Lösung Klausur Nr. 426
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Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 1 - Lösung Klausur Nr. 426 1. Teil: Gutachten / hinreichender Tatverdacht bzgl. der Beteiligten 3. Für den Mitfahrer Torelli (T), der nicht Teilnehmer im strafrechtlichen Sinne war, gelten diese Erwägungen zwar nicht. Dennoch ist auch bezüglich seiner Person eine konkrete Gefährdung zu verneinen. Eine konkrete Gefährdung i.S.d. § 315c StGB liegt dann vor, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation geführt hat. In dieser Situation muss die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Ein solcher Zufall ist bei Unbeherrschbarkeit des Gefährdungsverlaufs anzunehmen. Dies ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen.3 1. Tatkomplex: Die Fahrt bis zur Wohnung des Schnabels (S) A. Hinreichender Tatverdacht bzgl. Luca Lahme (L) I. Auf den ersten Blick käme eine Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c I Nr.1a, III Nr.1 StGB) in Betracht; allerdings wurde durch L jedenfalls weder Leib oder Leben eines anderen, noch fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet. 1. Dies gilt zunächst für das geleaste Fahrzeug als möglicher Gegenstand von bedeutendem Wert.1 Da bei der Fahrt keine Besonderheiten auftauchten, könnte die konkrete Gefährdung allein darin bestehen, dass T im Wagen saß. Zu prüfen ist also, ob bereits die bloße Anwesenheit eines Beifahrers schon eine konkrete Gefährdung i.d.S. bedeutet; dies war früher umstritten. Dieses war zwar "fremd" i.S.d. § 315c StGB, da diese Norm - anders als z.B. § 274 StGB - fremdes Eigentum vor Gefährdung schützt. Gleichwohl lässt die Rspr. eine Gefährdung des geführten, aber fremden Fahrzeugs nicht genügen (vgl. T.F., § 315c, Rn. 15b m.w.N.). Denn das notwendige Mittel der Tat fällt nicht in den Schutzbereich der Vorschrift. Nach der ursprünglichen Rechtsprechung des BGH (etwa BGH NJW 1989, 1227) lag eine konkrete Gefährdung vor. Der Beifahrer sei in einer akuten Gefahrenlage, weil er sich im Zentrum des Geschehens befinde. Daher sei er wesentlich gefährdeter als Außenstehende. Diese Meinung ist - wie der BGH inzwischen seit ein paar Jahren einräumt - abzulehnen. 2. Auf eine Gefährdung des Beifahrers S kann schon deswegen nicht abgestellt werden, weil dieser nach allg. Meinung ebenfalls nicht in den Schutzbereich des § 315c StGB fällt: Denn würde man ihn, der ja strafbarer Anstifter zu der Trunkenheitsfahrt ist, als von § 315c StGB geschützt ansehen, so würde dies zu dem zweifelhaften Ergebnis führen, dass er nun nicht nur wegen Anstiftung zu § 316 I StGB, sondern auch wegen Anstiftung zu § 315c StGB bestraft werden würde. Er würde daher letztlich um seines eigenen Schutzes Willen (härter) bestraft werden. Das macht keinen Sinn.2 1 2 Für diesen Begriff kommt es nicht auf den Wert des Fahrzeuges an, sondern darauf, ob diesem bei dem konkreten Verkehrsvorgang ein entsprechend großer Schaden gedroht hat (vgl. T.F., § 315c, Rn. 15, § 315, Rn. 16). T.F., § 315c, Rn. 15a. Da der nun folgende Streit für die gerade vorgebrachte Argumentation nicht gilt, erscheint die getrennte Prüfung von S und T als sinnvoll. Beachten Sie aber: Dies ist ein Problem des objektiven Tatbestandes. Streitig ist dagegen, ob auch eine rechtfertigende Einwilligung in Betracht kommt. Nach BGH St 23, 261 schließt die Einwilligung eines Mitfahrenden die Rechtswidrigkeit der Tat nicht aus; denn Schutzgut des § 315c StGB sei die Sicherheit des Straßenverkehrs. Dagegen spricht, dass, soweit es nur um die abstrakte Sicherheit des Straßenverkehrs geht, eine Strafbarkeit aus § 316 StGB ausreicht. Konkretisiert sich jedoch die Gefahr, so ist danach zu fragen, wer oder was gefährdet wurde. Ist dies Denn andernfalls würde man qualitative mit quantitativer Gefährdung verwechseln. Für die Sicherheit des beeinträchtigten Rechtsguts kommt es nicht nur auf den einen Zufall an, ob sich eine Gefahr in einer bestimmten Verkehrslage realisiert. Vielmehr ist es hier von einem weiteren Zufall abhängig, nämlich, ob es überhaupt zu einer kritischen Verkehrssituation kommt. Auch wenn die Fahrt eines Alkoholisierten eine Gefahr darstellt: Dass es zu keinen konkret gefährlichen Verkehrssituationen gekommen ist, zeigt, dass L - zumindest bei dieser ersten Fahrt - sein 3 ausschließlich ein Mitfahrender und willigt er in die Gefährdung seiner körperlichen Unversehrtheit wirksam ein, so bleibt darüber hinaus eben nur noch die abstrakte Gefährdung des § 316 StGB. Hierauf käme es dann an, wenn ein Beifahrer nicht Teilnehmer i.d.S. ist (also in die Gefährdung eingewilligt hat, ohne damit Anstiftung oder psychische Beihilfe zu leisten) und dann - anders als nun im Folgenden bei T - tatsächlich eine konkrete Gefahr für den nicht teilnehmenden Beifahrer eintritt. Grundlegend hierzu BGH NJW 1995, 3131 m.w.N. Vgl. hierzu auch T.F., § 315c, Rn. 15 m.w.N. - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 2 Fahrzeug noch so