Stefan Knopp Behinderte | 03.04.2013 - Leverkusen
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Stefan Knopp Behinderte | 03.04.2013 - Leverkusen
© Stefan Knopp Behinderte | 03.04.2013 - Leverkusen Wer in diesem Restaurant arbeiten will, muss nicht nur gastronomisches Können mitbringen: Im "Mattea" im Leverkusener Forum muss er auch in der Lage sein, mit Menschen mit Behinderung umzugehen. Denn mit ihnen wird zusammengearbeitet: Die Einrichtung der gemeinnützigen Kölner Invia GmbH, einer Tochter der Caritas, versteht sich als Integrationsbetrieb, der Menschen mit Handicap einen Einstieg ins Berufsleben bietet. "Jeder Mensch kann, wenn er möchte, zum Arbeitsleben beitragen", sagt Geschäftsführerin Sibylle Klings. Das gelte auch für Menschen mit Behinderung. "Sie gehören in die Öffentlichkeit und nicht hinter verschlossene Türen oder Mauern oder in Behindertenwerkstätten, wo sie unter sich sind und wo sie keiner sieht, sondern sie gehören hier mitten rein. Ein Restaurant ist mittendrin in der Gesellschaft." Dort könnten sie zeigen, zu was sie fähig sind, und dass sie für andere da sein können. Es gehe auch darum, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen, auch als Mensch mit Handicap. "Sie können einen Teil dazu beitragen, dass es dem Anderen auch gut geht", so Klings. Das sei bemerkenswert, denn oftmals gehe es beim Umgang mit Behinderten vor allem darum, etwas für sie zu tun - und nicht umgekehrt. Eine große Familie Als Integrationsunternehmen muss das Restaurant wenigstens zu 25 Prozent Behinderte beschäftigen. "Wir verpflichten uns, 40 Prozent aufzunehmen, um die Gemeinnützigkeit zu behalten", sagt Klings. Zum Team gehören derzeit zwölf Mitarbeiter, darunter vier mit Behinderung, zum Beispiel ein Rollstuhlfahrer und ein Gehörloser. Auch Vanessa Bechtel, gelernte Beiköchin, arbeitet im Mattea. Seit einer Operation am Gehirn ist sie zu 50 Prozent behindert. "Ich finde es super, dass hier Menschen integriert werden, dass die Menschen, die eine Behinderung haben, auch die Chance kriegen, am Berufsleben teilzunehmen." Sie fühlt sich dort wohl. "Das ist ein nettes Klima, nette Arbeitskollegen. Das ist wie eine große Familie." Die Mattea-Mitarbeiter beim Plausch Bildquelle: Stefan Knopp Zwölf Mitarbeiter sind aber nur der Anfang nach fünf Monaten Betrieb: Geplant sei, im Mattea 60 Personen zu beschäftigen, mehr als ein Drittel davon Behinderte, sagt Betriebsleiter Daniel Hargarten-Wierich. Es wird noch eine Weile dauern, bis das Personal komplett ist. Nach und nach kommen neue Menschen dazu; für die Köchin Bechtel eine spannende Zeit. Da müssen Abläufe geübt werden, man muss auf Besonderheiten achten: Uum Beispiel müsse man, wenn man mit Gehörlosen zusammenarbeitet, neben akustischen auch optische Warnsignale für Notfälle wie etwa einen Brand einrichten, sagt die Diplom-Sozialpädagogin Heike Ahlers-Fries, die sich um die Koordination der Mitarbeiter kümmert. Sie hilft besonders den Beschäftigten mit Behinderung bei innerbetrieblichen Angelegenheiten, aber auch bei Behördengängen und vertraglichen Details. Eine Regel zum guten Mitarbeiten sei etwa, andere nicht von hinten anzusprechen, sondern ihnen zunächst auf die Schulter zu tippen. Ziel ist aber nicht, die Angestellten ewig zu behalten: Das Mattea dient auch als Sprungbrettbetrieb. Man arbeite darauf hin, "dass man eine Abnabelung