Lösungsskizze – Klausur Nr. 2 - strafrecht
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Lösungsskizze – Klausur Nr. 2 - strafrecht
Übung im Strafrecht für Vorgerückte (WS 2014/15) Juristische Fakultät der Universität Freiburg Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht Prof. Dr. Roland Hefendehl und Mitarbeiter/innen Lösungsskizze – Klausur Nr. 2 1. Tatkomplex – der Unfall A. Strafbarkeit des F I. Strafbarkeit gemäß § 315c I Nr. 1a, III Nr. 2 StGB 1. Objektiver Tatbestand a) Alkoholbedingte Fahruntauglichkeit F ist mit 1,2 Promille absolut fahruntüchtig i.S.d. Nr. 1a. b) Konkrete Gefahr für Personen oder Sachen Weiterhin müsste eine konkrete Gefährdung von Personen oder Sachen eingetreten sein. Dies meint eine konkrete kritische Verkehrssituation („Beinahe-Unfall“), in der Eintritt oder Ausbleiben eines Schadens nur noch vom Zufall abhängen bzw. der Eintritt eines Schadens wahrscheinlicher ist als sein Ausbleiben aa) Hier käme zunächst Leib und Leben der E in Betracht. Nach früherer Rechtsprechung befand sich der Beifahrer eines absolut fahruntüchtigen Fahrers bereits durch das bloße Mitfahren stets in einer solchen konkreten Gefahr, weil der Fahrer nicht fähig sei, über eine längere Strecke sicher zu fahren (BGH NJW 1989, 1227). Mittlerweile räumt die Rspr. aber ein, dass dies konkrete Gefahr mit abstrakter Gefährlichkeit verwechsele (BGH NJW 1995, 3131). Im weiteren Verlauf kam es jedoch zu dem Zusammenstoß mit U. Mangels konkreter Angaben im Sachverhalt zum Ablauf des Unfalls erscheint die Annahme einer konkreten Gefahr für E zumindest vertretbar. Nimmt man eine solche Gefahr an, stellt sich zunächst die Frage, ob Insassen des Täterfahrzeugs vom Schutzbereich der Norm überhaupt erfasst sind. Dies wird grundsätzlich bejaht, sofern es sich nicht um den Fahrer handelt. Problematisch ist vorliegend jedoch, dass E zudem als Teilnehmerin in Betracht kommt. Ob der Teilnehmer als Gefährdungsobjekt in Frage kommt, ist umstritten. Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, da E weder als Gehilfin noch als Anstifterin in Frage kommt (s.u. B). Letztlich scheitert eine Teilnehmerstrafbarkeit für E, was entweder hier oder gesondert diskutiert werden kann. Akzeptabel ist es auch, die Frage hier dahinstehen zu lassen, da jedenfalls eine konkrete Gefährdung des U eingetreten ist. bb) Weiterhin könnte eine solche Gefährdung im Unfall mit U liegen. Tritt tatsächlich ein Schaden ein, so ist die konkrete Gefahr als Durchgangsstadium grundsätzlich stets zu bejahen. c) Kausalität und objektive Zurechnung Erforderlich ist aber, dass die konkrete Gefährdung bzw. der eingetretene Schaden alkoholbedingt ist, d.h. auf der durch die Alkoholisierung eingetretenen verminderten Reaktions- und Steuerungsfähigkeit beruht. In dem Gefahrerfolg muss sich gerade die Gefahr des pönalisierten Verhaltens realisieren, d.h. ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang muss bestehen (MüKo-StGB/Pegel § 315c Rn. 103). Diese „Hypothese rechtmäßigen Alternativverhaltens“ fragt also danach, ob der Gefahrerfolg auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. aa) Worin das pflichtgemäße Vergleichsverhalten besteht, ist bei Trunkenheit am Steuer umstritten: BGHSt 24, 31 stellte in zweifelhafter Art und Weise auf das Fahren mit angepasster Geschwindigkeit ab: hier (+) Die h.M. stellt auf Fahren ohne Alkohol ab. Für die h.M. spricht, dass jedenfalls bei absoluter Fahruntüchtigkeit keine ordnungsgemäße Geschwindigkeit mehr angegeben werden kann. bb) Welcher Maßstab darüber entscheidet, ob der Pflichtwidrigkeitszusammenhang besteht, ist umstritten. Risikoerhöhungslehre: