herausgegeben und existiert
noch heute, auch nach der Wiedervereinigung, als satirisch-kritische Zeitschrift.
Vgl.: Haas 1988, S. 3.
Haas 1988, S. 3.
Haas 1988, S. 3.
125
Auch nach dem Ersten Weltkrieg lebt das Bild der Bestie in den Karikaturen
fort. In einem von dem Deutschen JULIUS USSY ENGELHARD (1883-1964) für die
SPD entworfenen Plakat aus dem Jahre 1919 wird der Bolschewismus in dieser
Form dargestellt (Abb. 47). Das Motiv des grobschlächtigen und rohen Primaten
scheint geeignet, den Feind als Barbaren und Gefahr für die Zivilisation darzustellen, denn ein vernunftloses Ungetüm steht der kultivierten Welt gegenüber.
Insofern ist der Kampf gegen diesen Feind eine Entscheidung zwischen
Zivilisation und Barbarei. Ein Plakat der italienischen Propaganda aus dem
Jahre 1942, von GINO BOCCASILE (1901-1952) gestaltet, stellt eine Verknüpfung
dieser Unterscheidung zwischen Zivilisation und Barbarei mit der Rassenideologie dar (Abb. 48). Das affenartige Ungetüm ist hier ein schwarzer
Amerikaner, der sich die strahlend weiße Venus von Milo „gegriffen“ hat
(größer können die Kontraste zwischen Hell-Dunkel-Werten, zwischen Licht
und Finsternis kaum mehr sein) und in Verkennung ihres Wertes, den sie als
künstlerischer Höhepunkt der europäischen Kultur darstellt und den er in seiner
Primitivität gar nicht erfassen kann, mit 2$ deklariert hat. Dieser plündernde
Primat droht, die kultivierte Welt zu vernichten.
Wenn wir eine Karikatur des Südafrikaners CHRIS RIDELL aus dem Observer
von 1995 betrachten, dann sind die Parallelen des Motivs offensichtlich (Abb.
49). Auch eine von dem australischen Karikaturisten PATRICK OLIPHANT gezeichnete Darstellung des serbischen Präsidenten Miloševic aus der
International Herald Tribune aus dem Jahre 1993 ist eine Variante des gleichen
Motivs - nur, daß hier der Menschenaffe (der „Vormensch“) durch den
Neandertaler ersetzt wurde (Abb. 50).
Das Motiv des Primaten ist oft gekoppelt mit dem des Frauenraubs und (nur ein
weiterer Schritt) des Frauenschänders. In King-Kong-Manier ist in einer
deutschen Karikatur aus dem Ersten Weltkrieg der Feind dargestellt (der
amerikanische Film „King-Kong und die weiße Frau“ entstand aber erst 1933!).
Die Bestie ist durch die Mütze, die sie trägt, als Schotte gekennzeichnet. Wieder
steht der Feind, in Helligkeitswerten ausgedrückt, im größten Gegensatz zu der
weißen Frau, die er entführt (Abb. 51). Der Kontrast zwischen Primitivität und
Kultur wird durch den Stein als urzeitliches Kampfgerät in der Hand des
Gorillas und dem tempelähnlichen Gebäude zu seinen Füßen, das für den hohen
Grad der Zivilisation steht, verbildlicht. Die kurze Zeit später, nämlich 1920,
entstandene Karikatur GULBRANSSONs, in der die „schwarze Besatzung“ eine
„Schande für die weiße Rasse“ genannt wird, wirkt wie ein Duplikat (Abb. 52).
Direkter Nachfahre dieser Bildfindung ist auch eine britische Karikatur von Sir
126
J. BERNARD PATRIDGE (1861-1945) aus dem „Punch“ von 1939, nur ist diesmal
der Deutsche der Affe, der die in der Frau verkörperte „Freiheit“ raubt (Abb.
53). Bemerkenswert ist die Spiegelbildlichkeit der Darstellungen: Das Motiv des
Primaten dient quer durch die Gegnerschaften und politischen Identifikationen
hinweg als Feindbild. Das von der Propaganda benutzte Bild ist somit
ideologieunabhängig. So wie im Nationalsozialismus die Gegner als Affen und
Untermenschen karikiert wurden, so wird auch er selbst dargestellt „und - das ist
die Ironie - dieses Bild taucht noch in Theorien über den Faschismus auf.“384
Der Feind hat als Frauenräuber und damit impliziert als Frauenschänder
Tradition in der Karikatur. Der Feind als Vergewaltiger reiht sich in die Linie
der Barbaren und Monstren ein. Der Raub und die Vergewaltigung der Frau ist
als Gipfel der Barbarei zu sehen. Der Akt des Vergewaltigens ist das Extrem der
sexuellen Zügellosigkeit, und gleichzeitig offenbart der Feind hier sein
gewalttätiges Potential - er wird als Sadist entlarvt, der die Ehre des Volkes,
dem man selbst angehört, beschmutzt und das Volk schändet. Solche
Darstellungen schreien nach dem Schutz der Reinheit, nach der Verteidigung
der (eigenen) Unschuld. Ein frühes Beispiel ist die Zeichnung des Franzosen
LOUIS LEGRAND (1863-1915): „Der preußische Tod“ aus der Zeitschrift Le
Courier Français von 1888 (Abb. 54). Der drastische Aufruf „Töte das
faschistische Biest“ in einem sowjetischen Plakat aus dem Jahre 1942 (Abb. 55)
von VIKTOR DENI (Pseudonym für VIKTOR NIKOLAYEVICH DENISLOV, 18931946) steht ebenso in dieser Folge wie ein Plakat aus der Nachkriegszeit des
„Volksbundes für Frieden und Freiheit e.V.“ von 1951, in dem der (vor-) oder
untermenschlich gezeichnete Feind der Kommunismus ist (Abb. 56). Eine
Karikatur des Österreichers PEPSCH (Pseudonym für JOSEF GOTTSCHEBER)
verlegt die Szene in das Chile von 1987 (Abb. 57), und BEHRENDT
charakterisiert in einer 1994 erschienenen Karikatur die Besetzung Bosniens auf
diese Weise (Abb. 58). Eine ganz andere Form der Darstellung bei gleichem
Motiv zeigt eine Karikatur des Bulgaren NICOLAS PECAREFF aus dem Jahre 1985
(Abb. 59).
Die Frau steht in diesen Bildern nicht nur für sich selbst, sondern ist auch
Sinnbild der Mutterschaft, der Ernährerin, der Hüterin von Heim und Herd. In
diesen Rollen liegt die ikonologische Aufgabe der Frau in der Propaganda. Sie
ist diejenige, die in der Heimat auf den Soldaten wartet, ihn moralisch
384
Marks 1983, S. 34.
127
unterstützt, die ihn als Krankenschwester gesund pflegt, in deren Augen er als
Held zurückkommt.
„Sie ist die Zuschauerin, die der Tapferkeit applaudiert, das unsichtbare
Geisterpublikum, vor dem heldenhafte Taten vollbracht werden. Und die
Mutter, die auf die Rückkehr ihres Sohnes wartet und darum betet. Als
solche ist sie gewöhnlich ein Geisteswesen, rein und ätherisch.“385
Die Frau tritt nie aktiv in den Bildern auf, sondern lediglich als Opfer. Nie ist
der Feind als Frau dargestellt, weil ihr Charakterprofil mit diesen positiven
Kennzeichen besetzt ist und sie daher eher geeignet ist, Identifikationen zu
bieten als Aggressionen anzufachen.
Eher noch barbarischer und noch bestialischer als das frauenüberfallende
Monstrum erscheint der Feind, wenn er als Kinder-Mörder auftritt. Eine vor Blut
nur so triefende Karikatur des Briten EMILIO KÜPFER aus dem Ersten Weltkrieg
zeigt den deutschen Soldaten als kinderabschlachtendes Ungeheuer, dessen
Blutrünstigkeit sich in der Darstellung nicht mehr überbieten läßt (Abb. 60). In
dieser Tradition steht auch eine Karikatur von 1991, in der OLIPHANT den
irakischen Diktator Saddam Hussein darstellt, wie er zähnefletschend mit der
Pistole die Frau (als Repräsentantin des Iraks) und ihr Kind bedroht (Abb. 61).
Nicht nur zu Zeiten, deren Ausdrucksformen uns heute ausgesprochen drastisch
anmuten, wurden die Feinde in den Augen der Karikaturisten (und ihrer
Rezipienten) zur Bestie. Eine wieder Saddam „in Aktion“ zeigende britische
Karikatur vom August 1990 ist im Hinblick auf die Bestialisierung des
politischen Gegners noch dramatischer angelegt (Abb. 62).
„Die Darstellung der wilden, vorquellenden Augen des Mannes, des
übergroßen, scharfen Messers über den Kehlen der im Schlaf unschuldig
und rührend wirkenden [...] Kinder, ist von erschreckender, eindringlicher
Brutalität.“386
385
386
128
Keen 1986/1987, S. 58. „Unausgesprochen spielt die Frau in Wahrheit eine ganz andere,
nicht anerkannte Rolle im Krieg: Sie ist Preis und Köder. Dem Sieger gehört die Beute,
und die Frauen des Feindes sind dabei die Hauptsache. [...] In ihrer stärksten Form ist es
die heimliche Erlaubnis für ´normale´ Männer, nun im Feindesland ihre Vergewaltigungslust befriedigen und ohne Konsequenzen ihrem Frauenhaß freien Lauf lassen
zu können.“ Keen 1986/1987, S. 57. Die schreckliche Aktualität dieser Aussage wurde
erst jüngst im serbisch-bosnischen Krieg wieder offensichtlich.
Bilderwelten I. Satirische Illustrationen aus der Sammlung von Kritter. Museum für
Kunst und Kulturgeschichte Dortmund 1986, S. 199.
Dies ist keine Beschreibung der Saddam-Karikatur, sondern die einer Zeichnung
von DORÉ, die er 1862 als Illustration zu PERRAULTs Märchen „Der Däumeling“
schuf (Abb. 63). Die Szene zeigt den grausamen Oger wie er, entgegen seiner
Absicht, den Däumeling und seine Brüder zu töten, aus Versehen seine eigenen
Töchter massakriert. Die Saddam-Karikatur aus dem Jahre 1990 ist ein direktes
Zitat der Märchenillustration von DORÉ. Die Ausdruckskraft der Doréschen
Zeichnung wird von dem englischen Karikaturisten aktualisiert und für einen
neuen Sachverhalt verwendet. Die Darstellungsform des Vorbildes und auch
seine gespenstisch-grausame Atmosphäre werden beibehalten, aber auf einen
aktuellen Inhalt wird Bezug genommen. Der Karikaturist benennt einen neuen
Akteur: Saddam Hussein. Der irakische Diktator hatte im August 1990 die
Botschaftsangehörigen westlicher Länder mit ihren Familien als Geiseln
genommen und sich in einer weltweit ausgestrahlten Fernsehsendung mit
zwanzig britischen Geiseln - darunter auch Kinder - präsentiert. In Form dieser
Darstellung klagt der Karikaturist den despotischen Akt der Geiselnahme u.a.
von Kindern an.387 Er arbeitet mit dem Kontrast zwischen dem heimtückischen
Unhold und den friedlich-unschuldigen Kindern. Die Geiselnahme wird
verglichen mit der Gewalttat, welche die Bestie im Begriff ist den nichtsahnenden und wehrlosen Kindern anzutun. So wie eine derartige Grausamkeit
Empörung erregt, so muß auch angesichts der Politik des irakischen Präsidenten
der Ruf nach Vergeltung laut werden. Saddam ist hier nicht nur als Tyrann,
sondern als Bestie gekennzeichnet. Anders kann man einen solchen
Unmenschen, der zu etwas derartigem fähig ist, nicht sehen. Deshalb lassen sich
diese Bildformeln, die den politischen Gegner als Kinder-Mörder vorführen,
gleichfalls unter der Überschrift „Bestie“ fassen.
Im Individuum Saddam zentriert sich der Aggressor. Die Abscheu gilt nur
Saddam - die Feindseligkeit bezieht sich auf ihn als einzelne Person. Mit einem
Feind, der ein solches Ungeheuer ist, lassen sich keine menschlichen Gefühle
mehr verbinden. Gegen ihn ist größte Härte angesagt. Dabei wird jedoch
unterschlagen, daß der Krieg kein Kampf gegen die eine, zur Bestie degenerierte
Person ist, sondern daß beim Einsatz der eigenen Soldaten tausende von
Menschen, unter ihnen auch Zivilisten, getötet werden. Die Reduzierung der
Perversion auf eine einzelne Gestalt hat wenig mit politischer Analyse zu tun.
MARKS hat bezüglich des Umgangs mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit diese Praxis zu Recht kritisiert:
387
Die Geiselnahme wird in den Karikaturen auf vielfältige Weise kommentiert. Auf eine
Ikonographie dieses Ereignisses in den Karikaturen wird an dieser Stelle verzichtet.
129
„Faschismustheorien, welche in ´den Nazis´ oder den Führern eine
besondere psychische Disposition wie Aggressivität, Sadismus oder
Perversion suchen, verfehlen sämtlichst die Fragestellung im zentralen
Punkt: wer den von besinnungslosem Haß getriebenen, ´besessenen´
Berserker und Mörder (mit Schaum vor dem Mund?) sucht, der hat den
Mörder schon wieder fein säuberlich abgegrenzt von der Welt der
´vernünftigen Normalbürger´. Wenn der KZ-Angestellte die mörderische
Bestie außer sich ist, dann ist er bei sich, bei Besinnung, schon wieder
rehabilitiert.“388
Die politischen Ursachen einer konstatierten Aggressivität und Despotie werden
in den Bestien-Karikaturen ebensowenig reflektiert wie die Tatsache, daß ein
sadistisches Regime nicht durch eine einzige Person aufrechterhalten wird,
sondern ein Volk oder zumindest eine Gruppe der machthabenden Elite und oft
auch ausländische Interessen die Politik und die entsprechende Ideologie tragen.
Im deutschen Faschismus genauso wie in heutigen als menschenverachtend
erkannten Systemen (die im Gegensatz zum Nationalsozialismus auch gegen das
eigene Volk, das machtlos bleibt, gerichtet sind), sind wirtschaftliche Interessen
der Motor des Regimes. Die Konzentration auf eine Person als Feind ignoriert
die tatsächliche Substanz des in den Karikaturen angeklagten Terrors.
3.3
Der Feind als Negativ-Bild: Antithetische Kampfbilder
Eine andere Form, den Feind möglichst negativ zu kennzeichnen besteht darin,
einen extremen Gegensatz zwischen ihm und dem Bild, das man vom sich selbst
hat, zu formulieren. Dabei besetzen die eigene Partei und der Feind in einer
Darstellung die beiden Pole zwischen Gut und Böse, Schön und Häßlich,
Heroisch und Verbrecherisch. Wenn der Andere das Extrem an Negativa
aufweist und das Selbst im gleichen Zug idealisiert wird, dann steigern sich die
Bilder, die vom Selbst und vom Gegner entworfen werden, gegenseitig. Der
optimale Effekt an Verunglimpfung einerseits, Selbstverherrlichung
andererseits, ist erreicht.
Ein Beispiel für eine solche Gegenüberstellung in der Karikatur stellt eine mit
den Worten „Ich bin der Staat. Wir sind der Staat“ versehene sowjetische
Karikatur dar (Abb. 64). Sie entspricht damit dem, was REUMANN
„antithetisches Kampfbild“ nennt. Anhand von Kampfblättern aus der
388
130
Marks 1983, S. 53.
Reformationszeit, aus dem Dritten Reich und an kommunistischen Karikaturen
untersucht er, „ob und inwieweit weltanschauliche Konzeptionen auf Aussageformen, Inhalt und Wirkung von Karikaturen Einfluß üben“. Umgekehrt fragt er
danach, „ob und (wenn ja) unter welchen Bedingungen Karikaturen
weltanschauliche Konzeptionen lächerlich machen“389. In diesem Zusammenhang ist das Augenmerk v.a. auf solche Karikaturen zu richten, in denen eine
bekämpfte Partei einer idealisierten gegenübergestellt wird. Diese Gegenüberstellungen zweier Parteien bzw. Gegengrößen, Kontrahenten oder
Antagonismen als qualitativ ungleichwertig bezeichnen ein antithetisches
Spannungsverhältnis. Zur Benennung dieses Verhältnisses bedient REUMANN
sich des in bezug auf Spottbilder aus der Reformationszeit benutzten Begriffs
„Kampfbild“ und ergänzt diesen durch die Verbindung mit dem Terminus
„antithetisch“:
„Die bildpolemische Gegenüberstellung von Gut und Böse ist jedoch noch
nicht hinreichend charakterisiert, wenn man sie als Kampfbild bezeichnet.
Nicht alle Bildantithesen sind Kampfbilder, und nicht alle Kampfbilder
stellen Antithesen dar. Es gibt Bilderantithesen, die unpolemisch sind, und
es gibt Kampfbilder, die lediglich die angegriffene Partei als schlecht
brandmarken, ihr aber keine positive Partei entgegenstellen. Kampfbilder,
die Gut und Böse gegeneinander abwägen, sollen daher exakter antithetische Kampfbilder genannt werden.“390
Reumann differenziert zwischen Karikaturen, die antithetische Kampfbilder
sind, und „reinen“ Karikaturen.391 Nicht in der Darstellung durch eine polemische Zeichnung, die Äußerlichkeiten des Gegners maßlos ins Negative
steigert, liegt das Vermögen der Karikatur, sondern in der Aufdeckung und
Sichtbarmachung dessen, was hinter der äußeren Erscheinung steckt. Dem
Karikaturisten sollte es darum gehen, das „innere Wesen“ durch Überbetonung
und Verzerrung bestimmter Merkmale an die Oberfläche zu bringen. Dies setzt
die Erkenntnis des Zeichners voraus, daß der Charakter eines Menschen nicht
deckungsgleich sein muß mit seiner äußeren Erscheinung, bzw. daß zwischen
Schein und Sein unterschieden werden muß.392 Der Karikaturist will mit den
Karikaturen die Fragwürdigkeit der Dinge vor Augen führen. Es geht dabei um
389
390
391
392
Reumann 1966, S. 9.
Reumann 1966, S. 10.
Mit seiner Verwendung des Begriffs „reine“ Karikatur bezieht er sich auf Brauer und
Wittkower, die nicht die formale, sondern die inhaltliche Übertreibung als das „Wesen“
der Karikatur ansehen. Nicht wie, sondern was übertrieben wird, ist relevant. Die Form
ordnet sich der Aussage unter. Vgl.: Reumann 1966, S. 74.
Vgl.: Schmied 1957, S. 729.
131
die Darstellung von vorhandenen Mißständen als Verzerrungen des
Idealzustandes, und nicht um die Verzerrung selbst. In dem Moment aber, wo
die Verzerrung eine Entmenschlichung betreibt, wie es bei Darstellungen von
Gegnern häufig der Fall ist, handelt es sich demnach nicht mehr um „reine“
Karikaturen, sondern um antithetische Kampfbilder. Das Zerrbild ist dann nicht
mehr eine Entlarvung latenter häßlicher (Charakter)Züge. Es wird zum
Synonym für den Gegner, der eben als häßlich, als Gegenteil vom Idealzustand
dargestellt wird. Dies kann sich bis zum Bild vom „Untermenschen“ steigern. 393
Außerdem ist die beabsichtigte Wirkung des Kampfbildes von der der „reinen“
Karikatur zu unterscheiden. Die Karikatur präsentiert ihren Gegenstand in einer
in der Realität so nicht optisch erfahrbaren Weise und liefert somit dem
Rezipienten eine neue Perspektive. Das bedeutet für den Betrachter eine
Erweiterung seiner Wahrnehmung und seiner Kenntnis vom Dargestellten. Er
erkennt den inhaltlich „wahren Kern“ hinter der verzerrten Darstellung und
nimmt entweder diese neue Information an, um sich ein Urteil über den
karikierten Sachverhalt zu bilden, oder er lehnt die Auslegung des
Karikaturisten ab. In beiden Fällen aber ist er zu einer eigenen Reaktion, zu
einem eigenen Urteil aufgefordert. Und hierin liegt der Gegensatz zwischen
Kampfbild und „reiner“ Karikatur. Während sich die „reine“ Karikatur an den
wägenden Verstand des Betrachters wendet und zu einem gedanklichem Prozeß
anregen will, will das Kampfbild ein ausschließlich negatives Bild des
Karikierten propagieren, das scheinbar objektiv ist und nicht mehr der mentalen
Überprüfung bedarf394 (die Reumannsche „reine“ Karikatur erinnert an die
Grünewaldsche Kategorie der „analytischen Karikatur“, von der noch zu
sprechen sein wird).
Das Kampfbild will zu Handlungen aufrufen und sie gleichzeitig legitimieren.
Klassische Beispiele antithetischer Kampfbilder sind aus der Propaganda des
Dritten Reiches geläufig. Ein Wahlplakat zur Reichstagswahl von 1920 (Abb.
65) ist exemplarisch.
393
394
132
Vgl.: Reumann 1966, S. 75.
Vgl.: Reumann 1966, S. 76.
EXKURS 3: Feindbildkarikaturen im Nationalsozialismus
In der Erforschung der Karikatur und der Pressezeichnung des Dritten Reiches
bestehen nach wie vor Defizite. Die Instrumentalisierung der Karikatur im
Kontext der Propaganda der Nazis erscheint nur zu offensichtlich und eine
weitere Beschäftigung mit ihr obsolet.395 Damit wird jedoch die Differenziertheit
der Aussage der NS-Karikatur unterschätzt.396 Die als Propaganda erkannten
Karikaturen aus dem Dritten Reich werden in der späteren wissenschaftlichen
Betrachtung als ästhetisch minderwertig eingestuft. Indem sie somit aus
kunsthistorischer Sicht indiskutabel sind, erspart man sich die Auseinandersetzung mit ihnen und ihren Inhalten397, obwohl in diesen Karikaturen die
gleichen karikaturistischen Mittel benutzt werden, wie zuvor und auch später.
Außerdem sind die Zeichner zumeist die geblieben, die schon vor der
Machtergreifung als Karikaturisten arbeiteten398. Dieser Umstand führt eine
Disqualifizierung mit ästhetischer Rechtfertigung ad absurdum, zumal es auch in
der Karikatur keine „Stunde Null“ gegeben hat: Viele Karikaturisten, die
während des Nationalsozialismus arbeiteten, gehen auch nach dem Krieg ihrem
Beruf nach. GULBRANSSON, THÖNY, ARNOLD und HANNS ERICH KÖHLER (19051983) werden in einer Ausstellungsbesprechung vom Mai 1940 besonders
hervorgehoben als Vertreter des politischen Kampfes und des Ausdrucks „eines
künstlerischen Willens, der seine ganze Kraft dem deutschen Geschehen zur
Verfügung stellt, um an seinem Platz mit seinen ihm von der Begabung her
395
396
397
398
„Wenn heute NS-Karikaturen abgelehnt werden, so geschieht das äußerlich aus einer
(zumindest vorgegebenen) entrüsteten Ablehnung des Nationalsozialismus. Die
Karikatur selbst wird von der Auseinandersetzung ausgeklammert. Ein gefährliches
Vorgehen, wenn man bedenkt, welch ungeheure Wirkung diese Zeichnungen für die
Meinungsbildung und das Verhalten von Millionen hatten; und gefährlich auch, weil die
Handhabung dieser Art Karikatur heute aktuell geblieben ist.“ Grünewald 1975, S. 85.
Grünewald verweist in diesem Zusammenhang auf NPD-Karikaturen, die 1972 in einem
„Denkhilfen für Willy Brandt“ betitelten Band erschienen, und die er in ihrer Form als
neue nationalsozialistische Karikaturen bezeichnet.
Klaus Pohl spricht von der „außerordentlichen Relevanz dieses sehr wichtigen Bereichs
der politischen Ästhetik des Faschismus“, dessen formale und inhaltliche Festlegungen
offen formuliert wurden. Vgl.: Pohl, Klaus D.: Das Feindbild Don Cumpanero.
Anmerkungen zum Gebrauch des Spanischen Bürgerkrieges in der nationalsozialistischen Karikatur. In: Der Spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste. Hrsg.
v. Jutta Held. (Schriften der Guerra-Gesellschaft, Bd. 1). Hamburg 1989, S. 178-196 (im
folgenden: Pohl 1989); hier: S. 178.
Vgl.: Grünewald, Dietrich: Bemerkungen zur NS-Karikatur. In: Ästhetik und Kommunikation, Jg. 19, 1975, S. 85-89 (im folgenden: Grünewald 1975); hier: S. 85.
Z.B. Olaf Gulbransson (1873-1958), Karl Arnold (1883-1953), E.H. (Hanns Erich)
Köhler (1905-1983) und Wolfgang hicks (1909-1983).
133
verliehenen Waffen zu fechten.“399 In besagtem Artikel ist die Rede von der
„Bindung zwischen Kunst und politischem Geschehen“, für die diese Ausstellung Zeugnis abgebe. Die ausgestellten Arbeiten zeigen, was die
Karikaturisten „zur Stützung der Heimat und zur Zersetzung der Front des
Feindes geleistet haben“400. Der sudetendeutsche Zeichner KÖHLER (während der
NS-Zeit unter dem Künstlernamen „ERIK“) ist Initiator jener Ausstellung und
erwirbt sich mit seinen Blättern in der Besprechung die Betitelung „eine[r] der
Unseren“, was nicht zuletzt mit einer Professur in Prag belohnt wird. In der
Nachkriegszeit setzt er seine karikaturistische Arbeit fort. Nach 1947 zeichnet er
Porträts und Landschaften für US-Besatzungssoldaten, schließlich politische
Karikaturen. Er arbeitet u.a. für die Nürnberger Nachrichten, die Frankfurter
Allgemeine Zeitung und Die Zeit - unter dem Signum „H.E.K.“ oder „H.E.
KÖHLER“401. In einem Karikaturen-Band mit Arbeiten KÖHLERs von 1974 wird
ihm im Vorwort eine „liberale Grundlinie“ bescheinigt. Vor dem Hintergrund
seiner Biographie ist eine Sentenz in dem Band bemerkenswert:
„es ist kein Zufall, daß in totalitären Systemen eine gute und
wirkungsvolle Karikatur nicht gedeiht. Karikatur als Agitation ist langweilig und verfehlt obendrein ihren Zweck. Ihre vorbestellte Aussage
wirkt unglaubwürdig.“402
Der im NS-Regime angepaßte Karikaturist WOLFGANG hICKS (Künstlername mit
kleinem „h“, 1909-1983) wird in der Nachkriegszeit vom Springer Verlag unter
Vertrag genommen.403 MJÖLNIR, im Nationalsozialismus besonders engagiert,
arbeitet allerdings nach dem Krieg nicht mehr in diesem Metier. Doch als
Illustrator ist er weiterhin tätig.404
Zwischen der NS-Karikatur und einer „demokratischen“ besteht in ihrer
äußerlichen Erscheinung kein Unterschied im Hinblick auf den verwendeten
Zeichencode: traditionelle Zeichenelemente, Klischees und bestimmte Attribute
werden in der Karikaturgeschichte kontinuierlich verwandt. Auch die künstlerische Qualität ist unabhängig davon, in welchem Geist die Karikatur
gezeichnet wird. Es ist daher für eine Bewertung der Karikatur zu plädieren, die
399
400
401
402
403
404
134
Glass, Robert: Witz als Waffe. In: Die Zeit. Amtliche Tageszeitung der NSDAP, Gau
Sudetendeutschland (Reichenberg) v. 23.5.1940 (im folgenden: Glass 1940), S. 6.
Glass 1940, S. 6.
Vgl.: Flemig 1993, S. 150.
Benckiser, Nikolas: Einführung. In: H.E. Köhler. Die Lage der Nation. Frankfurt a.M.
1974.
Vgl.: Veith 1986, S. 78.
Vgl.: Das große Lexikon des Dritten Reiches. Hrsg. v. Christian Zentner / Friedemann
Bedürftig. München 1985, S. 532.
sich nach dem Kriterium richtet, inwiefern die Karikaturisten welche Dramaturgie benutzen, um welche Aussage zu treffen bzw. sich bewußt sind, in
welcher Tradition die von ihnen verwendeten Bildformeln stehen.
In ihrer aggressiven Qualität unterscheiden sich die nationalsozialistischen
Karikaturen sehr wohl von heutigen Karikaturen. Die NS-Propaganda bezieht
sich nicht auf Konkretes (es werden nicht direkte Tatbestände aufgegriffen),
sondern greift auf moralisch-emotionale Topoi wie „Ehre“ oder „Nation“
zurück.405 Bei aller Differenz bleibt jedoch das Faktum bestehen, daß die
ikonologischen Traditionen in der Karikatur ungebrochen weiterbestehen - wie
anhand der Kontinuität der Archetypen deutlich wird.
Die Karikatur gilt den Nazis als unmittelbares Instrument, das mehr als andere
ästhetische und visuelle Ausdrucksformen den politischen Interessen und Strategien ein Forum bieten kann. Entsprechend dieser Entdeckung der Karikatur als
propagandistisches Mittel steigert sich die Wertschätzung, derer sie sich bei den
Nationalsozialisten erfreut. HERMANN HORNUNG legt in einem Artikel für den
Kärntner Grenzruf vom 21.2.1941 dar, daß seit dem Ersten Weltkrieg, „in
allergrößtem Umfang nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus
und seit Beginn des jetzigen Krieges“, die Karikatur immer größeren Raum in
der Tagespresse einnimmt.406 Er erklärt diesen Boom mit der „politischen
Erneuerung des deutschen Volkes“. Vor dem Dritten Reich habe die Karikatur
im Dienste innenpolitischer „Zerrüttung“, und „kleindeutscher“ und „klassenkämpferischer“ Tendenzen gestanden. Mit der Machtergreifung aber wird die
Karikatur als politisches Tätigkeitsfeld erobert, „wie es noch nie für deutsche
politische Zeichner offen gewesen war“. Die Rede ist von einer neuen
Generation politischer Zeichner.407 Es wird deutlich, daß die Nazis die Karikatur
nicht als ein Mittel der Kritik gelten lassen (eine Verhöhnung der Herrschenden
ist mehr als unerwünscht), sondern die Karikatur soll „den Ansichten und
Gefühlen des deutschen Volkes über die jeweilige politische Gegenwartslage
der Welt Ausdruck geben.“408 Die Karikatur wird zum Instrument der politischen
Führung und dient zur Steuerung des Volkes.
405
406
407
408
Vgl.: Grünewald 1975, S. 87.
Hornung, Hermann: Die Karikatur als politische Waffe. In: Kärntner Grenzruf v.
21.2.1941 (im folgenden: Hornung 1941), o.S.
„Es war natürlich klar, daß nicht die gleichen Zeichner, die bis dahin alles Nationale angepöbelt hatten, nun in positiver Wertung sich in ihren Arbeiten mit der neuen
politischen Auffassung beschäftigen konnten.“ Hornung 1941, o.S.
Hornung 1941, o.S.
135
Für die Effektivität der Karikatur zeichnen sich die psychologischen Mittel, mit
denen Karikaturen arbeiten, verantwortlich.409 Diese Aspekte der Karikatur
werden von den Nationalsozialisten erkannt. Wenn der Reichsverband der
Deutschen Presse, in dem die Karikaturisten und Pressezeichner Deutschlands
zwangsorganisiert sind, 1934 die „Kultivierung“ des Zeitungsbildes fordert, um
„volkstümlicher“ zu werden, manifestiert sich die Strategie, die Karikatur als
psychologisches Mittel zur Beeinflussung möglichst breiter Volksschichten zu
verwenden. Die Karikaturisten und Pressezeichner sollen als Vermittler der
nationalsozialistischen Ideologie fungieren.410 Der Karikatur wird die Bedeutung
„eines publizistischen Führungsmittels von außerordentlichem Wert“ gegeben.
Dem Publizisten soll die Karikatur eine Waffe, dem Propagandisten ein
Kampfmittel sein, „das von hervorragender Bedeutung sein kann für das Ganze
der Nation.“411 Die Karikatur ist damit gleichbedeutend mit Propaganda. Die
Aufgabe der Karikatur, wie der Propaganda überhaupt, wird nicht in der
Rekrutierung bzw. Überzeugung einzelner gesehen, sondern in der Einwirkung
auf Massen.412 Bedingung für die Karikatur ist eine Angleichung an den
„Verbraucher“, an seine Aufnahmefähigkeit. Sie muß sich auf seine geistige
Ebene begeben. Die Karikatur braucht selbst noch nicht einmal direkt
Meinungsbildung zu betreiben, sie hat schon eine potenzierende Wirkung,
indem „sie der allgemeinen Grundstimmung Halt und Gestalt gibt. Je schärfer
und je eindeutiger sie solches tut, desto mehr wird sie auch in der Lage sein,
öffentliche Meinung zu formen.“413 Deshalb wird zur „Geschlossenheit ihres
409
410
411
412
413
136
In seiner 1937 verfaßten Dissertation betrachtet Hans-Hermann Schwalbe die Karikatur
als schlagkräftigstes Instrument der Presse. Vgl.: Schwalbe 1937, S. 27. In diesem Zusammenhang wird auch Karl d´Ester angeführt, der in der Karikatur das wirksamste
Mittel der Meinungsbildung sieht. Vgl.: Schwalbe 1937, S. 5 und S. 41.
Vgl.: Pohl 1989, S. 179.
Schwalbe 1937, S. 53. Schwalbe fügt noch hinzu: „Fast scheint es direkt auf die
Karikatur gemünzt, was Dr. Goebbels über das rein Handwerksmäßige hinaus von jeder
Propaganda forderte: ´Einen Schuß Kunst, Leidenschaft, Instinkt und bildhaftes Schauen.´“ Schwalbe 1937, S. 47f.
Vgl.: Schwalbe 1937, S. 48.
Schwalbe 1937, S. 51. Das Potential, das in der Karikatur gesehen wird, wird deutlich an
folgender Formulierung: „Das Publikum soll die Gewißheit haben, nicht daß ihm etwas
aufgepfropft wird, sondern im Gegenteil, daß nur gesagt wird, was es selber fühlt. [...] Je
schärfer aber und klarer die Karikatur die allgemeine ´Stimmung´ wiedergibt, je deutlicher sie zeigt, nicht was, sondern wie man im Publikum denkt, desto größer wird ihre
Fähigkeit zu wirken sein. Denn auf Grund solchen Fühlung-Habens mit den breiten
Leserschichten vermag sie diese nicht nur unerheblich zu beeinflussen, sondern kann sie
auch so etwas wie ´Atmosphäre´ schaffen und damit Grundlagen für etwa geplante
Taten.“ Schwalbe 1937, S. 50.
Einsatzes“ gemahnt, d.h., die Karikatur kann optimal wirken, wenn sie nur von
einer „Kraftzentrale“ aus gesteuert wird.414 Entsprechend den Interessen des Regimes soll die Karikatur denn auch angewandt werden:
„Wenn man für den Schriftsteller die Forderung aufgestellt hat, daß das
Recht zum Schreiben eine Verpflichtung bedeute gegenüber dem Staat, so
erweitert [der Karikaturist - A.P.] Hans Schweitzer = Mjölnir diese Forderung für den Zeichner und Karikaturisten dahin, daß sein Werk nur
Wert und Bestand habe, sofern ´es als Waffe eingesetzt werden kann im
Kampf um die kulturelle Geltung des Volkes in der Welt´.“415
Als Absicht der „tendenzbestimmten Kunst“, zu der auch die Karikatur zählt,
gilt den Nationalsozialisten die „Beeinflussung des Denkens und Wollens der
Menschen“416. Die Rede ist vom „willenshaltigen Kunstschaffen“, das ein
414
415
416
„Das wilhelminische Zeitalter lebte vollkommen am Wesen der Propaganda vorbei. Es
übersah die Nützlichkeit, ja die Notwendigkeit einer publizistischen Einheitsfront, deren
Bildung die Wirksamkeit aller ihrer Mittel außerordentlich gesteigert hätte.“ Schwalbe
1937, S. 52. Schwalbe argumentiert - ganz auf der Linie der NS-Herrschaft - gegen eine
Karikatur als Ausdruck von individueller politischer Meinung. Nicht von ungefähr wurde
während des Dritten Reiches diese Arbeit verfaßt, die sich mit der publizistischen
Bedeutung der Karikatur auseinandersetzt, nämlich zu einer Zeit des bis ins Extrem
gesteigerten Einsatzes propagandistischer Mittel.
Schwalbe 1937, S. 53.
So in einer 1938 - ein Jahr nach der Veröffentlichung der Arbeit Schwalbes und an der
Schwelle zum Zweiten Weltkrieg - erscheinenden Dissertation von Ludwig SchulteStrathaus (angeregt von Karl d´Ester als Leiter des Zeitungswissenschaftlichen Instituts
an der Universität München), die sich mit Bildwirkung und Propaganda zur Zeit des
Ersten Weltkrieges befaßt. Schulte-Strathaus, Ludwig: Das Bild als Waffe. (Diss.)
München 1938 (im folgenden: Schulte-Strathaus 1938), S. 3. Mit seiner Dissertation will
Schulte-Strathaus klären, ob das Spottbild tatsächlich die sogar kriegsentscheidende
Wirkung hatte, die d´Ester ihm nach dem Ersten Weltkrieg zugestanden hatte. Spottbild
meint hier allerdings nicht nur Karikatur, sondern Bildpropaganda im allgemeinen. Er
kommt zu dem Schluß, daß die Bedeutung der Bildpropaganda als Gelenk zwischen dem
einzelnen und der Masse, zwischen der politischen Führung und der Gefolgschaft des
Volkes, unbestritten ist, und daß sie den Zweck, das Bewußtsein des Volkes entsprechend der Intention der Herrschenden zu formen, erfüllt. Vgl.: Schulte-Strathaus
1938, S. 115. Die Wirkung eines Spottbildes potenziere sich noch durch das ZitiertWerden in der Karikaturennachfolge. Ein Rundschreiben an die deutschen Zeitungen
vom Bild- und Filmamt / Abteilung des Militärbüros des Außenministeriums vom 19.
September 1917, zeigt, daß diese Möglichkeit der Propaganda genutzt wird: „Die
Wirksamkeit einer derartigen systematischen Propaganda [gemeint ist die des feindlichen
Auslandes - A.P.] kann nicht bestritten werden, denn es steht außer Zweifel, daß ein
Gedanke, der durch das Bild wiedergegeben wird, vor allem, wenn er sich oft und unter
verschiedenen Formen wiederholt, auf den Geist des Lesers mehr Eindruck macht als ein
geschriebener Satz. Vom vaterländischen Standpunkt aus wäre es darum sehr wichtig,
daß die deutsche Tagespresse sich entschließen würde, zur Bekräftigung des Textes die
137
Kampfmittel „ersten Ranges“ sei. Die Karikatur bewegt sich zwischen Wiedergabe einer breit im Publikum angesiedelten Meinung und Formung derselben. 417
Dabei gilt die Karikatur nicht als Spiegel der Auffassungen der breiten Masse:
„Denn die manchmal gehörte kompromißlose Gleichung ´Karikatur gleich
Meinung der Massen´ geht an der vom schaffenden Künstler bewirkten
willenshaltigen Nuancierung des allgemeinen Meinungsinhaltes vorbei,
die er vornehmen muß, um den Willen der Massen in die von ihm gewünschten Bahnen zu lenken.“418
Die „Gleichschaltung“ erfaßt die Karikatur im Dritten Reich vollständig: 1939
wird in Berlin das „Interpress Politisches Karikaturenbüro“ eingerichtet - eine
Agentur zur Vermittlung von Karikaturen an die Presse. Ab 1943 wird diese
Aufgabe von der „DPZ“ („Die Politische Zeichnung“-GmbH) übernommen.
Bestimmung dieser Stellen ist es, die politische Karikatur „ihrer propagandistischen Bedeutung entsprechend zu aktivieren“419. Damit ist eine
Gleichschaltung der Pressezeichnung wohl endgültig gegeben. Eine Opposition
- auch in der Karikatur - ist schließlich unmöglich.
Das Regime selbst gibt von 1931 bis 1938 eine Karikaturenzeitschrift, die
Brennessel, heraus, in der „dem Gegner mit der Waffe des Hohns tiefe
Wunden“420 geschlagen werden sollen. 1938 stellt die Brennsessel ihr
Erscheinen ein. An ihre Stelle tritt der Simplicissimus, der im Ausland wegen
seiner kritischen Tradition noch immer ein höheres Ansehen hat.421 Der
Simplicissimus wird „gleichgeschaltet“ - zwei seiner Zeichner, HEINE und
WALTER TRIER (1890-1951), emigrieren. HEINE bewertet ein Jahr nach
Kriegsende sein politisches Potential als Zeichner als vollkommen uneffektiv, da
gerade die Lächerlichkeit, mit der er die Nationalsozialisten vor der
Machtergreifung hat angreifen wollen, diese als „Menschen wie Du und ich“
darstellt. Die Kritik hat sich durch das Mittel der Lächerlichkeit ins Gegenteil
verkehrt und die kritisierten Personen den Leuten erst konkret gemacht, sie
ihnen geradezu nahe gebracht.422
417
418
419
420
421
422
138
hauptsächlichsten Tagesfragen ebenso wie gewisse politische Geschehnisse unter der
Form von Karikaturen wiederzugeben.“ Zitiert nach: Schulte-Strathaus 1938, S. 119.
Vgl.: Schulte-Strathaus 1938, S. 5.
Schulte-Strathaus 1938, S. 5f.
Villinger, Carl J.H.: Die Vermittlung von Karikaturen an die Presse. In: Handbuch der
Zeitungswissenschaft, Bd. II, Leipzig 1941-43, Sp. 2257-2260; hier: Sp. 2257.
Brennessel, 1938, Nr. 51. Zitiert nach: Pohl 1989, S. 180.
Vgl.: Pohl 1989, S. 180.
Vgl.: Reumann 1966, S. 218.
