beaufort_vor_d

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Beaufort
Mit dem Segelboot auf
den Mount Everest
Das Volvo Ocean Race gilt als härteste Regatta der Welt: fast neun Monate, knapp 40 000 Seemeilen,
Temperaturen von minus 15 bis plus 45 Grad und die Yachten von den Crews ständig bis ans Limit gepusht…
Ende Oktober wurde in Alicante (ESP) zur elften Ausgabe gestartet.
Publikums kämpfen wird. Sanya ist das
­einzige Team, welches nicht eine neue Volvo
Open 70-Yacht bauen konnte, sondern eine
Yacht der letzten Generation übernommen
hat. «Das Medieninteresse ist riesig – und
entsprechend ist auch der Druck auf das
ganze Team gewachsen», berichtete Sanderson kurz vor dem Start in Alicante. Tatsächlich: Auf der offiziellen Akkreditierungsliste ­waren 62 chinesische Journalistinnen
und Journalisten aufgeführt.
Spannung garantiert
Das Volvo Ocean Race 2011/12 wird in 9 Etappen ausgetragen. Hinzu kommen
10 In-Port-Races in Alicante und an den Etappenorten. Das In-Port-Race in Alicante Ende Oktober lancierte die Regatta, das Ziel ist Anfang Juli 2012 in Galway
an der Westküste Irlands vorgesehen. Die Wertung erfolgt mit einem PunkteSystem, wobei ein Etappensieg 30 Punkte gibt, ein Sieg bei einem In-Port-Race
«nur» 6 Punkte. Neben den Etappensiegen und dem Gesamtsieg gibt es auch
noch die IWC Schaffhausen Speed Record Challenges zu gewinnen. Diese
werden nach jeder Etappe an diejenige Yacht vergeben, welche das grösste Etmal, also die längste Distanz in 24 Stunden, geschafft hat. Es ist anzunehmen,
dass bei günstigen Bedingungen der Einrumpf-24-Stunden-Weltrekord von
Text : lori
schüpbach
/ los
fotos : VOR
«Ich glaube, das VOR 2011/12 wird die
­anspruchsvollste und härteste Regatta, die
je ausgetragen wurde», sagt Knut Frostad.
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Der Norweger – seit 2008 CEO des Volvo
Ocean Race – weiss, wovon er spricht: Mit vier
Teilnahmen (zwei davon als Skipper) gehört er
zu den «Veteranen» der Szene. Genau wie der
Neuseeländer Mike Sanderson, der 1993/94
unter Grant Dalton auf NZ Endeavour und
2005/06 als Skipper auf ABN Amro One die
Regatta gewann. Bei der aktuellen Austragung
ist er als Skipper des chinesischen Projektes
Team Sanya mit ­dabei – wobei er hier wohl
weniger um den Sieg als vielmehr um die Aufmerksamkeit und die Gunst des chinesischen
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China als Markt
Ericsson 4 mit 596,6 Seemeilen wackeln wird. Die meisten Experten erwarten
Das grosse Medienecho in China ist ganz im
Sinne von Volvo. Im Gegensatz zu einem
normalen Eventsponsor, der einen Anlass
«nur» finanziell unterstützt, ist Volvo gleichzeitig Besitzer und Veranstalter des Volvo
Ocean Race. Entsprechend ist es für Volvo
eine bis am Schluss spannende Regatta ohne klaren ­Favoriten. Mindestens 4
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von 6 Teams werden realistische Chancen auf den Gesamtsieg eingeräumt.
Das In-Port-Race in Alicante bestätigte diese Vermutung und liess noch keine
Rückschlüsse auf die effektive Stärke der Teams zu.
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Beaufort
Die Welt ist mit an Bord:­
70 TV-Stationen übertragen
die In-Port-Races – eine Heraus­forderung für die Organisa­
toren um Knut Frostad (links).
Qualität: Zwar treten nur sechs
Teams an, doch sie segeln alle
auf hohem Niveau – das
verspricht ein spannendes
Rennen. Ein Event, dessen
Zukunft zudem gesichert ist:
Bereits hat Volvo die Austragung 2014/15 abgesegnet!
möglich, beispielsweise die Etappenorte
nicht nur nach sportlichen, sondern auch
nach marketingtechnischen Kriterien auszusuchen. Mit den Stops in Abu Dhabi
(UAE) und Sanya (CHN) respektive den
beiden gleichnamigen Teams werden der
Mittlere Osten sowie China angesprochen
– beides wichtige Zukunftsmärkte für die
Auto­mobilindustrie. Der «Umweg» gegenüber der Routenführung einer normalen
Welt­umsegelung hat aber auch sportlich
seinen Reiz: Die Teams müssen nach dem
Kap der Guten Hoffnung im Indischen
Ozean wieder nordwärts bis weit über den
Äquator segeln und erst nach Sanya dann
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wieder «hinunter» nach Neuseeland. Diese
Passagen sind anspruchsvoll und verlangen
sowohl den Crews als auch dem Material
alles ab.
Die enge Bindung zwischen der Regatta
und Volvo hat noch weitere positive Seiten:
Schon vor dem Start in Alicante konnte
Knut Frostad stolz verkünden, dass die Besitzer Volvo Car Corporation und The Volvo
Group – zu der auch die Marine-Abteilung
mit Volvo Penta gehört – für die nächste
Austragung des Volvo Ocean Race 2014/15
bereits grünes Licht gegeben haben. Eine
Situation, von der viele Veranstalter nicht
einmal zu träumen wagen.
