Wie LEBEN wir morgen? - IKEA Unternehmensblog
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Wie LEBEN wir morgen? IKEA Trendbook 2054 Grußwort 06 Wie LEBEN wir morgen? 08 Intelligent 10 Gemeinsam 12 Effizient 14 Natürlich 16 Bewusst 18 Flexibel 20 Agil 22 Überall 24 Gelassen 26 Selbstbewusst 28 Wegweisend 30 Gerecht 04 Staffan Carlsson Anke Bernotat und Jan Jacob Borstlap Tanja Scherm Olaf Tschimpke Dr. Pero Mićić Neubauer Sinja Schütte Couchtisch LÖVET Hadi Teherani Michael Haas Bewusst Michael Haas, Leader Interior Design IKEA Deutschland Mathias Haas Theresa und Antonia Mathias Hahn Van Bo Le-Mentzel 40 Jahre, 40 IKEA Katalogtitel. Schau mal! Grußwort des schwedischen Botschafters Staffan Carlsson Ich sage oft, dass es leicht ist, schwedischer Bot- bieten. Im Zusammenhang mit der Präsentation der schafter in Deutschland zu sein. Leicht wegen des „Vision Schweden 2025‟ stellte jagvillhabostad.nu Interesses und der Wertschätzung, die meinem (deutsch: ichwilljetzteinewohnunghaben), eine Land überall in Deutschland entgegengebracht Organisation für diejenigen, die sich für ihre eigene werden. Viele kennen Schweden durch Urlaubsauf- Wohnsituation und die anderer engagieren, dem enthalte, durch die schwedische Literatur – und schwedischen Forscher Joakim Palme die Frage, durch IKEA. Wenn man über Schweden in Deutsch- welche Gefahr die Wohnungsnot, ein wachsendes land spricht, ist IKEA nicht wegzudenken. Deutsche Problem in den Großstädten, darstellt. Er ant- Gesprächspartner reden oft über IKEA, das blau- wortete, dass umfangreiche Investitionen in den gelbe Logo, das Bücherregal Billy, das Sofa Klippan Wohnungsbau in den Regionen nötig seien, die für oder die Kinderbücher und Fleischbällchen in den junge Menschen attraktiv sind, besonders, weil es IKEA Einrichtungshäusern. die jungen Menschen sind, die durch ihre Steu- Wie sieht die Vision vom Wohnen in 40 Jahren aus? Wir Schweden sind ein vorsichtiges Volk. Wir wollen eigentlich nicht weiter als zehn Jahre vorausdenken. Das schwedische Zentralamt für Wohnungswesen hat im Auftrag der Regierung eine Vision erarbeitet, wie die Gesellschaft ern für eine immer älter werdende Bevölkerung aufkommen. Diese demografische Herausforderung gilt sowohl für Schweden als auch für Deutschland. Ohne Wohnraum für junge Menschen werden die Großstadtregionen immer größere Probleme bekommen. im Jahr 2025, also in elf Jahren, aussehen soll. Hiermit gratuliere ich IKEA zu 40 erfolgreichen Jah- Die Vision basiert auf den vier Megatrends Klima- ren in Deutschland! Ich bin überzeugt, dass IKEA wandel, wachsende Bedeutung der Großstädte, unabhängig davon, wie die Zukunft aussehen wird, Globalisierung und Digitalisierung. Diese vier Me- bereit ist uns zu helfen, diese Zukunft zu meistern gatrends stellen gemeinsame Herausforderungen und die Wohnungen, von denen Joakim Palme ge- für uns alle dar, auch für Schweden und Deutsch- sprochen hat, einzurichten. land. Die Herausforderungen treiben uns an und zwingen uns alle, klimafreundlich und rücksichtsvoll zu denken, zu planen und zu produzieren, dazu platzsparend und unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die uns die neuen Informationstechnologien IKEA Trendbook 2054 1974, als die deutschen Kicker nach 1954 zum zweiten Mal Fußballweltmeister wurden, öffnete in München-Eching das erste IKEA Einrichtungshaus in Deutschland seine Türen. Seitdem sind 40 Jahre ins Land gezogen – eine ziemlich lange Zeit – und es sind zwei weitere Sterne auf dem Nationaltrikot der deutschen Fußballer und 47 IKEA Einrichtungshäuser in der Bundesrepublik hinzugekommen! Anlässlich dieses Jubiläums gäbe es viele Gründe für einen Blick zurück. Man könnte die Wohnkultur und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten vier Jahrzehnte unter die Lupe nehmen, den Einfluss des schwedischen Designprinzips darstellen oder veranschaulichen, welche Einrichtungstrends und Möbelstücke von IKEA bei den Deutschen seit 1974 besonders beliebt sind. Wir aber haben uns dazu entschlossen, den Blick nach vorn zu richten und über den Tellerrand zu schauen. Deshalb haben wir namhafte Experten aus vielen unterschiedlichen Bereichen nach ihren Visionen für das Wohnen und Leben in 40 Jahren befragt. Herausgekommen sind viele spannende Ideen, Denkanstöße und Thesen. Der Architekt Van Bo Le-Mentzel beispielsweise prognostiziert, dass viele Menschen zukünftig auf Bäumen oder auf dem Wasser wohnen. Der Trendbeobachter Mathias Haas wiederum glaubt, dass Computerspiele zunehmend dazu genutzt werden, globale Probleme zu lösen. Olaf Tschimpke vom NABU geht davon aus, dass Plastik 2054 ein seltenes Produkt sein wird und dass Wegwerfprodukte bis dahin völlig aus der Mode gekommen sind. Und die Bloggerin Tanja Scherm alias „Frau Hölle“ erwartet, dass wir in 40 Jahren mit den eigenen vier Wänden durch das Weltall reisen können. Doch lesen Sie selbst! Wir danken allen Akteuren, die mit uns auf diese Zeitreise in die Zukunft gegangen sind, und wünschen Ihnen viel Spaß und jede Menge Inspiration mit unserem IKEA Trendbook 2054! Wie LEBEN wir morgen? Low-Tech-Architektur mit neuer Intelligenz Die Architektur