beherrschen konnte, dass sich die abstrakte Gefahr für seine Beifahrer noch nicht zur konkreten verdichtet hatte. Exkurs: Meist ist - in der Praxis wie auch in Klausuren! - die BAK über die Rückrechnung festzustellen (was hier nur entfiel, weil keine zuverlässige Blutprobe in den Stunden nach der Fahrt vorlag). Bei der Rückrechnung i.R.d. objektiven Tatbestands ist von einem Abbauwert von 0,1 Promille je Stunde auszugehen, und die ersten beiden Stunden sind auszunehmen (T.F., § 316, Rn. 19). Anders im Rahmen von § 20 StGB: Hier ist bei der Rückrechnung vom maximalen Abbauwert auszugehen, weil eine möglichst hohe BAK hier für den Angeschuldigten von Vorteil ist. Die Unsicherheiten, die durch die Rückrechnung entstehen, müssen aber jeweils zugunsten des Angeschuldigten ausgeglichen werden. Dieser maximale Abbauwert errechnet sich aus dem stündlichen Abbauwert von 0,2 Promille sowie einem einmaligen Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille. Anders als bei der Berechnung i.R.d. § 316 StGB sind hier auch - da es letztlich zugunsten des Angeschuldigten ist - die ersten beiden Stunden nach Trinkende in die Rechnung mit einzubeziehen (vgl. T.F., § 20, Rn. 13 m.w.N.). Ein (u.U. angeschnallter) Mitfahrer in einem (u.U. großen) Pkw ist letztlich nicht mehr gefährdet, als ein Fußgänger am Straßenrand, sondern nur länger. Bei letzterem aber ist klar, dass eine konkrete Gefährdung nur bei Eintreten einer kritischen Verkehrssituation vorliegen kann. Letztlich schloss der BGH früher also von der Dauer der Gefährdung auf deren Qualität. Es liegt hier somit keine konkrete, sondern eine langandauernde abstrakte Gefährdung vor. Eine andere Auffassung würde also eine saubere Abgrenzung zw. konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt verwischen. Vorliegend konnte eine derart kritische Situation aber nicht festgestellt werden.4 Somit ist auch bzgl. der Person des T eine konkrete Gefährdung zu verneinen. Damit hat sich L bei dieser Fahrt keiner Straßenverkehrsgefährdung verdächtig gemacht, folglich der Beschuldigte S auch keiner Anstiftung hierzu.5 Bei absoluter Fahruntauglichkeit wird aufgrund der BAK unwiderlegbar vermutet, dass der Täter nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen. Dem Fahrer steht kein Gegenbeweis mehr zu.6 II. Trunkenheit im Verkehr, § 316 I StGB 1. Objektiver Tatbestand: L hat im Verkehr ein Fahrzeug geführt, obwohl er dazu aufgrund alkoholbedingter Fahruntauglichkeit nicht mehr in der Lage war. Denn er hatte bei der Fahrt eine BAK von mindestens 1,2 Promille. Mit dieser Blutalkoholkonzentration überschreitet er die Grenze der absoluten Fahruntauglichkeit, die für Kraftfahrer bei 1,1 Promille zu ziehen ist (seit BGH NJW 1990, 2393). 2. Er handelte vorsätzlich, da er nach seinen eigenen Angaben wusste, dass er zu viel getrunken hatte und trotzdem fuhr.7 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er nach seinen Angaben offenbar nur vom Vorliegen eines OWi-Tatbestandes ausgegangen war. Denn entscheidend ist insoweit nur, dass er wusste, aufgrund seines Alkoholkonsums nicht mehr fahrtauglich zu sein. Ein Irrtum über die rechtliche Einordnung der Promillegrenze kann daher allenfalls ein Rechtsirrtum sein. 3. Die Tat war rechtswidrig und schuldhaft. Auch die Subsidiaritätsklausel greift nicht ein, da § 315c StGB nicht gegeben ist (s.o.). 4 5 Der Schluss allein aus der sehr hohen BAK des Fahrers auf eine konkrete Gefährdung des Beifahrers hin, kann nur (noch) für den Fall gelten, dass die alkoholische Beeinflussung des Fahrers einen solchen Grad erreicht hat, dass er nicht mehr in der Lage ist, kontrollierte Fahrmanöver auszufahren, und damit die Situation einem Fahren ohne die notwendigen technischen Einrichtungen - z.B. ohne intakte Bremsen - vergleichbar ist (vgl. T.F., § 315c, Rn. 15a). Exkurs: Beachten Sie auch die Rechtsprechung des BGH zu § 315b StGB (BGH NJW 2003, 1613 ff. = Life & Law 2003, 563 ff.): Im fließenden Straßenverkehr ist ein Verkehrsvorgang nur dann als „pervertiert“ und damit als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr anzusehen, wenn zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es mit wenigstens bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht wird. Ergebnis: Es besteht hinreichender Tatverdacht bzgl. § 316 I StGB. 6 7 Begriff relativer Fahruntauglichkeit: Diese bedeutet, dass zu der Tatsache der Alkoholisierung noch weitere Anhaltspunkte kommen müssen, die darauf schließen lassen, dass der Fahrer aufgrund des Alkoholkonsums nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen (vgl. T.F., § 316, Rn. 12 ff., 30 ff.). Aus einer hohen BAK zur Tatzeit kann i.d.R. der Vorsatz nicht geschlossen werden, NStZ 2006, 380 ff. [384] m.w.N. - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 3 B. Hinreichender Tatverdacht bzgl. des S I. Insbesondere ist keine Anstiftung zu einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c I Nr.1a, III Nr.1 StGB) gegeben, weil der Fahrer L bei der Fahrt zur Wohnung des Beschuldigten S - allenfalls zu dieser hat S ihn angestiftet - eine derartige Haupttat nicht begangen hat. II. Anstiftung zur Trunkenheit im Verkehr (§§ 316 I, 26 StGB) liegt vor: 1. L hat vorsätzlich rechtswidrig im Zustand der Fahruntauglichkeit ein Fahrzeug geführt. S hatte den Entschluss dazu in L geweckt. 