Zurechnung schon dann, wenn die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts bei pflichtgemäßem Alternativverhalten geringer gewesen wäre. h.M./Rspr.: keine Zurechnung, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Erfolg auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. U schoss hier plötzlich aus dem Weg vor das Auto des F und sein Fahrrad war unbeleuchtet. Die Kollision hätte F auch in nüchternem Zustand keinesfalls verhindern können. Nach beiden Ansichten ist daher der Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verneinen. Somit ist mangels einer alkoholbedingten Gefahr der objektive Tatbestand des § 315c StGB nicht erfüllt. 2. Ergebnis: Strafbarkeit (-) II. Strafbarkeit gemäß § 316 I, II StGB 1. Objektiver Tatbestand F führte ein Fahrzeug im Straßenverkehr, wobei er mit 1,2 Promille absolut fahruntüchtig war. 2. Subjektiver Tatbestand/Fahrlässigkeit F machte sich keine Gedanken über seinen Zustand, er hatte daher keinen Vorsatz hinsichtlich seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit. Jedoch war diese objektiv voraussehbar und vermeidbar. 3. Rechtswidrigkeit (+) 4. Schuld (+) F erfüllt auch den subjektiven Fahrlässigkeitstatbestand, seine Fahruntüchtigkeit ist für ihn persönlich vorhersehbar und vermeidbar gewesen. F befand sich trotz Alkoholisierung auch nicht im Zustand der Schuldunfähigkeit. 5. Ergebnis: Strafbarkeit (+) III. Strafbarkeit gemäß § 229 StGB 1. Kausaler Erfolgseintritt Durch das von F gesteuerte Auto erlitt U ein Schleudertrauma und brach sich ein Bein, eine kausal durch F verursachte Gesundheitsschädigung ist somit gegeben. 2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung Die Verletzung des U müsste objektiv voraussehbar und vermeidbar gewesen sein für einen besonnenen und gewissenhaften Dritten in konkreter Lage und sozialer Rolle des F. Hierbei gilt, dass mit grob verkehrswidrigem Verhalten Dritter nicht gerechnet werden muss, daher (-) Alternativbegründung: Eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt seitens des F ist angesichts der Alkoholisierung zwar gegeben, es fehlt aber der Pflichtwidrigkeitszusammenhang, s.o. 3. Ergebnis: Strafbarkeit (-) B. Strafbarkeit der E Strafbarkeit gemäß §§ 316, 27 StGB 1. Haupttat Wer eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt des F angenommen hat, müsste dies noch prüfen: 2. Hilfeleistung Fraglich ist jedoch, ob eine Beihilfehandlung der E vorliegt. In Betracht käme allein psychische Beihilfe in Form des Unterstützens bzw. Bekräftigen des Tatentschlusses. Bisweilen wird diese Form der Beihilfe gänzlich abgelehnt. Nach h.M. soll dies zwar grundsätzlich möglich sein, gefordert wird jedoch ein Einwirken auf den Täter, das über das bloße Dabeisein hinausgeht (Roxin AT II § 26 Rn. 199, 205). Allein die Tatsache, dass E also die Fahrt mit F nützlich war, kann demnach nicht ausreichen. Für diese Ansicht spricht, dass psychische Einflussnahme ebenso den Erfolg beeinflussen bzw. mitverursachen kann wie physische Unterstützung. Eine bloße Anwesenheit begründet jedoch kein eigenständiges Risiko im Hinblick auf den Erfolg. 3. Ergebnis: Strafbarkeit (-) -2- C. Strafbarkeit des U Strafbarkeit gemäß § 315c I Nr. 2a/d, III StGB Missachten der Vorfahrt bzw. zu schnell fahren an Straßeneinmündungen zwar noch vertretbar, allerdings fehlt es im Sachverhalt an Angaben zum grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhalten. 