bietet einen großen Teil der Lösungen: Gebäude mit einem minimalen Bedarf an Energie werden gebaut. In vielfältiger Form zugelassen und weithin akzeptiert sind in Zukunft auch „Earthships“, also nachhaltige, wenig Energie verbrauchende Wohngebäude mit großen Glasfassaden auf der Sonnenseite. Der Rest der Gebäude ist extrem isoliert, teilweise sogar in der Erde eingegraben. Das Haus denkt, der Mensch tut – der Mensch denkt, das Haus tut Selber machen wird die neue Fitness. Intelligente Systeme Intelligent sowie Computer und ihre Sensoren denken mit: Für eine optimale Ventilation und Wärmezirkulation wird der Bewohner beispielsweise benachrichtigt, wenn er die Fenster öffnen oder schließen sollte. Außerdem sieht man einen Nutzen darin, einfache Tätigkeiten wieder selbst zu verrichten: Anke Bernotat und Jan Jacob Borstlap Sei es das Mahlen von Kaffee oder die Bodenreinigung mit Bernotat&Co Design Studio, Amsterdam/Essen Besen, zukünftig wird dieser dann vielleicht elektrostatisch sein. Wenn es sinnvoll ist, sind Mechaniken und Steue- Das Leben wird Low-Tech In 40 Jahren werden fossile Energiequellen so gut wie erschöpft sein. Dann ist es vorbei mit dem Luxus des rungen in den Geräten und Systemen hybrid, also für händische und automatische Bedienung ausgelegt. Da Energie kostbar ist, hat man die Wahl. extensiven Verbrauchs von Energie, ob in Form von Eine neue Ethik sorgt für eine neue Ästhetik Steinkohle, Öl oder Gas. Die Energie, die uns zukünftig Mode verändert: Nach Suffizienz und damit dem richtigen zur Verfügung steht, wird knapp sein. Wir müssen mit Maß zu streben ist die neue Lebenseinstellung. Das Be- der Sonnenenergie und Energiequellen wie Wind, Wasser, wahren bekommt wieder Wert. Langlebigkeit und Qualität Gezeiten und Erdwärme auskommen. Und wir werden stehen im Vordergrund. Gegenstände des täglichen Lebens auf Low-Tech-Lösungen zurückgreifen. Dazu gehören z. B. werden geachtet, repariert, weitergegeben oder vererbt. vergessene Lösungen aus vergangenen Zeiten oder an- Die Menschen werden in 40 Jahren verwundert auf die Zei- deren Kulturen, die simpel und effizient sind – alles wird ten kurzlebiger Moden zurückblicken. Auch das Echte wird „lean & mean“. Low-Tech bedeutet aber auch, dass die wieder geschätzt: Wo man früher Tapeten mit Pflanzen- Technologie in 40 Jahren einfach und verständlich ist und muster hatte, nutzen wir in 40 Jahren echte Pflanzen. Das die Menschen wieder Kontrolle über sie haben. Glücklicher- bringt zusätzliche Wohnqualität mit sich: Man denke nur weise gibt es seit dem 20. Jahrhundert viele Entwicklungen an die Verbesserung des Raumklimas, an den gespendeten rund um intelligente Systeme bzw. Computer, sodass diese Schatten oder die Ernte eigener Früchte. immer kleiner werden und weniger Energie verbrauchen. Das damit verbundene High-Tech wird zukünftig vor allem genutzt werden, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Das Leben wird Low-Tech, es wird nicht weniger, sondern eine ganze Menge neuer Lebensqualität haben. Du willst mehr erfahren? Dann klick doch mal! Wer gute Architektur und gutes Produktdesign machen wolle, müsse in der Lage sein, die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen zu erforschen und zukunftssicher umzusetzen, sagt Hadi Teherani. Seine Entwürfe stehen nicht nur für eine elegante Formensprache, die den Elementen Leichtigkeit und optische Stabilität verleiht, sondern bieten auch ein angenehmes Umfeld für das gemeinsame Arbeiten und Leben. Gemeinsam Hadi Teherani, Architekt und Produktdesigner, Hamburg Wir werden uns in den nächsten Jahren zunehmend und immer früher damit beschäftigen, wie wir im Alter leben möchten. Das bedingt unter anderem auch die Entstehung neuer Wohnformen. Denn die meisten Menschen wollen im Alter ihre Unabhängigkeit bewahren, am gesellschaftlichen Leben partizipieren und bestehende Angebote – ob in kultureller oder sportlicher Hinsicht – nutzen. Ich befasse mich derzeit mit der Planung für ein exklusives „House for friends“, das als Beispiel für das gemeinschaftliche Wohnen der Zukunft steht. Darin soll es etwa zehn Wohneinheiten von je etwa 60 Quadratmetern Größe geben. Dazu kommt ein großer Gemeinschaftsbereich, in dem die Bewohner des Hauses sich treffen und austauschen können, in dem sie gemeinsam kochen und essen oder Filme schauen. Und schließlich beherbergt das Haus auch eine Einliegerwohnung für das Servicepersonal, das allen Mitbewohnern jederzeit mit seinen verschiedenen Diensten zur Verfügung steht. Das Konzept bietet den Vorteil, dass die Bewohner sich ins Private zurückziehen können, gleichzeitig aber auch in einer von Spaß und Lebensfreude geprägten Gemeinschaft unter Freunden leben. Weiterhin gehe ich davon aus, dass Nachhaltigkeit auch in 40 Jahren eine enorm große Rolle spielt und wir immer mehr gefordert sein werden, in diesem Bereich neue Wege zu beschreiten. Zudem tritt das Miteinander-Arbeiten in einem gemeinsamen kommunikativen Umfeld wieder stärker in den Fokus. Denn Menschen brauchen den direkten Kontakt, um gute Ideen entwickeln zu können. Was mich weiterhin begleitet: Manschettenknöpfe und Kiton-Anzüge. sind wieder