2. S wusste, dass L nicht mehr in der Lage war das Fahrzeug sicher zu führen, und wollte die Tat des L wie auch seine eigene Anstiftung. Exkurs: Angestiftet werden kann nur zu einer vorsätzlichen Haupttat. Insoweit ist es in der Klausur problematisch, wenn beim Angestifteten nicht in vollem Umfang ein Vorsatz festgestellt werden kann, sondern z.B. auf § 315c III Nr.1 StGB zurückgegriffen werden muss. § 11 II StGB stellt aber klar, dass die Tat auch dann eine vorsätzliche bleibt, wenn hinsichtlich der konkreten Gefährdung nur Fahrlässigkeit des Haupttäters notwendig war. Es handelt sich um eine Vorsatztat mit fahrlässig herbeigeführtem Erfolg, bei der Teilnahme möglich ist (T.F., § 315c, Rn. 19a, 21). Bei § 315c III Nr.2 StGB und § 316 II StGB wäre dies aber wiederum anders zu behandeln! Bezüglich des doppelten Anstiftervorsatzes gilt aber nach den allg. Teilnahmeregeln, insb. § 29 StGB, dass der Anstifter nur nach seiner eigenen Schuld bestraft werden kann. Als Anstifter zu § 315c III Nr.1 StGB ist der den Tatentschluss hierzu Hervorrufende daher nur strafbar, wenn ihm selbst auch hinsichtlich der Gefährdung ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. III. Ein hinreichender Tatverdacht im Hinblick auf § 240 StGB scheitert an der Nachweisbarkeit, da sich anhand der Angaben der Beteiligten nicht feststellen lässt, dass der Beschuldigte S den L durch Drohung mit einem rechtswidrigen Übel zu der Fahrt gebracht hat. Die Erklärung, nicht mehr mit ihm reden zu wollen, kann hierfür nicht ausreichen. 2. Tatkomplex: Fahrt bis zum Unfall / hinreichender Tatverdacht bzgl. L: I. Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c I Nr.1a, III Nr.1 StGB): 1. L hat in absolut fahruntauglichem Zustand (BAK von mindestens 2,3 Promille) ein Fahrzeug geführt und dadurch mit der Straßenlaterne eine fremde Sache von erheblichem Wert konkret gefährdet. 2. Er handelte hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt vorsätzlich, hinsichtlich der Gefährdung fahrlässig. Die Tat war auch rechtswidrig. 3. Fraglich ist, ob er schuldhaft handelte oder ob seine Schuld wegen Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB ausgeschlossen war. a. Zum Zeitpunkt der Tat kann nicht ausgeschlossen werden, dass L mit einer BAK von über 3 Promille schuldunfähig war. Die nicht auszuschließenden Zweifel müssen zugunsten des L zu Buche schlagen.8 b. Auf die Schuldfähigkeit zur Zeit der Tat kommt es jedoch dann nicht an, wenn die Grundsätze der actio libera in causa eingreifen. Dann wird an einen Zeitpunkt vor der Tat angeknüpft, in welchem dem Täter entweder der Vorsatzschuldvorwurf, sich berauscht zu haben, um die Tat zu begehen, gemacht werden kann, oder (bei Fahrlässigkeitsdelikten wie hier dann § 315c III Nr.2 StGB) der Fahrlässigkeitsschuldvorwurf, bei der Berauschung nicht bedacht zu haben, dass in schuldunfähigem Zustand Delikte begangen werden würden. aa. Jedoch lässt der Sachverhalt nicht erkennen, dass L beim zweiten, schon in stark betrunkenem Zustand (!) beschlossenen "Besäufnis" hätte vorhersehen können, dass er anschließend noch mit dem Auto nach Hause fahren werden würde. Statt dessen lässt sich nicht widerlegen, dass L und S vereinbart hatten, gemeinsam bei S zu nächtigen und den Rausch ausschlafen zu wollen. Es erscheint zumindest als zweifelhaft, ob man ein Mehr an Vorsorge verlangen kann. bb. Im Übrigen ist - unabhängig davon, ob man die Rechtsfigur der actio libera in causa überhaupt anerkennen will - nach zutreffender Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ 1997, 228) jedenfalls bei den Delikten 8 Zur teilweise streitigen Frage, inwieweit zur Beurteilung der Schuldfähigkeit andere Tatsachen als die reine BAK herangezogen werden, vgl. etwa T.F., § 20, Rn. 17 ff.; interessant auch NStZ 2006, 380 ff., 2007, 389 ff. m.w.N. - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 4 der Straßenverkehrsgefährdung und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis die Vorverlagerung der Schuld unzulässig. zogene Vorverhalten, auch soweit es sich nicht als Versuchshandlung, sondern als bloße Vorbereitung darstellt, im Schuldtatbestand erfasst wird (so Streng JZ 1994, 709 ff. [711]), ist nicht möglich. Es spricht nichts dafür, dass das StGB den in § 16 I, § 16 II, § 17 S.1 und in § 20 unterschiedslos verwendeten Begriff der "Begehung der Tat" in § 20 in einem weiteren Sinn verstanden wissen will als in jenen anderen Vorschriften. Im Übrigen hätte dieses "Ausdehnungsmodell" über die Fallgestaltungen der actio libera in causa hinaus eine auch unter Präventionsund Gerechtigkeitsgedanken nicht zu rechtfertigende Einschränkung