Andere Karikaturisten des Simplicissimus, wie WILHELM SCHULZ (1865-1952),
KARL ARNOLD (1883-1953), EDUARD THÖNY (1866-1950) und GULBRANSSON,
arbeiten unter den Nazis weiter. Die beiden letzteren erhalten unter den
Nationalsozialisten Auszeichnungen und Professuren. THÖNY paßt sich
deutlicher an, indem er in stärkerem Maße Heroisierungen des deutschen
Soldatentums betreibt. Der Simplicissimus-Zeichner ERICH SCHILLING (18851945), zuvor Karikaturist des Wahren Jakob und scharfer Gegner des
Nationalsozialismus, wird sogar Parteimitglied. Sein Schicksal ist von diesem
Kontrast bestimmt: Während nach dem Zweiten Weltkrieg viele seiner Kollegen
auch weiterhin Karriere machen, begeht er 1945 Selbstmord.423 Die Arbeiten
dieser Zeichner lassen sich nicht generell als Dienstleistungen am
Nationalsozialismus verurteilen. GULBRANSSON ist ein Beispiel dafür, daß wenn auch äußerst verhalten - Versuche gemacht wurden, Hitlers Regime zu
kritisieren.424
Ausdruck der Bedeutung, die der Pressezeichnung im Dritten Reich zugestanden
wird, sind die besonderen Ehrungen, die vor allem der Pressezeichner MJÖLNIR
(dieser Name des Hammers des nordischen Gottes Thor wurde von HANS
SCHWEITZER bezeichnenderweise als Pseudonym gewählt) erhielt, „der zu den
ersten 30 Berliner Nationalsozialisten gehört“425 und der nationalsozialistischen
Bewegung „seit ihren Anfängen als kämpferischer Bekenner dient“426. Welche
Karriere ein Karikaturist während des Dritten Reiches machen kann, ist seiner
Biographie zu entnehmen. Er erhielt unter Hitler, der ihn „Zeichner der
Bewegung“ nannte, 1933 eine Professur, wurde „Reichsbeauftragter für
künstlerische Formgebung“ und später Vorsitzender des Reichsausschusses der
deutschen Pressezeichner427. Die Karriere MJÖLNIRs steht in Proportion zu dem
der Karikatur im Dritten Reich zugestandenen politischen Wert.428 MJÖLNIR
fordert denn auch:
423
424
425
426
427
428
Vgl.: Pohl 1989, S. 180.
Vgl.: Veith 1986, S. 74.
Lehmann, Ernst Herbert: Die deutschfeindliche Karikatur als Dokument der geistigen
Kriegsführung. In: Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. II, Leipzig 1941-43, Sp.
2239-2242 (im folgenden: Lehmann 1941); hier: Sp. 2248.
„Was ist mit Pressezeichnung?“ In: Zeitungs-Verlag 1934, Nr. 9, S. 146.
Vgl.: Lehmann 1941, Sp. 2249.
Reumann vergegenwärtigt die Bedeutung dieser Ämter: „Als Reichsbeauftragter für
künstlerische Formgebung, als Vorsitzender der Berliner Ausstellungsleitung und als
Vorsitzender des Berufsverbandes der Pressezeichner hatte Prof. Schweitzer den denkbar
größten Einfluß, um seiner Kunstauffassung Anerkennung zu verschaffen. In seiner
Eigenschaft als Reichsbeauftragter für künstlerische Formgebung erteilte er nicht nur der
139
„Das Thema politische Karikatur darf nicht von jedem x-beliebigen,
sondern nur vom von vorne herein politisch Denkenden abgehandelt
werden. Es ist überflüssig zu sagen, daß sich dieses politische Denken aus
der nationalsozialistischen Weltanschauung heraus versteht.“429
Da den Karikaturen im Nationalsozialismus eine außerordentliche suggestive
Potenz zuerkannt wird, sind sie zur Feindbildpropaganda bestens geeignet. Zwar
heißt es bei HORNUNG:
„Stolz können wir Nationalsozialisten von uns sagen, daß wir die
Karikatur in Friedenszeiten, auch wenn uns das Ausland dazu hinlänglich
Grund gab, nie mißbraucht haben. Und jetzt im Kriege hält sich die
deutsche Karikatur in den Grenzen, wie sie durch das deutsche Wesen und
die deutsche Kultur gegeben sind.“430
Doch gerade in den Karikaturen des Dritten Reiches wird eine Feinddarstellung
betrieben, die vor nichts zurückschreckt. Agitation wird mit Vernichtungspropaganda gleichgesetzt. Der Gewaltfaktor in agitatorischen Bildern wird
positiv bewertet. Die Kampfbilder des Dritten Reiches sollen „Haß und
Verachtung für den Gegner in die Herzen der Masse“431 einpflanzen. Der
„kämpferische“ Einsatz der Karikatur für das öffentliche Leben ist für den
Publizistik-Professor EMIL DOVIFAT ihre bedeutendste Aufgabe, wobei die
Kampfbilder rigoros den Gegner diffamieren und den Haß gegen ihn schüren.
„Mehr als die Moral, so lehrt die Geschichte des Kampfbildes, bestimmt hier der
Erfolg die Wahl der Mittel.“432 Das Vokabular, das die Faschisten zur
429
430
431
432
140
Reichskammer der bildenden Künste ihre Richtlinien, sondern er gehörte auch Gremien
wie der von Reichskunstkammerpräsident Adolf Ziegler einberufenen Kommission an,
die alle größeren deutschen Museen bereiste und die namhaftesten Werke der deutschen
Gegenwartskunst beschlagnahmte, um sie 1937 in München als ´Verfallswerke´ zur
Schau zu stellen.“ Reumann 1966, S. 111.
Mjölnir 1936, S. 193.
Hornung 1941, o.S.
Medebach, Friedrich: Das Kampfplakat. Frankfurt a.M. 1941, S. 10. Zitiert nach:
Reumann 1966, S. 119.
Dovifat, Emil: Die Karikatur als Kampfbild. In: Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd.
II, Leipzig 1941-43, Sp. 2233-2239 (im folgenden: Dovifat 1941); hier: Sp. 2233. Der
Professor, der während des Dritten Reiches vorzeitig emeritiert wurde, aber bis zu
seinem Tode in der Publizistikwissenschaft lehrte, wird von seinen Biographen
hinsichtlich der Frage seines Mitläufertums geschont. Vgl.: Benedikt, Klaus-Ulrich: Emil
Dovifat. Ein katholischer Hochschullehrer und Publizist. (Veröffentlichungen der
Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 42). Mainz 1986 und vgl.: von Dadelsen,
Dorothee: Emil Dovifat. Die publizistische Persönlichkeit. Berlin 1990. Dovifat (anscheinend doch) in entsprechendem propagandistischem Milieu des Dritten Reiches
beheimatet - nennt als Funktion der Kampfbilder das Auslösen von instinktmäßiger
Formulierung ihrer Erwartungen an die Karikatur benutzen, ist entsprechend. In
der Deutschen Presse (1940) ist die Rede davon, was von der Karikatur zu
verlangen sei, nämlich „tödlicher Witz“ und „tödliche Treffsicherheit“,
gekoppelt mit „kämpferischer Leidenschaft gegen das menschlich Minderwertige“433. Der Angriff auf den Gegner in der Propaganda und in der Karikatur
realisiert sich schließlich in der Vernichtung des Feindes im Krieg und in der
„Endlösung“ der „Judenfrage“.
Durchgängig richten sich die Feindbildkarikaturen, die nicht nur in den
Zeitungskarikaturen präsent sind, sondern auch in Flugblättern und Plakaten (die
Karikatur ist nur eine Form dieser Bildagitation), gegen Juden und
Bolschewisten. Sie sind das bevorzugte Thema in der nationalsozialistischen
Karikatur. Eher marginal im Feindbildpersonal nehmen sich die Typen „SPDBonze“ (dick mit Ballonmütze) und der bierbäuchige Geistliche aus.434 Juden
und Bolschewisten müssen in den Karikaturen als „Untermenschen“ herhalten.
Häufig werden beide Gruppen miteinander gekoppelt. Der „ewige Jude“ ist
rassistisch minderwertig, dazu bolschewistisch und verantwortlich für die
Existenz der Sowjetunion, gleichzeitig aber auch kapitalistisch und
ausbeuterisch. Somit liefert er das Bild eines polyvalenten Feindes, der sämtliche Gegnerschaften in sich vereint. Attribute „des“ Juden sind religiöse
Merkmale wie Bart, Kappe oder Kaftan und schließlich die „Judennase“.
Ausdruck des ihm unterstellten Machthungers sind z.B. seine riesenhafte Gestalt
oder Instrumente der Unterdrückung. In der antisowjetischen Feindbildpropaganda begegnet einem der „Untermensch“, zur Rechtfertigung des
Überfalls auf die Sowjetunion und des Genozids der jüdischen Bevölkerung im
besetzten Osteuropa.
Die Karikatur hat die Funktion, die Vorstellung einer bolschewistischen
Bedrohung zu etablieren. Die Propaganda beschwört den Bolschewismus, mit
dem immer auch „die“ Juden als Drahtzieher oder Profiteure in Verbindung
gebracht werden, nicht nur als militärische und todbringende Gefahr, sondern
auch als Schreckgespenst in kultureller Hinsicht. Dazu stellen die
Nationalsozialisten sich selbst als Wahrer der deutschen und sogar der
433
434
Abneigung und solidem Haß, „um sie als Elemente der politischen Willensbildung
einzusetzen.“ Dovifat 1941, Sp. 2239.
„Pressezeichner marschieren auf. Eine Ausstellung politischer Karikaturen in Prag“.
Ausstellungsbesprechung in: Deutsche Presse 1940, Nr. 10, S. 98. Zitiert nach: Pohl
1989, S. 188.
Vgl.: Reumann 1966, S. 113.
141
europäischen Kultur überhaupt dar, die das zivilisierte Europa vor dem
kulturellen Chaos schützen, das die Bolschewisten angeblich über Europa zu
bringen drohen. Funktion dieser Karikaturen ist somit nicht nur die
Feindbildpropaganda, sondern auch die Unterstützung einer gewissen
„Kulturpolitik“, die in dem Anspruch auf die Kulturgüter der später besetzten
Nationen und schließlich im systematischen Kunstraub gipfelt.435
Eine besondere Rolle in der NS-Propaganda spielen antithetische Kampfbilder.
Die Karikatur hat als Kampfbild nicht allein die „Bekämpfung“ des Gegners,
sondern darüber hinausgehend die ideale Inszenierung des eigenen Lagers zur
Aufgabe. Die Karikatur soll die nationalsozialistische Herrschaft klar bejahen
und „die symbolisierte Reinheit des eigenen Zieles“ der entgegengesetzten
Darstellung des Feindes gegenüberstellen.436 Die Selbstdarstellung bzw.
Heroisierung geschieht durch die Wahl einer idealisierenden Darstellung. Der
bereits im Zusammenhang mit Verzerrungen von Physiognomien zitierte
Rassen-Ideologe ROSENBERG stellt den nordischen Heldentyp als hohe schlanke
Gestalt, mit „blitzenden hellen Augen, hoher Stirn, mit kraftvoller, aber nicht
übermäßiger Muskulatur“437 dar, wobei er v.a. auf die Wiedergabe des Gesichtes
Wert legt, in dem sich seiner Meinung nach der Kampfeswille, die
Führungsqualität und das Heldenhafte am stärksten manifestieren.438 MJÖLNIR
verlangt vom „politischen Zeichner“ eine entsprechende Charakterisierung des
Deutschen:
„Es sollte also z.B. nicht mehr vorkommen, daß als Sinnbild des heutigen
Deutschen die Vorkriegsfigur des zwar kräftigen, aber gutmütigen und
etwas dämlichen deutschen Michels erscheint. Das Attribut der Schlafmütze, Zipfelmütze paßt nicht mehr zu der erwachten jungen Generation,
die kühn und selbstbewußt ihren Weg geht. Als Typus des Deutschen der
heutigen Epoche darf die Welt nur den selbstbewußten, kraftvollen
nordischen Menschen des Dritten Reiches sehen, der die Achtung der
übrigen Völker als eine Selbstverständlichkeit für sich fordert.“439
Pressezeichnungen, die Persönlichkeiten des Regimes nicht ausreichend
heroisch oder den politischen Gegner nicht entschieden genug negativ darstellen, will er nicht zulassen.440 Dem entspricht die Diskussion um die
435
436
437
438
439
440
142
Vgl.: Pohl 1989, S. 192.
Vgl.: Dovifat 1941, Sp. 2237.
Rosenberg 1930/1934, S. 291.
Vgl.: Rosenberg 1930/1934, S. 292.
Mjölnir 1936, S. 193.
Vgl.: Mjölnir 1936, S. 194.
„Gefahr“, die bestünde, wenn die deutsche Pressezeichnung ein anderes als ein
idealisierendes Bild vom Deutschen zeige. Vor allem in den 30er Jahren und
während des Zweiten Weltkriegs wird in Artikeln über Karikaturen häufig auf
den Umstand Bezug genommen, innenpolitische Karikaturen, in denen deutsche
Staatsmänner verunglimpft werden, würden der feindlichen Propaganda als
Nahrung dienen. Von AVENARIUS´ Buch „Das Bild als Narr“ (1918) bis zum
„Handbuch der Zeitungswissenschaft“ (1941) taucht diese These immer wieder
auf.441
MJÖLNIR entspricht seinem eigenen Anspruch vollkommen. Er bringt das Bild
des nordischen Helden (und seines Gesichtes) konsequent immer wieder zum
Einsatz:
„Seine dynamische Federführung kommt ihm dabei zustatten, wenn er in
diese gleichförmigen Gesichter den Ausdruck eines glühenden und doch
beherrschten Willens bannt. Oft hat Schweitzer auch auf die Technik des
Holzschnittes zurückgegriffen, um die kernige Kraft seiner Helden besser
zu veranschaulichen.“442
Der Völkische Beobachter hebt seine Karikaturen als Manifestation der
nationalsozialistischen Idee und des idealisierten deutschen Mannes hervor.443 In
einer Zeichnung des von der nationalsozialistischen Ideologie geprägten Karikaturisten OSKAR GARVENS wird ganz in diesem Sinne der Idealtypus modelliert
(Abb. 66).
Gepaart ist das Bild des Helden oft mit Martyrium bzw. Opferwillen, die an die
Bereitschaft zur Selbstopferung appellieren sollen. In diesem Zusammenhang
läßt sich von einer „Religion der Ehre“ sprechen444. Eine Karikatur, die die
entsprechenden Kriterien des antithetischen Kampfbildes erfüllt, weil in ihr dem
Selbst, das einem idealen Menschenbild entspricht, ein verabscheuungswürdiger
Feind gegenübergestellt wird, zeigt das von dem Deutsch-Amerikaner A RTHUR
JOHNSON (1874-1954) 1933 für den Kladderadatsch gezeichnete Titelblatt (Abb.
67). JOHNSON, der seit seiner Jugend in Deutschland lebte und von 1896 bis
1944 für den Kladderadatsch arbeitete, stellt in dieser Karikatur Hitler in der
Pose des Hl. Georgs bzw. als Drachentöter dar, wobei der „Drache“ ein mit
441
442
443
444
Vgl.: d´Ester, Karl: Zur Geschichte der Karikatur / Die Gefahren der Karikatur. In:
Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. II, Leipzig 1941-43, Sp. 2223-2233 und 22612262 (im folgenden: d´Ester 1941); hier: Sp. 2262.
Reumann 1966, S. 112.
Reumann verweist auf die Ausgabe der Zeitung „Völkischer Beobachter“ v. 24.7.1941.
Vgl.: Reumann 1966, S. 111.
Vgl.: Reumann 1966, S. 117.
143
negroiden Zügen und (!) mit „Judennase“ ausgestatteter Primat ist, dessen
Kappe ein an den Sowjetstern erinnerndes Zeichen trägt. Sämtliche Gegnerschaften des Nationalsozialismus sind in diesem Bild vereint.
************************
Antithetische Kampfbilder, die in ihrer „Qualität“ mit nationalsozialistischen
vergleichbar sind, sind solche der sowjetischen Propaganda. Ein Plakat von
1941 (Abb. 68) ist dem Kladderadatsch-Titelbild (Abb. 67) nur zu ähnlich.
Wieder wird die Spiegelbildlichkeit der Feindperzeption deutlich. Karikaturen,
in denen das sowjetische Proletariat heroisiert wird, während der dekadente
Kapitalismus der Lächerlichkeit preisgegeben wird - wie in einer Karikatur aus
der Prawda von 1961 (Abb. 69) - sind ebenso antithetische Kampfbilder, wie
Karikaturen, in denen sich der schwächliche Feind und der überlegene eigene
Soldat gegenüberstehen - beispielhaft in einer vietnamesischen Karikatur (Abb.
70).
Eine 1994 in der deutschen Presse erschienene Zeichnung (Abb. 71) zeigt eine
im Prinzip übereinstimmende Darstellungsform. Zu sehen ist der in seinem
Minipanzer kaum ernstzunehmende Saddam (noch dazu durch den Untertitel als
kläglich versagender Lügner dargestellt), dessen Vorhaben vereitelt wird, indem
die übergroße „gute“ Macht im rechten Augenblick zur Stelle ist. Saddam wirkt
in Anbetracht der Stärke und (moralischen) Überlegenheit der USA nur noch
lächerlich. Karikaturen der 90er Jahre propagieren also auch in unserer
vermeintlich aufgeklärten Zeit und in dem vermeintlich aufgeklärtem Medium
Karikatur antithetische Kampfbilder.
Die Karikatur „Saddam in Flammen“ des in Athen geborenen und für die
deutsche, amerikanische und schwedische Presse arbeitenden Karikaturisten
BAS MITROPOULOS vom Januar 1991 (Abb. 72) ist eine direktere antithetische
Konfrontation. Mit der Freiheitsstatue und dem „amerikanischen Staatsfeind
Nummer 1“, Saddam Hussein, stehen sich die Antagonismen Freiheit und
Despotie gegenüber. Eine weitere Karikatur, die an Formen antithetischer
Kampfbilder erinnert, ist eine Zeichnung HANELs aus dem Jahre 1995 (Abb. 73).
Die USA sind in Form des göttlichen Auges dem Gegenpart Saddam
gegenübergestellt. Während die „Pluspartei“ (um REUMANNs Vokabular zu
verwenden) mit diesem der Esoterik entliehenen und göttliche Allgewalt
symbolisierenden Motiv positiver kaum noch dargestellt werden könnte, ist die
144
„Minuspartei“ ein zähnefletschender Brandstifter, der eine unkalkulierbare
Bedrohung darstellt.
Diese wenigen Beispiele antithetischer Kampfbilder, die in ganz ähnlichen
Darstellungsformen in verschiedenen Epochen und im Dienste vielfältiger
Interessen erscheinen, sollen hier exemplarisch veranschaulichen, daß diese von
REUMANN zu Recht als unvereinbar mit den vorgeblichen Prinzipien der
Karikatur gebranntmarkten Darstellungsformen auch heute präsent sind. Das
vermeintliche Prinzip der Karikatur, die Kritik, ist eben nur eine Spielart der
Karikatur, neben solchen der Verführung und Verdummung.
3.4
Der Feind in bedrohlicher Perspektive
Karikaturen, die ebensowenig humoristisch sind wie die, die Bestialisierung betreiben, sind solche, die mittels Perspektive und Monumentalität des politischen
Gegenspielers ein direktes Gefühl der Angst provozieren wollen. Die Karikatur
bedient sich dazu verschiedener Verfahren. In einer Variante sieht sich der
Betrachter dem Feind Aug´ in Auge gegenüber, wobei er einer direkten
persönlichen Bedrohung ausgesetzt ist, denn der Gegner zielt mit der Pistole
unmittelbar auf ihn selbst. Durch diesen perspektivischen „Kunstgriff“ wird eine
konkrete Beziehung zwischen dem Feind und dem einzelnen Betrachter
suggeriert.
Eine Karikatur, die „den“ Juden als persönliche Bedrohung darstellt (Abb. 74)
ist nicht etwa eine Bildfindung der Nazis, sondern eine russische Karikatur aus
dem Jahre 1907. Doch natürlich wird eine derart wirkungsvolle, beinahe
hypnotisierende Art der Bedrohungsvermittlung auch im Nationalsozialismus
eingesetzt - so im Zweiten Weltkrieg in einem deutschen Plakat für die besetzte
Sowjetunion, in dem wieder der Feind Jude und Bolschewist in seiner Person
vereint sind (Abb. 75). Im Zweiten Weltkrieg bedient sich auch die
amerikanische Regierung dieses Mittels, um gegen die Japaner zu mobilisieren
(Abb. 76). In Vergessenheit geraten ist diese Tradition nicht, wie eine
zeitgenössische Karikatur aus dem Jahre 1990 zeigt: Hier läßt uns der
Karikaturist OLIPHANT direkt in die Mündung von Saddams Pistole blicken
(Abb. 77).
In einer solchen Konstellation wird der Betrachter zum Subjekt, das in die
Handlung der Karikatur miteinbezogen wird. Die Perspektive wirkt wie ein
145
„superscharfes Fernrohr: [...] es nähert die Bedrohung auf Hautnähe an“445. Der
tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes meilenweit entfernte Feind wird zum
unmittelbaren Gegenüber, das den Betrachter mit der Waffe bedroht - eine
Situation in der es um (das eigene!) Leben und Tod geht. Kein Zweifel: gegen
einen solchen Feind muß man etwas unternehmen - wenn schon nicht aus
moralischer Verpflichtung, dann doch aus Selbstschutz.
Eine andere Form des psychologischen Einsatzes der Perspektive in der
Karikatur überträgt ein entsprechendes Gefühl der direkten und noch dazu
globalen Bedrohung auf den Rezipienten: Indem der riesige und übermächtige
Feind vom Horizont aus die Welt überschattet, wird er zur persönlichen und
universalen Gefahr zugleich. Seinem expansiven Drang muß Einhalt geboten
werden. Verstärkt wird dieser Ausdruck noch, wenn die drohende Macht mit
krallenartigen Händen nach dem ganzen Erdball greift. Eine Karikatur des
Amerikaners OSCAR EDWARD CESARE (1885-1948) aus der New York Sun von
1914 zeigt „Die japanische Gefahr“ in eben dieser Weise (Abb. 78). Hitlers Wort
vom „Lebensraum der Deutschen“ bildlich umsetzend, verwendet der britische
Karikaturist ANTONÍN PELC in einer etwa 1937 gezeichneten Karikatur das
gleiche Motiv auf den deutschen Expansionsdrang bezogen (Abb. 79).
In einem englischen Plakat von 1944, von dem Briten PAT KEELY entworfen,
das zur Befreiung der von Japan besetzten holländischen Kolonien in Ostindien
aufruft, sind wieder die Japaner Gegenstand einer solchen Darstellung (Abb. 80).
Das Sonnenstrahlen-Symbol auf ihrer Flagge und ihre geographische Lage
animiert zu dem Vergleich mit der Sonne, die am Horizont aufgeht und
(entgegen der üblichen Ikonologie) Unheil über die Welt bringt. Allerdings
erfährt das Motiv hier eine Modifikation, indem die japanische Macht zu einer
Krake umgebildet wird. Die Krake, die alles, was in ihre Arme gerät,
umklammert und nicht mehr losläßt, ist ein Bild, mit dem eine äquivalente
Aussage getroffen wird, und das eine eigene Ikonographie in der
Karikaturgeschichte vorweisen kann (darauf sei an dieser Stelle lediglich
hingewiesen).
In Karikaturen gewinnt ein weiteres mit der Perspektive arbeitendes Motiv ein
Eigenleben: Das der Krallenhand. Eine frühe Variante, die mit der riesigen
445
146
Link, Jürgen: Der irre Saddam setzt seinen Krummdolch an meine Gurgel. In: Text- und
Diskursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse politischer Texte. Hrsg. v. Siegfried Jäger
(Diss-Texte, Nr. 16). Dortmund 1991, S. 73-92 (im folgenden: Link 1991); hier: S. 83.
Der Text ist identisch mit dem gleichnamigen Artikel in der Frankfurter Rundschau v.
16.1.1991, S. 18.
Dimension des Feindes ihre Wirkung erzielt, ist eine Karikatur des Franzosen
JEAN EMMANUEL d´AURIAN von 1899 (Abb. 81). Die Krallenhand ist durch das
Spruchband, welches das Motto des britischen Wappens aufgreift, als England
zu identifizieren. Die Wirkung des Bildes der überdimensionalen, auf den
Betrachter zukommenden Hand findet ebenso in nationalsozialistischen Karikaturen und Plakaten Verwendung - so in einem 1933 von OTTLER entworfenem
Plakat des „Vereins für das Deutschtum im Ausland, Landesverband Bayern“
(Abb. 82). Diesem Thema begegnen wir ebenfalls in einem Plakat der USRegierung, von JOHN GAYDOS 1942 für das „Office of Inter-American Affairs“
gestaltet (Abb. 83).
Die Verzerrung der Größenverhältnisse ist eine Hyperbel, welche die
Bedeutungsgröße der vom Gegner ausgehenden Gefahr widerspiegeln soll. Die
psychologische Wirkung der Übertreibung der Relationen funktioniert über
einen „inneren Sinn für Dimensionen“, der von den Daten der Sinneswahrnehmung abweichende Informationen vermittelt:
„Der innere Sinn übertreibt immer. [...] Wie sehr sich der Maßstab von
unserer inneren Landkarte von der des Auges unterscheidet, erlebt man
am besten (und am schmerzhaftesten) beim Zahnarzt, wenn der behandelte
Zahn geradezu riesenhafte Ausmaße annimmt. Kein Wunder also, daß der
Karikaturist oder der Expressionist, der sich auf seinen inneren Sinn
verläßt, zur Veränderung der Maßstäbe neigt.“446
Ein deutsches Plakat für das besetzte Polen von 1943 variiert dieses Thema des
vom Horizont aus über den Erdball nach Europa greifenden, ins Bestialische
verzerrten Riesen (Abb. 84). Doch nicht nur in radikal kämpferischen
Karikaturen des Zweiten Weltkriegs werden derart dramatische Bildformen
verwandt. Auch in der Nachkriegszeit lebt diese Tradition fort.
Die Dramatik einer solchen bildnerischen Inszenierung wird auch im Kalten
Krieg eingesetzt: In einer mit KUKRYNSKY (dem Pseudonym der drei kurz nach
der Jahrhundertwende geborenen sowjetischen Karikaturisten MIKHAIL
KUPRYANOV, PORFIRY KRYLOV und NIKOLAY SOKOLOV) gezeichneten
Karikatur aus einer Prawda von 1975 ist das Motiv modifiziert: Der nach
Zypern gierende Arm ist die Verlängerung eines Kanonenrohrs, und die Finger
der Hand bilden das Wort „NATO“ (Abb. 85).
446
Gombrich 1977, S. 51.
147
EXKURS 4: Feindbildkarikaturen im Kalten Krieg
Wie wir gesehen haben, gibt es eine Kontinuität der karikaturistischen Tätigkeit
über den Wechsel der Regime hinweg. Aber in der Nachkriegszeit hüten die
Autoren sich zumeist davor, die Karikatur deutlich als propagandistisches Mittel
einzustufen. In dem 1955 erschienenen Buch „Duell mit der Geschichte“
schließt RAMSEGER Karikaturen aus der Zeit der Nazi-Herrschaft und aus der
Sowjetunion betont als unvereinbar mit dem, was unter Karikatur zu verstehen
sei, aus.447 Doch zeigt seine in diesem Band getroffene Auswahl von
Karikaturen, daß hier Karikaturisten vertreten sind, die bereits während des
Dritten Reiches ihre Erfolge feierten.
Kritisch äußert sich dagegen HARALD LAA bezüglich des Zusammenhangs
zwischen Karikatur und Propaganda. In seiner Dissertation (1951) stehen seine
Ausführungen über die Wirksamkeit der Karikatur wohl im Kontext mit den
soeben unter der Naziherrschaft gemachten Erfahrungen. Er philosophiert über
den Zusammenhang zwischen journalistischer Ambition und Massenwirksamkeit:
„Alles, was die Phantasie der Massen erregt, erscheint in der Form eines
packenden, sehr klaren Bildes, das frei ist von jeder Deutung als Zubehör
[...] Sie müssen durch Verdichtung (von komprimierter Lüge möchte ich
nicht gerne reden) ein packendes Bild hervorbringen, das den Geist erfüllt
und ergreift. Die Kunst, die Einbildungskraft der Massen, der breitesten
Öffentlichkeit, zu erregen, ist die Kunst sie zu regieren!“448
Wenn LAA hier nicht nur von Beeinflussung, sondern darüber hinaus von
„Regieren“ spricht, dann ordnet er der Karikatur eine sehr große politische
Potenz zu, deutet diese aber gleichzeitig negativ, weil er dieses Vermögen nicht
im Dienste einer Aufklärung, sondern der Manipulation sieht. Das wird an
anderer Stelle deutlich:
„Die Triebkraft der Völkerentwicklung war niemals die Wahrheit, sondern
der Irrtum. Nie hat die Öffentlichkeit w i r k l i c h (also nicht
´Schlagzeilen´ gemäß) nach Wahrheit gedürstet. [...] Als Beispiel dafür
haben wir die Karikatur nicht zu verachten. Doch auch damit kann man
447
448
148
„Das, was sich da noch Karikatur nennt, ist in Wirklichkeit widerliche Marionettenfratze,
die Grimasse der Wahrheit, schamlosester Verrat gegen das eigenste Gesetz des
Karikaturisten also.“ Ramseger 1955, S. 13.
Laa, Harald: Die Karikatur in der Presse. (Diss.) Wien 1951 (im folgenden: Laa 1951), S.
18f.
leicht ´öffentliche Meinung´ machen (!) Wer die Menge zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr. Wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer!“449
Mit diesen recht pathetischen Worten verdeutlicht er seine Einschätzung der
Karikatur als ein politisch bedenkliches Mittel, was in Sätzen wie „Bei der
Aufzählung der Faktoren, die imstande sind die öffentliche Meinung zu erregen,
könnten wir uns die Erwähnung der Vernunft ersparen“450 offensichtlich wird.
Von dem Mythos, die Karikatur als einen Ausdruck von konstruktiver Kritik
und Fortschritt zu sehen, findet sich hier keine Spur. Laut LAA sind sich der
Karikaturist und der Journalist des Mittels in ihren Händen durchaus bewußt. Sie
appellieren an die Gefühle der Rezipienten, nicht an ihre Vernunft.451
Trotz der vorhandenen karikaturistischen Arbeit entsteht in den 50er Jahren ein
satirisches Vakuum. Die Karikaturen selbst treten nicht besonders als politische
Kritiker in Erscheinung. SCHWARZ nennt 1957 die zeitgenössischen Karikaturen
„schrecklich brav“, „fürchterlich langweilig“, „zahm“ und „farblos“,
„sympathisch“, „harmlos“ und „gemütlich“. Den Grund hierfür sieht sie darin,
daß die Bundesrepublik nun eine Demokratie sei, und es in einer solchen
Staatsform keinen rechten Anstoß mehr für Kritik gebe.452 SCHWARZ´ idyllische
Auffassung von Demokratie sei einmal dahingestellt, eher wirkt sich in den 50er
Jahren wohl noch das Trauma der deutschen Vergangenheit aus, und den
Karikaturisten des besiegten Deutschlands mangelt es - wie der Bevölkerung
überhaupt - an politischem Interesse und politischer Energie. Der Maler und
Graphiker GUIDO ZINGERL reklamiert:
„Die politische Karikatur in der Bundesrepublik wurde nach dem zweiten
Weltkrieg in hohem Maße von bürgerlichen Zeitungen bestimmt. [...]
Verniedlichung und Verwischung der Probleme bis zur völligen
Entpolitisierung, mildes Verarschen und lustige Personalisierungen
herrschten vor.“453
Die Defizite an politischer Kritik durch Karikaturen werden auch durch die
Etablierung neuer Medien ausgelöst. Hörfunk und Fernsehen treten in
Konkurrenz zur Presse und befriedigen schließlich sowohl das Informations- als
auch das Bildbedürfnis der Rezipienten. Eine Bilderflut geht mit dem neuen
Medium Fernsehen einher. Das Bild als Aussage erfährt eine Inflation, die auch
die Wirkung von Karikaturen beeinflußt. Aufgrund der veränderten Medien449
450
451
452
453
Laa 1951, S. 20 (Hervorhebung im Original).
Laa 1951, S. 21.
Vgl.: Laa 1951, S. 21f.
Vgl.: Schwarz 1957, S. 18.
Zingerl 1972, S. 2.
149
wirklichkeit unterliegt die Karikatur neuen Bedingungen. Sie muß sich erst
einmal in der neuen Situation orientieren, ihrer Rolle bewußt werden und nach
anderen Ausdrucksmöglichkeiten suchen. Dazu gehört ein betont künstlerischer
Anspruch der Karikaturisten, die ihre persönlichen Stile, ihre „Handschrift“
herausbilden.454 GRILL spricht von einer „Ideenschmiede für gezeichneten
Humor auf höchstem Niveau“ in der Karikaturisten-Szene der 50er und 60er
Jahre. In dieser „Blütezeit der intelligenten Satire“ sei geradezu eine Explosion
an Talenten zu verzeichnen.455 Die Zeichner dieser Generation fallen allerdings
eher in die Kategorie der humoristischen Graphik als in die der Pressekarikatur.
Parallel zu dieser Tendenz in Richtung eher apolitischer Cartoons oder
satirischer Druckgraphik unter rein künstlerischen Ansprüchen entwickelt sich
schließlich in der Tagespresse die redaktionelle Karikatur zu einem selbstverständlichen Ausdruck politischer Meinung. Waren vor dem Zweiten
Weltkrieg die satirischen Zeitschriften das Betätigungsfeld der Karikaturisten,
so finden sie nach 1945 ihren Raum vor allem in der Tagespresse und in
Wochenzeitungen. In der opinion press erhält die Karikatur schließlich einen
angestammten Platz, wo sie ganz anders rezipiert wird als in der satirischen
Presse, die mittlerweile nur noch ein marginales Dasein fristet. Das Publikum
der satirischen Zeitschriften rekrutiert sich immer aus einer aufgeklärten Schicht
(zunächst das Bürgertum, später die intellektuelle Linke). Die Pressezeichnung
der Tageszeitungen aber hat eine ganz andere Streuwirkung. Sie wird von einer
quantitativ umfassenderen und bezüglich ihres politischen Anspruchs
heterogenen Leserschar wahrgenommen. Der Karikaturist nimmt an der
öffentlichen Meinungsbildung teil, indem er durch Fokussierung auf ein
herausragendes politisches Thema oder Ereignis diesem besonderes Gewicht
gibt.
Der Zweite Weltkrieg wird nur scheinbar von Frieden abgelöst; der sogenannte
Kalte Krieg setzt ein. Negativ- und Feindbilder in Karikaturen sind auch nach
dem Zweiten Weltkrieg präsent. In der Nachkriegszeit ändern sich jedoch die
Feindschafts-Zuschreibungen. In Deutschland werden aus den alten Feindbildern (die Alliierten des Zweiten Weltkrieges) neue Freundbilder. Unmittelbar
nach Ende des Krieges ist eine anfängliche Periode des „Demokratie-
454
455
150
Vgl.: Grill 1992, S. 30.
Zu ihnen gehören: Paul Flora, Loriot, Hans Traxler und Tomi Ungerer. Außerdem finden
sich in Deutschland Namen wie Janosch, Borislav Sajtinac, Michael Matthias Prechtl,
Peter Gayman, Papan (alias Manfred von Papen) und Hans Georg Rauch.
fundamentalismus“ zu konstatieren, doch schon bald kristallisiert sich ein antikommunistisches Feindbild heraus, das sich schnell stabilisiert.
Die nun einsetzende Zeit des Kalten Krieges ist in ihrer Grundstruktur bipolar,
durch den ost-westlichen Systemgegensatz geordnet. Mit der Metapher des
amerikanischen Präsidenten, Ronald Reagan, vom „Reich des Bösen“ 456 (womit
er die Sowjetunion bezeichnet) weist er nicht „den“ Feind als etwas Dämonisches aus, sondern auf einer abstrakteren Ebene das gegnerische System.
Aus der Abgrenzung zu ihm ziehen die westlichen Nationen ihre Identität, so
wie unter umgekehrten Vorzeichen die östlichen sich nicht zuletzt durch den
Systemgegensatz definieren. Von dem ideologischen Dualismus sind die Politik,
die Interessen und überhaupt sämtliche Lebensbereiche geprägt.
Zur selben Zeit nimmt die Darstellung des innenpolitischen Feindes einen
breiten Raum ein. Auch in der innenpolitischen Auseinandersetzung geht es um
den ideologischen Gegensatz. Mit der APO-Bewegung gerät die selbstgerechte
bundesrepublikanische Gesellschaft in einen Strudel von Kritik und Forderung
nach Veränderung. Als Reaktion darauf entstehen innenpolitische Feindbilder,
deren Funktion es ist, innerhalb der BRD Klassenkampf zu betreiben457 oder von anderer Seite - die Ängste des Staatsbürgers vor den progressiven Kräften
zu schüren. Innenpolitische Gegnerschaften werden in das bestehende antikommunistische Feindbild integriert. Wurde der Feind auch „am Hauptportal“
verabschiedet, so „kehrte er gleich durch die Hintertür wieder zurück als
Feinddenken“458. Durch einen Diskurs, in dem von der Gefahr der kommunistischen Unterwanderung und von der allgegenwärtigen Bedrohung des
Terrorismus die Rede ist, wird die Wahrnehmung darauf gelenkt, daß das
feindliche System die eigene Gesellschaft zu unterwandern versucht. Ein
Bewußtsein wird anerzogen, das sich der Gegenwart des Feindes sicher ist, auch
wenn dieser in keiner konkreten Gestalt zutagetritt. Vom Atomkraftgegner bis
zur Friedensbewegung erfahren kritische Gruppen, die nach politischen
Innovationen suchen, das Schicksal der Diffamierung als von „Moskau
gesteuerte“ Handlanger. Entsprechende Feindbilder finden sich auch in den
456
457
458
In einer Rede am 8.3.1983 nennt Reagan die Sowjetunion den „Kern alles Bösen in der
Welt“. Vgl.: AGFP 1983, S. 58.
In der sogenannten Alternativpresse, zu der auch satirische Zeitschriften zählen, wird die
Karikatur zum politischen Ausdrucksmittel. Karikaturistische Vertreter der „linken“
Szene sind Kurt Halbritter (1924-1978), Arno Ploog und Chlodwig Poth. Parallel zur
Zeitungs- und Zeitschriftenkarikatur schaffen sie Aufkleber, Flugblätter und Plakate (z.B.
Klaus Staeck).
Brassel-Moser 1989, S. 80.
151
Karikaturen wieder. Zudem werden die Initiativen gleichzeitig mit dem
Phänomen Terrorismus genannt und schließlich als Synonyme aufgefaßt. Ein
Beispiel für diese Tendenz liefert eine Karikatur HORST HAITZINGERs aus dem
Jahr 1968, die einen Vergleich zieht zwischen den Pogromen der
Nationalsozialisten vom November 1938 und den Protesten der Studentenbewegung von 1968 gegen die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die
Springer-Presse (Abb. 86)459. HAITZINGER betreibt mit dieser Gleichstellung eine
Verunglimpfung der Studentenbewegung, denn diese Anschläge haben eine
gänzlich andere politische Dimensionen und sind nicht mit den Geschehnissen
im Nationalsozialismus vergleichbar. Die Proteste der Studentenbewegungen
(selbst in ihren militanten Ausformungen) lassen sich wohl kaum an die Seite
der den Genozid nach sich ziehenden Pogrome der Nationalsozialisten stellen.460
Entsprechend den konträren politischen Systemen ist das vorherrschende
Feindbild in den westlichen Ländern der Kommunismus. Es zielt nicht darauf
ab, Skrupel vor der Vernichtung des Feindes zu eliminieren, weil er
unmenschlich ist und die Gefahr eines unmittelbaren Angriffs bevorsteht,
vielmehr gilt es, das gegnerische System als menschenverachtend und
verbrecherisch zu charakterisieren. Die Sowjets - im Dritten Reich noch als
Untermenschen charakterisiert und dargestellt - stellen nun nicht die Bedrohung
dar, sondern die Ideologie des Sowjetkommunismus ist der Feind. Das
Individuum gilt eher als Opfer des kommunistischen Regimes. Nicht mehr das
barbarische Wesen eines personifizierten Feindes ist mittlerweile Gegenstand
des Bedrohungsgefühls, sondern das atomare Vernichtungspotential, welches
das andere System repräsentiert. Eine technologische Überlegenheit des Gegners
würde bedeuten, daß er durch die sogenannte „Erstschlagkapazität“ die Macht
besitzt, die eigene Bevölkerung und das eigene System vollständig auszulöschen
(einschließlich der Gefahr eines atomaren Overkills). Die atomare Bedrohung ist
eine totale.
459
460
152
Haitzinger greift ein tatsächliches Ereignis auf. Die Scheiben des Verlagshauses waren
von protestierenden Studenten mit Steinen eingeschlagen worden als Reaktion auf einen
Artikel in der „Bild“-Zeitung, in dem zum gewaltsamen Vorgehen eines jeden (nicht nur
seitens der Polizei) gegen Demonstranten aufgerufen wurde. Vgl.: Klant 1984, S. 195.
Im übrigen sind die Kampagnen gegen die sogenannten „Krawallstudenten“ sicherlich
mitverantwortlich für die Erregung der Emotionen v. a. von Rechtsradikalen, was
schließlich zum Schuß auf Rudi Dutschke am Gründonnerstag 1968 führte.
Vor allem für den Ersten Weltkrieg, der durch den Kampf „Mann gegen Mann“
gekennzeichnet war, galt, daß durch Feindbildkarikaturen - speziell durch die
Darstellung des Gegners als Bestie - Tötungshemmungen abgebaut werden
sollten. Auch für den Zweiten Weltkrieg ist dieser Zusammenhang einleuchtend.
Seither hat sich die Form der Austragung von Kriegen - zumindest in den
hochtechnologisierten Industrieländern - geändert. Nicht mehr Menschen sind
das „Primärmaterial“ der Kriegsführung, sondern Waffen, Technologie und
Ressourcen (diese Entwicklung wurde bereits im Zweiten Weltkrieg eingeleitet).
Der direkte Kampf des einzelnen auf dem Schlachtfeld - im Angesicht des
Feindes - wurde ersetzt durch die zentrale Steuerung computergeführter Waffen.
Der Soldat steht nun dem Feind nicht mehr direkt gegenüber. Das berühmte Bild
vom „Druck auf den roten Knopf“ verdeutlicht, daß nunmehr einige wenige
Menschen, weit vom Ort des Ziels ihrer Waffen entfernt, das Kriegsgeschehen
mittels ferngesteuerter Waffen kontrollieren.
Doch wie soll die universelle Gefahr, die vom Feind ausgeht, in den Karikaturen
zum Ausdruck kommen? Ein vor Waffen nur so strotzender Feind ist ein
ambivalentes Thema, denn die Verfügung über die Massenvernichtungswaffen
ist in den gegnerischen Lagern des Kalten Krieges paritätisch. Mit den Waffen
ließe sich auch das eigene Potential an Aggressivität verbinden. Da es aber auch
in „kalten“ Feindbildern gilt, Bedrohungsvorstellungen zu schüren, finden nun
nach wie vor die traditionellen Feindbild-Archetypen ihre Verwendung.461
************************
Wie schon zuvor in der Karikatur mit dem Motiv des vom Horizont her
drohenden mächtigen Gegners gearbeitet wurde, so manifestiert sich auch das
antikommunistische Feindbild des Kalten Krieges in der Karikatur durch die
Perspektive. Die CDU benutzt in ihrem Plakat zur Bundestagswahl 1949 eben
diesen Archetypus der Feinddarstellung (Abb. 87). Die SchlitzaugenTypisierung der Gesichtszüge des hinter dem Globus hervorlugenden Gegners,
der bereits „Hand anlegt“ (an Osteuropa) und begehrlich auf das westliche
Europa blickt, unterscheidet sich nicht wesentlich von den „UntermenschenTypisierungen“ der einschlägigen NS-Propaganda. Das „Antlitz“ des
Bolschewismus ist in einer Karikatur von 1950 in entsprechender Manier und in
461
Vgl.: Brassel-Moser 1989, S. 85.
