Die Nebel des Vergessens - Verlag für Berlin

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Die Nebel des Vergessens - Verlag für Berlin
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Berliner Zeitung · Nummer 267 · 15./16. November 2014
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Lesen & Hören
N
RÜCKBLICKE
icht das Erinnern, sondern das Vergessen sei der
Bodensatz des Problems, wenn man über die Vergangenheit schreibe, hat Patrick Modiano kürzlich gemeint. „Aber ich habe doch nicht geträumt.“ Mit diesem ersten Satz öffnet sich „Gräser der
Nacht“, und der Ich-Erzähler des Romans, hinter dem sich
der Autor wie immer kaum verbirgt, fragt sich, ist das, an was
er sich erinnert, wirklich so gewesen oder nur ein Gespinst.
Auch in dem nun auf Deutsch erschienenem Roman Modianos geht es um eine Vergangenheit, deren Ereignisse in
einen Nebel des Vergessens gehüllt sind. Doch er will ihnen
unbedingt auf die Spur kommen. Aber wie? Es hilft dem
Proust unserer Tage nur ein kleines schwarzes Notizbuch
auf der Suche nach der verlorenen Zeit, nach einer Jugend,
die „eine kurze, aber verworrene Zeit meines Lebens war“.
Dieses Notizbuch wird zum untergründigen Protagonisten
des Romans. Es enthält jedoch fast nur Termine, ist kein Tagebuch, sodass es nur eine magere Krücke ist, die dem Vergessen Einhalt gebieten kann.
Wir befinden uns in der Mitte der Sechzigerjahre, als Modiano zwanzig Jahre zählte, und er wie ein ach so junger Hund
durch Paris streunt. Sein Doppelgänger-Ich des Romans trifft
in Montparnasse auf eine Gruppe von zwielichtigen Gestalten,
die sich in einem Hotel versammeln, in dem auch Dannie, eine
nur wenig ältere Frau, Unterschlupf gefunden hat. Auch sie
scheint in dubiose Geschäfte verwickelt zu sein, doch ihre Existenz bleibt wie bei fast allen Figuren Modianos im Ungefähren.
Der Erzähler wird eines Tages, nachdem seine zeitweilige
Freundin schon wieder aus seinem Leben verschwunden ist,
von der Polizei vorgeladen, und ein Inspektor Langlois befragt
ihn nach der Clique und nach Dannie.
Fast fünfzig Jahre später, als das Leben dem Ende zugeht,
und er das Gefühl hat, sich selbst allmählich zu überleben,
nimmt er den Faden wieder auf, der zurück zu ihr führen
könnte. Und so erzählt Modiano in Rückblenden die Geschichte einer ersten Liebe, wie immer äußerst dezent. Dieselbe Dezenz, gepaart mit einer tiefen Schüchternheit, hat
aber auch dazu geführt, dass er Dannie kaum Fragen gestellt
hat zu ihrem Leben und dem Umgang mit der Clique. Fragen,
die er sich damals nur selbst gestellt hat, sind die Fragen, die
ihn heute wieder bedrängen. In was ist sie verwickelt gewesen?
„Ich habe fast ein Leben gebraucht, um erneut am Ausgangspunkt zu sein.“ Doch ist nicht alles zu spät, fragt sich Modianos
Alter Ego, denn die Zeugen der Zeit sind alle verschwunden.
Aber Modiano wäre nicht Modiano, wenn er nicht dennoch
versuchte, Spuren zu entdecken, und zwar schreibend:„Episoden eines geträumten, zeitlosen Lebens, die ich Seite um Seite
dem trüben Alltagsleben entreiße, damit es ein bisschen
Schatten und Licht bekommt.“
Dabei stellt sich ein Gefühl von gleichzeitiger„Anwesenheit
und Abwesenheit“ ein. „Für mich hat es Gegenwart oder Vergangenheit nie gegeben. Alles verschmilzt.“ Man könnte dieses Schreiben Modianos, in dem sich in einem ja fast lebenslangen Traum Wirklichkeit, Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit mischen, auch ein onirisches Schreiben nennen, ein
traumgleiches, jedoch überhaupt nicht im Sinne der Surrealisten, die sich ja künstlich in eine Trance versetzt haben. Es birgt
wie in allen Büchern Modianos ein traumartiges Lebensgefühl,
das stets zwischen allen Zeiten changiert. Zum einen in der, in
der er das Buch verfasst, dann in der seiner Jugend, zudem in
der aller Etappen zwischen damals und heute, und schließlich
gar in einer Zeit, die er gar nicht erlebt haben kann, wenn er
etwa auf einer Pariser Straße einer Frau begegnet, in der er
Jeanne Duval, die Geliebte Baudelaires, zu erkennen glaubt,
der er folgt und so plötzlich ins 19. Jahrhundert abtaucht.