2. Tatkomplex – Weiterfahrt nach der Kollision Strafbarkeit des F I. Strafbarkeit gemäß § 316 I StGB 1. Objektiver Tatbestand s.o. 2. Subjektiver Tatbestand Fraglich ist, ob nach der Kollision mit U noch eine fahrlässige Begehensweise angenommen werden kann oder ob F nun zumindest bedingten Vorsatz hatte. Nach einem alkoholbedingten Unfall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dem Fahrer seine Fahruntüchtigkeit bewusst wird bzw. er diese zumindest billigend in Kauf nimmt. Vorliegend ergibt sich jedoch die Besonderheit, dass der Unfall mit U nicht auf den Alkohol zurückzuführen ist, sondern auf einen Fehler des U. Die „Signalwirkung“ des Unfalls könnte daher zu verneinen sein. Andererseits wollte F laut Sachverhalt auch wegen des Alkohols flüchten, sodass anzunehmen ist, dass er zumindest in diesem Moment seine Fahruntüchtigkeit billigend in Kauf nahm (a.A. vertretbar, dann ist jedoch wiederum die Fahrlässigkeitsvariante einschlägig). 3. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) 4. Ergebnis: Strafbarkeit (+), entweder aus Abs. 1 oder Abs. 1 i.V.m. Abs. 2. II. Strafbarkeit gemäß § 142 I StGB 1. Objektiver Tatbestand a) Unfall im Straßenverkehr Unfall ist jedes plötzliche Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das mit dessen typischen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und einen nicht unerheblichen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (vgl. zu dieser Definition nur Rengier BT II § 46 Rn. 2.). Dies ist hier zu bejahen, da zumindest U nicht unerheblich verletzt war. b) Unfallbeteiligung des F F war als Fahrer des unfallverursachenden Fahrzeugs auch Unfallbeteiligter i.S.d. § 142 V StGB. c) Entfernen vom Unfallort F fuhr, nachdem er zum Halten gekommen war, wieder an. Fraglich ist daher, wie der Unfallort i.S.d. § 142 I StGB zu verstehen ist. Dazu zählt nicht nur der unmittelbare Ort, an dem sich der Unfall ereignet hat, sondern auch noch der nähere Umkreis (MüKo-StGB/Zopfs § 142 Rn. 47). Dieser bestimmt sich nach der Rspr. danach, ob feststellungsbereite Personen in diesem Bereich den Unfallbeteiligten noch vermuten und ggf. ermitteln würden. F hielt zehn Meter nach der Unfallstelle an und fuhr dann noch wenige Meter weiter. Ein Umkreis von 20-30 Metern kann in jedem Fall noch zur Unfallstelle gezählt werden. F hatte sich daher noch nicht vom Unfallort entfernt. 2. Ergebnis: Strafbarkeit (-) Der Versuch des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist nicht strafbar. III. Strafbarkeit gemäß §§ 221, 22, 23 StGB Keine Vollendung; Versuch nicht strafbar. IV. Strafbarkeit gemäß §§ 223 I, II, 22, 23, 13 StGB Indem F zunächst weiterfuhr, anstatt U zu helfen, könnte er sich wegen versuchter Körperverletzung durch Unterlassen strafbar gemacht haben. -3- Der Tatbestand ist noch nicht vollendet, da der Zustand des U sich noch nicht verschlimmert hatte. Stellt man darauf ab, dass eine Körperverletzung schon allein in der Verursachung länger andauernder Schmerzen liegt, ist es nicht unvertretbar, eine Vollendung anzunehmen. Dagegen spricht allerdings, dass auch in diesem Fall von einer „Bagatellgrenze“ ausgegangen werden sollte, so dass die wenigen Sekunden, die F weiterfuhr, nicht ausreichen dürften, um eine Vollendungsstrafbarkeit anzunehmen. 1. Tatentschluss F wusste von der Kollision mit U und rechnete auch mit nicht unerheblichen Verletzungen. Er nahm daher zumindest billigend in Kauf, dass sich der Zustand des U verschlimmern würde oder seine Schmerzen ohne weitere Hilfe zumindest länger anhalten würden. Die kausale Verursachung längerer Schmerzen erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung. (P) Problematisch ist jedoch, ob F auch Tatentschluss hinsichtlich einer Garantenstellung gegenüber U hatte. Dazu müsste F solche Umstände in seinen Vorsatz aufgenommen haben, die eine solche Stellung begründen. In