153
gleicher Perspektive zu sehen, noch dazu als Skelett (Abb. 88). In einem
weiteren Bundestagswahlplakat der CDU (diesmal von 1953) droht wieder das
riesige Böse am Horizont, wobei in diesem Fall der sowjetische Stern durch
Hammer und Sichel ersetzt ist (Abb. 89). Der Feind braucht gar nicht mehr nach
der Welt zu greifen. Dadurch, daß lediglich die obere Hälfte seines Kopfes über
den Horizont lugt, ist er in kaum noch zu steigernder Monumentalität
dargestellt. Die Funktion der „japanischen“ Sonnenstrahlen aus den früheren
Karikaturen übernehmen hier die roten und schwarzen Fluchtlinien oder besser:
-bahnen, die den Betrachter direkt in den Bann des Gegners ziehen. Ein
unmittelbares Vorbild für diese Konstruktion stellt ein anti-deutsches, von
GLENN GROHE 1942 entworfenes, Plakat der amerikanischen Regierung dar
(Abb. 90). Die Bildfindung der Christdemokraten wird wiederum 1972 von der
extremen Rechten in einem NPD-Plakat übernommen (Abb. 91), womit bestätigt
ist, daß die Bildtraditionen und die mit ihnen transportierten Aussagen
gesinnungsunabhängig sind. Mit Hilfe der Perspektive wird ein Gefühl der
unmittelbaren Bedrohung beim Betrachter ausgelöst. Vor seinen Augen wird das
Szenarium einer drohenden Zukunft entworfen, wenn er nichts unternimmt. Der
Verantwortliche für das kommende Unheil ist explizit benannt: der
Kommunismus. Solche Karikaturen vermitteln Unsicherheit über künftige
Entwicklungen und bieten gleichzeitig einen Adressaten für diffuse Ängste. Der
Tatsache, daß der politische Gegner nicht eine konkret zu benennende Person,
sondern das andere System ist, wird in den Karikaturen durch die Perspektive
Rechnung getragen, die eine Anonymität der Bedrohungsvorstellung erlaubt bei
gleichzeitiger Dramatik der Bildaussage.
Auch in zeitgenössischen Karikaturen erfreut sich dieser Archetypus großer
Popularität. In vergleichbarer Perspektive-Tradition stellt HANEL in einer
Karikatur aus dem Jahre 1989 Gaddaffi dar (Abb. 92). Statt der Strahlen strömen
hier Totenköpfe von dem Feind aus. KLAUS BÖHLE benutzt ebenfalls diese
Formel im März 1991 für Saddam (Abb. 93), wie schon zwei Jahre zuvor in
abgewandelter Form für Khomeini (Abb. 94). Hier spielen auch abermals die
Hände eine Rolle, die diesmal nicht nach der Welt greifen, sondern Blitze
schleudern. Bei diesen Karikaturen erleben wir wieder eine Personalisierung der
Gefahr. Einzelne Politiker sind die Akteure. Obwohl es auch hier um einen
Systemgegensatz geht, nämlich westlicher Rationalismus contra orientalischer
Despotismus, „Zivilisation“ versus „Fundamentalismus“, wird die Feindschaft
an einzelnen Personen festgemacht. Der Nord-Süd-Konflikt ist auf der
personalen Ebene angesiedelt, während der Ost-West-Konflikt auf der
(sublimeren) Systemebene stattfand.
154
3.5
Der Feind als Plutokrat: Kapital in der Karikatur
FUCHS, dem d´ESTER eine „jüdische und linksradikale Einstellung“ nachsagte462,
untersucht 1921 die Darstellungsformen, in denen Juden in der Karikatur
diffamiert werden.463 Er verfolgt ikonographisch seit dem Mittelalter bestimmte
satirische Motive, mit denen Juden karikiert werden sollen und zeigt, daß mit
Ende des 19. Jahrhunderts Motive aus dem religiösen Bereich von anderen
Motiven - hauptsächlich aus der Berufs- und Finanzwelt - abgelöst werden.
Besonders ausgeprägt erfährt „der“ Kapitalist eine Verschmelzung mit dem
Typus „des“ Juden im Nationalsozialismus. Auf einem Plakat der NSDAP zur
Reichstagswahl von 1932 (Abb. 95) sehen wir einen „Kapitalisten“ mit
„jüdischer“ Physiognomie Hand in Hand mit dem Typus „Sozialdemokrat“.
Kennzeichen seines „raffgierigen“ Charakters sind zum einen die üppige
Leibesfülle, die für Völlerei und rücksichtslose Bereicherung steht. In erster
Linie aber wird sein Geld selbst dargestellt - hier in Form eines Geldsacks. Die
Funktion dieser Karikaturen ist, Vorurteile über Juden zu kolportieren. „Der“
Jude wird als Plutokrat gezeigt, d.h. er drängt zur Kontrolle des Weltkapitals
und ist Ursache für Ungleichheit und Ausbeutung. In Zeiten wirtschaftlicher
Instabilität dienen solche Karikaturen als Überdruckventil. Im Dritten Reich sind
sie daran beteiligt, den Nährboden für Pogrome zu schaffen. Dieser Aufgabe
entspricht die Karikatur des NS-Regimes schließlich vollkommen.
Ein Plakat aus der Frühzeit der NSDAP von 1924 benutzt ebenfalls die Formel
vom dickbäuchigen Kapitalisten, der „die Fäden in der Hand hält“, indem die
ihm untergebenen Arbeiter wie Marionetten an seinen Ärmeln hängen (Abb. 96).
Statt Geldstücke oder -scheine dient die Skyline aus Fabrikschornsteinen als
Symbol für seinen Reichtum: Er ist der Besitzer der Produktionsverhältnisse.
Dieser Bildkomposition dient (ungeachtet der Provenienz) eine Karikatur des
sowjetischen Karikaturisten DENI von 1919 unmittelbar als Vorbild (Abb. 97).
Der fette Kapitalist, der laut Untertitel das Kapital schlechthin verkörpert, ist
ebenfalls vor dem Hintergrund der Fabrikschornsteine plaziert, angereichert mit
einem Spinnennetz (das in der nationalsozialistischen Karikatur durch die Fäden
ersetzt wird). Hier ist sein Kapital in Form eines Berges von Geldstücken mit ins
Bild genommen. Im Unterschied zu dem Nachfolgebild ist der Plutokrat nicht
als Jude gekennzeichnet. In der späteren Karikatur trägt er den Davidsstern an
der Uhrenkette.
462
463
Vgl.: d´Ester 1941, Sp. 2228.
Vgl. Fuchs, Eduard: Juden in der Karikatur. München 1921.
155
Der faschistischen, anti-jüdischen Propaganda liefern kommunistische
Karikaturen die Motive. In ihnen ist der Kapitalist als Typus „kultiviert“
worden. Ein Farbdruck aus der Zeitschrift Der Knüppel von 1924 vereint in der
bekannten Manier die Verantwortlichen an der Reparationsfrage, nämlich die
Repräsentanten des Kapitals, der Regierung und des Militärs: Die feisten
Plutokraten waten in einem Berg von internationalen Geldstücken (Abb. 98).
Wie sie dieses Kapital anhäufen konnten, ist ebenfalls im Bild impliziert:
„Arbeiterblut kittet gut!“ heißt die Unterschrift. Die gezückten Waffen der
flankierenden Gestalten verdeutlichen, wer die Schuld an dem im Hintergrund
angedeuteten Blutvergießen trägt.
EXKURS 5: Feindbildkarikaturen im Kommunismus
Kapitalismuskritik ist das beherrschende Thema der kommunistischen
Karikatur. Das Gros der kommunistischen Karikatur ist darauf ausgerichtet, den
Kampf gegen das andere, kapitalistische System zu führen. Ihre Aufgabe ist es,
den Haß gegen den Klassenfeind zu schüren. Gemäß dem historischen
Materialismus, der von der geschichtlichen Gesetzmäßigkeit einer bestimmten
Abfolge gesellschaftlicher Systeme ausgeht (Urgesellschaft - Sklavenhaltergesellschaft - Feudalismus - Kapitalismus mit der Endphase des Imperialismus Sozialismus als Vorstufe zum Endpunkt Kommunismus) wird der Kapitalismus,
der außerhalb der kommunistischen Welt (noch) existiert, als letzte Verzögerung
der zwangsläufigen Entwicklung gesehen. Diese Verzögerung tritt nur deshalb
ein, weil reaktionäre Kräfte, das Großkapital, diesen Fortschritt verhindern
wollen. Entsprechend sind diese „Interessengruppen“ die Feinde des Kommunismus. Die Funktion der Karikatur in kommunistischen Regimen ist vor diesem
gesellschaftstheoretischen Hintergrund zu betrachten. Die Karikatur wird, wie
alle Erzeugnisse der Kunst, für den Klassenkampf, für den endgültigen Sieg des
Kommunismus, instrumentalisiert.464
In der UdSSR beschäftigen sich mehr als die satirische Zeitschrift Krokodil,
deren Karikaturen eher innenpolitischen Problemen gewidmet sind, die
464
156
„Sie ist eines der Mittel zur ´Entlarvung´ all jener Kräfte und Gestalten, die sich diesem
weltgeschichtlichen Entwicklungsprozeß in den Weg stellen, sei es in der eigenen
Gesellschaft oder im nichtsozialistischen Ausland.“ Beckmann, Oda: Freund und Feind
im Spiegel der sowjetischen Karikatur. Bonn 1977 (im folgenden: Beckmann 1977), S. 8.
führenden Tageszeitungen Prawda und Iswestija mit der Gestaltung des
außenpolitischen Feindbildes. Während die innergesellschaftlichen Unzulänglichkeiten der Sowjetrepublik als Ausnahmefälle bzw. als mahnende
Negativbeispiele dargestellt werden, gelten in den Karikaturen abfällig zu
bewertende Phänomene der westlichen Welt als charakteristisch für das
kapitalistische System. Es handelt sich um einen prinzipiellen Unterschied in der
Kritik an eigenen Mißständen und an denen des gegnerischen Systems. Die den
eigenen Staat betreffenden kritisierten Negativa werden als korrigierbare
Erscheinungen dargestellt, unterliegen also einer dynamisch-perspektivischen
Sicht, während die Fehler der westlichen Welt aus einem statischen Blickpunkt
heraus als systemimmanent und damit unabänderlich erscheinen. Wie in der
Sowjetunion, so üben auch in der DDR die Karikaturen allenfalls Kritik an
einzelnen Bereichen des Systems, nicht aber am System selbst.
In den nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten Tageszeitungen und
satirischen Zeitschriften wird von den Zeichnern eine klare anti-imperialistische
und klassenkämpferische Linie vertreten in Form einer engagierten Kritik am
bürgerlichen und kapitalistischem System. ODA BECKMANN vergleicht die
sowjetischen Karikaturen vor allem der 50er und 60er Jahre in ihrer
Darstellungsweise und Drastik mit denen des Dritten Reiches.465
1969 fordert der marxistische Karikaturist ALFRED BEIER-RED, dessen
Arbeitsweise als exemplarisch für das karikaturistische Schaffen der
Pressezeichner in der jungen DDR betrachtet werden kann, man dürfe der
Karikatur nicht die Aufgabe der Informationsvermittlung aufbürden, sondern sie
könne nur bereits Bekanntes durch Pointierung im Bewußtsein des Betrachters
vertiefen.466 Die kommunistische Karikatur bedient sich dazu bestimmter
Kampfbilder und betreibt Typisierungen. Die Typisierung ist ein Darstellungsmittel, das sich hervorragend in die Ästhetik des realistischen Sozialismus
einbindet.
Hintergrund der Kunstauffassung des sozialistischen Realismus ist die
Vorstellung einer objektiven Wahrheit, die es im Kunstwerk widerzuspiegeln
gilt, wobei keine photographische Wiedergabe gemeint ist, denn nach der
„Widerspiegelungstheorie“ der marxistischen Erkenntnislehre ist die sensuelle
Wahrnehmung und die emotionale Reaktion darauf nur die erste Ebene der
465
466
Vgl.: Beckmann 1977, S. 159.
Vgl.: Haese, Klaus: Kunsthistorische Studien zur Geschichte der politischen Karikatur in
der DDR. (Diss.) Greifswald 1979 (im folgenden: Haese 1979), S. 161.
157
Erkenntnis.467 Ihr muß die intellektuelle Reflexion dessen, was das Eigentliche
des dargestellten Phänomens ist, folgen. Nach der sinnlichen Wahrnehmung
bzw. der Empfindung kommt der Gedanke, der zwischen dem abgebildeten
Phänomen und seinem Wesen differenziert und die rationale Erkenntnis des
Allgemeingültigen, Wesentlichen. Deswegen ist die kommunistische Kunst
nicht Naturalismus, sondern Realismus. 468 Die Wirklichkeit besteht aus
charakteristischen gesellschaftlichen Verhältnissen, die „im ästhetischen Bereich
durch das Typische wiedergegeben“469 werden: „Das Typische ist deshalb
ästhetisch, weil es die Wahrheit ´sinnlich faßbar´ macht und weil es zum Wesen
der Kunst gehört, etwas Abstraktes sinnlich zu veranschaulichen.“470 Die
Forderung nach Typisierung besteht in dieser Ästhetik allgemein, nicht nur auf
die Karikatur bezogen. Wertmaßstab für ein Kunstwerk ist die Wiedergabe
gesellschaftlicher Verhältnisse und zwar in ihrer Typik. Als typisch wird das
bezeichnet, „was dem Wesen einer gegebenen sozialgeschichtlichen
Erscheinung entspricht, und nicht einfach das Weitestverbreitete, sich oft
Wiederholende, Alltägliche“471. Somit kommt das antithetische Kampfbild als
direkte Konfrontation der Antagonismen zur Anwendung. Antithetische
Kampfbilder sind in der Kunst des realistischen Sozialismus im allgemeinen
präsent und in der Karikatur im besonderen. Bei der Typisierung soll der
Widerspruch zwischen Gegensätzen wie Arbeiter und Kapitalist, Kleinbürger
und Arbeiter oder Scheinheiligkeit des bourgeoisen Systems und Aufrichtigkeit
des kämpferischen Proletariats herausgestellt werden. (Abb. 64 und Abb. 69).
Entsprechend wird der Kapitalismus in den Karikaturen zum Typus „Kapitalist“.
Neben dem Kapitalisten treten als negative Typen auch seine Handlanger auf,
beispielsweise der Militarist (mit Orden und Hakenkreuzen oder SS-Runen
ausgestattet - auch nach dem Zweiten Weltkrieg, da die Bundeswehr als
467
468
469
470
471
158
Zum Wahrheits-, Realismus- und Widerspiegelungsbegriff im sozialistischen Realismus
vgl.: Grünewald, Dietrich: Studien zur Literaturdidaktik als Wissenschaft literarischer
Vermittlungsprozesse in Theorie und Praxis. Zur didaktischen Relevanz von Satire und
Karikatur verdeutlicht am Beispiel der satirischen Zeitschrift Eulenspiegel / Roter Pfeffer
1928-33. (Diss.) Gießen 1976 (im folgenden: Grünewald 1976), S. 662-669.
Vgl.: Reumann 1966, S. 142.
Reumann 1966, S. 138.
Reumann 1966, S. 138.
Malenkow, G.M.: Rechenschaftsbericht an den XIX. Parteitag über die Tätigkeit des
Zentralkomitees der KPdSU. In: Beilage zur Neuen Zeit, Berlin 1952, Nr. 42, S. 35f.
Zitiert nach: Reumann 1966, S. 143.
Kontinuität der faschistischen Wehrmacht verstanden wird) und zuweilen der
fette Junker als Relikt aus der Feudalgesellschaft.472
Gleichzeitig übernehmen Porträtkarikaturen der Repräsentanten der kapitalistischen Staaten eine entsprechende Aussage in den kommunistischen
Karikaturen. Die Tendenz der Feindbildgestaltung geht allmählich dahin, den
Gegner direkter zu bezeichnen, als das in Typisierungen der Fall ist. In
Porträtkarikaturen wird dem Feind ein Gesicht gegeben. Der Karikaturist H EINZ
BEHLING beschreibt sehr drastisch, was er von der Darstellungsweise in antireaktionären Karikaturen erwartet: Den verantwortlichen Politikern der
westlichen Nationen gelte der Haß und er fordert seine Kollegen dazu auf, bei
den Rezipienten diesen Haß noch zu fördern. Das sei umso besser möglich,
„wenn wir sie als das darstellen, was sie sind, nämlich als verkommene,
verrohte, heimtückische, korrupte und bei alledem lächerliche Individuen“473. Er
betont die Notwendigkeit, den Feind in Form des einzelnen Politikers
darzustellen, anstatt zu Typisieren, um hervorzuheben, „daß ihr schändliches
Werk wie z.B. die Vorbereitung des 3. Weltkrieges Menschenwerk ist und durch
Menschen zunichte gemacht werden kann.“474
Die inhaltlichen Prämissen der Karikaturen wirken sich auf ihre formale
Gestaltung aus. Die Arbeiten des DDR-Karikaturisten BEIER-REDs sind
szenische Darstellungen. Diese Form zieht er einer abstrakten vor, damit die
gezeichnete konkrete Situation den Charakter einer Alltagsszene gewinnt, deren
Personal jedoch mit Attributen von symbolischen Gehalt bestückt ist, so daß die
Akteure als Symbole einer Politik oder als verantwortliche Politiker erkennbar
sind, der Betrachter aber eine Szene sieht, die in seiner Vorstellungswelt
angesiedelt ist. Die Nähe zum Betrachter gilt es zu suchen, weshalb „die
Zuspitzung mehr in der szenischen Aktion als in der Verzerrung der
Gestalten“475 erfolgt. Die Vorliebe zur szenischen Darstellung wird von der
Dominanz eines bestimmten Stils in der Zeichnung begleitet. Die Zeichner, die
sich als Kämpfer für die proletarische Idee hervortun, bevorzugen - im Zuge des
sozialistischen Realismus - einen Stil, der sich wie folgt charakterisieren läßt:
„Die Wiedergabe ist relativ exakt und detailliert. [...] Die Kontur bestimmt
die Zeichnung, doch sie verselbständigt sich nicht, sondern bindet sich
472
473
474
475
Vgl.: Reumann 1966, S. 144.
Behling, Heinz: Über einige Probleme der Karikatur. (Diplomarbeit) Kunsthochschule
Berlin-Weißenberg 1953. Zitiert nach: Haese 1979, S. 39.
Behling zitiert nach: Haese 1979, S. 39f.
Haese 1979, S. 12.
159
eng, umschließend an den Gegenstand. Der zeichnerische Stil der meisten
Karikaturen vermittelt Eindeutigkeit und Genauigkeit. Wirklichkeit,
Gegenstand und Zeichenstil scheinen konfliktlos miteinander verbunden.
Der Anspruch der Satire auf ´Wahrheit´ wird durch den bestimmten, kaum
extravaganten Stil unterstützt.“476
Dennoch gibt es auch ein Widerstreben einzelner Karikaturisten gegen das
verordnete Pathos, gegen die doktrinäre Kunsttheorie des sozialistischen
Realismus. Zu bewerten ist dies als Streben nach mehr künstlerischer Freiheit,
jedoch nicht als wirkliche Emanzipationsbemühung von kommunistischen
Doktrinen. Zumindest aber sind einzelne Ambitionen zu verzeichnen, orthodoxe
Vorstellungen von Satire aufzuweichen. REUMANN rechnet die Karikaturisten,
die diese Tendenz erkennen lassen, dem „Tauwetter-Kommunismus“ zu.477
Während die DDR-Zeitschrift Der Frische Wind „volkstümlich“ aufgemacht ist,
einen seichten Witzstil praktiziert, „um möglichst unverbindlich Probleme
glossieren zu können“478, zeichnet sich der Ulenspiegel durch höhere Ansprüche
an die künstlerische Form der Karikaturen aus, als das im allgemeinen bei der
propagandistischen Karikatur der Fall ist. Die Zeitschrift kann sich jedoch
gerade wegen ihrer Intellektualität und ihres dadurch bedingten Mangels an
Plakativität nur bis 1950 halten. Sie findet nicht genügend Unterstützung von
der Partei. „Allzu intellektuell-witzige Einkleidung nimmt ihr die aktivierende
Aggressivität.“479 Bei der Betrachtung der Grundlagen kommunistischer
Karikaturen gilt es also zu berücksichtigen, daß es auch kommunistische
Karikaturisten gab, die andere Vorstellungen von Karikatur hatten und Zeichnungen ganz anderer Art schufen, als zunächst erscheinen mag.480
476
477
478
479
480
160
Grünewald 1976, S. 647.
Vgl.: Reumann 1966, S. 168.
Reumann 1966, S. 171.
Reumann 1966, S. 170. Reumann gibt die Diskussion wieder, die in der Sowjetunion und
in der DDR, darum geführt wurde, was Satire leisten soll, bzw. wie harmlos oder
„volkstümlich“ Karikaturen sein dürfen.
„Die Karikatur in der DDR - gab es sie überhaupt?“ fragt Claudia Schülke angesichts der
Tabuisierung bestimmter Themen und Personen, v.a. von Mitgliedern des Politbüros
(hinter dieser rhetorischen Frage steht die Annahme, in einem diktatorischen Regime mit
seinen zensorischen Ambitionen könne die Karikatur als Moment der kritischen
Auseinandersetzung mit der Obrigkeit nicht gedeihen. Hier entlarvt sich wiedereinmal
der Topos, die Karikatur sei per se kritisch und Element der Aufklärung). Laut Gotthard
Brandler, Direktor des „Satiricum“, förderte gerade die Unterdrückung eine besonders
intelligente Karikatur, die sich allerdings nicht in Tageszeitungen und Zeitschriften
findet, sondern in Museen. Abseits von der politischen Zentrale in Berlin, im peripheren
Greiz, standen die Künstler weniger unter „Aufsicht“, hatten einen größeren Freiraum.
„So entstand das künstlerisch ambitionierte Genre der Ausstellungskarikatur: eine
Die Karikierung des politischen Feindes ist mit dem Lächerlich-Machen des
Gegners gekoppelt - entsprechend der marxistischen Theorie der Satire, in der
„das überlegene (weil zukunftsträchtige) Neue über das unterlegene (weil
überlebte) Alte lachend triumphiert“481. In den Karikaturen soll zum Ausdruck
kommen, daß der Kommunismus als höchste Stufe des historischen Materialismus den Imperialismus besiegen bzw. ablösen wird. Die zu bekämpfenden
Kräfte des Imperialismus ignorieren nach marxistischer Theorie noch hartnäckig
ihren kommenden Untergang und sind schon wegen dieser Fehleinschätzung
lächerlich und werden entsprechend dargestellt. Es ergibt sich jedoch ein
Konflikt: Bei aller Ridikülisierung des Feindes darf er nicht harmlos wirken,
sonst würde sich der Aufruf zum sozialistischen Kampf ja erübrigen. Das heißt,
die Gefährlichkeit des Gegners darf nicht vernachlässigbar erscheinen; der
Gegner muß als bedrohliche Größe bestehen bleiben. Dieser Widerspruch löst
sich, wenn der Feind in seiner historischen Dimension als lächerlich dargestellt
wird, seine Handlungen aber als schrecklich.482 Es geht nicht primär um das
Lächerlich-Machen einer Person, sondern um Belehrung und Mobilisierung.
Weit davon entfernt, Witzbild zu sein, wollen diese Karikaturen Agitation
betreiben. Die Satire hat einen „aktivierenden Charakter“. Es geht nicht nur um
eine Entlarvung des Gegners, sondern auch um den „Ansporn zur sozialistischen
Tat“.483 Demgemäß ist ihr eigentliches Sujet auch nicht sonderlich subtil
verschlüsselt oder ambivalent, sondern drastisch und eindeutig.
Unbeeinflußt von internationalen Entspannungsprozessen wird in der
sowjetischen Karikatur der Kalte Krieg konserviert.484 Durch kontinuierliche
Diffamierung des westlichen Systems erfüllt die kommunistische Karikatur die
Funktion, bei der Bevölkerung eine gewisse Haltung gegenüber der staatlichen
Politik zu etablieren, um „die eindeutige Parteinahme der Bevölkerung in einem
internationalen Konflikt von vorne herein zu sichern und entsprechende
Handlungsbereitschaften für ein kämpferisches Engagement zu schaffen.“485
Insofern ist die Feindbildpropaganda, der die Karikaturen dienen, eine
kriegerische Gefahr. Die Karikatur muß herhalten, um Feindseligkeiten und
481
482
483
484
485
´Bildersprache mit intellektuellem Anspruch´ nennt sie Brandler.“ Schülke, Claudia:
Spott auf eigene Kosten, museal. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 241 v.
16.10.1993.
Reumann 1966, S. 140.
Vgl.: Reumann 1966, S. 157.
Reumann 1966, S. 157.
Vgl.: Beckmann 1977, S. 159.
Beckmann 1977, S. 161.
161
Aggression zu stimulieren.486 Die Karikatur leistet einem Freund-Feind-Schema
Vorschub. Dadurch prägt sie ein auf Gegnerschaft eingestelltes Denken, aus
dem Konfrontationsbereitschaft und schließlich Kriegsbereitschaft erwachsen
könnten. Mit der Selbstidealisierung und der aggressiven Diffamierung eines
Gegners wird eine Vorstellung von einem „gerechten Krieg“ gefördert, in dem
der Klassenfeind „in Erfüllung der historischen Welterlösungsmission zum
Wohle der gesamten fortschrittlichen Menschheit“ eliminiert wird.487
************************
Rufen wir uns noch einmal den Archetypus des Plutokraten in kommunistischen
Karikaturen ins Gedächtnis: Das gegnerische System, eben der Kapitalismus,
wird vorzugsweise in der Figur des Kapitalisten angegriffen, also in personifizierter Form. Zumeist ist es „der“ Amerikaner, der dollarschwer die Mittel hat,
sowjetische Verbündete zu korrumpieren - so in einer Prawda-Karikatur des
Karikaturisten-Trios KUKRYNSKY aus dem Jahre 1949, in der Tito mit „30
Silberlingen“, die ihn als Judas (als Verräter) entlarven, ausgezahlt wird (Abb.
99). „Der“ Amerikaner bereichert sich auch auf Kosten der eigenen
Bündnispartner und ist gleichzeitig - in einer Prawda-Karikatur von BORIS
EFIMOVICH EFIMOV aus dem Jahre 1956 - als Kriegsgewinnler bloßgestellt (Abb.
100). „Der“ Kapitalist oder „der“ Amerikaner ist immer Aggressor, der sowohl
die eigene Bevölkerung als auch die Welt insgesamt ausbeutet. Der
486
487
162
Vgl.: Beckmann 1977, S. 162.
Vgl.: Beckmann 1977, S. 162. Beckmann befürchtete seinerzeit, daß die feindselige
Haltung, die propagiert werde, in einer tatsächlichen kriegerischen Auseinandersetzung
münden könnte. Zur Zeit des Kalten Krieges war der Entwurf eines solchen Szenarios
noch denkbar. Heute ist die Vorstellung eines Bedrohungspotentials durch Karikaturen
der ehemals kommunistischen Staaten absurd. Barbara Kerneck betont ihre
Harmlosigkeit: „Heute, da alles ausgesprochen werden darf und die Papierpreise in den
Himmel steigen, sind die Auflagen der überregionalen Zeitungen auf ein Siebtel bis ein
Zehntel ihrer früheren Höhe gefallen. Die Redaktionen knausern, und die brillianten
Karikaturisten von einst beliefern lieber die wie Pilze aus dem Boden schießenden
Kunstgalerien für die neue Finanzelite. Dazu gehören manche von ihnen schon selbst,
weil sie profitable Absatzmöglichkeiten im Ausland finden. So ist die russische
Zeitungskarikatur in die Kindheit zurückgefallen und appelliert dementsprechend meist
an kindliche Gemüter.“ Kerneck, Barbara. In: die tageszeitung v. 12.9.1993. Zur
postkommunistischen Karikatur vgl.: Roth, Paul: Die Karikatur in Rußland in
spätsowjetischer und nachsowjetischer Zeit (1985-1995). Sonderveröffentlichung des
Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Köln 1996.
Monoideismus der rücksichtslosen Bereicherung wird in den Karikaturen zum
Charakteristikum des Westens.
Eine Karikatur aus der Iswestija von 1982 ist ein jüngeres Beispiel für die Kritik
am Kapital. Hier ist wieder „der“ Amerikaner der Akteur, der diesmal nicht
selbst fett ist, dafür aber sein Geldsack. Der Sack bildet mit den Raketenfüßen
ein Reittier für den Cowboy, der den Amerikaner symbolisiert. In rasantem
Galopp wird das Geld von dem waffenschwingendem Reiter seiner Bestimmung
zugeführt, dem Ziel, die Aufrüstung zu finanzieren (Abb. 101).
Kommunistische Karikaturen haben jedoch nicht das Monopol auf das Motiv
des geld- und damit machtgierigen Gegners. Auch in innerdeutschen
Gegnerschaften wird das Thema von „linker“ Seite verwandt. Ein Juso-Plakat
von 1972 modifiziert den klassischen Kapitalisten, indem es den Kopf des
Arbeitgeber-Stellvertreters oder einfach des Bonzen schlechthin aus Geldbündeln und Aktien zusammensetzt und somit seine wahre Substanz visualisiert
(Abb. 102). Diese Bildfindung erinnert an die Allegorien GIUSEPPE
ARCIMBOLDOs (1527-1593). Bilder, deren Motiv sich aus der Kombination
kleinerer Gegenstände ergibt, lassen sich in das Verfahren der „Superzeichen“
einreihen. Dieser Begriff meint ein Zusammensetzen der Darstellung aus
Einzelzeichen, die mit inhaltlicher Bedeutung besetzt sind und nach bestimmten
formal-ästhetischen Prinzipien arrangiert werden.488 Die so angeordneten Teile
werden zunächst nicht als solche vom Betrachter wahrgenommen, d.h. er schaut
nicht eine Addition von einzelnen Elementen, sondern er setzt sie zu einem
Ganzen zusammen. Dieses Ganze, das Bild an sich, ist das Superzeichen. Statt
der üblichen Verzerrung und Reduktion ist hier also als karikaturistisches Mittel
das Superzeichen verwandt worden, das eine „visuell vermittelte literarische
Aussage“489 impliziert. „Die Einzelzeichen zerstören den äußeren Schein, legen
offen, was Charakter, Verhalten, Intentionen des Gemeinten bestimmt. Die
formale Kombination wird zur inhaltlichen.“490
Trotz dieser originellen Variante des Themas bleibt ein Merkmal des in der
Karikatur tradierten Plutokraten bestehen: In der Personifzierung des Kapitals
bzw. kapitalistischer Interessen wird die attackierte Ideologie auf einzelne
Begünstigte bzw. Manipulatoren reduziert.
488
489
490
Vgl.: Grünewald 1979, S. 83.
Grünewald 1979, S. 13.
Grünewald 1979, S. 88.
163
Die Plutokraten-Formel kommunistischer oder linker Provenienz wird auch im
Kapitalismus eingesetzt, dann, wenn es darum geht, seine ureigensten
Ressourcen zu bewahren. Während der Ölkrisen der 70er Jahre, als sich die
Abhängigkeit der westlichen Industrienationen von dem Rohstoff Erdöl zum
ersten Mal dramatisch offenbarte, wird „der“ Araber als Plutokrat markiert - so
von dem amerikanischen Karikaturisten DONALD WRIGHT (Abb. 103). Als sich
der Kuwait-Konflikt zuspitzt, und der Westen wieder in Konfrontation zu einem
erdölfördernden Land gerät, wird in einer Illustration zu einem Spiegel-Artikel
vom September 1990 Saddam das Dollarzeichen angehängt (Abb. 104). Von der
Verunglimpfung des politischen Kontrahenten als „geldgeil“ bis zum
klassischen Plutokraten-Archetyp ist es nicht weit. In Karikaturen, die seit der
Iranischen Revolution veröffentlicht werden, bis zu denen, die zum Zweiten
Golfkrieg entstehen, finden sich auch islamische Staatsführer auf dicken
Geldsäcken wieder - so in einer Karikatur von PETER LEGER (1924-1991), die
im Januar 1981 erscheint (Abb. 105). Zigarre und Zylinder sind von Bart und
Turban abgelöst worden, doch die fette Beute seiner Raffgier wird mit den
gleichen Mitteln dargestellt wie schon früher in Zerrbildern des Kapitalisten.
Wenn auch in modifizierten Formen: Die Tradition des Archetypus zeigt
Kontinuität.
3.6
Der Feind als Tod: (Un)Sterblichkeit in der Karikatur
Ein permanent auftretender Archetypus in Feindbildkarikaturen ist der Feind in
der Gestalt des Todes. Dieses Motiv ist in gewisser Weise ein antithetisches
Kampfbild. Das antithetische Kampfbild besteht aus der Gegenüberstellung von
dem negativ gezeichneten Gegner und dem positiv gezeichneten Selbst. Der
Feind als Tod ist ein antithetisches Kampfbild und zwar in Abwesenheit der
„Pluspartei“. Der Tod als Repräsentant der vollkommenen Vernichtung, als
Gegensatz zum Leben, ist total. Eine Steigerung, einen noch größeren Gegenpart
zum Selbstverständnis, kann es nicht geben. Es bedarf gar keiner Darstellung
der eigenen Partei in der gleichen Zeichnung mehr. Wenn der Feind der Tod ist,
dann steht nicht mehr in Frage, daß er bekämpft werden muß. Wenn die eigene
Partei den Kampf gegen den Tod antritt, dann ist sie auf der Seite des Lebens.
Die Antagonismen Tod und Leben sind also verklammert, ohne daß die eine
Seite im Bild erscheint.
164
Der Tod als Archetypus ist deshalb in einer solchen Frequenz in
Feindbildkarikaturen zu finden, weil er zur Vermittlung eines Bedrohungsgefühls bestens geeignet ist. Die dem Menschen eigene Angst vor dem Tod wird
ausgenutzt, um Furcht und Entsetzen dem Feind gegenüber zu produzieren.491
Da der Feind die Inkarnation des Todes ist, ist der Kampf gegen ihn eine
Schlacht um Leben und Tod. Damit legitimiert sich eine Mobilisierung gegen
einen solchen Feind, wobei unterschlagen wird, daß ja auch die eigenen Waffen
den Tod bringen. Dem Feldzug gegen den Tod in Person haftet etwas von der
Vorstellung an, mit dem politischen Gegner auch den Tod selbst zu überwinden,
wohl der Traum des Menschen schlechthin.
„In jedem von uns ruht, eng mit unserem Lebenswillen verflochten, ein
Drang nach Unsterblichkeit. Er besteht nicht so sehr darin, daß wir
glaubten, wir seien unsterblich, als darin, daß wir es verlangen:
unabhängig davon, ob unser Verstand diese Feststellung akzeptiert oder
von ihr irritiert ist. Und weil diesem fast instinktiven Drang nach Unsterblichkeit die mühsam unterdrückte Furcht gegenübersteht, der Tod
könne wirklich sämtliche Spuren unserer Existenz auslöschen, sind wir
bereit, zum Äußersten zu gehen, um unsere Selbstzweifel zu besänftigen
und uns unserer selbst zu vergewissern. Indem wir uns der Prüfung des
Krieges unterwerfen, in der wir willens sind, entweder zu sterben oder den
Feind zu töten, der der Tod ist, bekräftigen wir rituell unsere eigene
Unbesiegbarkeit durch den Tod.“492
Das Motiv des personifizierten Todes ist der christlichen Ikonographie verhaftet.
Das Skelett als Synonymisierung des Todes und als Stellvertreter für den
politischen Gegner erfreut sich schon seit den Anfängen der außenpolitischen
Karikatur großer Beliebtheit. Das Blatt von FRITZ STEUB (1844-1903) von 1870
(Abb. 106) zeigt Napoleon selbst als Skelett, erkennbar an dem Dreispitz und an
dem Titel, der eine direkte Ansprache an ihn ist: „An Napoleon - L´empire c´est
la paix“. Die Kombination von Skelett und Dreispitz, Säbel, Stiefel und Mantel
ist eine Montage einzelner Elemente, die erst die Aussage Napoleon = Tod
ergibt. Der Betrachter sieht in der graphischen Darstellung Einzelzeichen, die
entgegen der gewohnten Wahrnehmung in neuen, irrealen Zusammenhängen
präsentiert werden. Die Ausstattung des Skeletts mit bestimmten Accessoires
weckt die Assoziation - hier: Napoleon als todbringender Staatsmann und
Feldherr. In einer französischen Karikatur von FAUSTIN (FAUSTIN BETBEDER)
aus dem gleichen Jahr wird auch Wilhelm I. als Skelett dargestellt, sozusagen
nach getaner Arbeit mit blutiger Sichel (Abb. 107). Wieder ist es die
491
492
Vgl.: AGFP 1983, S. 13.
Keen 1986/1987, S. 135f (Hervorhebungen im Original).
165
Kopfbedeckung (in Verbund mit dem Schnurrbart), die ihn identifizierbar
macht.
Die von Blut triefende Sichel ist ein Element, das zur Skelettgestalt des Gegners
sehr häufig hinzukommt, unterstreicht es doch die Identität des Feindes als Tod
durch das Synonym des Sensenmannes. Die gleiche Funktion behält dieses
Attribut auch in zeitgenössischen Karikaturen. In BAS MITROPOULOS´ Darstellung des iranischen Revolutionsführers von 1985 (Abb. 108) reicht die Sichel
aus, um ihn als todbringend zu charakterisieren. Eine Skelettierung ist
überflüssig.
In Karikaturen, die zur Zeit des Zweiten Golfkriegs entstanden, ist Saddam
häufig als Sensenmann zu sehen - so in HANELs Karikatur vom August 1990, in
der Saddam die Ernte in Form von Totenköpfen mit sich trägt (Abb. 109). Das
Antlitz des Todes ist ihm wieder in einer Karikatur BERND BRUNS´ vom Januar
1991 eigen (Abb. 110). Das todbringende Handeln des auf dem Globus
thronenden Saddams ist im Bild durch das auslaufende und die Erde
überdeckende Öl angezeigt. Eine ähnliche Bildfindung (ohne Sense) liegt in
einer am selben Tag veröffentlichten Karikatur von HAITZINGER vor (Abb. 111).
Auch hier blickt der auf einer angedeuteten Erdkugel sitzende Saddam über
seine Schulter und zeigt sein wahres Gesicht, nämlich das des Todes. Diesmal
spritzt das Öl aus seinem Totenschädel und ergießt sich auf diese Art über die
Erde. Als durch die Ölverseuchung gestorbenes Tier ist die Friedenstaube zu
sehen. Damit ist der Frieden selbst getötet.
In der Karikatur „Schnitter Tod“ von 1933 ist die Sichel zum Hakenkreuz
umgeformt (Abb. 112). Hier tritt noch ein anderes Moment der Darstellung
hinzu, nämlich das der Entlarvung: Das Skelett trägt eine Maske mit den
Gesichtszügen Hitlers. Die äußere Erscheinung ist nur eine Attrappe, welche die
wahre Gestalt des Feindes zu kaschieren sucht, in der Karikatur aber aufgedeckt
wird. Ein italienisches Plakat von 1944 reißt der Freiheitsstatue als Symbol
amerikanischer Werte und Identifikation die Maske ab, und wieder enthüllt sich
das wahre Wesen des Feindes als tödliche Macht (Abb. 113). MUSSIL verwendet
mit gleicher Intention ein weiteres Bild: In einer Karikatur von 1981 zeigt er
einen Vertreter der iranischen Revolutionspartei, dessen Antlitz sich im Spiegel
als Totenkopf offenbart (Abb. 114). Eine andere Form, die tatsächliche Identität
Miloševics zu enttarnen, wählt BÖHLE in einer Karikatur vom Oktober 1993
(Abb. 115). Der serbische Präsident, der hier mit der Geige zum Tanz aufspielt,
wirft einen Schatten an die Wand, der die Gestalt eines Skeletts hat. Die Sonne
bringt es also an den Tag: Es handelt sich um einen Totentanz.
166
Eine weitere Verkörperung des Todes besteht darin, ihn in Form eines
bombenabwerfenden Kriegsflugzeugs auftreten zu lassen. 1940 benutzen die
Deutschen dieses Motiv, um die Bevölkerung zur Verdunklung aufzurufen (Abb.
116). Im gleichen Jahr gebraucht auch die Gegenseite diese Darstellungsform,
nämlich der Amerikaner DANIEL ROBERT FITZPATRICK (1891-1969) in seiner
Zeichnung „Wings over Europe“ (Abb. 117). Ebenfalls in den von den
Deutschen besetzten Niederlanden wird eine Karikatur veröffentlicht, in der
Totenkopf-Bomber den Feind symbolisieren (Abb. 118). Das Motiv findet
weiterhin im Kalten Krieg Verwendung - so in der Iswestija-Karikatur „Der
ominöse Schatten der NATO über Zypern“ von 1964 (Abb. 119). Noch 1984
setzt der österreichische Karikaturist ROMULUS CANDEA diese Formel zur
Darstellung des „Heiligen Kriegs“ ein - zwar ohne Totenköpfe, doch in gleicher
Tradition (Abb. 120). Statt der Sense bedient sich der Tod eines anderen
Handwerkzeugs: des Bombers. So oder so ist er durch das jeweilige Instrument
bei der Arbeit dargestellt.
In die Reihe „Feind-als-Tod“ gehören natürlich sämtliche Karikaturen, in denen
dem Gegner Totenköpfe oder Skelette als Attribut zugeordnet werden. Ich will
nur einige Bilder vorführen, in denen die Vernichtung von Menschenleben, die
der Feind zu verantworten hat, in ihrer Quantität erfaßt wird. Hier ist die
tödliche Macht potenziert, hier betreibt der Feind Völkermord und Massenvernichtung.