Virtuos erzählt er auch diesen Roman in permanenten Zeitüberblendungen, sodass er den Leser bisweilen schwindlig
spielt wie ein genialer Fußballspieler à la Ronaldo, der sich mit
mehreren Übersteigern um die eigene Achse dreht und damit
das Publikum verwirrend betört. Gerade dieses Spiel zwischen
allen Zeiten macht das große Vergnügen an den Romanen des
Nobelpreisträgers aus, dabei muss der Leser aber stets auf dem
Quivive sein, um all die Zeitsprünge Modianos mitspringen zu
können.
VON CORNELIA GEISSLER
Briefe als Überlebenshilfe
Stefan Berg war 17 Jahre alt, als sich Ende 1981
Schriftsteller aus Ost und West in der damaligen
Hauptstadt der DDR zur „Berliner Begegnung“ trafen. Das Wettrüsten tobte; Stephan Hermlin hatte
eingeladen, über den Frieden zu sprechen. Manches, was davon nach außen drang, ermutigte, weil
es so anders klang als das Übliche. Etwa die Rede
von Günter de Bruyn, der andeutete, dass es der
DDR helfen würde, einen sozialen Friedensdienst
zu erlauben. Stefan Berg, dem damals die Lehrer im
Nacken saßen, er solle sich für drei Jahre zur Armee
verpflichten im Interesse seiner Zukunft, schrieb
de Bruyn einen besonderen Leser-Brief. Er bedankte sich für die Worte. Und der verehrte Schriftsteller antwortete! Es entwickelte sich ein Briefwechsel, der jetzt als „Landgang“ nachzulesen ist.
Der Schüler schreibt vertrauensvoll über seinen Alltag, seine Zweifel, schließlich den Drill bei den Bausoldaten. Der Schriftsteller antwortet freundlich
und hilfsbereit. Das Buch ist im Detail vielleicht
nicht sehr aufschlussreich, im Ganzen aber erhellend: Es zeigt, wie wichtig die Rolle von Schriftstellern in der DDR sein konnte, wie sie mit ihrer Offenheit Mut anstießen und Trost spendeten.
Stefan Berg/Günter de Bruyn: Landgang
S. Fischer, Frankfurt a. M. 2014, 142 S., 17,99 Euro.
Bücher als Mauerspringer
Die kulturpolitischen Restriktionen in der DDR hatten ihr Gutes. „Welch eine Reklame! Unbezahlbar!“,
schrieb Günter Kunert schlitzohrig in seinen Erinnerungen. In der Tat bewirkten Einschränkungen im
Osten oft Interesse im Westen. Er selbst, auch etwa
Peter Hacks, Adolf Endler, Volker Braun, Heiner Müller und Franz Fühmann kamen im Zuge des VI. SEDParteitags 1963 zu Lesern außerhalb der Mauer.
Zuvor gab es auf beiden Seiten offizielle Versuche,
Literatur zu verbreiten: „Schickt Bücher nach Westdeutschland!“, hieß es hier, „Schick auch ein Buch
nach drüben“, dort. Julia Frohn hat einfache und
komplizierte Wege, auch Mauscheleien und Betrug
für ihre Dissertation untersucht und in ein Buch gebracht: „Literaturaustausch im geteilten Deutschland“. Frohn weiß, welche Lektoren wie agierten,
dokumentiert Briefauszüge von Verlegern und registriert, wie Autoren sich heimlich trafen. Sie führt so
viele Aspekte des Themas an, die bisher noch nicht
in der Debatte waren, dass man sich eine Fortsetzung über 1972 hinaus wünscht.