Betracht kommt vorliegend allein eine Garantenstellung aus Ingerenz. E.A. lehnt eine Garantenstellung aus (pflichtwidrigem) Vorverhalten generell ab, weil diese Garantenstellung ein Fremdkörper in den aus dem Herrschaftsprinzip abgeleiteten Garantenstellungen sei. Nach h.M. soll sie jedenfalls nur dann in Betracht kommen, wenn es sich um pflichtwidriges (z.T. sogar rechtswidriges) Vorverhalten handelt. Hier war F zwar alkoholisiert, jedoch realisierte sich diese Pflichtwidrigkeit nicht in dem Erfolg (s.o.), was jedoch von der h.M. vorausgesetzt wird. Die bloße Benutzung eines Kfz ist für sich genommen nicht pflichtwidrig. Fraglich ist jedoch, ob nicht in bestimmten Fällen eine Ausnahme von dem Erfordernis der Pflichtwidrigkeit zu machen ist (vgl. Wessels/Beulke/Satzger AT Rn. 727). o Eine Ansicht will bei besonders riskanten Verhaltensweisen (als Indiz soll eine zivilrechtliche Gefährdungshaftung dienen), wie beispielsweise dem Führen eines Kfz, wenn sich das allgemeines Betriebsrisiko verwirklicht, eine Sonderverantwortlichkeit annehmen (vgl. MüKo/Freund § 13 Rn. 122 f.; Lackner/Kühl § 13 Rn. 13). Nach dieser Ansicht käme F eine Garantenstellung aus Ingerenz zu. o Die wohl h.M. lehnt dies ab, da es sich für den Fahrer bei fehlender Zurechenbarkeit um einen bloßen „Zufall“ handele, für den er wie jeder andere nur gem. § 323c StGB einzustehen habe (Roxin AT II Rn. 165 ff.; BGHSt 25, 218). Eine wieder a.A. lehnt sich zur Qualifizierung des Vorverhaltens an die Lehre von der objektiven Zurechnung, speziell die Risikoerhöhungslehre, an (Roxin AT II Rn 155 ff.). F käme demnach keine Ingerenzgarantenstellung zu (s.o.). Gegen eine Garantenstellung aufgrund einer Sonderverantwortlichkeit spricht neben dem bereits Erwähnten, dass in der Regel in diesen Fällen die Verantwortlichkeit beim Opfer liegt und es unbillig wäre, den Verursacher dennoch zusätzlich in die Pflicht zu nehmen. F hatte demnach keinen Tatentschluss hinsichtlich eine Garantenstellung begründender Umstände. Eine andere Vorstellung des F, wonach er sich irrig als Garant verpflichtet sähe, wäre als bloßer Rechtsirrtum unbeachtlich und als bloßes Wahndelikt straflos. Wer eine Garantenstellung bejaht, müsste weiterhin die Frage des unmittelbaren Ansetzens bei Unterlassungsdelikten problematisieren, i.E. wäre dies aber wohl zu bejahen. Dann käme man zur Frage des Rücktritts, der sich bei Unterlassungsdelikten nach h.M. stets nach § 24 I 2 StGB richtet, dessen Voraussetzungen vorliegend zu bejahen sind. 2. Ergebnis: Strafbarkeit (-) 3. Tatkomplex – Die Angaben gegenüber der Polizei A. Strafbarkeit des F I. Strafbarkeit gemäß § 153 StGB Eine Strafbarkeit gem. § 153 StGB scheitert zum einen daran, dass F als Beschuldigter und nicht als Zeuge vernommen wurde, zum anderen handelt es sich bei der Polizei nicht um eine zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle. II. Strafbarkeit gemäß § 258 StGB 1. Objektiver Tatbestand a) Vereitelungserfolg -4- Die Strafvereitelung ist jedenfalls vollendet, wenn die Strafe endgültig nicht mehr verhängt wird. Dies ist mit dem Erlass des Strafbefehls gegen E vorliegend der Fall. Zwar wäre der Erlass eines weiteren Strafbefehls theoretisch möglich, jedoch praktisch kaum denkbar. Zudem wäre dann in jedem Fall eine Verzögerung der Bestrafung des F eingetreten, was nach h.M. ausreichen soll, sofern sie einen Zeitraum von drei Wochen übersteigt. b) anderer Jedoch ist die Selbstbegünstigung nicht vom Tatbestand des § 258 StGB erfasst, dieser greift nur, wenn verhindert werden soll, dass ein „anderer“ bestraft wird (nicht Abs. 5). 