Eine Zeichnung von BÖHLE aus dem Jahre 1989 (Abb. 121) zeigt Khomeini,
dessen Turban zu einer Anhäufung von Totenschädeln modifiziert ist. Um
sowohl die moralische Verwerflichkeit des Feindes als auch die Gefahr, die von
ihm ausgeht, vor Augen zu führen, gibt es in der Karikatur die Tradition ganzer
Berge von Totenköpfen. Schon Napoleon ist in einer Karikatur ROWLANDSONs
von 1815 so dargestellt (Abb. 122). Auch Bismarck wird entsprechend
abgebildet (Abb. 123). Wir sehen Idi Amin in einer Karikatur HAITZINGERs von
1979 (Abb. 124) und Saddam in einer Zeichnung CANDEAs vom April 1991
(Abb. 125) in ganz ähnlicher Weise. Und BÖHLE führt uns in dieser Manier im
November 1994 Karadzic vor Augen (Abb. 126). Schließlich vereint
HAITZINGER in einem Blatt vom Juli 1996 Karadzic und Mladic in bewährter
Zeichensprache (Abb. 127). Immer thronen die Karikierten auf einem Berg von
Totenköpfen als Zeichen ihrer vor keinem Greuel zurückschreckenden Politik.
Eine Variante ist eine Karikatur von P EPSCH, die einen Tag nach der
HAITZINGERs erscheint: Hier ist der Berg in einer Waagschale aufgetürmt, als
Gegengewicht zu Karadzic und Mladic (Abb. 128). In den beiden letztgenannten
167
Darstellungen wird auch die Rolle der UNO thematisiert. Im ersten Fall ist die
Masse der Totenschädel unter den Teppich gekehrt worden, im zweiten reicht
vor dem UNO-Tribunal selbst diese Menge der Toten nicht aus, um in einer
Anklage genügendes „Gewicht“ zu erlangen.
Zu der Assoziation des Feindes mit Tod zählt auch die Visualisierung einer
Komplizenschaft zwischen den beiden. Bereits in napoleonischer Zeit ist der
politische Gegner in den Karikaturen mit dem Tod im Bunde - so in einem Blatt
von ROWLANDSON aus dem Jahre 1815 (Abb. 129). Und auch zeitgenössische
Karikaturisten stellen den Feind in Konspiration mit dem Tod dar. So sehen wir
beispielsweise 1979 Khomeini in einer Zeichnung des amerikanischen
Karikaturisten BILL MAULDIN in der Chicago Sun-Times im Gespräch mit dem
Sensenmann (Abb. 130), und in einer Karikatur KARL HEINZ SCHOENFELDs vom
Februar 1991 ist der Tod das Sprachrohr Saddams (Abb. 131).
Der Verschwörung zwischen Feind und Tod steht eine andere Möglichkeit der
Darstellung des Vernichtungspotentials des Feindes gegenüber: Wenn der Feind
selbst zum Reiter der Apokalypse wird, dann ist seine tödliche Macht total, die
ganze Welt betreffend und entsprechend nicht mehr steigerungsfähig.
3.7
Der Feind als apokalyptischer Reiter: Endzeitliches in der Karikatur
Auch das Bild des apokalyptischen Reiters ist der jüdisch-christlichen
Vorstellungswelt entliehen. In den Karikaturen ist die endzeitliche Vision der
Apokalypse für einen politischen Gegner der richtige Rahmen, um die Gefahr,
die von dem Feind ausgeht, als drohenden Untergang in Szene zu setzten. In
apokalyptisch aufbereiteten Feindbildern ist der Feind Vertreter des Chaos und
der Auflösung. Im Vergleich dazu ist man selbst die Kraft der Ordnung und des
Heils, die gegen das Verderben den Kampf antritt.493 Eine im Zuge der
Reparationsforderungen des Ersten Weltkriegs entstandene Karikatur ARPÁD
SCHMIDHAMMERs (1857-1921) von 1919 stellt den „Entente-Frieden“ in Form
der apokalyptischen Reiter dar (Abb. 132). Doch es bedarf gar nicht erst der
Dürerschen Vierzahl der Reiter (Abb. 133). In einer Radierung des Franzosen
ALMÉRY LOBEL-RICHE (1880-1950) aus dem Ersten Weltkrieg trägt der Reiter
der Apokalypse einen Helm, auf dem der deutsche Adler thront, womit er als
493
168
Vgl.: Münkler 1994, S. 32f.
Deutscher ausgewiesen wird (Abb. 134). Die Apokalypse, das ist der Krieg (den
der Feind führt!). Im antifaschistischen Widerstand ist entsprechend Hitler der
Reiter der Johannes-Vision. Eine Arbeit HEARTFIELDs von 1933, die ihn in ein
Bild von FRANZ v. STUCK hinein montiert (Abb. 135), zeigt ihn ebenso in dieser
Tradition wie ein sowjetisches Flugblatt von 1942 (Abb. 136). In einer Karikatur
OLIPHANTs von 1984 sehen wir Khomeini als den fünften Reiter (Abb. 137).
Während in den Karikaturen des Ersten Weltkriegs und des Widerstandes gegen
Hitler das Bild der Apokalypse auch von einer gewissen Ohnmacht zeugt, weil
der Feind derart unmenschlich und mächtig zugleich ist, daß, wenn er siegt, nur
noch das Ende der Zivilisation zu erwarten ist, dient es in dem jüngeren Beispiel
dazu, dem Feind etwas Dämonisches zu geben. Die Bildformel der Apokalypse
wird hier zur bloßen moralischen Diffamierung eingesetzt. Der Verwendung des
Apokalypse-Motivs sind entsprechend unterschiedliche Qualitäten zuzuordnen:
In der ersten Konstellation ist sie „der verzweifelte Versuch hoffnungslos
Unterlegener, sich nicht gänzlich aufzugeben und durch die unheilsgeschichtliche Denunziation des Sieges dessen Übermacht als dem Untergang
geweiht zu stigmatisieren“494. In der Karikatur aber, die Khomeini darstellt,
handelt es sich nicht um eine Formulierung des Fatalismus, sondern um eine
Schmähung der Politik des islamischen Revolutionsführers. Indem die
Charakterisierung so weit geht, den Feind als denjenigen, der den Untergang mit
sich bringt, zu bezichtigen, ist man ethisch dazu verpflichtet, gegen dieses Übel
anzugehen. Diese Darstellung ist nicht Ausdruck der Ergebung in ein Schicksal,
sondern - im Gegenteil - eine Handlungsdirektive. Das Brisante dabei ist, daß
das, was dem Islam gemeinhin vorgeworfen wird (ob zu Recht, sei
dahingestellt), nämlich irrational und unaufgeklärt zu sein, genausogut für die
Karikatur, die ihn kritisiert, gilt, denn sie fußt selbst nicht auf rationalen
Erwägungen, sondern greift ihrerseits irrationale Elemente auf, weil sie
dämonisiert. Weltuntergangsvisionen haben nichts mit einer Analyse der
politischen Verhältnisse gemein, sie können mit einem aufklärerischen
Anspruch nicht in Einklang gebracht werden. Diejenigen, die das Thema
„Apokalypse“ verwenden, „stehen in einer ´eher phantastischen als kausalen
Beziehung zur Wirklichkeit´“495.
494
495
Münkler 1994, S. 33.
Marks 1983, S. 132f.
169
3.8
Der Feind als Spieler: Risiko in der Karikatur
Immer wieder taucht in Karikaturen das Spiel als Allegorie politischer
Konstellationen auf. Besonders seit Ende des Kalten Krieges erfreut sich dieses
Motiv auffallend großer Beliebtheit, wenn in Karikaturen Konflikte, welche die
Weltpolitik bestimmen, dargestellt werden. Der Umstand, daß in jüngster Zeit
ein Archetyp eine derartige Renaissance erlebt, ist Anlaß, die Bedeutung des
Spiels in der Karikatur ausführlicher zu betrachten.
Das Spiel-Motiv impliziert die Antipode Fortuna und Providentia.496 Spiele, die
keine Geschicklichkeit und kein taktisches Vermögen des Spielers voraussetzen,
sondern nur mit dem Faktor Glück arbeiten, sind der Fortuna zugehörig. Das
Glücksspiel ist eine Auslieferung an den Zufall. Seine Darstellung ist Ausdruck
der Unterwerfung unter den Zwang der Verhältnisse. Das Schicksal „spielt“ hier
die entscheidende Rolle. Doch das Glücksspiel steht immer auch in der Nähe
des Falschspielens.497 Solche Spiele aber, die Überlegung, Planung und
Kontemplation erfordern, sind auf Seiten der Providentia angesiedelt.498 Als
Spieler welchen Spiels der Feind in den Karikaturen zu sehen ist, gibt bereits
Auskunft, ob sein Tun als Produkt des Zufalls und der Willkür interpretiert wird
oder ob seine Politik als durchdacht und raffiniert aufgefaßt wird.
Neben den Glücks- und Verstandesspielen gibt es auch noch solche, die eine
Zwitterstellung einnehmen. Kartenspiele gehören dazu.499 Der Ausgang einer
Partie ist von der Geschicklichkeit und Versiertheit der Spieler, aber auch von
der Zufälligkeit der Blattverteilung abhängig. Dem Kartenspiel haftet zudem
immer etwas von Mogeln an.500 Die Möglichkeit, daß der Spieler versucht, zu
betrügen, ist impliziert.
Wegen dieser moralischen Fragwürdigkeit wird in englischen Sittenbildern des
18. Jahrhunderts immer wieder das Kartenspiel als Symbol einer verlotterten
Gesellschaft herangezogen. Beispielsweise reichert GILLRAY seine Über-
496
497
498
499
500
170
Vgl.: Holländer, Hans: Mit Glück und Verstand. In: Mit Glück und Verstand. Zur Kunstund Kulturgeschichte der Brett- und Kartenspiele. 15. bis 17. Jahrhundert. Museum
Schloß Rheydt v. 29.7.-25.9.1994. Hrsg. v. Christiane Zangs / Hans Holländer. Aachen
1994, S. 9-16 (im folgenden: Holländer 1994); hier: S. 9.
Vgl.: Holländer, Hans: Die Kugel der Fortuna. In: Providentia-Fatum-Fortuna. Das
Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. Zeitschrift des Mediävistenverbandes, Band 1, 1996, H. 1, S. 149-167 (im folgenden: Holländer 1996); hier S. 151.
Vgl. Holländer 1996, S. 150.
Vgl.: Holländer 1994, S. 10.
Vgl.: Holländer 1994, S. 11.
zeichnungen der Gesellschaft mit dem Laster Spiel an und formuliert so seine
Anklage gegen unmoralische Zustände. Auch DAUMIER, dessen bevorzugtes
Thema die Korruption der Machthaber ist, benutzt in seinen Karikaturen die
Spielbeschäftigung als Zeichen nichtsnützigen Müßiggangs. Das Spiel als Bild
in der Karikatur verändert jedoch seine Bedeutung im 19. und 20. Jahrhundert:
Es wird zur Metapher für eine konkrete machtpolitische Situation. Das Thema
Kartenspiel in der Karikatur behält fortwährend den Anstrich des Unbesonnen.
Der Feind geht (skrupellos) jedes Risiko ein, setzt in seiner Machtgier und
Maßlosigkeit das Leben seines Volkes „aufs Spiel“.
Wenn 1940 Hitler in einer britischen Karikatur in der Daily Mail beim
Kartenspiel mit der französischen Marianne gezeigt wird (Abb. 138) oder wenn
Stalin in der französischen Zeitung La Gerbe 1944 beim „Zocken“ mit Churchill
und Roosevelt zu sehen ist (Abb. 139), dann ist mit der Spielsituation ein
Moment der Weichenstellung für die zukünftige Entwicklung dargestellt. Das
Spiel drückt die Spannung der politischen Lage aus, die sich nun entscheiden
wird. Der einem Spiel innewohnende Nervenkitzel wird in einer Zeichnung von
FRANK CERNY noch verschärft: In der Karikatur vom Januar 1991 sitzen der
irakische und der amerikanische Außenminister beim Poker, während unter
ihrem Tisch bereits die Lunte einer Bombe brennt (Abb. 140). Das Feilschen der
Diplomaten wird mit dem Poker verglichen. Hinzu kommt in Form der Bombe
der Hinweis, daß ihr Spiel vergeblich ist, wenn nicht bald etwas geschieht.
Eine besondere Spielvariante ist das Spiel mit dem Tod. Das Motiv des Todes
als Mitspieler hat als Gleichnis für das Spiel des Lebens mit dem Tod eine lange
ikonographische Tradition, wobei der Tod immer gewinnt.501 Wenn in der
Karikatur der Tod mit dem Feind spielt, dann heißt das soviel wie: „Das Spiel ist
aus“. In dieser aussichtslosen Lage finden wir Saddam in einer Karikatur vom
Januar 1991 (Abb. 141). Komplizierter ist da die Konstellation mit drei Spielern,
von denen einer der Tod, die beiden anderen jeweils Vertreter einer Kriegspartei
sind: In einer Darstellung des Chemnitzer Karikaturisten FRANK MÜLLER vom
Februar 1991 sehen wir Bush als Cowboy kostümiert und Saddam als Pirat, der,
vom Tod um seinen Einsatz gebeten, auf alles oder nichts setzt (Abb. 142).
Diese radikale Spielermentalität unterstreicht den rücksichtslosen Charakter des
Diktators. Sein Piraten-Outfit weist ihn als Gesetzeslosen aus, während Bush
einen Sheriffstern trägt und somit auf der Seite von Recht und Ordnung steht.
501
Vgl.: Holländer 1994, S. 14.
171
Ganz in traditioneller „Spelunken-Manier“ steckt vor Saddam ein Messer im
Tisch, das einen Hinweis auf seine mangelnde Fairness gibt.
Den Tod finden wir auch als Schachspieler. In einer Federzeichnung von
HEINRICH KLEY (1863-1952) spielt er nicht gegen Napoleon, sondern gibt ihm
Anweisungen, wie er die Figuren zu ziehen hat (Abb. 143). In dieser Karikatur
ist der Imperialismus Napoleons anhand der Spielmetapher verbildlicht: Eine
Landkarte bildet das Spielbrett und wird somit zum Bild der expansiven Politik.
Die geschlagenen Figuren werden von Napoleon achtlos weggeworfen und
verdeutlichen seine durch Machtbesessenheit bedingte Skrupellosigkeit. Doch
wesentlich ist, in wessen Geist Napoleon „zieht“: Der Tod wird der Gewinner
sein.
Schach gilt als das Spiel, das Verstand und weise Voraussicht verkörpert. Es
wird seit je her als Allegorie der Staatsräson bzw. der politischen Führung
benutzt. Im Gegensatz zum Glücksspiel bedeutet das taktische Spiel Abwägen
der Folgen der einzelnen Spielzüge, dem die Fähigkeit der weisen Voraussicht
zugrundeliegt. In einem Spiel, in dem Providentia seitens des Spielers vonnöten
ist, erprobt dieser gleichsam seinen Verstand und seine Fähigkeit zur
Berechnung der Folgen seiner Handlungen und tritt mit diesem ehrgeizigen Tun
die Nachfolge Gottes an, denn die Providentia gilt als eine Qualität Gottes, bei
dem sich Allmacht mit Weisheit paart.502 So wie der Schachspieler weise und
vorausschauend seine Figuren setzten muß, so muß der Staatsmann die Zukunft
und die Konsequenzen seiner Strategie überblicken und entsprechend weise
politische Schachzüge tätigen. Das Schachspiel ist Sinnbild der Entscheidungsfähigkeit des taktierenden Politikers und seines Einfühlungsvermögens
bezüglich dessen, was sein Gegner zu tun beabsichtigt. In den Karikaturen wird
aus seiner Fähigkeit, durch Raffinesse seinen Gegner zu schlagen, sehr schnell
ein heikles Spiel, in dem der Feind leichtfertig mit dem Frieden umgeht. Das
Spiel wird zum Sinnbild einer riskanten und gefährlichen Politik. Das „Spiel der
Könige“ dient als Metapher für politisches Handeln. Die Darstellung des
Schachspiels ist häufig Abbild einer Machtkonstellation bzw. einer realen
Schlachtsituation, in der Gegner ihren Machtkampf oder Kriege austragen.
In einer deutschen Karikatur von 1940 soll die Situation der Kriegsparteien
Deutschland und England wiedergegeben werden (Abb. 144). Der britische
König (an dem Sack mit dem £-Zeichen zu erkennen), wird von den deutschen
Soldaten matt gesetzt. Die dem Zwei-Parteien-Spiel entsprechende antithetische
502
172
Vgl.: Holländer 1994, S. 10f.
Darstellungsweise drückt sich in der Charakterisierung der Figuren aus: Die
Schachfiguren sind im Comic-Stil gezeichnet und dadurch „belebt“. Wir sehen,
wie der englische König und (statt der Bauern) lauter fette Kapitalisten ob ihrer
Bedrängnis schwitzen. Eine Figur (mit Zigarre im Mund - Churchill?) macht
sich noch schnell davon (der Karikaturist läßt die Gelegenheit nicht aus, auch
das Feindbild „Plutokrat“ im Bild unterzubringen). Die Spielsteine der
deutschen Seite rekrutieren sich allesamt aus den verschiedenen Streitkräften der
Wehrmacht: ein U-Boot und ein Panzer bilden die beiden Türme, ein
Fallschirm“springer“ den Springer. Sie lassen dem feindlichen König, der nur
noch als einziger von der Gegenpartei auf dem Brett zugegen ist, keine
Zugmöglichkeit mehr (bedenkt man den tatsächlichen Ausgang des Krieges,
dann zeugt diese Darstellung wohl eher von Wunschdenken). Der SchwarzWeiß-Kontrast der Schachfiguren läßt das psychologische Moment der
Karikatur greifen: Die „gute“ Partei ist weiß und steht damit für Reinheit und
Unschuld. Seit der Antike fungiert das Helle, das Licht als Ausdruck des Guten.
Das Schachspiel bietet sich geradezu an, wenn man mit den Gegensätzen
schwarz und weiß, gut und böse arbeiten will.
Das Bild eines Schachspiels ist immer mehr als die Abbildung eines Spiels: Es
ist ein Spiegel der Welt.503 Es wurde immer als Modell der Gesellschaft
gedeutet. Seit dem Mittelalter bis heute reflektieren Schachspiele
Gesellschaftsordnungen, einen Staatsaufbau oder tatsächliche gesellschaftliche
Verhältnisse. In einer Karikatur OLIPHANTs vom April 1980, veröffentlicht in
der International Herald Tribune, sehen wir in den Schachfiguren eine
Darstellung des iranischen Staatsaufbaus, wie der Karikaturist ihn sich vorstellt
(Abb. 145). Er stellt eine Analogie her zwischen Spielfeld und Schlachtfeld. Hier
ist keine entscheidende Spielsituation dargestellt, sondern lediglich die
Aufstellung der Figuren einer Seite. Das Spiel hat noch gar nicht begonnen,
doch scheinen die Pferde kaum noch zu halten zu sein, so lechzen sie nach dem
Kampf. Als zukünftige „Bauernopfer“ werden zum Tode Verurteilte mit
verbundenen Augen ins Feld geschickt. Der Karikaturist zeigt die
Machthierarchie der Kriegspartei des Ersten Golfkriegs anhand der
unterschiedlichen Charakterisierung der einzelnen Figuren und verdeutlicht die
Wurzel der Herrschaft Khomeinis (als König): Das „Zusammenspiel“ aller
Kräfte ist Garant des Machterhalts des Regimes und führt zum Sieg der
politischen Elite.
503
Vgl.: Holländer 1994, S. 11.
173
Im Zweiten Golfkrieg, mit Saddam als Feind der westlichen Welt, erfährt das
Spiel-Motiv geradezu einen Boom in der Karikatur und bleibt auch anschließend
in der Darstellung des Kriegs auf dem Balkan eine bevorzugte Bildformel.
LURIE läßt Saddam in einer Karikatur vom August 1990 gegen die ganze Welt
spielen (Abb. 146), wobei der irakische Diktator nur noch einen einzigen
Spielstein hat, dieser sich aber als Handgranate entpuppt. Von einem fairen
Spiel kann keine Rede sein. Mit der Macht, die ihm diese Waffe gibt, wird
Saddam sich über alle Regeln hinwegsetzen.
In einer Darstellung des kanadischen Karikaturisten ROY PETERSON, die einen
Monat später in der International Herald Tribune erscheint, steht Saddam die
Siegesgewißheit im Gesicht geschrieben (Abb. 147). Seine Spielsteine sind
Soldaten, Raketen, Ölfässer, Todeskandidaten und Geiseln. Auch ohne daß die
andere Partei mit ins Bild genommen wird, ist klar, wer die Verlierer sind,
nämlich die Flüchtlinge, die bereits geschlagen auf dem Spielfeld liegen.
Der amerikanische Karikaturist BENSON ersetzt im Januar 1991 in seiner
Karikatur für die Morning News Tribune (Washington) das Spielbrett durch
einen Kalender, in Anspielung auf das von der UNO gesetzte Ultimatum (Abb.
148). Die Partie bestreiten Saddam und ein amerikanischer Soldat. Die
Metamorphose des Spielbretts zu dem Kalenderblatt Januar ist das Wesentliche
der Zeichnung, nicht etwa die Spielsituation (dazu fehlt auch die richtige Anzahl
der Felder). Entsprechend sind die Figuren zweitrangig, sie unterscheiden sich
nicht voneinander. Wie sich das Spiel entscheiden wird, ist nicht abzulesen.
Mit militärischem Gerät statt mit Spielfiguren stehen sich die gleichen Parteien
in einer Karikatur KLAUS PIELERTs vom Oktober 1994 gegenüber (Abb. 149).
Die amerikanische Seite wird diesmal von Uncle Sam vertreten, doch sein
Gegenspieler ist wieder Saddam, der gerade mit einem Panzer „zieht“ und damit
die Partie eröffnet. Eingekleidet in ein Spiel, zeigt diese drei Jahre nach dem
Zweiten Golfkrieg entstandene Karikatur den Versuch der westlichen Nationen,
die militärische Macht Saddams unter Kontrolle zu bringen. Wieder ist der
Ausgang des Spiels noch offen.
BARBARA HENNIGER benutzt ebenfalls das Schachspiel als Allegorie in ihrer im
Mai 1995 erscheinenden Darstellung eines recht verlotterten Karadzic beim
Spiel mit einem Vertreter der NATO (Abb. 150). Den Raketen als Spielsteinen
der NATO stehen Moscheen und Menschen gegenüber, die Karadzic ins Feld
führt. Nur aus diesem Kontrast bezieht die Karikatur ihre Wirkung; ein
konkreter Stand der Partie ist nicht dargestellt. Der „Material“-Gegensatz läßt
174
anklingen, daß der eine Menschen „verheizt“, während der andere mit
technischen Mitteln kämpft - eine Implikation, die verschleiert, daß die Waffen
immer von Menschen benutzt werden, und Menschen ihre Ziele sind.
Karadzic wird - gemeinsam mit Mladic - in einer Karikatur vom November
1995 selbst zur Spielfigur und sogar zum Bauern, dem das klassische Schicksal
des Geopfert-Werdens widerfahren wird (Abb. 151). Der Spieler, dessen Zügen
die beiden ausgeliefert sind, ist Miloševic. Eine Gegenpartei ist nicht dargestellt.
Das Schachbrett wird zum Terrain, auf dem Miloševic sein Spiel mit anderen
„Kollegen“ treibt. Drei Monate später, im Februar 1996, veröffentlicht BÖHLE
eine Karikatur mit dem gleichen Bild (Abb. 152): Miloševic ist im Begriff, mit
Karadzic und Mladic ein Bauernopfer zu bringen.
Neben der Figur des taktischen Spielers sieht man in Karikaturen auch Saddam,
wie er „sein Spiel treibt“ - entweder mit gefährlichen Waffen, so in einer
Zeichnung von ROLF-DIETER WUTHE vom Juli 1991 (Abb. 153), mit
Staatsmännern des anderen Lagers, nämlich mit Bush und seinem Nachfolger
Clinton in einer Karikatur aus Le Monde (signiert: PANCHO) vom Juli 1992
(Abb. 154) oder mit der ganzen Welt, wie LURIE es in dem Bild vom russischen
Roulette spielenden Saddam im März 1992 darstellt (Abb. 155). Sehr beliebt bei
den Karikaturisten ist auch die Variante „Katz- und Mausspiel“, wobei die
Rollen wechseln. In HAITZINGERs Blatt vom Juli 1991 ist Saddam die Maus und
Uncle Sam die Katze (Abb. 156), während in einer Karikatur von LUFF
(Pseudonym für ROLF HENN) vom September 1991 Saddam als Katze mit der
Maus spielt, deren Part die UNO innehat (Abb. 157). Doch die USA (in Gestalt
ihres Wappentiers) gehen daran, sein Treiben zu beenden. Die Vereinten
Nationen erhalten in Katz- und Maus-Karikaturen einen festen Platz: Auch in
„Zerrbildern“ der Konflikte in den neuen, ehemals jugoslawischen Staaten, ist
die UNO als Maus dem spielerischen Vergnügen der „Katze“ Karadzic
ausgesetzt. So sieht BÖHLE die Situation in einer Karikatur vom Juni 1995 (Abb.
158) und einen Monat später auch ERNST HEIDEMANN (Abb. 159).
Entgegen der gewohnten Auffassung gibt es auch Karikaturen, in denen die
Katze diejenige ist, der übel „mitgespielt“ wird. In BURKHARD MOHRs
Darstellung vom März 1992 vergnügt sich Saddam als Maus mit der UNO (Abb.
160), und sechs Tage später erscheint eine Karikatur von WOLTER, die eine
„Verkehrte Welt“ mit der gleichen Rollenverteilung anlegt (Abb. 161).
In die Motivreihe des „Spiele-Treiben“ gehören ebenfalls Karikaturen, in denen
der politische Gegner „an der Nase herumgeführt“ wird, ihm „auf der Nase
175
getanzt“ oder ihm eine „lange Nase“ gezeigt wird. Diese Bilder tauchen immer
wieder in den Karikaturen auf, wenn das Verhältnis des irakischen Präsidenten
Saddam oder das der Serben Miloševic und Karadzic zur UNO aufgegriffen
wird. Statt Beispiele für Variationen dieses Themas anzuführen, verweise ich an
dieser Stelle darauf, daß es seit dem Zweiten Golfkrieg eine Fülle von
Karikaturen gibt, die kriegerische Konflikte, in denen die UNO involviert ist, in
Form derartiger „Spielchen“ darstellen. Sie haben allerdings kaum noch etwas
mit taktischem Vermögen und Intelligenz zu tun, sind dafür eher Ausdruck eines
despotischen Verhaltens, wie es oft in Saddam-Karikaturen betont wird.
Mit dem Ausbrechen des Ersten Golfkriegs 1979 rückt der Nahe Osten verstärkt
in das Interesse westlicher Nationen und auch ihrer Karikaturisten. Die
Wortgleichheit zwischen der Bezeichnung des Konfliktgebiets als Golfregion
und des im Westen vornehmlich von Angehörigen der „upper class“
praktizierten Golfspiels veranlaßt die Karikaturisten dazu, entsprechende
Wort“spielereien“ graphisch zu fassen. Der britische Karikaturist MAC
(Pseudonym für STAN MACMURTY) inszeniert in einer Karikatur vom April
1991 in der Daily Mail diesen Sachverhalt des Homonyms: Während der
amerikanische Präsident bei strahlendem Sonnenschein seinem Freizeitsport
Golf nachgeht, wird in der Golfregion ganz anderes „eingelocht“ (Abb. 162).
Bei der Darstellung des Golfspiels wechseln in den Karikaturen sowohl die
Spieler als auch die Golfbälle. Es spielen im Ersten Golfkrieg zumeist eine
Personifizierung des Iraks (Saddam war noch kein Feindbild) und der iranische
Revolutionsführer Khomeini - so in einer Zeichnung von PETER BENSCH vom
September 1980 (Abb. 163). Bomben sind die bevorzugten Bälle der
Karikaturisten, aber auch die Erdkugel dient als Golfball. LEGER läßt in einer
Karikatur vom Juli 1982 den Kriegsgott Mars selbst als Golfspieler auftreten,
der bemüht ist, die Erdkugel in die Weltkrise einzulochen (Abb. 164). Im
Zweiten Golfkrieg ist Saddam als derjenige dargestellt, der mit der Welt spielt so von BÖHLE in einer Zeichnung vom August 1990 (Abb. 165). Die Golfpartie
wird nun von Saddam und Bush bestritten. Eine Karikatur des Amerikaners
JEFFREY KENNETH MACNELLY vom August 1990 aus der International Herald
Tribune ist ausführlicher angelegt. MACNELLY führt die Analogie der Begriffe
vor Augen, indem er Bush das Kriegsgebiet wie einen Golfplatz sehen läßt (Abb.
166). Auch bei diesem Spiel wird der Tod selbst zum Spieler: LEGER bringt ihn
in einer Karikatur vom Januar 1991 ins (Golf-)Spiel (Abb. 167).
176
Die Tradition des Golfspiel-Motivs ist naturgemäß kürzer als die der anderen
Archetypen, findet aber dafür in den Karikaturen umso häufiger Verwendung
bei der Darstellung von Krisen und Kriegen im Nahen Osten. Überhaupt
rekrutieren die Karikaturisten die Feindbilder seit Ende des Kalten Krieges
zunehmend aus dieser Region; es läßt sich von einem neuen Feindbild „Süd“
sprechen.
Exkurs 6: Nach dem Kalten Krieg: Das Feindbild „Süd“
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Aufbrechen des Ostblocks
ist gleichzeitig der Systemgegensatz östliche versus westliche Welt hinfällig,
und der Kalte Krieg ist damit an sein Ende gelangt. Der Sieg des Kapitalismus
über die kommunistische Ideologie und Hegemonie bringt jedoch ein Vakuum
mit sich. Die frühere ideologische Feindschaft diente schließlich auch der
eigenen Identifikation. Nicht zuletzt die Militäre der einzelnen Länder und ihr
Verbund, die NATO, stürzen in eine Sinn- und Legitimationskrise, die sich auch
im Verteidigungsbudget auszuwirken droht.504 Unweigerlich bedarf es eines
neuen Feindbildes, um die entstandene Leere zu füllen. Es gilt, neue
Bedrohungsgefühle in der Bevölkerung der industrialisierten Welt zu schaffen
und zu begründen.
Die Rolle, die im Kalten Krieg der Osten für den Westen spielte, wird nun dem
Süden zugewiesen. Durch diesen Feindbildwandel wird der Ost-West-Konflikt
endgültig von dem Nord-Süd-Konflikt abgelöst, wobei der Begriff „Norden“ für
die Industrieländer steht, die eine gemeinsame Position im Hinblick auf die
Dritte Welt bilden.505 Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten
werden zu den neuen Sicherheitsproblemen der „Ersten Welt“. Neu ist der
ängstliche Blick gen Süden nicht. Die territorialen, ethnischen und ökonomischen Konflikte in der sogenannten „Dritten Welt“ und vor allem im Nahen
504
505
Vgl.: Stork, Joe: Neue Feindbilder für eine neue Weltordnung. In: Dritte Welt und Islam.
Neue Feindbilder nach dem Kalten Krieg? Kongreß des Instituts für Internationale
Politik, Wuppertal und Buntstift e.V. v. 14.9.1991 in der Alten Feuerwache in Köln.
(Arbeitspapier des Instituts für Internationale Politik, Nr. 15, Januar 1992), S. 21-29;
hier: S. 21-23.
Vgl.: Matthies, Volker: Neues Feindbild Dritte Welt. Verschärft sich der Nord-SüdKonflikt? In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament,
B 25-26/91 v. 14.6.1991, S. 3-11 (im folgenden: Matthies 1991); hier: S. 6.
177
Osten beschäftigen schon seit längerer Zeit den Westen. Der amerikanische
Präsident Carter (von 1977 bis 1981) hatte die Region zum Interessengebiet der
USA erklärt. Betrachtet man die kriegerischen Konflikte in den
„unterentwickelten“ Ländern seit 1945, so wird deutlich, daß diese
„Stellvertreterkriege“, die ihrerseits Produkt des Ost-West-Konflikts waren, von
den Supermächten mißtrauisch beachtet wurden. Auf der Suche nach einer
neuen militärischen und ideologischen Mission wird nun dieser Argwohn und
diese Feindschaft kultiviert (wir werden sehen, daß die Karikatur daran
mitwirkt). Sowohl die arabischen und iranischen Staatsmänner als auch die
islamische Kultur überhaupt werden vom Westen ins Visier genommen. 506
Der durch die Invasion irakischer Truppen in Kuwait ausgelöste Zweite
Golfkrieg schließt die Feindbild-Lücke perfekt. In dieser konkreten kriegerischen Auseinandersetzung begegnet der Norden dem Süden einerseits mit dem
Instrument der UNO und andererseits mit militärischem Eingreifen (der
Supermacht USA, der sich später alliierte arabische und europäische Truppen
anschließen). Zu diesem Zweck werden von der amerikanischen Regierung
innerhalb ihrer Streitkräfte eigens ein „Flexibles Einsatzkommando“ und von
der NATO multinationale mobile Einheiten geschaffen, um eine prompte
militärische Intervention in den Ländern der Dritten Welt gewährleisten zu
können.507 Die nunmehr einzige Supermacht, die USA, begreift sich in ihrem
Konzept der „Neuen Weltordnung“ (ein Terminus, den George Bush nach dem
Zweiten Golfkrieg einführte, und der die Ablösung der Nachkriegsordnung auf
sprachlicher Ebene markiert) als Garant globaler Sicherheit. Das Bild des
„Weltpolizisten“ wird dabei propagiert. Dieser „Ordnungsmacht“ USA steht im
Zweiten Golfkrieg die „Chaosmacht“ Irak gegenüber. Der Nord-Süd-Konflikt,
dessen Ausdruck der Kuwait-Krieg ist, läßt sich somit als „Weltordnungskonflikt“ sehen (tatsächlich handelt es sich um einen Ressourcenkonflikt).508 Die
Expansions-Versuche der ehrgeizigen Lokalmacht Irak werden von dem
„Ordnungshüter“ USA in ihre Schranken gewiesen, der bei dieser Gelegenheit
seine hochgerüstete Waffentechnologie in einem „high-tech-Krieg“ einsetzt. Der
Zweite Golfkrieg führt die moderne Form des Krieges mit den sogenannten
506
507
508
178
„Nicht zufällig ist die erste militärische Auseinandersetzung innerhalb der neuen Weltordnung eine Konfrontation zwischen Nord und Süd.“ Dippe, Karen / Herzog, Roman:
Die Auswirkungen der Veränderungen in Osteuropa auf den „Nord-Süd-Konflikt“. In:
Peripherie, Jg. 11, 1991, Nr. 41, S. 25-49 (im folgenden: Dippe/Herzog 1991); hier: S.
26.
Vgl.: Dippe/Herzog 1991, S. 35.
Matthies 1991, S. 6.
„chirurgisch“ präzisen Angriffen vor Augen. Der auf Computerbildschirmen
gesteuerte Krieg, der das Töten von Menschen bedeutet, unterscheidet sich in
der Wahrnehmung kaum noch von Computersimulationen und -spielen.
Erneut ist die Welt zweigeteilt, diesmal nicht in ein kapitalistisches und in ein
kommunistisches Lager, sondern in ein okzidentales und ein orientales. Bezugspunkt der Zuordnung ist wieder ein (konstruiert) ideologischer: Der westlichen
„Wertegemeinschaft“ steht die islamische Welt gegenüber. Der Islam wird als
Antithese zu den aufgeklärten Werten des Nordens begriffen. Die ideologische
Polarität fußt einerseits auf dem Verständnis von Aufklärung als ureigener
europäischer, okzidentaler bzw. „westlicher“ Angelegenheit und andererseits auf
der Konstruktion eines gegen-zivilisatorischen Orients. Die islamische Welt als
Gegen-Moderne verkörpert in der Wahrnehmung des Nordens das diametrale
Gegenbild des Westens.
Die Auffassung vom Orient war nicht immer so herablassend wie heute. In dem
Bemühen, der eigenen politischen Realität ein Gegenbild zu formulieren, wurde
im 18. Jahrhundert der Orient verklärt als ein „Arkadien“ der Philosophie und
des aufklärerischen Gedankentums, als Ort, an dem die Sapientia gepflegt
werde. Diese Konstruktion gab der Antithese zum absolutistischen Staat einen
geographischen Raum. Dabei handelte es sich um eine reine Fiktion, eine
Kopfgeburt, die mehr über die Sehnsüchte der Europäer aussagte als über den
Orient selbst. Die tatsächlichen Verhältnisse nahöstlicher Gesellschaften waren
den Aufklärern weitgehend unbekannt und hatten mit dem von ihnen
entworfenen Bild nichts gemein.509 Die Erfahrung, daß dem so ist, wurde mit der
ökonomischen und politischen Expansion des Westens in den Nahen Osten
gemacht und zog eine radikale Ernüchterung der Reisenden nach sich. Die
beobachtete Wirklichkeit war ein Abbild der eigenen Verhältnisse der sozialen
Gegebenheiten; hier wie dort gab es große gesellschaftliche Kontraste und
Elend.510
Der Orient, wie er nun vorgefunden wurde, nämlich arm und bar jeglichen
zivilisatorischen Nimbus, konnte nicht mit dem Bild, das man zuvor von ihm
509
510
Vgl.: Schulze, Reinhard: Vom Anti-Kommunismus zum Anti-Islamismus. Der KuwaitKrieg als Fortschreibung des Ost-West-Konfliktes. In: Peripherie, Jg. 11, 1991, Nr. 41, S.
5-12 (im folgenden: Schulze 1991); hier: S. 7f.
„Was sie sahen, war im Grunde das gleiche wie in ihren europäischen Heimatländern: die
gleiche Armut in Alexandria wie in London, das selbe Elend in Damaskus wie in Paris,
die gleichen Krankheiten und Epidemien in Kairo wie in Hamburg. Das Land war verarmt, in der französischen Provinz wie im Erzgebirge und in Irak.“ Schulze 1991, S. 8.
179
gepflegt hatte, in Einklang gebracht werden. Dieser Umstand wurde so gedeutet,
daß der „wahre“ Orient, einst tatsächlich existent, nun verlorengegangen sei eine untergegangene Hochkultur.511 Als Erklärung dafür zog man den Islam
heran. Er sei Anlaß für diese Entwicklung, er sei zur Grundlage der orientalischen Gesellschaften avanciert. In seinem Fahrwasser sei eine Mentalität
entstanden, die durch Fanatismus, Fatalismus und Despotie gekennzeichnet sei.
Diese Charakteristika verschmelzen in der Folge mit den Begriffen "Orient" und
"Islam", so daß die Termini nur noch paarweise genannt (und gedacht) werden.
Der Topos von der orientalischen Despotie und vom arabischen Fanatismus wird
zum Gemeingut. Insofern hat die europäische Welt bereits im 19. Jahrhundert
einen Gegenpol, der der Selbstdefinition dient. Man ist das, was die „andere“
Welt nicht vorzuweisen hatte. Während die Völker des Orients als willkürlich,
emotionsgeleitet, aggressiv, menschen-verachtend und unberechenbar hingestellt werden, betrachtet man sich selbst als das Gegenteil: verstandgeleitet,
aufgeklärt, modern, durch einen Rechtsstaat verbindlich nachvollziehbar. Der
Orient als Antithese zum Okzident ist total, weil man dem Orient ein ihm
eigenes und unabänderliches „Wesen“ unterstellt, das nie mit dem „Wesen“ der
aufgeklärten Welt vereinbar ist.512
Schon lange vor der Ost-West-Polarität verfügten die industrialisierten Länder
also über ein Gegenbild. Der entworfene Nord-Süd-Gegensatz ist bereits über
hundert Jahre präsent, bis er nach dem Wegfall der Antithese Kommunismus
aktiviert wird. Das gar nicht so neue Feindbild „Süd“ besitzt jedoch eine neue
Qualität: Der Nord-Süd-Gegensatz ist radikaler als sein Vorgänger, der OstWest-Konflikt, „da in der Behandlung islamischer Gesellschaften noch nicht
einmal zwischen Ideologie und Volk unterschieden wird, wie es im Kalten Krieg
noch üblich war.“513 Es handelt sich nicht um einen Gegensatz von Systemen,
sondern von „Mentalitäten“. Das Feindbild „Süd“ umfaßt eine heikle Kombination verschiedener Topoi: Elemente wie Religion, Werte, Klischees vom
Orient und seiner „Mentalität“ paaren sich mit Ängsten westlicher
Gesellschaften vor Terrorismus und Niedergang der Prosperität. Ein Bild wird
beschworen, daß in Zukunft ein Krieg denkbar ist, den „der“ Süden gegen „den“
511
512
513
180
Vgl.: Schulze 1991, S. 8.
„Letztendlich gelingt es dank einer solchen Projektion, die Negativität der eigenen Kultur
(sei es die Duldung von Armut, die Nichtwahrnehmung sozialer Ungleichheit, die massiv
psychische Erkrankung und Verelendung der Menschen oder die Aufhebung der sozialen
und kulturellen Autonomie der Gesellschaften) als unerkennbar und unbedeutend
herabzuwürdigen.“ Schulze 1991, S. 9.
Schulze 1991, S. 12.
Norden führt. Einzelne Aggressoren aus der arabischen und der „Dritten Welt“
werden als „Sprecher“ der kriegsbereiten südlichen Halbkugel aufgefaßt, die
großmachtlüstern auch die nördliche Halbkugel bedrohen. Terroranschläge in
Westeuropa gelten als ihre Exponenten. Außerdem ist von einem zu befürchtenden „Strom“ von Flüchtlingen aus den Entwicklungsländern in Richtung
Europa die Rede, der nicht nur den europäischen Kontinent „überschwemmt“
und „überfremdet“, die Errungenschaften der europäischen Zivilisation und die
kulturelle Identität gefährdet, sondern der in seinem Fahrwasser auch Extremismus und Subversion mitführt.
Die mehr oder weniger diffusen Bedrohungsvorstellungen gründen auf
orientalisch und islamisch wahrgenommenen „Merkmalen“. Spätestens seit dem
Zweiten Golfkrieg mit dem Aggressor Saddam Hussein ist in den Augen der
westlichen Welt der potentielle Feind der muslimische Araber. Dabei läßt sich
das „Reich des Bösen“ nicht genau lokalisieren. Vom Irak bis nach ExJugoslawien scheinen die „islamischen“ Bestrebungen und die Gefahr, die von
ihnen ausgeht, unkalkulierbar. Entsprechend sind nicht nur Araber Gegenstand
des Feindbilds „Süd“: Feindbilder, die anläßlich des Bürgerkriegs auf dem
Balkan entstanden (personifiziert in Miloševic, Karadzic und Mladic) sind kein
neues Feindbild „Ost“, sondern eine andere Ausprägung des Feindbilds „Süd“.
Die Gefahr, die diese Feinde mit sich bringen, hat die gleichen „orientalischen“
Charakteristika Despotie, Willkür, Unberechenbarkeit und bestialische
Menschenverachtung.
