Bretagne-Tagebuch
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Bretagne-Tagebuch
Bretagne-Tagebuch August 2003 Samstag, 2. August 3 Ein langer, weiter Tag! Nachdem wir schon am Vo rabend mit dem gewohnt hohen Aufwand an (Nerven)Kraft den Kombi befüllt hatten, und dann doch noch bis elf (Gisela) oder zwölf (Fritz) zu tun hatten, konnte es im Morgengrauen unterm Sternenhimmel um 4.20 (km 14.518) Uhr losgehen, aus Bonn, der Friedrichstraße. Fritz fuhr, Kölner Ring, Aachen, Gisela und Carla schliefen. Für Ferienbeginn eigentlich wenig Ve rkehr. Sonnenaufgang in Belgien vor Mons um 7.15 Uhr (km 14.713). In Frankreich (7.15 Uhr km 14.795) muss man vom Weg nach Paris von der A1 (Calais –Paris) auf die A29 Richtung Amiens verlassen und schlägt sich dann im Norden über Rouen oder Le Havre nach Caen erst in die Normandie und weiter über Avranches (mit kurzem, fernen Blick auf das burgartige Mont-St-Michelle) durch, dann knapp südlich St. Malo vorbei in die Bretagne. Dann hinter St. Brieuc über Guingamp nach Lannion, Genaueres siehe www.viaMichelin.com. Noch in Belgien meldete sich das ansonsten wohlgepflegte Auto mit Ölhunger. Ob das von einem Loch in der Ölwanne kommt? Fritz war über was drübergefahren. Also reduzierte Fahrt bis zum nächsten Parkplatz, dort ein beruhigend gutes Ölminimum ausgelotet, und dann bei der nächsten Tanke einen Liter Mehrbereichsöl nachgefüllt – außer Zeit wenig Verlust. Und richtig waren Meyers, mit denen wir das Ferienhaus teilen, vor uns, zum Ärger Giselas. Wozu sind wir dann extra früher gestartet! Sie riefen an – mobil machts mö glich – und dann gab es um halb zehn ein französisches Frühstück im Hotel Cardinal** in Poix-de-Picardie (km 14.960), 6 Euro die Person. Jann (11) langte gleich gut zu, Annie (9) servierte, Carla (1+) lief herum, die zugehörigen Eltern Sigrid (45) und Arne (38) plus Gisela (38) und Fritz (61) testeten Tee, denn den gabs in Beuteln. Beim nächsten Tankstopp für uns in Plelan-Petit (km 15.356) fuhren dann Meyers genervt davon, die Funkerei Jann–Fritz hatte ein Ende. Rest der Reise in sommerlicher Hitze, Ferienverkehr mit Engländern, Iren, Holländern, Franzosen, Staus, Engstellen, zwischendurch immer wieder Autobahn – beeindruckend le Havre mit riesigen Hafenbrücken zum drüberfahren! Am Ziel in Lannion waren Meyers nur mehr wenige Minuten vor uns, sodass die weiter nördliche Edelortschaft Perroz-Guirec (PG) – das Sylt der französischen Nordküste voll blühender Hortensien alle Farben – gemeinsam angefahren und gegen halb sechs das Quartier in der Rue Clemonceau Nr. 16 gefunden ward (km 15.478, insgesamt 960 km). Das Quartier1 ist eine schönes, großes Haus der Landlord-Sorte mit blühendem Garten drumherum, mit netten Besitzern, Herr und Frau Messager, die wohl Winters selbst hier wohnen und nebenan das Blumengeschäft betreiben. Platz für die Autos am Kieswegende, viel Platz für uns: unten Wohnzimmer mit offenem Kamin (am Hausende, wie hier üblich), geschmackvoll möbliert nach alter Art, geräumige Küche mit modernem Ga sherd 2 , Elternschlafzimmer (F+G), Bad mit rosa Versatzstücken, Klo, Eingang mit Schrank, halt schon herrschaftlich, sogar Zentralstaubsauger! Im ersten Stock wohnen Meyers plus Carla, die bei Annie im Einzelzimmer ihr Kinderbettchen (hochgetragen mit Arne) hat. Oben sind zwei Doppelschlafzimmer, eins für die Eltern M., das andere für Jann, und wieder ein Bad. [Bilder: Haus2, Hausein, Bad, Wohnzi1,SpiegelS1] 1 Wolters-Prospekt Côtes d’ Armor: 6 Pers., 118 m², Kamin, 100 m bis zum Meer (na ja ...): Dieses große Ferienhaus, das sich auf einem ca. 300 m² großen Gartengrundstück befindet, liegt direkt im Zentrum von Perros-Guirec (na ja ...). Von hier aus haben Sie einen idealen Ausgangspunkt für Ausflüge an die Rosa-Granit-Küste. Wohn-Esszimmer, Farb-TV, Video, Radio, 2 Schlafzimmer (je 1 B), Küche, kombinierter Gas-E-Herd, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Geschirrspüler, Toaster, Kühlschrank, Bad mit Badewanne, 2. Bad mit Dusche, 2 separate WCs , Waschmaschine, Zentralheizung, Terrasse, Gartenmöbel, Grill, Garage, PKW-Stellplatz, Sandstrand 800 m, Einkauf 200 m, Restaurant 300 m, Hallenbad 7 km, Tennis 1 km, Golf, Reiten 7 km, Nebenkosten vor Ort (€ 152 Kaution): Heizung, Kurtaxe, Strom; +33 2 96232774; € 908 / Woche 2 nur oben die Flammen, Mod. Rosières VG 40, 4 Flammen, 500 (Ausschnitt 490) mm tief, 575 (560) breit, 50 mm Einbautiefe. [Hof: 52–53 × 58 cm] Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 1 von 1en Hortensien und Oleander Quartier und nächster Strand [Perros-GuirrecM] Der Einzug (eigentlich eine Tascheninvasion): Froh und durchgeradelt wurde in Eile entpackt, geduscht, und dann gings für Gisela und Fritz ab nach SaintMichel-en-Grèves am Meer, wo Fritz’ Studienfreund aus Berlin, Elmar Briem, seinen Sechzigsten und das(selbe) Paar Gisela und Elmar dreißig Jahre Ehe im alten Hotel de la Plage feierten (**, +33-96357443), in der Tat mit Blick aufs Meer, erst auf die untergehende Sonne, dann den zarten, zunehmenden Mond darüber, richtig mit ein paar unverdrossenen Badenden. (Wir hatten dort im Juli 1994 Ferien gemacht, s. Psion.) Die deutsch-französische Gesellschaft war angeregt, nett, alle drei wohlgeratenen Töchter Briems, Ann-Sophie (28), Caroline (23) und Luise (22) waren schön in ihren kleinen Schwarzen gekommen, der Rest fröhlich und informell. Elmar ist immer noch der Urigste, besonders mit seinem dürftigen (nur Gegenwart), dafür viel gebrauchten Französisch. Nach Mitternacht waren wir wieder in PG zurück (km 15.521), in unserem eher engen Doppelbett mit französischer Bedeckung, und haben herrlich geschlafen, in einen strahlenden Sonntag hinein, mit morgendlicher Kühle, glücklicher Cara und geschäftigen »Meyerinis«. Sonntag, 3. August 3 Herrlich geschlafen, herrliche Sonne, Kühle, und dann gemeinsames Frühstück im Ga rten. Ich muss noch Fotos machen, weiß nur noch nicht, ob die üblichen kleinen Illustrationen mein Tagebuch hier nicht so aufblähen, dass mit Versenden über den MDA bzw. XDA und Mobilfunk nichts mehr geht. Hier im Haus gibts keinen Festnetzanschluss, ich kann gerade mal Mail über Mobilfunk machen, also dort lesen oder mü hsam eintasten, oder über Infrarot vom Thinkpad in den MDA und dann raus in die Welt senden. Nur gut, dass die deutschen MDA Einstellungen hier unverändert gehen, sofern ich nur den richtigen Roaming-Partner als Netz habe. Dann wollten die großen Kinder unbedingt ans Meer, Gila nicht; wir also erst zu Fuß dorthin, ich aber kehrte um und holte das Auto, weils doch etwas weit ist, und nachmittags in der Hitze wohl noch weiter. Eine schöne Sandstrandbucht, kultiviert, rundrum die Häuser, steil, Blüten, Quadersteinhäuser, schon edelst! Carla hatte ihre erste Freude am Wasser, im Sand, rennend, bauend, nackert spielend. [Bild \0803\CarlaStrandlK.jpg] Nachmittags setzte ich mich ab, Gisela abholen zu Briems. Suppe. Kleiner Nachmittagsschlaf vorm Hinfahren. Carla schlief lange, entsprechend gehetzt war wieder unsere Abfahrt zu Briems – und ich fuhr noch dazu einen anderen, längeren Weg ... Bei Briems in Tredrez im ehemaligen Schulhaus (bis 1933) war es wieder sehr nett, die Gesellschaft von gestern ohne die wenigen Franzosen, und alle am Pool hinter der Scheune, ein Naturschwimmbecken mit Teils Pflanzen, Teils Schwimmbad, ländlich-natürlich, obwohl Elmar schon viel Ärger mit einer gerissenen Plane gabt hatte. Gute Gespräche, Fritz wieder bei seinem Lieblingsthema elektrische Wirkungen auf Nerven, Gisela doch mehr mit Carla beschäftigt, obwohl auch ich mit ihr zum Boule-Platz ging, Leute gucken, und in die Kirche, wie viele hier aus dem 15. Jahrhundert. Der Versuch, dann noch mit in Yaudet Abend zu essen, scheiterte dort an Carlas Müdigkeit, die sie dann quengelig werden lässt. Also fuhren wir leicht gestresst heim, holten uns noch den Schlüssel von Meyers, die am Hafen aßen, und haben jetzt einen ruhigen Abend hier. Um zehn Uhr ist es noch hell, so weit westlich ists hier. Montag, 4. 8. 3 Morgens ein eher trüber Tag, angenehm für die leicht sonnenverbrannten Meyers und für uns anderen auch. Also: Morgens (fast) ruhiges Frühstück auf der Terrasse, dann Einkaufen. [Bild: CarlaBag1] Die Damen machen sich im »Leclerc«-Supermarkt vor dem Ort mit Lebensmittelbesorgen nützlich, die Herren und Kinder wandern mitten durchs Dorf auf der Suche nach Kordeln zum Anhängen von verlierbaren Kleinteilen wie Autoschlüsseln im Sand und Handys in schützenden Plastikbeuten. Schon zum Frühstück hatte es eine Debatte gegeben, ob Kordeln wirklich nur gezopft und Schnüre nur verseilt sind. Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 2 von 2en Wir finden schöne in einem Maritimwarengeschäft. Danach wird umgesattelt, Fritz schultert die Kraxe und Carla drin, und es geht pfadfindernd die steile Küste hinunter zu einem Steinstrand mit herrlich runden Graniten. Die Gegend ist ja berühmt für ihren rosa Granit – der ganze Küstenabschnitt heißt so! [Kueste3] Nach dem opulenten Mittagessen mit (fast) allem Mitgebrachten zu Hause gings nach einer Mittagsruhe wieder zu unserem Sandstrand – das genaue Gegenteil dieser sonst wilden Küste: kultiviert, mit umsorgter Badezone, und tausend Leute. Kinder, die immer etwas anderes wollen als sie sollen, zum Beispiel für vier Euro (die Stunde) rutschen! Des gibts net! [CarlaErstMeer3] Mittwoch, 6. 8. 3 Gestern, ja, das war noch ein dramatischer Tag! Wir fuhren also im Konvoi, wild funkend (Jann an das Vorausfahrzeug mit uns drin ...), über Lannion nach St-Michel-en-Grève und kurz weiter die Küste hinunter über St. Efflam an unserem 94-er Quartier3 vorbei nach Plestin de Grèves. Erst dort bogen wir rechts zum Meer ab, zu spät (man muss gleich oben am »Pass« am halben Weg nach Plestin-les-Grèves auf die D42 abzweigen), und fanden unseren alten Strand nicht mehr. Den zwei Autos mangelte die rechte Geduld. Links bei den kleinen, roten Punkten der »neue«, rechts der »alte« Strand.In Trédrez wohnen Briems. [PlestinM] Heute war allerdings Niedrigwasser, der Strand weiter drin teils etwas steinig, und leider keine Muscheln. Jetzt gibts, nach gehörigem Sandabduschen zu Hause, Seeteufel und Langustinen (Krabben) zum Abendessen. Dienstag, 5. 8. 3 In der Nacht hats ein dickes Gewitter gegeben, viel Donner, wenig Blitze und ganz wenig Regen. Carla war trotzdem viel wach. Nachts laufe immer ich zu ihr. So erlebten wir heute den Morgenstern (?) und eine frühe Müllabfuhr, als wir uns tröstend oben aus dem Klofenster schauten. Entsprechend lang dauerte die allgemeine Schlaferei, bis umma Zehne! Inzwischen ists Routine: Jann und Anni gehen Baguettes kaufen, Jann wird für sein Französisch beglückwünscht, was zu täglich mehr Baguettes und Croissants führt. Heute wollen wir an den Jörn-Harms -historischen Strand bei St Michelle en Greves in der Hoffnung, Muscheln zu finden. Dabei müsste zur Zeit Hochwasser sein. Es ist wieder heiß, so 30 °, Variante schwül. Die FAZ gibts hier übrigens immer erst einen Tag später, sodaß (FAZ-Schreibweise) ich meine geschätzte Dienstagsnummer erst am Mittwoch bekam: Unser kleiner, neuer Strand beim « Camping de la Corniche » am Ende der Rue de la Pors Mellec war dennoch schön, lauschig fast. Es mangelte ihm natürlich der Erinnerungen an vergangne Zeiten, sodass Fritz sauer war – der mit der noch schlafenden Carla den »richtigen« Strand am Ende der Rue de Poul Guioch (Richtung Hotel Les Panoramas 4 ) fünf Minuten später gefunden hatte. Die Badebucht [Bild: BuchtPan] mit dem feinen Sandstrand wurde bei der Ebbe zusehends größer. Jann versuchte vergeblich für Carla die Strandmuschel im Wind aufzustellen, Fritz mailte umher, in sich gekehrt, die Damen und Arne lasen, die Kinder schnorchelten, Carla genoß Wasser und den vielen Sand am Po – weniger. Gegen fünf wurde plötzlich von den Damen zum Aufbruch geblasen (es war wirklich schon etwas kühler geworden). Fritz wollte einen Teil der Gesellschaft zur Fußwanderung den Küstenpfad entlang zum »alten« Strand verführen, den er zuvor barfuß ausgekundschaftet hatte, doch vergebens. Also wurde direkt zurückgefahren, qualmend, 22 km, ab 17.37 Uhr, an gegen sechs. Die Stimmung war dicht, wie 3 Chalkies (Bar nimmer!) Bed and Breakfast, 14 Avenue lieu de Grèves, F-22310 Plestin les Grèves, 02-96541048, Johanna (Joanne) Wright 4 ** http://www.LesPanoramas.com, +33 2 96356376, Fax +33 2 96350910 Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 3 von 3en sich das nach drei Tagen Reise gehört, was sich später bis zum Abendessen im feinen Restaurant Le Marine am Hafen in Perros-Guirec fortsetzen sollte. Danach haben wir uns dann alle wieder »eingekriegt«, wie man so schön sagt. Die Kinder, Carla voran, liefen nach gutem Mahl um zehn Uhr abends noch um den Teich im Hafen herum und dann die rund zwanzig Minuten heim (Carla im Wagen). Objektiv und kulinarisch gings uns bestens – Muscheln, die Kinder Pommes, und erst die Nachspeisen (brutto 120 €)! [Bild: CaEssnA] Luftbild Ploumamac’h. Sehr empfehlenswert auch das Vallée des Traouiéros rechts im Vordergrund Am Nachmittag gabs wegen dem trüben Wetter eine allgemeine Küstenwanderung zum Naturschutzgebiet Ploumanac’h 6 [WanderkuekarM, LuftbM], Fritz mit Carla in der Kraxe, der Rest per pedes, beginnend am Westende der Plage de Trestrauo, dem Nachbarort »unseres« Perros-Guirec (unterer roter Punkt). Start ist bei der alten Hotellerie de Roserie in der Steilkurve auf halber Höhe, Parken dort schwierig. Wir kamen etwa 1½ km weit bis fast zur Landspitze. Heute, Mittwoch, gabs Morgendunst und Dienstags-FAZ, allgemeine Entspannung (wobei Gisela gewiss lieber ihre Kehrund Aufräumarbeit in der Wohnung recht gewüdigt hätte). Balkontemperaturen hier bis jetzt: 15—37 °C, jetzt bei 17°. – Kurzer, aktueller Einschub: »Fritzlein, kannst du mir mal helfen!«: Gisela ist wieder einmal einhändig 5 beim Ga rtensprengen und braucht gerade etwas mehr Schlauch. Von der jährlichen Million Besucher waren wohl ein Gutteil mit uns dort unterwegs. Dennoch: Das Meer mit den Segel- und Ausflugsbooten, das Ufer, teils steil, teils steinig oder nur felsig, Blasentang bei Niedrigwasser, dazu die großen roten Steinformationen, das ist schon einzigartig. Je weiter man an die Landspitze kommt, desto uriger werden die Felsformationen [WanderkuePan, Algen3] Annie wollte mit dem Handkescher Lachse fischen, merkte aber bald, dass die sich »verfahren« haben. Jann erklomm alle Felsen, und Carla verfing sich promt in einer Felsspalte. Gegen sechs waren wir wieder zu Hause. Der Kälte (17°) halber wird drin gegessen, in der Küche, Lasagne – ich muss weg, bekomme eh schon vorgeworfen, ich täte nichts, wenn ich hier am Tagebuch und an der ebenso täglich fortgeschriebenen Diashow arbeite (na ja, bastle)! Donnerstag, 7. 8. 3 Mittw. 6. 8. rote Punkte, Do. 7. 8. blaue, Feldmesse zu Maria Himmelfahrt beim dunkelroten Stern in la Clarté Wieder ein eher trüber, kühler Tag mit Tau am Morgen, ja nächtlich gelbem Nebel, wohl von den Straßenlampen. Carla lässt uns gelegentlich früh aufwachen; Gisela bringt sie meist zu Bett, so um zehn, wenns geht, und wenn die Kleine dann nachts ein bis dreimal aufwacht, dann gehe ich zu ihr und gebe ihr vielleicht eine kleine Flasche Milch, zuweilen sogar direkt aus dem Kühlschrank, oder Gila steht auch auf 6 5 die andere Hand an der Zigarette ... früher Poulmanach, »Sumpf des Mönches« Namens Guirec, der aus Wales kommend hier an Land gegangen sein soll. Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 4 von 4en und wärmt schon mal die Milch für sie in der Mikrowelle auf. In der Früh geht Jann mit seinem guten Schulfranzösisch und wechselnden Begleitern, heute allen Kindern und Fritz, zum Bäcker, sieben Croissants und ein bis zwei Baguettes kaufen. Am späten Vormittag fuhren Meyers nach St. Brieuc, »ein Schuss in den Ofen«, sagt Sigrid. »Wir haben uns die Abtei Beauport angesehen, einem Zwischenhalt für britische Pilger am Weg nach Santiago. Größtenteils Ruine, aber sehr schön, 11. bis 17. Jahrh., dann säkularisiert.