des 20 StGB zur Folge. Die verschiedenen Ansätze, mit denen in Rechtsprechung und Literatur die actio libera in causa erklärt wird, bieten zum einen Teil keine tragfähige Grundlage für die Anwendung der Rechtsfigur auf die hier in Rede stehenden Verkehrsstraftaten; zum anderen Teil sind sie mit dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen. (1) Die sog. "Tatbestandslösung", der die Vorstellung zugrunde liegt, dass bereits das Trinken selbst Anfang der Ausführung der geplanten Tat ist (vgl. T.F., § 20, Rn. 52), mag trotz aller grundsätzlichen Bedenken gegen ihren Ansatz, bei anderen Delikten eine tragfähige Grundlage für die Rechtsfigur der actio libera in causa darstellen (vgl. BGH NStZ 2000, 584 f. = Life & Law 2001, 36 ff.). Bei Tatbeständen aber, die wie §§ 315c, 316 StGB und § 21 StVG ein Verhalten verbieten, das nicht auch als die Herbeiführung eines dadurch verursachten, von ihm trennbaren Erfolges begriffen werden kann, kann sie die Annahme schuldhafter Taten trotz schuldausschließenden Vollrausches bei der eigentlichen Tathandlung nicht rechtfertigen (BGH NStZ 1997, 228). Die Verkehrsstraftaten nach den §§ 315c, 316 StGB setzen voraus, dass der Täter das Fahrzeug "führt". Führen eines Fahrzeugs ist aber nicht gleichbedeutend mit Verursachen der Bewegung. Es beginnt erst mit dem Bewegungsvorgang des Anfahrens selbst (vgl. Sie hierzu BGHSt 35, 390 ff. [394]).9 Eine Ausdehnung auf zeitlich vorgelagerte Handlungen muss nach der gesetzlichen Umschreibung der Tathandlung ausscheiden. Auch im Sichberauschen in Fahrbereitschaft liegt daher noch nicht der Beginn der Trunkenheitsfahrt. (2) Im Wesentlichen aus denselben Erwägungen kommt die Heranziehung der Grundsätze der actio libera in causa auf die Trunkenheitsfahrt auch dann nicht in Betracht, wenn man die Rechtsfigur als einen Sonderfall der mittelbaren Täterschaft begreift, bei dem der Täter sich zur Ausführung der Tat seiner eigenen Person als Werkzeug bedient (vgl. RGSt 22, 413 ff. [415]; T.F., § 20, Rn. 52, 53). (3) Eine Ausdehnung des Begriffs der "Begehung der Tat" i.S.d. § 20 StGB in der Weise, dass das vortatbestandliche, auf die Tatbestandsverwirklichung be9 Dazu genügt nicht einmal, dass der Täter in der Absicht, alsbald wegzufahren, den Motor seines Fahrzeugs anlässt und das Abblendlicht einschaltet (BGH a.a.O.). Anmerkung: Derart ausführliche Ausführungen zur a.l.i.c. werden von Ihnen im 2. Staatsexamen i.d.R. nicht mehr erwartet. Ein bloßer Hinweis auf die Nichtanwendbarkeit bei §§ 315c, 316 StGB wäre allerdings zu wenig – eine Klarstellung mindestens der Tatbestandslösung muss jedenfalls erfolgen. Ergebnis: Damit scheidet ein hinreichender Tatverdacht nach § 315c StGB aus. II. Vollrausch (§ 323a StGB) 1. Objektiver Tatbestand: Ein ausreichender Rausch i.d.S. liegt hier vor. Da hier sicher ist, dass der Täter zumindest den sicheren Zustand des § 21 StGB erreicht hatte, seine Schuldfähigkeit also zumindest erheblich vermindert war als er die Tat beging, kommen alle Meinungen zum Ergebnis einer Bestrafung (vgl. T.F., § 323a, Rn. 9 ff.). Die Streitfrage, ob etwas anderes gilt, wenn auch uneingeschränkte Schuldfähigkeit (BAK unter 2 Promille) in Betracht kommt, muss hier daher nicht entschieden werden.10 10 Exkurs: Sehr problematisch ist der Fall, wenn wegen der Ermittlungsunsicherheiten alle drei denkbaren Varianten möglich sind: Volle Schuldfähigkeit, eingeschränkte Schuldfähigkeit, aber auch Schuldunfähigkeit. In derartigen Fällen wurde über eine zweite Anwendung von "in dubio pro reo" bislang freigesprochen. Begründung: Strafgrund des § 323a StGB sei, dass sich jemand fahrlässig in einen so hochgradigen Rauschzustand versetzt hat, dass er nicht mehr "zurechnungsfähig" ist. Hat der Rauschzustand diese Qualität nicht erreicht, so kann dem Täter aus der Berauschung kein Vorwurf gemacht werden. Auch eine - ungleichartige - Wahlfeststellung kommt nicht in Betracht, weil § 323a StGB und sonstige Delikte grds. rechtsethisch und psychologisch nicht vergleichbar sind: Da § 323a StGB den bestraft, der sich selbst die Fähigkeit nimmt, das Unrecht einer Straftat einzusehen und danach zu handeln, geht es um ein völlig unterschiedliches Rechtsgut. Damit käme man zu dem absurd anmutenden Ergebnis, dass zum einen bei § 315c StGB in dubio pro reo davon auszugehen ist, dass der Täter schuldunfähig war; zum anderen wird bei § 323a StGB ebenfalls in dubio pro reo angenommen, dass er gerade nicht schuldunfähig war. Häufig wird dieses Vorgehen als denkfehlerhaft bezeichnet (vgl. T.F., § 323a, Rn. 11 ff.). Und in der Tat spricht viel da- - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 5 2. L hat sich (zumindest) fahrlässig in diesen Rausch versetzt. 3. Weiter muss der Berauschte in diesem Zustand eine tatbestandliche und rechtswidrige Tat begangen haben (§ 11 I Nr.5 StGB), aufgrund der er nur wegen § 20 StGB nicht strafbar ist. Hierbei handelt es sich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich die Fahrlässigkeit nicht bezieht (vgl. T.F., § 323a, Rn. 17).11 Hier liegt eine rechtswidrige Tat nach § 315c StGB vor (s.o.). 