Bei den „neuen“ Feindbildern - ob Iraner, Iraker, Serben, Bosnier oder
Tschetschenen - geht es um Identitäten. Beispielhaft ist die Entwicklung nationaler Identitäten als Folge der Auflösung des Vielvölkerstaates Sowjetunion.
Mit dem Wegfall des identitätsstiftenden Überbaus kam die Besinnung auf
ethnische Ursprünge. Dieser Prozeß ist nicht nur bei den ehemals sowjetischen
Völkern zu beobachten, sondern auch in den nahöstlichen Gesellschaften, wo
sich islamische politische Rechte gegen die von ihnen als materialistisch
gedeutete Kultur des Nordens wenden und sich von dessen Dekadenz und
Wertelosigkeit absetzen wollen, indem sie ihre eigene Kultur zum Gegenstück
ausbauen. Die Konzentration auf religiöse Wurzeln ist ein Bestreben, durch
diese „eigenen“ kulturellen Wurzeln sich selbst zu definieren, der „eigenen“
Nation oder dem „eigenen“ Volk ein einheitsspendendes Fundament zu geben
und so politisch zu erstarken. In dem fälschlich so bezeichneten „Fundamentalismus“ werden Phänomene wie Pluralismus, Gleichberechtigung und
Partizipation zurückgedrängt, weil sie als westlicher Einfluß verkannt werden.
181
Statt dessen werden vorgeblich auf dem Islam fußende religiöse Reglementierungen propagiert.514 Zwar ist diese Strömung - aller Darstellung im
Norden zum Trotz - die Position einer Minderheit, dennoch ist sie Ausdruck
einer weltweiten Tendenz der Suche nach Identifikationsmomenten.
Bedrohungsängste konkretisieren sich, wenn beispielsweise der amerikanische
Politologe und Leiter des Harvard-Instituts für Strategische Studien, SAMUEL P.
HUNTINGTON, ein Szenario des „Clash of Civilisations“515 entwirft und damit vor
einem großen Krieg der Kulturen warnt. HUNTINGTON hält es für bedenklich
davon auszugehen, andere Kulturkreise würden im wesentlichen die Werte der
westlichen Gesellschaften teilen. Er betont die Inkompatibilität der Wertvorstellungen:
„Jemand kann Rap hören und zwischen zwei Verbeugungen in Richtung
Mekka an einer Bombe basteln, mit der er in der nächsten Minute ein
amerikanisches Flugzeug in die Luft jagt.“516
Die strikte Unterscheidung, die er zwischen westlicher und z.B. arabischer
Kultur trifft, impliziert einen unüberbrückbaren Gegensatz. Eine Auffassung, die
dem Feindbild „Süd“ entspricht. Seine Terminologie zeigt, daß die Bedrohungsängste verinnerlicht sind. Hier finden wir ein Konglomerat von Feindbildern,
wie es typisch ist für die Auffassungen vom Orient und Islam: Islam,
Terrorismus und das potentielle Angriffsziel, nämlich der Norden, werden
miteinander kombiniert. Die These HUNTINGTONs lautet, daß die Identitätssuche
südlicher (und östlicher) Völker in der Zukunft zu Kriegen führen wird. Von den
Völkern des Orients und des Balkans und überhaupt von ethnischen
Gruppierungen auf der ganzen Welt wird demnach geradezu erwartet, daß sie
den Norden, die „zivilisierte“ Welt, in kriegerische Auseinandersetzungen
verstricken werden. Solche Modelle sind genau der Stoff, aus dem das Feindbild
„Süd“ gestrickt ist.
Das Beispiel HUNTINGTON zeigt, daß es heute (auch in der Wissenschaft)
verstärkt Bemühungen gibt, auf kultureller Ebene Typologisierungen zu
schaffen. Die Betonung ethnischer, religiöser und mentalitätsgeschichtlicher
Divergenz entspringt einem Bedürfnis nach Unterscheidung. Es geht dabei
514
515
516
182
Vgl.: Schulze 1991, S. 11.
Vgl.: Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilisations? In: Foreign Affairs, Jg. 72,
1993, Nr. 3 (Summer), S. 22-49.
Huntington, Samuel P. in einem Interview mit Mariam Niroumand. In: die tageszeitung
v. 23.12.1996, S. 19.
darum, Grenzen zu ziehen, Innen und Außen festzulegen, um sich so selbst zu
definieren.
„Im Mittelalter wurde Innen und Außen zentral über ´Religion´ reguliert;
in der Zeit des Industrialismus und Kolonialismus trat ´Rasse´ als
Unterscheidungskriterium in den Vordergrund; das 19. Jahrhundert bildete
mit ´Volk/Nation´ wieder eine neue Semantik zur Behandlung von
Differenz von Innen und Außen aus, die auf einer positiven Bestimmung
der Gesellschaft beruht; und die modernen Sozialstaaten am Ende des 20.
Jahrhunderts stellen derzeit ihren kategorialen Apparat, mit dem sie
versuchen, mit der Differenz umzugehen und das Eigene vom Fremden zu
unterscheiden, erneut um auf ´Kultur´.“517
Seine Gegenbewegung findet die Tendenz der Trennung von Kulturen im
„Multikulturalismus“, der vor lauter Kulturrelativismus sämtliche ethnischen
und/oder religiösen Lebensformen als gerechtfertigt und für (vom besserwisserischen Westen) unantastbar erklärt. Dieser Kulturrelativismus birgt die
Gefahr, menschenverachtende Politik als kulturelle Eigenständigkeit zu
legitimieren und ihr somit einen „Freifahrschein“ auszustellen. Er nimmt in
Kauf, daß auch an unterdrückerische, lebensfeindliche und anachronistische
Traditionen keine Maßstäbe mehr angelegt werden. Universelle Werte (wie
beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Unversehrtheit der
Person oder auf Gleichberechtigung der Frauen) spielen dabei keine Rolle mehr.
So sehr man auch die Betonung „anderer Mentalitäten“ als das erkennen muß,
was sie ist, nämlich als Feinddenken, und so sehr man auch darauf hinweisen
muß, daß Karikaturisten häufig diesem Denken unterliegen und damit keine
Aufklärung betreiben, darf es doch nicht dazu kommen, daß Despotie und
Verbrechen nicht mehr in Karikaturen benannt werden - vielmehr sollte das in
einer Weise geschehen, die dem Rezipienten Einsichten in die tatsächlichen
Verhältnisse vermitteln und ihn dadurch auch zum Protest gegen unmenschliche
Politik veranlassen, statt plakativ Feindbilder zu schüren und auf emotionaler
statt auf rationaler Basis die Betrachter anzusprechen. Denn das ist nichts
anderes als Propaganda. Aufklärung aber hat einen ganz anderen Anspruch.
************************
517
Radtke, Frank-Olaf: Lob der Gleichgültigkeit. Zur Konstruktion des Fremden im
Multikulturalismus. In: Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der Alten Welt?
Hrsg. v. Uli Bielefeld (Schriftenreihe des Hamburger Instituts für Sozialforschung).
Hamburg 1991, S. 79-96; hier: S. 80.
183
3.9
Orientalismen in der Karikatur
Auch in Karikaturen drücken sich die Bedrohungsängste und das „IslamSyndrom“ aus. Verstärkt seit der iranischen Revolution, seitdem der Nahe Osten
stärkere Aufmerksamkeit im Westen erlangt hat, werden in den Karikaturen
Klischees vom „Orientalen“ präsentiert, denen das Feindbild „Süd“ zugrunde
liegt. Stereotype, die zunächst harmlos anmuten (beispielsweise die Verwendung von Märchenmotiven, um den Ort der „Handlung“ zu bestimmen)
entpuppen sich bei genauerer Untersuchung als Typisierungen, die einen Feind
aufbauen. Die Klischees sind nicht nur orientalische Kostümierung der
Karikierten. Aus der typisierenden Darstellung von Repräsentanten arabischer
oder islamischer Gesellschaften und Regime wird durch Assoziationen mit
Rückständigkeit, Unzivilisiertheit, Barbarei, Despotie und Terrorismus ein
konkretes Feindbild.
Die Karikaturisten bemühen immer wieder Bildelemente, die aus dem Märchen
„1001 Nacht“ bezogen werden. Allen voran der fliegende Teppich befördert die
Staatsmänner der islamischen Welt. CERNYs „Über den Dächern von Bagdad“
vom Juli 1982 ist ein Beispiel aus einer Vielzahl von Karikaturen mit diesem
Motiv (Abb. 168). Auch im Zweiten Golfkrieg ist der fliegende Teppich bei den
Karikaturisten beliebt. Der Zeichner RULLE zieht in einer Karikatur vom Februar
1991 Saddam den Teppich weg (Abb. 169). Wiederum eine andere Funktion gibt
HEIDEMANN dem Teppich in einer Karikatur vom August 1979: Hier ist er
Gebetsteppich, auf dem sich ein Moslem vor einem Maschinengewehr verbeugt
(Abb. 170). Der Untertitel „Der neue Götze“ setzt den Islam mit primitiver
Kultur gleich, denn Heiden beten Götzen an, Gläubige „zivilisierter“ Religionen
beten zu Gott. Gleichzeitig werden Muslime als Fanatiker diffamiert. Ihr
Verhältnis zu Waffen und damit zu Gewalt wird als ein religiöses dargestellt. In
einer späteren Karikatur von HEIDEMANN, die im August 1992 veröffentlicht
wird, wird das zivilisatorische Gefälle durch die Gegenüberstellung von hightech-(USA-)Bomber und orientalischer Rückständigkeit durch den Teppich
ausgedrückt (Abb. 171).
Ein weiteres, der orientalischen Märchenwelt entliehenes Motiv ist das des
Flaschengeistes. Während eine Karikatur HAITZINGERs von 1973 Gaddafis
Innenpolitik in diese Form kleidet (Abb. 172), nutzt CERNY in einer Karikatur
vom Januar 1989 dieses Bild zur Veranschaulichung von Gaddafis Außenpolitik
(Abb. 173). Auch Saddam findet unzählige Male Verwendung als Flaschengeist.
Eine Karikatur BÖHLEs vom Januar 1991 (Abb. 174), die Saddam als ätherischen
Geist darstellt und eine zeitgleiche von JÜRGEN TOMICEK, in der Saddam
184
allerdings recht handfest und noch dazu schwer bewaffnet zu sehen ist inclusive teppichfliegendem DM-Maskottchen (Abb. 175) - sind Beispiele aus
der Zeit des Zweiten Golfkrieges.
Die Verwendung dieser märchenhaften Bildformeln mitsamt dem, womit sie
inhaltlich belegt sind (der mächtige und gefährliche, vor allem aber
unkontrollierbare Flaschengeist), ist nicht gerade geeignet, politische Prozesse in
ferneren Ländern transparent für den bundesrepublikanischen Betrachter zu
machen, sondern ist eine Kultur-Typologisierung, althergebrachte Klischees
aufgreifend und sich auf deren Wirkung verlassend.
Nicht nur Märchen-Bestandteile sind in den Karikaturen Stellvertreter der
fremden Kultur. Versatzstücke aus der scheinbaren orientalischen Lebenswelt
sind gleichermaßen die Wasserpfeife, das Kamel und der Bazar. Dominant
jedoch ist das islamische Schwert in Karikaturen, die sich auf das Geschehen im
Nahen Osten beziehen. In verschiedener Weise wird der Westen durch dieses
Schwert bedroht. Mal wird es gewetzt, um die es nicht wahrhaben wollenden
westlichen Industrienationen abzuschlachten - so in einer Karikatur LURIEs vom
April 1980 (Abb. 176) -, mal wird die Versorgung der Welt mit Öl, die in der
Analogie so lebensnotwendig ist wie die Infusion für einen Patienten, mit dem
Schwert gekappt - wie in einer Karikatur PEPSCHs vom September 1980 (Abb.
177). In Darstellungen der iranischen und irakischen Führung ist das Schwert
allgegenwärtig. PEPSCH stellt im März 1980 die politische Führung ebenso mit
dem Schwert in der Hand dar (Abb. 178), wie BEHRENDT im Juli 1982 (Abb.
179). Ebenfalls bedient sich BÖHLE im Februar 1986 dieser Metaphorik (Abb.
180). Im Februar 1991 zeichnet HAITZINGER dieses Motiv (Abb. 181), im
Oktober 1994 PIELERT (Abb. 182) und der Mönchengladbacher Karikaturist NIK
EBERT im Juni 1989 (Abb. 183) und August 1995 (Abb. 184) - um nur eine
unvollständige Ikonographie zu geben.
Das Bild des säbelschwingenden Fundamentalisten ist derart gebräuchlich, daß
sich wohl niemand davon frei machen kann, beim Stichwort Islam an einen
geifernden Despoten mit Schwert in der Hand zu denken. „Der“ Araber wird
vornehmlich, dem herrschenden Leitbild entsprechend, als kriegerisch gezeichnet. In den Karikaturen sehen wir ihn „als rachedurstigen, bärtigen
Unruhestifter und Bösewicht mit buschigen Augenbrauen und sehr niedriger
Stirne oder aber als einen konservativen, abergläubigen Koranleser“518. „Der“
Araber ist in den Karikaturen in einer Weise präsent, die ihm die Fähigkeit zur
518
Auer 1966, S. 16.
185
Selbstregulierung abspricht. Eine Verallgemeinerung und eine Reduzierung
finden zugleich statt. Der Karikaturist verallgemeinert das aggressive Verhalten
einzelner Aggressoren und reduziert die Vielschichtigkeit und den Pluralismus
der Bevölkerung islamischer Länder auf religiöses Eifertum.
Gerade die Religion liefert den Karikaturisten Stoff für ihre Bilder vom Orient.
Unter dem Stichwort „Fundamentalismus“ wird sowohl der Islam als auch die
Politik, die Kultur und die Alltagswelt nahöstlicher Kulturen zusammengefaßt.
Der Begriff wird zum Synonym für Fanatismus und Chaos und schließlich für
Orient überhaupt. Orientalische und/oder religiöse Ausdrucksformen werden in
den Karikaturen zum Sinnbild dessen, was aus westlicher Wahrnehmung
Fundamentalismus ist. Es fällt auf, daß Araber in Karikaturen häufig als einfältige Muslime, deren Religion sie als Dummköpfe kennzeichnet, abgestempelt
werden. Dieses ausgeprägte Klischee findet sich seit der iranischen Revolution
bis zum Zweiten Golfkrieg. Karikaturen WOLTERs vom Februar 1979 (Abb. 185)
und vom Juli 1982 (Abb. 186) sind Beispiele dieser Tendenz, ebenso ein Blatt in
den Badische Neueste Nachrichten vom September 1980 (Abb. 187). Eine
Karikatur, die von HANEL im August 1980 zeichnet, zeigt den gleichen Tenor
(Abb. 188), und auch HAITZINGER schlägt mit einer Veröffentlichung vom
September 1980 in die gleiche Kerbe (Abb. 189). Ein weiterer Karikaturist, der
seit den Zeiten der Iranischen Revolution und auch anläßlich des Zweiten
Golfkriegs einen solchen Topos verwendet, ist W OLF mit seinen Arbeiten vom
August 1979 (Abb. 190) und vom März 1991 (Abb. 191).
Nach der Lesart dieser Karikaturen können sich Orientalen nicht mit „unserer“
Intelligenz messen. Die Arroganz der hochtechnisierten Industriegesellschaften,
„sämtliche Völker als moralisch unterlegen und irgendwie tieferstehend auf der
Skala der Menschheitsentwicklung zu betrachten, die nicht über Elektrizität,
Maschinen und ein eigenes Badezimmer verfügten“,519 findet hier ihren
Ausdruck. Die Kulturen des Nahen Ostens scheinen „minderbemittelt“ zu sein
und von da aus ist es nur ein kleiner Schritt, sie auch als minderwertig
einzustufen - ein Rassismus, der Feindbilder vorbereitet und Hemmungen,
militärisch zu intervenieren („aufzuräumen“), reduziert.
519
186
Keen 1986/1987, S. 42.
3.10 Der Feind als Fanatiker: Wahnsinn und Chaos in der Karikatur
Feindbilder, die den Gegner bis an die Zähne bewaffnet und entsprechend
kriegslüstern darstellen, gab es immer in der Karikatur. Das Feindbild „Süd“
aber scheint die Karikaturisten besonders dazu anzuregen, die feindlichen
Regimeführer wie tollwütige Despoten in Erscheinung treten zu lassen. Der wild
um sich feuernde, alles niedermachende Tyrann ist zum vorherrschenden
Feindbild-Archetypus in der Karikatur der letzten Dekade geworden. Er steht im
Gegensatz zu dem Bild des schachspielenden, taktierenden Feindes. Trotz dieses
Widerspruchs ist dennoch auffallend, daß beide Motivtraditionen nebeneinander
von den Karikaturisten benutzt werden, um die Politik des irakischen und später
auch der serbischen Staatsmänner zu charakterisieren.
Nicht alle tatsächlichen Diktatoren werden in Form des Despoten ins Bild
gerückt (einige lateinamerikanische und pazifische, die zuweilen von den USA
unterstützt werden, sucht man vergebens in diesem Zusammenhang), sondern
vorzugsweise die Repräsentanten islamischer Länder. Der Grund für diese
selektive Wahrnehmung ist offensichtlich: Der Islam wird in unserem
Kulturkreis sowieso als fanatische, den gesunden Menschenverstand außer Acht
lassende Religion angesehen, und es bietet sich an, dieses Image auf die
Staatsführer zu übertragen. Für Muslime und erst recht die mehr oder weniger
diktatorischen Präsidenten islamischer Staaten scheint das Stereotyp des
Fanatikers genau zu passen. Diesen Topos brauchen die Karikaturisten nur
aufzugreifen, und entsprechend der bereits vorhandenen Wahrnehmung im
Norden werden die karikierten Staatsmänner als Chaoten und gefährliche
Wirrköpfe, die außer Kontrolle zu geraten drohen, rezipiert.
Ein frühes Beispiel dieses Archetypus in der Karikatur ist eine Zeichnung, die
BEHRENDT 1975 anfertigt. Das Motiv von MICHELANGELOs „Erschaffung
Adams“ zitierend, stellt BEHRENDT einen schießwütigen Arafat dar, der
versucht, die „zarte“ Annäherung zwischen Saddat und Rabin zu vereiteln. (Abb.
192). Dem zähnefletschenden PLO-Führer entspricht in einer anderen Karikatur
BEHRENDTs von 1981 der auf den Lettern „Iran“ stehende und in alle
Himmelsrichtungen feuernde Khomeini (Abb. 193). Diese Bildformel findet sich
auch in einer Darstellung WALDEMAR MANDZELs vom April 1991, nur ist es
diesmal Saddam, der, mit Maschinengewehren wild hantierend und die
Buchstaben „Irak“ niedertretend, den Gipfel der Aggressivität markiert (Abb.
194).
187
Ebenfalls mit Maschinengewehr und genauso gewaltbereit stellt TOMICEK einen
Somali in einer Zeichnung vom Juli 1993 dar (Abb. 195). Er wählte für dieses
Thema keinen bekannten Staatsführer, der anhand seiner Gesichtszüge zu
identifizieren ist, sondern eine anonyme, die somalische Bevölkerung repräsentierende Figur wird durch die aus Einschußlöchern bestehende Schrift an der
Wand ausgewiesen. Der mit ausgesprochen „negroider“ Physiognomie
ausgestattete Somali empfängt auf diese Weise einen UN-Soldaten. TOMICEK
läßt keinen Zweifel, wie die humanitäre Hilfe, die dieser mitbringt,
aufgenommen wird. Der Somali besitzt dank seiner Waffe eine von Intelligenz
geschiedene Macht. Noch wilder, das Bild vom Kannibalen aufgreifend,
zeichnet TOMICEK die Somalis bereits eine Woche früher: Die zu Hilfe
kommenden UN-Soldaten drohen verspeist zu werden (Abb. 196). Solcherart
Rassismen von unzivilisierten, unbedacht mit Waffen hantierenden und deshalb
gefährlichen, „Wilden“ finden ihre Vorläufer beispielsweise in Karikaturen von
HANS GEISEN aus den 60er Jahren (Abb. 197 und Abb. 198). Auch in jüngerer
Vergangenheit wird der Feind als blindwütiger Irrer präsentiert - so von WOLF
in einer Karikatur vom Juli 1995 (Abb. 199). Diesmal handelt es sich um den
Serbenführer Karadzic, der gegen den Westen amokläuft.
Islamische Despoten werden in Karikaturen auch als geifernde Fanatiker
subsumiert. Wie in einer Art Ahnengalerie werden sie in eine Reihe mit
altbekannten Tyrannen gestellt. Der Fanatismus, die aggressive Haltung und auf
Haß beruhende Politik der Karikierten ist als Antithese zum vernünftigen,
wohlkalkulierenden, auf Werte fußenden Handeln westlicher Politiker zu sehen.
Eindeutig antithetisch ist eine Karikatur BEHRENDTs von 1974, in der die
Atommächte in diesem Sinne einander gegenübergestellt werden (Abb. 200).
Deutlich ist die Differenz im Gebaren der „kultivierten“ Staatschefs (zu denen
hier auch der iranische Schah gehört) und der terrorisierenden Autokraten, die
außer „Rand und Band“ zu sein scheinen. Vor allem BEHRENDT benutzt das
Motiv der Versammlung tobender und wütender Fanatiker immer wieder. Er
vereint in einer Karikatur vom Mai 1983 schwer bewaffnete und wild
entschlossen marschierende Befehlshaber wie Honecker, Castro, Arafat und
Gaddafi in dieser Bildformel (Abb. 201). In seiner Zeichnung vom Dezember
1986 schickt Arafat gemeinsam mit dem syrischen Präsidenten Assad, mit
Khomeini und mit Gaddafi Drohgebärden gen Westen (Abb. 202). Hier
verschmilzt das Feindbild „Süd“ noch mit dem Feindbild „Ost“: Die islamischen
Potentaten tragen mit „CCCP“ signierte Waffen. Im Zweiten Golfkrieg gesellt
sich in einer Zeichnung BEHRENDTs vom Oktober 1990 zu den scheinbar
obligatorischen Arabern auch ein Europäer: der französische Rechtsradikale Le
188
Pen (Abb. 203). Die siegestaumelnden Eiferer, von denen Arafat und Saddam
wie in der Ikonographie von Darstellungen wilder Pferde einen „runden“, irren
Blick haben, strotzen wiederum vor Waffen. Le Pen findet sich wieder bei den
Arabern Arafat, Saddam, und Abu Nidal in einer BEHRENDT-Karikatur vom
Januar 1991 (Abb. 204). Mit dabei sind diesmal Figuren, die anhand der
Schilder, die sie hochhalten, als friedensbewegte Demonstranten zu identifizieren sind und die in dieser Zeichnung BEHRENDTs zu Mitstreitern der
Despoten werden.
Eher geeignet, den Fanatismus zum Ausdruck zu bringen als die bloße
Aneinanderreihung von Tyrannen, die die Hand zum Siegeszeichen erheben, ist
eine frühere Karikatur BEHRENDTs vom September 1990 (Abb. 205). Wir sehen
den Khomeini-Nachfolger Ali Khamenei, Arafat und Saddam, die eine Art
Kriegstanz aufführend ihre Schwerter schwingen. Durch die Schrift auf den
Schwertern (und auf Arafats Pullover) ist ersichtlich, worum es geht: um den
Jihad, den Glaubenskrieg. Alle Schattierungen des Feindbilds „Süd“ sind hier
enthalten: Die Radikalität des religiösen Eifers, die unbedingte Gewaltbereitschaft, die blinde Wut und Arafat als Synonym für Terrorismus. Die drei,
den Heiligen Krieg ausrufenden, Machthaber tragen Schilder, auf denen benannt
ist, gegen wen sich ihr Gebaren richtet. Dabei erfährt der Fanatismus gemäß
(abendländischer) Leserichtung von links nach rechts eine Steigerung, denn
während sich die Aggression Khameneis und Arafats noch gegen eine
bestimmte Zielgruppe richtet, ist der dritte im Bunde (Saddam) gegen alle. Die
wilden Gebärden der drei suggerieren, daß unkontrollierbare Energien kurz vor
der Entladung stehen. Unmittelbarer kann eine Bedrohung kaum noch sein. Der
Betrachter sieht sich und die ganze Welt diesen Irren ausgesetzt. Eine solche
Karikatur kommt dem Ruf danach, solchem Tun Einhalt zu bieten und die
Zivilisation zu verteidigen, gleich. Diese Karikaturen sind eine Form subjektiver
Kriegsvorbereitung durch die Medien.
Die ungezügelte Aggressivität ist in Karikaturen das Kennzeichen nahöstlicher
Führer. Der österreichische Karikaturist DIETER ZEHENTMAYR drückt die Gewalttätigkeit Khomeinis aus, indem er ihn in einer Karikatur von 1989 nur ein
Gebot kennen läßt: „Du sollst töten“ (Abb. 206). Bei TIL (Pseudonym für
GOTTHARD-TILMAN METTE) ist Arafat in einer Karikatur vom September 1993
nicht ganz so monomanisch strukturiert, ist ihm doch auch die Negation des
Gebotes vermittelbar (Abb. 207).
Die Veranschaulichung der Brutalität islamischer Despoten geschieht in
Karikaturen häufig in Form des „Zähne-Zeigens“. Der französische Karikaturist
189
PLANTU (Pseudonym für JEAN PLANTUREUX) läßt ihn in einer Le MondeKarikatur vom Mai 1989 aus dem Fernsehen „bellen“ (Abb. 208) oder in einer
Karikatur vom Februar 1991 bildlich eindeutig umgesetzte Ausdrücke von sich
geben (Abb. 209). Bei HEIDEMANN offenbart sich in einer Darstellung vom
August 1990 Saddams Gebiß als Gefängnis (Abb. 210). In einer Karikatur von
GÜNTER RYSS ist ein Monat später ein zähnebleckender Saddam „Außer Rand
und Band“ (Abb. 211) und in einer im Februar 1991 im Cincinnati Enquire
erscheinenden Karikatur des Amerikaners JIM BORGMAN zerquetscht er die
Friedenstaube (Abb. 212). Sein wahres, zähnefletschendes Gesicht entblößt
Karadzic in einer Karikatur vom Mai 1995 (Abb. 213). Diese Formel steht für
die wahnsinnige Psyche des Feindes. DANZIGER drückt dies in einem im
November 1993 in der International Herald Tribune veröffentlichtem Bild zur
Abwechslung mal nicht mit den Zähnen, sondern mit dem Blick Saddams aus
(Abb. 214). Aufgerufen wird in solchen Karikaturen zum Kampf gegen einen
Wahnsinnigen, wobei außer Acht gelassen wird, daß es Männer, Frauen und
Kinder sind, die dann in der militärischen Intervention tatsächlich bombardiert
werden und unter den Kriegsfolgen zu leiden haben - wie gerade der Zweite
Golfkrieg gezeigt hat, in dem ein Volk (nach Sprachgebrauch der Medien) „ins
Mittelalter zurückgebombt“ wurde.
Die Nähe zum Wahnsinn wird von Karikaturisten auch dadurch hergestellt, daß
sie den Gegner als Einzelkämpfer, als einzelnen Bombenwerfer und Terroristen
darstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob MAULDIN in einer Karikatur für die
Chicago Sun von 1984 Khomeini eine Kanone entzünden läßt (Abb. 215),
HAITZINGER in einer Zeichnung vom Januar 1989 Gaddafi eine Zündschnur in
Brand setzen läßt (Abb. 216), CANDEA im Januar und BRUNS und Februar 1991
Saddam in dieser Situation darstellen (Abb. 217 und Abb. 218), oder ERNST
MARIA LANG Karadzic so wiedergibt (Abb. 219) - der Terror wird von einer
einzelnen Gestalt verkörpert. Auch HANEL läßt Saddam in einer Karikatur vom
Januar 1993 mit einer Bombe hantieren (Abb. 220), und bei einer Zeichnung
DANZIGERs für die International Herald Tribune vom Februar 1991 handelt es
sich um eine Handgranate (Abb. 221). Dieses Bild taucht auch in einer KaradzicKarikatur vom Juli 1995 auf (Abb. 222).
Die islamischen Staatsführer werden mitunter selbst zur Bombe. HAITZINGER
stellt im November 1979 Khomeini dergestalt dar (Abb. 223). In MESTERs
Karikatur vom September 1990 (Abb. 224) und in einem von LURIE im Februar
1991 für den Le Figaro gezeichneten Blatt (Abb. 225) ist Saddam die
Inkarnation der Bombe. Ob mit der Bombe spielend, wie Khomeini in HANELs
190
Karikatur von 1984 (Abb. 226) oder in TOMICEKs Darstellung des Irans vom
August 1996 (Abb. 227), oder ob als Mutter der Bomben520, wie HANEL es in
einer Zeichnung von 1986 zeigt (Abb. 228), die Aggressivität ist immer
Terrorismus (im Unterschied zur Kriegsführung westlicher Nationen). Die
direkte Verbindung zum Terrorismus bringen BEHRENDT 1974 (Abb. 229) und
HANS JOACHIM GERBOTH im Februar 1989 (Abb. 230) zum Ausdruck. Die
Politik islamischer Staatsmänner wird als Terrorismus ausgemacht, das eigene
Bombardieren von Zivilisten (im Zweiten Golfkrieg beispielsweise durch
amerikanische Truppen) ist dagegen legitim. Die Realisierung dieser
Bedrohungswahrnehmung war im Zweiten Golfkrieg zu erleben.
Zu der Vielzahl der Modifikationen von Bomben im Feindbild „Süd“ gehört
auch das Ölfaß als Bombe. Eine Karikatur B ÖHLEs vom Januar 1991 ist ein
Beispiel für dieses Motiv (Abb. 231), das regelmäßig zur Bezeichnung der
Situation im Nahen Osten herangezogen wird. Ölfässer dienen in den
Karikaturen bereits im Ersten Golfkrieg dazu, die „brenzlige“ Lage zu
veranschaulichen. MURSCHETZ verwendet diese Formel in einer Zeichnung vom
September 1980 (Abb. 232) ebenso wie LUFF im Januar 1991 (Abb. 233) und
BAS genau zwei Jahre später (Abb. 234). Bei MANDZEL (Abb. 235 und Abb. 236)
und bei MURSCHETZ (Abb. 237) wird das „Treiben“ des Diktators Saddam zum
(brand-)gefährlichen Spiel. Die Fackel - sonst Sinnbild des Licht-Bringens, der
Erleuchtung - dient hier als Zeichen der Gefahr, die droht, wenn das explosive
Material Feuer fängt. Ungeachtet der Tatsache, daß Saddam sich auch selbst
vernichten würde, riskiert er die Explosion. Eine solche wahnsinnige Person ist
offensichtlich als Fanatiker einzustufen und damit nicht kontrollierbar. Das
Symbol Feuer verstärkt den Charakter des irren Fanatikers.
Das Spiel mit dem Feuer steht in der Tradition des Brandstifter-Archetypus, wie
er bereits im Ersten Weltkrieg vorkommt - so auf einer belgischen Postkarte von
1914 (Abb. 238) und auf dem von FRANK REYNOLDS gestalteten Titelbild der
britischen Zeitschrift The Sketch aus dem selben Jahr (Abb. 239). Sowohl der
Antifaschist HEARTFIELD benutzt dieses Bild 1935 in einer Photomontage (Abb.
240) als auch auf der „Gegenseite“ der Deutsche MAX ESCHLE in einem 1936
entworfenen Plakat (diesmal zur Kennzeichnung des Bolschewismus, Abb. 241).
Bei der Gegenüberstellung eines antibolschewistischen Plakats der Bayrischen
Volkspartei zur Landtagswahl 1919 (Abb. 242) und einer Karikatur des
Österreichers FRANZ BRAZDA (1903-1981) aus dem Spanischen Bürgerkrieg von
520
Man ist an die Propaganda Saddams von der „Mutter aller Kriege“ erinnert.
191
1936/37 (Abb. 243) wird die Analogie mit einer Karikatur von 1982 deutlich, die
Khomeini über einer Landkarte zeigt, die Welt in Brand setzend (Abb. 244).
Auch RYSS´ Saddam-Karikatur vom Januar 1993 steht in dieser Tradition (Abb.
245).
Der Wahnsinn des Fanatikers wird schnell zum Größenwahn. Dieser drückt sich
in BEHRENDTs Karikaturen quantitativ in riesigen Flächen auf der Landkarte aus,
gleichgültig, ob es um arabische Megalomanie geht (Abb. 246) oder um die des
iranischen Revolutionsführers (Abb. 247). Eine prägnantere Darstellung der
Hybris erfolgt mit dem Motiv des Erdballs, den der Despot sich zu eigen macht.
GERBROTH verwendet diesen Topos in einer Karikatur von 1982, in der
Khomeini sich mit dem Globus krönt (Abb. 248). In einer Zeichnung
BEHRENDTs von 1986 läßt Gaddafi die Erdkugel auf seiner Fingerspitze kreisen
(Abb. 249), und in SCHOENFELDs Karikaturen vom Januar 1991 und vom
September 1994 (Abb. 250 und Abb. 251) wollen Saddam bzw. Karadzic die
ganze Welt unterwerfen. Dieses Sujet des Griffs nach der Weltkugel hat
Anklänge an eine Szene der Hitler-Persiflage in dem Chaplin-Film „The Great
Dictator“521. Tatsächlich wurde Hitler 1942 von dem amerikanischen Karikaturisten BORIS ARTZYBASHEFF in entsprechender Manier dargestellt (Abb. 252).
Überhaupt scheint sich den Karikaturisten der Vergleich mit Hitler aufzudrängen, um den Feind zu diffamieren. In sowjetischen Karikaturen der
Nachkriegszeit war diese Analogie Usus. Eine Karikatur aus der Prawda von
1961 läßt die Namen der deutschen Politiker Adenauer, Brandt und Strauß wie
einen Schattenriß des Führers erscheinen (Abb. 253), wobei der Regimegegner
und Exilant Brandt mit Hitler auf eine Stufe gestellt wird. Nicht nur in
Verunglimpfungen Deutscher dient Hitler den sowjetischen Karikaturisten als
Markenzeichen für Tyrannei. Eine Zeichnung aus der Prawda von 1984 stellt
ihn als Verbündeten der Amerikaner dar, deren Politik mit der Gewaltherrschaft
des Dritten Reiches verglichen wird (Abb. 254).
Hitler ist zum Synonym für Despotie schlechthin geworden und fungiert in
zeitgenössischen Karikaturen als solches. Außer für einige Ewig-Gestrige ist er
die Verkörperung menschenverachtender Despotie, das Muster des Bösen. Die
Person Hitler steht für alle Negativa der menschlichen Psyche und des menschlichen Handelns. WEIGLE (alias BERNSTEIN) stellt in einer Rezension des
regelmäßig an Prominente gerichteten Fragebogens der „Frankfurter
Allgemeinen Zeitung“ fest, daß auf die Frage, „Welche geschichtlichen
521
192
Der Film entstand 1940 in den USA, wurde aber erst 1958 in Deutschland uraufgeführt.
Gestalten verachten Sie am meisten“ unisono „Hitler“ geantwortet wird
(zuweilen wird dazu auch noch Stalin genannt).522 Der Vergleich mit Hitler ist
hervorragend geeignet, den politischen Gegner herabzusetzen, denn er sagt mehr
als alle Worte und wird deshalb zum Gemeinplatz in den Karikaturen, die sich
gegen orientalische Despoten richten. Hitler ist in einer Karikatur CANDEAs von
1984 Gleichnis für den Größenwahn und die verbrecherische Ideologie von
Khomeini (Abb. 255). Im gleichen Tenor wird die Figur Hitler im Zweiten
Golfkrieg benutzt - als Gegenstück zu Saddam. Die unmittelbare Analogie zu
Hitler und Stalin zieht BÖHLE, indem er in seiner Zeichnung vom August 1990
(Abb. 256) eine Karikatur DAVID LOWs (1891-1963) aus dem Jahre 1939 zitiert
(Abb. 257). Statt Hitler und Stalin machen sich hier Saddam und Khomeini die
gegenseitige Aufwartung mit den Worten: „´Der elende iranische
Kinderschlächter, wie ich annehme?´ - ´Der große irakische Gas-Saddam, wie
ich vermute?´“. Auch BEHRENDT bezieht den Hitler-Vergleich in einer Karikatur
vom September 1990 auf Saddam (Abb. 258). Weitere Beispiele für das
Gegeneinanderhalten der Despotie des Feindes Saddam mit der Hitlers sind
Karikaturen von WOLTER (Abb. 259), von RUDOLF SCHÖPPER (Abb. 260), von
HAITZINGER (Abb. 261), und von PIELERT (Abb. 262). Allesamt stammen ihre
gezeichneten Hitler-Vergleiche aus dem Frühjahr 1991. Zur gleichen Zeit
erscheinen Karikaturen, die einen Ausblick darauf geben, welches Schicksal
Saddam ereilen wird: das des Führers. So stellen sich COOKSON und WOLF den
Sieg über Saddam vor (Abb. 263 und Abb. 264). SCHOENFELD läßt in einem Blatt
vom August 1992 Miloševic nach Hitler und Stalin auf ein Siegertreppchen
treten, wo ihm vom Tod die Bronzemedaille überreicht wird (Abb. 265).
Mit dem Vergleich mit Hitler erfährt die Führerperson Saddam die gleiche
Rezeption wie sein berüchtigter Vorgänger. Wie aus der deutschen
Vergangenheitsbewältigung hinreichend bekannt, wird hier Geschichte auf das
Tun eines einzelnen Menschen reduziert. Die Auffassung, Hitler habe als
Sonderfall der deutschen Geschichte zu gelten und die Nazi-Diktatur sei seinem
eigentümlichen, anders strukturierten Charakter anzulasten, ist auch heute noch
vorhanden. Diese Sicht vom Diktator suggeriert, seine Handlungen seien
Ausdruck seiner (irren) Psyche und hätten ihren Ursprung in dessen perversen
Trieben.
522
Vgl.: Weigle, Fritz (alias F.W. Bernstein): Hitler verachten. In: die tageszeitung v.
24.1.1997, S. 20.
193
Die besprochenen Karikatur-Motive vom irren Fanatiker oder vom Prototypen
des Tyrannen zeigen einen Einzeltäter. Diese Vorstellung schließt den Gedanken
vom Verführer und von demjenigen, der ein (unschuldiges) Volk ins Verderben
treibt ein. WEBER stellte 1932 „Das Verhängnis“ des deutschen Volkes als
Marsch ins eigene Grab dar (Abb. 266). In einer Zeichnung vom September
1990 zitiert LUFF genau dieses Bild - nur tauscht er das Hakenkreuz auf dem
Sarg gegen das Konterfei Saddams aus (Abb. 267). Die Masse wird von einem
Psychopathen verführt.523 Das Bild vom Rattenfänger, wie STEIGER es
beispielsweise 1979 von Khomeini entwirft (Abb. 268), ist eine entsprechende
Darstellung. Die irregeleitete Masse ist nicht schuldig an den Verbrechen des
Regimes, sondern ihr „Führer“524. So läßt sich der Nationalsozialismus inclusive
Genozid als ganz persönliche Schuld eines einzelnen, nämlich der Person Hitler,
erklären. Die Verführten werden selbst zum Opfer des gewissenlosen
Herrschers. Durch solche Thesen wird Geschichte rehabilitiert, ein ganzes Volk
erscheint unschuldig, und damit ist letztlich auch der einzelne nicht
verantwortlich.525 Die Vorstellung vom Führer und von der verführten Masse
thematisiert nicht die Übereinstimmungen in Interessen und Absichten von
Verführern und Verführten.526 So wie der Topos der Einzeltäterschaft eine
Verschleierung der tatsächlichen Strukturen und Verantwortlichkeiten ist, so
läßt auch das Bild von der Masse eine wirkliche Analyse der Gegebenheiten
vermissen. Die Unterstellung, das Regime des Dritten Reiches sei Produkt der
psychischen Disposition Hitlers, macht aus dieser Tyrannei einen „Ausrutscher“.
Demnach hat Hitler nichts mit den eigentlichen („guten“) Deutschen gemein.527
523
524
525
526
527
194
„Masse“ ist laut Marks ein rein fiktives Phänomen: „Es gibt sie überhaupt nicht! Sie
wurde noch nie beobachtet, sie ist Erfindung [...]. Sie ist eine mythologisierende
Verdrehung der Realität. Es gibt nur ´Menge´, d.h. eine mehr oder weniger große
Ansammlung von Menschen.“ Marks 1983, S. 175 (Hervorhebungen im Original).
„Als ´Schicksal´ ist dann verklärt, was einer kritischen Analyse entzogen werden soll: der
´Bauplan der Gesellschaft´. Die Ursache des Faschismus wird so ausdrücklich im
Unbegreiflichen festgemacht.“ Marks 1983, S. 58.
„Man komme mir nicht mit der Phantasie, Faschismus sei ein Zustand 12jähriger
Verblendung oder Rausch gewesen, das ist zu billig! Die Mehrheit hat diesen Faschismus
gewollt - erst im Nachhinein soll dieses Interesse verschleiert werden durch den
dümmlichen Mythos vom Massenwahn.“ Marks 1983, S. 175f.
Vgl.: Marks 1983, S. 79. Weigles ironischer Satz „Zu Lebzeiten ward er [Hitler] natürlich
auch schon heftig verachtet: Etwa im Rhein-Ruhr-Klub der Industriellen [...]“ führt vor
Augen, daß Hitler außer von den damaligen Regimegegnern nur im Nachhinein als Irrer
begriffen wird.
In jüngster Zeit hat Goldhagen die Antithese dazu geliefert. Vgl.: Goldhagen, Daniel
Jonah: Hitlers willige Vollstrecker. Berlin 1996. Aber bereits 1986 schrieb Keen: „Die
Hauptverantwortung für den Krieg liegt nicht bei Schurken und bösen Männern, sondern
Der Vergleich Hitler / islamischer Despot verweist die Gestalt deutscher
Geschichte in den orientalischen Bereich, denn Hitler verfügt nicht über die
abendländischen zivilisierten Qualitäten - so als ob er aus einer anderen Welt
stammen würde. Ein tyrannisches Regime eines wahnsinnigen Hitlers steht im
Widerspruch zum Selbstbild vom vernunftgeleiteten, aufgeklärten, Menschenrechte wahrenden Abendland. Hitler gerät zum „Betriebsunfall“ einer
zivilisierten Kultur. Er wird „orientalisiert“, indem Fanatismus und Irrationalität
als morgenländische Charakterzüge gehandelt werden: Dort sind sie Prinzipien
der Herrschaft und Kultur - bei uns kommen sie (eigentlich) nicht vor.528
Die politische Bedeutung solcher Karikaturen, die den Feind als Fanatiker
darstellen, liegt zum einen in ihrem propagandistischen Potential: Sie betreiben
Kriegshetze, weil sie zum Einschreiten gegen die Weltbedrohung aus dem
Süden aufrufen. Damit werden sie zur strategischen Waffe im Konfliktfall, wie
er im Zweiten Golfkrieg gegeben war. Der Sprach- und Sozialforscher JÜRGEN
LINK nennt solche Karikaturen „Schreibtischtaten in vollem Sinne“529.