« Die Abtei liegt in Paimpol an der Küste östlich »gegenüber« Lannion am halben (Um-)Weg nach St-Brieuc. Sie kamen gegen halb sieben wieder und aßen dann Crèpes im Restaurant am Hafen. Les Jörns bummelten in der Früh durch den Ort, kleiner Milcheinkauf, Kirchenbesuch (hinten romanisch gedrungen, dunkel, vorn ein etwas späterer verbreiternder Anbau, mehr am 8.8.) mit zufälliger Orgelmusik [KiPerros2], dann, wie sichs gehört, Kaffeehaus mit der Lokalzeitung. Die Geschäfte haben hier Lautsprecherreklame vor dem Laden, gewöhnungsbedürftig. Nach ausgiebigem Mittagsschlaf – die Länge bestimmt meist Carla, die heut recht müde war – fuhren wir gegen halb fünf nach Ploumanac’h (sprich Plumanak), den berühmt eren Teil der Küstenwanderung an dieser »rosa Küste« zu absolvieren (vom linken blauen Punkt in der Landkarte, St-Guirec, bis zum rechten), sodass wir nun die ganze Strecke, insbesonders den »Zöllnersteig« kennen. Der Herdenauftrieb begann mit einer besonders um den Aussichtspunkt völlig verstopften Küstenstraße D 788, die wir übrigens auf der Rückfahrt über la Clarté umfuhren. Der Ferienort St-Guirec war völlig überfüllt, der Blick von dort auf das berühmte Castel Menguy (Bildmitte) [Bild Ploumanach], gebaut vom Dichter Henry Scienkewitz? (Ben Hur), heute im Besitz von Dieter Hallervorden, auf der vorgelagerten kleinen Insel Costaérès schweifte heute über Niedrigwasser und Sonnenbadende ohne Sonne, vom Dunst ganz zu schweigen. Den Hinweg saß Carla in de Krax’n, zurück lief sie barfuß selbst zurück, hatte ihre Freude an Steinklettereien, möglichst als Rundlauf. Überhaupt schätzt Carla Rundläufe, sei es hier im Haus durch die Vordertür hinaus, ums Haus herum und durch Garten und Terrasse wieder herein, immer wieder, sei es in Bonn in der Passage zur Sternstraße, oder eben in der Natur um ein paar rosa Felsen herum. Dazu genoss sie ein paar Brombeeren – die meisten sind hier unreif am Stamm verdörrt. Mich erin- nerte diese »rosa« Küste an amerikanische Naturparks. Freitag, 8. 8. 3 Morgenstund, blassheller Himmel, der bald die Sonne erwarten lässt. Es ist halb acht. Im Haus bis auf die zehnsekündlichen Zündversuche, zack!, der Gasherdplatte drei und den Sekundentakt der billigen Reklameuhr der örtlichen Bank am Kaminsims noch Ruhe, warum? Weil Gisela statt meiner romantischen Anwandlung, zur Landspitze im Norden zu wandern (die Sonne geht hier gegen neun auf, wie am Hof in Südtirol, nur aus einem anderen Grund) – ihre zwanzigplus Mückenstiche zählt, den einen oder anderen sinnlos bekratzt und ansonsten weiterschläft. Außerdem haben wir ein Kind, da sollte man nicht weggehen! Ich muss nachtragen, dass wir gestern auf der Brötchentour (Baguette-Voiage) ins Rathaus eingedrungen sind, weil Carla Treppen steigen wollte, und bis in den obersten, hohen ersten Stock kamen. Eine freundliche, leider für unsere Verhältnisse zu viel französisch sprechende Dame, zeigte uns den Ratssaal mit dem beeindruckenden Bürgermeistersessel und einer Galerie örtlicher Kunstmalermeister samt grauslicher Gipsbüste, ebenfalls einer Spende ans hohe Haus. Würdig und schön, Sylt hat so etwas gewiss nicht, schon gar nicht eine Angestellte, die einem das umma halbe neune inna Früh vorführt! Der zweite Nachtrag gilt Carla, natürlich: Die nämlich liebt ihr neues französisches Bilderbuch « Benjamin le Lutin » von Antoon Krings7 , der Wichtel Benjamin. Der nämlich hat Angst vorm Fuchs, der am Baumstamm herumschnüffelt, in den sich Benjamin versteckt hat. Und gleich noch eine Korrektur: Um Punkt acht ist die Sonne aufgegangen, steht sogar schon ein paar (morgenkühle, taufrische, duftig-dunstige) Grad hoch! Ich wische vier volle Vileda-Küchentücher Tau vom Verandatisch und je eins von den Gartenstühlen. Kein Wunder, dass hier alles so gut wächst, auch ohne Gisela mit ihrem Gartenschlauch – der übrigens auch hier ihre besondere Beachtung genießt, im Sinn von: »Fritz, zieh mir mal den Schlauch ...!« und »Die Kinder lassen einfach alles liegen ...!«, was beides stimmt. Technisch sei eingeschoben, dass ich hier nach einigen Einbuchungsversuchen mit dem O2-XDAOrganizer maile (der D1-MDA, dasselbe in weniger Chrom, ging auch). Man muss das Mobilfunkgerät nicht nur einfach ein zum Telefonieren roaminggenehmes Netz finden lassen, sondern für GPRSBetrieb das dafür richtige manuell oder zufällig eingestellt haben, für den O2-XDA ist das Itineris , für TMobiles MDA Bouygtel, wobei jeweils in der Auf- 7 ISBN 2-07-059452-1, ©Editions Gallimard Jeunesse, 1996, imprimé en Chine par Hablo Co. Ltd., Bild Benjamin.jpg Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 5 von 5en popp-Anzeige auf das G für den GPRS-»Träger« zu achten ist, sonst gehts auch nicht. Bucht das Gerät nicht gleich richtig ein, so ist die manuelle Umbucherei zuweilen nicht möglich, stundenlang wird fälschlich »kein Netz« angezeigt und Versuche mit normaler Geduld fruchten nicht, nur Neustarts und noch mehr Geduld, denn der »Radio«-Teil (Funkteil) reagiert äußerst langsam. Ein zweiter Fehler: Gelöschte Mail wird entgegen dem Versprechen am Server nicht gelöscht, in keiner Einstellung8 verlässlich, sodass die Mails immer wieder, nach jedem Abruf und Löschen im Gerät, teuer neu geholt und mühsam wieder aus dem Gerät gelöscht werden müssen. Ich bekomme trotz ein wenig Spam-Filter rund zwanzig Schrottnachrichten je Nutznachricht und habe nach dieser knappen Woche 129 Nachrichten am Server, obwohl sogar ein paar Mal das Löschen funktioniert hat. Es empfiehlt sich, den Abruf auf je Mail ein Kilobyte oder gar nur die Kopfzeilen zu begrenzen.9 Ich werd mich wohl aufmachen mü ssen, die alten Mails über Webmail zu löschen, aber Webmail mit dem Organizer ist reiner Blindflug auf der überladenen Internetseite. Übrigens muss nach Telefonieren (nicht Simsen) der Dauermailbetrieb, der mit neueren Pocket-PC-Betriebssystemen10 möglich ist, stets wieder händisch aktiviert werden. Ein weiterer Schwachpunkt: »Zum Downloaden markierte ›Objekte‹« (was für ein geschraubter Ausdruck!) werden bei bestehender GPRS-Verbindung nicht gleich abgerufen, sondern erst in der nächsten Mailrunde – unverständlich warum. Soviel zur Technik. Ja, noch ein Tipp zum Telefon in Frankreich. Die alten Telefonummern haben hier eine 02 vorgeschoben bekommen, aus 96... wurde 02-96... Aus Deutschland wählt man dafür 0033-2-96... beziehungsweise +33-2-96. Samstag, ganz in der Früh, schreibe ich weiter. Gila kann wegen der Mücken, die sie fühl- und sichtbar arg plagen, nicht schlafen, und so bin auch ich ab fünf auf, auch weil Carla zu Trinken haben wollte, diese Nacht schon zum zweiten Mal. Sie hat ja oben im ersten Stock auch Hitze und Mücken ... Gestern vormittags gingen die Hausfrauen für das Elmar-Abendessen einkaufen, alle anderen bis etwa zwei Uhr an den Strand, willkommen nach den sonnenlosen Tagen, Meyers dann erneut am Nachmittag. Pünktlich um vier kamen Briems (die hier übrigens kein Telefon und nirgends ein Handy haben!11 ), wir hatten vorsichtshalber mit zwei Wäscheklammern »Schez Meyer-Jörn« ans Gartentor gepinnt, dann gabs Kaffee und Kuchen comme il faut, ne Tarte du Pomme vom örtlichen Supermarché. Mit dem Ehepaar Briem perambulierten wir dann durch den Ort, wollten stolz »unseren« Rathaussaal zeigen (Carla war die Treppe schon voraus), wurden der späten Stunde halber jedoch freundlich abgewiesen. Dafür war die Kirche offen, die wir uns diesmal fachmännischer ansahen, dank Elmar und dem auch deutsch erhältlichen Informationsblatt. Schöne Kapitelle 12 , und richtig: zunächst im 12. Jhrh. romanischrechteckig, dann im 14. Jhrh. Anbau mit fünf gotischen Rundbögen und schließlich im 17. Jhrh. ein barocker Aufbau oben drauf. Anschließend wanderten wir mit Elmars botanischen Augen – eigentlich ist er ja Geologe – Richtung Meer zum Manoir du Sphinx13 , so schön, dass Gisela dort 2022 (oder später, je nach Mann) ihre silberne Hochzeit feiern will, und bewunderten die üppige Pflanzenwelt: Yuccapalmen, Kamelien, Mimosen (es gibt da eine Sorte, die jährlich viermal blüht, sagt Elmar), Passionsblumen, immer wieder Hortensien in allen Stadien farblicher Frische, sogar Pfirsiche und zuletzt im eigenen Ga rten die weiße, magnolienartige Blüte des Gummibaums! Alles ward gleich abgelichtet und in die »Diaschau« eingefügt, hier spare ich dem Leser die Bytes. Zum Abendessen gabs dann Gilas Salat mit gegrilltem Ziegenkäse, als Hauptspeise Schellfisch (Aiglefin) mit Reis, für die Kinder gebraten, für uns im Backofen mit Senfsoße, Orangensaft und Créme fraiche gebacken, und dann Käs, Pfirsiche und süße Melonen. Als Sehenswürdigkeiten empfahlen und Briems schöne Strände bei Bringuillier und auf der Île Grande, die nur bei Ebbe erreichbare Île Milliau vor Tresmeur, als größeren Ausflug an der Küste gen Osten den Hafen von PortBlanc, die Kirche mit schiefem Turm und Totentanz in Porz Bugale, dann als größeren, mittelalterlichen Ort Tréguier (wo man an den Hafen fahren und dort parken sollte) mit einem gotischen Kreuzgang, ferner die Kies-Nehrung Silon de Talbert bei le Québo-Run 11 8 bei Posteingangs-Ansicht: Extras, Optionen, EMail, »Gelöschte Objekte entfernen:« (wohl vom Server) »Beim Trennen/Verbinden«, »Sofort« oder »Manuell«, nichts hilft verlässlich, meist gehts nicht. 