miteinander vernetzt und der dramatische Verlust an Tier- und Pflanzenarten ist gestoppt. Bei Spaziergängen hört man wieder allerorts die Feldlerche und findet Wolfsspuren, die niemandem mehr Angst einjagen. Die Rufe der Uferschnepfe prägen das Feuchtgrünland Norddeutschlands und farbenfrohe Blumen bereichern die Wiesen im Süden. Es ist uns wichtig, dass Dinge wieder lange halten und umweltfreundlich hergestellt werden. Produktionskreisläufe werden geschlossen, sodass neue Produkte – vom T-Shirt bis zur Fassadendämmung – aus recycelten Materialien hergestellt werden. Plastik ist ein seltenes Produkt geworden und Wegwerfprodukte sind aus der Mode gekommen. Wir haben uns unabhängig von fossilen Energieträgern gemacht und unseren Energieverbrauch drastisch gesenkt. Die erneuerbaren Energien haben wir naturverträglich ausgebaut. So haben wir es im Jahr 2054 endlich geschafft, den Verbrauch an natürlichen Ressourcen wie Wasser, Boden und Luft sowie an Rohstoffen zu senken. Wir haben nicht nur in der Theorie verstanden, dass die Natur Grundlage allen Wirtschaftens und Konsumierens ist! Olaf Tschimpke Präsident N A B U – Naturschutzbund Deutschland e. V. zerstören wir in Deutschland jeden Tag eine Fläche in der Größe von 104 Fußballfeldern. Dies ist im Jahr 2054 umgedreht: Die Natur bekommt zurück, was ihr in den letzten Jahrzehnten stetig genommen wurde. Zurzeit Natürlich Ehemals zerschnittene Lebensräume Heute leben wir teilweise immer Ich gehe davon aus, dass bewusst und noch mit den Visionen, die nach dem nachhaltig zu kaufen für die Menschen Zweiten Weltkrieg entstanden sind, noch wichtiger wird, weil Ressour- und das urbane Ich kann sich manch- cen nicht bis zum Ende ausgeschöpft mal nur schwer entscheiden, ob es werden dürfen. Wir müssen uns also vehementer Verfechter von Flügeltüren unserer Umwelt noch mehr bewusst und Fischgrätparkett ist oder aber werden – und dazu gehört eben auch, Designer wie Alvar Aalto, Oscar Nie- bewusst zu wohnen und sich bewusst meyer und Hans Scharoun auf Podeste einzurichten. In 40 Jahren wird sich hebt. Ein bisschen Eiermann-Design dieses Verständnis hoffentlich verfes- passt auch in den Altbau, genauso tigt haben und nicht nur Theorie blei- wie sich der geerbte Perserteppich ben. Ich wünsche mir, dann in einer in bauhäusliche Schlichtheit einfügen Welt zu leben, in der der Natur – be- lässt. Was wir unserer Großeltern- dingt durch ein erstarkendes Bewusst- generation voraushaben, ist die sein – die Chance gegeben wird, sich Überwindung wohnlicher Bravheit. Wir zu regenerieren. Bedachter Konsum mischen zusammen und wollen etwas kann dazu führen, dass wir mit den Einzigartiges im Wohnen, so wie in Dingen, die wir heute besitzen, auch unserem Leben. Selbst wenn wir alle in 40 Jahren noch unser Leben teilen – auf ähnliche Codes zurückgreifen – und eben nicht dem Drang unter- Sessel von Eames, Teekannen von liegen, permanent konsumieren zu Wagenfeld, Lampen von Panton oder müssen. natürlich IKEA, entstehen durch Bewusst Michael Haas, Leader Interior Design IKEA Deutschland Kombinationen Räume, die so viel- Was mich auch in 40 Jahren noch be- schichtig wie die Charaktere der darin gleitet: eine Graphik von Uwe Kowski. lebenden Menschen sind. Natürlich kommt der Mensch auch in Zukunft nicht davon ab, seine Wohnung als Statussymbol einzusetzen. Doch vor allem wird die Wohnung Eigenheiten widerspiegeln und immer mehr ökologisches Bewusstsein reflektieren. „Fast Furnishing“ hat glücklicherweise nicht ganz so fatale Züge angenommen wie „Fast Fashion“. Dr. Pero Mićić Autor, Referent, Managementberater und Vorstand der FutureManagementGroup AG Flexibel Wie das Wohnen zukünftig aussieht, wird in 40 Jahren noch Sie werden uns erinnern, schubsen, belohnen und bestra- mehr als heute davon abhängen, wo man wohnt und wie fen. Wenn wir zum Beispiel zu viel Strom verbrauchen, viel man verdient. Es gibt unzählige Zukunftsentwürfe und zeigen uns virtuelle Pflanzen an, dass ihnen die Energie kreative Ideen von Architekten und Designern zur Zukunft zum Leben fehlt. Werden die Energieverbraucher abge- des Wohnens. Aber von flexiblen Grundrissen und Wänden, schaltet, erblühen sie wieder. Derart visualisiert, bekom- die man je nach Lebenssituation verändern kann, sind men wir ein besseres Gefühl für Kosten, Energie und wir noch weit entfernt. Das zeigt, wie sehr Gewohnheiten Umwelt. Die heute noch komplizierte und stellenweise und wirtschaftliche Notwendigkeiten bestimmen, was überfordernde Komplexität wird durch „conversational schlussendlich realisiert wird. Viele der jetzigen Wohnungen user interfaces“ menschenverträglicher sein. Wir werden werden auch in 40 Jahren noch bewohnt sein – und ein über Gestik, Mimik, Sprache mit unserem Heim inter- nennenswerter Teil davon ist dann im Kern noch auf dem agieren, es sogar ganz unbewusst mit unseren Vitaldaten heutigen Stand, vor allem in ländlichen Regionen. Aber die steuern, sodass es „weiß“, was wir gerade benötigen beweglichen Teile, die Einrichtung und technischen Fea- oder wollen. Das eigene Domizil wird an Bedeutung tures werden uns kaum vorstellbare Funktionen und Kom- verlieren, weil