Andererseits wirken solche Feindbildkarikaturen an der Etablierung der „Neuen
Weltordnung“ mit. Ein Szenario, wie diese in Zukunft aussehen könnte, entwirft
LINK. In Anspielung an George Orwells und Aldous Huxleys Negativ-Utopien
prophezeit er eine Einteilung oder „Ordnung“ der Welt in zwei Hälften: Die
reiche, mit allen Ressourcen versorgte nördliche Hemisphäre, ist von der
südlichen (in etwa dem, was wir heute unter „Dritte Welt“ fassen) hermetisch
abgeschottet (man denke an „Festung Europa“). Eine Vermischung von
Bevölkerungen oder Kulturen, Werten oder Idealen findet nicht statt. Der Süden
wird vom Norden als Rohstofflieferant ausgebeutet und gleichzeitig von der
Teilhabe am Wohlstand ausgeschlossen. Erst diese „Ordnung“ garantiert die
„Normalität“ des Nordens als relative Konfliktlosigkeit, während im Süden
politisches Chaos und regional begrenzte Kriege herrschen, die im
Normalzustand die nördliche Welt nicht berühren. Die Führer der nördlichen
Halbkugel verstehen sich als Wahrer dieser Ordnung, als Weltpolizisten, die
dafür Sorge tragen, daß sich die Dritte-Welt-Konflikte nicht auf den Norden
ausdehnen. Zu diesem Zweck greifen alliierte Kämpfer (UNO-Truppen) vor Ort
ein. Zur Legitimation der eigenen Sheriff-Funktion und solcher Interventionen
werden in regelmäßigen Zyklen Feindbilder aufgebaut, indem einzelne
528
529
bei mehr oder weniger anständigen Bürgern. Jedes tiefere Verständnis der sozialen
Funktion von Kriegen führt zu dem Schluß, daß es die ´guten´ Deutschen waren, die das
soziale Umfeld schufen, auf dem die Nazis gediehen.“ Keen 1986/1987, S. 89f.
Vgl.: Schulze 1991, S. 9.
Link 1991, S. 91.
195
Repräsentanten des Südens in den Medien als Fanatiker, Fundamentalisten oder
„Irre“ präsentiert werden, deren Treiben man nun lange genug zugesehen hat
und dem endlich ein Ende gemacht werden muß. 530 Was den Ordnungserhaltungs-Mechanismus des Feindbildes angeht, ist diese „Polit-Fiction“ für
LINK bereits Realität. Karikaturen, die das Feindbild transportieren, sind
Bestandteil dieses Mechanismus. Er fordert deshalb eine „größtmögliche
Störung dieses Mechanismus“531 beispielsweise dergestalt, daß gegen ihre
kriegshetzerische Funktion sensibilisiert wird.
Eine solche Sensibilisierung kann geschehen, wenn die Motive in Karikaturen
und das System von Bildern, das überhaupt in den Medien und in der Sprache
besteht, um politische Aussagen symbolisch zu kodieren, einer näheren
Untersuchung unterzogen werden. In der Sprach- und Literaturwissenschaft
wurde dazu die sogenannte Diskursanalyse als Methode der Textuntersuchung
entwickelt. Der in dieser Verwendung relativ junge sprach- und auch
politikwissenschaftliche Begriff „Diskurs“ wird im Alltagssprachlichen mit
„Rede“ synonym verwandt. Von Diskurstheoretikern werden darunter institutionalisierte bzw. geregelte Redeweisen verstanden, wenn sie an Handlungen
geknüpft sind. Aufgrund ihrer Institutionalisierung und aufgrund ihrer Wirkung
stehen Diskurse im Zusammenhang mit bestimmten Intentionen und üben
Machtwirkungen aus.532 Die Diskursanalyse dient dazu herauszufinden, welche
Inhalte mit den Texten vermittelt werden, welche Realität in ihnen wiedergegeben wird, welche ideologischen Motive sich destillieren lassen bzw.
welchem Denken die Texte entsprechen und welche Wirkungen beim Leser
bzw. Hörer beabsichtigt und welche zu erwarten sind.533
Dieses Verfahren eignet sich auch zur Behandlung von Karikaturen. Ihre
Symbole, Metaphern oder „Bilder“ sind die Verpackung politischer Aussagen.
Diese „Bilder“ werden von LINK „Kollektivsymbole“ genannt, weil sie kollektiv
verankert sind.534 Die Kollektivsymbole sind der „Kitt“ der Diskurse. SIEGFRIED
JÄGER spricht von der „Fährenfunktion“ der Metaphern:
„Sie können sozusagen als ´Fähren ins Bewußtsein´ für andere Inhalte
dienen, indem diese anderen Inhalte an sie gleichsam angekoppelt werden
530
531
532
533
534
196
Vgl.: Link 1991, S. 90.
Link 1991, S. 91.
Vgl.: Jäger, Siegfried (Hrsg.): Text- und Diskursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse politischer Texte. (Diss-Texte Nr. 16). Dortmund 1991 (im folgenden: Jäger 1991), S. 26f.
Vgl.: Jäger 1991, S. 14.
Vgl.: Link 1991, S. 75.
und so mit ihnen zusammen ins vorhandene Hintergrundwissen hineintransportiert werden.“535
Eine Aussage wird so an ein Symbol geknüpft, womit ein besonderer
„Behaltenseffekt“ erzielt wird. Es handelt sich um eine Implantierung des
Symbols bzw. der Aussage ins Bewußtsein des Rezipienten, wo es „als Baustein
für die Entwicklung eines bestimmten Weltbildes (oder auch für seine
Befestigung oder Bestätigung) fungieren“536 kann.
Schon AVENARIUS schrieb 1918 in seinem Artikel „Die Karikatur im Kriege“,
daß Karikaturen nicht nur über den dargestellten Sachverhalt Auskunft geben,
sondern auch über die politische Auffassung von Zeichner und Publikum. Laut
AVENARIUS „spricht“ die Karikatur „über den Geisteszustand von Mehrheiten in
ihren Ursprungsländern, und zwar meistens nicht durch das, was ihre Zeilen und
Striche mit Absicht, sondern durch das, was sie unabsichtlich sagen - durch das,
was sie verraten.“537 Es geht also bei der Untersuchung um die Karikaturen
selbst als Ausdruck bestimmter Denkweisen, die herauszufiltern sind.
Schauen wir uns unter diesen Vorgaben Bilder vom Orient in den Karikaturen
an, so wird offensichtlich, daß sie eine Akkumulation von Kollektivsymbolen
bieten. Bei den bereits beschriebenen Topoi vom despotischen, irren Führer
dümmlicher Völker wird stets ein Gefälle von Nord nach Süd suggeriert. Die
Menschen des Nordens sind reich, souverän, wissend und handlungsfähig, die
des Südens arm, unwissend, unaufgeklärt, affektgesteuert. Dieses Image vom
prinzipiellen Gegensatz zwischen Orient und Okzident drückt sich in den
Karikaturen durch einen weiteren Archetypus aus: das Motiv „Dunkelheit“.
In der christlichen Ikonologie ist Dunkelheit ebenso Synonym für die Hölle als
unendliche Qual wie für das Chaos als prä-biblischer Zustand, bevor Gott die
Welt schuf (angefangen mit dem Licht). Die Dunkelheit ist insofern Abwesenheit von Gott. Auch in der profanen Ikonologie ist der Gegensatz Licht und
Dunkel elementar. Die Aufklärung wird von dem „Licht der Erkenntnis“ erhellt.
Finsternis ist Nicht-Erkennen, Blindheit, Anti-Aufklärung. In der Fortführung
dieser Reihe steht Dunkelheit auch für Um-Nachtung und Wahnsinn.
„Finsternis“ eignet sich als Kollektivsymbol für die Vermittlung der Vorstellung, im feindlichen Lager herrsche (noch) „tiefes“, „dunkles“ Mittelalter,
dort sei man in der Entwicklung Jahrhunderte hinter der humanistischen Welt
535
536
537
Jäger 1991, S. 37.
Jäger 1991, S. 37.
Avenarius 1918, S. 4.
197
der Industrienationen zurück, gleichsam „zurückgeblieben“, geistig minderentwickelt. Entsprechend häufig sehen wir in Karikaturen, denen das Feindbild
„Süd“ innewohnt, die Dunkelheit „dämmern“ oder herannahen. Unmittelbar
nach der Iranischen Revolution setzt dieser Archetyp ein. HERBERT KOLFHAUS
(1916-1987) zeichnet beispielsweise im April 1979 eine Szene, in der der
„goldene iranische Staat“, den Khomeini heraufziehen sieht, sich als bedrohliche
dunkle Wolke vom linken Bildrand her in Bild ergießt (Abb. 269). In einer
amerikanischen Karikatur vom Dezember des gleichen Jahres ist die Dunkelheit
der Ort, wohin die Reise des Irans geht. Unmißverständlich macht der Zeichner
MACNELLY mit dem Schild „Leaving 20th Century“ deutlich, wie groß die
Zivilisationsunterschiede sind. Sie umspannen Jahrhunderte (Abb. 270). Der
gleichen Metaphorik bedient sich HAITZINGER in einer Zeichnung vom August
1980. Auch er verwendet Schilder, um anzuzeigen, wie rasant der Rückschritt
des von Khomeini an die Hand genommenen Irans vonstatten geht, wobei
HAITZINGER das Geschehen in einer spärlich von einer Kerzen beleuchteten
finsteren Höhle lokalisiert (Abb. 271). Noch eindeutiger setzt HAITZINGER die
Finsternis-Symbolik in einem im Juni 1981 erschienen Blatt ein. Hier wird
„Irans letzter Lichtblick“, Bani Sadr, von Khomeini „ausgepustet“. Wie im
Comic-Strip sehen wir in einem zweiten, darunterbefindlichen Bild das Resultat
dieser „Politik“: völlige Umnachtung (Abb. 272). Die Dunkelheit droht nicht nur
dem eigenen Volk, auch der Westen ist von der aus dem Orient kommenden
Nacht bedroht. HANEL faßt dies in einer Zeichnung vom August 1992 zu einem
antithetischen Bild: Der Präsident der USA ist in der hell“erleuchteten“ linken
Bildhälfte zu sehen, wie er vor Saddam, hier eindeutig Vertreter des Reichs der
Finsternis, zurückschreckt (Abb. 273). Der Code solcher Bilder ist auch gegeben
in Karikaturen, in denen der Feind drohend seinen Schatten wirft. Dieses Motiv
ist beliebt bei Karikaturisten, weil es so prägnant eine unheilschwangere
Situation zeichnet und eine ausgeprägte Bedrohungsvorstellung vermittelt.
Deshalb bedienen sich Ende der 80er Jahre BEHRENDT (Abb. 274), TIL (Abb.
275) und OLIPHANT (Abb. 276) in ganz ähnlicher Weise dieser Formel.
All diese Bilder entsprechen einer negativen Kulturtypologie, die die islamische
Welt als Ort der Gegen-Vernunft, des unberechenbaren Fanatismus und des
Wahnsinns darstellt. Das Dunkel und die Nacht repräsentieren Chaos. Innerhalb
der vermeintlich bewußtseinsorientierten, rationalen Welt des Nordens ist das
Chaos eine bedrohliche Vorstellung. Im Chaos herrschst keine Ordnung, keine
Orientierung, man droht, im Chaos zu „versinken“ und verliert damit die
198
Kontrolle.538 Karikaturen, die genau diese Angst vor der Finsternis und dem
Chaos aufgreifen, arbeiten auf rein emotionaler Basis.
„Chaos drückt die Angst und Beunruhigung aus, ohne diese aufzuklären.
Im Gegenteil: der ´chaotischen´ Situation wird jegliche Rationalität und
Durchschaubarkeit abgesprochen. Sie wird zum schlechthin Unerklärlichen ernannt. Chaos ist ein Begriff der Gegenaufklärung.“539
Mit Karikaturen, die den Feind mit Dunkelheit und Chaos assoziieren, werden
lediglich Ängste entfacht, statt politische Hintergründe aufgedeckt und Aufklärung betrieben. Sie lassen eine differenzierte, politisch aufgeklärte Sicht der
Dinge vermissen. Wahnsinn, Finsternis und Chaos sind Begriffe, die eine
analytische Auseinandersetzung ausschalten, weil sie absolut sind: die Phänomene sind ebenso unerklärbar wie unabänderbar. Auf diese Art vereiteln solche
Begriffe eine Analyse und sind deshalb gegenaufklärerisch. Anstatt die
eigentlichen sozio-ökonomischen Ursachen für das vorhandene Nord-SüdGefälle zu reflektieren, dem der Mechanismus einer „auf einem strukturellen
Gewaltverhältnis beruhenden globale[n] ´Apartheit´“540 inhärent ist, zementieren
derartige Karikaturen eine auf Feindbildern aufbauende „Neue Weltordnung“,
die an den tatsächlichen Grundlagen der „Welt-Unordnung“ vorbeigeht. 541 Mit
dem Einsatz der beschriebenen Archetypen erfüllen die Karikaturisten keineswegs die Maxime, Wahrheit zu enthüllen und die Betrachter wachzurütteln.
An der Reaktion der Karikaturisten auf den Zweiten Golfkrieg ist die Verwendung des konventionellen Zeichenrepertoires angesichts der neuen
Kriegsdimension des Zweiten Golfkriegs zu bemängeln. Seine Bedeutung als
high-tech-Krieg bei gleichzeitiger Nicht-Informierungs-Politik und seine weltpolitische Funktion innerhalb der „Neuen Weltordnung“ ist nicht thematisiert
worden. Entsprechend ist WEIGLE der Auffassung, die Karikaturisten hätten von
einem ganz anderen Ansatz ausgehen müssen, um einem wirklich kritischen
Anspruch gerecht zu werden: „´Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe´ - die
538
539
540
541
Die Furcht vor dem Chaos ist für Marks eine Disposition des bürgerlichen, kapitalistischrationellen Menschen. Sie entspringt der Angst vor gesellschaftlichen Veränderungen mit
der Revolution als GAU. Vgl.: Marks 1983, S. 125.
Marks 1983, S. 123.
Nuscheler, Franz: Neue Bedrohungen aus dem Süden? Zur Funktion des Feindbildes
Dritte Welt. In: Dritte Welt und Islam. Neue Feindbilder nach dem Kalten Krieg?
Kongreß des Instituts für Internationale Politik und Bundstifte e.V. v. 14.9.1991 in der
Alten Feuerwache in Köln. (Arbeitspapier des Instituts für Internationale Politik, Nr. 15,
Januar 1992), S. 7-13 (im folgenden: Nuscheler 1992); hier: S. 13.
Vgl.: Nuscheler 1992, S. 12.
199
Vermittlung des Krieges zu packen, war aufklärerischer, als ewig den Teufel
Saddam an die Wand zu malen.“542
Diese Qualität der Sensibilisierung der Rezipienten wird jedoch von einigen
Karikaturen angestrebt. In Anlehnung an Kategorisierungen der Karikaturen,
wie GRÜNEWALD sie vorgenommen hat und wie sie im nächsten Kapitel
vorgestellt werden, kann man sie als „analytische Karikaturen“ bezeichnen.
542
200
Weigle 1991, S. 17.
4
Analytische Karikaturen
Im Hinblick auf eine effiziente Untersuchung von Karikaturen unter
ikonographisch-soziologischen Prämissen eignet sich ein Verfahren sehr gut,
wie GRÜNEWALD es entwickelt hat: Er nimmt eine Einteilung der Karikatur in
verschiedene Kategorien vor und differenziert zwischen der kommentierenden
Karikatur, die Abbildung einer parteilichen Meinung ist, der deskriptiven
Karikatur - eine karikaturistische Komposition einer bestimmten Situation -, der
agitatorisch-propagandistischen Karikatur - eine aggressive Zeichnung, die ein
agitatorisches Kampfblatt ist - und der analytischen Karikatur, die eine
tatsächliche Analyse von gesellschaftlichen Vorgängen bedeutet. 543 Diese
Kategorien sollen Anhaltspunkte zur Bewertung der Karikaturaussage liefern.
Der Realitätsbezug der Karikatur ist der Maßstab der Bewertung.
In der kommentierenden Karikatur werden aktuelle politische Ereignisse
dargestellt, indem einzelne Politiker als Verkörperung einer zu kritisierenden
Politik in metaphorischen Analogien auftreten. Die Mehrzahl der Pressezeichnungen in der BRD fällt in diese Kategorie.544 Die kommentierende
Karikatur ist die „visualisierte persönliche Meinung des Zeichners“545, ohne daß
er diese begründet. Für den Betrachter soll diese Karikatur ein Ansatzpunkt sein,
der dargestellten Auffassung zu folgen. Sie zielt also auf eine Anpassung des
Rezipienten. Eine Karikatur aus dem „Deutschen Studenten-Anzeiger“ der NPD
zeigt Ulbricht, der vor der Mauer im Begriff ist, jemanden zu erdrosseln. Über
die Mauer schaut ein lächelnder Willy Brandt, der mit einem Blumenstrauß in
der Hand winkt (Abb. 277). Dieser Kommentar zur Brandtschen DDR-Poltik
appelliert an ein moralisches Empfinden. Die Darstellung ist so gewählt, daß die
Assoziationen des Betrachters auf einer rein emotionalen Ebene zu einem Urteil
führen. Die dargestellte Szene ist aber eine Konstruktion, die unabhängig von
den politischen Fakten ist.546 GRÜNEWALD fragt nach der Relation zwischen dem
tatsächlichen Ereignis und der Art der Darstellung und resümiert, daß die
kommentierende Karikatur nicht auf einer faktenmäßig nachvollziehbaren
Analyse fußt, sondern eher auf Ideologie und auf Vorurteilen.547 Solche
Karikaturen, die eine politische Situation auf eine Person zuspitzen, sind nicht
543
544
545
546
547
Unabhängig von der Kategorisierung Grünewalds nimmt auch Timm eine Unterscheidung zwischen kommentierender, deskriptiver und analytischer Karikatur vor.
Vgl.: Timm 1972, S. 15.
Grünewald 1979, S. 126.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 128.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 129.
201
analytisch, weil sie die Mißstände nicht auf ihre ökonomischen und sozialen
Ursprünge hin ausloten und zurückführen, sondern sie auf das Handeln einzelner
Politiker reduzieren, damit die politische Realität aber nicht erfassen.548 Wie wir
gesehen haben, ist die Personalisierung von politischen Sachverhalten und die
Methode, mittels Kollektivsymbolen gegnerische Politiker in einen Zusammenhang zu bringen, in dem sie bedrohlich, unmenschlich, etc. erscheinen, den
Feindbildkarikaturen inhärent.
Unter dem Terminus „deskriptive Karikatur“ sind Darstellungen zu fassen, die
anstatt eines Abkürzungsverfahrens bzw. einer metaphorischen Analogie ihre
Wirkung aus der realistischen Montage einzelner „Realitätspartikel“ beziehen,
wobei divergierende Momente zusammengestellt werden (z.B. ein Kontrast
zwischen dargestellter Situation und Untertitel). Die deskriptive Karikatur
inszeniert selbst eine Begebenheit, anstatt Analogien zu ziehen. Zur Verdeutlichung des deskriptiven Verfahrens dient eine Karikatur von HANS-JÜRGEN
PRESS, die im Stern erschien (Abb. 278). Erst das Zusammentreffen
inkompatibler Aussagen (Bild / Untertitel) bietet die Entlarvung des vom
Karikaturisten kritisierten Mißstandes. Im vorliegenden Fall wird die Frage, die
der unbedarfte Mann im Bildvordergrund stellt, nämlich nach dem Verbleib der
jüdischen Nachbarn, konterkariert durch die Requisiten des Nationalismus,
verbunden mit der Forderung nach der Heimat im Osten. Das Aufeinanderprallen dieser beiden Momente gibt die Antwort auf die Frage.549 Statt
Personalisierung betreibt die deskriptive Karikatur Typisierung, denn eine ganze
gesellschaftliche Gruppe wird kritisiert. Ihre Anschauungsweise wird durch das
„Ambiente“ veranschaulicht. Die Accessoires in der detailgenauen Darstellung
sind keine willkürlichen Ausschmückungen, sondern „notwendige Strukturelemente der Kritik, daher das ´erzählerische´ Moment dieses Typus der
politischen Karikatur, die zumeist ´gelesen´ werden muß.“550 Die deskriptive
Karikatur ist aufgrund ihrer minutiösen Gestaltung nur sehr selten in der
Tagespresse zu finden. Sie erscheint eher in Illustrierten und unterliegt damit
nicht den Aktualitätsansprüchen wie die Karikaturen, die in Zeitungen veröffentlicht werden. Meist widmet sie sich im weiteren Sinne gesellschaftlichen
Problemen und behandelt keine Tagespolitik, weshalb sie im Zusammenhang
mit Feindbildern so gut wie nie vorkommt.
548
549
550
202
Vgl.: Timm 1972, S. 14.
Vgl.: Timm 1972, S. 16.
Timm 1972, S. 16f.
Die agitatorisch-propagandistische Karikatur ist eine Variante, die wesentlich
plakativer ist. Eine Karikatur von WALTER KUROWSKI beispielsweise zeigt ein
gräßlich dargestelltes Krokodil, das mit den Insignien des Kapitalisten
ausgestattet ist (Abb. 279). Der Untertitel „...verdammt zäh, die Lehrlinge
heute!“ macht deutlich, wen es gerade verschlungen hat. Hier wird ein
politischer Gegner extrem überzeichnet und diffamiert, so daß der Betrachter
sich selbst automatisch auf der ideologisch entgegengesetzten Seite ansiedelt.
Diese Form der Karikatur kommt einem agitierenden Schlagwort gleich, einer
Kampfparole, zu dem Zweck, diejenigen, die die eigene Meinung bereits teilen,
darin noch zu bestärken und ihre Emotionen entsprechend zu schüren.551 Die
Unschlüssigen will die agitatorisch-propagandistische Karikatur via Emotionen
auf ihre Seite ziehen.552 Sie will gar keine Überzeugungsarbeit leisten, sie will
nichts aufdecken oder Hintergründe entlarven. Sie beschreibt weder einen Sachverhalt, noch analysiert sie ihn. Sie will emotionale Reaktionen auslösen. Diese
Form der Karikatur steht in einer Reihe mit Kampfblättern und Plakaten. Die
vorgestellten Feindbild-Karikaturen entsprechen mit ihrer Verwendung von
Archetypen weitgehend dieser Kategorie.
Die analytische Karikatur zeichnet sich vor den Darstellungsmethoden anderer
Kategorien dadurch aus, daß sie versucht, „die gesellschaftlichen Widersprüche
zeichnerisch zu fassen und nach Möglichkeit im Bild selbst Wege zu deren
Überwindung“553 aufzuzeigen. Sie geht über eine bloße Verurteilung, wie die
Karikaturen der anderen Kategorien sie betreiben, hinaus, indem sie
Hintergründe aufdeckt. Veranschaulichen läßt sich die Vorgehensweise der
analytischen Karikatur am Vergleich von Karikaturen, die sich zur Zeit der
Ölkrise Anfang der 70er Jahre in das Bild vom „bösen“ Araber einklinken554 und
solchen, die die eigentlichen Verantwortlichen nennen. Eine regelrechte Anti-
551
552
553
554
Vgl.: Grünewald 1979, S. 137.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 138f.
Timm 1972, S. 18.
„Die ´Ölkrise´ fand reiche Resonanz in der Karikatur. Araber - stets erkenntlich an ihrer
Kopfbedeckung und ihrer Kleidung - sperren mit dem Fuß die Erdölpipeline. Europa
friert. Selbst der Bundesadler trägt Fausthandschuhe, Pudelmütze und Wollschal. Das
unternehmerische Handelsblatt zeichnet bedauernd Arbeiter, die von grimmig und
verschlossen blickenden Arabern ausgesperrt wurden. Europa verarmt, die Schlote
rauchen nicht mehr. Die Verhältnisse drehen sich um. Jetzt reisen Araber als Touristen
ein, bestaunen und bemitleiden die primitive europäische Bevölkerung. Die Karikatur
baut den Araber als Buhmann auf; zeichnet kraß beängstigende Folgen: Die Araber
übernehmen die Macht. Statt des Kölner Domes wird eine Moschee errichtet.“
Grünewald 1979, S. 130 (Hervorhebung im Original).
203
Araber-Kampagne setzte in den Karikaturen ein (vgl. das Kapitel über den
Archetypus „Plutokrat“, Abb. 103). Von einer Analyse der wirklichen
politischen Situation kann bei solchen Karikaturen keine Rede sein. Die
Karikaturen dienen zur emotionalen Einstimmung der Bevölkerung. Die
Menschen spüren die Folgen einer Ölknappheit. Wo sie die Schuldigen dafür
suchen sollen, wird ihnen vorgegeben, um zu verschleiern, daß die Krise
künstlich im Interesse von Wirtschaftskonzernen initiiert wird.555 Dagegen ist
eine Karikatur HAITZINGERs von 1973 ein Beispiel für eine analytische
Karikatur (Abb. 280). Unter dem deutschen Michel ist der Untertitel
„Verdammte Araber“ zu lesen, womit die allgemeine Stimmung wiedergegeben
wird. Durch die Armlöcher der Stellwand streckt ein dahinterstehender
Unternehmer (als solcher identifizierbar durch seinen Körperumfang, seine
Melone, die Zigarre und schließlich an der Aufschrift „Mineralölgesellschaft“)
seine Arme und hält die Hand auf, das Geld des Michel begehrend. Diese
Karikatur stimmt nicht in den Kanon vieler damaliger Karikaturen ein, die mit
der Angst vor einer Energiekrise und dem damit verbundenen Wohlstandsverlust bei gleichzeitiger Furcht vor den Arabern operieren, sondern weist
auf die wahren Ursachen hin. Diese Karikatur ist nicht bloße Wiedergabe der
Meinung des Karikaturisten - sie ermöglicht vielmehr einen Blick hinter die
Kulissen und offeriert dem Betrachter damit tiefere Einblicke in den
Sachverhalt. Sie wird dem Kriterium gerecht, daß die Darstellung sich auf
nachprüfbaren Fakten gründet. Damit ist sie nicht nur kommentierend, sondern
aufklärerisch und bietet darüberhinaus noch eine Problemlösung an: „Die Krise
kann überwunden werden, wenn Macht und Einfluß der Konzerne beschnitten
werden.“556 Gleichzeitig mit der Kritik liefert die analytische Karikatur also eine
Perspektive für die Überwindung des Problems. Sie setzt den wünschenswerten
Zustand „als Maßstab der Kritik voraus.“557
Auch wenn in dieser Arbeit bisher Karikaturen behandelt wurden, die FeindbildTräger und eher agitatorisch sind, muß an dieser Stelle deutlich gemacht
werden, daß daneben durchaus auch analytische Karikaturen erscheinen. Trotz
der prädestinierten Situation, Feindbilder zu übernehmen, finden sich auch unter
den Karikaturen, die zur Zeit des Zweiten Golfkriegs entstanden sind, solche,
555
556
557
204
„Heute wissen wir, daß die Lager der Konzerne mit Öl ausreichend versorgt waren, daß
volle Öltanker auf See kreuzten, um durch künstliche Ölknappheit die Preise in die Höhe
zu treiben und die Regierungen zu zwingen, den multinationalen Konzernen mehr Macht
zuzuerkennen.“ Grünewald 1979, S. 131.
Grünewald 1979, S. 132.
Grünewald 1979, S. 134.
die nach der vorgestellten Terminologie analytisch zu nennen sind. Es handelt
sich dabei um Zeichnungen, die sich nicht an die Feindbild-Traditionen halten
und Saddam als Unhold verunglimpfen, sondern die die eigene Rolle, die des
Westens, thematisieren und damit die Bedeutung des Krieges auf einer ganz
anderen, analytischen Ebene erfassen. Nicht die konventionellen Bildfindungen
werden lediglich variiert, sondern es geht darum, die Hintergründe pointiert ins
Bild zu setzen und den Betrachter so über die politischen Umstände aufzuklären.
Analytische Karikaturen kommen übrigens aus der „Feder“ derjenigen Karikaturisten, die schon aus den bisherigen Kapiteln bekannt sind. Es verblüfft, daß
ausgerechnet die Karikaturisten, die ansonsten selbst ein Feindbild propagieren,
in anderen Karikaturen deutlich machen, daß es sich um ein bewußt aufgebautes
Feindbild handelt und darüberhinaus noch benennen, wem es nützt. HAITZINGER
beispielsweise zeigt in einer Zeichnung vom Juli 1993, daß das Feindbild
„Saddam“ innenpolitischen Motiven dient (Abb. 281). Auch TIL deckt diese
Funktion in einer Karikatur vom Januar 1993 auf (Abb. 282). BRUNS offenbart
im März 1991 den gleichen Sachverhalt bezogen auf die deutsche Innenpolitik
(Abb. 283). In einer Karikatur vom August 1990 zeigt STUTTMANN, daß die
moralische Verurteilung Saddams seitens der Amerikaner eine ausgesprochen
selektive Wahrnehmung ist (Abb. 284).
Mit der Informationspolitik während des Zweiten Golfkriegs beschäftigt sich
HAITZINGER. In einer Zeichnung vom Februar 1991 setzt er die strenge Zensur
der Amerikaner mit der Propaganda Saddams gleich (Abb. 285). Nach dem
Krieg, als es um die Kontrolle irakischer ABC-Waffen geht, greift HAITZINGER
noch einmal das Thema Mißinformation auf (Abb. 286). Die Karikatur vom Juli
1992 ist ein Aufruf zur Wachsamkeit bezüglich dessen, was aus amerikanischer
Quelle verlautet.
Der Part der westlichen Welt im Zusammenhang mit dem Golfkrieg wird ebenfalls thematisiert. Von Beginn des Krieges an bis über das Ende hinaus
verweisen Karikaturisten auf die Nutznießer und auf die wahren geschäftstüchtigen Kriegstreiber, die innerhalb der Industrienationen zu orten sind. Statt
Aggressoren im Süden zu suchen, fordern diese Karikaturen dazu auf, daß der
Westen seine Verantwortung auf sich nimmt. Zeichner wie DANZIGER (Abb.
287), HAITZINGER (Abb. 288), BEHRENDT (Abb. 289), OLIPHANT (Abb. 290) und
TOM (Pseudonym für THOMAS KÖRNER, Abb. 291) verdeutlichen in dem Zeitraum von August 1990 bis Januar 1992, daß gerade in den vermeintlich
friedlichen westlichen Industrienationen in bestimmten Kreisen ein Interesse am
Krieg besteht, weil von ihm profitiert wird und er deshalb auch hier gewollt ist.
205
Ebenso wird auf die Doppelmoral der vermeintlich so auf die Menschenrechte
bedachten westlichen Welt hingewiesen. Die Karikaturisten argwöhnen um die
tatsächlichen Motive des Engagements der westlichen Alliierten unter amerikanischer Führung angesichts des krassen Gegensatzes, wie zögerlich im
Bürgerkrieg des ehemaligen Jugoslawien interveniert wird, oder daß beim
Ethnozid an den Kurden sich der Westen zu keinen militärischen Aktionen
aufgerufen sieht. Die Interessen, um deren Wahrung es bei der Kriegsführung
geht, bringt HAITZINGER in einer Karikatur vom April 1991 auf den Punkt (Abb.
292). Auch BEHRENDT in einem Blatt vom August 1992 (Abb. 293) und
MANDZEL in einer im Juni 1993 veröffentlichten Zeichnung (Abb. 294)
entlarven, daß diejenigen, die mit riesigem technischem Aufwand und unter
immensen Kosten gegen Saddam mobilisierten, sich nur, wenn ihre eigenen
Interessen betroffen sind, vehement als Weltpolizisten einsetzen.
Den Maßgaben der Konkretisierung der neuen Dimension, die der Golfkrieg als
high-tech-Krieg mit der „abstrakten“ Form des Tötens annimmt, wird
MACNELLY in einem Blatt vom Februar 1991 gerecht (Abb. 295). Die Karikatur
zeigt, daß dieser Krieg à la „Nintendo Solution“ geführt wird. Die Schwärmerei
für die Präzision der computergesteuerten Waffen, für die „chirurgisch präzisen
Eingriffe“, für den „klinisch sauberen“ Krieg, als welcher er in den Medien
gehandelt wird, gibt dem Krieg den Anschein eines Computerspiels. Es scheint
sich um einen imaginären Krieg zu handeln, um eine Simulation im Computer.
Der Golfkrieg, der den Tod und das Elend ganzer Völker nach sich zieht, gerät
zum Spiel. Die Tatsache, daß in dem Krieg tatsächlich Menschen getötet werden
(und nicht das Feindbild Saddam) wird nicht weiter thematisiert. HAITZINGER
führt im Juni 1993 diese Bedeutung des Krieges vor Augen (Abb. 296). Seine
Zeichnung entspricht mit der Aufdeckung dieses (vergessenen) Sachverhaltes
der Kategorie „analytische Karikatur“.
Wie die unterschiedlichen Qualitäten der Karikaturen im Hinblick auf ihr
aufklärerisches Potential zeigen, ist es keineswegs so, daß man die Zeichner
einteilen könnte in die Gruppe, die Feindbilder verbreitet und diejenige, die mit
ihren analytischen Produkten zeigt, daß sie einen kritischen Anspruch hat. Vielmehr verdeutlichen die hier vorgestellten Arbeiten, daß die Karikaturisten sich
einerseits auf den eingefahrenen Gleisen der Feindbild-Archetypen bewegen,
aber gleichzeitig sich in anderen Zeichnungen darum bemühen, den Betrachter
für die tatsächlichen politischen Hintergründe zu sensibilisieren. Damit leisten
sie Aufklärungsarbeit, die sie in anderen Karikaturen wiederum vermissen
lassen.
206
5
Zur Wirksamkeit und zum aufklärerischen Potential von
Karikaturen
Ausgangsthese der vorliegenden Studie ist die Annahme, daß Karikaturen
kritisch und aufklärerisch sein können, wenn sie durch Überzeichnung das
Hintergründige einer politischen Gegebenheit herauskristallisieren und bewußt
machen. Sie können aber ebensogut eine analytische Betrachtung ihres Gegenstandes verhindern, wenn sie durch die Verwendung tradierter „Bilder“ oder
durch die Aufbereitung gewisser Stereotype eine oberflächliche, emotions- und
vorurteilsbehaftete Sicht begünstigen. Diese These bestätigte sich im Verlauf
dieser Arbeit.
Wie in dieser Untersuchung dargestellt, lassen sich Karikaturen in den Dienst
der unterschiedlichsten Intentionen stellen, weshalb sie nicht einheitlich unter
dem Überbegriff „Kritik“ oder „Aufklärung“ subsumiert werden können, was in
der Literatur aber ein locus communis ist. Zwar hat sich die Karikatur im Laufe
der Geschichte oft als Mittel der Aufklärung, der Kritik und des Widerstandes
verdient gemacht, dennoch ist es voreilig, sie per se als notwendig entlarvend
einzustufen. Dadurch wird die Karikatur idealisiert und ihre eigentliche
politische Dimension vernachlässigt.
Karikaturen sind niemals „objektiv“, sondern sie sind immer ein Versuch, den
Betrachter von einer bestimmten politischen Sicht zu überzeugen. Jede
Karikatur hat persuasiven Charakter und eignet sich somit auch zu Propagandazwecken. Subjektiv heißt bei der Karikatur nicht nur, daß sie für die Meinung
ihres Zeichners steht, sondern auch, daß sie „für den Geisteszustand der Mehrheiten in ihren Ursprungsländern [spricht]. Nicht durch das, was ihre Zeilen und
Striche mit Absicht, sondern durch das, was sie unabsichtlich sagen - durch das,
was sie verraten“558. Diese von AVENARIUS bereits 1918 getroffene Aussage
bestätigt sich auch angesichts der zeitgenössischen Karikatur. Karikaturen sind
zunächst eine subjektive Äußerung einer einzelnen Person, aber gleichzeitig
Fragment eines politischen Diskurses. „Die“ Karikatur ist zwar als ein
heterogenes Gebilde zu begreifen. Dennoch ist davon auszugehen, daß sich ein
„mainstream“ ablesen läßt, d.h. daß sich konkrete politische Tendenzen, die sich
aus einer bestimmten Politik nähren, in Karikaturen ablesen lassen.
Die Verwendung der Karikatur als politisches und journalistisches Mittel wird
(wie in den Exkursen ausgeführt) begleitet von einer Bewertung ihrer Wirkungs558
Avenarius 1918, S. 4.
207
kraft als belehrendes oder propagandistisches Element. Im Hinblick auf ihre
Einbindung in die opinion press spielt die Frage nach der Wirkungskraft der
Karikatur eine besondere Rolle, denn diese Position gibt ihr einen öffentlichen
Resonanzraum, ohne daß sie (wie im Nationalsozialismus oder in kommunistischen Regimen) gezielt von einer Obrigkeit instrumentalisiert wird. In der
heutigen Diskussion um die meinungsbildende Effizienz der Karikatur
differieren die Einschätzungen. Doch sämtliche Äußerungen über die Wirksamkeit von Karikaturen sind lediglich Spekulationen, deren Verifizierung nicht
möglich ist. Dieser Charakter der Diskussion soll im folgenden durch die
Wiedergabe einzelner Stellungnahmen zu diesem Thema deutlich werden. Die
Zitate sind gleichsam eine Visualisierung der Tatsache, daß es sich bei den
Ausführungen um subjektive Postulate handelt. Sowohl die Kunst- und Medienwissenschaftler als auch die Karikaturisten selbst können lediglich über die
Effekte ihrer Arbeiten mutmaßen. Es gibt keine systematische Untersuchung
über die Absichten der Karikaturisten. Offen ist, ob es ihnen darum geht, ihre
„Opfer“ tatsächlich empfindlich zu treffen, die Öffentlichkeit zu beeinflussen,
oder sie einfach nur zu amüsieren.
Auf die Frage, ob Karikaturen überhaupt eine Rolle in der öffentlichen
Meinungsbildung spielen, verweist der Kunstwissenschaftler und Karikaturist
FRANK WHITFORD auf den Karikaturisten VICKY (Pseudonym für VICTOR
WEISS, 1913 in Berlin geboren, 1935 nach England emigriert, 1966 Selbstmord),
um zu zeigen, daß dem nicht so ist. VICKY, selbst politisch links stehend,
arbeitete jahrelang für den konservativen Evening Standard und vertrat dort
auch in den Karikaturen seine eher radikalen politischen Positionen. Die
Tatsache, daß der Verleger ihn gewähren ließ, zeigt, daß ihm nicht bange war,
die Leser könnten auf die politische Meinung VICKYs einschwenken. Er ging
davon aus, daß seine Zeichnungen sie lediglich amüsieren würden.559 Der
Herausgeber des Evening Standards rechnete also nicht mit einer meinungsbildenden Wirkung der Karikaturen.
Auch unter den Wissenschaftlern gibt es etliche, der der Karikatur keine
Wirkungskraft (mehr) zugestehen:
„Im 19. Jahrhundert war der Karikaturist ein gefürchteter Aufrührer, der
ständig mit gerichtlicher Verfolgung rechnen mußte. Nichts beweist deutlicher die Verharmlosung der Karikatur in unseren Tagen als die Tatsache,
559
208
Vgl.: Whitford, Frank: Entstaubter Alltag. Aus der Praxis der Karikaturisten. In: Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen 1980, S. 302-317; hier: 317.
daß selbst Diktatoren die ihnen gewidmeten Zerrbilder sammeln und veröffentlichen lassen.“560
HOFMANN führt dafür allerdings kein Versagen der Zunft der Karikaturisten als
Grund an, sondern eine veränderte Wahrnehmung seitens der Betrachter: Mit
dem Mittel des Bildes kann nicht mehr wachgerüttelt, aufgeklärt werden, da der
heutige Rezipient einer optischen Reizüberflutung, v.a. durch das Fernsehen,
ausgesetzt ist, und das Bildzeichen somit nicht mehr diese Potenz hat, die ihm
noch im 19. Jahrhundert eigen war.561
Noch ein anderer Aspekt führt laut HOFMANN zur Ineffizienz der Karikatur: Die
Inflation des Ästhetischen. Da heute schier alles als museumswürdig gilt, ist der
künstlerische Protest aufgehoben, und zwar nicht - wie ehedem - durch Zensur,
sondern indem der Protest „mumifiziert“ wird. 562
Aus diesem Umstand läßt sich jedoch auch ein gegenteiliger Schluß ziehen: Die
Reizüberflutung verhilft der Karikatur zu einem Wirkungsfeld, wo alles andere
bereits nicht mehr relevant ist. Im Zeitalter des Massenangebots an optischen
Attraktionen in den Medien wird das Auge stumpf für Bilder. Gerade die Flut
von bewegten Bildern im Fernsehen bewirkt einen Rezeptionsverschleiß. Eine
photographische Momentaufnahme, wie z.B. der Händedruck zweier Staatsoberhäupter, wird kaum mehr vom Betrachter aufgenommen. Erst eine gewisse
Dramatik im Bild verhilft ihm wieder dazu, beachtet zu werden.
560
561
562
Hofmann 1959, S. 60.
Solche Auffassungen von der Harmlosigkeit der Karikatur sind natürlich auf Gesellschaften zu beziehen, die im Zeichen der Massenmedien und der Massenunterhaltung
stehen. Während man sich in den Industrienationen „zu Tode amüsiert“ (um eine Formulierung NEIL POSTMANs aufzugreifen), alles zur Unterhaltung gerät und deshalb auch
kritisch gedachte Karikaturen unschädlich für den Karikierten sind, gehen Kritiker und
Karikaturisten in der sogenannten „Dritten Welt“ durchaus Gefahren ein, wenn sie ihr(e)
(Be-)Denken artikulieren.
Vgl.: Hofmann 1956, S. 60. „Die Karikatur hat den Prozeß der Nobilitierung mit der
Einbuße ihrer aggressiven Substanz bezahlt. Ihr anklägerisches Pathos und die geißelnden Verzerrungen dieses ´enfant terrible´ der Kunstgeschichte sehen wir heute bereits
gebrochen durch die verschiedenen Strömungen der modernen Kunst. [...] Ihr ursprünglich protestierendes, gegen die ´Regel´ verstoßendes Ausdrucksverfahren ist heute, da
keine Norm des Schönen mehr gültig ist, zur Umgangssprache geworden. Es fällt darum
schwerer denn je, mit den Mitteln des Bildes aufzurütteln. In unserer immer flacher und
bildloser werdenden Welt, die nur mehr optische Klischees (im Film und im Fernsehen)
für den Massenkonsum produziert, hat das Bildzeichen viel von dem Kredit eingebüßt,
den man ihn noch im 19. Jahrhundert einräumte.“ Hofmann 1956, S. 57.