9 bei Posteingangs-Ansicht (geht nur bei ausgeschalteter GPRS-Übertragung!): Extras, Optionen, Dienst anklicken, E-Mail-Setup Seite (4/4) Optionen anklicken Erweitert (2/3) »Nur E-Mail-Kopfzeilen übertragen« einschließlich 1 kB oder ganz nackt. 10 ab 3.14, meiner Erfahrung nach zur Technikfreundlichkeit Briems siehe www.Joern.De/britting.htm (leicht übertrieben) 12 2. Säule re Adams Schlaf und die Erschaffung Evas, die Versuchung durch den Apfelbaum, 4. S. r. Eucharistiefeier, 5. S. r. Abraham, die Hand Sarahs haltend, während Agar, ihren Sohn in Armen haltend, abseits steht, S. ggü. Abrahams Opfer 13 ***, 67 chemin de la Messe, F-22700 PerrosGuirec, Tél 02 96232542 [email protected], Hotel offen 20.2.— 7.7., 20 Zimmer 96—116 € für 2 Pers. im DZ Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 6 von 6en Trao ganz an der Ostspitze. Einiges davon wollen wir mit Briems am Mittwoch besichtigen! Technikfreude genießen die alte Eisenbahn von Pontrieux nach Paimpol mit schöner Essenspause inmitten, und hier in unserer Nähe die öffentlich zugängliche ehemalige Weltraumstation in PleumeurBodou, am hellweißen Radom schon aus weiter Ferne zu erkennen. Sigrid, seit ihrer Freienarbeit bei der »Ostfriesischen Landschaft« (Kulturbehörde) Expertin in meso- und neolitischer Steinzeit (Mittel- und Neusteinzeit), erkundigte sich nach Menhiren und Dolmen hier und lag damit bei Elmar ganz richtig: Es gibt die ganze Westküste entlang derartige Steindenkmäler. Der größte Einzelstein (Menhir) steht einen knappen Kilometer landeinwärts bei Penvern, mit ordentlichem christlichen Kreuz obendrauf! Gräber aus dem Ende der mittleren Steinzeit (Dolmen, Einzel- und Mehrfachgräber, letztere hier Allée couverte genannt) gibt es nördlich Kerénoc bei Kerguntuil. Besonders beeindruckt war Elmar von einer pyramidenförmigen Formation, stufenförmig – da müssen wohl alle damaligen Einwohner Frankreichs Steine gebracht und richtig platziert haben. Die Weltmeere, so sagte Elmar, seien seit der letzen Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren mit kleinen Unterbrechungen ununterbrochen gestiegen, allein seit Christi Geburt 2,20 m. Die Pole und Gletscher schmelzen stetig, obwohl es um 1850 eine gegenläufige »kleine Eiszeit« gegeben hat. Unsere heutige Entwicklung liegt also durchaus im Trend, mit und ohne Autos. Die Nacht wurde sternenklar. Bis um Mitternacht erzählte Elmar von seinen Wüstenerlebnissen in Bardaï im Tschad, von rülpsenden Kamelen, örtlichen Stammesvorherrschaften und dem französischen Rückzug aus Region und Kontinent. Er meint, nach der mörderischen Dezimierung der afrikanischen Bevölkerung würden die tüchtigen, raumsuchenden Inder Afrika besiedeln und bestimmen. In den Küstenstädten bildeten Inder jetzt schon die Führungsschicht – Wasser auf Indienfan Fritz’ Meinungsmü hle! Samstag, 9. 8. 3 Carla wartet auf ihre Morgenmilch [Morgenmilch2] Sonntag früh ists, noch vor acht, gute Ruhe im Haus: Carla schläft, in Mutters Armen (statt meiner) selig Plastik kauend (ich mag ja diese Nuckel nicht, bin wohl zu alt dafür), die »großen« Kinder mit ihren Eltern, die sonst gern in der Früh joggen, wohl auch. Draußen ists zur Abwechslung wieder einmal feinfeucht dunstig, der Wind spielt in der großen Trauerweide und in der frisch aufgehängten Wäsche – heute mein Morgensport, Wäscheaufhängen, mit Recken und Kniebeugen. Gestern, an diesem wieder so heißen Tag mit im Land über 35 Grad (Dr. Betz meldet aus Bayern den Rekord von 40,8!), waren wir alle nachmittags ans Meer gefahren, an »die alte Bucht«, wie Gisela und ich verstanden hatten, sehr zu Fritz’ Freude, doch an eine andere, wie Meyers meinten. Das Missverständnis wurde auf der Fahrt dorthin klar; ein paar Funksprüche zwischen den Karossen, und wir trennten uns zu eigenen Erlebnissen. Meyers fanden rund 15 km östlich bei Port-Blanc einen riesigen Sandstrand – es war Ebbe – und Jörns ihre alte Bucht Anno 94. Sie war voll in französischen Kindesbeinen, nur ein deutsches Auto mit – ausgedacht – einer Studienratsfamilie aus Go slar, Typ Bärtchen mit Leica und: Kinder, passt auf, das Wasser ist nass. In der Loge rechts Gisela mit Carla [StrandSa2] Wir spielten in zwei Seitenbuchten, die wir eine nach der anderen dem steigenden Wasser Platz machend wieder verließen, Carla im Sand, mit den Muscheln und kletternd durch die Felsen. Die sind dort besonders romantisch anzusehen, steigen mit ihren verwaschenen Formen fast gerade aus der Tiefe. [CarlaFels2] Auf der Rückfahrt schaute ich noch kurz bei Johanna (Anne) Wright vorbei, die sich gleich an uns und unseren roten Mercedes erinnert hat. Ihre Mitbesitzerin hat sich inzwischen scheiden lassen und ist wieder in England zurück; die Bar hat Anne aufgegeben und ist immer noch »beim Renovieren des Hauses«, d. h. man muss wie damals zwischen Bauschutt hinten über die Hühnerleiter einsteigen. Abends hier dann ein eher ärgerliches GalletteEssen am Hafen: Wir haben allein auf die Pommes der Kinder eineinviertel Stunde lang gewartet! Das fehlen eines Kinder-Hochstuhls nahm Carla erst wild schreiend und strampelnd, bis vom Nachbartisch geschenkte Fritten sie und uns beruhigten. Wir, die Jörns, gingen vor den zuletzt bedienten Meyers, Carla rutschte und schaukelte am Hafenspielplatz. Als erstes prägt sie sich in aller Welt die Rutschen ein! Ein friedlicher Tag war das. Heute solls hier das Hortensienfest mit Umzug und Trallala geben. Zunächst aber ging Fritz in die Kirche, um halb zehn vergeblich, akkreditierte sich dafür als JournaJörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 7 von 7en list beim Hortensienfest, und eilte nach dem feinen Frühstück made by Arne dann erneut und richtig um halb elf ins Hochamt. Vier Priester, tragender Gesang mit der Satzmelodie, die man sonst nur von Brassons’ Chansons kennt, der breitarmig dirigierende Kantor, zuletzt ein rührend gesungenes Ave Maria, die Kirche bis in die Gänge voll, einfach und gut. Ob unsere Kinder im Französischunterricht das Vater Unser lernen?14 Nach der Kirch Treffen einiger ordensgeschmückter Veteranen mit Fahnen vor dem Kriegerdenkmal, das ordentlich auch die nach der « Grande Guerre » Gefallenen in Indochina und Afrika berücksichtigt, und sonst Dorfpalaver am Kirchplatz. Heute zum Hortensienfest laufen noch ungeordnet Trachtengruppen umher, die letzten Lautsprecher werden installiert, Busse umg eleitet. Ein Einschub zu bretonischen Ortsnamen: Ker ist ein Dorf, Plou eine Pfarre, Tre ist dann ein Weiler in einer Pfarrei, Lan eine Einsiedelei. Coz und Hen heißen alt, Porz ist ein Port, Hafen15 . Mittags ging Fritz zum Hortensienfest, eine Art Karnevalszug en miniature. Hinter sackleinendichten Absperrungen – Eintritt zehn Euro, Kinder weniger, Presse (Fritz) schnorrt’s – agierten vier Dudels äcke und Historientrachtengruppen die zweihundert Meter Hauptstraße vor dem Rathaus auf und ab, zunächst ab, dann immer wieder um den Block herum auf. Ein gemütliches Schauspiel, familiengerecht, wenn man vom Eintrittspreis absieht, und ein Ohrenschmaus, wenn man sein Hörgerät abschalten kann. Im Ernst: Dudelsackmusik ist nicht jeden Ohrs Sache, und der Anblick der bis hinter die Schlüsselbeine geblähten Kröpfe der Pfeifer eher beängstigend als Harmonie verkündend [FestE]. Jetzt am Abend um zehn dröhnt dank elektronischer Ve rstärkung die mindestens arabisch klingende Musik des Festivals laut bis auf unsere Terrasse. Am Nachmittag waren wir alle, wie wirs uns versprochen hatten, am feinen Sandstrand der »Dünen von Port Blanc« – der Ort selbst, durch den wir suchend kurvten, erschien uns uninteressant. 14 Notre Père, qui es aux cieux, que Ton nom soit sacrifié, Que Ton règne vienne, que Ta volonté soit faite sur la terre comme au ciel. Donne-nous aujourd’hui notre pain de ce jour. Pardonne-nous nos offenses, comme nous pardonnons aussi à ceux qui nous ont offensés. Et ne nous soumets pas à la tentation, mais délivre-nous du Mal. 15 Merian »Bretagne« ISBN 9783774203068 p 119 Der leichte Dunst, fast schon Nebel, brachte Linderung und eine besonders »dichte« Stimmung. Dicht bei dicht lagen auch die Badenden, was wieder der Nebel gnädig verbarg. Bauingenieur Arne – bitte nicht »Architekt« nennen, das ist dann Sigrid – errechnete je 25 cm laufenden Strand einen Besucher, weniger übertrieben gesagt – der weiße Strand war vielleicht 25 m breit – 0,16 Bader je m² oder 0,6 m² je Person [StrandSo4]. Am Abend jetzt gabs Bandnudeln mit Langustinen, und wieder Kontroversen mit dem vorlauten Jann, der mit einem IQ von 138 geschlagen ist, und wirklich zahlreiche nicht zur Sache gehörenden kuriosen Einzelheiten immer besser weiß. Dafür spricht er hier mutig französisch, bestellt sich und seiner Schwester selbständig Cola nach und ist überhaupt ein lieber Kerl, nur aufsässig halt. Ein unfreiwilliges Atlantikbad hat er heute deshalb schon hinter sich. Montag, 11. 