die private und berufliche Mobilität weiter fort ermöglichen. So wird etwa das Putzen viel einfacher, zunimmt. Dennoch bleibt der Mensch in seiner Psyche weil Oberflächen selbstreinigend, schmutzabweisend oder so wie heute: Heimat und vertraute Umgebung sind auch antibakteriell sind. Außerdem unterstützen die Wohnungen in 40 Jahren noch wichtig. Ich glaube auch, dass die ört- im Jahr 2054 ihre Bewohner auch in ihrer Lebensführung, liche Trennung von Arbeit, Wohnen und Freizeit vor allem indem sie unsere Willenskraft stärken und erweitern, damit in neueren Wohnumfeldern stark zurückgeht. Und alles, wir im Heute das Richtige für morgen tun. wovon wir in Sachen Energieeffizienz, „Energy Harvesting“ und Recycling heute noch träumen, wird in 40 Jahren „Der Mensch ist ein Kurzfrist-Tier, das sich täglich die Zukunft versaut, weil es sich lieber im Hier und Jetzt wohlfühlt, als dass es für die Zukunft Sinnvolles tut.“ Dr. Pero Mićić selbstverständlich sein, für die meisten Menschen jedenfalls. Daher werden die meisten Gebäude mindestens Null-Energie-Häuser sein. Auch das eigenständige Leben im Alter in der eigenen Wohnung wird selbstverständlich. Allgegenwärtige Hilfen gleichen selbst starke körperliche Behinderungen aus. Auch der Schutz vor Kriminalität ist 2054 ein zentrales Bedürfnis, das vor allem technisch befriedigt wird. Technik macht es auch möglich, dass wir unsere Wände mit Gedanken, auf jeden Fall aber mit Worten, von einer Sekunde auf die andere neu gestalten. Und wir können uns An- und Aufbauten per „Contour Crafting“ selbst ausdrucken – Bauämter bekommen dann massive Probleme, mit entsprechenden Regelungen nachzukommen. Aber trotz allem: Auch 2054 werden viele Deutsche noch fast genau so leben, wie sie es im Jahr 2014 getan haben. Und: Immer noch wird ein guter Teil der Menschheit froh sein, eine menschenwürdige Wohnung zu haben. ität. Spätestens in 40 Jahren wird unser Land gezeigt haben müssen, wie agil es vor dem Hintergrund des zunehmenden globalen Wettbewerbs in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Leben ist. Meine Vision – und zugleich mein Wunsch – ist es, dass die Deutschen wieder rebellischer und hungriger auf Erfolg werden, dass sie spielerisch an neue Themen herangehen und dass sie erkennen, wie genial es ist, Regeln zu brechen, Dinge in Frage zu stellen � Mathias Haas, DER TRENDBEOBACHTER. Stuttgart Langfristige Prognosen finde ich bedenklich. Um gesellschaftliche Veränderungen Neue Statussymbole und neue bahnbrechende Technologien ( ( und sich über alle Maßen anzustrengen. aufzuzeigen, widme ich mich Die Technik wird unser Leben massiv verän- bei meiner Arbeit daher vor- dern: durch enorm erhöhte Rechenleistung rangig dem Hier und Jetzt. und unfassbar komplexe Datensysteme. Ge- Doch weil man im Leben räte werden über Gestik und Mimik gesteuert, auch riskieren Suchvorgänge überwiegend mit Bilderken- muss und weil man stets den nung ablaufen. Wir werden neue Technologien Mut haben sollte, sich später als Schnittstelle zum menschlichen Körper – zu korrigieren, schaue ich so genannte Wearable Technologies – einfach heute mal weiter nach vorn. am und im Körper tragen. In 40 Jahren wer- Megatrends Megaüber- den miteinander vernetzte Maschinen Stan- schriften für meganormales, dard sein – und soziale sowie hybride Roboter neues die neuen Statussymbole. Sie machen vor al- mal etwas als Verhalten grundsätzlich kommen nicht über lem jenen Menschen Konkurrenz, die schlecht Nacht. Vielmehr kann man ausgebildet sind. Außerdem werden „Serious viele Dinge lange vorab kom- Games“, also ernsthafte digitale Lernspiele, men sehen – vorausgesetzt, zunehmend dazu genutzt, Probleme zu lö- man schaut genau hin. Das sen. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass macht die Zukunft gar nicht wir so kompliziert. tionstunnelblick haben werden. Dank dieser einen hochindividualisierten ➔ Vernetzung wird so etwas wie „gemütlich schlendern“ aussterben oder aber als Seminar gebucht. Dasselbe gilt für den „Zufall“, wie wir ( ihn heute kennen. Ungleiche Einkommensverhältnisse nehmen weiter zu Schlussendlich werden wir zukünftig vor der Aufgabe stehen, unsere Emotionalität und unsere Intuition weiterzuentwickeln und den Kontrollwahn in den Griff zu bekommen. Die Kehrseite der Medaille, auch wenn es mir sehr wichtig ist, den Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen: Sozialer Status wird vererbt werden. Soziale Herkunft wird immer mehr das ganze Leben prägen und ungleiche Einkommensverhältnisse werden weiter zunehmen. In den nächsten Jahren möchte ich weitere Megacitys in verschiedenen Kontinenten bereisen und dort herausfinden, wie die Menschen mit dem Wandel umgehen. In 40 Jahren lebe ich ganz bestimmt in einer Stadt. Als fast 80-Jähriger werde ich dann wie viele Gleichaltrige wahrscheinlich so tun, als ob ich nicht alt wäre. Matthias Haas beschäftigt sich als Trend- Und ich möchte auch im hohen Alter die Welt beobachter mit Megatrends. Bei seiner bereisen, vor allem aber strebe ich an, „hung- Arbeit geht es ihm vor allem um den Trans- rig“ zu bleiben. fer von der Zukunft ins Heute. Wichtigstes Hilfsmittel: die