2. Ergebnis: Strafbarkeit (-) III Strafbarkeit gemäß § 164 1. Objektiver Tatbestand a) Verdächtigung einer rechtswidrigen Tat (+) Verdächtigen meint jedes Verhalten, durch das gegen eine bestimmte Person der Verdacht der Begehung einer rechtswidrigen Tat hervorgerufen wird. F gibt an, E sei gefahren. In diesem Fall hätte sich E gem. § 316 I, II StGB strafbar gemacht. b) Bei einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle (+) Gem. § 11 Nr. 2 StGB, § 158 StPO handelt es sich bei der Polizei um eine zur Entgegennahme von Anzeigen zuständige Stelle. c) (P) Modifiziertes Bestreiten Fraglich ist jedoch wie es sich auswirkt, dass F als Beschuldigter gem. § 136 StPO keine Angaben zu machen bräuchte. Jedenfalls soweit er von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, scheidet eine Strafbarkeit gem. § 164 StGB aus. Dem gleichzusetzen ist auch das wahrheitswidrige Leugnen der Tat, auch wenn damit zwangsläufig nur eine andere Person als Täter in Betracht kommt (vgl. Rengier BT II § 50 Rn. 16 ff. m.w.N.). Umstritten ist, ob dies auch gelten soll, wenn der Täter über das bloße Bestreiten hinaus die logische Folge seines Leugnens ausspricht, hier also, dass E gefahren sei. Die h.M. bejaht dies, da er über das bloße Verbalisieren dessen, was sich aus der Zwei-PersonenKonstellation ergibt, der Verdacht gegen die andere Person nicht relevant erhöht werde, weshalb der Tatbestand des § 164 StGB nicht erfüllt sei, solange der Täter nicht zusätzlich wahrheitswidrige Tatsachen behaupte (Rengier BT II § 50 Rn. 19 f.). Eine a.A. verneint dies mit dem Argument, dass das ausdrückliche Bezichtigen eines Dritten darüber hinaus auch das Verdachtsurteil gegen diesen beeinflusse und daher nicht von dem Recht des Beschuldigten erfasst sei (Otto BT § 95 Rn. 4). Wer der Mindermeinung folgt, muss zunächst im Rahmen des subjektiven Tatbestands die Absicht, ein behördliches Verfahren herbeizuführen oder andauern zu lassen, thematisieren. Nach h.M. soll sicheres Wissen jedoch genügen (Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch § 164 Rn. 32). Der subjektive Tatbestand wäre demnach zu bejahen. Im Rahmen der Rechtswidrigkeit wäre kurz auf eine rechtfertigende Einwilligung der E einzugehen, die jedoch daran scheitert, dass § 164 StGB neben dem Schutz des Einzelnen vor unberechtigter Verfolgung auch den Schutz der Strafverfolgungsbehörden vor unberechtigter Inanspruchnahme als kollektives Rechtsgut schützt und somit nicht einwilligungsfähig ist. Im Anschluss wäre eine analoge Anwendung des § 258 V (h.M. ablehnend, da § 164 StGB auch eine individuelle Schutzrichtung aufweise) zu diskutieren. 4. Ergebnis: Strafbarkeit (+/-) IV. Strafbarkeit gemäß § 145d II StGB 1. Objektiver Tatbestand a) Täuschung über Beteiligten Indem er die Täterschaft der E vorgibt, täuscht er über den Beteiligten einer Straftat. b) Modifiziertes Bestreiten Jedoch finden auch hier wieder die Grundsätze des modifizierten Bestreitens Anwendung (s.o.). Wer eine Strafbarkeit danach bejaht, muss wieder eine analoge Anwendung des § 258 V StGB diskutieren. Dies wird wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen der Tatbestände ganz überwiegend abgelehnt. 2. Ergebnis: Strafbarkeit (+/-) V. Strafbarkeit gemäß § 187 StGB -5- Zwar könnte man in der Angabe, E sei das Auto gefahren, eine ehrenrührige Tatsache sehen. Eine Strafbarkeit scheitert jedoch daran, dass sich E mit der Aussage davor einverstanden erklärt hatte. B. Strafbarkeit der E I. Strafbarkeit gemäß § 258 StGB 1. Objektiver Tatbestand Durch ihre Angabe, sie selbst sei gefahren, verzögerte E die Strafverfolgung des F um nicht unerhebliche Zeit (s.o.). 