8. 3 Zugegeben, es ist noch nicht einmal eins in der Früh, und schon berichte ich. Ich war so frei gewesen, mir den Abend mit Carlos Nuñez zu genehmigen. Ich also nach dem Abendessen und dem üblichen Gekabbel ums Abräumen, ob hier nun auch noch abgetrocknet werden muss oder Spülenselbsttrocknung genügt, ab ins Dorf, dem Ruf des Schalles folgend. Die erste halbe Stunde passierte aber nichts, denn die »Muvrini«s, ein « groupe corse emblématique », waren bereits aufgetreten, und nun wurde der Galizier Carlos Nuñez erwartet, von der geduldigträgen Menge: auf der Bühne beschauliches Treiben an den Gerätschaften, noch wurden Kabel geprüft und Mikrophone bezählt. Der Gitarrist kehrte sitzend in sich, der Schlagzeuger und Bruder Nuñez’ machte zuweilen Bums. Dann bekam Nuñez einen Kuchen zum Jubiläum, vielleicht dem zwanzigjährigen des Blumenfests; das Fernsehen war dabei, er selbst vermu tlich nicht, wir im Publikum könnens nicht sehen. Zehn Minuten später erklang ein Synthesizerakkord, ein einziger, die Menge jubelte auf. Sie klatsche gelegentlich und eckenweise, als könne das den Nuñez herbeiklonen. Weitere zehn Minuten später die Ansage, französisch etwa: »Begrüßet alle Nuñez, den Star!« Wieder Applaus, doch wieder zehn Minuten nichts. Dann ging noch das Bühnenlicht aus, der Gitarrist tappte raus, um dann endlich zehn Minuten später mit seinem Nuñez aufzutreten. Mädchen kreischten, Arme reckten sich, gleich wars richtig laut. Nuñez, weiß, im semitransparenten Seidenhemd, lange Haare (hinter seiner eleganten Glatze aber nur so viele, dass es in Summa wieder auf die normale Bedeckung hinauskommt) springt umher, streckt sich halb gen Himmel (fast Vollmond heute!) und halb hinüber übers Publikum, dabei wechselt er Pfeifinstrumente, auf denen er wahrlich virtuos fiffert, meist Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 8 von 8en körperlich nach links oben und mit seinem linken Bein stampfend, als träte er ein virtuelles Schwungrad. [NunezP] Die Stücke sind traditionell, das heißt eher unausgeprägt, doch die Leistungstyristoren vor den Lautsprechern bringen da schon Wumm rein. Der Prospekt verspricht mit diesem « génie absolu » des Gaita- und Flötenspiels eine Reise von Galizien nach Irland und eine « interprétation exdeptionelle (sic!) du flamenco à la cornemuse ». Dazu begleiten zwei hoppende Violinmaiden lang und blond den Star, die eine darf auch mal Solo spielen, die andere mit Handtrommel chanten. Mir klingts alleweil arabisch, wenn nicht spanisch. Die meisten Leute stehen rum, wenige drängen durch, hand- oder handyhaltend, um sich nicht zu verlieren. Das bescheidene Bier in Bechern kostet zwei Euro. Übermüdete Kinder mit großen Augen und kleinen Ohren leidens anfangs noch, bis sie dann im Konzert ganz einschlafen, in Buggis, auf Sesseln oder gleich auf der Mama. Die etwas ältere Jugend hockt in Ecken – oder geht zur Konkurrenz, einer noch lauteren Dreimannband mit lastwagengroßen Lautsprechern am anderen Dorfende, aber modern! Sie nennen sich »Red Cardell, Electro Celtic Rock« und spielen prospektmäßig »Rock trado-electrotonitourant« Eine alte Frau wird in aller Ruhe von der Ambulanz weggefahren. Ein Tagedieb lässt seinen dreibeinigen Schäferhund an mir vorbeihumpeln und ruft mir was zu, das wohl nur der Hund versteht. Gegen eins verziehen sich die Touristen-Folkloris ten, ich auch. Der dicke Fahrer im Kastenwagen-Peugot der Protection Civile dreht schon mal am Lenkrad, das sich an seiner Fülle reibt. Die Kasse im anderen Peugot-Kastenwagen macht zu – tausend Leute waren gewiss gekommen. Die Kontrolleure klappen ihre roten Stempelkissen zu, markiert wird jetzt keiner mehr. Der Truck für den Bühnenabbau nimmt in einer Seitengasse Stellung. Die kleine Schwarze, dies lang neben mir auf einem Poller balancierend ausgehalten hatte (sie war wirklich klein) und sich bestens auskannte mit der Musik, auch die ist schon lang fort. Derweil kann Gisela des Krachs halber nicht einschlafen – von welcher Band bleibt unbekannt –. Die Mücken haben sich nicht wie erhofft zum für sie kostenlosen Festessen beim Hortensienfest verzogen sondern sausen nach wie vor bei uns im Haus herum. Wie sagt doch der Hervè Sanquier, der « Prezident Gould-meur ar Bleuñv Kaouled », in seinem von der Fédération Al Levrig eigens übersetzten « Ger-stur » (Vorwort) im örtlichen Idiom (das nicht einmal in der Kirche gesprochen wird!): « Ha bez’ ez omp en-sell e teufet d’hon gouel da lidañ an delz-hablaaz dreistmañ ... », »Und wir hoffen lebhaft, dass Sie mit uns dieses außergewöhnliche Jubiläum feiern ...« Morgens Abreise Arne ab Guincamp 9.52 Uhr mit TGV nach Paris Montparnasse – und am Hof in Südtirol gleichzeitig die von Birte, die sechs Wochen dort gewesen war, Praktikum beim Locher machen. Sie hat uns täglich mit ihrem Tagebuch und untertags oft mit SMSen versorgt, durch ihre gut geschriebenen Geschichten und die moderne Kommunikationstechnik den Raum aufhebend, ja beinah Allgegenwart herstellend. Heut nacht um 3.20 Uhr simst sie (Von: Birte Tim): »Shlaflosigkeit bei vollmondhelle, albert smst+mir wirds herz shwer,wird abr zeit zurückehr,wzahn fängt widr a.swar sho shön,abr sGw bin i ja bald shneler dou.«, übersetzt von Birte auf Telecom Italia Mobile: Schlaflosigkeit bei Vollmondhelle, Albert [unser Jagdaufseher und Freund] sendet eine SMS, und mir wird das Herz schwer. (Es) wird aber Zeit zurückzukehren, (der) Weisheitszahn fängt schon wieder an (zu schmerzen). Es war schön, aber so Gott will bin ich ja bald schneller da (als ihr?).« Am Spätvormittag kleiner Ausflug zur »Nordspitze«, « Pointe du Château », ohne Gisela und Bilder, weil die Speicherkarte noch hier im PC saß ... Nach dem Nachmittagsschlaf und lautem Streit zwischen Jann und seiner Mutter wegen nackt oder nicht-nacktem Sonneneincremen gings gegen halb vier relativ spät zu unserem alten 1994-er Strand. Gila erinnerte sich noch, wie wir damals meist allein und schon sauer waren, als ein drittes Pärchen aufkreuzte. Heute waren dort schätzungsweise 500 Leute, die, je höher die Flut stieg und sich der Strand verengte, dann auch die Sonne lange Schatten warf, immer dichter zusammenrückten. Auch wir mussten unsere Privatbucht bald verlassen und uns dem allgemeinen Volk anschließen. Mit einem deutschen Paar kam ich ins Gespräch, weil er mit ungelenken Beinen seinen Rollstuhl Schritt für Schritt vor sich herschob und sie schon mal das Auto holte: Multiple Sklerose wars, und nicht durch Übung zu bessern, was mir für die beiden Netten besonders leid tat. [Strand1108d, mit “PhotoStitch” aus sechs Einzelfotos zusammengefügt, ich kann ja nicht fliegen!] Am Rückweg fanden wir noch auf Umwegen nach Trédrez zu Briems, die aber leider nicht da waren. So gabs hier zu Abend Spaghetti, zu aller Kinder Freude. Nur die Hahnenkämpfe zwischen Jann und seiner Mutter sollten aufhören, der Junge zieht den Kürzeren und die Mutter verliert die Nerven ... Dienstag, 12. 8. 