4. Auch die Subsidiarität steht § 323a StGB hier zumindest im Hinblick auf § 315c StGB nicht entgegen, weil gerade kein Fall der actio libera in causa vorliegt (vgl. T.F., § 323a, Rn. 10). Ergebnis: L hat sich daher nach § 323a StGB hinreichend tatverdächtig gemacht. 3. Tatkomplex: Nach dem Unfall A. Hinreichender Tatverdacht bzgl. L I. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 I StGB) ist mit dem Verlassen des Unfallortes tatbestandlich gegeben, jedoch muss davon ausgegangen werden, dass L mangels Schuldfähigkeit nicht bestraft werden kann. II. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 II Nr.2, III StGB): 1. L hat sich vom Unfallort entfernt, ohne die notwendigen Feststellungen zu treffen (s.o.). 2. Mit dem Wegfall des Schuldausschließungsgrundes des § 20 StGB (Ernüchterung) könnte für ihn die Verpflichtung entstanden sein, unverzüglich nachträgliche Feststellungen zu ermöglichen. a. Dies tat er nicht und erfüllte so nach einer Meinung den Unterlassenstatbestand des § 142 II, III StGB. "Berechtigt oder entschuldigt" meine nämlich (zumindest) alle rechtlich anerkannten Rechtfertigungsund Entschuldigungsgründe. Dazu gehöre auch § 20 StGB. § 323a StGB sei subsidiär und trete daher auch hier gegenüber § 142 II StGB zurück (vgl. T.F., § 142, Rn. 48). b. Überzeugender erscheint die Gegenmeinung: Ein Entfernen im Zustand des § 20 StGB sei kein entschuldigtes Entfernen i.S.d. § 142 II StGB (vgl. BayObLG NJW 1989, 1685). Statt dessen liege regelmäßig ein Fall des § 323a StGB vor. aa. Der Zweck des § 323a StGB, Strafbarkeitslücken bei Rauschtaten zu vermeiden, würde andernfalls u.U. umgangen: Eine Bestrafung nach § 142 I StGB komme wegen § 20 StGB ohnehin nicht in Betracht. Aber auch § 142 II StGB könnte u.U. entfallen, wenn der Täter später keine Chance hat, die Pflicht nachzuholen. Dennoch besteht hier ein Strafbedürfnis, da immerhin eine objektive und rechtswidrige Tat nach § 142 I StGB vorlag. bb. Der Begriff "berechtigt oder entschuldigt" sei nicht formal-dogmatisch zu verstehen. Es bedeute vielmehr erlaubtes Verlassen der Unfallstelle. Bei schuldhafter Herbeiführung des Rausches ist das Verlassen aber eigentlich nicht erlaubt. cc. Das Verhältnis von § 142 I zu § 142 II StGB stehe dem nicht entgegen, sondern spricht sogar für dieses Ergebnis: Zwar greift grundsätzlich § 142 II StGB dann ein, wenn § 142 I StGB ausgeschieden ist. D.h. Voraussetzung des § 142 II StGB ist, dass die Strafbarkeit dem § 142 I StGB nicht entnommen wird (Subsidiarität des § 142 II StGB). Nichts zwinge aber dazu, dies nur auf die unmittelbare Strafbarkeit nach § 142 I StGB zu beziehen. D.h. die Subsidiarität des § 142 II StGB greift auch dann ein, wenn sich die Strafbarkeit mittelbar aus § 142 I StGB ergibt. Dies ist bei der Rauschtat der Fall, weil hier § 142 I StGB objektive Bedingung der Strafbarkeit ist, also ohne die objektive und rechtswidrige Tat des § 142 I StGB auch eine Bestrafung nach § 323a StGB nicht möglich wäre.12 für, den § 323a StGB als Auffangtatbestand anzusehen, der - ähnlich wie beim Verhältnis Vorsatz / Fahrlässigkeit immer dann eingreift, wenn wegen alkoholbedingten Rausches mindestens wegen in dubio pro reo nicht verurteilt werden kann. Wenn allerdings wie im vorliegenden Fall zumindest der Zustand des § 21 StGB sicher erreicht ist, also nur fraglich ist, welche der beiden "Rauschnormen" (§ 20 bzw. § 21 StGB) zum Zuge kommt, kommen alle Auffassungen zum einzig sinnvollen Ergebnis, § 323a StGB insoweit zu bejahen. 11 Dies entspricht der h.M. Interessant zur Frage, ob eine subj. Vorwerfbarkeitsbeziehung zur Rauschtat zu verlangen ist, OLG Hamm NStZ 2009, 40 ff. mit Anm. Prof. Dr. Geisler. Ergebnis: Ein hinreichender Tatverdacht bzgl. § 142 II Nr.2 StGB entfällt. 12 A.A. natürlich gut vertretbar, wenn nur das Problem richtig erkannt wird. - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 6 III. Vollrausch (§ 323a StGB) ist nach dem Gesagten nun aber zu bejahen: Ein ausreichender "Rausch" i.d.S. liegt hier vor (s.o.), und in diesen hat sich der L auch zumindest fahrlässig versetzt. Die objektive Bedingung der Strafbarkeit liegt in der rechtswidrigen Begehung von § 142 I StGB. B. Hinreichender Tatverdacht bzgl. Babette Lahme I. Der von der Beschuldigten Babette Lahme eingeräumte Sachverhalt führt nicht zu einem hinreichenden Tatverdacht bzgl. §§ 142 II, 27 StGB. Dabei kann offen bleiben, ob das Verhalten ihres verstorbenen Ehemannes überhaupt § 142 II StGB erfüllte. In jedem Fall sind bei ihr die Voraussetzungen einer Beihilfehandlung nicht gegeben. Und nur eine Teilnahme (keine Täterschaft) kommt überhaupt in Frage, da sie selbst nicht Unfallbeteiligte i.S.d. § 142 V StGB war (T.F., § 142, Rn. 66).13 diesem Fall ist15 davon auszugehen, dass der bloße Auftrag zum Abschleppen des Wagens nicht ausreicht, um eine Gehilfenstellung zu begründen. 