Megatrend-Maschine. Sie hilft ihm, Strömungen zu erfassen, zu hin- Wie entsteht ein Megatrend? Mathias Haas liefert Antworten. terfragen, zu betrachten und daraus Megatrends zu erkennen bzw. abzuleiten. InformaWas mich auch in 40 Jahren noch begleitet: meine Angel. Sie ist für mich ein Symbol dafür, „hungrig“ zu bleiben und die Balance nicht zu verlieren. ➝ Agil ( ➳ Mein Stichwort lautet Überall Jahre, die Roaring Twenties genießen bestimmtes Buch oder Heft habe, kann Toni: Musst du auch nicht, weil auch das und obendrein Walter Rathenau ken- ich es, egal wo ich bin, sofort kaufen Arbeiten 100 % von zu Hause aus funk- nenlernen. Die Zukunft gewisserma- und loslegen mit dem Lesen! tioniert. sisterMAG nicht mehr auf Rädern über die Stra- Thea: Hoffentlich gibt es dann virtuelle ponente eines Büros nicht zu unter- ßen fahren und durch die Reibung viel Modelle der eigenen Wohnung, in die schätzen ist. Wir sind doch auch sehr man „reinspazieren“ kann. Die virtuel- gerne zusammen im Büro und lachen len Möbel sollten auch direkt aus den im selben Raum über Witze und nicht Online-Shops in das Wohnungsholo- über Skype. ßen als Zugang zur Geschichte, das Toni: Dann fallen ja in Zukunft auch die wäre toll! Magazinstapel und die Bücherrega- nicht mehr in Büros gearbeitet werden le komplett weg! Die ganze Wohnung wird? Thea: Theresa und Antonia Neubauer Apropos Reisen, wäre es nicht klasse, wenn die Autos der Zukunft muss neu gedacht werden. gramm gezogen werden können. Früher saßen wir häufig mit unseren Eltern bei einem Glas Wein (und noch früher bei einer Apfelschorle) zusammen und sprachen über die Zukunft. Toni: Und kaufen kann man dann durch Thea: Toni: Thea: Du denkst also, dass später gar Doch schon, weil die soziale Kom- Dich durchkitzeln ist so auch ein- facher! Es ging um unsere Pläne, die noch in weiter Ferne lagen – und um die eine oder andere „Vision“, die unsere progressive Mama aus einer Star-Trek-Folge Anklicken des virtuellen Möbelstücks, Toni: abgeleitet hatte. Eine ihrer Lieblingsideen war damals der Tricorder. Rund zehn Jahre später sprachen wir dann schon in Nokia- oder Motorola-Aufklapp- wenn man sich dann entschieden hat. Thea: größeren Teil unserer Arbeitszeit au- Oder es gibt gar kein Anklicken handys hinein, die dem Tricorder optisch ziemlich nahekamen – und nochmal zwei Jahre später erschien das iPhone mit mancher – bisher utopischen – mehr, sondern man entscheidet allein Tricorder-Funktionalität. Tatsächlich hat sich die Welt, insbesondere was Technologien angeht, im Laufe unseres Erwachsenwerdens immer rasanter Toni: durch die eigenen Gedanken. Und die Möbel werden per Drohne Haha, ja. Wir werden aber einen ßerhalb der Büroräume verbringen. Das Büro ist dann überall. Thea: Aber das kann man doch jetzt schon ... verändert. Heute wird sichtbar, wie die neu verfügbaren Technologien unseren Alltag und unser ganzes Leben verändern. Angesichts der Vielfalt und gleich an die richtige Stelle in der Woh- Toni: der Geschwindigkeit des Wandels fallen Zukunftsprognosen auch bei einem zweiten Glas Wein immer schwerer. Trotzdem haben wir es (ganz nüchtern) nung geliefert. Thea: gehen. Für viele ist das noch nicht wirklich einen Knall! ;-) für das IKEA Trendbook mal versucht, in die Zukunft zu schauen, und uns ausgemalt, was sich so alles (positiv) entwickeln könnte im Verlauf der nächsten Toni: 40 Jahre in den Bereichen Mobilität, Infrastruktur, Wohnen und Arbeiten. Thea: Fliegende Möbel … Toni, du hast So abwegig ist das gar nicht. Die Post zum Beispiel denkt heute schon Lärm machen, sondern stattdessen wie über Drohnen für die Zustellung nach. sich zu überlegen, welche Unannehm- Zum Beispiel muss in 40 Jahren das auf einem Luftkissen schweben wür- Thea: nachzudenken, weil ich immer ein biss- lichkeiten Innovationen Internet überall zur Verfügung ste- den? Dann müsste ich auch nicht mehr beim Aufräumen und Putzen freuen. chen Angst habe vor dem, was kommt. leichter handhaben lassen werden und hen – ohne umständliches Verbinden zweimal pro Jahr zum Räderwechsel was später mal leichter, schneller, bun- oder Einloggen. Sonst machen Innova- fahren ... ter und günstiger wird. tionen wie die Google Glasses gar kei- Toni: Ja, das wäre toll und die Autos wür- nen Sinn. Ich hasse es, über die Zukunft Thea: durch Ja, aber ich finde, es baut total Toni: Das kann ich mir bei dir vorstellen! Thea: Aber vielleicht wird das Putzen ins- Thea: Wenn man mal genug voneinander hat, wird man sich in 40 Jahren vielleicht einfach in den Urlaub direkt ans Meer beamen können ... Toni: Auf jeden Fall werden durchs Ar- unternehmen entstehen, so wie unser che ausgesprochen praktisch. sisterMAG hier! und alles zu verändern. Zukunft „in das Internet hineingehen“ heißt) und über Sharing verfügbar sein. Aber es geht doch meistens vor- kann. Praktisch eine Reise auf den Thea: Sharing ist sowieso ein guter gelt ganz nach den gelernten Bedürf- wärts! Denk doch nur mal, wie sehr du virtuellen statt den realen Autobah- Punkt. Für mich wäre wichtig, dass nissen der Bewohner die Zimmer- dein Smartphone liebst. Hier würdest nen. Das sollte nicht nur geografisch alles Wissen digital