3 Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 9 von 9en . Wieder ein hochsonniger Tag, die Damen gehen einkaufen, wir, der Rest, zum Strand und vorher auf der »Nordspitze« klettern. Hier die heutigen Badedaten [Foto Wasserdaten]: « Le Soleil fera des son mieux pour vous en mettre plein les yeaux ! ». Die Kommentare waren gern lyrisch, nicht nur französisch, was in knapper Form ohnehin ein Gedicht ist. Der davor hatte gemeint, die Sonne müsse sich erst von der langen Nacht erholen, käme dann aber zu Mittag voll zur Geltung. Was der Coéf, der Koeffizient von 89, zu sagen hat, wurde uns erst am Nachmittag gegen sieben Uhr klar, als das Wasser immer höher und höher stieg! Wir hatten uns etwa um halb fünf gemü tlich in die Menge gelegt, dem bisschen Schatten und zum Anlehnen nah der Hafenmauer, und bestaunten die Umliegenden, ganz wenige barbusig (und wenn, dann eher die falschen), viele aber echt tiefbraun, besonders die athletische Familie neben uns: Vater klein und Body wohl gebildet, Typ südlicher Häuptling, Mutter schon heller – sie verbarg sich hinter einer Sichtblende aus Stoff – , sozusagen die Weiße der Familie, die drei Kinder (2 Jungen, 1 Mädchen) eines bräuner und schöner als das andere! Der Strand war wohl noch hundert bis zweihundert Meter breit, der Sprungturm stand gerade mal ein wenig unter Meer. Doch mit der Zeit stieg das Wasser höher und höher, sodass sich die vielen Leute immer enger zusammendrängen mussten oder gleich heim gingen. Wir machten uns keine Sorgen, hatte Jann doch kolportiert, der Höchststand sei für 19.15 Uhr avisiert. Also wird das Wasser doch bald wieder zurückgehen, dachten wir um sieben. Um viertel nach sind wir dann doch gegangen und sahen dann an der Tafel, dass das Wasser noch eine halbe Stunde länger steigen würde, bis wohl nichts mehr vom Strand übrig bliebe. Morgen ist ein Koeffizient von 92 angesagt, da wird der Tidenhub noch höher sein.16 16 Elmar erklärte uns anderntags den Koeffizienten: Hebung und Senkung vom Mittelstand aus in Zehntel Metern. Da am 12. Vollmond war, war der Tidenhub besonders hoch. Am Ende des sonnigen Tages brachte dieses schäumend immer höher aufsteigende Wasser allgemein eine angeregte, fast aufgeregte Stimmung. Das viele Zusammenrücken, das immer näher kommende Rauschen, der wohl generelle Stupor nach dem langen Sonnentag – alles addierte sich zu einer fast vorgewittrig-gespannten Stimmung unter den Leuten. Oder hab nur ich das so empfunden? [Carla1208pm4] Carla hatte ihre Freude, rannte umher, holte unermüdlich Wasser aus dem Meer, spielte mit anderen Kindern Ball, sprang in fremde Sandgruben, und war in ihrem Element! Abends dann mussten wir wie immer erst uns, Kinder und Böden vom Sande befrei’n. Dann gabs ein leckeres Abendessen, von Gila mit aktiver Hilfe der Kinder schnell bereitet: Faux Filet mit Champignonsoße, Flagolets (Bohnenkerne), Kartoffelbrei, zum Nachtisch Eis, wovon sich Carla zwei erbat und erhielt. Jetzt sitzen die Damen wie gewohnt bei Rotwein und Zigaretten vor einer flackernden Kerze draußen, ich herinn vor den Tasten. Die Nacht war unruhig, diesmal nicht wegen Carla, die das erste Mal erst um sechs Uhr aufwachte und zur Mama wollte (und kam), sondern wegen der Hitze und der Mücken, die einen nur unruhig (wenn) schlafen lassen. Erst liest Gisela noch lang in ihren Krimis, dann Schlaf, zwischendurch wache ich auf und leuchte mir mit der Taschenlampe in Janns aktuellen Tim und Struppi (Le Crabe aux Pinces d’Or, hier im Original gekauft)17 , mal verzweifelt der eine, dann die andere. Jedenfalls sitze ich schon wieder im Wohnzimmer am Compi, umma halber Sechse! Mittwoch, 13. 8. 3 – übrigens meiner Mutter 84. Geburtstag! Nachdem nun auch Carla vor sieben Uhr aufwachte, ging Fritz mit ihr im Kinderwagen (mit Plattfuß hinten links!) auf die Walz. So konnte wenigstens Gila noch etwas nachschlafen. Doch vom erhofften Sonnenaufgang war leider nichts zu sehen; um acht quälte sich ein mondartiges Rund relativ hoch oben durch die Wolken. Dafür wars eine besinnliche Fahrt 17 Gisela liest gerade Sarah Lovett, Fatale Nähe Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 10 von 10en mit der Kleinen im Morgengrauen, an den teils verkommenden Villen aus dem 19. Jahrhundert mit knorrigen Zäunen aus Beton-Astimitat vorbei, an einem illegal Zeltenden an der Nordspitze, der noch in seinen Schlafsack gehüllt frühstückte, an Frauen mit Hunden und nur einem anderen Vater mit genauso schlaflosen Kind am Aussichtspunkt. Wir ließen uns Zeit, Carla schlief (nur fast), und ich sinnierte über die vergänglichen Reichtümer und Vorlieben dieser Welt nach. Carla und Bärli durften am Panoramablick aussteigen. [Baerlis trand] Dann wurden noch die üblichen drei Baguettes und vier Croissants eingeholt, die Dienstags-FAZ (zwei Euro, und wieder einmal von mir nichts drin!). Es gab ein schnelles Frühstück, weil wir Briems erwarteten. Fritz nahm noch seinen Viertagesbart ab [FritzBart2], und da standen sie schon in der Tür, zu dritt, mit Tochter Luise, übrigens modelhaft schön Typ Blondnatur. Wir fuhren dann mit zwei Autos nach Tréguier, wos Markt gab und Fremde zuhauf. Die mittelalterliche Stadt mit großer Kathedrale (Grabstätte St. Yves) und schönem, ungewöhnlich geformtem Kreuzgang (Eintritt), ist wirklich wert, gesehen zu werden. Die Kirche ist hauptsächlich gotisch und neugotisch, mit einem romanischen Teil, woraus ein ganz unkonventioneller Grundriss entstand. Selbst der Kreuzgang ist keineswegs quadratisch sondern auf einer Seite unterbrochen und hat einen Eingang zum Platz. Angeblich ist er lange Zeit als Markt genutzt worden. Als langsam alle hungrig wurden, die Damen drei Körbe gekauft und sich die Männer derweil lang genug alten Jazz einer Straßenkappelle angehört hatten, fuhren wir hinaus an die Küste nach PortBlanc, das wir zwar schon kannten, nur eben nicht von dieser Seite: Man muss an der richtigen Stelle zum Hafen hinunter abzweigen und dann entdeckt dann ein kleines Plateau, eine größere Wiese, mit Blick über Segelboote, rote Felsen und Meer, besonders beliebt für Picknicks. [BriemsA] Wir lagerten uns in der Nähe zweier französischer Familien, die das Ganze noch vornehmer als wir mit Klapptisch zum Essenfassen arrangierten. Carla – ziemlich unleidig bis dahin – kam mit ihnen ins Ballspiel und wanderte dann, wieder um den restlichen, leicht schläfrigen Gesellschaft a Ruah zu lassen, mit Fritz an den nicht ganz nahen Sandstrand. Dort gabs herrlich schöne kleine Schnecken für (die abwesende) Gisela, Sand und Kletterpartien für Carla. Bald ka- men noch Elmar und die großen Kinder nach; Badefreuden, Spass mit Elmar, der von den Kindern angebetet wird! Die Damen blieben lieber konversativ oben im Gras, zumal Sigrid ihren Badeanzug vergessen hatte. Beim Zurücktragen Carlas über die großen Steine stoße ich Carlophorus noch gehörig den linken Mittelzeh, dass er anderntags nur so blau beziehungsweise rot wird! Doch insgesamt: Das war mir ein edler Nachmittag! Gegen halb sechs fuhren wir alle wieder nach Perros-Guirec zurück, es gab Kaffee und Kuchen, Carla schlief (wie schon am Vormittag) im Auto ein und dann hier in Mamas Bett gleich weiter und weiter und weiter. Mal sehen, wie dann heute die Nacht wird! Donnerstag, 14. 8. 3 Die Nacht wurd’ gut, nach der abendlichen Kühle gestern – ein Gewitter versuchte sich sogar mit ein paar Tropfen – und kulinarischen Abstinenz. (Ich lobe mir ja die Franzosen, die abends zum BouleSpiel zusammenkommen und nicht bloß zum Essen. Wir vielessendes Deutschen sollten uns wieder andere Einladungsgelegenheiten schaffen als immer nur Speisen: Kegeln zum Beispiel!) Selbst Carla schlief fast 15 Stunden am Stück bis sechs Uhr früh durch, trank dann eine kühle Milch ausm Flaschl, und ratzelt jetzt weiter (s ist 6.20 Uhr). – Na ja, so gegen fünf saßen Gisela und ich doch in der Küche, unsere Mückenstiche leckend, Gisela bei der leidigen Zigarette, die sie angeblich verscheuchen, ich wieder neugierig am E-Mail-Handgerät. Dem entnahm ich Nachricht über Brittings Mangfall-Fahrt mit Jörn-Erwähnung. So schließen sich die Kreise! Ich hatte Anfang der 90er-Jahre ein paar Mal in Weyarn liebevollen Urlaub gemacht, noch ohne Gisela und dann sogar noch einmal ohne sie, als ich sie schon kannte ... So sind mir die Mangfallpfade vertraut, der Simsee, ein paar Gasthäuser dort (das zweite unter der Brücke, weiter unten, »zum goldenen Tal«?, soll inzwischen eher heruntergekommen sein, das direkt unter der Brücke ist fest in österreichischer Hand und floriert). Zurück nach Perros-Guirec. Hier gibts heute Abend ein großes Freudenfeuer, morgen die Mariä-Himmelfahrtsfeiern. Für einen »großen Ablass« – so übersetze ich mir den « Grand Pardon » – wirds bei mir dennoch nicht reichen. Sigrid und Gisela wollen allein in die Hauptstadt Lannion fahren, die Kinder bleiben bei mir. Weil alle schlafen und der Morgen so frisch und kühl ist, 17 bis 18 Grad, setze ich mich rasch entschlossen ins Auto und kurve heut statt mit Kind und KinderJörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 11 von 11en wagen mit der Karosse umher. So komme ich nicht im Morgen-»Grauen« sondern in schönem Morgen»Rot« an die Nordspitze. Uhus oder Eulen oder gurrende Tauben rufen ihr Uh-uh-uh–uh-uh in den Wind. Im Auto heizt die auf 21 Grad gestellte Klimaanlage, ein ganz neues Gefühl! Schön ist der Morgen, einsam, wie ganz persönlich für mich gebracht [Morgenst6]. Anschließend