209
„Da muß schon ein Polizeichef in Vietnam einen Vietcong kurzerhand
und so gut wie unbeteiligt abknallen, daß der Schnappschuß als ´Bild des
Jahres´ um die Welt geht.“563
Neben der „Non-Stop-Revue“ der Bilder tritt ein dermaßen umfangreiches
Angebot an Text in den Zeitungen, daß der Leser überfordert ist und daher
dankbar für eine Vermittlung von Themen, die Sachverhalte auf eine kurze
Formel bringen.564 So argumentiert auch HERDING, wenn er die Frage
HOFMANNs „Ist die Karikatur am Ende?“ (als Titel seines Aufsatzes von 1959)
heute überprüft:
„Werner Hofmanns Frage [...] war vor zwanzig Jahren, als der Medienlärm die Stimme des Karikaturisten zu übertönen drohte, so aktuell wie sie
heute erledigt scheint, wo die Übersättigung der Sinne die Rückkehr zu
einfacheren Medien begünstigt.“565
Dieser Prognose zum trotz wird von einigen Autoren eine abnehmende
politische Wirksamkeit von Karikaturen konstatiert. Beispielsweise stellt PETER
DITTMAR fest: Während im 19. Jahrhundert die Karikaturen trotz der Repressalien, denen Zeichner und Verleger ausgesetzt waren, noch relativ „scharf“
gewesen sind, mangelt es ihnen heute an politischer Stoßkraft. Sie bewegen sich
nur noch im humoristisch-harmlosen Milieu, dem eine bedeutende politische
Aussage abgeht.566 Aus seinen Überlegungen zieht DITTMAR den Schluß, daß die
Karikatur gegenwärtig politisch keine nennenswerte Rolle spielt und auch in der
Vergangenheit keine so große gespielt hat, wie man ihr heute unterstellt. 567 Einer
einzelnen Karikatur ist nicht die Macht zuzugestehen, geschichtlich wirksam
werden zu können. Lediglich eine beharrliche Kontinuität bestimmter Motive in
der eher positiven Darstellung (wie in den Bismarck-Karikaturen des
Kladderadatsch oder in den Erhard-Karikaturen der Nachkriegszeit) bewirke
563
564
565
566
567
210
Hepp, Fred: SZ Karikade. Die Zeichner der Süddeutschen Zeitung. München 1970 (im
folgenden: Hepp 1970), S. 11.
„Hier nun liegen die Chancen des Karikaturisten. Sein Produkt fällt nicht nur sofort ins
Auge, es ist auch in kürzester Zeit aufzunehmen. [...] Die gelungene Karikatur ersetzt
nicht selten einen ganzen Leitartikel. [...] Für den eiligen Verbraucher ist die Karikatur um es einmal paradox zu sagen - ein flüchtiger Ruhepunkt auf der Reizschwelle.“ Hepp
1970, S. 11.
Herding 1980, S. 353.
Dittmar, Peter: Macht und Ohnmacht der Karikatur. In: Politische Studien, Jg. 19, 1968,
Nr. 181, S. 544-548 (im folgenden: Dittmar 1968); hier: S.546.
„Das Fazit ist für die politischen Karikaturisten wenig erfreulich. Sie sind zwar Teil der
Presse und tragen häufig Wesentliches zum Gesicht einer Zeitung bei, doch sie sind
trotzdem nur eine Arabeske, nur Anreiz und Verzierung. Es ist eben auch nur ein von
Satirikern verbreitetes Vorurteil, daß Lächerlichkeit töte.“ Dittmar 1968, S. 548.
etwas in der Wahrnehmung der Rezipienten, aber lediglich als harmlose „Erinnerungswerbung“, ohne politische Wirkung. Dieser Effekt läßt sich so
beschreiben, daß ein allgemein bestehendes Bedürfnis vorhanden zu sein
scheint, eine hochgestellte Persönlichkeit auf eine niedere Ebene herabgezogen
zu sehen und durch diese Herabsetzung auf das eigene Niveau die eigene
Niedrigkeit nicht mehr zu empfinden.568
Ausgerechnet das Herunterziehen der karikierten Persönlichkeit auf eine Ebene
mit dem Betrachter läßt sich auch als Argument für eine gegenteilige Einschätzung von der Wirkung der Karikatur benutzen: Zwar töte die Karikatur
nicht unmittelbar, doch „wie eine Zeitbombe und wie der stetig fallende
Tropfen, der einen Stein schließlich höhlt“, stürzt sie den Karikierten dennoch.
Diese Auffassung belegt SCHMOLL mit Beispielen:
„Louis-Philippe wäre schließlich 1848 nicht davongejagt, Napoleon III.
1870 nicht von den Franzosen im Stich, Wilhelm II. 1918 von den
deutschen Volksmassen nicht ohne Bedauern ziehen gelassen worden,
hätte nicht die Satire in Wort und - vor allem noch breitenwirksamer - im
Bild die Vorarbeit geleistet, um diese Monarchen nicht nur des Hermelins
zu entkleiden, sondern sie als ziemlich durchschnittlich begabte Menschen
mit vielen Fehlern und zu hoher Anmaßung bewußt zu machen“569
Wenig später spricht SCHMOLL jedoch von der „positiven Publicity-Wirkung“
der Karikatur. Bereits zu DAUMIERs Zeiten seien sich die Politiker dessen
bewußt gewesen, daß es allemal vorteilhafter ist, der Öffentlichkeit bekannt zu
sein (und sei es als Witzfigur) als völlig unbekannt:
„Der Bekanntheitsgrad eines Politikers steigt nicht nur mit seinen
Erfolgen, sondern auch mit seiner phänotypischen und physiognomischen
Einprägsamkeit als Karikatur. Sie kann zum Markenzeichen werden. [...]
Die Karikatur übt also im politischen Werbefeld als formelhafte Kennzeichnung - ähnlich der Warenreklame - eine ansehnliche Ausstrahlung
aus.“570
Diese scheinbar widersprüchlichen Einschätzungen der Wirkung von Karikaturen fügt SCHMOLL wieder zusammen, indem er ihnen beide Optionen
einräumt: Wenn Karikaturen einen Politiker immer wieder in karikierter Form in
den Medien präsentieren, etablieren sie seine Bekanntheit, seine Präsenz in den
Köpfen der Rezipienten und werben somit indirekt für ihn. Wenn die
Karikaturen aber über bloßes Lächerlich-Machen der Person hinausgehen und
568
569
570
Vgl.: Reumann 1966, S. 232.
Schmoll 1977, S. 20.
Schmoll 1977, S. 20f.
211
eine Offendeckung der Hintergründe seines Denkens und Handelns betreiben,
also psychologisch-analytische Ansprüche haben, dann könne das „in der
öffentlichen Meinung derart enthüllend wirken, daß darüber Könige, Präsidenten
oder Minister straucheln oder stürzen - jedenfalls Wahlkämpfe unterirdisch mit
beeinflußt werden.“571 Es ist jedoch fraglich, ob angesichts der Tatsache, daß
durch ihr Auftauchen in den Karikaturen die Politiker auch ein prägnantes Label
erhalten und im öffentlichen Bewußtsein einen Platz beanspruchen können,
solche politischen Stoßversuche nicht verfehlt sind. ERNST VOLLAND sieht in
den Karikaturen der Politikerpersönlichkeiten keine politischen Angriffe mehr:
„Franz Josef Strauß hat im Laufe der Jahre einen ganzen Zoo
zusammengezeichnet bekommen. Man sah ihn als Hirsch, Wildschwein,
Kröte, Krake, Löwe, Spinne, Krokodil. Aber die Ähnlichkeit auch mit
dem aggressivsten Tier läßt Strauß kalt. Alle diese Allegorien, Vergleiche,
Symbole sind stumpfe Waffen geworden. Kohl als Birne. Ein netter
Einfall. 1831 hatte der Herausgeber und Zeichner der ersten satirischen
Zeitschrift ´La caricature´, Charles Philipon, den französischen König
Louis-Philippe als Birne karikiert und war dafür mit Gefängnis bestraft
worden. Die Idee mit der Birne war so gut, daß Zeichner wie Daumier und
Grandville sie übernahmen. Heute Kohl als Birne zu veräppeln bringt
kaum eine Auflagensteigerung, geschweige denn eine wütende Reaktion
des Betroffenen. Im Gegenteil. Im Bundestagswahlkampf ´87 nutzte die
CDU einen Birnen essenden Kohl als Sympathiefänger in einer Anzeige.
Es ist sicherlich kein vorrangiges Ziel eines Zeichners, hinter Schloß und
Riegel zu kommen. Aber sollte dem Karikaturisten nicht ein bißchen mehr
Risiko zuzumuten sein?“572
Es ist jedoch auf Fälle zu verwiesen, in denen die Karikaturisten dieses Risiko
eingegangen sind:
„Auf dem Höhepunkt der Studentenbewegung nahm Rainer Hachfeld die
Strauß-Forderung nach einer ´Sammlungsbewegung zur Rettung des
Vaterlandes´ zum Anlaß für eine Karikatur, in der Strauß die Arme und
Beine zu einem Hakenkreuz verrenkt. Sie erschien 1969 im ´Berliner
Extra-Dienst´, und seitdem wissen wir, das NS-Symbole in Verbindung
mit Politikern 30 000 Mark kosten können. Auf dem braunen Auge sind
sie empfindlich, im Genitalbereich auch. Strauß + NS-Symbol +
Pornographie bringt 1000prozentig die Justiz ins Haus.“573
571
572
573
212
Schmoll 1977, S. 21.
Volland, Ernst: Ausgezeichnet. In: 70 mal die volle Wahrheit. Ein Querschnitt durch die
bundesdeutsche Karikatur der Gegenwart. Kassel v. 19.6.-20.9.1987. Hrsg. v. Achim
Frenz / Claus Heinz / Uli Müller / Andreas Sandmann. Hamburg 1987 (im folgenden:
Volland 1987), S. 15.
Volland 1987, S. 15.
Solcherlei Delinquenz erscheint VOLLAND jedoch nicht repräsentativ für die
zeitgenössische Karikatur: „Aber sonst? Die Mächtigen zeigen die kühle Schulter, jede Anmache wird weggesteckt, die Zeichner arbeiten gegen eine
Gummiwand.“574 Auch VÖLKER konstatiert nur eine geringe Schlagkraft der
Karikatur, weil sie bei aller Überspitzung angesichts der Realität verblaßt. Seine
These lautet:
„Die Wirklichkeit ist oft die größere Übertreibung. Rainer Hachfeld
versucht zum Beispiel die Rolle der USA in Südamerika karikaturistisch
auszudrücken, indem er einen grinsenden Gangster in ein Brot beißen läßt,
das die Form des südamerikanischen Kontinents hat. Oder er zeigt, wie
ein Fettwanst eine Banane verschlingt, die ein gefesselter Indio ist. Nichts
an diesen Karikaturen ist Übertreibung, es sind eher zu simple
Illustrationen zu Ausbeutungsverhältnissen, die in Wirklichkeit noch viel
klarer und brutaler sind. [...] Erschöpft sich das ´böse´ Amerika in Nixon,
den in aller Welt mordenden Yankees und den dollarschweren
Fleischkönigen? Vermitteln die bösartigen und niederträchtigen
Ungeheuer von Charles Addams, die vergiften und morden, die Monstren
der ´Gespensterfamilie´, nicht viel mehr von der politischen Realität und
dem gesellschaftlichen Zustand Amerikas?“575
Der Karikaturist RAINER HACHFELD selbst äußert sich ebenfalls kritisch
bezüglich des Wirkungspotentials von Karikaturen. Mit seinen Arbeiten will er
jeden ansprechen: „den politischen Gegner, den Sympathisanten, den Unpolitischen - den vor allem“.576 Doch Anspruch und Wirklichkeit treten auch hier
auseinander:
„Machen wir uns doch nichts vor! Der politische Gegner ignoriert uns
oder versucht, durch teure Zivilprozesse unsere Existenzgrundlage zu
vernichten. Ob das ein Erfolg ist? - Dem Sympathisanten sagt man kaum
etwas Neues. Man bestätigt ihn (was ich aber keineswegs unterschätze).
Aber die politische Mehrheit, unsere ´silent majority´ erreiche ich nicht.
[...] Ich bilde mir wahrhaftig nicht ein, mit meiner Arbeit viel bewirken zu
können, jedenfalls in Deutschland nicht. Wer hier glaubt, durch noch so
gute Karikaturen und Grafiken allein eine Bewußtseinsveränderung oder
überhaupt Bewußtsein zu bewirken, wer gar glaubt, allein mit dem
Zeichenstift politische Veränderungen herbeiführen zu können, ist ein
574
575
576
Volland 1987, S. 15. Er erwartet eine Karikatur mit einem weiterführenden Anspruch:
„Angesichts des desolaten Zustands unserer Gesellschaft und unseres Erdballs scheint es
eine Pflicht für die Karikaturisten, mit neuen, ungewöhnlichen Einfällen witzig und
aggressiv, moralisch und analytisch Position zu beziehen. Wer hier die Feder führt, wird
in einem Atemzug mit Goya, Daumier und Grosz genannt werden.“ Volland 1987, S. 15.
Völker 1975, o.S.
Hachfeld, Rainer in einem Interview mit der Zeitschrift tendenzen. In: tendenzen, Jg. 13,
1972, Nr. 83, S. 27-31 (im folgenden: Hachfeld 1972); hier: S. 29.
213
unrealistischer Träumer. Die Arbeit des Zeichners [...] kann immer nur Ergänzung, bestenfalls Hilfsmittel im politischen Kampf sein, und nur darin
sehe ich meine Aufgabe.“577
Nach dem Motto „Das Sein bestimmt das Bewußtsein“ zeigt BORNEMANN
allerdings die Schranken eines politischen Kampfwillens bei den Karikaturisten:
„Die Karikatur kann in der kapitalistischen Gesellschaft durchaus als
Ware, der Karikaturist als ihr Produzent und das Publikum als Konsument
aufgefasst werden. [...] Sie [die Karikaturisten - A.P.] sind häufig als
Trickfilmzeichner, Werbegraphiker, Designer, (Kinderbuch-)Illustratoren
tätig. Als renommierte Graphiker sind sie dem journalistischen Verschleissbetrieb meist enthoben, besitzen, auch finanziell, grössere
Unabhängigkeit. Auf diesem ´goldenen Boden´ lässt sich zwar auch Satire
machen, aber sie wird kaum so weit gehen, das kapitalistische
Eigeninteresse des Zeichners zu verletzen, denn dieser lebt nun - im
wahrsten Sinne des Wortes - von dem System, das anzugreifen er sich
wohl hüten wird.“578
HERDING, der einleitend in seinem Artikel „Karikaturen-Perspektiven“ noch von
der „Brisanz“ der Karikatur spricht579 und in ihr eine Gefahr für reaktionäre
Interessen sieht, ja sogar den Mißerfolg, den Franz-Josef Strauß bei seiner
Kandidatur zur Kanzlerwahl 1980 erleiden mußte, der Karikatur anrechnet580,
kritisiert an anderer Stelle seines Aufsatzes, daß die Karikatur heute den
Betrachter allenfalls zu einer bestimmten Vorstellungsarbeit motiviert, aber
577
578
579
580
214
Hachfeld 1972, S. 29.
Bornemann 1972, S. 15.
Herding nimmt eine Begebenheit im Jahre 1976, bei der Bundestagsabgeordnete der
CDU/CSU während einer Ausstellung in Bonn karikaturistische Plakate des Politgraphikers Staeck von den Wänden rissen, zum Anlaß, der politischen Karikatur
„ungeachtet ihrer Formkrise“ eine „neue Brisanz“ zuzusprechen: „Karikaturistische
Plakate mit politischen Motiven werden abgerissen von Volksvertretern, die ansonsten
mit Eigentum sorgsam umzugehen gewohnt sind. [...] Karikaturisten wird in Staaten mit
freiheitlich-demokratischer Grundordnung der Prozeß gemacht mit Argumenten, die
schon dem Bürgerkönig zu Zeiten Daumiers die Verachtung der Nachwelt eintrugen.“
(Herding 1980, S. 353f). Er sieht in den Karikatur das Potential, eine politische Gefahr
für reaktionäre oder kapitalistische Interessen zu sein. Herding nimmt hier Bezug auf ein
Urteil des Landgerichts Köln vom 1.7.1976, in dem in zweiter Instanz fünf Bürger wegen
„Beschimpfung der Bundesrepublik Deutschland durch Verbreiten eines karikierenden
Plakats“, das den Bundesadler verzerrt darstellte, verurteilt wurden (vgl.: Herding 1980,
S. 382, Anmerk. 6). Doch sind solcherlei Reaktionen auf Karikaturen wohl Ausnahmen,
die keine Schlüsse über die politisch-kritische Fähigkeit von Karikaturen im allgemeinen
zulassen (um den politischen Widerstandsgeist Staecks gegen das Establishment zu
relativieren, sei darauf hingewiesen, daß er 1994 im Bundestagswahlkampf als
Karikaturist Wahlplakate für die SPD gestaltete).
Vgl.: Herding 1980, S. 353f.
nicht zu einer eigenen Handlung. Die Karikatur biete keine vorwärtsweisenden
Perspektiven mehr.581
Den gleichen Sachverhalt kritisiert WEIGLE: Die Karikaturen anläßlich des
Zweiten Golfkrieges zeichneten zumeist ein apokalyptisches Bild und sind
damit eine endgültige Formulierung, auf die keine Aktion mehr erfolgen
könne.582 Mit seiner Auffassung, die Karikatur habe kapituliert, unterstellt er,
daß sie zwar noch eine Aussage besitzt, diese aber eher bereits Bekanntes und
Erkanntes darstellt und somit keine Kreativität mehr hat. Die Karikatur ist
demnach kein Motor eines Bewußtwerdens politischer Umstände mit politischer
Konsequenz.
Die Wirkungskraft von Karikaturen wird also sehr unterschiedlich bewertet. Die
Frage nach den Möglichkeiten der Karikatur läßt sich nicht eindeutig beantworten. Dennoch wurden verschiedene Maßstäbe zur Beurteilung versucht.583
Ein direkter Einfluß der Karikatur auf bestimmte Einstellungen oder
Handlungen der Rezipienten läßt sich empirisch nicht nachweisen, weil ein
Medium (hier die Karikatur) nicht isoliert wirkt, sondern der Mensch einem
Konglomerat unterschiedlichster Einflüsse seitens der Medien ausgesetzt ist.
Der Stellenwert der Karikatur bei der Einflußnahme läßt sich nicht herauskristallisieren. Die Karikatur kann nicht abgesondert werden von all dem
anderen, das als Information wahrgenommen wird oder das Meinung macht. Es
gibt keine Trennung von Information, Unterhaltung und Manipulation. Die Rede
ist vom „Infotainment“ oder von „Entermation“, schließlich von der „Manipulation der bereits Manipulierten“. Die aktuelle Medienforschung - so v.a.
POSTMAN - befaßt sich mit dem Phänomen, daß jegliche Medienaussage zur
Unterhaltung gerät. Nicht eine Wirklichkeit wird wiedergegeben, sondern eine
Wirklichkeit wird geschaffen. Von der politischen Konsequenz her ist die
Medienrealität die einzig geltende Realität (Beispiel: Golfkriegsberichterstattung).
Bei aller Skepsis bezüglich der meinungsbildenden Potenz von Karikaturen darf
nicht unterschätzt werden, daß „doch der Funken zur handelnden Aktivität
581
582
583
Vgl.: Herding 1980, S. 363.
Vgl.: Weigle 1991, S. 17.
Reumann verweist darauf, daß Ideologen, die die Karikatur zu bestimmten Zwecken
einsetzen, die Wirkung nicht an der Realität, sondern an der Intention messen. Er warnt
davor, Erfahrung als Maßstab zu nehmen, weil sie sich gar nicht greifen läßt, und ebenso
zweifelhaft sind die Methoden der empirischen Sozialforschung. Vgl.: Reumann 1966, S.
219.
215
überspringen“584 kann. Karikaturen haben die Fähigkeit, politische Trends zu
fördern, „wenn die Bevölkerung hierfür empfänglich ist“.585 Die antijüdischen
Karikaturen des „Stürmers“ sind ein Beispiel dafür.
Im Zusammenhang mit der These vom „Befreiungslachen“, das durch eine
Karikatur ausgelöst werden kann, ist die Bedeutung des aus psychologischer
Sicht unterstellten Aggressionsabbaus im Vergleich zu einer potentiellen
Aggressionssteigerung durch die Karikatur zu reflektieren. SCHNEIDER hegt den
Verdacht, daß Karikaturen vielmehr vorhandene Aggressionen bestätigen,
aktualisieren, legitimieren und vermehren.
„So könnte man als Gegenthese zum Ventil-Effekt die Behauptung setzen,
daß mich die Karikatur in meiner Aggression bestärkt, statt mich von ihr
zu befreien, weil sie mir im Karikaturisten einen Bundesgenossen zeigt,
der so stark scheint, daß er sich über den Gegner sogar lustig zu machen
getraut. Diese Verstärkerthese scheint als Regel plausibler als ihr
Gegenteil.“586
Gerade eine gelungene Formulierung in einer Karikatur kann die Aussage in den
Hintergrund treten lassen. Das „Zünden“ der Pointe verhindert dann das
eigentliche Nachdenken über den Sachverhalt. Das Vergnügen an dem Bild
kann zu der Illusion führen, der Sachverhalt sei einleuchtend, man verstehe ihn,
obwohl die Darstellung vielleicht gar nicht stimmig ist. 587 Hierin liegt eine
potentielle Gefahr, denn Vorurteile und Klischees könnten mechanisch
verinnerlicht werden, ohne daß sie an der Wirklichkeit verifiziert werden.588
Wenn auch nicht auf Karikaturen bezogen, so doch auf propagandistische
Äußerungen im allgemeinen, beschäftigt sich JÄGER mit der Frage nach
etwaigen Folgewirkungen. Es gilt herauszufinden, inwiefern es solchen
Äußerungen (zu denen sich auch Karikaturen zählen lassen) gelingt, auf den
Interdiskurs, also auf den allgemeinen Sprachgebrauch und damit verbunden auf
die Denkweise breiter Schichten, einzuwirken. Der Interdiskurs wiederum prägt
die Bevölkerung, „sicherlich sozial differenziert, aber dennoch massenhaft in
ihrem Denken“589. Der einzelne ist niemals „diskursfrei“. Es gibt keine
„Subjektivitätsräume“ gänzlich außerhalb jeglicher Diskurse. Die Anwendbarkeit dieses Ansatzes läßt sich mit einer Bemerkung GOMBRICHs belegen:
584
585
586
587
588
589
216
Grünewald 1979, S. 150.
Seidler 1982, S. 24.
Schneider 1988, S. 62 (Hervorhebung im Original).
Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 389.
Vgl.: Grünewald 1979, S. 18.
Jäger 1991, S. 42.
„Der Karikaturist ´mythologisiert´ die Politik, indem er sie
´physiognomisiert´. Aus der Vermischung von Mythos und Realität
schafft er eine Substanz, eine Droge, auf die der emotionale Teil unserer
Psyche unwiderstehlich mit Überzeugung reagiert.“590
DITTMAR billigt der Karikatur allenfalls in der kontinuierlichen Darbietung
negativer Stereotypen ein Wirkungspotential zu. Er verweist auf Motive in
historischen Karikaturen wie das „Judenschwein“, oder die „Birne“ als Zeichen
für Louis-Philippe, bei denen dies der Fall gewesen ist. Eine solche Folge und
Wiederholung von Motiven benennt DITTMAR mit dem der Musik entliehenen
Begriff „Abbreviatur“ und betont, daß sie politisch effektiv nur in ihrer
Anwendung zur Charakterisierung eines Negativ- bzw. Feindbildes sind. Er
konstatiert also in der Abbreviatur negativer Bilder noch ein Quentchen
politischer Effektivität der Karikatur.
Die hier aufgelisteten Meinungen zum Wirkungspotential der Karikatur sollen
nicht nur ein Spiegel der unterschiedlichen Einschätzungen sein, sondern auf die
Problematik der Überschätzung der Karikatur einerseits und der Verharmlosung
ihrer politischen Bedeutung andererseits aufmerksam machen. Ein pauschales
Urteil über die Wirkungskraft von Karikaturen ist haltlos. Weder darf man ihr
ganz allgemein eine Wirkung als ausschlaggebendes Kampfmittel zugestehen,
noch darf man ihre Möglichkeiten, Handlungskonsequenzen hervorzurufen,
ignorieren. Deshalb verkennt meiner Meinung nach eine Einschätzung wie die
HOFMANNs, die von der Impotenz der Bilder in den Medien ausgeht, die
tatsächliche politische Macht der Karikatur ebenso wie der beschriebene
Gemeinplatz, die Karikatur kämpfe automatisch auf Seiten der Aufklärung.
Beide, im Prinzip konträre, Auffassungen von der Karikatur mißachten ihre
Fähigkeit, dem Betrachter Bilder von politischen Ereignissen zuzutragen.
Evident ist in diesem Zusammenhang, daß die Karikatur ihre emanzipatorische
und aufklärerische Funktion verliert, wenn sie kein faktisches politisches
Ereignis kommentiert und den Betrachter dazu in die Lage versetzt, kritisch
Stellung zu beziehen, sondern eine subjektive, nicht auf Fakten basierende Sicht
auf emotionaler Ebene vermittelt und damit eine Politik suggeriert. In der
Karikatur spiegelt sich nicht nur eine bestimmte Wahrnehmung politischer
Gegebenheiten, sie zieht auch eine entsprechende Wahrnehmung seitens des
Rezipienten nach sich. Hier manifestiert sich die politische Macht der Karikatur.
590
Gombrich 1962/1984, S. 398.
217
Die politische Rolle der Karikaturen verdient, beachtet zu werden, denn die von
ihnen verwendeten Stereotype rufen im Bewußtsein der Betrachter bereits
vorhandene Vorurteile auf und verstärken sie wiederum gleichzeitig.
Karikaturen, die Träger von Feindbildern sind, sind zugleich auch deren
Multiplikatoren. Die politische Tragweite der modernen Massenmedien für die
Sicht der Dinge ist offenkundig. So wie die Medien im allgemeinen, so prägen
auch die Karikaturen im besonderen Wahrnehmungen und Einstellungen. Sie
konstituieren in nicht unbeträchtlichen Maße Wirklichkeiten. Da gerade die
Vorgänge außerhalb seiner unmittelbaren Lebenswelt vom Rezipienten nicht
direkt erfahrbar sind, bleibt ihm nur die Information aus zweiter Hand - der
Umweg über die Medien. So wie in der politischen Berichterstattung überhaupt,
so wird erst recht in den Karikaturen eine Personalisierung von Geschehnissen
und Machtverhältnissen betrieben. Eine Politikerpersönlichkeit verkörpert eine
bestimmte Politik, eine Ideologie oder eine „Mentalität“. Wenn ein feindlicher
Diktator als Feind in den Karikaturen erscheint, dann steht er für ein ganzes
Bündel negativ bewerteter Merkmale, die verallgemeinert und auf ganze Völker
bezogen werden.
„Die Konsequenzen sind tödlich: ein Bombenhagel auf die irakische
Bevölkerung, weil die ganze Welt gegen den ´Satan Saddam Hussein´
Krieg führt; tausende Tote bei der Invasion in Panama, um einen Drogenhändler gefangenzunehmen. In einer demokratischen, an den Menschenrechten orientierten Gesellschaft ist das nur möglich, wenn die
Massenmedien für die entsprechende Legitimation in der Öffentlichkeit
sorgen. Feindbilder sind nicht die Ursache von Kriegen, meinte der
Schweizer Schriftsteller Max Frisch, aber sie erleichtern das Führen von
Kriegen ungemein.“591
Dieser Befund im Hinblick auf die politische Bedeutung der Medien läßt sich
auch speziell auf Karikaturen anwenden. Wenn gewisse Stereotype (von
„anderen“, vom Feind) in der Karikatur propagiert werden, tragen sie die Politik
derjenigen, die ein Interesse an Vorurteilen und an einem Feinddenken haben.
Insofern sind sie eher nutzbringend für das jeweilige Herrschaftssystem, als daß
sie eine kritische Distanz einnehmen. Die mit Stereotypen arbeitenden
Karikaturen sind - wie dargestellt - keine Ausnahme, sondern die Zeichnungen
geraten immer wieder in Gefahr, Feindbilder zu transportieren, weil sie
schablonenhafte politische und soziale Vorurteile aufgreifen. Damit rufen diese
591
218
Angerer, Roland: Fremdenfeindlichkeit und Feindbilder in Printmedien. In: Das Ende der
Gemütlichkeit. (Schriftenreihe Arbeitshilfen für die politische Bildung, Bd. 316). Hrsg.
v. d. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1993, S. 131-138; hier: 131f.
Karikaturen bestimmte Assoziationen hervor, die wiederum eine differenzierte
Wahrnehmung der politischen Gegebenheiten verhindern und somit durchaus
politische Wirkungen haben. Solche Bilder vermitteln keine tiefere Reflexion
der politischen Realität.
In den Fällen, in denen Feindbilder in Karikaturen mitschwingen, haben diese
Zeichnungen keine aufklärende Funktion mehr, sondern im Gegenteil den Effekt
der Verschleierung. Eine Karikatur, die sich für die Entlarvung verdeckter
machtpolitischer Interessen engagiert und sich als Anwältin der „Wahrheit“
begreift, darf nicht dem herrschenden Diskurs unterliegen, sondern muß um die
Aufdeckung der tatsächlichen Motive der Politik bemüht sein.
219
220
ANHANG
221
222
1
ANNIBALE CARRACCI
(Feder, 133 x 200mm)
Ende 16. Jahrhundert
2
„Kardinal Scipione Borghese“
GIANLORENZO BERNINI
(Feder, 274 x 200mm)
ca. 1650
223
3
PIERLEONE GHEZZI
(Feder über Blei, 277 x 200mm)
ca. 1720
4
WILLIAM HOGARTH
(Kupferstich-Radierung
206 x 176mm)
Januar 1731
224
5
CHARLES PHILIPON
(Lithographie, 335 x 235mm)
La caricature
24. November 1831
6
(Holzschnitt)
ca. 1521
225
7
„Gobbi“
JACQUES CALLOT
(Radierung, 620 x 870mm)
um 1622
8
LEONARDO DA VINCI
(Feder und Tusche,
260 x 206mm)
ca. 1490
226
9
JOHN TENNIEL
(Holzschnitt, 410 x 270mm)
Punch
29. März 1890
10
KLAUS STUTTMANN
die tageszeitung
19. Mai 1995
227
11
HONORÉ DAUMIER
12
OLAF GULBRANSSON
Simplicissimus
13
LUIS MURSCHETZ
Die Zeit
23. Februar 1996
228
14
ROBERT LEONARD,
(Plakat, Farbdruck, 720 x 572mm)
1917
229
15
BENNO BERNEIS
(Holzschnitt)
1905
230
16
Filmplakat für die besetzten Niederlande
1940
231
17
„Springe - der Fallschirm
kommt später“
FRITZ BEHRENDT
1971
18
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
26. Februar 1987
232
19
RENAN LURIE
Die Presse
6. September 1988
20
DAVID LEVINE
Die Zeit
23. Februar 1996
233
21
DAVID LEVINE
Die Zeit
23. Februar 1996
22
Illustration zum Leitartikel
Die Zeit
31. März 1995
234
23
WALTER HANEL
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
28. August 1992
24
HONORÉ DAUMIER
Charivari
17. März 1871
235
25
Österreichische Karikatur
Kikeriki
1870
26
EMMWOOD
(JOHN MUSGRAVE-WOOD)
Juli 1973
236
27
Flugblatt
1871
28
FELIX MUSSIL
März 1983
29
Eulenspiegel, 1849
237
30
FELIX MUSSIL
März 1970
31
„Frühling in Hoyerswerda“
WALTER HANEL
(farbige Feder, Tusche,
Tempera, Lack gespritzt,
290 x 385mm), 1993
32
„Wir werden die Welt beherrschen!“
ohne Signatur
Charivari
1896
238
33
ohne Signatur
(Farbdruck, 314 x 225mm)
Der Wahre Jakob
22. November 1918
34
Belgische Karikatur
Belgische Volksprent
September 1914
239
35
BERNARD COOKSON
Sun
7. April 1987
36
BILL CALDWELL
Daily Star
5. Juni 1992
37
JAK
(RAYMOND ALLEN JACKSON)
Evening Standard
29. April 1992
240
38
DAVE GASKILL
Today
21. Januar 1991
39
JUPP WOLTER
Juli 1990
„Dear Helmut, wir Briten haben es nicht so dick, daß wir
uns alle vierzig Jahre eine neue Brille leisten könnten!“
40
„Die französischen Freiwilligen auf dem Weg zur Eroberung Großbritanniens“
Britische Karikatur, 1803
241
41
DANZIGER
International Herald
Tribune
18. September 1992
42
„Rue Transnonain,le 15 avril 1834“
(Lithographie, 290 x 445mm)
HONORÉ DAUMIER, Juli 1834
242
43
Erster Weltkrieg
44
Deutsche Karikatur
Erster Weltkrieg
243
45
WILLIAM HENRY DYSON
(Lithographie Nr. 6 aus der
Serie „Kultur Cartoons“,
276 x 221mm)
1915
46
„Rest in Peace“
SIR DAVID ALEXANDER
CECIL LOW
1940
244
47
JULIUS USSY ENGELHARD
Plakat der SPD, Januar 1919
245
48
GINO BOCCASILE
(Plakat, Farbdruck)
1942
246
49
CHRIS RIDDELL
The Observer
12. November 1995
50
PATRICK OLIPHANT
International Herald
Tribune
6. Mai 1993
247
51
Deutsche Karikatur aus dem
Ersten Weltkrieg
52
OLAF GULBRANSSON
1920
248
53
„John Bulls Kriegsziel“
SIR J. BERNARD PATRIDGE
Punch
18. Oktober 1939
54
LOUIS LEGRAND
Le Courier Francais
1888
249
55
„Töte das faschistische Biest“
DENI (VIKTOR NIKOLAYEVICH DENISLOV)
(Plakat), 1942
250
56
Plakat des Volksbundes für Frieden und Freiheit e.V., Bonn, 1951
251
57
PEPSCH (JOSEF GOTTSCHEBER)
Badische Neueste Nachrichten
10. April 1987
58
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
1. August 1994
59
NICOLAS PECAREFF
1985
252
60
EMILIO KÜPFER
Bystander
19. Mai 1915
61
PATRICK OLIPHANT
Die Welt
25. Februar 1991
253
62
Britische Karikatur
Der Spiegel
27. August 1990
63
„Les Contes de Perrault“
GUSTAVE DORÉ
1862
64
„Ich bin der Staat. Wir sind der Staat“, Sowjetische Karikatur
254
65
Wahlplakat zur Reichtagswahl
1920
255
66
OSKAR GARVENS
67
ARTHUR JOHNSON
Kladderadatsch
9. April 1933
256
68
Sowjetisches Plakat
1941
257
69
Sowjetische Karikatur
Prawda
8. November 1961
70
Vietnamesische Karikatur
258
71
signiert: WIZ
Allgemeine Zeitung
12. Oktober 1994
72
BAS (BAS MITROPOULOS)
Die Presse
30. Januar 1991
259
73
WALTER HANEL
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
19. August 1995
74
Russische Karikatur
1907
260
75
Deutsches Plakat für die besetzte UdSSR
(Farbdruck), 1941-1945
261
76
Amerikanisches Plakat
(Farbdruck), 1942
262
77
PATRICK OLIPHANT
International Herald
Tribune
28. August 1990
78
OSCAR EDWARD CESARE
New York Sun
1914
79
ANTONÍN PELC, 1937
263
80
PAT KEELY
Englisches Plakat für die von Japan besetzten holländischen Kolonien (Ostindien)
(Farbdruck), 1944
264
81
JEAN EMMANUEL
D'AURIAN
1899
265
82
OTTLER
Plakat des Vereins für das Deutschtum im Ausland, Landesverband Bayern (Farbdruck), 1933
266
83
JOHN GAYDOS
Plakat des Office of Inter-American Affairs, (Farbdruck), 1942
267
84
Deutsches Plakat für das besetzte Polen
1943
268
85
KUKRYNSKY
Prawda
1975
269
86
HORST HAITZINGER
Nebelspalter, Nr. 17
1968
270
87
Plakat der CDU zur Bundestagswahl
(Farbdruck), 1949
271
88
ca. 1950
272
89
CDU-Plakat zur Bundestagswahl
(Farbdruck), 1953
273
90
GLENN GROHE
(Plakat, Farbdruck)
1942
274
91
Plakat der NPD gegen die Ratifizierung der Ostverträge
(Farbdruck)
1972
275
92
WALTER HANEL
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
4. Januar 1989
93
KLAUS BÖHLE
Die Welt
7. März 1991
94
KLAUS BÖHLE
Die Welt
18. Februar 1989
276
95
Plakat der NSDAP zur Reichstagswahl
1932
277
96
Plakat der NSDAP
1924
278
97
„Kapital“
DENI
(VIKTOR NIKOLAYEVICH
DENISLOV)
1919
279
98
signiert: LG
(LÁSZLO DÁLLOS ?)
(Farbdruck, 270 x 376mm)
Der Knüppel, 10. Juli 1924
99
„30 Silberlinge“
KUKRYNSKY
Prawda
13. September 1949
280
100
„Die ersten Früchte der
Aggression“
BORIS EFIMOVICH EFIMOV
Prawda
24. November 1956
101
„Hunderte von Millionen
Dollar für die Hochrüstung“
Iswestija
19. Juli 1982
281
102
Plakat der JUSOS, 1972
282
103
DONALD WRIGHT
Der Spiegel
9. Juli 1979
104
signiert D. W.
(DIETER WILD ?)
Der Spiegel
10. September 1990
105
PETER LEGER
Süddeutsche Zeitung
23. Januar 1981
283
106
FRITZ STEUB
(Holzstich)
Fliegende Blätter,
Bd. 53, Nr. 1308, Beilage
1870
107
FAUSTIN
(FAUSTIN BETBEDER)
1870
284
108
BAS (BAS MITROPOULOS)
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
21. Dezember 1985
109
„Vor neuen Taten“
WALTER HANEL
Kölner Stadt-Anzeiger
3. August 1990
110
BERND BRUNS
Neue Ruhr Zeitung
29. Januar 1991
285
111
HORST HAITZINGER
Nordwest-Zeitung
29. Januar 1991
112
„Schnitter Tod“
The Nation
5. April 1933
286
113
(Plakat, Farbdruck)
1944
287
114
FELIX MUSSIL
September 1981
115
KLAUS BÖHLE
Die Welt
25. Oktober 1993
288
116
G. HERWIG
Deutsches Luftschutzplakat, (Farbdruck)
1940
289
117
DANIEL ROBERT FITZPATRICK
15. Mai 1940
118
Niederländische Karikatur
aus der Besatzungszeit
De Groene Amsterdammer
ca. Mai/Juni 1940
290
119
„Der ominöse Schatten
der Nato über Zypern“
Sowjetische Karikatur
(KERSHIN ?)
Izvestija
1. Februar 1964
120
ROMULUS CANDEA
Rheinische Post
25. Februar 1984
291
121
KLAUS BÖHLE
Die Presse
3. März 1989
122
THOMAS ROWLANDSON
1815
292
123
signiert: F.D.
124
HORST HAITZINGER
tz / Der Spiegel
5. März 1979
293
125
ROMULUS CANDEA
Nordwest-Zeitung
3. April 1991
126
KLAUS BÖHLE
Die Welt
7. November 1994
294
127
HORST HAITZINGER
Berliner Zeitung
12. Juli 1996
128
PEPSCH (JOSEF GOTTSCHEBER)
Der Tagesspiegel
13. Juli 1996
295
129
THOMAS ROWLANDSON
1815
130
BILL MAULDIN
Chicago Sun-Times /
Der Spiegel
21. Juni 1979
296
131
KARL-HEINZ SCHOENFELD
Hamburger Abendblatt
7. Februar 1991
132
Der Entente-Frieden“
ARPÁD SCHMIDHAMMER
(Zeichnung)
Jugend
15. Mai 1919
297
133
„Die apokalyptischen Reiter“
ALBRECHT DÜRER
(Holzschnitt)
1498
134
„Sous la Main du Destin.'Dieu avaugle ceux qu'il
veut perdre!'„
ALMÉRY LOBEL-RICHE
ca. 1914/15
298
135
„Der Krieg“
JOHN HEARTFIELD
(Fotomontage)
1933
136
Sowjetisches Flugblatt
(Farbdruck)
1942
299
137
„Der fünfte Reiter“
PATRICK OLIPHANT
138
Britische Karikatur
(ILLINGWORTH)
Daily Mail
17. Juni 1940
139
Französische Karikatur
La Gerbe
17. August 1944
300
140
FRANK CERNY
Westdeutsche Allgemeine
Zeitung
9. Januar 1991
141
signiert: RABENAU
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
8. Januar 1991.
301
142
FRANK MÜLLER
Junge Welt
11. Februar 1991
143
HEINRICH KLEY
(Federzeichnung)
302
144
ohne Signatur
(Farbdruck)
1940
145
PATRICK OLIPHANT
International Herald
Tribune
10. April 1980
303
146
RENAN LURIE
Die Presse
17. August 1990
147
ROY PETERSON
International Herald
Tribune
18. September 1990
148
signiert: BENSON
Morning News Tribune
(Washington) / Die Welt
21. Januar 1991
304
149
KLAUS PIELERT
Handelsblatt
11. Oktober 1994
150
BARBARA
HENNIGER
Der Tagesspiegel
27. Mai 1995
151
signiert: WIZ
Stuttgarter Zeitung
4. November 1995
305
152
KLAUS BÖHLE
Die Welt
26. Februar 1996
153
ROLF-DIETER WUTHE
Mannheimer Morgen
12. Juli 1991
154
Signiert: PANCHO
Le Monde
29. Juli 1992
306
155
RENAN LURIE
Die Presse
7. März 1992
156
HORST HAITZINGER
Berliner Zeitung
17. Juli 1991
307
157
LUFF (ROLF HENN)
Hannoversche Allgemeine
24. September 1991
158
KLAUS BÖHLE
Die Welt
7. Juni 1995
159
ERNST HEIDEMANN
Hessische Allgemeine
Zeitung
22. Juli 1995
308
160
BURKHARD MOHR
General-Anzeiger
6. März 1992
161
JUPP WOLTER
Bonner Rundschau
12. März 1992
162
MAC (STAN MACMURTY)
Daily Mail (London) /
Der Spiegel
8. April 1991
309
163
PETER BENSCH
Rhein-Zeitung
29. September 1980
164
PETER LEGER
Hannoversche Allgemeine
Zeitung
17. Juli 1982
165
KLAUS BÖHLE
Die Welt
23. August 1990
310
166
JEFFREY KENNETH
MACNELLY
International Herald
Tribune
20. August 1990
167
PETER LEGER
Süddeutsche Zeitung /
Der Spiegel
21. Januar 1991
168
FRANK CERNY
Westdeutsche Allgemeine
Zeitung
19. Juli 1982
311
169
signiert: RULLE (?)