2. Subjektiver Tatbestand E hatte diesbezüglich auch Vorsatz in Form der Absicht, F vor Strafverfolgung zu schützen. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld E handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. 4. Persönlicher Strafausschließungsgrund Jedoch greift für E als Ehefrau des F der persönliche Strafausschließungsgrund des Abs. 5 i.V.m. § 11 Nr. 1 StGB. 5. Ergebnis: Strafbarkeit (-) II. Strafbarkeit gemäß § 164 StGB Der Tatbestand des § 164 StGB erfasst lediglich die Fremdbezichtigung, nicht hingegen die Selbstbezichtigung, vgl. Wortlaut: „einen anderen…verdächtigt“. III. Strafbarkeit gemäß § 145d II StGB 1. Objektiver Tatbestand E gab an, das Auto gefahren zu haben, und täuschte somit über den Beteiligten einer strafbaren Tat. Auch eine falsche Selbstbezichtigung ist von dem Tatbestand erfasst (Rengier BT II § 50 Rn. 15). (P) Jedoch gilt die Subsidiaritätsklausel des Abs. 1 auch für Abs. 2 („ebenso wird bestraft“). Fraglich ist, ob demnach auf § 145d II Nr. 1 StGB zurückgegriffen werden kann, wenn der Tatbestand des § 258 StGB zwar erfüllt ist, eine Bestrafung aber an Abs. V oder VI scheitert, bzw. ob diese im Rahmen des § 145d StGB entsprechend gelten. Nach h.M. tritt § 145d als subsidiäres Delikt nur zurück, wenn aus dem schwereren Delikt auch tatsächlich bestraft werden kann (vgl. MüKo/Zopfs § 145d Rn. 46; Rengier BT II § 51 Rn. 20). Eine Mindermeinung wendet § 258 V, VI entsprechend an. Dagegen spricht die unterschiedliche Schutzrichtung der Paragraphen. 2. Subjektiver Tatbestand E handelte auch wider besseres Wissen. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) 4. Ergebnis: Strafbarkeit (+) nach h.M. 4. Tatkomplex – Das „Schmerzensgeld“ A. Strafbarkeit des F Strafbarkeit gemäß §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 2, 6 StGB 1. Tatbestand (+) a) Objektiver Tatbestand aa) H hatte nach der Verkehrsanschauung Gewahrsam an dem Geld in seinem Geldbeutel, auch wenn er sich einige Meter von seinem Auto entfernt befand und die Tür offen stand. F brach diesen Gewahrsam; indem er das Geld an sich nahm, begründete er eigenen Gewahrsam (vgl. im Einzelnen bei der Hehlerei). b) Subjektiver Tatbestand aa) F hatte Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. -6- bb) Weiterhin handelte er in der Absicht, sich das Geld rechtswidrig zuzueignen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er es im Anschluss direkt an U weitergab. Denn damit musste er sich das Geld zumindest vorübergehend selbst zueignen, da es als Kompensation für Schadensersatzforderungen, denen er sich ausgesetzt sah, dienen sollte (vertretbar ist auch, hier eine Drittzueignungsabsicht anzunehmen). 2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) 3. Strafzumessung gem. § 243 StGB a) Indem er in das Auto griff, könnte F zur Ausführung der Tat in einen umschlossenen Raum eingebrochen oder eingestiegen sein, Nr. 1. Ein Pkw kann grundsätzlich einen umschlossenen Raum darstellen, einen feste Verbindung mit dem Erdboden ist nicht zwingend erforderlich. Jedoch setzt Einbrechen ein gewaltsames Öffnen voraus (Lackner/Kühl § 243 Rn. 10). Vorliegend stand die Autotür jedoch bereits offen. Ein Einsteigen liegt vor, wenn der Täter sich unter Überwindung von Hindernissen auf außergewöhnliche Art und Weise Zugang verschafft. Auch dies ist bei einem bloßen Hineingreifen zu verneinen. b) Jedoch könnte es sich bei dem Geld in dem Geldbeutel um eine durch ein Behältnis besonders gegen Diebstahl gesicherte Sache handeln. Dies setzt jedoch voraus, dass das Behältnis gerade vor der Wegnahme der Sache schützen soll. Ein Geldbeutel dient jedoch, möglicherweise sogar in erster Linie, der allgemeinen Aufbewahrung und bietet darüber hinaus auch keinen besonderen Schutz. Weiterhin könnte F das Regelbeispiel des § 243 I 2 Nr. 6 StGB erfüllt haben. Dazu müsste er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausgenutzt haben. H war zwar nicht unmittelbar an dem Unfall beteiligt, allerdings verwirklicht sich die unfalltypische Gefahr auch dann, wenn andere Menschen ihre Hilfe anbieten und aufgrund dessen abgelenkt sind. Dies nutzte F aus (a.A. wohl vertretbar mit dem Argument, dass H nicht an dem Unfall beteiligt und letztlich freiwillig vor Ort war). 