1. Bei § 142 II StGB handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Die Strafbarkeit wird nicht dadurch begründet, dass ein Vereitelungserfolg eintritt. Dies ist zwar Motiv, aber nicht Tatbestandsmerkmal des § 142 StGB. Vielmehr ergibt sich die Strafbarkeit bereits und ausschließlich dadurch, dass der Täter die rechtlich gebotene Handlung nicht vornimmt. 2. Daraus ergeben sich auch die Anforderungen, die an eine Hilfeleistung zu stellen sind. Hilfe leistet daher nicht der, der mithilft, die Feststellung der Unfallbeteiligung zu vereiteln, sondern nur, wer den Haupttäter beim Unterlassen selbst unterstützt. Dies kann also regelmäßig nur durch psychische Beihilfe geschehen. Im Übrigen bezieht sich die Anwesenheitspflicht des § 142 StGB nur auf den Unfallbeteiligten selbst, nicht auch auf sein Fahrzeug. Da der Unfallbeteiligte den Wagen selbst oder durch Dritte hätte entfernen können, ohne sich damit strafbar zu machen, muss dies auch - erst recht - für einen Dritten gelten, der nicht selbst Unfallbeteiligter ist. Möglich ist nur, dass die Beschuldigte ihrem Ehemann bei einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat dadurch Hilfe geleistet hat, dass sie das Fahrzeug abholen ließ und so die Feststellung der Unfallbeteiligung erschwerte. Zum einen ist hierbei schon bedenklich, dass sich nicht endgültig klären lässt, ob bei ihrem Ehemann als Haupttäter ein hinreichender Tatverdacht bzgl. § 142 II StGB vorlag oder ob dieser bereits wegen des Entfernens selbst nach § 142 I Nr.1 StGB verdächtig war. Geht man – über eine zumindest mittelbare Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo (vgl. M-G, § 170, Rn. 1, 2) – von letzterem aus, so ist die Konsequenz, dass zu diesem im Moment der Vornahme der Handlung der Beschuldigten bereits abgeschlossenen Vorgang des Entfernens keine Beihilfe mehr möglich war.14 Letztlich sind diese Ermittlungsunsicherheiten hier aber gar nicht entscheidend, da - wie nun zu zeigen sein wird - eine Straflosigkeit der Beschuldigten selbst dann gegeben ist, wenn man beim Haupttäter auf eine Tat nach § 142 II StGB abstellt. Auch in 13 14 Vgl. BayObLG NStZ-RR 2000, 140 ff. = Life & Law 2000, 634 ff. Beachten Sie hierbei den modifizierten Anwendungsbereich des Grundsatzes in dubio pro reo, der insoweit nur mittelbar zur Anwendung gelangt, nämlich über die eigene Prognose des StA, ob er selbst nach Sach- und Rechtslage wahrscheinlich am Ende der Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen würde, vgl. M-G, § 170, Rn. 1 und 2. Beihilfe geleistet hätte die Beschuldigte daher nur, wenn sie durch den Abtransport des Fahrzeugs den Ehemann vorsätzlich in seinem Entschluss gestärkt hätte, sich nicht zu melden. Dies ist jedoch augenscheinlich nicht der Fall. Sie hatte sich nach ihren nicht zu widerlegenden Angaben nicht einmal Gedanken gemacht, ob er sich freiwillig melden werde, sondern wollte offenbar nur verhindern, dass die Polizei den Unfall mitbekommt. II. Soweit eine vollendete oder versuchte Strafvereitelung gemäß § 258 StGB in Betracht kommt, entfällt ein hinreichender Tatverdacht zumindest aufgrund des sog. Angehörigenprivilegs gemäß § 258 VI StGB (vgl. § 11 I Nr.1a StGB). 15 So nach der m.E. zustimmungswürdigen Rechtsprechung des BayObLG (vgl. NJW 1990, 1861). - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 7 Nach zutreffender Ansicht (vgl. T.F., § 268, Rn. 13c, 8) können jedoch der Aufzeichnungsvorgang und das Medium, auf dem er sich verkörpert, nicht voneinander isoliert betrachtet werden. Geschütztes Rechtsgut des § 268 StGB sei die Sicherheit der Informationsgewinnung durch technische Geräte, und diese Sicherheit ist durch derartige Manipulationen gefährdet, so dass auch für diese Konstellation der Tatbestand des § 268 III i.V.m. I Nr.1 StGB einschlägig ist. 4. Tatkomplex: Fahrtenschreiber / hinreichender Tatverdacht bzgl. des Schnabel I. Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB) 1. Objektiver Tatbestand a. Der Begriff der technischen Aufzeichnung ist in § 268 II StGB legaldefiniert. Unter einer Darstellung i.S. dieser Vorschrift ist nach h.M nur eine Aufzeichnung zu verstehen, bei der die geräteautonom produzierte Information in einem selbständig verkörperten vom Gerät abtrennbaren Stück enthalten ist. Diese Voraussetzung ist beim Fahrtenschreiber gegeben, da die Tachographenscheibe gerade zur Überprüfung dem Fahrtenschreiber entnommen wird (vgl. T.F., § 268, Rn. 3, 6).16 b. Fraglich ist, wie der Echtheitsbegriff i.S. des § 268 StGB zu verstehen ist, da das Kriterium der Identitätstäuschung des § 267 StGB ja nur schwerlich auf § 268 StGB übertragen werden kann (vgl. T.F., § 268, Rn. 11a). Nach h.M ist davon auszugehen, dass eine technische Aufzeichnung dann unecht ist, wenn sie überhaupt nicht oder nicht so, wie sie vorliegt, das Ergebnis eines in seiner Selbsttätigkeit unbeeinflussten Aufzeichnungsvorganges ist, obwohl sie diesen Anschein erweckt (vgl. T.F., § 268, Rn. 11a