Julia Frohn: Literaturaustausch im geteilten
Deutschland 1945–1972 Ch. Links, Berlin 2014.
496 S., 49,90 Euro.
Jörg Aufenangers Übersetzung von Modianos Roman „Ein so junger
Hund“ wurde jetzt im Aufbau-Verlag wieder neu aufgelegt.
Der Proust unserer Tage:
Der Literaturnobelpreisträger
Patrick Modiano und
sein neuer Roman
„Gräser der Nacht“
VON JÖRG AUFENANGER
AP/C HRIS TO PHE ENA (2)
Heike Schneider (Hg.): Walter Janka – zu Kreuze
kriechen kann ich nicht vbb – Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2014. 176 S., 19,99 Euro.
Patrick Modiano: Gräser der Nacht Aus dem Französischen von
Elisabeth Edl. Hanser, München 2014. 176 S. 18,90 Euro.
Die Nebel des
Vergessens
Beharrlichkeit als Ausweg
Im Herbst 1989, zwölf Tage, bevor die Mauer fiel,
war das Deutsche Theater „so brechend voll wie nie
zuvor“, erinnert sich dessen damaliger Intendant
Dieter Mann. Dabei war es eigentlich nur eine Buchpremiere. Ulrich Mühe las in Anwesenheit des Autors zwei Stunden lang aus Walter Jankas „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“. Die Erinnerungen des
einstigen Aufbau-Verlegers, der bei den Nazis und
unter der SED-Führung im Zuchthaus Bautzen gesessen hatte, verrieten so viel über die Lenkung
von Interessen und Meinungen in dem schon maroden Staat DDR, über politische Erpressung, über
falsche Freunde, was man sich vorher kaum auszumalen gewagt hatte. Wie konnte Janka das alles so
lange ertragen? Erst 1990 wurde er rehabilitiert.
Ein Sammelband lässt nun aus Briefen, Dokumenten, Interviews und Erinnerungen von Zeitgenossen
ein Porträt entstehen. Und dabei wird klar: Jankas
Widerstandsgeist hat mit beigetragen zum Mut der
Ostdeutschen in jenem Herbst.
Ein überraschendes Aperçu taucht plötzlich mitten im Roman auf, und Modiano, der sich doch stets der Vergangenheit
zuwendet, scheint in der Welt der iPhones angekommen zu
sein. Doch er ist nur ein flüchtiger Beobachter junger Menschen, die sich auf derTerrasse eines Cafés gegenseitig fotografieren. Die Beobachtung dient ihm auch nur dazu, sich wieder
seiner eigenen Jugend zu vergegenwärtigen. Dieser Nobelpreisträger als Besitzer eines iPhones, man kann es sich nicht
vorstellen. Peu à peu kommt Modianos Erzähler seiner ersten
Liebe auf die Spur, vor allem als er Jahre später Inspektor Langlois trifft.
Zufall? Eine Unwahrscheinlichkeit in Zeit und Raum,
derer sich Modiano als ein Meister der Koinzidenzen bedient. Seit Jahren hat der inzwischen pensionierte Langlois
auf ihn gewartet, um ihm die Ermittlungsakte zu Dannie
und zu ihrem einst jungen Liebhaber in die Hand zu drücken. Dannie scheint damals gar in einen Mord verwickelt
gewesen zu sein im Umfeld von in Paris lebenden Marokkanern. Diese waren in diesen Sechzigerjahren entweder
Geheimagenten ihres Königreichs oder oppositionelle Akteure im Exil oder beides gleichzeitig. „Überall lag Bedrohung in der Luft“, stellt Modiano fest, als Paris in jenen Jahren Schauplatz nachkolonialistischer Auseinandersetzungen war. Und er erwähnt die Entführung des marokkanischen Exilpolitikers Ben Barka mitten in St. Germain des
Près vor der Brasserie Lipp und seine folgende Ermordung
durch den marokkanischen Geheimdienst.