4. Ergebnis: Strafbarkeit gem. §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 6 StGB (+) B. Strafbarkeit des U Strafbarkeit gemäß § 259 1. Objektiver Tatbestand a) Bei dem Geld handelte es sich um eine Sache, die F durch einen Diebstahl, § 242 I StGB, als Vortat erlangt hatte. Umstritten ist das zeitliche Verhältnis von Vortat und Hehlerei. Nach h.M. muss die Hehlerei der Vortat zeitlich nachfolgen, die Vortat also bereits vollendet sein (Rengier BT I § 22 Rn. 6). Demnach müsste der Diebstahl bereits vollendet gewesen sein, F also eigenen Gewahrsam begründet haben, als er U das Geld übergab. Da es sich bei dem Geld um eine kleine Sache handelt, ist ein Gewahrsam des F bereits zu bejahen, als er sich wenige Meter von dem Auto entfernt hatte. Zwar war H stets in der Nähe, jedoch würde ab diesem Moment das Zurückholen des Geldes einen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des F erfordern. Nach einer Mindermeinung können Hehlerei und Vortat auch in einem Akt zusammenfallen. Eine Entscheidung ist damit vorliegend entbehrlich. b) Indem U das Geld annahm, begründete er eine vom Vortäter unabhängige Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken, er verschaffte sich somit dieses. Er wirkte dabei auch einvernehmlich mit F zusammen. 2. Subjektiver Tatbestand U hatte den F beobachtet und hatte damit Vorsatz bezüglich der Herkunft der Sache aus einer gegen fremdes Vermögen gerichteten Vortat. Weiterhin müsste er auch in der Absicht gehandelt haben, sich zu bereichern. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass U gegen F einen Schadensersatzanspruch wegen des Unfalls hatte. Grundsätzlich ändert dies nichts am Vorliegen der Hehlerei. Da es sich um eine aus einer gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat handelt, ist die Bereicherung stets rechtswidrig (und daher auch tatbestandlich nicht gesondert vorausgesetzt). Dass U sich „völlig im Recht“ fühlte, begründet somit keinen Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld U handelte auch rechtswidrig. In Betracht kommt allenfalls ein Verbotsirrtum gem. § 17 S. 1 StGB. Dieser wäre jedoch in jedem Fall vermeidbar, § 17 S. 2 StGB. 4. Ergebnis: Strafbarkeit (+), ggf. Strafmilderung nach § 49 I StGB. Gesamtergebnis und Konkurrenzen 1. Tatkomplex: F hat sich gem. § 316 I, II StGB strafbar gemacht. E bleibt straffrei. -7- 2. Tatkomplex: F hat sich gem. § 316 I (II) StGB strafbar gemacht. Problematisch ist das Konkurrenzverhältnis zu der Trunkenheitsfahrt vor dem Unfall. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs käme Tateinheit in Betracht (§ 52 StGB). Nach h.M. entfaltet der Unfall jedoch eine Zäsurwirkung, weshalb Tatmehrheit vorliegen soll (§ 53 StGB). E hat sich wiederum nicht strafbar gemacht. 3. Tatkomplex: F bleibt nach h.M. straffrei. E hat sich nach h.M. gem. § 145d II Nr. 1 StGB strafbar gemacht. 4. Tatkomplex: F hat sich gem. §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 6 StGB strafbar gemacht. U hat sich gem. § 259 I StGB strafbar gemacht. Die Taten des F stehen zueinander jeweils in Tatmehrheit, § 53 StGB. -8-