Kommunikation total
Weiter ausgebaut wurden die Bemühungen,
das Volvo Ocean Race dem Publikum noch
näher zu bringen. Die In-Port-Races, die
­jeweils kurz vor dem Start zur nächsten Etappe
stattfinden, werden erstmals live von über
70 Fernsehstationen in der ganzen Welt ausgestrahlt. Als Zugeständnis an die so
­ge­nannten TV-Slots (Sendezeiten) müssen
diese Regatten zu einem im Voraus bestimmten Zeitpunkt stattfinden und dürfen keinesfalls länger als 64 Minuten und 55 Sekunden
­dauern – so lange ist die vereinbarte Sendezeit.
Auf die Windverhältnisse kann keine Rücksicht
genommen werden, das Timing muss auf die
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Sekunde stimmen. Um das Spektakel möglichst telegen in die guten Stuben zu bringen,
kommen Helikopter, On-Board-Kameras und
Mikrofone, die jedes Wort der Skipper ein­
fangen, zum Einsatz. Was beim America’s Cup
seit einiger Zeit Standard ist, bedeutet für die
Offshore-Segler eine neue Erfahrung. Franck
Cammas, Skipper des ersten französischen
Teams seit La Poste mit Eric Tabarly (1993/94),
gibt unumwunden zu, dass dies durchaus
­einen Einfluss auf den Umgangston an Bord
haben könnte: «Gerade bei den kurzen
­In-Port-Races kann es hektisch und entsprechend auch einmal laut zu und her gehen. Aber
wir wollen die Leute ja nicht erschrecken…»
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Offene Routenführung
Ein ernsthaftes Problem für die aktuelle Austragung des Volvo Ocean Race ist – «dank»
dem Etappenort Abu Dhabi – die Piraterie
geworden. Die Gegend um das Horn von
­Afrika und der Golf von Aden gehören zu den
gefährlichsten Piraten-Revieren. Hier eine
Regatta ohne weitere Vorkehrungen durchzuführen, wäre verantwortungslos. «Wir
­haben in Zusammenarbeit mit Spezialisten
sechs verschiedene Optionen ausgearbeitet»,
sagt Knut Frostad, ohne weiter ins Detail zu
gehen. Sicher scheint, dass die Yachten ab
einem bestimmten Ort auf einen Frachter
verladen und so auf dem Seeweg bis kurz vor
Abu Dhabi transportiert werden sollen. Dort
wird dann das ganze Programm mit Ziel­
ankunft, In-Port-Race und Etappenstart
gesegelt, bevor es auf die gleiche Art und
Weise zurück in den Indischen Ozean geht.
«Eine Option ist allerdings auch, dass wir den
Etappenort Abu Dhabi auslassen – der de­
finitive Entscheid fällt erst ganz kurzfristig und
wird so spät wie möglich kommuniziert.»
Aber auch ohne Begegnungen mit Piraten
sind die Segler während des Volvo Ocean
Race höchsten Strapazen ausgesetzt. So
kann es beispielsweise problemlos vorkommen, dass einzelne Segler keine Minute
Ruhe haben werden: Manöver unterstützen,
Segel wechseln, Material auf die andere
Seite tragen, Reparaturen aus­f ühren – alles
Arbeiten, die während der ­Freiwache erledigt werden müssen.
Sicher ist: Wer Anfang Juli 2012 in Galway (IRL)
ankommt, gehört auf jeden Fall zu den Siegern.
Schweizer VOR-Projekt?
Beim Start in Alicante war auch Christian «Blumi» Scherrer mit dabei. Allerdings nicht als Segler, sondern als Beobachter. Der Markenbotschafter von Volvo
Schweiz und ehemalige Ocean Race Segler spricht offen über sein Interesse an
einem Schweizer Projekt für das nächste Volvo Ocean Race 2014/15: «Ja, es wäre
toll, eine solche Kampagne auf die Beine zu stellen.» Ob an Bord oder «nur»
als Projektmanager steht für Scherrer aktuell noch gar nicht im Vordergrund.
«Meine Rolle ist zweitrangig. Zuerst gilt es jetzt, das Projekt voran zu treiben
und die Finanzierung sicher zu stellen.» Mit einem Budget von rund 12 Millionen
Euro, sagt Scherrer, wäre eine Teilnahme bereits möglich. «Das Regelwerk der
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Volvo Open 70-Klasse ist bewusst so gehalten, dass auch Boote der letzten Austragung konkurrenzfähig bleiben. Wir müssten also nicht unbedingt eine neue
Yacht bauen.» Um wirklich von einem Schweizer Projekt sprechen zu können,
möchte Scherrer mindestens fünf Schweizer Segler an Bord haben – was für
einige junge, erfolgshungrige Talente sicher auch «eine Chance» wäre. Einer
Schweizer Teilnahme steht natürlich auch Volvo Schweiz positiv gegenüber –
allerdings ist klar, dass die Haupt-Finanzierung anderweitig abgesichert sein
muss. Eine Knacknuss, die Scherrer in den nächsten Monaten anpacken will.
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