Auf seiner Reise durch die Zeiten führt Modiano den Leser
durch das Paris von damals und heute, führt dabei auch die
Verluste von Orten, Cafés, Hotels in den letzten fünfzig Jahren
an. Orte, die auch meine Orte waren, als ich ab den Endsechzigerjahren in der Seinestadt gelebt und die Atmosphäre jener Jahre erlebt habe. Stimmungen und Geschehnisse tauchen in mir nun wieder auf, weil er sich und dadurch auch
mich mit seinem Roman in seiner so unvergleichlich bildhaften Sprache daran erinnert.
Modianos Obsession, in unendlich vielen Geschichten
sich selbst auf die Spur zu kommen, und damit die Geschichte der eigenen Existenz bis in die letzten Winkel auszuleuchten, kann für den Leser ebenso zu einer Obsession werden, seine Roman lesen zu wollen, ja zu müssen. Eben auch,
um sich selbst dem Vergessen zu entreißen.
Oft bin ich den letzten Tagen seitdem Modiano den Nobelpreis erhalten hat, gefragt worden, welchen seiner fast dreißig
Romane man zuerst lesen solle. Eine schwierige Frage, da ich
zwar alle gelesen habe und auch mehrfach, sie aber deshalb
auch leicht verwechsle. Schließlich habe ich mich dazu durchgerungen, seinen Roman „Die Gasse der dunklen Läden“, mit
dem er 1978 den Prix Goncourt erhalten hat, zu empfehlen.
„Gräser der Nacht“ ist hingegen, der Titel lehnt
sich an Verse von Ossip Mandelstam an,
eher ein Buch für fortgeschrittene Modianoleser, für die Initiierten, und
doch wird der wunderbar melancholische Schimmer eines Schriftstellerdichters, der auch in diesem
Roman durchscheint, ebenso
neue Leser betören können. Ein
weiterer Roman, der vor wenigen
Wochen in Paris erschienene „Pour
que tu ne te perdes pas dans le quartier“ („Damit du dich nicht im Viertel verirrst“) harrt noch der deutschen Übersetzung.
Als Modiano von der Zeitschrift Les Inrockuptibles gefragt
wurde, ob er schon wisse, was er in seiner Nobelpreisrede
sagen werde, zögerte er fast furchtsam und meinte, er könne ja
auch eine fiktive Geschichte vorlesen. Das passt zu diesem
Menschen, der nur in Erzählungen seiner selbst lebt.
Der Spieler mit den Zeiten:
Patrick Modiano.
ABENDESSEN
VON ALEKSANDAR ZIVANOVIC
Mit Schleim
Vor einer Weile war ich zum Abendessen eingeladen.
Der Abend war sehr nett, überrascht hat folgendes:
Irgendwann sagte die Gastgeberin: „Wir brauchen
Musik! Ich mache schnell was an!“ Sie klappte ihren
Laptop auf, meldete sich beim schwedischen MusikStreaming-Dienst Spotify an, fragte uns, was wir hören wollen. Wir aber hatten Durst und Hunger, und
auf ihre Frage keine Antwort. Dann sagte sie:
„Ach was, ich spiele die Dinner-with-Friends-Liste!“
Und so spielte zum Essen die Musik, ein Lied nach
dem anderen, eine vorgefertigte Liste von Spotify.
Das Essen war super, der Wein sehr gut, die Musik
dümpelte leise im Hintergrund vor sich hin.
Als ich vor Kurzem wieder zum Essen eingeladen
wurde, diesmal sehr weit weg von zu Hause,
in Salzburg, hieß es auch dort irgendwann: „Ich
mach mal die Dinner-with-Friends-Liste an, ok?“
Wie die schwedischen Möbel, verbreiten sich nun die
schwedischen Musik-Playlisten? Bei Spotify hat
jeder Nutzer die Möglichkeit, eine zu erstellen, es
gibt aber auch vorgefertigte, für die lange Autofahrt,
gegen Liebeskummer und auch eben fürs Abendessen. Diese Dinner-with-Friends-Liste ist sehr beliebt,
es steht da: 184 380 Menschen folgen ihr, 103 Lieder von allen möglichen Künstlern wie Ed Sheeran,
Rebecca Ferguson, Agnus Obel bis Eros Ramazotti
oder Phil Collins, alles ist vertreten. Bei dieser
Liste scheint nur eines wichtig zu sein, traurig,
gefühlvoll-schleimig soll die Musik sein. Es ist die
Musik, die gerne bei „Voice of
Germany“ nachgesungen
wird, sie will nichts falsch
machen, alles klingt gleichförmig, nicht gut.