vorantreibt", so Ahlers-Fries. Sie könne sich, wenn das Personal komplett ist, auch vorstellen, dass man sich mal außerhalb der Arbeitszeit gemeinsam trifft. Muss nicht zwingend sein, findet die behinderte Mitarbeiterin Bechtel. "Wenn man die den ganzen Tag auf der Arbeit sieht, will man sie nicht unbedingt auch in der Freizeit sehen." Gesund essen und zur Ruhe kommen "Mattea" ist Lateinisch für Leckerbissen. Laut Geschäftsführerin Klings steht der Name auch dafür, dass man im Restaurant genießen und zur Ruhe kommen könne. Die Menschen müssten wieder lernen, "Essen als Kulturakt zu sehen und bewusster wahrzunehmen, nicht nur satt zu werden." Sie hofft, dass die Menschen aus der nahe gelegenen Einkaufspassage das Restaurant im Forum als Möglichkeit zur "Entschleunigung" entdecken: Kein Fast Food, sondern gute, vor Ort hergestellte Kost. "Wir versuchen, mit den vorhandenen Ressourcen hier in dem gesamten Betrieb sehr verantwortlich und respektvoll umzugehen." Damit meint sie die Zutaten, die aus saisonalen und regionalen Produkten bestehen und ohne Konservierungsstoffe zubereitet werden – man merkt zum Beispiel der Champignon-Rahm-Sauce an, dass sie nicht aus dem Plastikeimer kommt. Klings meint aber auch den Strom: Die Großküche, die noch angebaut werden soll, werde Energie teilweise rückgewinnen können. In der geplanten Großküche sollen Essen für bis zu 3000 Schulkinder hergestellt werden. Damit werden die offenen Ganztagsschulen beliefert, die unter Trägerschaft des Kölner Vereins stehen. Darüber hinaus kann Essen für ebenso viele Menschen gekocht werden, die abends Veranstaltungen im Forum und in der Volkshochschule besuchen. Derzeit, so die erste Bilanz nach fünf Monaten, ist abends im Mattea mehr los als tagsüber. Betriebsleiter Hargarten-Wierich hofft, dass sich das ändert, wenn sich erst einmal herumgesprochen hat, dass in den Räumlichkeiten der ehemaligen heruntergekommenen Kneipe "jetzt gutes Essen gekocht wird". Zudem plant die Geschäftsführerin, dass künftig Kochkurse für Familien und Ähnliches angeboten werden kann, "um Signale zu setzen, dass wir hier nicht nur kochen, sondern damit auch was aussagen wollen." Von Stefan Knopp Das Restaurant Das Mattea Restaurant & Lounge findet man im Forum in Leverkusen: Am Büchelter Hof 9 51373 Leverkusen. Informationen auf www.mattea-restaurant.de Invia GmbH Invia wurde vor 110 Jahren gegründet, damals ging es darum, mittellose Frauen aufzufangen, die vom Land nach Köln kamen. Meistens kamen die mit dem Zug, weshalb Invia zunächst die Bahnhofsmission eröffnete. Heutiger Schwerpunkt ist, Menschen mit Benachteiligung beim Übergang von der Schule in den Beruf zu begleiten und die überbetriebliche Ausbildung von Menschen mit Behinderung im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in der Hauswirtschaft zu koordinieren. Jährlich werden 30 bis 35 neue Auszubildende aufgenommen. Invia ist hundertprozentige Tochter der Caritas mit Sitz in Köln und zwei Außenstellen: 2011 eröffnete man eine Produktionsstätte für Schulessen in Köln-Porz und 2012 das Mattea Restaurant in Leverkusen. Beide sind Integrationsbetriebe. Um an die Wurzeln zu erinnern, hat der Verein die ursprüngliche Bezeichnung "Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit“" beibehalten. © katholisch.de Medium: katholisch.de Rubrik: Gesellschaft Erscheinungsdatum: 03.04.2013