Flensburger Tageblatt
25. Februar 1991
170
ERNST HEIDEMANN
Frankfurter Neue Presse
28. August 1979
171
ERNST HEIDEMANN
Saarbrücker Zeitung
29. August 1992
312
172
HORST HAITZINGER
Der Spiegel
13. August 1973
173
FRANK CERNY
Westdeutsche Allgemeine
Zeitung
7. Januar 1989
313
174
KLAUS BÖHLE
Die Welt
19. Januar 1991
175
JÜRGEN TOMICEK
Flensburger Tageblatt
31. Januar 1991
176
RENAN LURIE
Die Welt
11. April 1980
314
177
PEPSCH
(JOSEF GOTTSCHEBER)
Süddeutsche Zeitung
25. September 1980
178
PEPSCH
(JOSEF GOTTSCHEBER)
Hannoversche Allgemeine
10. März 1980
179
FRITZ BEHRENDT
Hannoversche Allgemeine
20. Juli 1982
315
180
KLAUS BÖHLE
Die Welt
15. Februar 1986
181
HORST HAITZINGER
Nordwest-Zeitung
9. Februar 1991
316
182
KLAUS PIELERT
Kölner Stadtanzeiger
11. Oktober 1994
183
NIK EBERT
Rheinische Post
7. Juni 1989
184
NIK EBERT
Bonner Rundschau
16. August 1995
317
185
JUPP WOLTER
Allgemeine Zeitung
16. Februar 1979
186
JUPP WOLTER
Neue Osnabrücker
Zeitung
19. Juli 1982
187
signiert: WK (KRÜGER)
Badische Neueste
Nachrichten
26. September 1980
318
188
WALTER HANEL
Hessische Allgemeine
18. August 1980
189
HORST HAITZINGER
Tz
25. September 1980
190
FRITZ WOLF
Neue Osnabrücker Zeitung
2. August 1979
319
191
FRITZ WOLF
Neue Osnabrücker Zeitung
7. März 1991
192
„Annäherung“
FRITZ BEHRENDT
1975
193
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
4. September 1981
320
194
Waldemar Mandzel
Die Rheinpfalz
2. April 1991
195
JÜRGEN TOMICEK
Aachener Volkszeitung
22. Juli 1993
196
JÜRGEN TOMICEK
Aachener Volkszeitung
15. Juli 1993
321
197
HANS GEISEN
1960
198
HANS GEISEN
1968
199
FRITZ WOLF
Neue Osnabrücker Zeitung
15. Juli 1995
322
200
FRITZ BEHRENDT
1974
201
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
10. Mai 1983
202
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
27. Dezember 1986
323
203
FRITZ BEHRENDT
Badische Neueste
Nachrichten
1. Oktober 1990
204
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
23. Januar 1991
205
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
15. September 1990
324
206
DIETER ZEHENTMAYR
1989
207
TIL
(GOTTHARD-TILMAN
METTE)
die tageszeitung
11. September 1993
208
PLANTU (JEAN PLANTUREUX)
Le Monde / Die Presse
10. Mai 1989
325
209
PLANTU (JEAN PLANTUREUX)
Le Monde / Die Presse
25. Februar 1991
210
ERNST HEIDEMANN
Die Neue Ärztliche
22. August 1990
211
GÜNTER RYSS
Mannheimer Morgen
28. September 1990
326
212
JIM BORGMAN
Cincinnati Enquirer /
Die Welt
11. Februar 1991
213
signiert: WIZ
Allgemeine Zeitung
31. Mai 1995
214
DANZIGER
International Herald Tribune
30. November 1993
327
215
BILL MAULDIN
Welt am Sonntag
9. September 1984
216
HORST HAITZINGER
Neue Ruhr Zeitung
9, Januar 1989
328
217
ROMULUS CANDEA
Rheinische Post
17. Januar 1991
218
BERND BRUNS
Neue Ruhr Zeitung
22. Februar 1991
219
ERNST MARIA LANG
Süddeutsche Zeitung
20. Juli 1994
329
220
WALTER HANEL
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
18. Januar 1993
221
DANZIGER
International Herald Tribune
16. Februar 1991
222
Der Tagesspiegel
20. Juli 1995
330
223
HORST HAITZINGER
Rhein-Zeitung
30. November 1979
224
GERHARD MESTER
Deutsches Allgemeines
Sonntagsblatt
7. September 1990
331
225
RENAN LURIE
Le Figaro
3. Februar 1991
226
WALTER HANEL
Augsburger Allgemeine
1. März 1984
332
227
JÜRGEN TOMICEK
Aachener Zeitung
24. August 1996
228
WALTER HANEL
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
14. April 1986
229
FRITZ BEHRENDT
1974
333
230
HANS JOACHIM GERBOTH
Bonner Rundschau
18. Februar 1989
231
KLAUS BÖHLE
Die Welt
12. Januar 1991
232
LUIS MURSCHETZ
Die Zeit
26. September 1980
334
233
LUFF (ROLF HENN)
Stuttgarter Zeitung
19. Januar 1991
234
BAS (BAS MITROPOULOS)
Die Presse
12. Januar 1993
235
WALDEMAR MANDZEL
Die Rheinpfalz
13. August 1990
335
236
WALDEMAR MANDZEL
Badische Neueste
Nachrichten
18. Januar 1993
237
LUIS MURSCHETZ
Die Zeit
15. Januar 1993
238
„Vier Jahrhunderte Kultur in
vier Tagen zerstampft!“
Belgische Postkarte
1914
336
239
FRANK REYNOLDS
The Sketch /
L'Europe Anti-Prussienne
2. September 1914 / 15.
Oktober 1914
240
JOHN HEARTFIELD
Arbeiter Illustrierte Zeitung
28. Februar 1935
337
241
MAX ESCHLE
(Plakat), 1936
338
242
Plakat der Bayrischen Volkspartei zur Landtagswahl
12. Januar 1919
339
243
„Der russische Griff nach
Spanien“
FRANZ BRAZDA
(Feder über Blei,
207 x 286 mm)
1936/37
244
Stuttgarter Zeitung
17. Juli 1982 (?)
245
GÜNTER RYSS
Mannheimer Morgen
12. Januar 1993
340
246
FRITZ BEHRENDT
247
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
28. Juli 1987
248
HANS JOACHIM GERBOTH
Lübecker Nachrichten
20. Juli 1982
341
249
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
12. April 1986
250
KARL-HEINZ
SCHOENFELD
Hamburger Abendblatt
29. Januar 1991
251
KARL-HEINZ SCHOENFELD
Frankfurter Neue Presse
5. September 1994
342
252
BORIS ARTZYBASHEFF
(Farbdruck)
1942
253
Sowjetische Karikatur
signiert: M. ABRAMOV
Prawda
11. September 1961
343
254
Sowjetische Karikatur
Prawda
22. Januar 1984
255
ROMULUS CANDEA
Rheinische Post
15. März 1984
256
KLAUS BÖHLE
Die Welt
17. August 1990
344
257
„Rendevous“
SIR
DAVID ALEXANDER
CECIL LOW
1939
258
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
25. September 1990
259
JUPP WOLTER
Bonner Rundschau
22. Februar 1991
345
260
RUDOLF SCHÖPPER
Westfälische Nachrichten
25. Februar 1991
261
HORST HAITZINGER
Nordwest-Zeitung
5. April 1991
262
KLAUS PIELERT
Westdeutsche Allgemeine
Zeitung
2. März 1991
346
263
BERNARD COOKSON
Welt am Sonntag
3. Februar 1991
264
FRITZ WOLF
Neue Osnabrücker Zeitung
6. Februar 1991
265
KARL-HEINZ SCHOENFELD
Hamburger Abendblatt
7. August 1992
347
266
„Das Verhängnis“
ANDREAS PAUL
WEBER
1932
267
LUFF (ROLF HENN)
Saarbrücker Zeitung
7. September 1990
268
IVAN STEIGER
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
1. Dezember 1979
348
269
HERBERT KOLFHAUS
Bayern-Kurier
21. April 1979
270
JEFFREY KENNETH
MACNELLY
International Herald
Tribune
13. Dezember 1979
271
HORST HAITZINGER
Welt am Sonntag
10. August 1980
349
272
HORST HAITZINGER
Augsburger Allgemeine
24. Juni 1981
273
WALTER HANEL
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
11. August 1992
274
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
10. August 1987
350
275
TIL
(GOTTHARD-TILMAN METTE)
die tageszeitung
6. Juni 1989
276
PATRICK OLIPHANT
International
Herald Tribune
27. Juni 1989
277
signiert: TYL 69
Deutscher StudentenAnzeiger der NPD
351
278
„Wissen Sie was vom Verbleib
unseres früheren Nachbarn
Samuel Goldstein?“
HANS-JÜRGEN PRESS
Stern
279
WALTER KUROWSKI
352
280
HORST HAITZINGER
Nürnberger Nachrichten /
Der Spiegel
17. Dezember 1973
281
HORST HAITZINGER
Die Rheinpfalz
14. Juli 1993
282
TIL
(GOTTHARD-TILMAN
METTE)
die tageszeitung
14. Januar 1993
353
283
BERND BRUNS
Neue Ruhr Zeitung
14. März 1991
284
KLAUS STUTTMANN
die tageszeitung
10. August 1990
285
HORST HAITZINGER
Stuttgarter Nachrichten
4. Februar 1991
354
286
HORST HAITZINGER
Frankfurter Neue Presse
29. Juli 1992
287
DANZIGER
International Herald
Tribune
16. August 1990
288
HORST HAITZINGER
Stuttgarter Nachrichten
25. September 1990
355
289
FRITZ BEHRENDT
Der Tagesspiegel
23. Januar 1991
290
PATRICK OLIPHANT
International Herald
Tribune / Der Spiegel
6. Juni 1991
291
TOM (THOMAS KÖRNER)
die tageszeitung
16. Januar 1992
356
292
HORST HAITZINGER
Nordwest-Zeitung
6. April 1991
293
FRITZ BEHRENDT
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
14. August 1992
294
WALDEMAR MANDZEL
Kölner Stadt-Anzeiger
29. Juni 1993
357
295
JEFFREY KENNETH MACNELLY
International Herald Tribune
26. Februar 1991
296
HORST HAITZINGER
Berliner Zeitung
28. Juni 1993
358
Abbildungsnachweise
Abb. 1: BOECK o.J. (1968), Abb. 7 [Graphische Sammlung München]
Abb. 2: BRAUER / WITTKOWER 1931, Abb. 146a [Vatikanische Bibliothek Rom]
Abb. 3: Bild als Waffe 1984, S. 105, Abb. 65 [Sammlung Ensmann München]
Abb. 4: GEORGE 1967, S. 35, Abb. 18
Abb. 5: La Caricature 1980, S. 99, Kat.Nr. 26
Abb. 6 + 7: Bild als Waffe 1984, S. 93, Abb. 55 / S. 29, Abb. 5
Abb. 8: LUCIE-SMITH 1981, S. 40, Abb. 48 [Royal Library Windsor Castle]
Abb. 9: Ereigniskarikaturen 1983, S. 302, Abb. 271 [Westf. Landesmuseum Münster]
Abb. 10: die tageszeitung v. 19.5.1995, S. 10
Abb. 11 + 12: GRÜNEWALD 1979, S. 113, Abb. 16 / S. 114, Abb. 18
Abb. 13: Die Zeit, Nr. 9 v. 23.2.1996, S. 5
Abb. 14: Ereigniskarikaturen 1983, S. 328, Abb. 304 [Westf. Landesmuseum Münster]
Abb. 15: FUCHS 1921, S. 188, Abb. 194
Abb. 16: RHODES 1976, S. 182 [Library of Congress]
Abb. 17: BEHRENDT 1975, S. 124
Abb. 18: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.2.1987, S. 3.
Abb. 19 - 21: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 22: Die Zeit, Nr. 14 v. 31.3.1995, S. 25
Abb. 23: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 200 v. 28.8.1992, S. 3
Abb. 24: Bild als Waffe 1984, S. 397, Abb. 43
Abb. 25: FUCHS 1916, Abb. 245
Abb. 26: Coping with the Relations 1993, S. 63
Abb. 27: WENDEL 1925, S. 101, Abb. 84
Abb. 28: MUSSIL 1995, o.S.
Abb. 29: WENDEL 1925, S. 49, Abb. 43
Abb. 30: MUSSIL 1995, o.S.
Abb. 31: HANEL 1995, S. 83
Abb. 32: WENDEL 1925, S. 161, Abb. 112
Abb. 33: Ereigniskarikaturen 1983, S. 342, Abb. 323 [Westf. Landesmuseum Münster]
Abb. 34: FEITH 1915
Abb. 35 - 39: Coping with the Relations 1993, S. 149 / S. 155 / S. 205 / S. 123 / S. 53
Abb. 40: FUCHS 1916, S. 152+153, Abb. 128
Abb. 41: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 42: LUCIE-SMITH 1981, Abb. 13
Abb. 43: Marks 1983, S. 35
Abb. 44: Lumpenspiegel 1918, S. 34
Abb. 45: Ereigniskarikaturen 1983, S. 318, Abb. 289 [Westf. Landesmuseum Münster]
Abb. 46: LOW 1946, S. 246
Abb. 47: DIEDERICH/GRÜBLING/BARTHOLL 1976, S. 19, Abb. 2
Abb. 48: RHODES 1976, S. 96
Abb. 49: The Observer v. 12.11.1995, Observer Review, S. 3
Abb. 50: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 51: KEEN 1986/1987, S. 60.
Abb. 52: Bild als Waffe 1984, S. 258, Abb. 158
Abb. 53: ZEMAN 1984, S. 26
Abb. 54: FUCHS 1916, S. 56, Abb. 48
Abb. 55: RHODES 1976, S. 226 [Library of Congress]
Abb. 56: AGFP 1983, S. 55
359
Abb. 57 + 58: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 59: KEEN 1986/1987, S. 132
Abb. 60: DEMM 1988, Abb. 114 [Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin]
Abb. 61: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 62: Der Spiegel, Jg. 44, Nr. 35 v. 27.8.1990, S. 139
Abb. 63: Bilderwelten 1986, S. 198, Kat.Nr. 111
Abb. 64: KEEN 1986/1987, S. 95
Abb. 65: FUCHS 1921, S. 303, Abb. 302
Abb. 66: GRÜNEWALD 1979, S. 117, Abb. 20
Abb. 67: LAMMEL 1995, S. 223, Abb. 254 [Sammlung Henkel Berlin]
Abb. 68: RHODES 1976, S. 217 [Library of Congress]
Abb. 69: ROTH 1989, S. 102
Abb. 70: KEEN 1986/1987, S. 93
Abb. 71 - 73: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 74: KEEN 1986/1987, S. 43
Abb. 75 + 76: RHODES 1976, S. 232 [Library of Congress] / S. 175 [National Archives]
Abb. 77: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 78: FUCHS 1916, S. 4, Abb. 3
Abb. 79: ZEMAN 1984, S. 154
Abb. 80: RHODES 1976, S. 279
Abb. 81: FUCHS 1916, S. 331, Abb. 291
Abb. 82: AGFP 1983, S. 20
Abb. 83: RHODES 1976, S. 174 [National Archives]
Abb. 84 + 85: AGFP 1983, S. 15 / S. 56
Abb. 86: KLANT 1984, Abb. 274, S. 197
Abb. 87: LANGGUTH 1995, S. 80, Abb. 57 [CDU-Geschäftsstelle Bonn]
Abb. 88: MARKS 1983, S. 32
Abb. 89: LANGGUTH 1995, S. 92, Abb. 66 [CDU-Geschäftsstelle Bonn]
Abb. 90: RHODES, S. 174 [National Archives]
Abb. 91: documenta 1972, S. 7-11
Abb. 92 - 94: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 95: DIEDERICH/GRÜBLING/BARTHOLL 1976, S. 71, Abb. 42
Abb. 96 + 97:documenta 1972, S. 7-5 / S. 7-4
Abb. 98: Ereigniskarikaturen 1983, S. 357, Kat.Nr. 341
Abb. 99 + 100: MILENKOVITCH 1966, S. 28, Abb. IV-2 / S. 48, Abb. V-7
Abb. 101: ROTH 1989, S. 119
Abb. 102: documenta 1972, S. 7-9
Abb. 103: Der Spiegel, Jg. 33, Nr. 28 v. 9.7.1979, S. 121
Abb. 104: Der Spiegel, Jg. 44, Nr. 37 v. 10.9.1990, S. 166
Abb. 105: Süddeutsche Zeitung v. 23.1.1981
Abb. 106: HOLSTEN 1976, Abb. 413
Abb. 107: FUCHS 1916, Abb. 45, S. 53
Abb. 108 - 111: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 112: ZEMAN 1984, S. 6
Abb. 113: RHODES 1976, S. 103 [Archivio Capitolino]
Abb. 114: MUSSIL 1995
Abb. 115: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 116 - 118: RHODES 1976, S. 63 / S. 145 / S. 184
Abb. 119: MILENKOVITCH, S. 106, Abb. VI-43
Abb. 120 + 121: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
360
Abb. 122: FUCHS 1916, S. 169, Abb. 140.
Abb. 123: HOLSTEN 1976, Abb. 423
Abb. 124: Der Spiegel, Jg. 33, Nr. 10 v. 5.3.1979, S. 143
Abb. 125 - 128: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 129: FUCHS 1916, S. 37
Abb. 130: Der Spiegel, Jg. 33, Nr. 21 v. 21.6.1979, S. 132
Abb. 131: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 132 + 133: HOLSTEN 1976, Abb. 334 / Abb. 92 [British Museum London]
Abb. 134: GRAND-CARTERET, 1916
Abb. 135 + 136: HOLSTEN 1976, Abb. 313 / Abb. 314
Abb. 137: KEEN 1986/1987, S. 45
Abb. 138 + 139: DOUGLAS 1990, S. 41 / S. 223
Abb. 140: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 141: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 8.1.1991
Abb. 142: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 143: FUCHS 1916, S. 63, Abb. 53
Abb. 144: RHODES 1976, S. 57 [Library of Congress]
Abb. 145 - 161: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 162: Der Spiegel, Jg. 45, Nr. 15 v. 8.4.1991, S. 176
Abb. 163 - 166: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 167: Der Spiegel, Jg. 45, Nr. 4 v. 21.1.1991, S. 129
Abb. 168 - 171: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 172: Der Spiegel, Jg. 27, Nr. 33 v. 13.8.1973, S. 81
Abb. 173 - 191: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 192: BEHRENDT 1975, S. 135
Abb. 193: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4.9.1981, S. 3
Abb. 194: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 195: Aachener Volkszeitung v. 22.7.1993, S. 4
Abb. 196: Aachener Volkszeitung v. 15.7.1993, S. 4
Abb. 197 + 198: GEISEN, 1988, S. 12 / S. 38
Abb. 199: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 200: BEHRENDT 1975, S. 169
Abb. 201: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 202: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.12.1986, S. 3
Abb. 203: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 204: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 19 v. 23.1.1991, S. 3
Abb. 205: LINK, 1991, S. 74, Abb. 1
Abb. 206: ZEHENTMAYR, 1990, S. 20
Abb. 207: die tageszeitung v. 11.9.1993, S. 12
Abb. 208 - 226: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 227: Aachener Zeitung v. 24.8.1996, S. 4
Abb. 228: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.4.1986, S. 3
Abb. 229: BEHRENDT 1975, S. 183
Abb. 230 - 237: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 238: AGFP 1983, S. 36
Abb. 239: Bild als Waffe 1984, S. 250, Abb. 152
Abb. 240 - 242: DIEDERICH/GRÜBLING/BARTHOLL 1976, S. 63, Abb. 40 / S. 62, Abb. 39 / S.
23, Abb. 6
Abb. 243: Bild als Waffe 1984, S. 235, Abb. 170 [Sammlung Ensmann München]
Abb. 244 + 245: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
361
Abb. 246: Behrendt 1975, S. 128
Abb. 247 + 248: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 249: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.4.1986, S. 3
Abb. 250 + 251: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 252: RHODES 1976, S. 166 [Library of Congress]
Abb. 253: MILENKOVITCH 1966, Abb. VI-33
Abb. 254: ROTH 1989, S. 89
Abb. 255 + 256: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 257: LOW 1946, o.S.
Abb. 258 - 265: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 266: Ereigniskarikaturen 1983, S. 43, Abb. 15 [Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel]
Abb. 267 - 276: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 277: GRÜNEWALD 1979, S. 128, Abb. 24
Abb. 278: TIMM, 1972, S. 15, Abb. 6
Abb. 279 + 280: GRÜNEWALD 1979, S. 138, Abb. 29 / S. 131, Abb. 25
Abb. 281 - 283: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 284: die tageszeitung v. 10.8.1990
Abb. 285 - 289: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Abb. 290: Der Spiegel, Jg. 45, Nr. 19 v. 6.6.1991, S. 190
Abb. 291: die tageszeitung v. 16.1.1992
Abb. 292 - 296: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
362
Künstlerverzeichnis
(Nicht alle Daten konnten ermittelt werden. In diesen Fällen ist er Zeitraum genannt, in den die entsprechenden
Karikaturen oder Plakate zu datieren sind. Die kursiv gesetzten Zahlen verweisen auf die Abbildungen)
ARNOLD, Karl
* Neustadt 1883, † München 1953
ARTZYBASHEFF, Boris
USA (2.Weltkrieg)
252
D´AURIAN,
Frankreich (Jahrhundertwende)
81
Jean Emmanuel
BAS (Bas MITROPOULOS)
* Athen 1936
72, 108, 234
BEHLING, Heinz
* Berlin 1920
BEHRENDT, Fritz
* Berlin 1925
17, 18, 58, 179, 192, 193, 200, 201,202, 203, 204, 205, 229,
246, 247, 249, 258, 274, 289, 293
BEIER-RED, Alfred
* Berlin 1902592
BENSCH, Peter
* Berlin 1938
163
BERNEIS, Benno
* Deutschland 1884593
15
BERNINI, Gianlorenzo
* Neapel 1598, † Rom 1680
2
BOCCASILE, Gino
Italien 1901 – 1952
48
BÖHLE, Klaus
* Wuppertal 1928
93, 94, 115, 121, 126, 152, 158, 165, 174, 180, 231, 256
BORGMAN, Jim
* USA 1954
212
BRAZDA, Franz
Wien 1903 – 1981
243
BRUNS, Bernd
* Deutschland 1935
110, 218, 283
BUSCH, Wilhelm
* Wiedensahl 1832, † Harz 1908
BUSSE, Horst
* Ebling 1924
CALDWELL, Bill
* Glasgow 1946
36
363
CALLOT, Jacques
Nancy 1592 – 1635
7
CANDEA, Romulus
* Rumänien 1922
120, 125, 217, 255
CARRACCI, Agostino
* Bologna 1557, † Parma 1602
CARRACCI, Annibale
* Bologna 1560, † Rom 1609
1
CERNY, Frank
* Bocholt 1946
140, 168, 173
CESARE, Oscar Edward
* Schweden 1885, † Conneticut 1948
78
COOKSON, Bernard
* Manchester 1937
35, 263
CRUIKSHANK, George
CUMMINGS, Michael
DANZIGER
DAUMIER, Honoré
London 1792 – 1878
* Leeds 1919
USA (zeitgenössisch)
41, 214, 221, 287
* Marseille 1808, † Valmondois 1879
11, 24, 42
Moskau 1893 – 1946
DENI
(Viktor Nikolayevich DENISLOV) 55, 97
DORÉ, Gustave
DÜRER, Albrecht
* Straßburg 1832, † Paris 1883
63
Nürnberg 1471-1528
133
DYSON, William Henry
* Australien 1883, † Großbritannien 1938
45
EBERT, Nik
* Oberschlesien 1945
183, 184
EFIMOV, Boris Efimovich
* Kiew 1900594
100
EMMWOOD
(John MUSGRAVE-WOOD)
* Yorkshire 1915
26
ENGELHARD, Julius Ussy
* Bindjey (Sumatra) 1883, † München 1964
47
364
ESCHLE, Max
FAUSTIN (Faustin BETBEDER)
FITZPATRICK, Daniel Robert
Deutschland (Drittes Reich)
241
* Frankreich 1847, † Großbritannien ?595
107
Wisconsin 1891 – 1969
117
FLORA, Paul
* Glurns (Südtirol) 1922
GAVARNI, Paul
* Paris 1804, † Auteuil 1866
GARVENS, Oskar
* Hannover 1874, † Berlin 1951
66
GASKILL, Dave
* Liverpool 1939
38
GAYDOS, John
USA (2. Weltkrieg)
83
GAYMAN, Peter
* Freiburg i. Br. 1950
GEISEN, Hans
* Koblenz 1919
197, 198
GERBOTH, Hans Joachim
* Deutschland 1926
230, 248
GHEZZI, Pierleone
Rom 1674 – 1755
3
GILLRAY, James
London 1757 – 1815
GROHE, Glenn
USA (2. Weltkrieg)
90
GROSZ, George
(Georg Ehrenfried GROß)
Berlin 1893 – 1959
GULBRANSSON, Olaf
* Oslo 1873, † Tegernsee 1958
12, 52
HACHFELD, Rainer
* Ludwigshafen 1939
HAITZINGER, Horst
* Eferding (Österreich) 1939
86, 111, 124, 127, 156, 172, 181, 189, 216, 223, 261, 271, 272,
280, 281, 285, 286, 288, 292, 296
HALBRITTER, Kurt
* Frankfurt a.M. 1924, † Sligo (Irland) 1978
HANEL, Walter
* Böhmen 1930
23, 31, 73, 92, 109, 188, 220, 226, 228, 273
365
* Berlin 1891, † Berlin (DDR) 1968
HEARTFIELD, John
(Hellmuth Franz Joseph Herzfeld) 135, 240
HEIDEMANN, Ernst
* Witten (Ruhr) 1930
159, 170, 171, 210
HEINE, Thomas Theodor
* Leipzig 1867, † Stockholm 1948
HENNIGER, Barbara
* Dresden 1938
150
HERWIG, G.
hicks, Wolfgang
HOGARTH, William
Deutschland (2. Weltkrieg)
116
* Hamburg 1909, † Bonn 1983
London 1697 – 1764
4
JAK (Raymond Allen JACKSON) * London 1927
37
JANOSCH (Horst ECKART)
* bei Hindenburg 1931
JOHNSON, Arthur
* Cincinnati 1874, † 1954 Berlin
67
KEELY, Pat
KLEY, Heinrich
KÖHLER, Hanns Erich
(H E.K., Erik)
Großbritannien (2. Weltkrieg)
80
*Karlsruhe 1863, † München 1952
143
* Böhmen 1905, † Ammersee 1983
KOLFHAUS, Herbert
* Frankfurt a.M 1916, † München 1987
269
KUBIN, Alfred
* Leitmeritz 1877, † Zwickledt 1959
KÜPFER, Emilio
KUKRYNSKY Pseudonym für:
KUPRYANOV, Mikhail
KRYLOV, Porfiry
SOKOLOV, Nikolay
KUROWSKI, Walter
366
Großbritannien (1. Weltkrieg)
60
* Teyuschi (UdSSR) 1903
* Tula (UdSSR) 1902
* Moskau 1903596
85, 99
* Kettwig / Essen 1939
279
LANG, Ernst Maria
* Oberammergau 1916
219
LEBRUN, Charles
Paris 1619 – 1690
LEGER, Peter
Brünn (Tschechien) 1924- 1991
105, 164, 167
LEGRAND, Louis
LEONARD, Robert
* Dijon 1863, † Livry-Gargan 1915
54
Deutschland 1879 - ?
14
LEONARDO, da VINCI
* Anchiano 1452, † Amboise 1519
8
LEVINE, David
* New York 1926
20, 21
LOBEL-RICHE, Alméry
* Genf 1452, † Paris 1519
134
LORIOT (Vico von BÜLOW)
* Brandenburg (Havel) 1928
LOW, David Alexander Cecil
* Dunedin 1891, † London 1963
46, 257
LUFF, (Rolf HENN)
* Idar-Oberstein 1956
157, 233, 267
LURIE, Renan
* Israel 1932
19, 146, 155, 176, 225
MAC (Stan MACMURTY)
* Edingburgh 1936
162
MACNELLY, Jeffrey Kenneth
* New York 1947
166, 270, 295
MANDZEL, Waldemar
* Deutschland 1948
194, 235, 236, 294
MAULDIN, Bill
* USA 1922
130, 215
MESTER, Gerhard
* Betzdorf 1956
224
MITELBERG, Louis (TIM)
* bei Warschau 1919
MJÖLNIR (Hans SCHWEITZER)
* Deutschland 1901597
367
MOHR, Burkhard
Deutschland (zeitgenössisch)
160
MÜLLER, Frank
Deutschland (zeitgenössisch)
142
MURSCHETZ, Luis
* Wöllan (Österreich) 1936
13, 232, 237
MUSSIL, Felix
* Berlin 1921
28, 30, 114
OLIPHANT, Patrick
* Adelaide (Australien) 1935
50, 61, 77, 137, 145, 276, 290
OTTLER
PAPAN (Manfred von PAPEN)
Deutschland (Drittes Reich)
82
* Hamburg 1943
PATRIDGE, J. Bernard
Großbritannien 1861 – 1945
53
PAUL, Bruno
Lausitz 1874, † Berlin 1966
PECAREFF, Nicolas
Bulgarien
59
PELC, Antonín
Großbritannien (1.Weltkrieg)
79
PEPSCH (Josef GOTTSCHEBER)
* bei Graz 1946
57, 128, 177, 178
PETERSON, Roy
* Manitoba (Kanada) 1936
147
PHILIPON, Charles
Frankreich 1806 – 1862
5
PIELERT, Klaus
* Essen 1922
149, 182, 262
PLANTU (Jean PLANTUREUX)
* Paris 1951
208, 209
PLOOG, Arno
* München 1942
POTH, Clodwig
* Wuppertal 1930
PRECHTL, Michael Matthias
* Oberpfalz 1926
PRESS, Hans Jürgen
* Deutschland 1926
278
368
RAUCH, Hans Georg
REYNOLDS, Frank
RIDELL, Chris
* Berlin 1939
Großbritannien (1.Weltkrieg)
239
* Kapstadt 1962
49
ROWLANDSON, Thomas
London 1756 – 1827
122, 129
RYSS, Günter
Deutschland (zeitgenössisch)
211, 245
SAJTINAC, Boris
* Jugoslawien 1943
SCHMIDHAMMER, Arpád
* Böhmen 1857, † München 1921
132
SCHOENFELD, Karl-Heinz
* bei Berlin 1928
131, 250, 251, 265
SCHÖPPER, Rudolf
* Dortmund 1922
260
SCHULZ, Wilhelm
* Lüneburg 1865, † München 1952
STAECK, Klaus
* bei Dresden 1938
STEIGER, Ivan
* Prag 1939
268
STEUB, Fritz
* Lindau 1844, † Partenkirchen 1903
106
STUTTMANN, Klaus
* Frankfurt a.M. 1949
10, 284
TENNIEL, John
* Kensington 1820, † London 1914
9
THÖNY, Eduard
* Brixen 1866, † Ammersee 1950
TIL (Gotthart Tilman METTE)
* Bielefeld 1956
207, 275, 282
TOM (Thomas KÖRNER)
* Säckingen 1960
291
TOMICEK, Jürgen
TRAXLER, Hans
Deutschland (zeitgenössisch)
175, 195, 196, 227
* Herrlich (Böhmen) 1929
TRIER, Walter
* Prag 1890, † Kanada 1951
369
UNGERER, Tomi
* Straßburg 1931
VICKY (Viktor WEIZ)
* Berlin 1913, † London 1968
WEBER, Andreas Paul
* Arnstadt (Thüringen) 1893, † Mölln 1980
266
WEIGLE, Fritz (F.W BERNSTEIN) * Göppingen 1938
WOLF, Fritz
* Mülheim (Ruhr) 1918
190, 191, 199, 264
WOLTER, Jupp
* Bonn 1917
39, 161, 185, 186, 259
WRIGHT, Donald
* Los Angeles 1934
103
WUTHE, Rolf-Dieter
Deutschland (zeitgenössisch)
153
ZEHENTMAYR, Dieter
* Salzburg 1941
206
ZINGERL, Guido
* Regensburg 1933
592
593
594
595
596
597
370
Zuletzt belegt in: Flemig 1993.
Gefallen im 1. Weltkrieg.
Zuletzt belegt in: World Enzyklopedia of Cartoon 1980.
Gestorben nach 1910
Zuletzt belegt in: World Enzyklopedia of Cartoon 1980.
Zuletzt belegt in: Das Große Lexikon des Dritten Reiches 1985.
Literaturverzeichnis
I.
Nachschlagewerke:
Das große Lexikon des Dritten Reiches. Hrsg. v. Christian Zentner / Friedemann Bedürftig.
München 1985.
FLEMIG, KURT: Karikaturisten-Lexikon. München 1993.
Handbuch der Publizistik, Bd. 1: Allgemeine Publizistik. Hrsg. v. Emil Dovifat. Berlin 1971.
Lexikon der Kunst, Bd. II. Hrsg. v. Harald Olbrich. Leipzig 1991.
MUSTER, HANS PETER: Who is Who in Satire und Humor. 3Bde. Basel 1989 und 1990.
Vademecum deutscher Lehr- und Forschungsstätten, Bd. 1 und Bd. 2. Hrsg. v. RAABEFachverlag für Wissenschaftsinformation. Bonn 1994.
World Enzyklopedia of Cartoon. New York 1980.
II.
Aufsätze und Monographien:
ANGERER, ROLAND: „Fremdenfeindlichkeit und Feindbilder in Printmedien“. In: Das Ende
der Gemütlichkeit. (Schriftenreihe Arbeitshilfen für die politische Bildung, Bd. 316).
Hrsg. v. d. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1993, S. 131-138.
(Anonym): "Mißbrauchte Symbole" (Leserbrief). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v.
4.9.1992, S. 9.
(Anonym, ohne Titel). In: Frankfurter Rundschau, Nr. 144 v. 24.6.1995, S. 3.
(Anonym): „Meister der Karikatur seit 1800“. In: Hannoverscher Anzeiger, Nr. 237 v.
9.10.1927.
(Anonym): „Die Karikatur im Kriege“. In: Kreuzzeitung, Nr. 380 v. 28.7.1918.
(Anonym): Besprechung der Zürcher Ausstellung „Karikaturen - Karikaturen?“ In: Turicum,
September 1972. Hier verwandte Fassung in: Karikaturen-Karikaturen? Kunsthaus
Zürich 1972, S. 162.
(Anonym): „Die Karikatur. Ihr Wesen, ihre historische Rolle, ihr internationaler Charakter“.
In: Vorwärts v. 26.11.1908.
(Anonym): „Was ist mit Pressezeichnung?“ In: Zeitungs-Verlag, 1934, Nr. 9, S. 146.
ARBEITSGEMEINSCHAFT FRIEDENSPÄDAGOGIK e.V.: Das Bild vom Feind. München 1983.
AUER, RENÉ ROBERT: Die Darstellung des Außereuropäers in der europäischen Karikatur.
(Unveröffentlichte Semesterarbeit am ethnologischen Seminar der Universität Bern.
Sommersemester 1966).
AVENARIUS, FERDINAND: Das Bild als Narr. Die Karikatur in der Völkerverhetzung. Was sie
aussagt und was sie verrät. München 1918.
AVENARIUS, FERDINAND: Die Weltkarikatur in der Völkerverhetzung. München/Berlin 1921.
BARRES, EGON: Vorurteile. Theorie - Forschungsergebnisse - Praxisrelevanz. Opladen 1978.
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BAUSINGER, HERMANN: „Name und Stereotyp“. In: Festschrift für R. Schroubek. (Münchener
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Universität München. München 1988.
BAYER-KLÖTZER, EVA SUSANNE: Die Tendenzen der Französischen Karikatur 1830-1848.
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BECK, ULRICH: „Der feindlose Staat“. In: Politik ohne Projekt. Hrsg. v. Siegfried Unseld.
Frankfurt a.M. 1993, S. 106-122.
371
BECKMANN, ODA: Freund und Feind im Spiegel der sowjetischen Karikatur. Bonn 1977.
BEHRENDT, FRITZ: Helden und andere Leute. 25 Jahre Zeitgeschichte mit der Zeichenfeder
kommentiert von Fritz Behrendt. Düsseldorf/Wien 1975.
BENEDIKT, KLAUS-ULRICH: Emil Dovifat. Ein katholischer Hochschullehrer und Publizist.
(Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 42). Mainz
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BORNEMANN, BERND: „Theorie der Karikatur“. In: Karikaturen-Karikaturen? Kunsthaus
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BOUSQUET, JACQUES: Malerei des Manierismus. München 1985. (1. Auflage: München
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BRASSEL-MOSER, RUEDI: Vorurteil im Feindbild - Vorbild im Feindurteil. Überlegungen zu
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praxisbezogene Friedensforschung. Basel 1989.
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BRUCHER, AMBROS: „Die Verwendung von Karikaturen im Geographieunterricht“. In:
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CHAMPFLEURY, JULES (alias JULES FLEURY-HUSSON) Histoire de la Caricature Moderne.
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DIEDERICH REINER / GRÜBLING, RICHARD / BARTHOLL, MAX: Die Rote Gefahr. Berlin
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DIPPE, KAREN / HERZOG, ROMAN: „Die Auswirkungen der Veränderungen in Osteuropa auf
den ´Nord-Süd-Konflikt´". In: Peripherie, Jg. 11, 1991, Nr. 41, S. 5-12.
DITTMAR, PETER: „Macht und Ohnmacht der Karikatur“. In: Politische Studien, Jg. 19, 1968,
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Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften.
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Rehbein / Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987, S. 108-119.
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380
III.
Ausstellungskataloge:
Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm - Busch Museum Hannover v. 7.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt /
H. Guratzsch / Ch. Schölzl. München 1984.
Bilderwelten I. Satirische Illustrationen aus der Sammlung von Kritter. Museum für Kunst
und Kulturgeschichte Dortmund 1986.
Bizarr, grotesk, monströs. Ausstellung zeitgenössischer Karikaturisten. Kestner-Gesellschaft
Hannover v. 17.2.1978.
Coping with the Relations. Deutsch-britische Karikaturen von den fünfziger bis zu den
neunziger Jahren. Hrsg. v. Goethe-Institut London und der Universität Osnabrück.
Osnabrück 1993.
Der Lotse geht von Bord. Zum 100. Geburtstag der Karikatur "Der Lotse geht von Bord".
Wilhelm-Busch-Museum Hannover v. 11.11.1990-20.1.1991. Bielefeld 1990.
Die Karikatur zwischen Republik und Zensur. Bildsatire in Frankreich 1830-1880. Eine
Sprache des Widerstandes? Hrsg. v. Raimund Rütten / Ruth Jung / Gerhard Schneider.
Marburg 1991.
documenta 5. Befragung der Realität. Bilderwelten heute. Neue Galerie Schöne Aussicht,
Museum Fridericianum Kassel v. 30.6.-8.10.1972.
Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern 1600-1930. Westfälisches Landesmuseum
für Kunst und Kulturgeschichte Münster v. 11.9.-13.11.1983.
Karikatur und Satire. Fünf Jahrhunderte Zeitkritik. Kunsthalle der Hypo-Stiftung München
v. 5.6.-18.10.1992. Hrsg. v. Walter Koschatzky. München 1992.
Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens.
Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen 1980.
Karikaturen der Gegenwart. Europäische Künstler. Wilhelm-Busch-Museum Hannover v.
Nov. 1991 - März 1992. Stuttgart 1991.
Karikaturen-Karikaturen? Kunsthaus Zürich 1972.
La Caricature. Bildsatire in Frankreich 1830-1835 aus der Sammlung v. Kritter.
Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster v. 16.3.10.5.1980; Kunstsammlung der Universität Göttingen v. 26.10.-7.12.1980; GutenbergMuseum Mainz v. 20.4.-7.6.1981. Münster 1980.
Satire und Karikatur. Projektseminar und Ausstellung an der Gesamthochschule Siegen,
Wintersemester 1976/1977.
70 mal die volle Wahrheit. Ein Querschnitt durch die bundesdeutsche Karikatur der
Gegenwart. Kassel v. 19.6.-20.9.1987. Hrsg. v. Achim Frenz / Claus Heinz / Uli
Müller / Andreas Sandmann. Hamburg 1987.
Simplicissimus. München 1977. Hrsg. v. Carla Schulz-Hoffmann. München 1977.
Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Deutsches Museum für Karikatur und kritische Grafik.
(Bestandskatalog). Braunschweig 1990.
Zeitgenossen karikieren Zeitgenossen. Kunsthalle Recklinghausen 1972.
IV.
Zeitschriften-Themenhefte:
Bildende Kunst, Jg. 22, 1974, Nr. 10.
Geschichte Lernen, 1990, Nr. 18
Kunst und Unterricht, 1977, Nr. 43.
Lumpenspiegel. Humoristisches Bilderbuch mit etwa 300 Karikaturen. Berlin 1918.
Oxford Art Journal, Jg. 8, 1985, Nr. 1.
tendenzen, Jg. 13, 1972, Nr. 83.
381
BILDUNGSGANG
Persönliche Daten
Königstraße 12
Angelika Plum
52064 Aachen
geboren am 10.September 1963 in Setterich,
Kreis Geilenkirchen
Ledig
Staatsangehörigkeit: deutsch
Schulbildung
1970 - 1974
1974 - 1983
Mai 1983
Studium
WS 1983
WS 1987/88
25.Nov. 1991
Grundschule St. Barbara, Setterich
Mathemathisch-naturwissenschaftliches und
neusprachliches Gymnasium Baesweiler
Abiturprüfung
Immatrikulation als ordentliche Studentin an der RWTH
Aachen
Fächerkombination: Kunstgeschichte / Politische
Wissenschaft / Baugeschichte
Zwischenprüfung an der Philosophischen Fakultät der
RWTH Aachen
Magisterprüfung an der Philosophischen Fakultät der
RWTH Aachen
Promotion / Stipendium
1992 - 1994 Stipendium der Graduiertenförderung des
wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses des
Landes Nordrhein-Westfalen
Dissertationsthema: „Die Karikatur im Spannungsfeld
von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft. Eine
ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in
Karikaturen“
Einreichung der Dissertation an der Philosophischen
April 1997
Fakultät der RWTH Aachen
Rigorosum an der Philosophischen Fakultät der
12.Dez. 1997
RWTH Aachen