Dinner with Friends
(Spotify)
Mit Feuer
Wenn überhaupt irgendjemand etwas nachsingen
darf, dann ist das Aretha Franklin. Sie hat bewiesen, dass sie Stücke so interpretieren kann, dass
man die Originalversion vergisst. 1967 wurde sie
mit „Respect“ weltberühmt, einem Lied, das Otis
Redding zwei Jahre vorher für sich selbst komponiert hatte. Zur millionenfach verkauften Hymne
wurde es allerdings erst, nachdem Aretha Franklin
es sang. Nun hat sie mit 72 Jahren ein neues Album
aufgenommen, es heißt „Aretha Franklin Sings The
Great Diva Classics“. Und wie der Name schon
sagt, singt sie berühmte Lieder nach, vor allem
ältere wie „You Keep Me Hangin’ On“ von den Supremes oder „At Last“ von Etta James. Vom ersten
Moment an erkennt man ihre Stimme wieder, was
für eine Wucht, immer noch, in hohen wie in tiefen
Lagen, ungestüm hier, gefühlvoll da. Sie singt auch
neuere Lieder, etwa „Rolling in the Deep“ von
Adele, das in der zweiten Hälfte mit dem Soul-Klassiker „Ain’t No Mountain High Enough“ zu einer Diskonummer zusammengebracht wird. Aufgeregter
als Adele singt sie das, verspielter, vielleicht zu variantenreich, darunter leidet die Spannung. Ein
Song, der nicht hätte noch mal aufgenommen werden müssen: „Nothing Compares to You“. Prince
hat ihn geschrieben, berühmt gemacht hat ihn
Sinead O’Connor, jetzt singt Aretha Franklin ihn in
einer leichten Jazz-Version nach, sie müht sich dabei ab, das hätte nicht sein
müssen. Trotzdem: Mit ihr
auf einer Karaoke-Party zu
sein, ist immer ein Erlebnis,
sie hat Feuer! Manchmal.
Aretha Franklin: Sings The
Great Diva Classics (Sony)
Mit Gefahr
Feuer hat auch die 3-CD-Box, die das britische Label
Famous Flames Recordings herausgebracht hat.
93 sorgfältig ausgewählte Songs, die einen sehr guten Überblick über die wilde Zeit des Rock ’n’ Roll
Ende der 50er-Jahre und darüber hinaus bieten.
Diese Zeit war geprägt durch eine sich vertiefende
Rezession und Nachkriegsstrenge. Jugendliche
rebellierten, wollten sich, wie heutzutage ja immer
noch, von ihren Eltern abgrenzen, das klappte mit
Musik. Einer Musik, die vieles aus der schwarzen
Musik übernommen hat, zunächst den Rhythmus
des Rhythm & Blues, später kamen noch die BluesTonfarben hinzu. Besonders populär wurde sie natürlich durch Elvis Presley. Aber das Tolle an dieser
Sammlung ist gerade, dass da auch Musik von
Künstlern dabei ist, die hierzulande nicht so berühmt sind. Andre Williams ist so einer, sein Lied
„Jailbait“ müssen Sie unbedingt hören. Auch hier
wird klar: Regeln waren da, um gebrochen zu werden. Im Mittelpunkt stand das Feiern, als gäbe es
kein Morgen. „Rock Around The Clock“ von Bill Haley & His Comets und „Tutti Frutti“ von Little Richard
handeln von dieser Zeit. „Ein Element der Gefahr
liegt dieser Sammlung inne“, steht im Booklet der
CD-Box. Heute stimmt das sicherlich nicht mehr,
aber eine angenehme Rauheit und Eigenheit ist
sehr wohl herauszuhören, nicht so brav wie eine
Dinner-with-Friends-Liste von Spotify. Hierzu kann
man volle und auch leere Teller an die Wand schmeißen
und das Mobiliar zertreten.
Div.: Restless! Reckless!
And Reviled!
(Famous Flames
Recordings/Cargo)