verfügbar ist. Da- temperatur, die Beleuchtung zu einer du die Zeit doch auch nicht zurückdre- gehen, sondern auch zeitlich, sodass durch verliert es seine Orts- und Zeit- bestimmten Tageszeit oder die Wasser- hen wollen. ich vergangene Zeiten in einer Art gebundenheit. Das finde ich jetzt schon temperatur. Holodeck erleben kann. Meine erste an E-Books und natürlich digitalen Thea: Reise ginge dann ins Berlin der 1920er Magazinen toll. Wenn ich Lust auf ein nicht mehr verlassen! le Wünsche, dass es noch besser wird. einfach. Oberflächen gibt. Das wäre in der Kü- ben (was auch immer das in Zukunft was zu sagen! Es ist total spannend, beiten ist bestimmt auch nicht immer den natürlich umweltfreundlich betrie- Ich wünsche mir, dass man in Thea: Stimmt ... Da hätte ich sogar vie- Zusammen leben und zusammen ar- beiten zu Hause sicher mehr Familien- Toni: Resi, das ist doch Quatsch, so et- gelebter Alltag, zu Hause zu arbeiten. gesamt weniger, da es selbstreinigende Druck auf, ständig innovativ zu sein Toni: Toni: sich Ich würde mich über Roboterhilfe Da dürfen wir nicht von uns aus- Toni: Und das intelligente Zuhause re- Dann will ich mein Zuhause gar nehmen – zum Lesen, zum Anfassen, zum Gestalten. Diese Entwicklung greifen wir zum Beispiel in unserem neuesten Magazin „flow“ bereits auf. Das Unique, das Individuelle, Sinja Schütte, Chefredakteurin flow und LIVING AT HOME Wie ist Ihre Vision für das Wohnen und Leben in 40 Jahren? liebevoll Selbstgemachte und damit Einzigartige wird wieder mehr im Fokus stehen. Denn das größte Geschenk, das wir bekommen oder machen können, ist Zeit – gerade auch die Zeit, die wir benötigen, um wieder Dinge selbst zu tun. Das gilt auch für das Wohnen. Welche Wohnform oder Wohnart entspricht mir als Mensch, als Persönlichkeit? Wie verleihe ich meiner Wohnung meine eigene Handschrift? Eine sehr spannende Frage. Ich glaube, dass die technolo- Wohnen nicht als Trend, sondern als Ausdruck von Indivi- gische Entwicklung auch in den nächsten 40 Jahren die dualität. Möbel werden zunehmend „on demand“ nach treibende Kraft bleibt. Alleine wenn man sieht, wie rasant Vorstellung der Käufer hergestellt. Meiner Meinung nach die Entwicklung in den zurückliegenden Jahren war – das werden in 40 Jahren daher viele Menschen ihre Wohnung ist schon sehr beeindruckend. Ein Beispiel: 2005, als Papst sehr persönlich gestalten. Zuhause und Mensch passen Benedikt XVI. inthronisiert wurde, hielten auf dem Peters- so besser zusammen, nach dem Motto: „Ich verstehe die platz einige wenige ihr Handy in die Höhe, um ein Foto zu Person anhand ihrer Wohnung.“ machen. Bei der Vorstellung von Papst Franziskus als sei- Wie sehen Sie Ihr eigenes Leben in der Zukunft? nem Nachfolger im vergangenen Jahr zeigten die Fernsehbilder ein Meer von Displays. Ich bin daher der Meinung, dass die Art, wie wir künftig leben und erleben, durch die Technik stark beeinflusst wird. Vieles von dem, was heute noch ungewöhnlich ist, wie ein sprechender Kühlschrank, wird dann Standard sein. Führende Internetfirmen wie Google und Facebook beschäftigen sich aktuell mit genau diesen Themen und kaufen sich die Technik und die Unternehmen hinzu, die ihnen künftig einen Vorsprung versprechen. Wir werden in Zukunft das meiste mit dem Handy steuern und unser Leben dadurch in vielen Bereichen einfacher gestalten. Wobei „einfacher“ relativ ist, denn Technik hat ja auch Nachteile wie Suchtgefahr, Vereinsamung etc. Es wird meiner Meinung nach daher eine Wellenbewegung geben: Erst hin zu noch mehr Technik und dann wieder zu weniger Technik, zu gezieltem Technikeinsatz in unserem Leben. Also auf der einen Seite Technik, die uns immer mehr Arbeiten abnehmen wird. Auf der anderen Seite Ich will eine glückliche, gesunde und fitte Oma mit ganz vielen Enkeln und einer zu mir passenden Wohnung sein. Ich liebe die Themen Wohnen und Leben. Vielleicht kann ich ja in 40 Jahren mein Wissen bei einer Zeitschrift einbringen, die sich mit Mehrgenerationen-Wohnformen befasst …? Ich möchte noch viel reisen. Sehr gerne hätte ich eine Stadtwohnung und die Möglichkeit, mich immer wieder aufs Land zurückzuziehen. Einen Ort, wo ich sehr auf das Wesentliche reduziert leben und einfach mit meinen Lieblingsmenschen zusammen sein kann. Ich mag die Weite – egal ob am Meer oder in den Bergen. Hier gewinne ich viele Eindrücke, denen ich gerne einen Platz in meinem Zuhause gebe. Ich brauche die Kontraste, daher auch die Stadtwohnung mit all ihren Impulsen und kulturellen Möglichkeiten und den Ruhepol auf dem Land. Und eines will ich unbedingt in 40 Jahren erreicht haben: Ganz viel Gelassenheit. werden wir uns bewusst von ihr lösen. An den Punkten, Welcher Gegenstand wird Sie wohl in 40 Jahren noch begleiten? an denen mich der Fortschritt als Mensch, als Individuum Eigentlich möchte ich mein Herz nicht an Gegenstände unglücklich macht, ziehe ich mich wieder aus dieser Um- hängen, sondern vielmehr an Menschen und Erlebnisse. klammerung heraus. Als Kontrapunkt zur Technologie wird Was mir aber sehr wichtig ist, sind Bücher. Sie werden es einen Trend zum echten Erleben, zu echten Kontakten mich auch die nächsten 40 