wasche ich hier noch für Gis ela das Auto. Vormittags gehe ich mit den Kindern in den Ort, wir kaufen kleine Überraschungen für Birte, ebenso kleine Spiralblocks für mich, und besuchen vor allem wieder den Rathaussaal, um ein paar Bilder davon zu machen. Dabei fällt mir der Aufruf Charles de Gaulles aus dem Juni 1940 auf, emailliert am Eingang. Mit der Digitalkamera – ich bin nolens auf die Ixus 300 zurückgekehrt, und mag sie jetzt eigentlich wieder mehr als die 400er – macht es mir Spass einfach Dinge am Rand aufzunehmen, zu »dokumentieren«, so auch dieses edle Schild, das ich den Tagebuchlesern hier allerdings erspare. Wir kaufen noch in einem streng riechenden Radshop Richtung Hafen für vier Euro Tip-Top-Reifenflickzeug für den Kinderwagen, nur um zu Hause festzustellen, dass das fragliche Rad jetzt dicht hält. Dann gehts ans Meer, das vormittäglich leere. Klugkopf Jann sagt, das Wasser sei ablaufend. Ich frage natürlich nach, wie er da drauf kommt? Er hats daran erkannt, dass der Sand noch nass ist. Beim Drachensteigen hat er allerdings Pech: Der fesche Rettungspolizist eilt herbei und verbietets. Später lässt ein Franzose mit seinem Sohn einen Luftkissendrachen steigen, scheints problemlos, was Jann natürlich aufregt. Voller Entrüstung will der die Leute verpetzen, was ich gerade noch verhindern kann. Mit »Freud dich doch für den anderen!«, »Petzen gilt nicht!« versuche ich mich erzieherisch, nachdem ich vor ein paar Tagen schon die Begründung meines ersten Internatserziehers, Barthel, für eine unterschiedliche Behandlung mir gegenüber kolportiert hatte: »Du musst lernen, ungerecht behandelt zu werden!« Die Kinder haben trotzdem bald viel Freude am und im Wasser, ich beobachte Carla mit dem Fernglas oder laufe mit ihr herum. Zurück kommen wir nach zwei Uhr ganz synchron mit den Frauen, Mittagspause, und dann wieder ans Meer, bis es uns zu kühl wird. Die Sonne verschwindet hinter Wolken. Gespräche mit einer belgischen Familie, bei der Carla spielt. Und unsere großen Kinder finden schnell deutsche Gesellschaft gleichen Alters und Geschlechts. Am Abend wird feiner, edler Fisch unbekannter Art mit Nudeln und Sauce serviert, so fein, dass ich frage, ob denn wer ein Tischgebet sagen kann? Keiner. Mir fällt gerade noch etwas besseres als mein knappes »Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle« ein, mit dem ich schon im Internat gelegentlich Erfolg hatte, wenn das Gebet aus irgendeinem Grund auf sich hatte warten lassen. Später fragen die Kinder über Fleisch und Fasten, von Jesus über Taufe bis Pontius Pilatus, nur Carla ist übermüdet und eher unleidig und sorgt so für Stress. Das religiöse »Freudenfeuer« ist, wie wir mittags in der Kirche erfragten, wegen allgemeiner Waldbrandgefahr verboten worden, vielleicht in Don-Camillo-undPepponescher Weise, denn hier herrscht wirklich keine Feuergefahr. Also wird geboggelt. Freitag, 15. 8. 3, Mariä18 Himmelfahrt Der Herbst ist gekommen. Die schönen Tage von Aranjuez, so sinniert der Schiller-Fan19 , sind nun vorüber, selbst wenns nur in Perroz-Guirec ist. Ich mein aber, in ganz Europa müsste die Hitze abgeflaut haben. Den Tagebuchschreiber nervt sein Word, das alleweil die französische Silbentrennung installieren will, die ich nicht einmal zu Hause, wo ich sie auf der Office-CD habe, hineinbekomme, weil jeglicher weiterer Installationsversuch von Office 2000 an der angeblich fehlerhaften Installationsdatei scheitert. Gisela nervten nachts ihre Mücken. Sie haben hier im ›Land der Mücken und Zanzaren‹20 vom plötzlich deutlich kühleren Wetter – 18 Grad hats, bedeckt und Wind – noch nichts gemerkt. Gisela floh nachts zwei Stunden lang vor ihnen, so sagt sie, in die Küche, mit zerstochenen Armen. Carla bekommt von den Mücken ja auch einige ab. Nur ich scheine wenig schmackhaft zu sein, und wenn, dann die Bisse rasch zu vergessen. A bissl Spucke, dös reicht mr do. s ist zehn nach neun, ein lindes Lüfterl durchzieht das Wohnzimmer, die Pappel rauscht, die Weide wedelt, die beiden Oleanderstöcke neben der Balkontür nicken mir mit ihren rosa Blüten wie Alpenrosen zu. Die Mütter sind noch im Bett (in Giselas hier unten nebenan), die Kinder schlafen oder lesen oben, Carla, väterlich frisch gewickelt und wohlig mit einem viertel Liter warmer Milch versorgt, kommt jetzt nebenan bei Gisela und Sigrid zu Besuch, stinkt, wie ich höre. So schnell geht das! Der Organizer – die Dinge haben wirklich keinen gscheiten Namen: Handheld, Organizer, PCA, MDA, XDA, Pocket-Peh-Zeh, »das Ding da« – hat wieder mal sein Netz verloren und schwimmt dann wie so oft stundenlang unkontrolliert ohne Leine (»kein Signal«) in den Ätherwellen. Oder das Netz ist sichtbar da (»Itineris ^ G« für den XDA), und doch klappt der GPRSZugang nicht (»Die gewählte Nummer antwortet nicht«, als ob das eine Nummer wäre!). In der Nacht kam ohnehin nur wieder nur Schrott als Mail herein. Von den über 500 Mails (So: 546), die sich in diesen 18 für die jungen Leser: ›Mariä‹ ist ein alter Genitiv von Maria, statt Marias 19 Don Carlos, erster Aufzug, s. z. B. http://felix.unife.it/Root/Gedichte/Dramen/DonCarlos 20 zanzare, it. Mücken. »Das Land, wo die Zitronen blühn« gibts bei Goethe in Wilhelm Meisters Lehrjahren als melancholisches Gedicht (»Mignon«), siehe z. B. http://members.aol.com/hlaaks3/goet96.htm Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 12 von 12en zwei Wochen bei mir angesammelt haben, sind wohl 480 Spam. 21 Nach dem Frühstück, knapp vor halb elf, eilt Fritz mit Carla »zu Jesus«, wie Carla zu sagen und scheints zu schätzen pflegt – doch der ist heute zu Gast bei seiner Mutter. Und die wird in einem Feldgottesdienst in Notre Dame de la Clarté gefeiert (siehe Wanderkarte vom 6. und 7. 8., dort der dunkelrote Stern). Zurück also von der geschlossenen örtlichen Kirche, quer durch den Wochenmarkt (ja, hier haben alle Geschäfte offen, ein fleißiges Volk!), das Auto genommen und erst einmal mit Carla am Rücksitz im Nachbardorf diesen Gottesdienst gesucht. Der stellt sich zunächst als Parkplatzsuche heraus, dann als Wanderung, schließlich als lautsprecherbeschalltes Dorf mit leerer Kirche, hinter der sich dann endlich die Menge findet, vielleicht ein- oder zweitausend Leute, auf einem Platz mit erhabenem Blick aufs ferne Meer und ein paar flache Inseln, alles bei angenehmen 21 Grad. [Feldg2] Vorne und aus allen Lautsprechern wird marianisch gesungen, mutig, sopranig hell und eher schlicht. Die Leute stehen oder lagern umher, viele mit Kindern. Neben uns ist ein junges französisches Paar mit vier Mädchen. Beim Friedenswunsch werden zögerlich Hände geschüttelt. Sonst sind alle eher für sich, in sich gekehrt vielleicht, eine ruhige Menge. Die Stimmung ergreift auch mich und ich denke (jetzt zum Ende der Ferien) an die Leben, die ich nicht gelebt habe, an die nicht gegangenen Pfade, all die möglichen Verzweigungen des Lebensbaums – Sackgassen oder Offenbarungen, nie werd ichs wissen. Ich denke an die Menschen, bei denen ich nicht geblieben bin oder nur ein kleines Stück; weiß Gott, wo sie nun alle sind. Ich bin hineingeboren in eine wohlhabende, aber vielfältige und komplizierte Familie, war dann selbst gern jemand Besonderes, ohne wirklich zielstrebig genug dafür zu tun (das war ja nun nicht nötig), und sehnte mich dabei doch nach einem einfachen Leben, für das ich wohl in den ent21 vielleicht sollte ich doch GMX’ Spam-Filter einschalten, den ich anfangs deaktiviert hatte, weil er mir gute Mails verwarf und den Abruf komplizierte; außerdem hab ich Cloudmark auf den normalen PCs. Doch am Organizer, wo ich immer nur einen kleinen Teil oder inzwischen bloß die Kopfzeilen hole, hilft Cloudmark nicht! scheidenden Momenten Schlichtheit, Weisheit oder Mut nicht gehabt habe – oder es einfach langweilig gefunden hätte. Mäanderleben. Die Gottesdienstteilnehmer um mich herum denke ich mir allesamt sorglos, schlicht und gläubig. Dabei hat die Familie mit den vier Kindern vielleicht Stress gehabt in der Früh, Ärger mitsammen, Sorgen ums Geld oder den Füllstand der Campinggasflasche, wer weiß? Ich stelle mir eben lieber vor, sie alle lebten glücklich und zufrieden für immer und ewig. Zurückgekommen im Quartier schläft Carla schon im Auto, wird dann aber hier angesichts Gilas Einpackerei wieder putzmunter. Nervosität. Die Meyers waren inzwischen in einer « Village Gaulois » in Pleumeuer-Bodou (Erwachsene 4 €, Kinder 3,50). Das