m.w.N.). Insofern ist die hier in Betracht kommende störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang i.S. des Abs. 3 nur ein besonders erwähnter Unterfall des Herstellens einer unechten technischen Aufzeichnung (vgl. T.F., § 268, Rn. 13). c. Fraglich ist jedoch, ob S dadurch, dass er die falsche Tachographenscheibe einsetzte, den Aufzeichnungsvorgang störend beeinflusst hat. Dies scheitert nicht bereits daran, dass die Manipulation bereits vor dem Aufzeichnungsvorgang durchgeführt wurde, da die störende Einwirkung auch dem Aufzeichnungsvorgang vorausgehen kann. Das BayObLG hat in einer solchen Konstellation die Beeinflussung des Aufzeichnungsvorgangs verneint, da die Bewegungen des Fahrtenschreibers ordnungsgemäß erfolgt sind und lediglich auf der falschen Unterlage bewirkt wurden. Daher erfolge die Arbeitsweise des Gerätes ordnungsgemäß (BayObLG VRS 46, 124 ff.). 16 Daher unterscheidet die h.M zwischen den sog. Anzeigegeräten, die nicht unter § 268 StGB fallen (z.B. Strom- und Kilometerzähler), sowie den Aufzeichnungsgeräten, die gerade von § 268 StGB erfasst sind. 2. Subjektiver Tatbestand: S handelte vorsätzlich, da er wusste, dass Gerger (G) das Gerät benutzen würde. Fraglich ist jedoch, ob ein Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr vorliegt. Wie i.R.d. § 267 StGB ist auch i.R.d. § 268 StGB keine Absicht i.e.S. erforderlich. Vielmehr genügt bereits das sichere Wissen, dass die Urkunde im Rechtsverkehr gebraucht werden soll (T.F., § 268, Rn. 16; § 267, Rn. 29 f.). Auch braucht der Täter nicht die Absicht zu haben, die Aufzeichnung selbst zur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen. Dies kann nach seinem Willen auch ein anderer sein. Daher ist auch der subjektive Tatbestand des § 268 StGB verwirklicht. 3. Die Tat war auch rechtswidrig und schuldhaft. Ergebnis: S ist wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen gemäß § 268 III StGB hinreichend verdächtig.17 II. Ein hinreichender Tatverdacht wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) scheitert bereits daran, dass es sich bei den Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers, die dieser selbständig tätigt, nicht um eine verkörperte (menschliche) Gedankenerklärung handelt, so dass es bereits an einer Urkunde fehlt. 17 Exkurs / Strafbarkeit des G: Fraglich ist, ob auch G aus § 268 I Nr.1, III StGB strafbar ist, da er ja nicht selbst die Manipulationshandlung vorgenommen hat, sondern lediglich auf dem bereits manipulierten Gerät die technischen Aufzeichnungen hergestellt hat. Um eine Strafbarkeit des G aus § 268 StGB zu begründen, muss gerade nicht auf die Grundsätze der unechten Unterlassungsdelikte zurückgegriffen werden, mit der eine Rechtspflicht zur Beseitigung der störenden Einwirkung geschaffen werden könnte. Vielmehr ist zu beachten, dass der Fahrtenschreiber nicht völlig selbsttätig die Aufzeichnungen herstellt, sondern erst nachdem der Lkw durch den Fahrer in Betrieb genommen wurde. Daher ergibt sich hier die Strafbarkeit des G bereits aus dem Begehungsdelikt. Darüber hinaus wäre bei G auch eine Anstiftung des S hierzu gegeben, doch tritt diese aus Konkurrenzgründen hinter der späteren täterschaftlichen Begehung des § 268 StGB durch G als mitbestrafte Vortat zurück. - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 8 det das Verfahren von selbst (vgl. M-G, § 206a, Rn. 8; Meyer-Goßner selbst aber ist a.A.). Gesamtergebnis / Konkurrenzen: 1. L hat sich hinreichend verdächtig gemacht nach § 316 I StGB; ferner nach § 323a StGB; dies in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB: Eine Zäsur trat hier mit dem Entschluss, von neuem zu trinken und dem dann irgendwann folgenden - Entschluss, nun nach Hause zu fahren, ein. Der Entschluss, nach dem Unfall wegzugehen, ist ebenfalls ein neuer Entschluss zur Tat. 2. S hat eine einzige Anstiftungshandlung (§§ 316 I, 26 StGB) vorgenommen. § 268 StGB steht dazu eindeutig in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB. _________________ 2. Teil: Entscheidungen der StA Staatsanwaltschaft 14.10.2013 Frankfurt a.M. ....... Az.: 13 Js 1245/13 Frankfurt, Verfügung19 Verfahrensstation I. Zur Aburteilung des Schnabel ist nach §§ 24, 25 Nr.2 GVG, §§ 7, 8, 9 StPO das Amtsgericht Frankfurt a.M. - Strafrichter - zuständig. II. Bei Anstiftung zur Trunkenheit im Verkehr und Fälschung technischer Aufzeichnungen handelt es sich um Vergehen, für die gem. §§ 24, 25 Nr.2 GVG, §§ 7, 8, 9 StPO der Strafrichter zuständig ist. Das zu erwartende Strafmaß übersteigt nicht den Rahmen des § 407 StPO. Die Rechtsfolge muss beantragt werden. Ein Strafbefehl erscheint nach dem Ergebnis der Ermittlungen geeignet, vgl. § 407 I 2 StPO, da die Sach- und Rechtslage geklärt und nicht zwingend ein Einspruch zu erwarten ist, vgl. Ziff. 175 RiStBV. III. Aus der Tat des Schnabel ergibt sich jedoch nicht, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, § 69 StGB. Bei einem Vergehen nach § 316 StGB liegt zwar ein Regelfall gem. § 69 II Nr.2 StGB vor; die bloße Teilnahme an fremden Taten i.S.d. § 316 StGB hat allerdings keine Regelwirkung (vgl. auch T.F., § 69, Rn. 25). Auch legen die konkreten Umständen nicht zwingend eine eigene Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nahe.18 Da S angab, keine Fahrerlaubnis zu haben, kämen §§ 69, 69a StGB auch nur teilweise in Betracht kein Entzug, aber Sperre, § 69a I 3 StGB. 1. Das Verfahren gegen die Beschuldigte Babette Lahme, Egerländerstraße 43a, Frankfurt a.M., wird gemäß § 170 II StPO eingestellt. Gründe: (vgl. Gutachten) 2. Formlose Mitteilung von Ziffer 1. ohne die Gründe an die Beschuldigte. 