Jahre begleiten. Ich liebe gute geben. Wir werden z. B. wieder mehr Bücher in die Hand Geschichten – gerne gedruckt auf tollem Papier. Gelassen Der Tisch für die PS 2014 Kollektion von IKEA. Als Inspiration diente mir der nunmehr etwa 40 Jahre alte IKEA Küchentisch, mit dem ich aufgewachsen bin. Es ist ein runder Massivholztisch, der mit all seinen Gebrauchsspuren auf seine Funktion als Schauplatz für das alltägliche Zusammenleben verweist und noch immer in Gebrauch ist. Mit diesem Anspruch habe ich auch den Tisch für die PS Kollektion entworfen. Auch er ist ein Essoder Küchentisch als Ort zum Arbeiten, für Gespräche, zum Essen oder Beisammensein – ein Tisch zum Leben! Selbstbewusst Mathias Hahn, Produktdesigner, London Zukunftsprognosen sind für gewöhn- Anerkennung wird sich auch in Zu- Wandel begriffenen Alltag anpassen lich ein Vabanquespiel: Man weiß kunft nicht viel ändern. Auch unser kann, wird er zu „unserem“ Gegen- letztendlich doch nie so genau, wie ganz menschlicher Drang zur Aus- stand – einem Objekt, das Geschich- es kommen wird. Glücklicherweise einandersetzung mit immer neuen ten zu erzählen vermag. Dieses ist sprengt die allzu präzise Frage, wie Inhalten, zur Veränderung als Trieb- gleichwohl Dokumentation unseres genau die Welt in 40 Jahren sein feder von Kultur, scheint konstant individuell gelebten Lebens, ein wird, doch mehr oder weniger unsere zu bleiben. Eine mögliche Antwort Statement der Privatkultur: der Ge- Vorstellungskraft. Und wie langweilig auf die Fragestellung „Wie kann man genstand als analoge Hardware, wäre es uns, wenn wir alle Aufgaben Nachhaltigkeit begreifen?“ ist sicher- die Dokumentation von gelebter Zeit und Antworten schon jetzt benennen lich, dem ungehemmten Güterkonsum als Zeitgeist. könnten. In diesem Sinne sind wir von kurzlebigen Gebrauchsgütern unserem Wesen nach, wenn wir es mit Langlebigkeit und Qualität zu Was ich auch in 40 Jahren noch zulassen, im Hier und Heute verhaftet. begegnen. Weniger ist mehr im Sinne benutzen möchte: meine Ledertasche. Auch Wandel entsteht immer im von Besitzreduktion auf das Wesent- Ein Modell der Schweizer Armee von gelebten Moment. Das Spannungsfeld liche. Doch erscheint nicht gerade 1956. In vierzig Jahren also fast 100 von Vergangenheit, Gegenwart und dieser Ansatz paradox, wenn man Jahre alt. Zukunft wird doch immer aus der anerkennt, dass Menschen neue Ge- gleichen Perspektive definiert – dem schichten hören wollen, neue Bücher Jetzt. Auf unser Wohnumfeld und lesen werden, sich verändern wollen? das alltägliche Leben bezogen gibt es Ich glaube nicht – wenn wir es schaf- natürlich Realitäten, die schon jetzt fen, einen Wertewandel zu vollziehen, Veränderungen absehbar machen. der unsere kulturellen Bedürfnisse Einige der wichtigsten sind die End- mit einbezieht. Meine Vision für unser lichkeit unserer natürlichen Ressour- Wohnen und Leben in der Zukunft cen und die Verknappung von urba- bezieht sich auf einen selbstbewuss- nem Lebensraum. Ein großes Thema teren Umgang mit den Dingen, die ist in diesem Zusammenhang der uns umgeben. Wir werden mehr Mut Begriff der Nachhaltigkeit. Die Nach- zu bewussten Entscheidungen brau- haltigkeit wird vordergründig oft chen, quasi als Antipode zum Diktat ausschließlich mit technischer Weiter- des Trends. Wenn wir wegen steigen- entwicklung von Materialien sowie der Produktions- und Materialpreise Herstellungs- und Recyclingverfahren seltener und weniger konsumieren, verbunden. Diese stellen ohne Zweifel werden wir genauer und bewusster eine Grundlage dar, doch wie sieht entscheiden, welches Objekt in unser es mit der kulturellen Seite unseres alltägliches Leben treten darf – und Alltagslebens aus? Wie werden welches nicht. Neben funktionalen As- wir mit den Dingen, die uns umgeben, pekten wird es eine Rolle spielen, wie umgehen? Fest steht: An den Grund- viel Projektionsfläche für persönliche bedürfnissen wie dem Streben nach Geschichten ein Objekt bietet. Denn freier Entfaltung, individueller Selbst- wenn wir einen Gegenstand gern be- verwirklichung und gesellschaftlicher nutzen, er sich an unseren stetig im Wegweisend Couchtisch LÖVET, IKEA Trendsetter, Schweden einer Ausnahme: Die Tischplatte von Jahren den Menschen zu Hause ein LÖVBACKEN ist nicht mehr aus Pali- besseres Leben ermöglicht und sanderholz, weil diese Holzart als ge- weiter Trends setzt – ob in puncto fährdet gilt und deshalb nicht in IKEA Design, Beschaffung, Verpackung Möbelstücken verarbeitet wird. Dafür oder Vertrieb. Dabei wird das große wird jetzt technisches Furnier genutzt, Thema Nachhaltigkeit immer mehr das so gebeizt ist, dass es wie Pali- in den Vordergrund rücken. Zunächst sander wirkt. Wer mich kennenlernen aber bin ich sehr stolz darauf, dass möchte, kann mich übrigens im es seit Oktober 2013 einen geeigneten IKEA Museum in Älmhult besuchen. Ich bin ein kleiner Couch- und Bei- Transport wenig Platz brauchen und Nachfolger im IKEA Sortiment für Dort werde ich mich bestimmt auch stelltisch und trotz meines Alters die Kunden sie zu Hause leicht selbst mich gibt. Es ist LÖVBACKEN, der noch in 40 Jahren von all meinen ultramodern. Ich habe drei schwarze