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Robert-Schumann-Gymnasium
Aktuell > News > Gegenbesuch in den Libanon
Robert-Schumann-Gymnasium Leipzig, Projektbericht Angermann
Thema: „Es gilt noch viele Mauern abzubauen – Berlin und Beirut im Vergleich“
Mit 11 Schülern (davon 6 Mädchen und 5 Jungen) und 2 Kolleginnen unternahmen wir vom 07.10.2011 bis
zum 16.10.2011 den Gegenbesuch in den Libanon. Besonders von unseren Schülern wurde die Reise
sehnsüchtig erwartet, da sie seit dem Besuch der Gruppe der DSB nur über Mails und Chat in Verbindung
mit den Partnerschülern geblieben waren und auch als Gruppe die Verbindung pflegten.
Gespannt waren nach Stunden des Nachtfluges alle auf das Wiedersehen und das Kennen-lernen der
Familien und der Wohnumgebungen der Partnerschüler. Auf dem Flughafen in Beirut gab es trotz der
Verspätung unseres Fluges eine herzliche Begrüßung. Wir beiden Lehrer wohnten diesmal in einem Hotel im
Bereich des westlichen Zentrums von Beirut.
Das Programm begann am Samstagnachmittag mit einer fünfstündigen Führung durch zentrale Bereiche der
Stadt. Zu Fuß und unter einem abwechslungsreichen fachkundigen Vortrag bewegte sich die Gruppe oft
entlang der ehemaligen „Green Line“ in Beirut. Die wichtigsten Informationen, die uns Vergleiche mit Berlin
ziehen lassen, sind:
Beirut ist etwas 5000 Jahre alt. Durch die wechselvolle Geschichte findet man bei den schönen alten
Häusern der Stadt arabische, französische und osmanische Einflüsse. Die vielen verschiedenen
Gebetshäuser deuten auf die vielen Religionsgemeinschaften hin. In den 1950er Jahren kam es zu einer
Landflucht der Maroniten und Schiiten, so dass neue Stadtbezirke sich bildeten. Am Stadtrand, wie auch in
der Stadt gab es mehrere palästinen-sische Flüchtlingslager. Im Bürgerkrieg von 1975-1990 war Beirut
besonders stark betroffen. In dieser Stadt lebt noch immer fast jeder zweite Libanese des Landes. Die Stadt
wurde in einen westlichen muslimischen Teil und einen östlichen christlichen Teil gespalten. Entlang dieser
Demarkationslinie, der ehemaligen „Green Line“, gab es viele Straßensperren und Heckenschützen.
In der Folge waren die beiden Stadtteile während dieses Bürgerkrieges voneinander isoliert. Einige Teile
dieser Linie verliefen entlang der ehemaligen Damaskusstraße. Neben den zerstörten Häusern, die je nach
Lage einen sehr unterschiedlichen Zerstörungsgrad hatten, war die Stadt nun ohne Zentrum.
Im Verlauf des Bürgerkriegs war auch schrittweise die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit im Stadtzentrum zum
Erliegen gekommen. Banken, Büros und Ministerien wurden aus der Stadt verlagert. Die Bewohner der
Stadtmitte verließen fast vollzählig das Gebiet. Im jüdischen Viertel war 2010 die letzte Bewohnerin
verstorben.
Viele leer stehende Gebäude wurden verbarrikadiert und zu militärischen Stellungen ausge-baut, so zum
Beispiel Hotels. Uns wurde das am Beispiel des ehemaligen „Holiday Inn“ erläutert. Fotografieren durften wir
hier nicht, denn heute sitzt noch immer in diesem Gebäude das Militär.
Die Wahrnehmung der eigenen Stadt änderte sich für die Einwohner von Beirut. Erst nach dem Ende des
Bürgerkrieges konnte 1991 das größte Planungsbüro Dar Al-Handasah mit einer Wiederaufbaustudie
beauftragt werden, die von der Stiftung des libanesischen Multi-milliardärs und ehemaligen
Ministerpräsidenten Rafik Hariri vorfinanziert wurde.
Nach ersten Vorstellungen sollten nur 20% der Häuser erhalten bleiben und das gesamte andere
Stadtzentrum neu gebaut werden. Per Dekret wurde Mitte der neunziger Jahre der Wiederaufbauplan
durchgesetzt und zahlreiche Bürger wurden durch ein Gesetz vor den Zwang gestellt, entweder ihre
Gebäude von eigenem Geld zu restaurieren oder dies durch die Aktiengesellschaft Solidaire tun zu lassen.
Da die meisten Bürger das Geld nicht hatten, konnten sie zwischen Aktienbesitz und Auszahlung wählen.
Wäre das Verfahren nicht so streng durchgesetzt wurden, wäre vermutlich noch heute Beirut über große
Teile in Trümmern. So wird, von Kirchen und Moscheen abgesehen, Beirut immer mehr durch moderne
Neubauten dominiert.