Gallierdorf war aber eher ein Dorf aus Togo, um afrikanischen Kindern zu helfen. Für Annie und Jann gab es Spiele, etwa ein Katapult zum Beschuss von Alesia. In dieser Stadt hatte Cäsar Vercingetorix eingeschlossen. Aus dem Labyrinth, zweistöckig und höhlenhaft, gingen sie allerdings wieder vorne heraus. Auch die Bootsfahrt am künstlichen See litt etwas unter der Unerfahrenheit der Kinder als Ruderer. Mutter Sigrid bekam dann noch in Uzec ihren Menhir zu sehen, den mit dem romanischen Kreuz oben drauf. Ann-Christin wünschte sich was, und fand, dass der Stein kribbelte, als sie ihn anfasste, Jann dann ebenso. (Vermutlich eine noch wenig erforschte Folge von Mobilfunkwellen, meint Fritz.) Am Nachmittag gehen wir noch »ins Dorf«, Kaffee trinken, Eis essen und letzte unnütze Besorgungen machen (noch n Korb, Geschenk für Charlotte Preil). Für den Abend ist hausgemachte Pizza angesagt. Die unterschiedlichen kindlichen Belegungswünsche beziehungsweise Nicht-Wünsche – das ess ich nicht! – ärgern die Pizzistin (Gisela), es kommt zu einem Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 13 von 13en kurzzeitigen Zerwürfnis mit räumlicher Trennung der in jedem Sinn kochenden Kontrahentinnen. Doch: »Hoch ist hier Frau Koch zu loben, denn ein heißes Pizzastück in den hungrig’ Bauch gebracht, hat es wieder gut gemacht!22 « – sie kriegten sich wieder, die Schwestern, rechtzeitig zum Mahl. Jetzt gießt es draußen. Morgen vor zehn ist Hausübergabe. Danach wirds wohl noch einmal Tagebuch geben, dann aber ist die Jörn-Meyersche Bretagne endgültig vorüber. Samstag, 16. 8. 3 Das schreibe ich natürlich schon zu Hause in Bonn, am Sonntag, den 17. 8., Carlas zweitem Geburtstag. Dies nur zur Chronik, ja, und eine wichtige Neuigkeit dazu: Birte ist zum Studium im Rosenheim zugelassen, Wirtschaftsingenieurwesen an der dortigen Fachhochschule, genau, wie sie es wollte, obwohl scheints der Andrang nach diesem ziemlich neuen Kombistudium größer war als erwartet! Ja, die Rückreise. Die hatte es in sich! Erst einmal hieß es »Plündern« – ein südtiroler Singulare Tantum fürs Ausziehen! Da gab es ein letztes, hastiges Frühstück (Carla zu Jann und Annie, um sie zum Bäcker zu scheuchen: »Jann, Anni, packmers!«). Dabei kam natürlich wieder mords Stress auf, zumal ich mit einer Übergabe um zehn gerechnet hatte, die Damen aber schon um neun loswollten, also musste Messieur Messager angerufen werden, er möge doch früher kommen. Dann spielte ich noch mit den beiden Pocket-PCs herum, damit wir auch (über den Kurzstreckenfunk mit meinen zwei Handfunken hinaus) eine billige Verbindung haben, was sich allerdings als schwieriger denn gedacht herausstellte und schließlich nur alle noch nervöser machte23 : »Du tust nichts, Fritz, spielst herum!« Außerdem hatte ich nachts die Heckklappe des Passat offen gelassen, es hatte ein wenig hereingeregnet, was ich dann auch noch erklären musste! Messagers kamen um halb zehn, sie hatten die heiße Zeit im Süden im Wohnwagen verbracht, röstend und mückenumschwirrt. Ihr Haus stammt aus dem Jahr 1968. Später haben sie dann Teile des im- 22 Frei nach Wilhelm Busch, Max und Moritz: »Hoch ist da Frau Böck zu loben, denn ein heißes Bügeleisen auf den kalten Bauch gebracht, hat es wieder gut gemacht!« 23 Die Geräte waren entladen, mussten nachts abwechselnd an dem einen Netzgerät, das ich mithatte, geladen werden. Die Rufumleitung bei NichtErreichbar war nicht ausgeschaltet (##002# – alle Umleitungen aus!), sodass im Zweifelsfall die Mailboxen ansprangen. Die Klingeln waren leise gestellt. Und der XDA mit Einstellung Netzsuche manuell fand wieder nur sehr, sehr zögerlich ein Netz, was einem beim Versuch, ein abgehendes Gespräch zu führen, von diesem Mist-Betriebssystem nicht gesagt wird. mer noch großen Grundstücks verkauft und das Blumengeschäft, zu dem ein Durchgang aus der Küche bestanden hatte. Nette Leute, die an Bekannte auch direkt vermieten, man muss sich nur vor April entscheiden, sonst gehts nur noch über die Agentur. Sie nannten uns den Namen der kleinen, roten Blumen am Wegesrand: Montbretia, Montbrezien [unbek1]. Um 9.45 Uhr (km 15.940) fuhren wir im Konvoi ab. Gleich ging der Funk nicht, weil Meyers die Lautstärke auf Null gedreht hatten. In Lannion fuhr ich, voraus, einen Umweg durch die Stadt. Dann mussten wir Jörns tanken, Sigrid wartete. Der Ve rkehr war mörderisch, vor allem die einspurigen Stellen südlich St. Malo musste man sich lange erwarten und am Ende oft noch erkämpfen. So bekam ich wenigstens in weiter Ferne Mont St. Michel zu sehen. Ab Avranches ging es dann besser, Caen, le Havre. Vorher Vorher hatten wir uns eines urplötzlichen kleinen Bedürfnisses Janns schon einmal verloren, woraufhin dann die Telefonitis losgeht und dazu das Raten, wo man eigentlich selbst ist in Bezug zum anderen. Übrigens pinkelte unser Held direkt gegen die Leitplanke, was sich an seiner Hose wiederspiegelte. Hinter Caen gab es eine Essenspause, Baguette und französische Wurst und Käse mit Apfelschorle, Carla rutschte und ward gewindelt. Dann überquerten wir, noch gemeinsam, Sigrid brav hinter uns, die Seilbrücken der Seine-Mündung in le Havre. Wirklich ein spannendes Erlebnis, wenn die diagonal gespannten Tragseile über einem hinweggleiten24 . Die Brückenmaut mag ausnahmsweise keine normalen Kreditkarten, was unsere Durchfahrt verzögerte; Sigrid war daraufhin weit vorne und entschloss sich urplötzlich zu tanken. Ihr Funkmeister Jann sollte uns das mitteilen, doch vergeblich, mobiltelefonisch sprang nur die Mailbox an. Wir nun versuchten, Sigrid zu erreichen, ebenso schwierig und mühsam, zumal wir erst nur die palavernden Kinder dran bekamen und Sigrid im entscheidenden Moment bei der Kasse stand. Es blieb Verärgerung, die wir erst einmal durch Fortfahren hinter uns ließen. Mit etwas Mühe, genug Zeit im Stau vor der nächsten Maut nördlich Rouen (17.15 Uhr, km 16.401) und Glück mit den Mobilfunknetzen gelang dann doch ein Treffen auf der langen Landstraße (N 29) zwischen Neuchâtel-en-Braye und Amiens in Aumale. Nomen est omen, zu dem Kaff kann man nur »au weh!« sagen. Wir pausierten dort von sechs bis sieben, zumal Sig- 24 Foto LeHavre2. Unscharf, da durch die Scheibe fotografiert. Ich hätte händisch auf unendlich stellen müssen! Schön auch das Filmchen LeHavre2! Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 14 von 14en rid erst nachkam. Verfallender wilder Westen mit nur einem Kaffeehaus mit roten Lederbänken, das eher als Bar und Pferdewettannahme durchgeht. Dafür hatte der Bäcker noch offen und eine fleißige Marktfrau in der historischen Markthalle am Dorfplatz mit Kriegerdenkmal am hinteren Ende. Danach übernahmen die Jörns die Steuer, Gisela vorab, siehe Bild [Fahrt1], Fritz mit dem Saab und den großen Kindern hinterher. So gings ruhig und gelassen größtenteils die von unseren Paris -Fahren bekannte Strecke bis nach Belgien hinein – na ja, ganz gelassen nun auch nicht, denn bei Gisela brannte schon eine Zeit lang die Lampe vom Reservetank (21.20 Uhr, km 16.637). Ein bisschen die Beine vertreten, Carla umherlaufen lassen, die großen Kinder entdeckten kalorienlose Fantas, und so haben wir uns dann harmonisch und gerührt getrennt. Sigrid war noch bis Mitternacht unterwegs – sie fuhr über die Koblenzer Autobahn in den Westen Bonns und kam in eine Sperrung –, wir bis viertel vor zwölf über Köln in die Bonner Innenstadt (23.43 Uhr, km 16.902; insgesamt 962 km, 14 Stunden); der Michelin-Internetführer hatte tatsächlich bei der Hinfahrt diese unterschiedlichen Routen empfohlen. Reise schön, Ende gut! Jetzt, am trüb-heißen Sonntagnachmittag schläft Carla im Elternbett ihre Reis emüdigkeit aus, Gisela durchjätet ihren (trotz bestem Gießen von Nachbarin Renate und Birte) doch etwas trocken gewordenen Ziergarten, erntet dabei Unmengen reifer Tomaten und Weintrauben, und Fritz macht die Wäsche (fünf Maschinen, trotz waschen dort!), tippt, nicht ohne sich wieder mal vergeblich mit nicht-funktionierenden Lan-Verbindungen herumgeschlagen zu haben 25 . Das wars! ––––––––––––––– Datei Bretagne.doc (.pdf) Korrekturen, auch von Tippfehlern, erbeten an ©[email protected] 25 Das heißt, die Lan-Verbindung läuft schon, man sieht, wie viele Pakte ausgetauscht werden, nur »der Netzwerkpfad wurde nicht gefunden«! Ein weiteres Ärgernis: In Word laufen die eingeblendeten Bilder immer wieder weg. Jörns Bretagne-Tagebuch Oktober 2003, Seite 15 von 15en