3. Aktenvermerk: Hinsichtlich des Beschuldigten Luca Lahme ist das Verfahren durch dessen Tod erledigt. 4. Die Ermittlungen sind abgeschlossen.20 5. Strafbefehl gemäß beiliegendem Entwurf fertigen und Durchschrift zur Handakte nehmen. 6. Aktenvermerk: Der Strafbefehl bzgl. Herrn Stefan Schnabel bezieht sich nur auf eine Anstiftung zu § 316 I StGB bzw. auf einen täterschaftlich verwirklichten § 268 StGB. Ein weiterer hinreichender Tatverdacht besteht nicht (vgl. Gutachten). 7. U.m.A. dem Amtsgericht Frankfurt a.M. - Strafrichter -, mit dem Antrag, Strafbefehl gemäß beiliegendem Entwurf zu erlassen. 8. WV ..... Unterschrift Staatsanwalt IV. Bzgl. des verstorbenen Luca Lahme reicht ein entsprechender Aktenvermerk. Ein Ermittlungsverfahren muss nicht zwingend nach § 170 II StPO eingestellt werden, denn der Tod des Beschuldigten been- _______________________ 19 18 Beachten Sie hier unbedingt NJW 2005, 1957 ff. und die Anm. von Hentschel in NJW 2006, 477 ff. [482]; T.F., § 69, Rn. 40 ff. 20 Vgl. Sie allgemein zur Abschlussverfügungsklausur im 2. Staatsexamen Hemmer/Wüst/Gold/Daxhammer, Die Strafrechtsklausur im Assessorexamen, § 2. Vgl. § 169a StPO. - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 - Assessorkurs Hessen - Postversandkurs - Klausur Nr. 426 - Strafrecht / Seite 9 Amtsgericht Franfurt a.M. - Strafrichter Az.: ... Frankfurt a.M., ............... Fahrtenschreiber enthaltene Farbstift niedrigere Geschwindigkeiten auf der veränderten Unterlage aufzeichnete. Vergehen, strafbar gemäß §§ 316 I, 268 I, III, 26, 53 StGB. Strafbefehl Herrn Stefan Schnabel Keltenstraße 57 ... Frankfurt a.M. Beweismittel: I. Geständige Einlassungen vom 7. und 25. Juli 2013. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M. schuldigt Sie an, in Frankfurt am Main am 7. Juli 2013 und am 11. Juli 2013 durch zwei selbständige Handlungen 1. einen anderen vorsätzlich dazu angestiftet zu haben, ein Fahrzeug zu führen, obwohl dieser infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war das Fahrzeug sicher zu führen, sowie 2. zur Täuschung im Rechtsverkehr eine technische Aufzeichnung verfälscht zu haben, indem Sie durch störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang das Ergebnis der Aufzeichnung beeinflusst haben. 1. Am Abend des 6. Juli 2013 haben sie sich gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Luca Lahme in das Lokal "Playing" in Frankfurt a.M. begeben. Herr Lahme und andere Beteiligte haben sich dort stark betrunken, wobei Herr Lahme mindestens acht Bier trank. Als Herr Lahme, der eine BAK von mindestens 1,2 und höchstens 1,7 Promille hatte und dem seine Fahruntüchtigkeit bewusst war, nicht mehr mit seinem Pkw (Kennzeichen F-XY-43) fahren wollte, haben Sie ihn am 7. Juli 2013 gegen 1 Uhr dazu überredet, Sie und Herrn Toni Torelli mit dem Pkw nach Hause zu bringen. Dabei hatten Sie ebenfalls Kenntnis von dessen Fahruntüchtigkeit. II. Zeugen: 1. PM Schweiger vom Polizeipräsidium Frankfurt a.M., Kommissariat 11, ... 2. Gerhard Gerger, Liegnitzerstraße 57, Frankfurt a.M. als Zeuge. III. Urkunden: Protokoll über die Aussage des verstorbenen Luca Lahme vom 9. Juli 2013. IV. Gegenstand des Augenscheins: Sichergestellte Tachographenscheibe. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird gegen Sie eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen verhängt, die sich aus den Einzelstrafen von 60 Tagessätzen für die Anstiftung zur vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr und 70 Tagessätzen für die Fälschung technischer Aufzeichnungen ergibt. Der Tagessatz beträgt 25,- €. Somit beträgt die Geldstrafe insgesamt 2.750,- €. An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt für jeden Tagessatz ein Tag Freiheitsstrafe. Sie haben die Kosten des Verfahrens und Ihre Auslagen zu tragen. Rechtsbehelfsbelehrung bzgl. Einspruch...... Unterschrift RiAG _____________________ 2. Am 11. Juli 2013 bauten Sie auf Bitte des anderweitig verfolgten Gerhard Gerger in den Fahrtenschreiber von dessen Lkw Volvo (amtl. Kennzeichen F-GG-300) eine für Geräte mit anderen Geschwindigkeitsbereichen bestimmte Tachographenscheibe ein. Dieser nahm damit, wie Sie wussten, eine eilige Fahrt nach Österreich vor. Die Manipulation hatte wie von Ihnen beabsichtigt - zur Folge, dass der im - RA Christian Daxhammer / Oktober 2013 -