Uns wurde am Platz der Märtyrer geschildert, dass für viele Einwohner dieser Platz am alten Stadtzentrum
das Symbol des Bürgerkriegs darstellt und an den Freiheitswillen der Libanesen erinnert. So dient dieser
Platz auch heute als Treffpunkt für große Demonstra-tionen.
Vielleicht ist das eine Chance, die ehemalige Demarkationslinie zu verwischen und die Bildung einer
geeinten Stadt, analog der deutschen Hauptstadt Berlin, voranzutreiben. Für uns bleiben an dieser Stelle
noch viele Dinge, die wir nicht verstehen oder verarbeiten müssen.
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Am Sonntag fuhren wir nach Baalbeck und besichtigten die auf der UNESCO- Weltkulturerbe-Liste
stehenden Tempelanlagen. Am Montag und Dienstag nahmen die deutschen Schüler mit am Unterricht teil.
Am Montagmittag fuhren wir zu einer kurzen Führung im Regierungs¬gebäude und einem Fototermin beim
libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati.
Am Montagnachmittag stand noch Sport auf dem Programm, wobei durch die sehr hohen Temperaturen die
Beteiligten stark zu kämpfen hatten. Am Dienstagnachmittag hatten wir eine Tour nach Saida, die
eindrucksvoll durch den orientalischen Markt war. Da die Navigation in den engen Gassen sehr schwierig ist,
war deshalb ein Gang in der Gruppe gut. Die Führungen im Seifenmuseum (Haus der Bankiersfamilie Audi)in
einer alten türkischen Villa (Palais Debbané) vermittelten einen guten Eindruck vom Leben im südlichen Teil
Libanons.
Am Mittwoch stand eine Tour zur eindrucksvollen Jeita Grotte, dann weiter zur Marien¬statue Harissa (einer
bedeutenden Pilgerstätte und Treffpunkt von Menschen verschiedener Konfessionen) und schließlich Byblos
(alte phönizische Hafenstadt am Mittelmeer) und der Besuch der archäologischen Zone (Weltkulturerbe) auf
dem Programm. Schade, dass hier keine Zeit blieb, den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen.
Am Donnerstagvormittag war Unterricht, hier auch mit einer Diskussionsstunde in einer 12. Klasse, die
voriges Jahr am Austausch beteiligt war, organisiert. Anschließend sah die Gruppe sich gemeinsam einen
Film zur Geschichte Beiruts an. Am Donnerstagnachmittag besuchten wir das Grab des ehemaligen
Ministerpräsidenten Rafik Hariri und die Besichtigung eines Wahrzeichens von Beirut, der großen
Muhammad Amin Moschee.
Am Freitag stand ein letztes Mal der Schul- und Unterrichtsbesuch auf dem Programm. Für mich war es nach
drei Tagen notwendiger Arztbehandlungen einiger meiner Schüler, da die Gruppe offenbar eine hartnäckige
Magen-Darm-Erkrankung zeitweilig dezimierte, ein ruhiger Vormittag. Dann fuhren wir gemeinsam nach Beit
Eddine, um uns einen maurischen Palast und eine sehr eindrucksvolle Anlage und Sommerresidenz des
libanesischen Präsidenten anzusehen.
Anschließend fuhren wir weiter durch das steile und zerklüftete Chouf-Gebirge zum Nationalpark (Chouf
Cedar Nature Reserve; Barouk-Zedern) auf 1800 Meter Höhe. Die Zeder ist das Nationalsymbol Libanons.
Durch den Klimawandel sind diese eindrucksvollen Bäume vom Aussterben bedroht. Die Bäume in diesem
Gebiet sind durchschnittlich 500 bis 600 Jahre, der älteste Baum über 1000 Jahre alt.
Der abschließende Samstag war den Partnerschülern für gemeinsame Unternehmungen und Arbeiten
vorbehalten. Der Treff um Mitternacht auf dem Flughafen, die besonders den Schülern sehr schwer gefallene
Trennung von ihren Freunden und der Rückflug in der Nacht waren anstrengend.
Unser Dank geht insbesondere an Frau Machlab mit der gut organisierten Woche, sowie der Schulleitung
und den Kollegen der DSB, die Frau Machlab unterstützten und an die Familien der libanesischen
Partnerschüler, die unsere Schüler liebevoll betreuten.
Wir konnten während dieser Woche viel lernen und haben wieder erfahren, dass gerade die intensiven
persönlichen Begegnungen, vor allem junger Leute, Verständnis und Bindungen zu Menschen mit einem
anderen Kulturkreis hervorrufen, sprachliche und interkulturelle Kompetenzen nachhaltig fördern. Wir sind
sicher, dass die entstandenen Freundschaften bestehen bleiben und erste Reisepläne für ein Wiedersehen
der Jugend gibt es – was kann man mehr wollen.
Alle Berichte, Dokumentationen und Fotos kann man auf unserer eigens eingerichteten Webseite unter:
www.schools-in-europe.com einsehen.
Beate Angermann
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