zusammenbauen können. Dank Gillis in seiner zeitlosen Version Sinnbild schönen Seiten präsentieren, eben gedrechselte Beine mit verkupferten kann IKEA somit seit fast 60 Jahren für klassisches IKEA Design ist. so, wie es sich für einen Trendsetter Fußaufsätzen und eine feine ge- die Preise für qualitativ hochwertige Wir haben fast alles gemeinsam, mit gehört! schwungene Palisanderplatte, die alle- Möbel niedrig halten – zur Freude der samt für den Wohnstil der 1950er Kunden! Jahre stehen. Besonders aber zeichnet mich aus, dass ich das erste Möbelstück zum Selbstmontieren von IKEA bin – sozusagen der Prototyp der IKEA Idee! Ins Sortiment kam ich bereits 1955, produziert hat man mich in der Möbelfabrik Big in Rörvik bei Älmhult. Die Idee, mich zum Selbstmontieren anzubieten, hatte Gillis Lundgren, damals Werbeleiter von IKEA und später dann Designer vieler IKEA Klassiker wie dem BILLY Bücherregal, dem ÖGLA Stuhl und dem TORE Schubladenelement. Als Gillis versuchte, mich in seinem Auto zu verstauen, erwies Du willst mehr historische Aufnahmen sehen? Dann klick hier! Ich bin sicher, dass IKEA auch in 40 ich mich als zu sperrig. Also montierte er kurzerhand meine Beine ab, um den Transport zu erleichtern. Das war quasi die Geburtsstunde des in aller Welt wegweisenden und oft kopierten IKEA Konzepts: Möbel zu zerlegen und sie so zu verpacken, dass sie beim IKEA Chefdesigner Marcus Engman erklärt das Selbstverständnis von Democratic Design Gerecht Simple, clever, nachhaltig – das 1-Quadratmeter-Haus. Van Bo Le-Mentzel, Architekt, Karma-Ökonom & Initiator von Community-Projekten, Berlin Viele Dinge auf dieser Welt sind nicht gerecht, das gilt es zu hinterfragen. Die Wirtschaft beispielsweise gibt uns vor, was wir wollen und was wir kaufen sollen. Ich will den Menschen die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden und selbst zu produzieren, ohne dass es dabei zu Ausbeutung kommt. Das nenne ich Karma-Ökonomie. Ich habe daher Hartz-IV-Möbel entworfen. Das sind Möbelstücke, die jeder mit wenig handwerklichem Bilderbuch Kinder zeigen uns ihre Visionen vom Leben in 40 Jahren. Ein geniales Bauwerk zum Selbermachen hat Van Bo mit dem „1-Quadratmeter-Haus“ entworfen. Mit einer Wohnfläche von einem Quadratmeter ist es das kleinste Haus der Welt. Es kann sogar in einem PKW oder in der Bahn transportiert werden. Know-how und geringem finanziellem werde in 40 Jahren wahrscheinlich mit Aufwand selbst nachbauen kann. vielen Menschen in einem Umfeld leben, Die Konstruktionspläne dafür gibt es in dem Geld keine Rolle spielt und in dem gratis im Netz. Außerdem habe ich jeder dazu beiträgt, dass das Leben und einen biologisch abbaubaren Fairtra- die Gemeinschaft funktionieren. Und ich de-Schuh im legendären Converse- werde weiter Fragen stellen und hoffent- Stil, den „Karma Chakh“, und ein lich den Mut haben, auch noch als knapp 4-Quadratmeter-Haus entwickelt. Das 80-Jähriger neue Ufer zu entdecken. „Unreal Estate House“ passt auf einen Was mich auch in 40 Jahren noch beglei- Autoanhänger. Wer darin lebt, muss tet: Ein fünf Meter langes, türkisfarbenes keine Miete zahlen. Ich gehe davon Babytragetuch, das sich vielfach ver- aus, dass die Menschen in 40 Jahren wenden lässt. Es ist eine Erfindung aus mehr Fragen stellen, zum Beispiel in Afrika. Bezug auf geltende Besitzverhältnisse. Und sie werden möglicherweise auf Impressum Bäumen oder auf dem Wasser wohnen oder sogar in der Luft schweben. Die neuen Wohnformen sind auf alle Herausgeber IKEA Deutschland Am Wandersmann 2–4 65719 Hofheim-Wallau Fälle eher temporär ausgerichtet und nicht in Stein gemeißelt. Auch das Konsumverhalten wird sich ändern, sodass möglichst wenig Menschen und auch die Umwelt nicht darunter leiden müssen. Außerdem wird es mehr Vegetarier geben und es wird kein kostbares Wasser mehr verschwendet. Und schließlich gehe ich davon aus, dass neue Konzepte am Start sind. Sie zielen darauf ab, unsere Arbeitszeit besser zu nutzen, damit die Menschen glücklicher sind und mehr Zeit für sinnvolle Dinge im Leben haben. Die Freiräume, die dadurch entstehen, lassen neue Ideen wachsen. Ich selbst Eine Vision vom mietfreien Wohnen ist das Stackhouse (Stapelhaus) von Van Bo Le-Mentzel. Es vereint den Querschnitt einer Stadt in einem Gebäude. Im obersten Geschoss gibt es Platz für Gotteshäuser spiritueller Gemeinden, unten Cafés und Werkstätten. Die Bewohner werden über eine Crowd demokratisch ausgewählt. Fotos S. 3–4 IKEA PR; privat S. 8–9 Marleen Sleeuwits; Bernotat&Co Design Studio S. 10–11 privat (2); Redaktion und Gestaltung Roger Mandt, Hamburg ELBFISCHE S. 12–13 privat Klopstockstraße 27 S. 14–15 privat 22765 Hamburg S. 16–17 privat; Material Uwe Kowski/Angst, 2012/ Umschlag: 300 g/m2 Pitt artist pen auf Papier Atlantic Feinpost, weiß 21 x 30 cm/courtesy Galerie Inhalt: 150 g/m2 EIGEN + ART Leipzig/Berlin/ Atlantic Feinpost, weiß VG Bild-Kunst, Bonn 2014 S. 18–19 IKEA PR; privat S. 20–21 privat (2) S. 22–23 privat (4) S. 24–25 privat; Jen Bliss S. 26–27 IKEA PR; privat (2) S. 28–29 IKEA PR (3) S. 30–31 Daniela Gellner S. 32 Daniela Gellner; privat (2) Oktober 2014 © Inter IKEA Systems B.V. 2014